Bericht zur Abschreibung der Motion 14.3299 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates «Berücksichtigung von allgemeinen Abzügen und Sozialabzügen bei im Ausland beschränkt steuerpflichtigen Personen» vom 6. September 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2014

M 14.3299

Berücksichtigung von allgemeinen Abzügen und Sozialabzügen bei im Ausland beschränkt steuerpflichtigen Personen (S 17.6.2014, Kommission für Wirtschaft und Abgaben SR; N 11.12.2014)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. September 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Bericht 1

Ausgangslage

Am 29. April 2014 reichte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates die Motion 14.3299 mit dem Titel «Berücksichtigung von allgemeinen Abzügen und Sozialabzügen bei im Ausland beschränkt steuerpflichtigen Personen» ein.

Darin wurde der Bundesrat beauftragt, im Rahmen der Verhandlung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sicherzustellen, dass bei in der Schweiz ansässigen und im Ausland beschränkt steuerpflichtigen Personen allgemeine Abzüge und Sozialabzüge vollständig berücksichtigt werden.

Gegenstand der Motion sind die schweizerische Praxis, dass allgemeine Abzüge und Sozialabzüge nur proportional im Verhältnis zu den in der Schweiz steuerbaren Einkünften gewährt werden, und die Konsequenz, dass der Teil der Abzüge, der auf im Ausland steuerbare Einkünfte entfällt, nur geltend gemacht werden kann, sofern dies nach dem anwendbaren ausländischen Recht vorgesehen ist.

Die Problematik wurde im Bericht vom 29. Juli 20131 in Erfüllung des Postulats Kaufmann vom 5. Oktober 2006 (06.3570 «Benachteiligung des international tätigen Schweizer Flugpersonals») angesprochen. Das Postulat betraf insbesondere in der Schweiz ansässiges Flugpersonal mit beschränkter Steuerpflicht für den Lohn in Deutschland.

Mit der Motion Keller-Sutter vom 10. Dezember 2013 (13.4111 «Im Ausland beschränkt steuerpflichtige Personen. Allgemeine Abzüge und Sozialabzüge vollständig berücksichtigen») sollte der Bundesrat beauftragt werden, bei in der Schweiz ansässigen und im Ausland beschränkt steuerpflichtigen Personen durch eine Änderung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 19902 über die direkte Bundessteuer die vollständige Berücksichtigung von allgemeinen Abzügen und Sozialabzügen sicherzustellten. Gemäss Begründung der Motion können Abzüge im Ausland und insbesondere in Deutschland oft nicht geltend gemacht werden. Die Motion 13.4111 wurde zugunsten der vorliegenden Motion 14.3299 zurückgezogen.

Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion 14.3299. In seiner Stellungnahme hielt er fest, dass die Frage der Abzüge international nicht harmonisiert und daher traditionell dem nationalen Recht überlassen sei. Die anderen Vertragsstaaten werden sich daher in DBA kaum dazu verpflichten, für das bei ihnen steuerbare Einkommen Abzüge des schweizerischen Rechts zu gewähren. Daher bleibe als einzige Möglichkeit
eine einseitige Verpflichtung zulasten der Schweiz, Abzüge zu gewähren, die auf die im anderen Vertragsstaat steuerbaren Einkommen entfallen. In Frage komme dabei eine Gewährung dieser Abzüge ohne Bedingung oder aber unter der Bedingung, dass eine Geltendmachung im anderen Vertragsstaat nicht möglich ist. Eine bedingungslose Gewährung der betreffenden Abzüge lehnte der Bundesrat ab, da diese zur Überprivilegierung von Personen führt, die im Ausland bereits Abzüge gelten machen konnten; 1 2

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eine Umsetzung durch bedingte Gewährung der Abzüge scheitere an Umsetzungsproblemen. Es sei zu berücksichtigen, dass in den verschiedenen Staaten dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 der Bundesverfassung3) durch verschiedenste Abzüge oder auch durch tiefere Tarife Rechnung getragen werde. Daher sei eine Überprüfung der Gewährung von Abzügen im Ausland und der Frage, ob diese gegebenenfalls vergleichbar mit den schweizerischen Abzügen seien, sehr schwierig und zum Teil auch unmöglich. Der Bundesrat beurteilte die Motion als zu undifferenziert. Er erklärte sich aber dazu bereit, bei den gemäss dem Entstehungshintergrund der Motion im Vordergrund stehenden Härtefällen im Rahmen von DBA-Verhandlungen nach gezielten Lösungen zu suchen.

Die Motion wurde vom Ständerat am 17. Juni 2014 und vom Nationalrat am 11. Dezember 2014 angenommen.

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Konsultation

Der Bundesrat hat bei den Kantonen und der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) eine Konsultation durchgeführt, um Möglichkeiten zur Erfüllung der Motion zu identifizieren und die finanziellen Auswirkungen einer Umsetzung der Motion abzuschätzen. Die Kantone und die FDK wurden zu den folgenden Fragen konsultiert: ­

Art der Umsetzung: Davon ausgehend, dass im Rahmen von DBA-Verhandlungen eine Umsetzung zulasten des anderen Vertragsstaates meistens nicht möglich sein dürfte, stellt sich folgende Frage: Soll die Schweiz die allgemeinen Abzüge und die Sozialabzüge, die auf das im Ausland steuerbare Einkommen entfallen, bedingungslos gewähren oder nur dann, wenn eine Geltendmachung im Ausland nicht möglich ist?

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Finanzielle Auswirkungen: Die Kantone wurden gebeten, Angaben zu den Kürzungen der allgemeinen Abzüge und der Sozialabzüge zu machen und eine Einschätzung abzugeben, wie viele Personen von diesen Kürzungen betroffen sind.

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Ergebnisse der Konsultation

Stellung genommen haben die FDK und mit Ausnahme von Genf, Jura, Neuenburg und der Waadt alle Kantone. Die Stellungnahmen der Kantone entsprachen abgesehen von punktuellen Abweichungen einer von der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) ausgearbeiteten Vorlage.

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3.1

Stellungnahme zur Umsetzung generell

Die FDK hat sich zusätzlich zu den zwei erwähnten Fragen auch grundsätzlich zur Umsetzung der Motion geäussert. Sie lehnt eine vollständige Umsetzung ab, da dies teuer sei und die Steuerbürokratie fördern würde. Im Einzelnen dagegen sprächen die Steuersystematik, die international gelebte DBA-Praxis, massive Umsetzungsprobleme, die Verminderung des schweizerischen Steuersubstrats und mögliche Überprivilegierungen.

Ebenfalls abgelehnt hat die FDK zudem eine eingeschränkte Umsetzung auf von der Motionärin anvisierte Härtefälle, da dadurch die Ungleichbehandlung mit anderen Steuerpflichtigen verschärft würde.

3.2

Stellungnahmen zur Art der Umsetzung

Zur Art der Umsetzung haben sich alle Stellungnehmer geäussert. Die beiden vom Bundesrat vorgeschlagenen Varianten zur Umsetzung zulasten der Schweiz wurden von allen einhellig abgelehnt.

Gegen die bedingungslose Gewährung der Abzüge, die auf die im Ausland steuerbaren Einkünfte entfallen, wurde eingewendet, dass diese Umsetzungsart einseitig zulasten der Schweiz erfolgen würde und zu Überprivilegierungen durch doppelte Abzüge führen könne.

Eine Umsetzung durch Gewährung der betreffenden Abzüge unter der Bedingung, dass die Geltendmachung im anderen Vertragsstaat nicht möglich war, wurde als nicht praktikabel erachtet, da die Überprüfung der Bedingung sehr aufwändig und zum Teil gar nicht möglich sei. Abgesehen von sprachlichen Hindernissen bestehe die Schwierigkeit, dass zunächst festgestellt werden müsse, ob und wenn ja, welche Abzüge bzw. tariflichen Erleichterungen in einem betreffenden Staat gewährt wurden; in einem weiteren Schritt müsse dann abgeklärt werden, ob diese Abzüge und Erleichterungen nach dem ausländischen Recht mit den allgemeinen Abzügen und Sozialabzügen nach dem schweizerischen Recht vergleichbar sind.

Als alternativlos einzige Umsetzungsmöglichkeit wurde eine Regelung in den DBA befürwortet, nach der der andere Vertragsstaat jene Abzüge gewähren muss, die nach schweizerischer Praxis in der Schweiz nicht gewährt werden. Zudem wurde verlangt, von einer Regelung im DBA abzusehen, wenn der andere Vertragsstaat keine Abzüge gewährt, aber dafür tiefere Steuertarife anwendet.

Die FDK bezweifelte zugleich, ob sich eine solche Umsetzung zulasten des anderen Vertragsstaates in Verhandlungen von DBA durchsetzen lasse. Sie forderte daher, von einer Umsetzung ganz abzusehen, sofern die Umsetzung Konzessionen der Schweiz in anderen Regelungspunkten des DBA erfordert.

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3.3

Stellungnahmen zu den finanziellen Auswirkungen bei einer Umsetzung

Von den 22 Kantonen machten 8 Kantone ­ zum Teil bevölkerungsstarke ­ keine Angaben zu den finanziellen Auswirkungen der Motion. Eine vollständige Schätzung der Verminderung des schweizerischen Steuersubstrats bei einer Umsetzung der Motion ist daher nicht möglich.

Die Schätzungen jener Kantone, die Daten zur Verfügung gestellt haben, ergeben, dass in diesen Kantonen insgesamt rund 70 000 Personen von einer bedingungslosen Umsetzung betroffen wären und dass diesen Personen zusätzliche Abzüge von rund 117 000 000 Schweizerfranken zu gewähren wären. In diesen Kantonen dürfte sich das Steuersubstrat der natürlichen Personen bei einer vorbehaltlosen Umsetzung zulasten der Schweiz gesamthaft um diesen Betrag reduzieren.

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Fazit und Antrag auf Abschreibung der Motion

Die FDK stuft die Motion als grundsätzlich nicht umsetzbar ein. Die Kantone sehen ohne Alternative als einzige Erfüllungsmöglichkeit eine Umsetzung zulasten des Auslands, wonach sich die anderen Vertragsstaaten in den DBA dazu verpflichten würden, die in der Schweiz nicht gewährten Abzüge des schweizerischen Rechts im Rahmen ihrer Besteuerung zu gewähren.

Der Bundesrat beurteilt eine solche Umsetzung der Motion zulasten des Auslands als nicht realistisch und hat diese daher in der Konsultation der Kantone und der FDK auch nicht zur Disposition gestellt. Es ist unwahrscheinlich, dass sich ein Staat in einem DBA dazu verpflichten lässt, im Rahmen seiner Besteuerung Abzüge des schweizerischen Rechts zu gewähren. Die Frage der Abzüge und Tarife ist aufgrund der verschiedenartigen nationalen Systeme und der Komplexität international nicht harmonisiert, und die Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der UNO zum Abschluss von DBA enthalten dazu keine Vorgaben. Die Abzüge sind daher traditionellerweise dem nationalen Recht der Staaten überlassen und in den DBA nicht geregelt. Von diesem Grundsatz sind nur wenige Ausnahmen bekannt. Diese funktionieren aber nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz und schreiben nur die Gewährung von Abzügen vor, die auch im nationalen Recht des verpflichteten Staates existieren (vgl. z. B. Art. 18 Abs. 2 DBA vom 25. Oktober 19934 zwischen der Schweiz und Rumänien). Für eine Verpflichtung eines Staates zur Gewährung von Abzügen nach dem Recht eines anderen Staates ist hingegen kein Präjudiz bekannt. Vor diesem Hintergrund muss die von den Kantonen vorgeschlagene Umsetzungsmöglichkeit in DBA-Verhandlungen als nicht durchsetzbar angesehen werden. Die Stellungnahme der FDK bestätigt diese Einschätzung.

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SR 0.672.966.31

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Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Umsetzung zulasten der ausländischen Staaten am Widerstand dieser Staaten scheitern wird. Eine Umsetzung zulasten der Schweiz dürfte gemäss der durchgeführten Konsultation am Widerstand der Kantone gegen das betreffende DBA scheitern. Weitere Umsetzungsmöglichkeiten stehen nicht zur Verfügung. Die Motion ist deshalb nicht umsetzbar, und der Bundesrat beantragt deren Abschreibung.

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