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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs der Aktiengesellgeschaft ,,Oberaargauische Bank" gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 22. Dezember 1905, wegen Eintragung in das Handelsregister.

(Vom 2. März 1906.)

D e r s c h w e i z e r i s c h eB u n d e s r a t hat

über den Rekurs der Aktiengesellschaft ,, O b e r a a r gauische Bank" gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 22. Dezember 1905, wegen Eintragung in das Handelsregister, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n B e s c h l u s s gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 23. November 1905 wurde in Aarwangen eine Aktiengesellschaft durch den Verwaltungsrat zur Eintragung in das Handelsregister unter der Firma ,,Oberaargauische Bank" angemeldet. Bevor jedoch der Registerführer die Anmeldung

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fertig eingetragen hatte, ersuchte ihn Notar Meyer, der Präsident des Verwaltungsrates der Oberaargauischen Bank, die Eintragung, beziehungsweise Publikation der fraglichen Firma zu sistieren, weil er als Präsident des Verwaltungsrates demissioniert habe. Ein Gesuch gleichen Inhaltes stellten die sämtlichen Mitglieder des Verwaltungsrates in einem vom 29. desselben Monats datierten Schreiben. Die Justizdirektion des Kantons Bern verfügte in den vom Registerführer eingeholten Weisungserteilungen und in einem Schreiben an Notar Meyer vom 4. Dezember, unter Hinweisung auf Art. 863, resp. 623 und 862 des Obligationenrechts, die Publikation im Handelsamtsblatt.

II.

Darauf betraten die Mitglieder des Verwaltungsrates der Oberaargauischen Bank unterm 6. Dezember 1905 den Beschwerdeweg, indem sie an den Regierungsrat des Kantons Bern das Begehren stellten, er möchte den Handelsregisterführer von Aarwangen anweisen, die Eintragung wieder zu löschen oder doch mindestens die Bekanntmachung derselben zu sistieren. Im Hinblick auf dieses Begehren verfügte die Justizdirektion die vorläufige Unterlassung der Publikation, die bis jetzt nicht erfolgt ist, da nie ein Auszug über die Eintragung an das eidgenössische Handelsregisterbureau abgeschickt wurde. Der Rekurs selbst wurde vom Regierungsrat mit Entscheidung vom 22. Dezember 1905 abgewiesen, aus folgenden Gründen : Ein formrichtiges, d. h. von sämtlichen Verwaltungsmitgliedern unterzeichnetes Gesuch ist beim Registerführer von Aarwangen erst nach erfolgter Eintragung eingelangt ; einer spätem Streichung steht entgegen die durch Art. 863, Absatz 2, und Art. 623 des Obligationenrechts u. a. für Aktiengesellschaften getroffene Spezialbestimmung, wonach dieselben nicht erst mit der Publikation, sondern schon mit der Eintragung in das Register Persönlichkeit erwerben ; auch die bundesrätliche Entscheidung vom 15. August 1905 in Sachen der Vereinigung der zürcherischen Kontrollbucbinhaber gibt nur dem Gedanken Ausdruck, dass eine vom Registerführer vorgenommene Eintragung nur dann rechüiche Wirkung erzeugt, wenn sie bei der in Art. 44 der Verordnung vom 6. Mai 1890 über das Handelsregister vorgeschriebenen Prüfung als gesetzmässig befunden wird, sie lässt nicht die Wirksamkeit einer Eintragung erst nach vollzogener Prüfung eintreten, da dies mit Art. 863 und 623 des Obligationenrechte unverträglich wäre ;

531 ·deshalb ist es auch nicht möglich, die fragliche Eintragung einfach zu annullieren, resp. die Publikation entgegen der strikten Vorschrift von Art. 862 des Obligationenrechts zu unterdrücken.

Da die Eintragung als perfekt zu betrachten ist, kann sie gemäss Art. 653 des Obligationenrechts und Art. 25 der Verordnung vom 6. Mai 1890 nur durch einen neuen Eintrag abgeändert werden, der hinsichtlich der Publikation von der frühern Eintragung völlig unabhängig zu behandeln ist.

III.

Gegen diesen Entscheid rekurrieren die Mitglieder des Verwaltungsrates der Oberaargauischen Bank mit Eingabe vom 9. Januar 1906 an den Bundesrat. Zur Begründung ihres Rekurses führen sie an : Die Anmeldung war im Momente des Rückzuges erst etwa :zur Hälfte eingetragen und die Gesellschaft demnach noch nicht handlungsfähiges Rechtssubjekt. Die angemeldete Gesellschaft hat sich seither aufgelöst, eine Publikation würde deshalb nutzlos sein und nur Kosten und sonstige Unannehmlichkeiten verursachen ; Drittpersonen sind in keiner Weise beteiligt.

IV.

In seiner Vernehmlassung vom 27. Januar 1906 beruft sich der Regierungsrat des Kantons Bern in allem wesentlichen auf seine frühem Erörterungen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Bei der Entscheidung vorliegender Beschwerde entstehen zwei Fragen : vorerst, in welchem Zeitpunkte eine Eintragung in das Handelsregister perfekt wird ; sodann, in welcher Form die Anmeldung zurückgezogen werden kann.

I.

Der bernische Regierungsrat stützt sich, um den Zeitpunkt der Perfektion eines Eintrags in das Handelsregister zu bestimmen, lediglich auf die Unterscheidung, die Art. 863 des schweizerischen Obligationenrechts in bezug auf die rechtlichen Wirkungen der Eintragung macht. Daraus, dass in einigen Fällen

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unmittelbar mit der Eintragung Dritten gegenüber Rechtswirkungen eintreten, in den übrigen Fällen erst mit der amtlichen Bekanntmachung, schliesst er, dass mit der Protokollierung der Anmeldung durch den kantonalen Registerführer die Eintragungperfekt sei, und dass die später auf Grund von Art. 44 der Verordnung vom 6. Mai 1890 über das Handelsregister vorgenommene Prüfung der Eintragung durch die eidgenössische Handelsregisterbehörde höchstens einen deklaratorischen Charakter besitze, in der Weise, dass nur gesetzmässig befundene Eintragungen rechtliche Wirkungen erzeugen können, nicht dassEintragungen erst mit der Prüfung und Bestätigung wirksam werden.

Dieser Anschauung entgegen muss festgehalten werden, was der Bundesrat in dem angerufenen Entscheid in Sachen der Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber vom 15. August 1905 ausdrücklich festgestellt hat : dass nämlich die Frage, in welchem Zeitpunkte' eine' Eintragung ihre Wirksamkeit äussert, nicht durch die Handelsregisterbehörden, sondern durch die Gerichte zu entscheiden ist ; dass aber anderseits die Frage, in welchem Zeitpunkte eine Eintragung in das Handelsregister vollzogen ist, eine Frage des Verfahrens ist. Art. l des Bundesgesetzes zur Ergänzung der Bestimmungen des Obligationenrechtes über das Handelsregister vom 11. Dezember 1888 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, ,,die Vorschriften über Führung und Beaufsichtigung der Handelsregister, über das bei den Eintragungen zu beobachtende Verfahren, die zu entrichtenden Taxen und die Beschwerdeführung, sowie über die Einrichtung des Handelsamtsblattes" zu erlassen. Durchaus auf dem Boden dieses Gesetzes steht der erwähnte Art. 44 der Verordnung vom 6. Mai 1890, der dem eidgenössischen Handelsregisterbureau die Pflicht überbindet, die Eintragungen in das Handelsregister auf ihre Gesetzmässigkeit zu prüfen. Eine solche Prüfung hat aber nur dann einen Sinn, wenn das eidgenössische Handelsregisterbureau gegebenen Falles gesetzwidrige Eintragungen zurückweisen kann ; eine Eintragung in das Handelsregister kann daher erst dann als endgültig erfolgt betrachtet werden, wenn sie vom eidgenössischen Handelsregisterbureau genehmigt ist. Die Genehmigung äussert sich in der Regel naturgemäss in der Publikation durch das Handelsamtsblatt.

Im vorliegenden Falle kann deshalb auch von einer perfekten Eintragung nicht gesprochen werden ; es muss vielmehr angenommen werden, dass eine solche noch nicht vorliegt.

533 II.

Ist nun aber die Eintragung in das Handelsregister mit der Protokollierung der Anmeldung durch den kantonalen Registerführer noch nicht perfekt, sondern erst mit der Prüfung und Genehmigung durch das eidgenössische Handelsregisterbureau, so kann auch die Folgerung nicht abgewiesen werden, dass bis zu dieser Prüfung und Genehmigung die zur Anmeldung legitimierten Personen ihr Gesuch wieder zurückziehen können (vgl.

Siegmund, Handbuch, S. 59--60, 293).

Im vorliegenden Falle ist es ohne weiteres klar, dass die Rekurrenten als Mitglieder des Verwaltungsrates zum Rückzuge der Anmeldung legitimiert waren.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs wird als begründet erklärt ; der angefochtene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 22. Dezember 1905 wird daher aufgehoben und der Handelsregisterführer von Aarwangen angewiesen, die in Frage stehende Eintragung zu annullieren.

B e r n , den 2. März 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft Eingier.

-J3KKSÏ-

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs der Aktiengesellgeschaft ,,Oberaargauische Bank" gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 22. Dezember 1905, wegen Eintragung in das Handelsregister. (Vom 2. März 1906.)

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07.03.1906

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