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Bundesblatt 104. Jahrgang

Bern, den 27. März 1952

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 3O Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Eappen die Petitzeile oder deren Baum., -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Kreisschreiben des

Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend die Beschäftigungslage im Baugewerbe (Vom 21. März 1952)

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Getreue liebe Eidgenossen !

In zwei gemeinsamen Besprechungen mit den Herren Begierungspräsidenten und durch unser Kreisschreiben vom 20. April haben wir Euch im vergangenen Jahre über, unsere Beurteilung der Beschäftigungsentwicklung im Baugewerbe orientiert und Euch ersucht, im eigenen Bereiche durch eine Herabsetzung der Bauaufwendungen nach Möglichkeit mitzuhelfen, die Baukonjunktur vor einer ungesunden Überspitzung zu bewahren. Nachdem wir in letzter Zeit die Aussichten des Baugewerbes für das laufende Jahr überprüft haben und dabei feststellen konnten, dass sich dessen Beanspruchung durch ein ungewöhnliches Bauvolumen gegenüber dem letzten Jahr kaum vermindern wird, erachten wir es erneut als notwendig, Euch darauf hinzuweisen, dass sich alle Stellen der öffentlichen Hand nochmals grösste Zurückhaltung bei der Vergebung von Bauaufträgen auferlegen müssen, wenn ein weiterer unerwünschter Preis- und Kostenauftrieb im Baugewerbe verhindert werden soll.

Wie gut die Beschäftigungsmöglichkeiten im baugewerblichen Sektor unserer Wirtschaft gegenwärtig sind, geht schon daraus hervor, dass sich die Bautätigkeit auch während der Wintermonate auf einem hohen Stand zu halten vermochte. Alle Anzeichen sprechen ferner dafür, dass mit dem Beginn der eigentlichen Bausaison die Bautätigkeit wiederum ähnlich lebhaft in Gang kommen wird wie letztes Jahr. Vorab werden die öffentlichen Aufträge erneut ein ganz beträchtliches Bauvolumen auslösen. Dies glauben wir - auch wenn die Ergebnisse der vom Delegierten für Arbeitsbeschaffung durchgeführten Erhebung noch nicht vorliegen - aus dem Bauprogramm des Bundes und aus Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. I.

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den uns bekannt gewordenen Baubudgets der Kantone und zahlreicher Gemeinden' ohne weiteres herauslesen zu dürfen. Vieles deutet sogar darauf hin, dass die öffentliche Bautätigkeit im laufenden Jahr diejenige des Vorjahres noch übersteigen könnte, weil einerseits zahlreiche öffentliche Hochbauten, wie insbesondere Schulhausbauten, unaufschiebbar geworden sind und anderseits der Ausbau des Haupt- und Alpenstrassennetzes nunmehr in grösserem Umfange in Gang kommt. Die öffentliche Bautätigkeit wird deshalb zumeist auch eine Kompensation für einen allfällig leichten Rückgang im Wohnungsbau schaffen, mit dem nach den Ergebnissen der Statistik über die baubewilligten Wohnungen nunmehr an manchen Orten zu rechnen sein wird. Der gewerbliche Bau dürfte sich im gesamten noch ungefähr auf der Höhe des Vorjahres bewegen. Aus einzelnen Wirtschaftsgruppen, insbesondere aus der chemischen Industrie und aus der Maschinenindustrie, ist bekannt geworden, dass im laufenden Jahr wiederum grosse Bauvorhaben verwirklicht werden sollen. In anderen Wirtschaftszweigen, in denen teilweise die Beschäftigungsaussichten unsicherer geworden sind, dürfte dagegen die gewerbliche Bautätigkeit eher zurückgehen.

Es ist deshalb anzunehmen, dass die Beschäftigungslage des Baugewerbes im laufenden Jahr nicht mehr überall so gleichmässig angespannt sein wird wie im vergangenen Jahr. Je nach der Entwicklung des Wohnungsbaus und des gewerblichen Baus kann sich in einzelnen Gegenden eine gewisse Normalisierung anbahnen, während sich in anderen Gebieten die Belastung des Baugewerbes sogar nochmals verstärken dürfte. Alles in allem genommen wird sich das Baugewerbe1 sicher wiederum vor ein Arbeitsvolumen gestellt sehen, das mit seinem normalen Leistungsvermögen nicht im Einklang steht.

. . Wir haben bereits erwähnt, dass der Kückgang in der Wohnbautätigkeit, dernach der Deckung des: Wohnungsmankos unvermeidlich sein wird, sich bereits an einigen Orten abzuzeichnen beginnt. Auch die Bautätigkeit im gewerblichen Sektor wird in absehbarer Zeit,, wenn die durch die jetzige Konjunkturlage .bedingten Erneuerungen- und : Erweiterungsvorhaben durchgeführt sein werden; wiederum zurückgehend Ferner, ist darauf hinzuweisen, dass das sehr hohe .Bauvolumen im Kraftwerkbau von jährlich rund 350 Millionen Franken nach .Vollendung der jetzt im Bau
befindlichen grossen Werke sich .bereits ab 1954 stark vermindern. und beispielsweise im Jahre 1955 nur noch rund 140 Millionen Franken ausmachen wird, falls nicht neue Werke in Angriff genommen werden. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass wir schon in einiger Zeit: .zur Aufrechterhaltung einer auch nur normalen Bautätigkeit immer mehr auf den öffentlichen Bau angewiesen sein könnten. Um,nun die Berjitschaft.der öffentlichen Hand, bei einem Eückgang der privaten Bautätigkeit allenfalls in die Lücke zu springen,, erneut festzustellen, beabsichtigt das,Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement im laufenden Jahr wiederum eine Erhebung über'das sogenannte Mehrjahresprogramm der öffentlichen Arbeiten durchzuführen. Wir möchten hier nachdrücklich darauf hinweisen, dass es sehr stark,von den Ergebnissen, dieser Erhebung abhangen wird, ob die Öffentlichkeit unseres Landes weiterhin das Vertrauen behält, dass Bund, Kantone

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Man wird zweifellos erwarten, dass nach der jetzigen Periode der Hochkonjunktur die Bereitschaft der öffentlichen Hand, durch eigene Aufträge Beschäftigungslücken auszufüllen, zum mindesten nicht schlechter sein wird als im Jahre 1949, in dem das MehrJahresprogramm zum letzten Male erhoben wurde.

Aber nicht nur der Gesamtumfang der bereitstehenden Aufträge sollte einen angemessenen Stand einhalten. Nachdem dank der allgemeinen guten Wirtschaftslage die Einnahmen der öffentlichen Hand während der letzten Jahre reichlich flössen, wird auch der Nachweis geleistet werden müssen, dass die finanziellen Vorbereitungen für die Arbeitsbeschaffung nicht vernachlässigt wurden. Man wird deshalb sicher mit besonderer Aufmerksamkeit darauf achten, ob der Vorrat an Arbeitsmöglichkeiten, für welche die Finanzierung bereits gesichert ist, eine wesentliche Steigerung erfahren hat. Wir möchten hier der Hoffnung Ausdruck geben, dass die Ergebnisse der neuen Erhebung über das Mehrjahresprogramm diese Erwartungen nicht enttäuschen werden.

Abschliessend und das bisher Gesagte zusammenfassend, möchten wir Euch nochmals ersuchen, zusammen mit den Gemeinden durch möglichste Zurückhaltung .bei der Vergebung öffentlicher Arbeiten einer ungesunden Häufung von Aufträgen für das Baugewerbe entgegenzuwirken. Nur dadurch wird es gelingen, den gefährlichen Preis- und Kostenauftrieb in diesem wichtigen Wirtschaftssektor abzubremsen und gleichzeitig eine genügende Eeserve an Arbeiten für jene Zeiten anzulegen, in denen das Baugewerbe auf zusätzliche Aufträge zum Durchhalten der einheimischen Arbeitskräfte sehr angewiesen sein wird. Wir haben - wie Ihr wissen werdet - vor kurzem beschlossen, dass die Departemente und Eegiebetriebe des Bundes ihre Bauprogramme soweit kürzen müssen, dass von den im Voranschlag für nicht begonnene Bauten bewilligten Krediten 20% -nicht beansprucht werden. Diese Einschränkungen beim Bund reichen aber zu .einer wirksamen Entlastung des Baugewerbes selbstverständlich nicht aus. Eure Mitarbeit ist unerlässlich, wenn die Baukonjunktur in gesunde Bahnen gelenkt werden soll.

. ' ·· Wir benützen auch diesen Anlass, um Euch samt uns dem Schutze des Allmächtigen zu empfehlen.

Bern, den 21. März 1952.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Kobelt :

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Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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27.03.1952

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