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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Pierre Pisoni, Uhrenmachers, in Reconvillier (Tom 15. Mai 1906.)

Tit.

Am 21. November 1905 wurde Petent von einem bernischen Polizeiagenten ertappt, als er in der Kantine von Choindez an Privatpersonen Taschenuhren zum Verkaufe ausbot. Er hatte -deren sechs in einer Schachtel bei sich und bereits zwei abgesetzt.

Der Polizeiagent verzeigte den Pisoni wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden, worauf der Polizeirichter des Bezirkes Münster ihn zu Fr. 100 Geldbusse und Bezahlung der Gerichtskosten von Fr. 4. 45 verurteilte.

Pisoni hatte auf erhaltene Vorladung dem Richter erklärt, dass er sich dem Gesetze unterwerfe, immerhin habe er nicht gewusst, dass seine Handlung verboten sei, er habe lediglich auf eigene Rechnung eine Uhr verkauft, um sich einen kleinen Nebenerwerb zu verschaffen.

Nachdem das Urteil eröffnet worden, wendete sich Pisoni zuerst an die kantonalen und nach erhaltener Belehrung über die

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Kompetenzen an die eidgenössischen Behörden mit dem Ersuchen um Reduktion der Strafe auf einen seinem Vergehen angemessenen Betrag, sofern er überhaupt Strafe verdiene. Er wiederholt in tatsächlicher Beziehung, dass er den Verkauf der Uhren auf eigene Rechnung betrieben und dass dies geschehen sei, um für sich und seine Familie . etwas zu verdienen, nachdem er ohne sein Verschulden eine Zeitlang arbeitslos gewesen. Das Begnadigungsgesuch wird vom Gemeinderat Reconvillier und vom Regierungsstatthalteramt Münster warm zur Entsprechung empfohlen, und die Polizeidirektion des Kantons Bern macht darauf aufmerksam, dass das Verhalten des Pisoni richtigerweise als Übertretung des kantonalen Hausierergesetzes hätte geahndet werden sollen.

Das Bundesgesetz vom 24. Juni 1892, auf Grund dessen der Polizeirichter von Münster den Pisoni verurteilte, stellt die Handelsreisenden unter Strafe, welche auf eigene oder fremde Rechnung die Schweiz bereisen, um ihre Artikel an Geschäftsleute abzusetzen. Das hat aber Pisoni nach den vorliegenden Akten nicht getan, er hat nur einzelne Taschenuhren an Privatpersonen zu verkaufen gesucht. Der Richterspruch beruhte demnach auf einer irrtümlichen Gesetzesanwendung, und es rechtfertigt sich, denselben durch Begnadigung des Verurteilten aufzuheben und den kantonalen Behörden zu überlassen, bei Gutfinden den Fehlbaren nach ihren Polizeigesetzen zur Verantwortung zu ziehen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag:

Es sei die dem Pierre Pisoni auferlegte Busse durch Begnadigung zu erlassen.

B e r n , den 15. Mai 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Pierre Pisoni, Uhrenmachers, in Reconvillier (Vom 15. Mai 1906.)

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1906

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23.05.1906

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695-696

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