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No 45 # S T #

Bundesblatt

104. Jahrgang

Bern, den 30. Oktober 1952

Band III

Erscheint wöchentlich.

Preis 30 Franken im Jahr, Iß Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Happen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko au Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 74, 78, 79 und 80 und des neuen Artikels 80bis der Staatsverfassung des Kantons Schaffhausen (Vom 28. Oktober 1952) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die Stimmberechtigten des Kantons Schaffhausen haben in der Volksabstimmung vom 5. Oktober 1952 das vom Grossen Eat beschlossene Gesetz über die Abänderung der Artikel 74, 78, 79 und 80 der Staatsverfassung und deren Ergänzung durch einen neuen Artikel 80bis mit 7010 Ja gegen 4024 Nein angenommen. Mit Schreiben vom 8. Oktober 1952 ersucht der Regierungsrat um Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten: Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 74 Der Bezirksrichter beurteilt, soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt wird, endgültig : a. die Zivilstreitigkeiten im ordentliehen und beschleunigten Verfahren im Streitwert bis zu Fr. 200 ; b. die Streitigkeiten im summarischen Verfahren; Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. III.

Art. 74 Der Bezirksrichter beurteilt endgültig:

a. (Ohne Änderung.)

b. die gerichtlicher Beurteilung unterhegenden Polizeistraffälle; 25

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Bisheriger Text

Neuer Text

c. die einem Einzelrichter zugewiesenen Fälle der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit ; d. die gerichtlicher Beurteilung unterliegenden Übertretungsstraffälle ; erstinstanzlich: a. die Zivilrechtsfälle mit einemStreitwert von über Fr. 200 bis Fr. 1000, mit Ausnahme der Matrimonialfälle; b. die Ehr Verletzungsfälle.

c. die Streitigkeiten im summarischen Verfahren, soweit nicht der Eekurs gegen den Entscheid zulässig ist.

Art. 78 Für den ganzen Kanton wird ein Kantonsgericht mit mindestens fünf Mitgliedern bestellt, das vom Grossen Eat gewählt wird.

Erfordert die Geschäftslast eine Vermehrung der Zahl der Eichter, so kann sie vom Grossen Eat auf Antrag des Obergerichtes beschlossen werden.

Die Mehrheit der Mitglieder des Kantonsgerichtes muss aus den Be-" zirksrichtern entnommen werden.

Ein Dekret des Grossen Eates bestimmt, ob zwei Kammern gebildet werden und ob ein oder zwei Kantonsgerichtspräsidenten zu bestellen sind.

In allen Zivilprozessen sitzen nur drei Eichter.

Er beurteilt erstinstanzlich: a. die Streitigkeiten im summarischen Verfahren, soweit der Eekurs gegen den Entscheid zulässig ist; &. die ihm durch Gesetz zugewiesenen Fälic der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit ; c. die Zivilstreitigkeiten im ordentlichen und beschleunigten Verfahren mit einem Streitwert von 200 bis 1000 Franken; d. die Ehrverletzungsfälle, unter Vorbehalt von Artikel 79 Schlussabsatz.

Ausgenommen ist die Matrimonialgerichtsbarkeit.

Art. 78 (Ohne Änderung.)

(Ohne Änderung.)

Aufgehoben.

(Ohne Änderung.)

(Ohne Änderung.)

331 Bisheriger Text Der Kantonsgerichtspräsident wird aus der,Zahl der Kantonsrichter vom Grossen Rat gewählt.

Der Grosse Eat wählt die nötigen Ersatzrichter. Alle Bezirksrichter, die nicht zugleich Kantonsrichter sind, sind von Amtes wegen Ersatzrichter des Kantonsgerichtes.

Art, 79 Dem Kantonsgericht werden, sofern durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt wird, zur erstinstanzlichen Beurteilung folgende Fälle zugewiesen : die Zivilstreitigkeiten mit einem Streitwert über Fr. 1000: die Matrimonialf alle ; die Straffälle nicht polizeilicher Natur.

'

Art. 80 Für den Kanton besteht ein Obergericht von fünf Mitgliedern und fünf Ersatzrichtern, die; vom Grossen Eat gewählt werden. Der Obergerichtspräsident wird aus der Zahl der Oberrichter vom Grossen Eat gewählt.

Das Obergericht ist Appellationsinstanz in allen appellablen Zivil-, Matrimonial- und Straffällen; .

. ..

Kassationsinstanz für Nichtigkeitsbeschwerden gegen endliche Erkenntnisse der Bezirksrichter; Versicherungsgericht und Patentgericht ; Eekursinstanz in Steuersachen gemäss Steuergesetz.

Neuer Text (Ohne Änderung.)

(Ohne Änderung.)

Art. 79 Dem Kantonsgericht werden zur erstinstanzlichen Beurteilung folgende Fälle zugewiesen: (Ohne Änderung.)

die Fälle wegen Ehrverletzung durch die Presse, sofern eine Partei die Behandlung durch das Kantonsgericht verlangt. :

Art. 80 (Ohne Änderung.)

Das Obergericht ist zuständig für: a. die ihm durch die Gesetzgebung zur erstinstanzlichen Behandlung zugewiesenen Streitfälle ; b. für die Berufung gegen Urteile der Bezirksrichter und des Kantonsgerichtes ; c. für die Eekurse in Zivil- und Steuersachen ; d. für die Nichtigkeitsbeschwerden gegen Urteile der Bezirksrichter, des Kantonsgerichts und der Schiedsgerichte ; e. für Beschwerdesachen.

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Neuer Text Art. 80Ws Die Zivilgerichte haben im Bahmen ihrer Zuständigkeit auch nichtzivilrechtliche Ansprüche zu beurteilen, sofern deren Entscheidung nicht anderen Behörden übertragen ist. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.

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Durch diese neuen Verfassungsbestimmungen wird das Justizwesen durch einige Abänderungen in der Verteilung der Geschäfte unter den verschiedenen Gerichten teilweise neu organisiert. Der Gesetzgeber hat ebenfalls einige Bestimmungen den gegenwärtigen Verhältnissen angepasst. Die revidierten Verfassungsbestimmungen sehen die Möglichkeit vor, die Entscheidungen der Bezirksrichter, des Kantonsgerichtes und der Schiedsgerichte vor dem Obergericht mit der Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten. Der neue Artikel 80Ms gibt die Möglichkeit, nichtzivilrechtliche Ansprüche den Gerichten zur Beurteilung zu unterbreiten.

Die neuen Yerfassungsbestimmungen betreffen das Justizwesen, ein Gebiet, das der Zuständigkeit der Kantone überlasseh ist. Sie enthalten nichts, das den Vorschriften der Bundesverfassung zuwiderlaufen würde. Deshalb beantragen wir, die Gewährleistung des Bundes durch Annahme des mitfolgenden Beschlussesentwurfes zu erteilen.

Genehmigen Sie,. Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. Oktober 1952.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Kobelt Der Bundeskanzler: Ch. Oser

333 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 74, 78, 79 und 80 und des neuen Artikels 80bis der Staatsverfassung des Kantons Schaff hausen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung des Artikels 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 28. Oktober 1952, in Erwägung, dass die vorliegende Verfassungsänderung und -ergänzung nichts enthält, das dem Bundesrecht widerspricht, beschhesst : Art. l

Der in der Volksabstimmung vom 5. Oktober 1952 beschlossenen Änderung und Ergänzung der Staatsverfassung des Kantons Schaffhausen (Art. 74, 78, 79, 80 und 80Ms) wird die Gewahrleistung des Bundes erteilt.

Art. 2

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 74, 78, 79 und 80 und des neuen Artikels 80bis der Staatsverfassung des Kantons Schaffhausen (Vom 28. Oktober 1952)

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Jahr

1952

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6351

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.10.1952

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329-333

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