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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Léon Froidevaux, Uhrmacher in Pruntrut.

(Vom 28. Mai 1906.)

Tit.

Froidevaux wurde durch Urteil des Richteramtes Pruntrut vom 21. Dezember 1905 wegen schuldhafter Nichtbezahlung der mit Inbegriff der Kosten Fr. 5. 80 betragenden Militärtaxe pro 1905 bestraft mit sechs Tagen Gefangenschaft und einem Jahr Wirtshausverbot. Er hat die Schuld laut Quittung des Sektionschefs am 2. Mai 1906 bezahlt und ersucht um Nachlass der Strafe mit der Behauptung, die rechtzeitige Leistung -der Steuer sei ihm nicht möglich gewesen, weil er beinahe während des ganzen Winters keine Arbeit gefunden, deren Ertrag für den Unterhalt seiner Familie hingereicht hätte.

Der Kreiskommandant von Pruntrut berichtet bei Überweisung des Potenten an den Richter : Die gesetzlich vorgeschriebenen Mahnungen seien erfolglos geblieben und der Pflichtige habe keine Beweismittel für Arbeits- und Verdienstlosigkeit beigebracht, man müsse annehmen, er hätte bei gutem Willen die Taxe wohl bezahlen können. Nach der eigenen Sachdarstellung des Froidevaux im Begnadigungsgesuche hat er in der ersten

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Audienz vom Richter Aufschub für nachträgliche Zahlung verlangt und erhalten und ist er erst verurteilt worden, als auch diese Frist erfolglos blieb.

Der Gemeinderat Pruntrut erklärt, sich nicht darüber aussprechen zu können, ob dem Gesuchsteller im gegebenen Momente die Leistung der Steuer möglich gewesen wäre; es sei nur bekannt, dass Froidevaux von Zeit zu Zeit wenig Beschäftigung hatte, aber wegen schlechter Aufführung, was auch das Einschreiten der Behörden notwendig gemacht habe. Immerhin dürfte es sich rechtfertigen, aus Rücksicht auf die Familie des Potenten, die Strafe auf die Hälfte zu ermässigen.

Laut einem Auszug aus dem Strafregister der bernischen Polizeidirektion wurde Froidevaux seit Juni 1900 vier Mal polizeilich vorbestraft, mit Arrest und Gefängnis wegen Übertretung des Wirtshausverbotes (2 Mal), Nachtlärm und Nichtbezahlung der Militärsteuer.

Die Akten bieten keine genügende Grundlage zu der Annahme, dass der Petent die Militärtaxe, deren Betrag nur unbedeutend war, ohne eigenes Verschulden nicht hätte rechtzeitig entrichten können. Was über sein Vorleben und sein Verhalten gegenüber den Militär- und Gerichtsbehörden bekannt ist, deutet vielmehr darauf hin, dass er in dieser wie in anderer Beziehung aus Mangel an gutem Willen und infolge schlechter Aufführung die ihm obliegenden Bürgerpflichten nicht erfüllt hat.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A nt r ag:

Es sei das Begnadigungsgesuch des Léon Froidevaux abzuweisen.

B e r n , den 28. Mai 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften Johannes Nötzli, Bohrer in Dietikon, Kanton Zürich.

(Vom 28. Mai 1906.)

Tit.

Nötzli war im Sommer des Jahres 1905 als Reserve-Wagenführer angestellt bei der Limmattal-Strassenbahn und bediente als solcher am Abend des 13. August einen von Schlieren nach Engstringen-Weiningen fahrenden Kurswagen. Auf offener Streke kam ihm dabei ein eingeschalteter Supplementwagen entgegen, der seinerseits rechtzeitig angehalten wurde, den aber der mit 20--25 Kilometer Schnelligkeit fahrende Nötzli erst auf eine Distanz von wenigen Metern bemerkte. Er versuchte, durch Anwendung der elektrischen Bremse einen Zusammenstoss noch zu vermeiden, aber vergeblich; die beiden Wagen kollidierten und dadurch in Verbindung mit dem heftigen Choc, den die Bremsung verursachte, wurde nicht nur ein Schaden von Fr. 274 am Rollmaterial herbeigeführt, sondern auch die körperliche Verletzung von zwei Insassen des von Nötzli geführten Wagens, mit Arbeitsunfähigkeit von l Monat resp. 2--4 Wochen.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Léon Froidevaux, Uhrmacher in Pruntrut. (Vom 28. Mai 1906.)

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1906

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30.05.1906

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