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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs des Christian Fahrni, Fuhrhalter in Holligen bei Bern, gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 9. Dezember 1905, wegen Eintragung in das Handelsregister.

(Vom 16. Februar 1906.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über den Rekurs des Christian F a h r n i , Fuhrhalter in Holligen bei Bern, gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 9. Dezember 1905, wegen Eintragung in das Handelsregister; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgesetzt: I.

Auf Betreiben von Gläubigern wurde Christian Fahrni, Fuhrhalter in Holligen bei Bern, vom Handelsregisterführer von Bern zur Eintragung in das Handelsregister aufgefordert. Fahrni verweigerte die Anmeldung, worauf der Regierungsrat des Kantons Bern als Aufsichtebehörde mit Entscheid vom 9. Dezember 1905 die Eintragung des Fahrni verfügte, gestützt auf folgende Erwägungen :

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Fahrni besorgt einerseits als Unterakkordant des städtischen Kehrichtabfuhrunternehmers Hofstetter die Kehrichtabfuhr in der Stadt Bern, anderseits auf Grund eines mit der Baudirektion der Stadt Bern abgeschlossenen Werkvertrages sämtliche Fuhrungen von Kies und dergleichen in zwei Wegaufseherbezirken. Hierfür benötigt, er ständig zirka 20 Pferde nebst 10--15 Knechten; außerdem an gewissen Tagen ftir die Kehrichtabfuhr noch weitere 10 Angestellte. Die Besorgung dieser Fuhrungen bildet, abgesehen von einem wenig ausgedehnten und nur mit Rucksicht auf seinen Pferdebestand eingeführten Landwirtschaftsbetrieb, die einzige Erwerbsquelle fitr die Bestreitung seines Lebensunterhaltes und dio alleinige Grundlage seiner sozialen Existenz; außerdem ist auch das Requisit der Haltung eines Bureaus gegeben. Da nach dem Entscheid des Bundesrates in Sachen Rittermann unter einem ,,ständigen Bureau a nur ein ständiges Lokal zu verstehen ist, so sind die gesetzlichen Voraussetzungen zu einer zwangsweisen Eintragung des Fahrni in das Handelsregister vorhanden.

II.

Der unter lit. A., Ziffer l, erwähnte Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern wurde dem Fahrni am 23. Dezember 1905 eröffnet. Fahrni rekurriert mit Eingabe vom 26. Dezember rechtzeitig an den Bundesrat, mit dem Begehren der Aufhebung der regierungsrätliehen Schlußnahme. Den der regierungsrätlichen Entscheidung zu Grunde gelegten Tatbestand gibt er als richtig zu, dagegen behauptet er, daß er kein selbständiges Geschäft besitze. Auf der einen Seite sei er Unterakkordant, gleichsam Angestellter des Hofstetter, zur Besorgung der Kehrichtabfuhr; auf der ändern Seite stehe er zu der Baudirektion der Stadt Bern in einem gewissen Anstellungsverhältnis zur Besorgung von Kiesruhrungen. Diese letzterwähnten Fuhrungen seien Übrigens geringfügiger Natur, finden nur im Frühling und Herbst statt, und der jährliche Fuhrlohn hieraus belaufe sich im ganzen auf etwa Fr. 1000. Die ganze Fuhrhalterei werde zudem nicht gewerbsmässig betrieben, da Rekurrent dem Publikum seine Diense nicht anbiete.

III.

Mit Vernehmlassung vom 29. Januar 1906 beantragt der Regierungsrat des Kantons Bern, unter Verweisung auf die Erwägungen zu seinem Entscheid vom 9. Dezember 1905, es sei die Beschwerde abzuweisen.

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K.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Nach Art. 865, Absatz 4, des Obligationenrechtes, und der bundearätlichen Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt vom 6. Mai 1890, Art. 13, Ziffer l, lit. d, ist zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet, wer die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Sachen, Nachrichten u. s. w. unter Haltung eines ständigen Bureaus betreibt.

II.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um "den Betrieb einer Fuhrhalterei, also eines in Art. 13, Ziffer l, lit. d, vorgesehenen Handelsgewerbes. Rekurrent bestreitet jedoch seine Eintragspflicht, weil er seine Fuhrhalterei nicht gewerbsmäßig betreibe und weil er sich in einem Anstellungsverhältnis befinde, d. h. keinen selbständigen Betrieb habe.

a. Was den letzterwähnten Punkt, Selbständigkeit des Betriebes betrifft, so genügt es, auf den Gegenstand der vom Rekurreuten abgeschlossenen Verträge hinzuweisen. In dem Vertrag über Fuhrungen von Kies und dergleichen, den er mit der Stadt Bern abgeschlossen hat und von dem eine Abschrift bei den Akten Hegt, ist deutlich das Gewicht nicht auf die persönlichen Dienste des Rekurrenten gelegt, sondern auf das zu erzielende Resultat; der Vertrag selbst bezeichnet sich ausdrücklich als Werkvertrag; damit ist aber eine dienstliche Stellung, ein Abhängigkeitsverhältnis des Rekurrenten zur Stadt Bern ausgeschlossen, er steht ihr durchaus als selbständiger Unternehmer gegenüber. In dieser Lage befindet er sich auch, soweit die Kehrichtabfuhr in Frage steht; wenngleich er hier im Verhältnis zur Stadt Bern nur als Unterakkordant erscheint, so steht er doch zweifellos zu dem Unternehmer Hofstetter nicht in einem Anstellungsverhältnis; vielmehr ist auch dieser Vertrag als ein Werkvertrag zu charakterisieren, aus den gleichen Gründen wie sein Vertrag mit der Stadt Bern über die Kiesfuhren. Eine nicht geringe Unterstützung findet diese Anschauung in dem großen Umfang der Fuhrhalterei des Rekurrenten.

o. Daß das geforderte Kriterium der Gewerbsmäßigkeit des Betriebes nicht vorliege, kann nicht daraus geschlossen werden, daß Rekurrent sich hinsichtlich der Fuhrhalterei auf ganz wenige

509 bestimmte Unternehmufagen beschränke. Es muß auch hier daran festgehalten werden, daß eine Person dann gewerbsmäßig eine Unternehmung betreibt, wenn sie darin ihren Beruf und die Nutzbarmachung ihres Vermögens und ihrer Arbeitskraft sucht, wenn sie darin ihre soziale Existenz begründet. Vergleiche die Entscheide des Bundesrates in Sachen Kittermann vom 21. Juni 1900 (Bundesbl. 1900, III, 503/504), und Jules Picard vom 10. Juni 1901. Daß dies aber hier nicht zutreffe, ist gar nicht bestritten.

c. Was endlich des ,,Halten eines ständigen Bureaus" betrifft, so ist den Ausführungen der Vorinstanz beizupflichten, die übrigens in der Rekursschrift nicht bestritten werden.

d. Eine Untersuchung des jährlichen Umsatzes oder der Größe eines allfälligen Warenlagers des Rekurrenten ist unnötig, weil das von ihm betriebene Gewerbe nach Art. 13 der Verordnung vom 6. Mai 1890 über das Handelsregister schon seiner Natur nach der Eintragspflicht unterliegt. Vergleiche das Kreisschreiben des Bundesrates vom 11. Juli 1890, Ziffer III.

Demgemäß wird beschlossen: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 16. Februar 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Präsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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Bundesratsbeschluß über den Rekurs des Christian Fahrni, Fuhrhalter in Holligen bei Bern, gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 9. Dezember 1905, wegen Eintragung in das Handelsregister. (Vom 16. Februar 1906.)

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28.02.1906

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