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Bundesblatt 104. Jahrgang

Bern, den 17. April 1952

Band I

Erscheint wöchentlich.

Preis 30 Franken im Jahr, IG Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr EinrücJcungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Haum. -- Inserate franko an Stampali & de, in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei (Vom 9. April 1952)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Nach den Bestimmungen des Artikels 3 des Bundesgesetzes .vom 22. Juni 1877 betreffend die Wasserbaupolizei hat der Bundesrat im allgemeinen darüber zu wachen, dass von Gewässern, die der Oberaufsicht des Bundes unterliegen, kein dem öffentlichen Interesse nachteiliger Gebrauch gemacht wird. Gewässer, deren Korrektion, Verbauung oder Eindämmung mit Beiträgen des Bundes ausgeführt wurden, dürfen zu gewerblichen Zwecken nur; unter schützenden Bestimmungen, die vom Bundesrate festzusetzen sind, benützt werden. Der Bundesrat ist berechtigt, Arbeiten, deren Wirkungen nachteilig sind, zu untersagen, und, wo solche schon hergestellt wären, deren Entfernung zu verlangen.

Obwohl das Wasserbaupolizeigesetz aus dem Jahre 1877 in weiser Voraussicht sehr allgemein gehalten ist, erscheint es zweckmässig, es heute mit Bückgicht auf die gewaltige Entwicklung auf dem Gebiete der Technik im Wasserwirtschaftswesen zu ergänzen. Der Bau von Talsperren zum Zwecke der Ansammlung gewaltiger Wassermengen bringt es mit sich, dass dem Bund heute viel weitergehende Kompetenzen sichernder Natur eingeräumt werden müssen, als das im letzten Jahrhundert noch notwendig war. Daher sah sich der Bundesrat während des letzten Aktivdienstes gezwungen, durch einen Vollmachtenbeschluss besondere Schutzmassnahmen anzuordnen.

Der nicht veröffentlichte und gestützt auf Artikel 3 des Bundesbeschlusses vom 30. August 1939 über Massnahinen zum Schutze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität erlassene Bundesratsbeschluss vom 7. September Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. I.

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702 1943 über den Schutz schweizerischer Stauanlagen ordnet neben dem aktiven ~ und passiven Schutz von Staumauern gegen kriegerische Einwirkungen im wesentlichen die Bewirtschaftung und Absenkung von Stauseen und die Erstellung von Wasseralarmeinrichtungen für die gefährdeten Talschaften. Er regelt die Zuständigkeit zur Anordnung der im Einzelfalle notwendigen.Schutzmassnahmen und enthält Strafbestimmungen für den Fall der Missachtung von Anordnungen der. zuständigen Behörden. Mit Beschluss vom 29. Juni 1945 hat der Bundesrat im Zusammenhange mit der Beendigung des Aktivdienstzustandes .das Eidgenössische Militärdepartement ermächtigt, in der Anwendung des noch heute in Kraft stehenden Bundesratsbeschlusses vom 7. September 1943 Erleichterungen zu gewähren. Die Weisungen betreffend Bewirtschaftung der Wasserkräfte wurden aufgehoben. Anderseits wurde ausdrücklich angeordnet, dass Stauanlagen in Zukunft so erstellt werden müssen, dass sie gegen Zerstörungen möglichst widerstandsfähig sind. Die Massnahmen für die Abwehr von Zerstörungen und den Schutz der Unterlieger müssen jederzeit rasch betriebsbereit gemacht werden können.

Die heute noch auf Vollmachtenrecht sich gründenden Befugnisse des Bundes müssen in die ordentliche Gesetzgebung übergeführt werden. Diese Notwendigkeit haben die eidgenössischen Räte auf dem Gebiete der Schutzmassnahmen für Stauanlagen anlässlich der Behandlung der Motion Germanier im Juni und September 1950 noch besonders bejaht. Der Nationalrat hat dieser Motion zugestimmt und damit den Bundesrat eingeladen, den eidgenössischen Bäten einen Gesetzesentwurf über Staumauern zu unterbreiten, welcher die Interessen der Landesverteidigung und der bedrohten Bevölkerung mit der wohlbegründeten Förderung unserer Elektrizitätswirtschaft in Einklang bringt.

Der Ständerat lehnte die Erheblicherklärung der Motion in der Meinung ab, dass der Erlass eines1 besonderen Gesetzes nicht notwendig sei und eine blosse Ergänzung des Wasserbaupolizeigesetzes genüge. Er stimmte einem Postulat zu mit folgendem Wortlaut: «Der Bundesrat wird eingeladen zu prüfen und darüber Bericht und Antrag zu erstatten, wie das Wasserbaupolizeigesetz von 1877 ergänzt werden kann, um die Interessen der Landesverteidigung und der durch Speicherwerke bedrohten Bevölkerung mit der wohlbegründeten Förderung unserer
Elektrizitätswirtschaft in Einklang zu bringen».

Allerdings hat das Bundesgericht in seinem Entscheide vom 19. Mai 1949 in der Angelegenheit Cleuson die Kompetenz des Bundesrates, sein Oberaufsichtsrecht auf Grund des Artikels 3 des Wasserbaupolizeigesetzes auch auf die Staumauern anzuwenden, bejaht. Dabei ist aber die Frage offen gelassen worden, ob Artikel 3 des Wasserbaupolizeigesetzes alle Massnahmen decken und stützen könnte, die der Bundesrat unter Umständen auf dem Gebiete des Baues und des Betriebes von Talsperren als notwendig erachtet, ; namentlich auch die Schutzmassnahmen, die er bisher auf Grund des Vollmachtenrechtes angeordnet hat. Nach eingehender Prüfung der Angelegenheit sind wir zur

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Auffassung gekommen, dass es zweckdienlich sei, das Wasserbaupolizeigesetz zu ergänzen.

Diese Gesetzesergänzung bildete schon seit langer Zeit Gegenstand von Beratungen zwischen den in Betracht kommenden eidgenössischen Départe^ menten wie auch zwischen diesen und den an der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft interessierten Kreisen. Der Entwurf zu einer, Gesetzesergänzung wurde allen Kantonen, der Eidgenössischen Wasserwirtschaftskommission und mehreren Verbänden, nämlich dem Verband Schweizerischer Elektrizitätswerke, dem Schweizerischen Elektrotechnischen Verein und dem Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband, zur Vernehmlassung zugestellt. Diese er, hielten noch, soweit sich dies als notwendig erwies, Gelegenheit, ihre Stellungnahme in mündlicher Aussprache näher zu begründen. Die vom Bundesrat beantragte Gesetzesergänzung trägt dem Wunsche der eidgenössischen Bäte und damit den tatsächlichen Bedürfnissen zum Schutze der im Bereiche der Gefahrenzone von Stauanlagen wohnenden Bevölkerung Bechnung. Dass bei dieser Forderung nach möglichster Sicherheit die volkswirtschaftliche Bedeutung der Wasserkraftwerke nicht unbeachtet bleiben darf, ist selbstverständlich. Wir waren bestrebt, die Gesetzesergänzung so vorzunehmen, dass sie im Sinne und Geiste des Postulates auch, dieser Seite des Problems gerecht wird und die Befürchtungen der Elektrizitätswerke vor übertriebenen Forderungen zerstreut. Es liegt uns sehr daran, Ihnen eine Vorlage zu unterbreiten, auf die auch die Elektrizitätswerke schliesshch sollten eintreten können.

Bei der Vorberatung der Vorlage wurde Kritik daran geübt, dass die in Frage stehenden Massnahmen auf die Elektrizitätswerke beschränkt werden.

Auch die Bombardierung eines grossen Gaswerkes oder eines wichtigen Bahnhofes könne bedeutende Schäden zur Folge haben. Das,ist an sich richtig.

Immerhin muss bemerkt werden, dass bei der Zerstörung, einer Talsperre der betroffene Gefahrenkreis besonders gross ist und Schaden von katastrophalem Ausmass entstehen kann. Es besteht hier im Gegensatz zu andern Gebieten industrieller Tätigkeit die Möglichkeit, auf dem verhältnismässig einfachen Weg einer Gesetzesergänzung in der ordentlichen Gesetzgebung eine einwandfreie Grundlage für die Anordnung der erforderlichen Schutzmassnahmen zu schaffen. Es sei beispielsweise auch daran
erinnert, dass mit Bücksicht auf ihre erhöhten Betriebsgefahren die Eisenbahnen und die Starkstromanlagen besonderen Sicherheitsvorschriften unterstellt wurden.

, ; Die auf Grund des neuen Artikels 3Ws zu treffenden Massnahmen stützen sich, soweit sie wasserbaupolizeilicher Natur sind, auf Artikel 24 BV. Da aber die Gesetzesergänzung auch noch Massnahmen zum Schutze gegen Kriegshandlungen zum Ziele hat, für die Artikel 24 BV keine hinlängliche Basis bilden dürfte, wie die Errichtung von Seilsperren und das Anbringen von Fangnetzen, haben wir ihr durch Anführung von Artikel 85, Ziffer 6 B V eine breitere verfassungsmässige Grundlage gegeben. Weil im Zusammenhang mit der Frage der Sicherheit ebenfalls die wirtschaftliche Ausnützung der Wasserkräfte berücksichtigt werden soll, wird im Ingress auch Artikel 24bls BV erwähnt.

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Die Einrichtungen zur Stauhaltung bergen gewisse Gefahren in sich, die sich insbesondere im Falle einer Zerstörung oder starken Beschädigung von Talsperren katastrophal auswirken können. Der Bund muss daher im öffentlichen Interesse die Befugnis haben, alle Massnahmen zu treffen, um Gefahren und Schädigungen tunlichst zu vermeiden. Schon bei der Projektierung und Ausführung von Wasserkraftanlagen müssen die Einrichtungen zur Stauhaltung so vorgesehen und erstellt werden, dass sie nicht nur den normalen betriebstechnischen Anforderungen genügen, sondern auch gegen Zerstörung infolge betriebsfremder Einwirkungen möglichst grosse Sicherheit vor allem für die unten liegenden Talschaften bieten. Auch einem genügenden Unterhalt der Bauwerke muss die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die einmal erstellten Kraftwerke müssen auch gegen kriegerische Einwirkungen bestmöglich geschützt werden. Besondere Schutzmassnahmen wie Erstellung von Seilsperren und Fangnetzen sowie von Wasseralarmeinrichtungen sind rechtzeitig anzuordnen und den fortschreitenden Möglichkeiten der Technik anzupassen.

Den mit den Talsperren verbundenen Gefahrenmomenten kommt in Zeiten einer gespannten internationalen Lage oder gar im Kriegsfälle stark erhöhte Bedeutung zu. Zum Schutze der unterliegenden Bevölkerung, der gefährdeten Strassen und Eisenbahnen und nicht zuletzt der allfällig betroffenen rein militärischen Interessen muss als wirksame Massnahme auch die Absenkung der Stauseen angeordnet werden können. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass trotz der grössten Aufmerksamkeit es ausserordentlich schwer ist, zu bestimmen, ob und wann die Absenkung beginnen soll. In den meisten Fällen beansprucht die Durchführung der Absenkung Tage und Wochen, so dass sie vielleicht nicht rechtzeitig erfolgen kann. Es ist ausserdem darauf hinzuweisen, dass eine vorsorgliche Absenkung grosse Nachteile für die Volkswirtschaft hat und daher in möglichst beschränktem Masse zur Anwendung kommen sollte. Die Absenkung durch die Entleerungsorgane entzieht dem Lande Energie in einem Moment, wo die Brennstoff zufuhren vermutlich aufhören, die Industrie voll beschäftigt ist und deren Arbeitsvermögen im Interesse des Landes: aufrecht erhalten werden muss. Je grösser die Sicherheit ' ist, die eine Talsperre bietet, in um so geringerem Masse
hat eine vorsorgliche Absenkung, die einem Energieverlust gleichkommt, zu erfolgen. Neben den Absenkungsvorbereitungen muss aus diesen Gründen schon bei der Erstellung neuer Anlagen alles getan werden, um die Standsicherheit und den Schutz von Talsperren zu erhöhen.

Das vom Ständerät angenommene Postulat hatte den Schutz der Interessen der Landesverteidigung und der Bevölkerung vor den Gefahren der Speicheranlagen im Auge, und es waren unter Speicheranlagen vor allem die Einrichtungen zur Stauhaltung gemeint. Wir sind der Auffassung, dass sich die Gesetzesergänzung nicht nur auf eigentliche Speicheranlagen, sondern auf alle Wasserwerke mit Einrichtungen zur Stauhaltung zu erstrecken hat. Erforderlichenfalls sollten sich die Schutzmassnahmen, ausser auf die Einrich-

705 tungen zur Stauhaltung, auch auf weitere hydraulische Teile von Wasserwerken, wie z. B. die Druckleitungen mit ihren Abschlussorganen, beziehen können.

Die durch den Bundesrat nach Anhörung der Kantone und der interessierten Kreise zu erlassenden Vorschriften werden die Objekte zu bezeichnen haben, die unter Absatz l des neuen Artikels fallen. Den Geltungsbereich des Absatzes auch auf andere Anlageteile als die hydraulischen auszudehnen, wie z.B. die Transformatoren, könnten wir im Eahmen einer Ergänzung des Wasserbaupoh'zeigesetzes nicht empfehlen. Die für die elektrischen Anlageteile allenfalls vorzusehenden Schutzmassnahmen sind auf andere, bestehende oder noch zu schaffende- gesetzliche Grundlagen zu stützen. Es sei in diesem Zusammenhang auf das Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 über die elektrischen Anlagen und die zugehörigen Ausführungsvorschriften verwiesen.

Damit der Bund der soeben umschriebenen Sorge für den Schutz der Stauanlagen genügen kann, soll dem Bundesrat im Gesetz selber das Eecht eingeräumt werden, die erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Er kann die Kantone mit dem Vollzug beauftragen. Angesichts der Bedeutung der Schutzmassnahmen und der Schwierigkeiten, die bei ihrer Durchführung entstehen können, muss dem Bund auch die Möglichkeit gegeben werden, durch seine Organe die Kontrolle und die Aufsicht nötigenfalls selbst auszuüben.

Ausserdem soll allgemein die Pflicht, die Pläne zur Genehmigung vorzulegen, gesetzlich verankert werden. Es erscheint zweckmässig, dies ausdrücklich festzustellen, weil Artikel 21, Absatz 3, des -Bundesgesetzes vom 22. Dezember 1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte eine solche Pflicht nur bei Wasserwerken an Gewässern vorsieht, die mit Hilfe von Bundessubventionen korrigiert worden sind und anderseits das Wasserbaupolizeigesetz eine generelle Genehmigungspflicht nicht vorschreibt. Sie musste bisher auf dem Wege der Interpretation aus dem Oberaufsichtsrecht über die Wasserbaupolizei, das sich auf alle schweizerischen Gewässer bezieht, abgeleitet werden, was immer wieder zu Diskussionen Anlass geben kann.

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Während des letzten Aktivdienstes hat es sich als, zweckmässig erwiesen, die Befugnisse zur Anordnung von Massnahmen zum Schutze der Stauanlagen gegen kriegerische Einwirkungen dem Armeekommando: zu übertragen. Bei Gefahren für
die Sicherheit, die Unabhängigkeit oder die Neutralität der Schweiz sollte diese Möglichkeit der Kompetenzübertragung wieder vorgesehen werden.

Was die sehr einschneidende Massnahme der Absenkung von Stauseen anbetrifft, so soll sie vor dem Ausbruch von Feindseligkeiten nur durch den Bundesrat angeordnet werden können, der bei einem solchen. Entscheid die militärischen wie auch die wirtschaftlichen Gesichtspunkte zu würdigen hat. Falls die Schweiz in einen Krieg verwickelt würde, könnte der Bundesrat auch diese Befugnis dem Armeekommando bzw. dem Oberbefehlshaber der Armee übertragen.

Der Grad der bei Kraftwerkanlagen zu verlangenden Sicherheit ist nach den bei einer Zerstörung des betreffenden Bauobjektes zu erwartenden Schäden und den für die erhöhte Sicherheit nötigen Mehraufwendungen zu beurteilen.

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Es gibt keine absolute Sicherheit. Unter den verschiedenen möglichen Lösungen soll aber diejenige bestimmt werden, die die relativ grösste Sicherheit bietet. Da die meisten Talsperren eine volkswirtschaftliche Funktion zu erfüllen haben, muss die Erfüllung" dieser Bedingung zusammen mit der Frage der wirtschaftlichen Ausnützung der Wasserkraft geprüft werden. Diese Würdigung der mit der Erstellung von Talsperren zusammenhängenden wirtschaftlichen Interessen war stets für die von den Bundesbehörden getroffenen Anordnungen massgebend. Es ist bisher auch immer gelungen, ein Maximum von Sicherheit im Eahmen der Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Auch im Falle von Cleuson haben namhafte Experten erklärt, dass die Erstellung einer Anlage, die grössere Sicherheit biete als die vom Werkeigentümer ursprünglich vorgesehene, mit gleichen, eventuell sogar geringeren Kosten möglich sei.

Die konsultierten Verbände stellten sich auf den Standpunkt, dass die zusätzlichen Kosten, die zum kriegsbedingten Schutz der unterliegenden Bevölkerung als erforderlich erachtet.werden, durch diejenige Instanz zu tragen seien, die die zusätzlichen Bauten anordne. Die Eidgenössische Wasserwirtschaftskommission vertrat ihrerseits die Auffassung, dass diese zusätzlichen Kosten die Wirtschaftlichkeit neu zu erstellender Elektrizitätswerke nicht gefährden dürfen und deshalb ein allfällig ungedeckter Mehrkostenbetrag zu Lasten der öffentlichen Hand zu gehen habe. Bei schon erstellten Werken sowie bei projektierten Werken, deren Ausführungspläne bereits genehmigt sind, habe nach Ansicht der Verbände und der genannten Kommission die öffentliche Hand überhaupt die gesamten Kosten der Sonderschutzmassnahmen zu übernehmen; die nachträgliche Auferlegung solcher Massnahmen auf Kosten der Werke würde gegen Treu und' Glauben verstossen, weil sich der Werkeigentümer auf eine einmal erteilte Bewilligung müsse verlassen können. Die Eidgenössische Wasserwirtschaftskommission hat denn auch entsprechende Anträge unterbreitet.

Es ist uns nicht möglich, diesen Anträgen zuzustimmen und zwar hauptsächlich aus folgenden Gründen: a. Die zu verlangenden Massnahmen liegen ebensosehr im Interesse der Werke selber, wie im Interesse der Öffentlichkeit, indem die Gefahren der Werkbeschädigung und das Eisiko einer vorsorglichen Absenkung mit entsprechendem
Einnahmenausfall dadurch vermindert werden; b. Der Staat besitzt bei derartigen Anlagen ganz allgemein ohne eigene finanzielle Beteiligung seinerseits das Eecht, die grösstmögliche Sicherheit zu verlangen; c. Die gestellten Forderungen haben bis jetzt die Wirtschaftlichkeit noch nie entscheidend beeinflusst und es soll gemäss Artikel 3Ms, Absatz 5, auf die wirtschaftliche Ausnützung der Wasserkräfte möglichst Eücksicht genommen werden;

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d. Die Elektrizitätswerke sind im allgemeinen wirtschaftlich durchaus iii der Lage, eine eventuelle Mehrbelastung aus Sicherheitsgründen zu eigenen Lasten zu übernehmen.

Wir sind weiter der Ansicht, dass die Anwendung der neuen Bestimmungen auf die bestehenden Werke dem Grundsatze der rechtlichen Gleichbehandlung entspricht und keineswegs gegen Treu und Glauben verstösst. Dem dahingehenden Verlangen der Interessenten vermögen wir daher nicht zu folgen.

Unter diesen Urnständen sind wir der Auffassung, dass die Kosten für die anzuordnenden besonderen Schutzmassnahmen grundsätzlich auch den Werk- eigentümern auferlegt werden können. Dies entspricht dem heute noch geltenden Vollmachtenbeschluss vom 7. September 1943 sowie der Eechtsordnung in andern Fällen, wo denjenigen, der besondere Gefahren schafft, auch eine grössere Sorgfaltspfhcht und eine erhöhte 'Verantwortlichkeit trifft.

Sowohl die vom Nationalrat erheblich erklärte Motion Germanier als auch das vom Ständerat angenommene Postulat setzten sich mit der Schaffung neuer Gesetzesbestimmungen zum Ziele, die Interessen der Landesverteidigung und der bedrohten Bevölkerung mit der Förderung unserer Elektrizitätswirtschaft in Einklang zu bringen. Diese Rücksichtnahme auf die Förderung der Elektrizitätswirtschaft ist, wie bereits erwähnt, selbstverständlich. Sie soll aber, entsprechend dem Wunsche der Eidgenössischen Wasserwirtschaftskommission und der Verbände im Gesetzestext selber zum Ausdruck gebracht werden.

Auch die Bestimmung, wonach vom Bunde dem Werkeigentümer keine Entschädigung für den aus einer Absenkung entstandenen. Einnahmenausfall oder andern Schaden geleistet wird, soll in die Gesetzesergänzung aufgenommen werden. Die Absenkung gehört ja ebenfalls zu denjenigen.Massnahmen, zu welchen der Werkeigentümer verpflichtet ist, um die unterhalb' des Werkes gelegenen Gebiete, für welche die Stauanlage in Kriegszeiten eine wesentliche Gefährdung darstellt, zu schützen.

Es ginge aber unseres Erachtens zu weit, den Werkeigentümer für den Schaden, der Dritten aus einer angeordneten Absenkung infolge der abfliessenden Wassermengen oder wegen Nichtlieferung elektrischer Energie erwächst, zu behaften. Eine nach den Weisungen der Behörden angeordnete Absenkung wird im allgemeinen keinen bedeutenden Schaden unterhalb der Staumauer zur Folge haben,
indem die dabei aus dem See abzulassenden maximalen Wassermengen möglichst so bestimmt werden, dass ein grosser Schaden vermieden wird. Gewisse begrenzte Schäden müssen allenfalls in Kauf genommen werden. Wir erachten es im übrigen nicht als notwendig, den Absatz 7 des vqrliegenden Entwurfes der Gesetzesergänzung gemäss dem Wunsche der Verbände dahin zu erweitern, dass der Werkeigentüiner aus eigenem Ermessen eine vorsorgliche Absenkung durchführen kann, ohne für daraus allfällig sich ergebende Schäden zu haften. Die Fassung des genannten Absatzes ermöglicht ihm ohne weiteres, im Interesse der Werksicherheit bei der Behörde das Einverständnis für eine weisungsgemässe Absenkung einzuholen. Anderseits ist

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zu beachten, dass die Absenkungsmassnahmen in Zeiten der Gefahr im Landesinteresse getroffen werden. Es erscheint daher billig, dass auch die Betroffenen an der Tragung bzw. Behebung der durch die Seeabsenkung verursachten Schäden ihren Anteil haben. Sie sind übrigens auch direkt an dieser Absenkung interessiert. Die Behebung der an Plussgerinnen infolge einer angeordneten Absenkung entstehenden Schäden soll im Eahmen der bisherigen Bestimmungen des Wasserbaupolizeigesetzes subventioniert werden können. Wo es sich um bedeutenden Schaden handelt und namentlich wenn sich dieser nicht nur auf das Plussgerinne beschränkt, erscheint es gerechtfertigt, vorzusehen, dass die Bundesversammlung den Betroffenen einen Beitrag gewähren kann unter Beiziehung der in Frage kommenden Kantone.

Wo im konkreten Fall der Werkeigentümer die Massnahmen nicht vollzieht, diese aber keinen Aufschub ertragen, soll der Bundesrat sie zwangsweise durchführen lassen können.

In Artikel 9, Absatz l, des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1877 betreffend die Wasserbaupolizei ist vorgesehen, dass sich der Bund an den in diesem Gesetze vorgesehenen Bauwerken durch Beiträge aus der Bundeskasse beteiligt.

Diese Bestimmung hat ihre Berechtigung dort, wo es sich um Wildwasserverbauungen und die Errichtung von Schutzbauten handelt. Für Kraftwerkanlagen, die ja wirtschaftliche Unternehmen darstellen, sollen keine. Subventionen des Bundes ausgerichtet werden. Die in Artikel 3Ms genannten Bauten sollen daher ausdrücklich von den Bestimmungen des Abschnittes III des Wasserbaupolizeigesetzes ausgenommen werden. Immerhin sollen diese Bestimmungen, wie ausgeführt, auch für die Behebung von Schäden an Flussgerinnen anwendbar sein, die bei einer angeordneten Absenkung durch abfliessende Wassermengen verursacht werden.

Entsprechend der Bedeutung der Massnahmen zum Schutze der Stauanlagen unterstellt der bereits erwähnte Vollmachtenbeschluss über den Schutz schweizerischer Stauanlagen die Personen, welche diesem Beschluss und den gestützt darauf getroffenen Ausführungsmassnahmen zuwiderhandeln oder deren Vollzug erschweren, verzögern oder verhindern, der Militärgerichtsbarkeit. Im Falle von Widerhandlungen wurde Gefängnis oder Busse, in schweren Fällen Zuchthaus angedroht. In leichteren Fällen konnte eine disziplinarische Strafe ausgesprochen werden. Diese
Strafbestimmungen waren für Zeiten des Aktivdienstes gedacht; sie sollen nicht vollumfänglich ins Gesetz herübergenommen werden. Die Schaffung eines besondern Straftatbestandes ist jedoch notwendig. Die angedrohten Strafen sollen Gefängnis oder Busse sein. Dieser Strafrahmen dürfte den Verhältnissen gerecht werden. Untersuchung und Behandlung von Straffällen, sowie gegebenenfalls deren Verfolgung auf Grund des Strafgesetzbuches bzw. des Militärstrafgesetzes sind ebenfalls zu ordnen.

Die vorgeschlagene Gesetzesergänzung ist allgemein gehalten, um dem Bundesrat zu ermöglichen, der künftigen Entwicklung der Technik folgend, die jeweilen notwendigen Ausführungsvorschriften zu erlassen.

709 Gestützt auf unsere Ausführungen bitten wir Sie, dem nachstehenden Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei zuzustimmen.

Wir benützen die Gelegenheit, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 9. April 1952.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Vizepräsident: Etter Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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Bundesgesetz über

die Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 24, 24bis und 85, Ziffer 6, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 9. April 1952, beschliesst : I.

Das Bundesgesetz vom 22. Juni 1877 betreffend die Wasserbaupolizei wird durch folgende Bestimmungen ergänzt: ^ Art. 3Ms 1

Der Bundesrat sorgt dafür, dass bei bestehenden und künftigen Einrichtungen zur Stauhaltung die notwendigen Massnahmen getroffen werden, um Gefahren und Schädigungen, die aus ihrem Bestände, wegen ungenügenden Unterhalts und aus deren Beschädigung oder Zerstörung durch Kriegshandlungen entstehen könnten, tunlichst zu vermeiden. Diese Massnahmen können sich erforderlichenfalls auch auf weitere hydraulische Teile der Wasserkraftwerke beziehen.

2 Der Bundesrat erlässt nach Anhörung der Kantone sowie der Eidgenössischen Wasserwirtschaftskommission die erforderlichen Vorschriften. Er kann die Kantone mit dem Vollzug beauftragen.

3 Die Ausführung der Anlagen bedarf der vorherigen Genehmigung des Bundesrates.

4 Bei Gefahren für die Sicherheit, die Unabhängigkeit oder die Neutralität der Schweiz kann der Bundesrat seine Befugnisse, soweit sie Massnahmen zum Schutze gefährdeter Anlagen und Gebiete betreffen, dem Armeekommando übertragen. Eine Absenkung von Stauseen kann jedoch vor Ausbruch von Feindseligkeiten nur vom Bundesrate angeordnet werden.

5 Der Werkeigentümer hat die Kosten der ihm auferlegten Massnahmen und allfällig daraus erwachsende Nachteile zu tragen und, unter Vorbehält von Absatz 7, unmittelbare Schäden zu ersetzen, die Dritten aus der Durchführung

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solcher Massnahmen erwachsen. Bei der Festlegung der anzuordnenden Massnahmen ist auf eine wirtschaftliche Ausnützung der Wasserkräfte möglichst Eücksicht zu nehmen.

6 Für den dem Werkeigentümer aus einer Absenkung entstehenden Einnahmenausfall oder andern Schaden ist der Bund nicht entschädigungspflichtig.

' 7 Für den Schaden, der Dritten aus einer Absenkung infolge der abfliessenden Wassermengen oder wegen Nichtlieferung elektrischer Energie erwächst, ist der Werkeigentümer nicht ersatzpflichtig, soweit diese Absenkung gemäss den ihm erteilten Weisungen erfolgt.

8 Entsteht bei einer Absenkung infolge der abfliessenden Wassermengen Dritten bedeutender Schaden, so kann die Bundesversammlung für dessen Behebung den Betroffenen einen Beitrag gewähren. Sie kann diesen davon abhängig machen, dass die vom Schaden betroffenen Kantone ebenfalls einen Beitrag leisten.

9 Sofern die Befolgung von Weisungen, welche in Anwendung dieses Artikels oder der zugehörigen Ausführungsvorschriften erteilt worden sind, keinen Aufschub erträgt und der Werkeigentümer säumig ist, kann der Bundesrat die angeordneten Massnahmen zwangsweise durchführen lassen.

Art. 12"is Die Bestimmungen des Abschnittes III finden in den Fällen von Artikel 3Ws nur soweit Anwendung, als es sich um Schäden an Flussgerinnen handelt, die bei einer angeordneten Absenkung durch abfliessende Wassermengen verursacht werden.

Art. 13bis 1

Widerhandlungen gegen die Bestimmungen des Artikels 3bis und die gestützt darauf erlassenen Vorschriften und Einzelweisungen werden mit Gefängnis oder-Busse bestraft. Strafbar ist auch die fahrlässige Begehung.

2 Die Untersuchung und Beurteilung dieser Straffälle unterliegt der Buudesstrafgerichtsbarkeit. Vorbehalten bleibt die strafrechtliche Verfolgung wegen der in Artikel 227, 228 und.229 des Schweizerischen Strafgesetzbuches, sowie der in Artikel 165 und 166 des Militärstrafgesetzes vorgesehenen, Verbrechen und Vergehen.

II.

: Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei (Vom 9. April 1952)

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1952

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16

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.04.1952

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701-711

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