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Schweizerische Bundesversammlung.

In beiden Räten eröffneten am Montag den 19. November die Präsidien die Sitzung mit einem Nachruf auf den verstorbenen Nationalrat Sonderegger, zu dessen Ehren sich die Mitglieder von ihren Sitzen erhoben.

Die Rede des Herrn Nationalratspräsidenten Hirter lautete folgendermassen : Beim Zusammentritt der eidgenössischen Räte zur ausserordentlichen Herbstsession hatte ich Ihnen Kenntnis zu geben vom Rücktritte unseres Kollegen Herrn Karl Justin Sonderegger von Appenzell. Das Gefühl der Müdigkeit, das ihn zu diesem Schritte veranlasste, war der Vorbote des am letzten Freitag im Alter von 64 Jahren erfolgten Hinscheides, und heute geben ihm die Abordnungen der eidgenössischen Räte das Grabgeleite.

Schon in fast noch jugendlichem Alter, im Jahre 1863, begann die öffentliche Tätigkeit des hingegangenen Kollegen, als Landschreiber von Appenzell I./Rh., welchem Amt er bis 1869 vorstund.

1873 wurde er in die Regierang berufen als Erziehungsdirektor und 1875 an die Stelle eines Landesstatthalters. Von 1875--1877 vertrat er auch seinen Kanton irn Ständerat. Seit 1880 bis zu seinem Hinscheid gehörte er mit Unterbruch von 3 Jahren dem Nationalrate an, abwechselnd bekleidete er immer die Würde eines regierenden oder eines stillstehenden Landammanns.

Mit besonderer Hingabe wirkte Herr Sonderegger mit am Zustandekommen der Appenzellerbahnen, die seinem Heimatkanton den Anschluss an den Verkehr brachten.

Unentwegt hat er am Ausbau von Verfassung und Gesetzgebung Appenzells gearbeitet, wenn ihm auch nicht immer Frfolg beschieden war.

Landammann Sonderegger war vor allem ein Mann fleissiger, treuer Arbeit. Sie hat ihn, den Sohn einfacher Bauersleute, zum Besitzer des weitbekannten Gasthofes zum Hecht" vorwärts gebracht, und sein gerader Charakter hat ihm auch in seinen

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öffentlichen Stellungen das Vertrauen seiner Mitbürger erworben und erhalten.

Wir alle, meine Herren, werden dem jederzeit so pflichteifrigen, für sein Schweizerland begeisterten, durch klares und scharfes Urteil und durch offene Aussprache sich auszeichnenden Kollegen ein ehrenvolles Andenken bewahren.

Die ausserordentliche Session der tidg. Räte ist am 20. November 1906 geschlossen worden. Im Nationalist schloss Präsident Hirter Sitzung und Session mit folgenden Worten : Der ausserordentlichen Session, die heute ihren Abschluss findet, verleiht besonderes Gepräge die Beratung der Handelsverträge. Wenn auch die Genehmigung des Vertrages mit Frankreich durch den Senat noch aussteht, so darf nach den Mitteilungen des Buudesrates auch diese Übereinkunft als abgeschlossen betrachtet werden. Damit ist die Reihe der Verträge, zu deren Vorbereitung wir seinerzeit unsero neuen Generaltarif aufgestellt haben, abgeschlossen.

Nicht alle Erwartungen sind erfüllt worden, und mancher Erwerbszweig hat lange nicht das erhalten, was er sich versprochen hatte. Anderseits haben die Ansätze der Verträge «uch manche Härte des Generalzolltarifs beseitigt und manche Befürchtung beschwichtigt.

Nicht mit Begeisterung haben wir den einzelnen Verträgen zugestimmt. Der Hauptwort all dieser Abschlüsse liegt aber wohl darin, dasss nun auf Jahre hinaus die Grundlagen für den Verkehr mit den Vertragsstaaten neu geordnet sind, und dass auf Jahre hinaus Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft für Einund Verkauf im internationalen Verkehr mit Bezug auf die Zölle mit sichern Paktoren rechnen können. Alle Verträge sind auf länger als 10 Jahre abgeschlossen, mit Ausnahme der Übereinkunft mit Frankreich, und auch diese hat im Vergleich zu dem gegenwärtig bestehenden Abkommen eine festere Form erhalten.

Meine Herren, ich habe hier noch eine Pflicht zu erfüllen, diejenige, in Ihrem Namen den Männern aufrichtigen und warmen Dank auszusprechen, die seit Jähren am Zustandekommen der Handelsverträge mitgearbeitet haben, unsero Unterhändlern, vor allem ihrem erfahrenen Senior Herrn Oberst Künzli,'dann seinem so sachkundigen Kollegen Herrn Frey, die beide bei allen Verträgen mitgewirkt haben, aber ebensosehr auch Herrn Martin und

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Herrn Dr. Laur. die bei den letzten Abschlüssen, die am meisten Schwierigkeiten boten, mitarbeiteten. Dank und hohe Anerkennung spreche ich auch aus dem Bundesrate, den Vorstehern der zunächst beteiligten Departemente, besonders auch dem Chef des Handels- und Industriedepartementes, dem Nestor des Bundesrates, Herrn Bundesrat Deucher, den übrigen Mitgliedern der Delegation und auch dem Bundesrate als Gesamtbehörde.

Wir dürfen wohl hoffen, dass die zu stände gekommenen Verständigungen den Ausgangspunkt bilden für eine gesunde, ruhige Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse unseres Landes.

Mit dem Abschluss der Arbeiten für die Handelsverträge wird nun auch freie Bahn geschaffen für die Förderung der Lösung anderer Fragen, für die Beendigung des Zivilgesetzbuches, der Militärorganisation und auch für die Erfüllung einer seit langer Zeit bestehenden Verpflichtung für die Einführung der Unfall- und Krankenversicherung.

Ich erkläre die ausserordentliche Session für geschlossen und wünsche Ihnen glückliche Heimreise.

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