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B u n Bundesblatt 104. Jahrgang

Bern, den 5. Juni 1952

Band II

Erscheint wöchentlich. Freie SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 60 Kappen die Petitzelle oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Austausch von Gegenrechtserklärungen betreffend die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt (Vom 80. Mai 1952) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiemit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss zu unterbreiten; der den Bundesrat ermächtigen soll, mit fremden Staaten Gegenrechtserklärungen betreffend die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt auszutauschen.

I. Der schweizerische Schiff- und Luftfahrtverkehr mit dem Ausland 1. Die schweizerische Flotte für die Hochseeschiffahrt 1) ist, nachdem die Erfahrungen während der beiden Weltkriege die Bedeutung einer gesicherten Landesversorgung in kritischen Zeiten erwiesen hatten, mit Unterstützung des Bundes weitgehend modernisiert und erweitert worden. Zurzeit betreiben 19 schweizerische Reedereien die Hochseeschiffahrt; sie verfügen zusammen über 27 Einheiten mit 142 500 t Ladefähigkeit, nämlich 10 kleine Küstenschiffe mit 10 500 t, 14 Frachtmotorschiffe oder -Dampfer mit 108 000 t und 8 Tanker mit 24 000 t. Überdies befinden sich weitere 8 Frachtschiffe mit zusammen 63 0001 Ladefähigkeit und ein Tanker von 18 0001 in Bau. Nach Indienstnahme dieser Neubauten werden die schweizerischen Eeeder über insgesamt 36 seetüchtige Schiffseinheiten mit 223 5001 Ladefähigkeit verfügen, die zur Sicherung der schweizerischen Landesversorgung genügen dürften.

1) Art. 24ter BV; Bundesratsbeschluss vom 9. April 1941 über die Seeschifffahrt unter der Schweizerflagge, BS 7, 502; Botschaft vom 22. Februar 1952 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Seeschiffahrt unter der Schweizerflagge BEI 1952, I, 253.

Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. II.

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270 2. Die Eheinschiffahrt *) wird derzeit von zirka 80 schweizerischen Eeedereien betrieben, die über 24 Schleppboote, 180 Motorschiffe, 46 Eheinkähne, 6 Tankschiffe, 49 Motortankschiffe, 80 Kanalschiffe, 80 Kanalmotorsohiffe, 4 Personenschiffo und 10 Spezialschiffe verfügen. Einzelne schweizerische Eeedereien unterhalten in Frankreich, Belgien und den Niederlanden Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen sowie Eheinschiffe, die in den Begis.tem der betreffenden ausländischen Staaten eingetragen sind. .

8. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Schweiz mit 18 Staaten Abkommen über den gewerbsmässigen L u f t v e r k e h r 2 ) abgeschlossen; Verhandlungen über den Abschluss entsprechender Abkommen sind überdies mit 11 weiteren Staaten im Gange. Diese Vereinbarungen befassen sich in der Hauptsache mit den technischen Einzelheiten des Luftverkehrs (Linienführung, erteilte Verkehrsrechte, Tarifwesen, gegenseitige Anerkennung von Ausweisen and Zeugnissen, Betriebsbewilligungen, Passkontrolle, Zollabfertigung usw.); dagegen fehlen in diesen Abkommen Bestimmungen über die Besteuerung der Luftfahrtunternehmungen. Die Swissair unterhält derzeit als schweizerische Unternehmung des regelmässigen Luftverkehrs Linien nach 13 europäischen und 7 aussereuropäischen Staaten, die sie mit 28 Einheiten befliegt. Sie plant im übrigen für die nächste Zukunft eine Erweiterung ihres Flugzeugparkes und die Eröffnung neuer Linien nach dem Nahen Osten und nach Südamerika, Sie ist gezwungen, im Ausland ein weitverzweigtes Netz von Vertretungen zu unterhalten (zurzeit eigene Agenturen in 13 Staaten und Vertretung durch ausländische Luftfahrtgesellschaften in 27 Staaten).

II. Bisherige Massnahmen des Bundes zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung schweizerischer Schiff- und Luftfahrtunternehmungen 1. Der Aufschwung des schweizerischen Luft- und Schiffahrtverkehrs mit dem Ausland hat zur Folge, dass die Swissair und die schweizerischen Seereedereien häufiger als vordem der Gefahr einer doppelten B e s t e u e r u n g , nämlich der Besteuerung nicht nur an ihrem schweizerischen Sitz, sondern auch in ausländischen Staaten, ausgesetzt sind, in denen Generalagenturen, Verkaufsbüros u, dgl. unterhalten werden. Es hat sich gezeigt, dass gewisse Staaten, darunter gerade solche mit wenig entwickelten Steuersystemen,
geneigt sind, die ausländischen Verkehrsunternehmungen als willkommene Fiskalquelle zu betrachten. Dies erklärt, warum sich in der letzten Zeit vornehmlich die Swissair genötigt sah, wiederholt beim Bund um Schutz vor ausländischen Fiskalansprüchen nachzusuchen und den Abschluss besonderer Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Luftfahrtunternehmungen zu beantragen. Aus den Kreisen schweizerischer Eeedereien ist das Begehren um *) Art. 24ter BV; Gesetzliche Bestimmungen über die Binnenschiffahrt auf dem Rhein und auf dem Bodensee, BS 7, 406--501.

2 ) Art, 37ter B V; Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt, AS 1950, 471.

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Schutz durch den Bund bisher weniger dringlich laut geworden, wiewohl auch diese international erwerbstätigen Transportunternehmungen am Aueschluss der Doppelbesteuerung ein bedeutendes Interesse haben ; die Besteuerung von Transportleistungen des Eidgenössischen Kriogstransportamtes und anderer schweizerischer Reedereien durch Argentinien hat seinerzeit Anlass zum Abkommen vom 18. Januar 1950 zwischen der Schweiz und Argentinien gegeben (BEI 1950, I, 588; AS 1950, 564), & Um schweizerische Unternehmungen, die die internationale Luft- oder Schiffahrt betreiben, vor internationaler Doppelbesteuerung zu schützen, stehen drei Wege zur Verfügung: a. der Einbau entsprechender Bestimmungen in umfassende zwischenstaatliche Doppelbesteuerungsabkommen ; b. der Abschluss von Spezialabkommen; o. der Austausch von Gegenrechtserklärungen.

Alle drei Wege sind vom Bund, wie noch darzutun sein wird, in der Vergangenheit beschritten worden.

Während umfassende Doppelbesteuerungsabkommen oder Spezialabkommen Staatsverträge darstellen, die nur mit Genehmigung der eidgenössischen Bäte zustande kommen und als solche dem internen Becht von Bund, Kantonen und Gemeinden vorgehen, trifft dies bei G-egonrechtserklärungen nur dann zu, wenn sie sich entweder auf eine interne gesetzliche Ordnung stützen oder aber in Beachtung der Formalien des Staatsvertrages (d. h. mit Genehmigung der Bundesversammlung gemäss Art. 85, Ziff. 5, BV) zustande kommen. Wohl geben einzelne kantonale Steuergesetze der kantonalen Begierung die Befugnis, bei Gewährleistung des Gegenrechts seitens fremder Staaten auf gewisse Besteuerungsbefugnisse zu verzichten; dieser Weg ist aber in der Praxis mit Bezug auf die Besteuerung von Luft- und Schiffahrtsunternehmen vor allem deshalb noch nie beschritten worden, weil das Bundessteuerrecht eine solche Ermächtigung nicht kennt. Gegenrechtserklärungen des Bundesrates über steuerrechtliche Verhältnisse können deshalb nach feststehender Praxis der Bundesbehörden nur feststellenden, deklaratorischen Charakter haben (einfache Gegenrechtserklärung) und dürfen nicht von dem abweichen was sich aus der internen Ordnung ergibt. Soll durch die Gegenrechtserklärung eine Abänderung der gesetzlichen Ordnung im Sinne der Beschränkung von Besteuerungsbefugnissen getroffen werden, so sind die staatsvertraglichen Formen zu
beachten, womit solche qualifizierte Gegenrechtserklärungen in Tat und Wahrheit zu Spezialabkommen werden (BEI 1949, II, 853, 1950, I, 540).

8. Es entspricht ständiger schweizerischer Praxis, dass die vom Bund mit, dem Ausland abgeschlossenen umfassenden Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen stets auch eine Klausel enthalten, nach der einem der beiden Vertragsstaaten das ausschhessliche Recht zur Besteuerung der aus dem Betrieb der Schiff-

272 oder Luftfahrt erzielten Gewinne und des beweglichen Vermögens von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt zukommen soll. In den Abkommen mit Deutschland (vom 15. Juli 1981; Art. 3, Abs. 6; AS 50, 106, 181, 56, 1682), Österreich (Verhandlungsprotokoll vom 17. August 1946; anwendbar sind die Vorschriften des schweizerisch-deutschen Abkommens von 1931), Frankreich (vom 13. Oktober 1937; Art. 5 und zugehöriges Schlussprotokoll; AS 55, 258), Ungarn (vom 5. Oktober 1942; Art. 3, Abs. 5; AS 1949, 112), Schweden (vom 16. Oktober 1948; Art. 4, Abs. 5; AS 1949, 437) und den Niederlanden (vom 12. November 1951; Art. 4, Abs. 5; AS 1952, 179) wird der Staat,-in dem sich die Leitung der Unternehmung befindet, als zur Besteuerung zuständig erklärt.

Im Einkommenssteuerabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (vom 24. Mai 1951; Art. V; AS 1951, 891) wird dagegen, anglo-amerikanischer Praxis entsprechend, auf den Ort der Registrierung der Fahrzeuge abgestellt.

Auch die in Vorbereitung befindlichen umfassenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Frankreich (Revision des Abkommens von 1937), Österreich (Revision des Abkommens von 1946), Italien, Belgien, Grossbritannien, Canada, Südafrika und Israel dürften analoge Klauseln über die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt enthalten.

Ein Spezialabkommen über die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- oder Luftfahrt ist ani 13. Januar 1950 im Wege des Notenwechsels zwischen der Schweiz und Argentinien zustandegekommen (AS 1950, 564).

Nach dieser von den eidgenössischen Räten am 24. März 1950 genehmigten Vereinbarung steht jedem der beiden Staaten unter der Bedingung des Gegenrechts die ausschliesshche Befugnis zu, die in ihrem Staatsgebiet errichteten Unternehmungen, deren Leitung sich im Inland befindet, für die aus dem Betrieb der Schiff- oder Luftfahrt, d; h. aus der gewerbsmässigen Beförderung von Personen oder Sachen durch Eigentümer oder Befrachter von Schiffen oder Luftfahrzeugen erzielten Gewinne zu besteuern.

Am 19. Juni/4. Juli 1950 ist zwischen der Schweizerischen Gesandtschaft in Athen und dem Griechischen Aussenministerium eine Gegenrechtserklärung über die Besteuerung von Luftfahrtunternehmungen ausgetauscht worden, mit dem Ziel, die Swissair von einer griechischen Sondersteuer, der sie wegen der
Errichtung einer Vertretung in Athen unterworfen worden war, zu befreien. Auf schweizerischer Seite hat die Gegenreohtserklärung rein feststellenden Charakter, d. h. sie erklärt nur, dass griechische Luftfahrtunternehmungen nach geltendem Recht in der Schweiz steuerfrei bleiben, sofern sie hier keine Betriebsstätte unterhalten. Der Austausch dieser Gegenrechtserklärung war ein Notbehelf ; es müsste eine der Genehmigung der Bundesversammlung unterhegende qualifizierte Gegenrechtserklärung in Form eines Spezialabkommens ins Auge gefasst werden, wenn griechische Luftfahrtgesellschaften dazu übergehen sollten, in der Schweiz eine ständige Geschäftseinrichtung zu eröffnen.

4. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass schweizerische Schiff- und Luftfahrtunternehmungen im Verhältnis zu Deutschland, Österreich, Frankreich,

273 Ungarn, Schweden, den Vereinigten Staaten, den Niederlanden, Argentinien, Italien, Belgien, Grossbritannien, Canada, Südafrika und Israel gestützt auf bestehende oder geplante umfassende Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder auf Grund von SpezialVereinbarungen Schutz vor doppelter Besteuerung der Geschäftsgewinne und des beweglichen Vermögens geniessen, bzw. damit rechnen können, dieses Schutzes in absehbarer Zeit teilhaftig zu werden.

Sollten die geplanten umfassenden Abkommen mit Italien, Belgien, Grossbritannien, Canada, Südafrika und Israel nicht zustande kommen, so wird zu prüfen sein, ob allenfalls der Abschluss von Spezialabkommen betreffend die Besteuerung von Unternehmen der Schiff- und Luftfahrt möglich sei. Anderseits steht fest, dass mit einer Eeihe von Staaten, mit denen die Swissair und verschiedene schweizerische Eeedereien geschäftliche Beziehungen unterhalten oder aufzunehmen erwägen (so mit Dänemark, Griechenland, Finnland, Irland, Jugoslawien, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Tschechoslowakei, Türkei, Ägypten, Australien, Britisch-Westafrika, Zypern, Irak, Libanon, Mexico, Neuseeland, Iran, Indien, Pakistan, Syrien, südamerikanisohe Staaten, ausgenommen Argentinien) vertragliche Abmachungen über den Ausschluss.der Doppelbesteuerung, der internationale Transportunternehmungen ausgesetzt sind, weder bestehen noch in absehbarer Zeit durch umfassende Abkommen getroffen werden dürften. Festzuhalten ist ferner, dass in verschiedenen dieser Staaten die Swissair und auch schweizerische Eeedereien von konkreten Steueransprüchen betroffen werden, und dass auch in den übrigen Staaten die Frage der Besteuerung schweizerischer Transportunternehmungen wegen der dort unterhaltenen Vertretungen mit der Zeit akut werden könnte.

5. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Problem der Vermeidung der Doppelbesteuerung speziell bei Unternehmungen der Luftfahrt in den letzten drei Jahren wiederholt die Internationale Zivilluftfahrtsorganisation und die Fiskalkommission der Vereinten Nationen beschäftigt hat. Am 13. April 1951 hat der Eat der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation auf Empfehlung des Transportkomitees der Organisation verschiedene Eesolutionen und Empfehlungen angenommen, die sich u. a. dahin aussprechen, dass die einzelnen Staaten im Wege
zwischenstaatlicher Vereinbarungen die Befreiung der Luftfahrtunternehmungen ihrer Partnerstaaten von Einkommensund ordentlichen und ausserordentlichen Vermögenssteuern zugestehen sollten.

III. Vereinfachung des Verfahrens zum Abschluss von Spezialabkommen in der Form qualifizierter Gegenrechtserklärungen 1. Um ein Abkommen (eine qualifizierte Gegenrechtserklärung, vgl.

Ziffer II, 2, hievor)"über die Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Unternehmungen der Luft- und Schiffahrt von Bundes wegen abzuschliessen, muss derzeit ein relativ umständliches Verfahren eingehalten werden: Da das Begehren um Abschluss einer derartigen Vereinbarung in der Eegel von der Schweiz (auf Betreiben der Swissair oder einer schweizerischen Schiff-

274 fahrtunternehinung, die sich über die Besteuerung in einem ausländischen Staate beschweren) ausgeht, rauss vorerst die Geneigtheit des in Eede stehenden ausländischen Staates auf diplomatischem Wege abgeklärt werden. Steht die Verhandlungsbereitschaft des ausländischen Staates grundsätzlich fest, so sind die Kantone, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren, das Eidgenössische Luftaint und das Seeschiffahrtsamt sowie die Wirtschaftsverbände vom Vorhaben, ein Abkommen abzuschliesseii, zu unterrichten und um ihre Stellungnahme anzugehen. Auf Grund dieser Erhebungen muss dem Bundesrat Bericht erstattet und Antrag auf Bestellung und Bevollmächtigung des schweizerischen Unterhändlers (in der Regel eines Mitgliedes der schweizerischen Gesandtschaft im betreffenden Staate) gestellt werden. Dem Unterhändler sind über die Einzelheiten der zu treffenden Begelung laufend Instruktionen zu erteilen (im Falle von Argentinien beanspruchte der Meinungsaustausch mit den argentinischen Behörden fast anderthalb Jahre). Erfolgt die Unterzeichnung des .Abkommens nicht durch die Verhandlungsdelegation, so ist ein neuer Antrag an den Bundesrat auf Ausstellung einer Unterzeichnungsvollmacht notwendig. Nach erfolgter Unterzeichnung ist das Abkommen samt erläuternder Botschaft des Bundesrates im Bundesblatt zu veröffentlichen; ferner sind die eidgenössischen Bäte einzuladen, das Abkommen durch ihre Kommissionen vorberaten zu lassen.

Nach Genehmigung des Abkommens durch die eidgenössischen Bäte ist dem Bundesrat Antrag auf Austausch der Batifikationsurkunden zu stellen, Schliesslich hat der Bundesrat nach erfolgtem Austausch die Veröffentlichung des Abkommens in der Sammlung der eidgenössischen Gesetze zu beschliessen und in der Begel ein Kreisschreiben an die Kantone zu erlassen.

Die Umständlichkeit des Verfahrens ist weder dem Inhalt und. der Tragweite noch dem Bedürfnis nach rascher Inkraftsetzung derartiger Spezialabkommen angemessen. Es kann daher nicht verwundern, dass immer wieder Mittel und Wege gesucht worden sind, die langwierige Prozedur zu umgehen.

Das im Verhältnis zu Griechenland gewählte Verfahren (Austausch einer einfachen Gegenrechtserklärung rein feststellenden Inhalts) vermag jedoch nicht zu befriedigen, weil eine deklaratorische Gegenrechtserklärung dem internen Becht nicht vorgeht und namentlich
dem schweizerischerseits allgemein anerkannten Grundsatz der Besteuerung am Orte der Betriebsstätte nicht derogiert (vgl. Ziffer II, 3, hievor). Aus diesem Grunde ist bisher auch darauf verzichtet worden, im Verhältnis zu Irak und Ägypten den Weg des Austausches blosser Gegenrechtserklärungen feststellenden Inhalts zu beschreiten.

2. Ausgehend von der Tatsache, dass der Abschluss von Spezialabkommen im beschränkten Sachgebiete der Schiff- und Luftfahrt im Interesse der inländischen, das internationale Transportgeschäft betreibenden Unternehmungen möglichst erleichtert und beschleunigt werden muss, haben zahlreiche ausländische Staaten hiefür ein besonderes Verfahren vorgesehen. Es wird vom Abschluss formeller Staatsverträge abgesehen und dafür durch die interne Gesetzgebung die Begierung ermächtigt, bei Gewährleistung des Gegenrechts seitens fremder Staaten auf die Besteuerung der Schiff- und Luftfahrt-

275 gesellsohaften dieser Staaten zu verzichten; einzelne Staaten (Frankreich, Grossbritannien) lassen dabei eine gewisse Mitwirkung des Parlamentes (nachträgliche Kenntnisnahme, bzw.Einspruchsmöglichkeit) bestehen, während andere ganz darauf verzichten. Solche Regelungen kennen u. a. folgende Staaten: a. Argentinien. Nach Artikel 10 des Gesetzes Nr. 11 682 in der Fassung von 1947 haben ausländische Transportunternehmungen ihre in Argentinien erzielten Gewinne zu versteuern. Von der Steuerpflicht befreit sind Unternehmen, die in Ländern gegründet worden sind, mit denen auf Grund von internationalen Abkommen oder Gegenrechtserklärungen Steuerbefreiung vereinbart wurde oder wird. Dabei kann auf Grund von Artikel 11, Absatz 5, des Dekretes Nr. 10 439/47 die Exekutivbehörde, wenn Verhandlungen über solche Abkommen im Gange sind, die Steuerverwaltung ermächtigen, von der Erhebung der Steuer von ausländischen Unternehmungen solange abzusehen, bis dio Verhandlungen abgeschlossen sind.

fc. Frankreich. Artikel 246 des Code Général des Impôts befreit die Gewinne ausländischer Schiff- und Luftfahrtunternehmungen von der französischen Einkommenssteuer unter dem Vorbehalt der Zusicherung des Gegenrechts durch den Heimatstaat des Unternehmens. Die Einzelheiten der Steuerbefreiung müssen in einer staatsvertraglichen Vereinbarung niedergelegt und durch ein Begierungsdekret genehmigt werden; das Begierungsdekret selbst unterliegt innert einer Dreimonatsfrist der Batifikation durch die Legislative.

c. Griechenland. Das griechische Notstandsgesetz Nr. 942 vom 23. April 1949 befreit in Artikel 9. lit. e, die in Griechenland erzielten Erträgnisse ausländischer Schiff- und Luftfahrtunternehmungen unter dem Vorbehalt des Gegenrechts durch den ausländischen Heimatstaat der Unternehmung.

d. Grossbritannien. Section 18 des Finance Act 1928 (ergänzt durch See. 9 des Finance Aet 1931) ermächtigt die britische Begierung, mit andern Staaten Gegenrechtserklärungen über die Befreiung von Schiff- und LuftfahrtUnternehmungen von der Einkommenssteuer auszutauschen. Derartige Erklärungen sind dem Unterhaus vorzulegen und erhalten Bechtskraft, sofern nicht innert 21 Tagen das Unterhaus die Begierung zum Bückzug der Erklärung einlädt.

e. Vereinigte Staaten von Amerika. Gemäas Section 212 (&) und 231 (d) des Internai Bevenue Code
in der Fassung des Beed Act vom 4. Mai 1948 können Erträge, die aus dem Betrieb von in ausländischen Staaten registrierten Schiffen und Luftfahrzeugen erzielt werden, unter dem Vorbehalt des Gegenrechts seitens des Heimatstaates der ausländischen Transportanternehmung, von der amerikanischen Bundeseinkommenssteuer befreit werden.

Die vorstehend aufgeführten 5 Staaten haben von der nach ihrem Gesetz gegebenen Möglichkeit des Austausches .von Gegenrechtserklarungen über die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt ausgiebig Gebrauch gemacht. So hat Argentinien nicht weniger als 21 Spezialabkommen abgeschlossen, Frankreich deren 12 (wovon in der Folge S durch umfassende Ab-

276 kommen ersetzt worden sind), Griechenland 10, Grossbritannien 16 (wovon die Hälfte durch, umfassende Abkommen ersetzt worden ist), die Vereinigten Staaten 19 (wovon 2 durch umfassende Abkommen ersetzt worden sind).

8. Angesichts des Umstandes, dass sowohl die Swissair als auch die schweizerischen Reedereien Geschäftsbeziehungen in zahlreichen ausländischen Staaten unterhalten, mit denen die Schweiz umfassende Doppelbesteuerungsabkommen weder bisher abgeschlossen hat noch in absehbarer Zeit abzuschliessen in die Lage kommen dürfte, kann kein Zweifel darüber bestehen, dass sich früher oder später der Abschluss von Spezialabkommen zum Schutze der von Doppelbesteuerung bedrohten schweizerischen Transportunternehmungen aufdrängen wird. Derzeit wird schweizerischerseits die Einleitung von Verhandlungen mit Ägypten, Irak und Iran erwogen.

Den bestehenden Bedürfnissen wird man aber nur dann gerecht zu werden vermögen, wenn sich das bisher angewandte Verfahren (Ziff. l hievor) vereinfachen lässt, d. h. wenn der Bundesrat instand gesetzt wird, die erforderlichen Spezialabkommen rasch abzuschliessen und sie unverzüglich in Kraft zu setzen, Dies hat zur Voraussetzung, dass der Bundesrat nach dem Vorbild der im Ausland geübten Ordnung von den eidgenössischen Bäten in Form eines auf Artikel 8 und 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung gestützten allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses ermächtigt wird, über die Besteuerung von Schiffund Luftfahrtunternehmungen q u a l i f i z i e r t e Gegenrechtserklärungen auszutauschen, ohne im Einzelfall die Genehmigung der eidgenössischen Bäte einholen zu müssen.

Dass der Bund nach Artikel 8 der Bundesverfassung befugt ist, umfassende Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abzusehliessen, wird von der staatsrechtlichen Doktrin und Praxis anerkannt (vgl. u. a. Burckhardt: Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 1931, S. 81 f.; Fleiner/Giacometti: Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 1949, S. 810 f.; BEI 1932, I, 47; 1937, III, 60S;. 1948, 704; 1948, III, 479; 1951, II, 298). Seine Zuständigkeit, auf dein Gebiete der Steuern Spezialabkommen in Form qualifizierter Gegenrechtserklärungen zu treffen, kann deshalb nicht zweifelhaft sein. Nicht bestritten ist auch, dass solche Spezialabkommen in die Form des Austausches von Gegenrechtserklärungen gekleidet werden
können, und dass es zulässig ist, den Bundesrat auf dem Wege der Gesetzgebung zu ermächtigen, derartige Gegenrechtserklärungen ohne Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung im Binzelfall abzugeben. Eine unzulässige, mit Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung nicht zu vereinbarende Verschiebung der Kompetenzgrenze läge nur dann vor, wenn der Inhalt derartiger Erklärungen nicht von vorneherein präzisiert wäre (vgl, Burckhardt, a. a. 0. S. 676/77; BEI 1949, H, 855).

4. Materiell ist die Vollmacht des Bundesrates auf die Befugnisse zu beschränken, die zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich sind. Der Ermachtigungsbeschluss muss deshalb den Inhalt der Gegenrochtserklärungen, zu deren Austausch der Bundesrat ermächtigt werden soll, präzisieren.

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Er muss zum Ausdruck bringen, dass sich diese Erklärungen nur beziehen können auf die Steuern von Unternehmungen der See-, Binnenschiff- und Luftfahrt, die sich wegen der Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf mehrere Staaten der Unterwerfung unter konkurrierende Steuerhoheiten ausgesetzt sehen (vgl. Art. l, Abs. l, des beiliegenden Entwurfs). Ferner muss klargestellt werden, dass derartige Erklärungen auch gelten für den Fall, dass eine Luftverkehrsunternehmung sich im Sinne von Artikel 77 bis 79 des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die internationale Zivilluftfahrt (AS 63, 1377) an einem Pool, an einer Betriebsgemeinschaft oder an einer internationalen Betriebsorganisation beteiligt (Art. l, Abs. 3, des Entwurfs).

Da die Gefahr mehrfacher Erfassung eines und desselben Objekts, wenn nicht ausschliesslich, so doch in der Hauptsache auf dem Gebiete der direkten Steuern vom Einkommen und vom Vermögen besteht, rechtfertigt es sich, die bundesrätliche Kompetenz zum Austausch von Gegenrechtserklärungen auf Steuern von Einkünften und Gewinnen aus dem Betrieb der Schiff- oder Luftfahrt und vom beweglichen Vermögon, mit Einschluss der Schiffe oder Luftfahrzeuge, zu beschränken (Art. l, Abs. l, des Entwurfs). Dadurch wird klargestellt, dass unbewegliches Vermögen und dessen Ertrag nicht Gegenstand solcher Erklärungen bildet; die Eegel, dass diese Objekte der Besteuerung am Orte der gelegenen Sache unterliegen, soll demnach nicht durchbrochen werden.

Dei Ausdruck «Betrieb der Schiff- oder Luftfahrt» ist in Absatz 4 umschrieben.

Das Postulat der ungeteilten Besteuerung von Einkommen und beweglichem Vermögen der Schiff- und Luftfahrtbetriebe hat im zwischenstaatlichen Verhältnis zur Anerkennung bestimmter Besteuerungsanknüpfungspunkte geführt, nach deren Standort sich die ausschliessliche Besteuerungszuständigkeit bestimmt. Als solche Anknüpfungspunkte gelten vorzugsweise der Ort der Leitung der Unternehmung oder der Ort der Eegistrierung der Fahrzeuge. Im Sinne einer weiteren Präzisierung ist. deshalb die dem Bundesrat zu erteilende Vollmacht auf den Austausch solcher Erklärungen zu beschränken, die die Besteuerungsbefugnis dem Staate zuerkennen, in dem sich die Leitung der Transportunternehmung befindet oder die Fahrzeuge registriert sind (Art. l, Abs. 2, des Entwurfs). Solche Gegenrechtserklärungen
sollen auch für die vor ihrem Austausch hegenden Steuerperioden wirksam werden können (Art. l, Abs. 5, des Entwurfs).

Schliesslich ist es gegeben, die Ermächtigung nur für solche Gegenrechtserklärungen zu erteilen, die eine Kündigungsklausel enthalten (Art. l, Abs. 5, des Entwurfs).

5. Die Kantonsregierungen, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren sowie die interessierten schweizerischen Wirtschaftskreise begrüssen einen Bundesbeschluss der vorstehend beschriebenen Art. Die Kantonsregierungen und die Finanzdirektorenkonferenz haben allerdings die Meinung vertreten, dass jeweils die Kantone, die Finanzdirektorenkonferenz sowie die Wirtschaftsverbände Gelegenheit erhalten sollten, vor Abgabe einer Gegenrechtserklärung

278 im Einzelfall noch Stellung zu nehmen. Eine derartige Konsultation wird, wie bisher, so auch in Zukunft am Platze sein, wobei man sich allerdings aus 2weckinässigkeitsgründen darauf wird beschränken dürfen, die im konkreten Falle betroffenen Kantone, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren sowie die interessierten Kreise der schweizerischen Luft- oder Schiffahrt anzuhören. Das Mitspracherecht der Kantone und den Wirtschaft braucht nicht besonders im Bundesbeschluss erwähnt zu werden. Ebenso versteht es sich von selbst, dass dor Bundesrat den eidgenössischen Räten jeweilen im Geschäftsbericht über die auf Grund des Ermächtigungsbeschlusses ausgetauschten Erklärungen, die in der eidgenössischen Gesetzsammlung veröffentlicht werden müssen (AS .1949, 1523), Bericht erstatten wird.

Wir beehren uns, Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 80. Mai 1952.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Kobelt Der Bundeskanzler: Ch. Oser

279 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Ermächtigung des Btmdesrates zum Austausch von Gegenrechtserklärungen betreffend die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 8 und Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 30. Mai 1952, beschliesst: Art. l 1

Der Bundesrat wird ermächtigt, gegenüber einem ausländischen Staate, der der Schweiz gegenüber Gegenrecht hält, die Erklärung abzugeben, dass Unternehmungen der See- und Binnenschiffahrt und der Luftfahrt zu Steuern von Einkünften und Gewinnen aus dem Betrieb der Schiff- oder Luftfahrt sowie vom beweglichen Vermögen, mit Einschluss der dem Betrieb der Schiffoder Luftfahrt dienenden Fahrzeuge, nur in einem der beiden Staaten herangezogen werden sollen.

8 Die ausschliessliche Befugnis zur Besteuerung der in Absatz l bezeichneten Einkünfte, Gewinne und Vermögenswerte kann durch eine solche Erklärung entweder dem Staate, in dem sich .die wirkliche Leitung der Unternehmung befindet, oder aber dem Staate zuerkannt werden, in dem die dem Betriebe der Schiff- oder Luftfahrt dienenden Fahrzeuge registriert sind.

3 Die Erklärung kann auch für den Fall abgegeben werden, dass sich eine Luftverkehrsunternehmung eines der beiden Staaten an einem Pool, an einer Betriebsgemeinschaft oder an einer internationalen Betriebsorganisation beteiligt.

4 Unter dem Ausdruck «Betrieb der Schiff- oder Luftfahrt» wird die gewerbsmässige Beförderung von Personen oder Sachen durch Eigentümer, Mieter oder Befrachter von Schiffen oder Luftfahrzeugen verstanden.

280 5 Die Erklärungen können eine Bestimmung enthalten, wonach sie von einem vor ihrer Abgabe liegenden Zeitpunkte Anwendung finden sollen; sie sind im übrigen mit einem Kündigungsvorbehalt zu versehen und in der Gesetzessammlung zu veröffentlichen.

Art. 2 1

Der Bundesrat wird beauftragt, diesen Bundesbeschluss gemäss dem Bundesgesetz vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

2 Er.bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Austausch von Gegenrechtserklärungen betreffend die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt (Vom 30. Mai 1952)

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