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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beschaffung eines neuen Materials für die Gebirgsartillerie.

(Vom 20. Februar 1906.)

Tit.

In der Botschaft vom 1. Mai 1903 betreffend die Neubewaffnung der Feldartillerie haben wir auch den damaligen Stand der Versuche mit Gebirgskanonen und Haubitzen kurz erwähnt und darauf hingewiesen, dass mit diesen zwei Geschützarten noch weitere eingehende Versuche bei der Truppe nötig seien.

Die Versuche mit Haubitzen konnten aus verschiedenen Gründen nicht in gewünschter Weise gefördert werden. Die seither vorgenommenen Proben bestunden in einem grössern Präzisions- und Wirkungsschiessen, das im November 1903 von dei- Kommission für Neubewaffnung der Artillerie mit einem Modelle der Firma Krupp vorgenommen wurde und in der Erprobung durch die Truppe von zwei Geschützen des gleichen Modells im Wiederholungskurs der Positionskompagnie 4 im Jahr 1904. Wiewohl das Modell in der Hauptsache befriedigend funktionierte und auch die vorgeführte Munition genügte, so wurden doch bei einzelnen Konstruktionsdetails noch Verbesserungen als nötig erachtet. Inzwischen kamen auch von Seiten der Konstrukteure Neuerungsvorschläge, und man ist aus diesen Gründen mit den Haubitzen noch zu keinem Abschluss gelangt.

Weitere Versuche sollen demnächst stattfinden.

Mit dem G e b i r g s g e s c h ü t z konnten seit 1903 die Versuche derart gefördert werden, dass man nun zu einem Abschluss gelangt ist. Die Kommission hat über ihr Vorgehen und über die wichtigsten Versuchsresultate ihren Bericht mit

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Anträgen abgegeben und wir legen denselben dieser Botschaft bei. Überdies verweisen wir auf die Akten, welche sämtliche im Bericht erwähnten Beilagen enthalten.

Wie aus diesem Berichte hervorgeht, wurde das jetzige Gebirgsgeschütz 1877 eingeführt und im Laufe der Jahre verschiedenen Abänderungen unterworfen. Im Jahr 1893, anlässlich der Einführung des rauchschwachen Pulvers, wurde die Mündungsenergie des Geschosses und damit die Beanspruchung des Geschützes beim Schuss wesentlich erhöht. Dasselbe ist nun ausgenutzt und veraltet und entspricht den heutigen Anforderungen an ein Geschütz, wie sie seit Einführung der Rohrrücklaufgeschütze gestellt werden müssen, bei weitem nicht mehr. Schon zur Zeit der Einführung der jetzigen Gewehre wurde die Wünschbarkeit erkannt, dieses Geschütz durch ein neues zu ersetzen.

Die ersten Versuche mit neuern Modellen wurden in den Jahren 1890 bis 1892 vorgenommen, befriedigten aber nicht.

Auch bei der daraufhin veranstalteten Konkurrenz mit besonderem Programm wurden keine Modelle vorgeführt, die einen wesentlichen Fortschritt gebracht hätten. Erst nachdem sich beim Feldgeschütz die Rohrrücklaufkonstruktion bewährt hatte, fand dieses System auch beim Gebirgsgeschütz Eingang.

Im Jahr 1902 stellte die Firma Krupp ein Rohrrücklaufgebirgsgeschütz vor, das gleich bei den ersten Versuchen einen grossen Fortschritt erkennen liess. Dasselbe wurde in den Jahren 1902, 1903 und 1904, d. h. dreimal, bei der Truppe in Rekrutenschulen und Wiederholungskursen im Hochgebirge einlässlich erprobt und sukzessive verbessert und unsern Verhältnissen ange.passt. Bei diesen Versuchen kamen als Tragtiere sowohl Maultiere als Pferde zur Verwendung.

Da andere Modelle inzwischen nicht offeriert worden waren, so wurde für das Jahr 1905 dann noch ein Spezialkurs mit drei neuen in allen Details gleichen Geschützen der Firma Krupp veranstaltet. Diese Geschütze mussten angekauft werden, und es war ein weiterer Versuchskredit von Fr. 110,000 notwendig, welchen Sie uns in der Dezembersession von 1904 bewilligten (siehe Botschaft zum Budget pro 1905, Bundesbl. 1904, V, 576).

In diesem Spezialkurs, der mit einem schwierigen Marsch über einen noch mit viel Winterschnee bedeckten Pass abschloss, erwies sich, wie schon anlässlich der frühern Truppenversuche, die Rohrrücklaufkonstruktion auch beim Gebirgs-

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geschütz als feldtüchtig. An den dort vorgenommenen Gefechtsschiessen, denen auch die Kommission für Neubewaffnung der Artillerie beiwohnte, und bei welchen zum Teil mit extremen Erhöhungs- und Depressionswinkeln geschossen wurde, verhielten sich alle Teile des Geschützes in befriedigender Weise.

Ebenso bewährten sich im allgemeinen die von der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte angefertigten und sukzessive verbesserten Tragvorrichtungen, sowie die Umänderung des Ordonnanzbastsattels, der im Prinzip auch für das neue Geschütz Anwendung finden soll. Wesentliche Mängel und Übelstände des neuen Materials traten in diesem Kurse nicht mehr zu Tage.

Die Präzision und Schussweite des neuen Geschützes, das eine Nachbildung unseres Rohrrücklauffeldgeschützes mit hydraulischer Bremse und Federvorholung ist, übertrafen diejenigen des alten Gebirgsgeschützes ganz bedeutend. Da das Geschütz beim Schuss verhältnismässig ruhig steht, ermüden die Kanoniere bei der Bedienung nur wenig, und es wird dadurch eine ganz wesentliche Erhöhung der Feuergeschwindigkeit für längere Dauer ermöglicht.

Das Zerlegen und Zusammensetzen der Geschütze beim Auf- und Abbasten ging stets rasch vor sich und die Traglasten der einzelnen Tiere übersteigen nach den gemachten Erfahrungen die zulässigen Grenzen nicht. Auch beim Bewegen des Geschützes von Hand und beim Bergabschleppen haben die neuartigen Konstruktionsverhältnisse sich bewährt.

Wiewohl noch einige Abänderungen vorgesehen sind und auch die Munition (Einheitspatronen) im Hinblick auf deren Erstellung im Inland noch ausprobiert werden muss, so haben alle an den Versuchen Beteiligten nunmehr die Überzeugung, dass eine Konstruktion vorliegt, welche allen Anforderungen entsprechen wird, und die K o m m i s s i o n ist zum e i n stimmigen Beschluss gelangt, das vorlieg e n d e K r u p p s c h e 7, 6 cm. R o h r r ü c k l a u f g e birgsgeschütz mit den von ihr noch gewünschten Verbesserungen zur Einführung vorzuschlagen.

In Anbetracht, dass das jetzige Gebirgsgeschütz veraltet und in schlechtem Zustand ist, hält die K o m m i s s i o n dasselbe für nicht mehr feldtüchtig. Sie hat d a h e r im f e r nern einstimmig beschlossen, den Ersatz des j e t z i g e n G e s c h ü t z e s als d r i n g l i c h zu empfehlen. Wir müssen dieser Auffassung beipflichten und wün-

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sehen, dass die gegenwärtige Vorlage in der nächsten Session der Bundesversammlung erledigt wird.

Bezüglich Anzahl der zu beschaffenden Batterien und Geschütze und Munitionsdotierung verweisen wir auf unsere besondere Botschaft vom 20. Februar 1906 betreffend den E n t wurf eines Bundesgesetzes über die Neuo r d n u n g d e r G e b i r g s a r t i l l e r i e , i n welcher d i e dabei massgebenden Gesichtspunkte angeführt sind. Danach haben wir statt der bisherigen 4 Batterien zu 6 Geschützen, 6 Batterien zu 4 Geschützen vorgesehen, d. h. 24 Kontingentsgeschütze wie bisher. Dagegen müssen, in Anbetracht der im Vergleich zum alten Geschütze grössern Komplikation der Konstruktion und der Vermehrung der Zahl der Batterien, mehr Ersatzgeschütze vorgesehen werden. Wir setzen die benötigte Zahl einschliesslich eines Geschützes für Munitions- und Pulverproben auf 7 fest. Im fernem wird von der Instruktion dringend eine grössere Zahl von Schulgeschützen verlangt, einerseits um nicht im Unterricht gehemmt zu sein, anderseits um nicht, wie bisher, in den Rekrutenschulen Kontingentsmaterial verwenden zu müssen, welches dabei vorzeitig abgenützt wird. Die verlangten zwei vollständigen Schulbatterien und vier weitere Richtgeschütze halten wir auch im Hinblick auf die beträchtliche Vermehrung der Rekrutenzahl für absolut nötig.

Bezüglich der Munition, die gemäss vorgenannter Botschaft auf wenigstens 900 Schuss per Kontingentsgeschütz festgestellt werden soll, lässt sich, in Anbetracht der ändern Forderungen für Munitionsvermehrung, heute noch nicht übersehen, ob die> selbe in der gewünschten Frist in unsern Regiewerkstätten fa^ briziert werden kann oder nicht. Immerhin sind Modelle im Versuche, und es kann ein Entscheid vor Bestellung der Munition erfolgen. Der Kredit sollte jedoch so bemessen werden, dass die Bestellung d i e s e r Munition im Auslande n ö t i g e n f a l l s möglich ist.

Da die Neuordnung der Gebirgsartillerie nicht nur eine Vermehrung der Zahl der Einheiten (Batterien, Munitions- und Verpflegungssaumkolonnen) bringt, sondern auch eine wesentliche Vermehrung der Bestände an Mannschaften und Tragtieren der Einheiten, so muss auch das übrige Korpsmaterial (Bastgeschirre, Pferdeausrüstung, Hufbeschlagmaterial, Werkzeuge, Kampier-, Pionier-, Küchenmaterial u. s. w.) eine bedeutende Vermehrung erfahren, und es soll der Anlass benutzt werden, um fehlende Gegenstände anzuschaffen und die zum grossen Teil

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veralteten Stücke umzuändern oder durch neue, die dem Zwecke besser entsprechen, zu ersetzen. Insbesondere haben wir auch -die Einheitszelte vorgesehen, die die Truppe im Gebirge nicht vermissen darf. Nebstdem sind für das Aufbasten der Geschütze Traggestelle, für die Munition Bastkörbe nötig. Alles dieses Material, mit Ausnahme der Geschütze, soll möglichst im Inlande beschafft werden.

Das neue Material soll die offizielle Bezeichnung führen .,,G ebirgsartilleriematerial 1906tt.

Die Kosten für Beschaffung dieses Materials, einschliesslich Munition und Munitions- und Verpflegungssaumkolonnen, werden sich laut der den Akten beigelegten Berechnung auf Fr. 2,515,000 belaufen, sofern die Munition im Auslande erstellt werden muss. Kann letztere im Inlande erstellt werden, -so ergibt sich eine Reduktion von Fr. 324,000. Diese Kosten sollten auf die Betriebsrechnungen der Jahre 1906 und 1907 ·verteilt werden können, da in dieser Zeit die Beschaffung des Materials durchgeführt werden soll. In unserer Berechnung ist der Wert des aufzurüstenden bisherigen Materials der Batterien und Saumkolonnen bereits in Abzug gebracht.

Die Erstellung dieses Materials hätte im Anschluss an die Fabrikation des neuen Feldartilleriematerials zu geschehen und es könnte dasselbe voraussichtlich im Laufe des Jahres 1907 vollständig geliefert werden, beziehungsweise für die in der Botschaft betreffend die Neuorganisation der Gebirgsartillerie vorgesehenen Kurse zur Verfügung stehen.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des nachstehenden Bundesbeschlusses und benutzen den Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 20. Februar 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Beschaffung eines neuen Materials fUr die Gebirgsartillerie.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom.

20. Februar 1906, beschließt: Art. 1. Für die Gebirgsbatterien werden neue Geschütze mit der zudienenden Munition und dem zugehörigen.

Korpsmaterial nach dem von der Kommission für Neubewaffnung der Artillerie vorgeschlagenen Modell mit der offiziellen Bezeichnung .,,Gebirgsartilleriematerial 1906a eingeführt.

Art. 2. Der Bundesrat wird ermächtigt, die nötigen Maßnahmen zu treffen, um die Anschaffung und Erstellung des Materials und der Munition, sowie des für die Munitionsnnd Verpflegungssaumkolonnen der Gebirgsartillerie nötigen Korpsmaterials durchzuführen. Zu diesem Zwecke wird ihm ein Kredit von Fr. 2,515,000 bewilligt, der auf die Jahre 1906 und 1907 zu verteilen ist.

Art. 3. Dieser Beschluß tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beschaffung eines neuen Materials für die Gebirgsartillerie. (Vom 20. Februar 1906.)

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21.02.1906

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