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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Übertragung der Telegraphen- und Telephonlinienbauten an die Privatindustrie.

(Vom 13. März 1906.)

Tit.

Anlässlich der Beratung des Voranschlages für das Jahr 190S wurde vom Nationalrate folgendes Postulat angenommen: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und Bericht zu erstatten, oh es sich für die Telegraphen- und Telephonverwaltung mit Rücksicht auf die Erstellungskosten und die raschere Ausführung der Linienbauten nicht empfehlen würde, diese der Privatindustrie zu übertragen, immerhin unter Vorbehalt der Materiallieferung durch den Bund."

Eine nach den verschiedensten Richtungen hin vorgenommene eingehende Prüfung der durch vorstehendes Postulat aufgeworfenen Frage hat uns in der Überzeugung bestärkt, dass die Überlassung, des Telegraphen- und Telephonlinienbaues an die Privattätigkeit für die Telegraphenverwaltung keine Vorteile bieten würde. Sollte dem Postulat Folge gegeben werden, so würde die dadurch bedingte Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse irn Gegenteil sowohl für die Verwaltung als auch für das Publikum Unzukömmlichkeiten der mannigfachsten Art zur Folge haben. Auch gestützt auf die eigenen und die Erfahrungen anderer Verwaltungen und Unternehmungen ist mit der feststehenden Tatsache zu rechnen, dass bei einer solchen Massnahme die Solidität und Widerstandskraft der Linienanlagen beeinträchtigt und damit die Sicherheit des Verkehrs gefährdet würde.

335Wenn wir uns daher gegen den Übergang des Linienbauea in die Hände der Privatindustrie aussprechen, so haben wir -- es sei dies ausdrücklich hervorgehoben -- lediglich den Bau von Luftlinien im Auge und nicht auch die Grab-, Maurer- und Pflästererarbeiten bei Kabellegungen, die Schlosserarbeiten etc.r die nach wie vor besser der Privatindustrie überlassen bleiben.

Die Gründe, welche für gewisse Spezialarbeiten die Inanspruchnahme der Tätigkeit von hierin erfahrenen Privatleuten al» zweckmässig und vorteilhaft erscheinen lassen, sprechen umgekehrt aber auch dafür, dass die Überlassung von Spezialarbeiten der Telegraphen verwaltung, das heisst der eigentliche Linien bau, au Private weder tunlich noch angezeigt wäre.

Zum nämlichen Ergebnis gelangen wir übrigens auf Grund nachstehender Tatsachen und Erwägungen : A.

Vom Jahre 1852 bis 1873 wurden sämtliche Linien bau tea und Reparaturen durch Private ausgeführt und auch später noch einzelne Strecken akkordweise vergeben, jedoch selten ohne nachteilige Folgen. Die den Bahnen entlang führenden Linien lagen in den Händea der Bahnmeister und brachten der Telegraphenverwaltung hohe Rechnungen, ohne dass wirklich gute Arbeit geleistet wurde. Kam es damals doch nicht selten vor, dass bei einem Unwetter mit etwas scharfen Windstössen ganze Reihen Telegraphenstangen niedergestreckt wurden und der Verkehr tagelang darunter litt. In der Festschrift auf das fünfzigjährige Jubiläum der schweizerischen Telegraphenverwaltung wird dieser misslichen Verhältnisse ebenfalls Erwähnung getan. Es heisst dort v Seite 68 ff: ,,Wie bereits erwähnt, war gemäss der bundesrätlichen Verordnung vom Jahre 1862 längs den Strassen die Überwachung und der Unterhalt der Linien, sowie die Besorgung kleinerer Linienreparaturen den kantonalen Strassenaufsehern und Wegmachern übertragen, zu welchem Zwecke die Telegraphenverwaltung das nötige Werkzeug und Material lieferte. Diese kantonalen Angestellten kamen jedoch in einzelnen Gegenden ihren Verpflichtungen nur in sehr mangelhafter Weise nach, wodurch sich die Verwaltung gezwungen sah, an vielen Orten eigene Personen zu bezeichnen, welche jeweilen bei Störungen die Linien sofort zu begehen hatten. Die Überwachung der letzteren liess infolgedessen im allgemeinen viel zu wünschen Übrig, zumal die Verwaltung,, mit seltenen Ausnahmen, über keine eigenen Angestellten ver-

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fügte, welche für den Zustand der Linien verantwortlich gemacht werden konnten.

Im Jahre 1869 machte man daher den Versuch, Unterhalt und Überwachung der Linien akkordweise geübten Arbeitern, sog. Linienaufsehern, zu übertragen, wie dies auch bei anderen Verwaltungen praktiziert wurde. Dieses System kam vorderhand hauptsächlich auf neuen, sowie auf mehrdrähtigen Linien in Anwendung. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass es schwierig sei, für diesen Zweck zu günstigen Bedingungen zuverlässige und erfahrene Leute zu finden, und dass die im Akkord angesfellten Arbeiter, trotz anständiger Bezahlung und trotz häufiger Kontrolle durch höhere Beamte, nur die allernotwendigsten Reparaturen vornahmen und die Linien nach und nach einem gänzlichen Verfall entgegengehen Hessen. Es wurden daher bereits im Jahre 1873 die meisten Verträge mit Linienaufsehern .gekündigt. An Stelle des aufgegebenen Systems trat ein neues, welches in periodischen Begehungen und Reparaturen der Linien durch eigene, im Taglohn bezahlte, sachkundige Arbeiter bestand, unter gleichzeitiger genauer Überwachung durch Organe der Kreisinepektionen, denen nicht zum wenigsten gerade zu diesem Zwecke Adjunkte beigegeben wurden. Diese Neuerung, welche sich gut bewährte, hatte eine erhebliche Verbesserung im Zustand der Linien und eine bedeutende Verminderung der Störungen zur Folge.

Es darf nicht übersehen werden, dass der Unterhalt der Linien in der Schweiz, der klimatischen Verhältnisse wegen, im allgemeinen viel mehr Schwierigkeiten bietet, als im Auslande.

In unseren Gebirgen können Schneefälle, Schneelawinen oder Stürme an den Linien ausserordentliche Verheerungen anrichten; auch sind die Gebirgslinien, an denen die Schweiz so überreich ist, oft nicht nur während mehreren Tagen, sondern sogar während mehreren Wochen absolut unzugänglich."

Die Telegraphenverwaltung hat also in langen Jahren reich lieh Gelegenheit gehabt, bezüglich der Vor- und Nachteile der Akkordarbeiten Erfahrungen zu sammeln. Das Schlussresultat war die vollständige Unterdrückung des Akkordsystems, mit den einleitend ausdrücklich hervorgehobenen Ausnahmen.

Allerdings gibt es heutzutage auch tüchtige, erfahrene Unternehmer und es sind die Verhältnisse in bezugö auf die LeistungsO fähigkeit der Privatindustrie bedeutend besser geworden. Allein die derzeitige
Organisation für Bau und Unterhalt der Staatslinien darf ohne Voreingenommenheit als eine im allgemeinen ihrem Zwecke entsprechendere bezeichnet werden. Der Verwaltung stehen zu jeder Zeit und an den verschiedensten Orten eine ge-

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äugende Anzahl sachverständiger Arbeiter unter Aufsicht eines geschulten Beamtenpersonals Zur Verfügung, um allen Eventualitäten so rasch zu begegnen, wie es einer Privatunternehmung kaum möglich wäre.

Auch bei den wichtigeren Starkstromunternehmungen dringt ·diese Einsicht je länger je mehr durch, und es gibt heute, also nur wenige Jahre nach ihrem Entstehen, nur noch einen kleinen Prozentsatz von ihnen, der sich nicht ausreichende eigene Arbeiterbestände beigelegt hat und der nicht seine Netzausbauten und Vergrösserungen in Regie ausführt.

Nachdem in jüngster Zeit immer mehr darauf hingearbeitet wurde, in bezug auf Ausrüstung, Material, Arbeiterorganisation und hinsichtlich anderer, unseren Verhältnissen angepassten sonstigen Einrichtungen sich der Arbeitsweise der Privatindustrie näher au bringen, ist ohne Zweifel der bedeutendste Schritt zur Aneignung ihrer Vorzüge getan worden, ohne dass wir auf der ändern Seite auf diese Weise die dem Privatbetrieb anhaftenden Mängel mit in den Kauf hätten nehmen müssen.

Dass Unregelmässigkeiten seitens der Arbeiter etwa vorkommen und die Aufsichtsbeamten es hie und da an der nötigen Umsicht und Energie fehlen lassen, kann nicht in Abrede gestellt werden, und es werden derartige Vorkommnisse bei der grossen Arbeiterzahl auch kaum ganz zu vermeiden sein. Wo aber solche Fälle zur Kenntnis der Verwaltung gelangen, wird gegen die Fehlbaren mit aller Strenge eingeschritten.

B.

Die Telegvaphenverwaltung besitzt gegenwärtig ein Telegraphennetz von 6034 km Linien mit 22,860 km Drähten und ein Telephonnetz von 16,318 km Linien mit 252,235 km Drähten.

Der Unterhalt der Netze erfordert eine jährliche Revision aller Linien mit bezug auf das Stnngenmaterial, auf die richtige Beschaffenheit aller Linienteile, und eine fortgesetzte genaue Überwachung und Kontrolle derselben hinsichtlich guter F-uaktion und guter Isolation. Hierfür ist eine Anzahl ständiger und erfahrener Arbeiter nötig, die ihre speziellen Linien- resp. Netzbezirke, sowie alle Boden- und Witterungsverhältnisse derselben aufs genaueste kennen. Bei eintretenden, nie ganz zu vermeidenden Störungen müssen Arbeitskräfte vorhanden sein, die, auf das ganze Landnetz richtig verteilt, eine rasche Hebung aus nächster Nähe besorgen können. Seit dem Entstehen und der grossartigen Entwicklung und ungeahnten Ausdehnung des Telephons, das sich in den entlegensten Seitentälchen und auf allen Anhöhen einzubürgern pflegt, Bundesblatt. 58. Jahrg. Bd. H.

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wäre es der Privatindustrie in der Regel kaum möglich, bei plötzlichem Eintritt von Störungen in ausgedehntem Masse rasch und p l a n m ä s s i g wieder Ordnung zu schaffen, wie dies mit den mit Weg und Steg vertrauten und bewanderten Telegraphenarbeitern ohne Schwierigkeit durchführbar ist. Für den Unterhalt des Netzes, der in e i n h e i t l i c h e r Weise besorgt werden muss, kann die Privatindustrie unmöglich beigezogen werden, weil es sich nur um unbedeutendere, vorübergehende Arbeiten handelt, die weder zum voraus genau abgeschätzt, noch für einen bestimmten Betrag vergeben werden können. Namentlich für Linienbauten im Innern von Netzen, bei Abonnentenanschlüssen und für hunderterlei kleiner Arbeiten, wie solche in einem Telephonnetz vorkommen, ist eine Verakkordierung zum vornherein ein Ding der Unmöglichkeit.

Da also in der vorwürfigen Frage Unterhalt und Reparatur ausser Betracht fallen müssen, bleiben für den einzelnen Unternehmer zu wenig Arbeiten übrig, und zwar an Zahl und Umfang,, als dass es sich für ihn lohnen würde, Arbeiter zu diesen Spezialaufgaben heranzubilden und ständig zu halten, worunter gegebenenfalls naturgemäss die Ausführung zu leiden hätte.

Auch spricht der Umstand, dass Neuanlagen relativ sehen zur Ausführung gelangen, ohne dass die Arbeiten durch Umbauten, Erweiterungen, Abänderungen etc. Komplikationen erfahren, gegen die Übertragung des Linienbaues an die Privatindustrie.

Die Idee, Arbeitsleistung und Materiallieferung zu trennen^ musa als unpraktisch bezeichnet werden, weil die richtige Verwendung des vom Bunde für bestimmte Zwecke gelieferten Materials nur dann zuverlässig kontrolliert werden könnte, wenn man zu einer permanenten Üeberwachung all dieser Arbeiten Zuflucht nehmen würde. Auf diese Weise aber benötigte die Telegraphenverwaltung in Zukunft ein Überwachungspersonal, das an Zahl den heutigen Bestand weit übersteigeo würde.

Da die Grosszahl der bedeutenderen Linien auf Bahngebiet steht, die Eisenbahnen selbst meist auch ihre eigenen Leitungen besitzen und zudem das Recht in Anspruch nehmen können, bis zu einem bestimmten Grade die Mitbenutzung der Anlagen der Telegraphenverwaltung zu beanspruchen, so steht keineswegs ausser allem Zweifel, ob diese Verkehrsanstalten zur Ausübung des Linienbaues durch Private auf ihrem Grund und Boden und an den zum
Teil durch sie benutzten Gestängen ihre Zustimmung geben würden. Es erscheint dies um so zweifelhafter, als ihr Telegraphen-, Telephon- und Signaldienst durch die Tätigkeit von vielleicht zu wenig vorsichtigen Privatarbeitern leicht Störungen» ausgesetzt sein dürfte.

339 Durch den Übergang des Linienbaues an die Privattätigkeit würde die Telegraphenverwaltung zu ihrem grossen Schaden ein in diesem Fach erfahrenes, speziell herangebildetes Beamtenpersonal einbüssen. Die im Laufe der Jahre erworbenen Kenntnisse und gemachten Erfahrungen würden mehr oder minder brach gelassen und gingen mit der Zeit ganz verloren, während doch im Interesse des Dienstes umgekehrt den Beamten nach Möglich- * keit Gelegenheit geboten sein sollte, ihre Ausbildung nach dieser Richtung zu vertiefen und zu vervollkommnen.

Nicht übersehen werden darf ferner, dass ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen den von grössern Elektrizitätswerken ausgeführten Linienbauten und den staatlichen Linien. Dort handelt es sich zumeist um Erstellung einfacher Linien mit schwerem Material und wenig Drähten auf offenem Terrain, bei der Telegraphenverwaltung hingegen um komplizierte Anlagen mit zahlreichen Drähten ohne grossen Durchmesser, meist auf Bahngebiet oder auf Gebäuden in Städten und Dörfern, so dass ein Vergleich kaum angängig noch von Wert sein dürfte.

C.

Allerdings geniesst die Privattätigkeit in weiten Kreisen den Ruf, im Vergleich zu staatlichen Betrieben rasch und billig zu arbeiten. Abar auch zugegeben, dass dem wirklich so sei, so würde die Telegraphenverwaltung dabei ihre Rechnung gleichwohl nicht finden, weil eben die Solidität der geleisteten Arbeit unter dem Bestreben der Akkordanten, in kürzester Frist möglichst viel zu verdienen, unverhältnismässig stark litte. Trotz der scheinbar grössern Kosten wird der Regiebetrieb uns dennoch billiger zu stehen kommen, weil infolge der qualitativ bessern Arbeit die Zahl der Betriebsstörungen und damit die Kosten des laufenden Linienunterhaltes ganz bedeutend verringert werden.

Sollten die im ganzen Land jeweilen auszuführenden Neubauten einem einzigen Unternehmer zugeschlagen werden, so müssten die Preisansätze mit Rücksicht auf die Transportkosten und Verköstigungsauslagen der Arbeiter derart anwachsen, dass die Erstellungskosten die derzeitigen Regieansätze weit übersteigen würden. Werden die Arbeiten jedoch verteilt, das heisst etwa durch Unternehmer der betreffenden Landesgegenden übernommen, so bleibt ihr Umfang zu gering, um dem einzelnen Unternehmer und seinen Arbeitern für das ganze Jahr oder auch nur für den grössten Teil desselben Verdienst zu verschaffen und um mit Rücksicht auf etwaige künftige Aufträge der nämlichen Gattung hierin geübte, also höher entlöhnte Arbeiter in der Zwischenzeit zu be-

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halten. Dies um so weniger, als das Telegraphen- und Telephonnetz im wesentlichen ausgebaut ist und nach einer strengen Bauperiode in einer bestimmten Landesgegend in der Regel dann eine solche relativer oder gar absoluter, anhaltender Ruhe einzutreten pflegt.

Da beinahe stets Neu- und Umbauten Hand in Hand gehen, so musate die Festsetzung des Einheitspreises auf Schwierigkeiten stossen und es würde dieser Einheitssatz, weil auf blosser Schätzung fussend, notgedrungen eher zu hoch ausfallen. Die Kosten für Studium der Vor- und Tracot'ragen hätte nach wie vor die Telegraphenverwaltung zu tragen. Dazu käme noch ihre Mitwirkung bei Anständen aller Art, die sich während des Baues ereignen würden. Wenn zudem der Gewinn- und Unkostenzuschlfig der Unternehmer, sowie die Kosten der notwendigen intensiven BauÜberwachung seitens der Telegraphenverwaltung in Betracht gezogen werden, so wird von einer Minderausgabe für die letztere kaum mehr die Rede sein können.

Wird ferner in Betracht gezogen, dass die Telegraphenverwaltung der besondern Verhältnisse wegen wenigstens für den Linien un t e r h a l t einen Stock geübter eigener Arbeiter zu halten gezwungen ist, so wäre es doch wenig haushälterisch, falls sie etwa in arbeitsärmeren Zeiten solche nicht zur Ausführung von Neubauten verwenden, sondern diese Bauarbeiten vergeben würde, während sie vielleicht gleichzeitig ihre eigenen Arbeiter weit weniger nutzbringend verwenden könnte.

Der Telegraphen- und Telephonliaieubau an sieb, namentlich auch im Hinblick auf die Starkstromleitungen und in erhöhtem Masse der Linienbau auf Bahngebiet birgt immerwährend Gefahren für Leben und Gesundheit der Arbeiter in sich und verlangt deshalb grosse Übung, Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit.

Dieser Umstand, verschärft durch die Tatsache eben der geringern Routine ihrer Arbeitskräfte, müsste Privatunternehmungen veranlassen, auf die Löhne einen unverhältnismässig hohen Zuschlag für Haftpflichtentschädigungen zu machen. Wurden doch von der Telegraphen Verwaltung in den Jahren 1897--1904 im D u r c h s c h n i t t zu diesem Zwecke jährlich Fr. 28,744 verausgabt oder Fr. 47 per Arbeiter, trotzdem sie für die schwierigeren Arbeiten meistens geübte Leute verwendet, ja sogar für einzelne Verrichtungen, wie Dachdeckerarbeiten und Spenglerarbeiten auf Dächern, nur Leute vom Fach
mit langjähriger Praxis als ständige Arbeiter einstellt.

All dies muss zur Überzeugung führen, dass Unternehmer unmöglich in der Lage wären, im ganzen genommen billigere Ein-

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D.

Der Unternehmer kennt selbstredend kein anderes Interesse als das seinige. Er wird aus jedem Unternehmen einen möglichst grossen finanziellen Gewinn zu erzielen suchen und dies wird er eben nur erreichen bei hohen Einheitspreisen und indem er sein Arbeiterpersonal besser ausnutzt oder ausbeutet, als die Vorschriften über das Anstellungsverhältnis der Telegraphen- und Telephonarbeiter es dieser Verwaltung gestatten. Bei ihr fällt der Unternehmergewinn weg, respektive er kommt grösstenteils in Form höherer Löhne den Arbeitern zu gute. Denn wenn wir die Arbeitsbedingungen der Unternehmer untersuchen, indem wir die von ihnen bezahlten Löhne mit denjenigen der Telegraphenverwaltung in Vergleich bringen, so bestätigt sich die Ansicht, dass es in der Hauptsache die starke und vorübergehende Heranziehung und Wiederabstossung billiger Arbeitskräfte ist, die hohen Gewinn des Arbeitsgebers ermöglichen. Wie gezeigt, sind jedoch für die besonderen, mit Gefahren verbundenen Arbeiten der Telegraphenverwaltung nur die besten Arbeiter gut genug. Sie sollen daher 'auch den verdienten Lohn für ihre Arbeit ganz erhalten und nicht eiuen gewissen Prozentsatz davon einem Dritten abtreten müssen.

Aus eigenem Antrieb sowohl als in Ausführung der fortschreitenden sozialen Gesetzgebung fördert und unterstützt der Bund direkt und indirekt, soweit dies angeht, und gerechtfertigt erscheint, Schutz und Besserstellung des Arbeiterstandes und strebt nach Verbesserung der Lage dieser Bevölkerungsschichten. Es dürfte sich nun höchst sonderbar ausnehmen, wollte diese nämliche Staatsgewalt hier im eigenen Wirkungskreis, wo sie direkt in diesem Sinn wirken und sich betätigen kann, nun plötzlich den entgegengesetzten Weg einschlagen, indem sie ohne Not den Verdienst zahlreicher Arbeiter durch deren Auslieferung an weniger gut zahlende Privatunternehmer schmälert.

Die Annahme des Postulates vorausgesetzt, möchte es gegenwärtig, wo die Arbeiterausslände wegen Lohnfragen an der Tagesordnung sind, seitens der zuständigen Staatsbehörde schwer zu verantworten sein, wenn sie, infolge ihres Abhängigkeitsverhältnisses von der Privatindustrie bezüglich Linienbau, i n d i r e k t durch einen solchen länger dauernden Lohnkampf in Mitleiden-

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sohaft gezogen würde. Da die Organe der Telegraphenverwaltung unter sotanen Umständen mangels eigener Arbeitskräfte nicht im stände wären, den Anforderungen des Linienbaues zu genügen, so würden durch soziale Erscheinungen der angedeuteten Art, als Folge der Ohnmacht der Monopolinhaberin, je nach den Umständen öffentliche und private Interessen wegen Stockung oder Unterbrechung von Telegraph und Telephon schwer geschädigt oder gefährdet.

Endlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass a l l e uns umgebenden Staaten für ihren Linienbau und Linienunterhalt ein eigenes, geschultes Personal verwenden. In einem dieser Länder ist der Bau von Telegraphen- und Telephonlinien Überhaupt, das heisst auch jener, die ausschliesslich Bahngesellschaften und Privaten dienen, seit 55 Jahren Staatsmonopol. Es müssen also wohl sehr gewichtige Gründe für das Regiesystem sprechen.

Aus den vorstehend dargelegten Gründen beantragen wir Ihnen Ablehnung dea Postulates.

B e r n , den 13. März 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Übertragung der Telegraphen- und Telephonlinienbauten an die Privatindustrie. (Vom 13. März 1906.)

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28.03.1906

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