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Bundesblatt 104. Jahrgang

Bern, den ] 5. Mai 1952

Band II

Erscheint wöchentlich. Freie SO Franken im Jahr, 16 Franken imHalbjahrr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzelle oder deren Baum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die befristete Weilerführung der Preiskontrolle (Vom 2, Mai 1952) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Gemäss Bundesbeschluss vom 18- Dezember 1950 über die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates troten alle Bundesratsbeschlüsse, die auf Grund der durch Bundesbeschluss vom 80. August 1989 und vom 6. Dezember 1945 erteilten ausserordentlichen Vollmachten ergangen sind, auf Ende des Jahres 1952 ausser Kraft. Darunter fällt auch der Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung, durch den das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt wurde, Preisvorschriften zu erlassen, um eine ungerechtfertigte Erhöhung der Lebenshaltungskosten zu vermeiden, deren Anpassung an die wirtschaftliche! Lage zu ermöglichen und die reguläre Marktversorgung zu schützen.

Angesichts der gegenwärtigen Situation und der Ungewissen zukünftigen Entwicklung könnten wir es nicht verantworten, auf Ende dieses Jahres alle preiskontrollrechtliche Befugnisse aus der Hand zu geben. Wir beehren uns daher, Ihnen Bericht und Antrag über eine befristete Weiterführung der Preiskontrolle zu unterbreiten.

I. Die Einführung und Entwicklang staatlicher Preismassnahmen Als der Krieg im August 1914 ausbrach, war in kriegswirtschaftlicher Hinsicht überhaupt nichts vorbereitet. Niemand rechnete damals mit einer jahrelangen Dauer der kriegerischen Auseinandersetzung. Es musste alles improvisiert werden. Dabei konnte man sich auch nicht auf die Erfahrungen einer früheren Generation stutzen, wie dies 1939 der Fall war, hat doch die Schweiz vor 1914 überhaupt noch nie eine Kriegswirtschaft gekannt.

Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. II.

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62 Der Bundesrat erliess am 10. August 1914 eine Wucherverordnung *), die im Jahre 1916 erweitert wurde. Darin hiess es: «Wegen Wuchers mit Nahrungsmitteln und anderen unentbehrlichen Bedarfsgegenständen wird mit Gefängnis und Busse bis zu 10 000 Franken oder mit Busse allein bestraft: a. Wer für Nahrungsmittel oder andere unentbehrliche Bedarfsgegenstände Preise fordert, die gegenüber dem Ankaufspreis einen Gewinn ergeben würden, der den üblichen Geschäftsgewinn übersteigt.» Die Verordnung richtete sich also nur gegen die Händler und erfasste lediglich den wucherischen Gewinn als Tatbestand. Eine zentrale Preiskontrollbehörde, wie sie im letzten Weltkriege bestanden hatte, fehlte damals. Die Kantone erhielten, die Ermächtigung, «für den Verkauf von einzelnen Nahrungsmitteln und anderer unentbehrlicher Bedarfsgegenstände den Preis zu begrenzen». Sie konnten ihre Kompetenzen an die Bezirks- oder Gemeindebehörden weiterleiten. Diese Befugnis wurde von den einzelnen Kantonen und Gemeinden unterschiedlich gehandhabt. Im allgemeinen wurden lokale Preise für Brot, Milch, Fleisch und Petroleum erlassen, und zwar lediglich Konsumentenpreise. Die dezentralisierte Preisfestsetzung durch Verschiebung von Kompetenzen auf die nachgeordnete Behörde führte oft zu unbefriedigenden Zuständen. Im Laufe des Krieges wurden dann vom Bundesrat nationale Höchstpreise festgesetzt, die sich im wesentlichen auf die hauptsächlichsten Nahrungsmittel bezogen.

Der Lebenshaltungskosten-Index2) stieg von 1914 -- 100 auf 204 im Jahre 1918 und erreichte seinen Höchststand im Jahre 1920 mit 224. Der Grosshandels-Index3) stieg in den gleichen Jahren auf 283 und 285. Der Lebenshaltungskosten-Index sank in der Folge von seinem Höchststand von 224 im Jahresdurchschnitt 1920 bis zum Jahresdurchschnitt 1981 um 74 Punkte auf 150. Dennoch war das Preisniveau bei Beginn der Weltwirtschaftskrise im Vergleich zum Ausland relativ sehr hoch. Deshalb mussten zum Schutze der Inlandproduktion und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für fast 400 Einfuhrpositionen Einschränkungen erlassen werden, davon für 50 nur teilweise s).

Sie erfassten einen grossen Teil der gewerblichen und industriellen Wareneinfuhr. Für den Schutz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse vor der ausländischen Konkurrenz wurden Stützungsmassnahmen ergriffen. Diese Massnahinen
trugen erheblich dazu bei, um der Inlandwirtschaft den Inlandmarkt zu erhalten und -die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Gleichzeitig waren sie aber auch geeignet, zur Hochhaltung unserer Preise und der Lebenshaltungskosten beizutragen und somit den Export zu erschweren. Um diesen Versteifungen der Preislage und anderen Misständen zu begegnen, wurde deshalb Ende Februar 1 ) Verordnung gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und anderen unentbehrlichen Bedarfsgegenständen vom 10. August 1914.

2 ) Nichtamtliche Zahlen.

3 ) Die nähere Begründung für die Einfuhrbeschränkungen wurde in den Botschaften des Bundesrates zu den Bundesbeschlüssen über die Beschränkung der Einfuhr vom 23. Dezember 1931 und 80. September 1932 und zum Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland vom 14. Oktober 1988 gegeben.

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1982 beim Eidgenössischen Volkswirtsehaftsdepartement eine Preiskontrollstelle errichtet. In der Schweiz folgten die Grosshandelspreise der sinkenden Bewegung auf dem Weltmarkt, die Kleinhandelspreise hingegen blieben hinter dieser Entwicklung gegenüber vielen Ländern zurück.

Eine Ende 1934 vom Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementa eingesetzte Kommission zur Prüfung der bestehenden Einfuhrmassnahrnen und der damit zusammenhangenden Auswirkungen, zusammengesetzt aus den Herren alt-Bundesrat Dr. Wetter (damals Nationalrat und Vizepräsident des Schweizerischen Handels- und Industrie verein), alt-Nationalrat Sohirmerf (damals Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes), Dr. Borei; Vizedirektor des Schweizerischen Bauernverbandes, Caspar Jenny, Fabrikant, Bundesrat Dr. Weber (damals wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes), führte in den Schlussfolgerungen zu ihrem Bericht vom 20. Februar 1935 aus : «Die Kommission stellt fest, dass die Tatsache der Einfuhrbeschränkungen oder die Unterstellung von Waren unter den Kompensationsverkehr eine Importregelung schafft, die Produktion und Verteilung dazu führen können, die Preise hochzuhalten. Die Kommission macht auf die grossen Vorteile aufmerksam, die die geschützten Produktionszweige im Vergleich zu denen geniessen, die die Auslandskonkurrenz ohne Einschränkung aushalten müssen oder die ihre Produkte auf dem Weltmarkt abzusetzen genötigt sind. Die Vorzugsstellung erfordert eine entsprechende Rücksichtnahme auf die übrigen Produktionszweige und die Konsumenten bei der Preisgestaltung der einfuhrgeschützten Waren.

Die gemachten Erfahrungen bringen die Kommission zu dem Antrag, dass eine wirksamere Preiskontrolle der einfuhrgeschützten oder einfuhrreguherten Waren und der auf diesem Gebiete bestehenden Preisabreden notwendig ist.» Gestützt auf diesen Expertenbericht und weitere Vorarbeiten der Zollexpertenkommission wurde dann der Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936 betreffend die Überwachung von Warenpreisen erlassen. Ihm folgte am 29, Juni 1936 die Verordnung des Bundesrates betreffend die Überwachung von Warenpreisen. Artikel l des Bundesbeschlusses vom 20. Juni 1936 lautete: «Die Preise der Waren, deren Produktion, Einfuhr, Ausfuhr oder Inlandabsatz auf Grund der im Bundesbeschluss
vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland enthaltenen Bestimmungen geregelt wird, unterliegen der staatlichen Überwachung.

Der Bundesrat kann die Preise auch solcher Waren, bei denen die freie Preisbildung durch andere Schutz- oder Hilfsmassnahmen des Bundes beschränkt wird, der staatlichen Überwachung unterstellen.

Der Bundesrat ist ermächtigt, diese Preisüberwachung auch da anzuordnen, wo die freie Preisbildung durch Zusammenschlüsse oder kartellmässige Abreden ausgeschlossen oder ungebührlich eingeschränkt wird.

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Die Preisüberwachung hat den Zweck, eine für den einheimischen Erzeuger oder Verkäufer, sowie insbesondere für den Konsumenten ungerechte Preisbildung zu verhindern. Zu diesem Zweck kann der Bundesrat nötigenfalls Preisvorschriften aufstellen und geeignete Massnahmen zu deren Durchführung ergreifen.» Unsere Bemühungen zur Preisanpassung wurden aber durch ausländische Massnahmen (Währungsabwertungen, Prohibitionszölle, Kontingentierungen, Zahlungserschwerungen) immer wieder durchkreuzt. Im September 1936 wurde der französische Franken überraschend um 80 Prozent abgewertet, nachdem England bereits im Jahre 1931 den Goldstandard aufgegeben hatte, die Vereinigten Staaten 1933 den Dollar und mehr als 30 andere Länder ihre Währung in der Zwischenzeit abgewertet hatten. Ein weiterer Konkurrent auf dem Weltmarkt hatte somit eine beträchtliche Verbilligung seiner Exportpreise erreicht. Da die französische Währungsabwertung im Einvernehmen mit den USA. und England erfolgte und als ein weitreichender Versuch zu einer endgültigen internationalen Währungsstabilisierung betrachtet werden konnte, wurde die Schweiz in die Zwangslage versetzt, ihre Währung in die veränderten Valutaparitäten einzuschalten. Sie wertete den Franken lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen um ca. SO Prozent ab.

Der Bundesrat verhehlte sich nicht, wie er in seinem Bericht vom 28. September 1936 über seine Beschlüsse vom 26. und 27. September 1986 über die Abwertung des Schweizerfrankens ausführte, «dass eine Abwertung gewisse Nachteile mit sich bringt, die namentlich in Form von Preiserhöhungen eine unerwünschte Wirkung ausüben können.

Die Preiskontrolle wird hier ihres wichtigen Amtes walten müssen. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Abwertung nicht nur die damit naturnotwendig verbundenen Nachteile, sondern für die notleidende-Wirtschaf t die möglichen Vorteile bringt. Bei dieser Gelegenheit ist endlich die Anpassung an die Wirtschaft des Auslandes herbeizuführen.» Der Bundesrat bzw. das Volkswirtschaftsdepartement erliess deshalb mit der Abwertung des Schweizerfrankens besondere Preisvorschriften, deren Handhabung wiederum der Preiskontrollstelle übertragen würde. Durch Verfügung I des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 27. September 1936 betreffend aüsserordentliche Massnahmen über die Kosten der Lebenshaltung
wurde die Erhöhung der Preise von Waren jeder Art, der Tarife für Hotels, Honorare, Gas und Elektrizität, sowie der Miet- und Pachtzinse dem Bewilligungsverfahren unterstellt.

Mit Hilfe der Preiskontrollmassnahmen konnten die aus der SOprozentigen Frankenabwertung resultierenden Preiserhöhungen wirksam eingedämmt werden. Der Index der Lebenshaltungskosten stieg im Jahresmittel von 1935 bis 1938 auf der Basis 1929 = 100 nur von 80 auf 85 (= 6,25%), währender sich in Frankreich von 87 auf 126 (=44,8%), in England von 87 auf 95 (= 9,2%) und in Italien von 77 auf 98 (== 27,3%) erhöhte.

65 Nachdem sich die Wirtschaft an die durch, die Abwertung geschaffenen neuen Verhältnisse weitgehend angepasst hatte, handhabte die Eidgenössische Preiskontrollstelle bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges vorzugsweise den oben erwähnten Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936 betreffend die Überwachung von Warenpreisen. Sie hatte ferner als begutachtende Stelle für die Bundesbehörden Preis- und Kostenfragen zu überprüfen. Die im Zusammenhang mit der Abwertung beschlossenen Preiskontrollmasscahmen wurden nach Erfüllung ihres Zweckes Ende 1987 wieder weitgehend gelockert, jedoch blieb die Miet- und Pachtzinskontrolle aufrecht erhalten.

u. Die Preiskontrolle während des Krieges 1939--1945 Bei Beginn des zweiten Weltkrieges war mit tiefgreifenden wirtschaftlichen Umstellungen in allen kriegführenden Ländern zu rechnen. Wegen der Auslandsabhängigkeit der schweizerischen Wirtschaft musste deshalb eine Erschwerung der Landesversorgung und damit ein Steigen des Preisniveaus befürchtet werden. Um den kosten- und preismässigen Auswirkungen zu begegnen, ermächtigte der Bundesrat durch seinen Beschluss vom 1. September 1989 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung das Eidgenössische Volkswirtschaftsdeparternent zum Erlass neuer Preisvorschriften. Damit sich die Preispolitik den wechselnden Situationen und Erfordernissen während dos Krieges elastisch anpassen konnte, wurde ein generelles Preiserhöhungsverbot mit Bewilligungsvorbehalt erlassen. Durch Verfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 2. September 1989 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und dun Schutz der regulären Marktversorgung wurde es vom 4. September 1939 an untersagt, die Gross- und Detail Verkaufspreise jeder Art von Waren, die Miet- und Pachtzinse, die Tarife der Hotels, Pensionen, Lehr-, Heil- und Kuranstalten, Tarife für Gas und Elektrizität, die Tarife für Honorare und Werkleistungen sowie andere Tarife jeder Art (ausgenommen, solche für konzessionierte Transportunternehmungen) über den effektiven Stand vom 81. August 1989 ohne Genehmigung zu erhöhen. Ferner wurde untersagt, im Inland für irgendwelche Leistungen Gegenleistungen zu fordern oder anzunehmen, die unter Berücksichtigung der brancheüblichen Selbstkosten einen mit der allgemeinen Wirtschaftslage unvereinbaren Gewinn
verschaffen würden.

Der erwähnte Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 sowie die Verfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 2. September 1939 bildeten während der ganzen Kriegs- und Nachkriegszeit die rechtliche Hauptgrundlage der Preismassnahmen. Die Preiskontrolle wurde jedoch keineswegs starr gehandhabt. Sie wurde vielmehr entsprechend den jeweils wechselnden wirtschaftlichen Verhältnissen verschärft oder gelockert.

Das generelle Preiserhöhungsverbot stellte die Plattform dar, von der aus die erforderlichen Preisanpassungen zugelassen werden konnten. Dieser Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit entsprach an sich keineswegs den Wirtschaft-

06 liehen Anschauungen des Bundesrates, sondern war eine durch die aussenpolitischen Ereignisse aufgezwungene Notmassnahme, mit der den ausserordentlichen Verhältnissen auf dem Preisgebiet begegnet werden sollte.

Es erübrigt sich, hier auf die Durchführung der Preiskontrolle während des Krieges näher einzutreten. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat darüber in seinem Bericht über die Kriegswirtschaft unter dem Abschnitt «Preiskontrolle» eingehend Auskunft erteilt. Es sei hier lediglich hervorgehoben, dass mit zunehmender Teuerung strengere Maßstäbe an die Genehmigung von Preiserhöhungen gelegt werden mussten. Insbesondere wurden die inländischen Preisfaktoren besser erfasst.

Die Lebenshaltungskosten stiegen in der Schweiz während des Krieges um 51 Prozent, blieben also weit hinter der Preiserhöhung der vom Ausland bezogenen Produkte zurück, zu der noch andere Verteuerungsmoment kamen.

Index der gross handelspreise Inl.

Total Waren

Ausl.

Waren

Januar-August 1939 Ende 1939 . . . .

Ende 1940 . . . .

Ende 1941 . . . .

Ende 1942 . . . .

Ende 1948 . . . .

Ende 1944 . . . .

Ende 1945 . . . .

Ende Ende Ende Ende Ende Ende

1940 1941 1942 1948 1944 1945

.

.

.

.

.

.

100 130 188 239 260 262 261 240

100 110 182 154 165 172 175 177

100 118 154 187 202 207 208 202

Index der Lebenshai tun gekosten

100 104 117 135 146 150 152 151

Prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahr Index Index der Grosshandelpreise der Lebenshaltungs-Total Inland, Ausland.

kosten Waren Waren + 20,7 + 80,9 + 44,5 + 12,6

+ 27,1 + 8,7 + 0,8 - 0,4 -- 8,0

+ + + + +

16,1 7,4 4,2 1,7 1,1

+ 21,4 + 8,0 + 2,5 + 0,5 - 2,9

+ 15,2 + 8,8 + 2,7 + 1,3 - 0,7

Lohnindex gemäss Industrieberichterstattung (Stundenlöhne)

100 100

106 116 127 135 141 151 Lohnindex gemäss Industrieberichterstattung (Stundenlöhne)

+ 5,6 + 9,8 + 9,1 + 6,3 + 4,4 + 7,1

Diese Preisentwicklung darf in Anbetracht der durch den Krieg verursachten Erschwerungen als relativ günstig bezeichnet werden. Die Wirkung der zentralen staatlichen Massnahmen zur Eindämmung der Preise lasst sich ermessen, wenn man die Preisentwicklung während des ersten und des zweiten Weltkrieges gegenüberstellt. Hierbei ist noch zu würdigen, dass die Versorgung und die Zufuhrmöglichkeiten während des zweiten Weltkrieges sohlechter waren als während des ersten Weltkrieges.

67 Juni/Juli 1914. . . 100 1915 113 1916 181 1917 163 1918 204 1919 222 1920 224

August 1989 . . . . 100 1940 110 1941 127 1942 141 1943 148 1944 151 1945 152

m. Die Preiskontrolle während der Nachkriegszeit Die Gründe, die im Jahre 1989 die Einführung der kriegswirtschaftlichen Preiskontrolle veranlassten, fielen mit Kriegsende nicht dahin. Weder die Mangelwirtschaft noch die vom Kriegsgeschehen bedingten wirtschaftlichen Veränderungen konnten sofort überwunden oder zurückgebildet werden.

Immerhin konnte man voraussehen, dass mit zunehmender Lockerung der kriegswirtschaftlichen Beschränkungen im Ausland und Befriedigung des ersten Stossbedarfes die wirtschaftlichen Marktgesetze allmählich wieder ihre ausgleichenden Funktionen übernehmen würden. Die Schweiz musste daher die wirtschaftliche Abgeschlossenheit so schnell wie möglich überwinden und ihr Preisniveau dem des Auslandes wieder einpassen. Die Preiskontrollstelle wurde deshalb beauftragt, für die sofortige Weitergabe aller vom Weltmarkt kommenden Preissenkungen zu sorgen. Einige vom Weltmarkt her erwartete Preissenkungen wurden dem Konsumenten überdies, der Entwicklung vorgreifend, mit Einsatz öffentlicher Mittel zugeführt. Im Herbst 1945 wurden die Preise für Teigwaren, Hafer, Gerste, Mais, Eeis, Speiseöl, Hülsenfrüchte, Brot und Mehl, anfangs 1946 die für Speisefett und in der Folge auch für Schweinefett beträchtlich gesenkt.

Von den generellen Preisermässigungen, die die Eidgenössische Preiskontrollstelle auf Grund der Importpreissenkungen publizierte, seien Aluminiumprodukte, Chemikalien und Treibstoffe erwähnt. Ferner wurden zwischen Frühjahr 1946 und Ende 1947 in der Textilbranche verschiedene Margenreduktionen verfügt.

So wurde von Juli 1945 bis Juli 1946 eine Senkung des Lebenshaltungskosten-Index von 153,4 auf 150,9 erreicht. Durch dieses Umbiegen der seit den letzten 5 Jahren ständig angestiegenen Preiskurve konnte im damaligen Moment der Umstellung von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft eine nicht unwesentliche psychologische Beeinflussung der Wirtschaft erreicht werden, vor allem in bezug auf eine Stärkung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland bei der zu erwartenden Normalisierung der Marktverhältnisse.

Innenpolitisch war ferner von Bedeutung, dass die sich aufdrängende Wiederherstellung des Reallohnes durch die Preissenkungen beschleunigt erreicht werden konnte.

Die in der ersten Nachkriegszeit eingetretenen Importpreissenkungen hielten aus weltpolitischen Gründen nicht lange an. Das Volkswirtschaftsdepartement umschrieb die Situation in seinem Bericht über die Kriegswirtschaft !) wie folgt : ï)~ Seite 902.

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«Wesentliche Produktionsgebiete wurden nicht nur nicht wieder aufgebaut, sondern demontiert, Wirtschaftseinheiten wurden zerrissen und Devisenschranken errichtet. Die Nachfrage nach schweizerischen Exportprodukten wuchs erheblich an, die Möglichkeiten von Gegenlieferungen blieben aber vorderhand gering. Die Ausfuhr ging einer eigentlichen Blütezeit entgegen und übertraf seit Mitte 1946 die Vorkriegsmenge beträchtlich.

Ein Teil der Ausfuhr ging unmittelbar zu Lasten der Inlandversorgung, indem Waren exportiert wurden, die eigentlich für das Inland bestimmt waren. Ein anderer Teil der Ausfuhr beanspruchte Produktionsmittel und Arbeitskräfte, die andernfalls für die Inlandversorgung hätten eingesetzt werden können. Der Exportpreisindex für Fertigwaren stieg seit Kriegsende bis Ende 1947 von 202,5 auf 280,8 (1938 = 100). Dem Export boten eich somit Gewinnchancen, die eine Produktionsverlagerung zu Ungunsten der Inlandversorgung herbeizuführen und einen neuen Preisauftrieb auszulösen drohten. Den steigenden Importen standen vermehrte Bedürfnisse gegenüber. Ausserdem fiel zunächst ein höherer Einfahranteil als früher auf Bohstoffe, die zum Teil verarbeitet und wieder exportiert wurden. Die Lebensmittel- und Fertigwarenfabrikate-Einfuhren blieben noch zurück, so dass dem Abfluss auf der Exportseite kein Äquivalent auf der Importseite gegenüberstand.

Nach anfänglichem Nachlassen stiegen die Importpreise zum Teil wieder beträchtlich an. An wesentlichen Weltmarkt-Stapelwaren herrschte weiterhin Mangel und verschiedene wichtige Lieferländer scheuten sich nicht, ihre günstige Marktposition aufs äusserte auszunützen. Die devisenschwachen Länder bedienten sich zur Verbesserung der kaufkraftmässigen Austauschrelation vielfach währungspolitischer Massnahmen, die ein devisenstarkes, aber auf den Bezug ihrer Produkte angewiesenes Land besonders treffen mussten. Währungsaufwertungen, Pestsetzung besonderer Exportkurse, besonderer Exportzuschläge und unterschiedlicher Preise zum Nachteil der Schweiz führten zu entsprechenden Preiserhöhungen, Auch die in den zwangsläufig bilateral gestalteten Handelsverträgen festgesetzten Clearingkurse entsprachen nicht immer der Kaufkraft der Valuten und : trugen gleichfalls zu einer nicht unbeträchtlichen Verteuerung der Importwaren bei.» Der fühlbare Arbeitermangel und die hohen
Bestellungseingänge führten zu einer regelrechten Jagd nach Arbeitskräften. Die Löhne der Industriearbeiter stiegen schnell an und zwar von Ende des Krieges bis Ende des 2. Quartals 1947 von 144,2 auf 172,4, das heisst unter Berücksichtigung der Preissteigerungen real von 94 auf 109. Die Bückwirkungan auf die Produktionskosten und die Preise konnten nicht ausbleiben. Im Baugewerbe, das besonders lohnintensiv ist, erhöhte sich der Baukostenindex vom August 1945 bis August 1947 von 165 auf 195 (1988 TM 100). Das führte zu bedeutend höheren Mieten für die Neubauwohnungen. Aber auch die Preise der landwirtschaftlichen Nahrungsmittel konnten auf die Dauer von den Lohnsteigerungen nicht un-

69 berührt bleiben. Mit zunehmender Abwanderung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in die Industrie mussten die Löhne erhöht werden. Dadurch stiegen auch die Lohnansprüche der Bauern und zu deren Abgeltung die Preise der inländischen Nahrungsmittel.

Der wechselseitige Preis-Lohnauftrieb bedrohte das Preisniveau. Trotz der starken konjunkturellen und zum Teil inflationären Preisauftriebe gelang es, den Preisanstieg in der Zeit von Mitte 1945 bis Mitte 1947 auf 3 Prozent zu beschränken.

Entwicklung der Lebenshaltungskosten in der Nachkriegszeit; Juni 1945 = 100 Schweiz

Schweden

Kanada

USA

England

Juni 1946 . . .

99 100 108 103 100 Juni 1947 . . . 103 107 113 121 100 Wie der Vergleich der Lebenshaltungskosten in der Schweiz und einigen anderen Ländern während der zwei ersten Nachkriegsjahre zeigt, hatten sich die Preiskontrollmassnahme in der Schweiz günstig ausgewirkt. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass Kanada und Schweden ihre Währungen um 10 bzw. 14 Prozent aufgewertet hatten, d. h. die Importwarenpreise in diesen Ländern entsprechend gesunken waren. Die USA. hatten im Jahre 1946 die zentrale Preisüberwachung aufgehoben. Ein erheblicher Preisanstieg war die Folge. Bei der Beurteilung der englischen Preisentwicklung muss berücksichtigt werden, dass ausser den Preisvorschriften noch scharfe Rationierungsvorschriften bestanden und die Lebenshaltungskosten durch Einsatz staatlicher Gelder verbilligt wurden.

So wurde die innere Kaufkraft des Schweizerfrankens den anderen Währungen in den ersten beiden Nachkriegsjahren wieder weitgehend angeglichen.

Der Kampf gegen die Geldentwertung, eines der wesentlichsten Wirtschaftsprobleme in allen Ländern während der Nachkriegszeit, wurde in der Schweiz durch die Preiskontrollmassnahmen erfolgreich unterstützt. Der durchschnittliche Eeallohn des Arbeiters, der während des Krieges bis zu 14 Prozent sank, konnte bis Mitte 1947 um 8 Prozent gegenüber 1939 verbessert werden.

Der Realwert der Lohnerhöhungen fand aber schliesslich seine Grenze.

Das Preisniveau wurde immer mehr von den Lohnsteigerungen beeinflusst, Preis- und Lohnentwicklung 1946/47 Jahr bzw. Quartalisende

1946/2. Quartal . . . .

3.

» . . . .

4.

» . . . .

1947/1. Quartal . . . .

2.

» . . . .

3.

»> . . . .

4.

» . . . .

Kosten der Stundenlohnsätze Lebenshaltung nominal real Januar bis August 1939 - 100

151,6 151,6 155,1 155,3 159,0 159,3 163,4

159,4 163,6 166,1 170,8 172,4 174,6 178,0

105,1 107,9 107,1 109,7 108,4 109,6 109,0

70

Vom Herbst 1946 bis zum Herbst 1947 stiegen die Preise um 5 Prozent.

Das bedeutete die stärkste Preissteigerung innert Jahresfrist seit 1948.

Diesem fortgesetzten inflatorischen Auftrieb war durch enges Zusammenwirken von Preiskontrollstelle und Wirtschaft zu begegnen. Auf unsere Anregung hin kamen die wirtschaftlichen Spitzenverbände nach längeren Verhandlungen schliesslich überein, dass im Interesse der Verhinderung eines weiteren inflatorischen Auftriebs bis zum 31. Oktober 1948 grundsätzlich keine weiteren allgemeinen Preis- und Lohnerhöhungen stattfinden sollten. Das entsprechende Abkommen sah keinen starren Preis- und Lohnstop vor, sondern nur die Verhinderung kostenmässig oder sozial nicht vertretbarer Preis- und Lohnerhöhungen, Zur Durchführung wurde ein paritätischer Stabilisierungsausschuss aus Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingesetzt, der als beratendes Organ der Preiskontrollstelle wirkte. Das Abkommen bewährte sich gut. Die Tätigkeit des Stabüisierungsausschusses fand allgemein Zustimmung und unterstützte die Preiskontrolle wesentlich. Gleichzeitig wurde zum ersten Mal in der Schweiz damit auch eine generelle Einflussnahme auf die Lohnentwicklung durch Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehinerverbänden sowie der Behörde eingeführt. Auf diese Art konnte die Preis-Lohnspirale wirksam gebremst werden. Das Abkommen wurde dann von den Beteiligten um ein weiteres Jahr, nämlich bis Ende 1949, verlängert. Eine weitere Verlängerung, wie sie vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement vorgeschlagen wurde und gern gesehen worden wäre, kam wegen der ablehnenden Haltung der Unternehmerverbände nicht zustande. Diese waren Ende 1949 der Ansicht, dass allgemeine Preis- und Lohnauftriebstendenzen nicht mehr bestünden und sich somit eine weitere Verlängerung erübrigte.

Jahr bzw. Quartalsende

Kosten der Lebenshaltung Aug. 1939 = 100

Lohnansätze nominal real 3. Quart. 1939 =· 100

1947/4. Quartal . . . .

1948/1.

» . . . .

162,8 162,5

178,0 180,4

109,4 111,0

2.

3.

» »

. . . .

. . . .

163,0 162,6

181,4 182,5

111,3 112,8

4.

1949/1.

» »

. . . .

. . . .

163,7 161,8

183,0 183,4

111,8 113,8

,2.

3.

» »

. . . .

. . . .

161,8 161,8

183,5 188,6

113,4 113,5

4.

»

. . . .

160,6

183,7

114,4

Die Preis- und Lohnentwicklung während der Tätigkeit des Stabilisierungsausschusses zeigt, dass der Preisentwicklung die Spitze abgebrochen werden konnte und die Lohnentwicklung sich bedeutend verlangsamte. Im Ausland verlief die Preisentwicklung der allgemeinen Konjunktur entsprechend:

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1937 = 100 Zeitpunkt

1947 . . .

1948 . . .

1949 . . .

Schweiz

Schweden

England 1)

U 6A

Holland

Belgien

Kanada

159 164 162

156 166 170

102

155 167 165

199 206 219

340 890 378

134 153 159

108 111

») Juni 1947 = 100

Ein weiteres Mal konnte die Schweiz unter anderem mit Hilfe von Preismassnahmen ihr Preisniveau gegenüber dem des Auslandes verbessern.

IV. Der Übergang von der kriegswirtschaftlichen Preiskontrolle zur Preisüberwachung Mitte des Jahres 1949 stand, abgesehen von einigen Ausnahmen, gesamthaft wieder ein ausreichendes Warenangebot zur Verfügung. Auf der Kostenseite hatten sich bei einzelnen Eohwaren, insbesondere bei den agrarischen, inzwischen fühlbare Preisrückgänge eingestellt. Auch die Preise für Metalle, Kohle und einzelne Erdölprodukte begannen zu weichen. Dank der guten Beschäftigung stand eine grosse Kaufkraft zur Verfügung. Der Nachholbedarf war aber zu einem grossen Teil gedeckt, so dass die Dringlichkeit des Bedarfs bei aller vorhandenen Kauflust doch abgenommen hatte. Der Käufer nahm wieder ein preisbewussteres Verhalten, ein. Ökonomisch waren also sowohl von der Produktions-, als auch von der Nachfrageseite die Voraussetzungen für eine freie Konkurrenzpreisbildung gegeben und somit eine Auflockerung des Preisgefüges zu erwarten.

Da der staatliche Interventionismus sobald wie möglich abgebaut und die Preisgestaltung wo immer möglich wieder in die Verantwortung der Wirtschaft zurückgegeben werden sollte, war die Preiskontrollstelle beauftragt, ständig zu prüfen, wo eine Aufhebung oder Lockerung der Höchstpreisvorschriften ohne Gefährdung dos Preisniveaus möglich war. Bereits in der ersten Nachkriegszeit bis Ende 1947 wurden die kriegswirtschaftlichen Höchstpreisvorschriften auf verschiedenen Sektoren gemildert bzw. die Preisgestaltung ganz freigegeben und nur auf eventuell unangemessene Preisforderungen hin überwacht.

Die Lockerung der Höohstpreisvorschriften konnte nun in grösserem Umfange in Angriff genommen werden. Es wurde deshalb ein Arbeitsausschuss aus Mitgliedern der Preiskontrollkommission und des Paritätischen Stabilisierungsausschusses eingesetzt, der die Situation zu prüfen und dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement darüber Bericht zu erstatten hatte.

Auf Empfehlung dieses Ausschusses wurden in der Zeit von Mitte 1949 bis Mitte 1950 nach Massgabe des sich ständig lockernden Preisgefüges sukzessive die Höchstpreise für die meisten Waren und Leistungen aufgehoben. Der Ausschuss hielt es aber für erforderlieh, dass die Entwicklung der freigegebenen Preise überwacht würde.

72 Die Preiskontronstello behielt sich entsprechend der Empfehlung des Ausschusses vor 1 ), Erhebungen anzuordnen und bei unangemessener Preis- bzw.

Margenentwicklung wiederum Preisvorschriften zu erlassen. Ausserdem blieb die Pflicht zur Anschrift der Detailpreisea) bis auf weiteres unverändert.

Die während der Periode der Höchstpreisfreigaben eingetretene Abwertung des Pfund Sterling, sowie der Währungen anderer Länder, die mit dem Sterlingraum engere wirtschaftliche Beziehungen pflegen, regte die Konkurrenz sowohl im Inland wie auch auf den Exportmärkten an. Sie zwang die schweizerische Wirtschaft gleichzeitig, den eigenen Preis- und Kostenverhältnissen vermehrt alle Aufmerksamkeit zu schenken. Vom Weltmarkt her konnte für unser Preisniveau eine besondere Rückbildung dort erwartet werden, wo sich die aus den Abwertungsländern herrührenden Verbilligungen noch nicht durch alle Wirtschaftsstufen hindurch bis auf die Konsumentenpreise ausgewirkt hatten.

Ausserdem war für die Zukunft zu erwarten, dass das System der zweierlei Preise (= doubles prix), durch welches der Schweiz teilweise höhere Preise in "Bechnung gestellt wurden als andern Ländern, mit zunehmender Angebotsfülle verschwinden würde. Anderseits brachten die Währungsabwertungen eine fühlbare Erschwerung der landwirtschaftlichen Preisposition, die mit Schutzmassnahmen auf der Einfuhrseite abgewendet werden konnte.

Während der Periode der Preisfreigaben vom Juni 1949 bis Juni 1950 sanken die Lebenshaltungskosten um 2 Prozent. Dennoch wurde durch die zunehmende Konkurrenz auf dein Weltmarkt verschiedenen Inlandbranchen durch billigere Importe, z. B. aus Deutschland, die Existenz erschwert. Die Begehren um Einfuhrschutz mehrten sich.

Die Preiskontrollstelle hatte deshalb weiterhin das Preisniveau auf den freigegebenen Gebieten zu beobachten, .um festzustellen, wo die Anpassung an die neuen Verhältnisse nicht oder nicht rechtzeitig bzw. nicht ausreichend erfolgte. Zu diesem Zweck liess sie sich von der Wirtschaft die Veränderungen in der Preis- und Kostengestaltung melden und prüfte mit ihr gemeinsam deren Angemessenheit.

Als die Lebenshaltungskosten sich etwas senkten, wurde die Lösung des speziellen Problems der unterschiedlichen Mieten für Alt- und Neubauwohnungen in Angriff genommen. Die Preiskontrolle musste die Mietzinse ebenso
wie die Warenpreise nach dem Kostendeckungsprinzip festlegen. Auf diese Weise gelang es, den Index der Mieten von 1989 bis 1950 nur um 9 Prozent ansteigen zu lassen. Da die einzelnen Gebäude je nach Baujahr zu unterschiedlichen Kosten errichtet wurden, klafften die Mieten zwischen den vor dem Krieg und bis zum Jahre 1942, sowie den später erstellten Wohnungen mit zunehmender Teuerung immer mehr auseinander. Um die sich daraus ergebenden 1 ) Verfügung Nr. 822 A/49 EPK betreffend Umgestaltung der Preisüberwachung vom 15, Juli 1949. Diese Verfügung wurde mit vorgängiger Zustimmung des Vorstehers des Volkswirtschaftsdepartements erlassen.

a ) Verfügung Nr. 572 A/44 EPK betreffend Anschrift und Aufdruck der Detailpreise vom 29. September 1944.

73 Unzuträglichkeiten zu vermindern, wurde unter bestimmten Voraussetzungen am 80. August 1950 ein Aufschlag von 10 Prozent auf die Mieten der vor 1943 gebauten Wohnungen zugebilligt.

Heute werden nur noch auf wenigen Gebieten Preise festgesetzt. Es handelt sich hier zur Hauptsache um die Miet- und Pachtzinse, flüssige Brennund Treibstoffe, Hausbrandkohle, Elektrizität, Fichten- und Tannenholz, Lagerhaus- und Umschlagstarife und um einige wesentliche Nahrungsmittel, deren Preise durch staatliche Schutzmassnahmen beeinflusst werden, nämlich um Brot, Mehl, Milch und Milchprodukte, sowie einfuhrgeschützte Früchte, Gemüse, Kartoffeln und Eier.

Für die von den Höchstpreisvorschriften befreiten Gebiete musste die Preisüberwachung im Laufe des Jahres 1951 als Folge der nach Kriegsausbruch in Korea wieder anziehenden Konjunktur intensiviert werden.

Zur Anregung der Konkurrenz und zum Schutze der Konsumenten sowie zur Erleichterung.der Preiskontrolle wurde die Anschrift der Detailpreise neu geregelt1). Die bisherige umfassende Eegelung, die wegen des Personalabbaues anlässlich der Freigabe der meisten Höchstpreise bei der eidgenössischen und den kantonalen Preisüberwachungsbehörden schwer kontrollierbar geworden war, wurde vereinfacht. Die Pflicht zur Anschrift der Detailpreise wurde auf die bedeutenderen Waren und Leistungen des täglichen Gebrauchs konzentriert.

Die Neuregelung bedeutete eine Beschränkung auf das Wesentliche und in diesem Sinne eine Aktivierung der Pflicht zur ,Anschrift der Detailpreise, Die Preisüberwachung wurde so gehandhabt, dass die Preiskontrollstelle die einzelnen Branchen, über deren Ersten- und Preisbewegung sie orientiert sein wollte, zur Meldung und Auskunftserteilung aufforderte. Soweit nötig wurden dann in Verhandlungen zwischen den betreffenden Branchen und der Preiskontrollstelle die Preis- und Kostenverhältnisse abgeklärt.

Bei den Textilien und dem, Bundholz stellte sich die Frage der Wiedereinführung von Höchstproisvorschriften. Es gelang aber schliesslich, die einzelnen Textilbranchen zu bewegen, sich auf eine angemessene Preisbeschränkung zu verpflichten. Auch auf dem Holzsektor wurden die Verbände zum Abschluss eines Preis- und Marktabkommens veranlasst, das ebenfalls den Preisauftrieb abbremsen sollte. Bedauerlicherweise funktionierte dieses Abkommen nur kurze
Zeit zufriedenstellend. Die zunehmenden Überforderungen in einzelnen Kantonen zwangen die Eidgenössische Preiskontrollstelle, anfangs 1952 wieder Höchstpreise für Fichten- und Tannenholz zu erlassen.

Diese Preisüberwachung war, gemessen an dem beschränkten Aufwand und der Zurückhaltung, mit der sie praktiziert wurde, nicht unwirksam. Die Kompetenz der Preiskontrollstelle, bei unangemessener Preisbildung wiederum Preisvorschriften erlassen zu können, wirkte vielfach dämpfend auf die Preisentwicklung. Verschiedene Branchen traten von sieh aus an die Preiskontrollstelle heran, um das Ausmass notwendiger Preisaufschläge mit ihr zu beraten.

*) Verfügung Nr. 572 A/50 EPK betreffend Anschrift der Detailpreise vom 27. Dezember 1950.

74

Diese im grossen und ganzen verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Preiskontrollstelle zeitigte ihre Fruchte. Während in einzelnen Ländern die Weltmarkthausse als Folge des Krieges in Korea zum Teil sprunghafte Preisaufschläge verursachte, erhöhte sich das schweizerische Preisniveau verhältnismässig langsam und blieb hinter dem aller wesentlichen Konkurrenzländer zurück. Gegenüber dem Jahresdurchschnitt 1950 stiegen in verschiedenen Ländern die Lebenshaltungskosten-Indices bis Ende 1951 wie folgt (wobei zu berücksichtigen ist, dass zum Teil Währungsabwertungen vorgenommen wurden) : Belgien 12 Prozent Canada 15 » Dänemark 18 » (Oktober 1951) Deutschland 18 » England . . . . . . . 18 » Frankreich (Paris) . . 29 » Holland 10 » (November 1951) Italien 12 » (Npvember 1951) Österreich 45 » Schweden 22 » (November 1951) Schweiz 7 » USA 10 » So konnte trotz der Aufhebung der meisten Höchstpreisvorschriften durch eine den Umständen angemessene Preisüberwachung, verbunden mit wenigen noch nötigen Preisvorschriften, ein nicht zu unterschätzender Beitrag an die Stabilisierung der Lebenskosten, der Werterhaltung unserer Valuta und der Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft auf den Weltmärkten geleistet werden.

Entsprechend der Zurückbildung der staatlichen Proisintervention verminderte sich auch der Personalbestand der Preiskontrollstelle. Er hatte seinen Höchststand Ende Dezember 1943 mit 389 Personen erreicht und beträgt nun 78 Personen.

V. Die Preiskontrolle in andern Ländern Auch das Ausland hat sich mit wenigen Ausnahmen der Notwendigkeit von Preiskontrollmassnahmen nicht verschlossen. Im allgemeinen ist die Kriegspreiskontrolle in eingeschränkter Form beibehalten worden. Sie hat seit Ausbruch des Krieges in Korea in verschiedenen Ländern einen Neuausbau erfahren.

Belgien, welches seine noch aus der Besetzungszeit herrührenden Preis kontrollgesetze 1947 gänzlich aufhob, versuchte im Laufe des Jahres 1950 auf freiwilligem Wege eine Preistiefhaltung zu erreichen. Dieser Versuch scheiterte. Neue Massnahmen, welche allenfalls durch ein königliches Dekret hätten erfolgen können, sind nicht ergriffen worden. Vielmehr hat die belgische Eegierung seinerzeit wiedereingeführte Höchstpreisvorschfiften aufgehoben. Prak-

75 tisch sind beute nur noch Höchstpreise für Rind- und Schweinefleisch sowie Zement in Kraft. Für Miete und Pacht bestehen besondere Vorschriften.

Canada hat die Preiskontrolle anfangs 1950 aufgehoben. Ihre Wiedereinführung wird vorläufig nicht in Erwägung gezogen, obschon die Eegierung unlängst die entsprechenden Kompetenzen wieder erhalten hat. Für wichtige Rohstoffe sind indessen Vereinbarungen mit der Wirtschaft getroffen worden, wonach Preisänderungen nicht ohne Verständigung mit den Behörden erfolgen sollen. Die Mietzinskontrolle auf zentraler Grundlage ist ebenfalls aufgehoben, immerhin haben einige Provinzen autonome Begelungen beibehalten.

Dänemark hat seine Preiskontrolle seit Kriegsende wiederholt verändert, aber nie aufgehoben und im letzten Jahr verschärft. Das am 30. April 1952 abgelaufene Gesetz ist in ähnlicher Form erneuert worden. Dieses geht davon aus, die staatliche Preislenkung dort einzusetzen, wo die Konkurrenz nicht selbst für eine normale Preisbildung sorgt. Private preisbeeinfhissende Vereinbarungen (Trusts, Kartelle, Monopole) sind im Zweckartikel des Gesetzes ausdrücklich erwähnt, und die Gesetzgebung soll die wirtschaftliche Ausbeutung als Folge der herrschenden ausserordentlichen Verhältnisse verhindern. Gegenwärtig unterliegen der Preiskontrolle insbesondere Papier, Schuhe, die wichtigsten Lebensmittel, das Gastgewerbe, Baustoffe, Hob;, flüssige und feste Brennstoffe, Eisen und Stahl, sowie bestimmte Honorare. Für die Miete bestehen staatliche Vorschriften, nicht aber für die Pacht.

In Deutschland ist das Preisgesetz aus dem Jahre 1948 noch in Kraft.

Staatlich festgesetzte Preise gelten für die wichtigsten Erzeugnisse der Ernahrungs- und Landwirtschaft, sowie für die industriellen und gewerblichen Hauptrohstoffe. Das Baugewerbe untersteht den Preisvorschriften, soweit Bauton mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Neben der Mietpreiskontrolle, welche Neubauten nicht umfasst, werden die wichtigsten Tarife, insbesondere der Verkehrsanstalten, der Krankenpflege und gewisser Versicherungen staatlich kontrolliert. Als Folge der Angebots-Verknappung sind anfangs 1951 die bisher der Preiskontrolle nicht unterstehenden Nichteisenmetalle und das Holz einer Richtpreisregelung unterstellt worden. Da sich die lockere Regelung für Holz nicht bewährt hat, wird zurzeit die
Einführung von Höchstpreisen erwogen. Gegenwärtig wird über die Freigabe von Eisen und Schrott diskutiert.

England hat die kriegswirtschaftliche Preiskontrolle nie abgebaut. Die staatliche Preisbehörde, welche seit 1939 tätig ist, erlässt die Preisvorschriften zusammen mit der halboffiziellen Charakter tragenden Handelskammer.

In Finnland war die Preiskontrolle Mitte 1950 in beschränktem Umfang bereits eingeführt. Ein neues schärferes Preiskontrollgesetz wurde anfangs 1951 erlassen. Die Regierung schloss in der Folge ein Stillhalteabkommen ab, das neben dem Lohnstop einen partiellen Preisstop brachte. Neben zahlreichen Einfuhrartikeln unterliegen sämtliche Lebensmittel der staatlichen Preisfestsetzung. Die Industrie, der Engros- und Detailhandel sind gehalten, ihre Kalku-

76

lationen eng gefassten Normen anzupassen. Der Unternehmergewinn wird von der Behörde festgesetzt. Die Preise für Leistungen aller Axt unterstehen ebenfalls den amtlichen Vorschriften. Ein besondeies Gesetz regelt die Mietpreiskontrolle in Städten und grossen Landgemeinden, die Pachten unterliegen keiner Eeglementierung, hingegen besitzt die Eegierang die Möglichkeit, diese notfalls erneut zu fixieren.

In Frankreich sind die Kriegspreisvorschriften -weniger rasch abgebaut worden als in der Schweiz. Für. zeitweilig befreite Waren wurden neue Vorschriften eingeführt. Landwirtschaftliche Erzeugnisse, Lebensrnittel, Kohle, Elektrizität, sowie Stahl, Eisen und deren Halbfabrikate sind unverändert den kriegszeitlichen Vorschriften unterstellt. Der Staat nimmt auch Einüuss auf die Importpreisgestaltung, wobei über Ausgleichsmassnahmen für den Binnenmarkt einheitliche Preisbasen geschaffen werden. Die Miet- und Pachtzinse sind ebenfalls kontrolliert.

In Holland sind dio holländischen und zum Teil noch die deutschen Vorschriften unverändert in Kraft gebheben. Die Regierung hat die regionalen und staatlichen Preiskornmissionen, welche vor allem zur Schlichtung von Preisstreitigkeiten dienen, etwas ausgebaut. Ende 1950 wurde das seit 1939 geltende Preistreiberei- und Hamstergesetz erneut in Kraft gesetzt. Preisvorschriften bestehen augenblicklich für alle Sorten Brennstoffe, Baumaterialien, Schrott, Prachttarife, Chemikalien, Haushaltungsartikel etc. Die nach Ausbruch des Krieges in Korea verschärften Massnahmen, insbesondere die Kalkulationsvorschriften für den Handel, sind inzwischen wieder abgeschafft worden. Die holländische Eegierung legt aber Gewicht darauf, den noch vorhandenen Preiskontrollapparat nicht mehr weiter abzubauen, um, im Hinblick auf die gespannte internationale Lage, die erforderliche Bereitschaftssicherung zu besitzen. Die Preiskontrollgesetzgebung soll aus dem gleichen Grunde beibehalten werden, allerdings ist eine neue, den veränderten Verhältnissen angepasste Regelung geplant, die bis zum Februar 1958 eingeführt werden soll. Das 1951 erlassene Mietgesetz, das sie noch aus der Besetzungszeit stammenden Verordnungen ablöste, bezieht sich vor allem auf Vorkriegsbauten und subventionierte Wohnungen. Die Pachtverträge sind genehmigungspflichtig, Haridänderungen landwirtschaftlichen Bodens
und .Bauten sind an offizielle Preisgutachten gebunden.

Italien hat seine Preiskontrolle im wesentlichen beibehalten und unterstellt die wichtigsten industriellen und gewerblichen Boh- und Hilfsstoffe sowie Halbfabrikate und gewisse Lebensmittel der zentralen Preisbewilligungspflicht.

Kontrolliert werden ferner landwirtschaftliche Produktionsmittel, die Tarife der öffentlichen Dienste und das Gastgewerbe. Die Mietpreiskontrolle, welche sich auf Altbauten beschränkt, wird im Zusammenhang mit der Beratung eines neuen Gesetzes vom Parlament geprüft. Gleich verhält es sich mit der Pachtzinsregelung, unter welcher den Präfekturen zugeordnete technische Kommissionen die Pachtsätze festlegen. Provinciale Organe bestimmen nach Be-

77

darf die Preise von nicht zentral geregelten Waren, hauptsächlich von Lebensmitteln.

In Norwegen ist die Preis- und Mietpreiskontrolle seit Kriegsende nicht wesentlich geändert worden.

Portugal hat seine Preiskontrolle aus der Kriegszeit beibehalten. Die staatliche Einflussnahme erstreckt sich auf sämtliche Preise und Margen mit Ausnahme des Luxusbedarfes. VerbiUigungszuschüsse, Lohnkontrolle und Kreditlenkung sowie Bewirtschaftungsvorschriften ergänzen die Preiskontrolle.

Die Mietpreiskontrolle geht auf die Jahre des ersten Weltkrieges zurück.

Schweden unterstellt mit seinem aus dem Jahre 1942 stammenden Gesetz ungefähr die Hälfte der im Inland hergestellten und eingeführten Waren sowie die Dienstleistungen besonderen Höchstpreisvorschriften. Für die übrigen Gebiete wird eine Preisüberwachung gehandhabt. Die Mietpreisvorschriften sind den schweizerischen ähnlich.

Spanien verbindet die Preiskontrolle, welche die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die industrielle Produktion, die Ein- und Ausfuhr umfasst, mit Bewirtschaftungs- und Kontingentierungsmassnahmen. Der Staat legt Ubernahmepreise, Höchstpreise und Höchstmargen fest. Die Mietpreiskontrolle umfasst die Gebäude, die vor 1942 erstellt wurden. Neubauten unterstehen der Bewilligungspflicht, soweit sie subventioniert sind.

Die Vereinigten S t a a t e n von Amerika, welche die Preiskontrolle mit Ausnahme der Vorschriften für Wohnungsmiete nach dem Kriege abgebaut hatten, erliessen im Januar 1951 einen allgemeinen Preis- und Lohnstop. Unmittelbar vorangehende Proistiefhaltungsvereinbarungen auf freiwilliger Basis versagten völlig. Mit Ausnahme von für die Lebenshaltungskosten unbedeutenden Produkten sind nun sämtliche Preise erneut der Preiskontrolle oder sonstwie der staatlichen Aufsicht unterstellt. Grundlage für die Bestimmung der Höchstpreise in Industrie, Gewerbe und Handel bildet die Margen- und Gewinnsituation der Unternehmungen während bestimmter Vergleichsperioden vor Ausbrucb des Krieges in Korea. Für landwirtschaftliche Erzeugnisse gelten besondere Vorschriften, die in Kraft treten, wenn die staatlich garantierten und jeweils den veränderten Produktionskosten angepassten Paritätspreise überoder unterschritten werden. Die zentrale Mietpreiskontrolle, die unverändert aus der Kriegszeit übernommen wurde, gilt noch für
diejenigen Eegionen, in welchen eine ausgesprochene Wohnungskrise herrscht, oder wo die lokalen und regionalen Behörden nicht ausdrücklich erklären, eine Kontrolle sei überflüssig.

Dieser Überblick über die im Ausland bestehenden Preiskontrollmassnahmen soll zur Information dienen. Der Bundesrat übersieht nicht, dass in manchen Ländern andere Voraussetzungen bestehen, die auf die Schweiz nicht übertragen werden können. Es ist aber interessant, dass die Mehrzahl der Länder staatliche Preismassnahmen noch für notwendig hält.

Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. II.

6

78

VI. Die Miet- und Pachtzinse 1. Mietzinse und, Pachtzinse für nicht landwirtschaftlich genutzte Grundstücke Die Mietzinse "von Immobilien bilden denjenigen Sachbereich in dem die Nachwirkungen des Krieges noch am stärksten spürbar sind und demzufolge die Beibehaltung der Preiskontrolle besonders notwendig erscheint. Auf dem Wohnungsmarkt ist die erwartete Entspannung bis jetzt leider nicht eingetreten.

Dank der Rekordziffern neu erstellter Wohnungen, über welche die nachstehende Tabelle Auskunft gibt, begann sich zwar 1950/51 da und dort eine leichte Besserung abzuzeichnen.

Neuerstellte Wohnungen 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945

8997 4867 4664 5186 6150 8771 8412

1946 1947 1948 1949 1950 19511). . . .

19512). . . .

11022 13842 19315 15088 19874 23201 24384

Neuerdings hat sich die Lage aber wieder verschlimmert. Die letzte Zählung vom Dezember 1951 ergab, wie die nebenstehende Aufstellung zeigt, im allgemeinen wieder eine starke Verringerung der Zahl der leeren Wohnungen.

Aus dieser Tabelle geht hervor, dass verschiedene mittlere bis grössere Städte, wie Aarau, Biel, La Chaux-de-Fonds, Emmen, Grenchen, Le Locle, Lugano und Sitten, am Stichtag keine einzige leere Wohnung aufwiesen. Aber selbst die statistisch als Leerwohnungen erfassten Objekte waren zu einem nicht unbeträchtlichen Teil überhaupt nicht frei verfügbar, sondern am Tage der Zählung bereits wieder vermietet oder für den Hauseigentümer reserviert oder gar nicht zur Vermietung, sondern zum Verkauf bestimmt (Einfamilienhäuser).

Wieviele Wohnungen z. B. in den Städten Zürich, Bern und Basel im Dezember 1951 frei verfügbar waren, zeigt folgende Tabelle: Städte Zürich . . . . . . .

Bern . . .

Basel . . . . . . .

1 2

Gemeldete leere Wohnungen

235 315 50

Nicht verfügbar Anzahl %

Verfügbar Anzahl %

81

34,5

154

65,5

103 28

32,7 S6,0

212 22

67,3 44,0

) 382 Gemeinden wie in den Vorjahren.

) 461 Gemeinden.

79

Leerwohnungsbestand per Dezember 1950 und 1951

1950

1. Städte mit üb. 100 000 Einwohnern: Basel Genf Lausanne Zürich Total 5 Großstädte 2. Übrige Städte: Aarau Baden Bellinzona Biel Burgdorf Chur Frauenfeld Grenchen Herisau Horgen Köniz Kreuzungen Luzern Neuenburg Ölten Borschach Schaffhausen Schwyz Sitten St. Gallen Thun Uster Vevey Wädenswil Wettingen Winterthur Yverdon Zug 86 übrige Städte 3. Grosse Landgemeinden 4, Kleine Landgemeinden 5. Ganze Schwein

leerstehende Wohnungen In % de» Gesamtbestandes 1951 1951 1950

Absolut

Städte und Gemeinden

435 506 806 67 107 1921

50 315 124 40 235 764

0,66 1,12 1,45 0,20 0,09 0,60

008 0,67 0,24 0,11 0,19 0,24

0 7 25 0 7 10 0 56 16 10 14 25 1 24 0 78 2 1 0 147 0 8 22 20 14 0 2 5 15 16 28 1 7 43 39 37 678 741 1841 4681

0 2 9 0 10 9 0 10 5 0 35 40 0 7 5 62 16 0 0 102 22 11 1 13 12 0 4 6 15 16 29 2 5 17 21 11 497 550 1055 2866

0 0,23 0,65 0 0,21 0,27 0 1,10 0,98 0,36 0,44 0,36 0,03 0,59 0 1,89 0,07 0,03 0 0,84 0 0,17 0,65 0,26 0,61 0 0,04 0,03 0,21 0,49 0,60 0,03 0,22 0,22 0,98 1,01 0,32 0,50 0,64

0 0,07 0,25 0 0,30 0,25 0 0,19 0,30 0 1,06 0,57 0 0,18 0,17 1,04 0,51 0 0 0,57 0,25 0,22 0,03 0,17 0,52 0 0,09 0,03 0,21 0,48 0,59 0,07 0,15 0,09 0,51 0,81 0,23 0,35 0,41 0.30

0.53

80

Der Eindruck eines ungenügenden Angebotes an leerstehenden Wohnungen verschärft sich noch, wenn man dessen Zusammensetzung nach Preislagen in Betracht zieht. Zur Hauptsache handelt es sich nämlich um Wohnungen in Neubauten mit derart hohen Mietzinsen, dass sie für die meisten Mieter nicht in Frage kommen. So gehörten beispielsweise in den Städten Zürich, Bern und Basel die per Ende 1951 leerstehenden reinen Mietwohnungen den folgenden Preislagen an: Mietpreisstufen der Leerwohnungen Wohnungsgrosse

Zürich

Bern

1 Zimmer , . .

2 » 3 » 4 » . . .

5 » und mehr zusammen 1 Zimmer . . . . .

2 3 4 5 Basel

1 2 S 4 5

» » » »

. . .

und mehr zusammen Zimmer » » » . . .

» und mehr zusammen

Davon haben einen Jahresmietpreis voix Franken 1001 1501 2001 Keine 2501 3001 bis bis bis bis bis bis über Mietwoh1000 1500 2000 2500 3000 3500 3500 nunge 1 1 4 2 2 2 2 17 6 29 6 3 14 45 13 2 83

-- 4 6 6 1 13 1 2 1 -- 4

8

9

12 5 3 4

14 8 27 70 2 1 103

12 3 S

-- 6

1

33

10 2 63

19 0 32

46 16 64

8 86 11

13 3

8 2

1 6 3

55

16

5

- 10

--

--

--

4 1

4 1

1

5

5

1

1 1 2

12 5 17

88 18 222 14 44 128 24 4 214 1 5 12 16 6 40

Es ist also festzustellen, dass noch keine allgemeine Normalisierung der Situation auf dem Wohnungsmarkt eingetreten ist. Es besteht auch keine begründete Hoffnung auf eine baldige Besserung der Lage. Gewisse Anzeichen deuten im Gegenteil auf ein vorläufiges Andauern der prekären Verhältnisse hin.

So hat sich die Zahl der Baubewilligungen seit September 1951 gegenüber den gleichen Monaten des Vorjahres merklich verringert. Diesbezüglich sei auf die nachstehende Tabelle über die Baubewilligungen in 41 bzw. 42 Städten verVorjahr 1951/52 wiesen.

Januar bis August 12809 11280 September . . . .

1410 1184 Oktober 1065 1452 November . , . .

787 1671 Dezember . . . .

1169 623 Januar 1) . . . .

1170 1548 Februar ] ) . , . .

1881 1690 18469 20220 1 ) In 42 Städten.

81 Angesichts des ungenügenden Wohnungsangebotes würde, wenn die Mietpreiskontrolle am 1. Januar 1958 wegfiele, in der dann einsetzenden Entwicklung die Tendenz zur Annäherung der Ansätze für Altwohnungen an die höheren Mietpreise der Neubauwohnungen dominieren. Das Ausmass der Diskrepanz zwischen den Mietzinsen der vor Kriegsausbruch und später gebauten Wohnungen mag durch die folgende Zusammenstellung für die Städte Zürich, Bern und Basel veranschaulicht werden1).

Bauperiode

2-ZimmerWohnungen Fr.

3-ZimmerWohnungen Fr.

4-ZimmerWohnungen Fr.

Zürich vor 1917 erbaut . . . .

858 1166 1589 1917-1939 erbaut . , .

1190 1869 1684 1940-1951 erbaut . . .

1663 1847 2215 1951 von der Preiskonkontrolle bewilligt . .

2278 *) 28182) 85722) Bern vor 1917 erbaut . . . .

924 1841 1752 1917-1939 erbaut . . .

1232 1621 2222 1940-1950 erbaut . . .

1562 1984 2418 1. Semester 1951 erbaut 1741 2036 2758 Basel vor 1920 erbaut . . . .

704 983 1420 1921-1930 erbaut . . .

879 1199 1582 1981-1941 erbaut . . .

1064 1416 1965 1942-1950 erbaut . . .

1259 1656 2027 1. Semester 1951 erbaut 1682 1848 2894 Im einzelnen hängt die künftige Entwicklung der Mietpreise von so vielen Faktoren ab, dass es nicht möglich ist, diesbezüglich genaue Berechnungen anzustellen. Denkbar sind lediglich Schätzungen, die naturgemäss keinen Anspruch auf absolute Zuverlässigkeit erheben können. In diesem Sinne glauben wird, dass die Mietpreise der privaten Hausbesitzern gehörenden Altwohnungen bei vorsichtiger Würdigung der zur Verfügung stehenden statistischen Daten sowie aller in Betracht fallenden Faktoren im Falle der Aufhebung der Mietpreiskontrolle um etwa 45 Prozent über den Stand 1939, bzw. rund 30 Prozent über das heutige Niveau steigen wurden. Hierüber befragte sachkundige Stellen rechnen sogar mit erheblich grösseren Aufschlagen. Würde sich auch dieser Aufschlag je nach der weiteren Entwicklung auf einige Jahre verteilen, so lässt sich doch ein brüsker Übergang zu einer völlig freien Mietpreisgestaltung nicht vorantworten.

Wenn nun auch hinsichtlich des Ausmasses der bei Wogfall der Mietpreiskontrolle zu gewärtigenden Mietzinserhöhungen eine sichere Prognose nicht möglich ist, so kann doch jedenfalls daran nicht gezweifelt werden, dass der Versuch, von der neu gewonnenen Freiheit nach Kräften Gebrauch zu machen, nicht ausbleiben wird. Es sind nicht zuletzt psychologische Gründe, welche dies 1) Da die Ergebnisse der Wohnungszahlung 1950 noch nicht ausgewertet sind, wurden dabei die Zahlen der Zwischenerhebung for den Mietpreisindex vom November 1951 2zugrunde gelegt.

) Inkl. 21/2-, bzw31/2-,-, bz41/2-Zimmerwohnungen.en.

82

erwarten lassen. Bine von der staatlichen Eegletientierung befreite Wirtschaftsgruppe wird, wenn die Marktlage es gestattet, stets bestrebt sein, sich für die Jahre der Zurückhaltung so rasch wie möglich schadlos zu halten. Ebenfalls im Sinne eines starken Preisauftriebes würden die Handänderungen wirken.

In der Erwartung der künftigen Lockerung oder Aufhebung der Mietpreiskontrolle werden heute für Liegenschaften Preise bezahlt, die dem Käufer im Hinblick auf den zur Zeit zulässigen Mietertrag eine Bruttorendite von nur 5 oder vielfach sogar nur 4 Prozent erlauben. Würde die Mietpreiskontrolle nun wegfallen, so wäre es bestimmt das Bestreben dieser neuen Grundeigentümer, die Mietzinse so zu erhöhen, dass dieselben neben der Deckung der Hausbesitzerlasten auch eine angemessene Verzinsung des vollen überhöhten Kaufpreises erlaubten.

Dass bei Wegfall der Mietpreiskontrolle mit ganz beträchtlichen Aufschlägen gerechnet werden müsste, zeigt auch ein Vergleich mit der Entwicklung der Mietpreise nach dem ersten Weltkrieg. Damals -- wir verweisen auf die graphische Darstellung des Indexverlaufes von 1914 bis 1952 -- stiegen die Mietpreise ziemlich einheitlich in der ganzen Schweiz von 1915 bis 1932.

Die Aufschläge machten bei den vor 1914 erstellten Wohnungen im Durchschnitt 78 Prozent aus. Die Erhöhung der Altwohnungen war nur um 9 Punkte oder 4,8 Prozent niedriger als der Gesamtmietindex (alte und neue Wohnungen zusammen). Die Mietzinse der Altwohnungen haben sich somit damals weitEntwicklung der Baukosten, Mieten und Lebenskosten seit 1914 laoo

|2SO

1200

100

83

gehend jenen der neuen Wohnungen genähert. Wenn auch ein Teil der Erhöhungen durch Modernisierungen bedingt war, so ist doch bemerkenswert, dass der Mietindex -- wie erwähnt --- auch noch nach 1920 fortgesetzt stieg, obwohl sich von diesem Zeitpunkt an die Baukosten und die Kosten der Lebenshaltung massiv gesenkt hatten. Zu beachten ist auch, dass die gegenwärtige Wohnungsknappheit und Diskrepanz zwischen den Mietzinsen in Alt- und Neubauten ausgeprägter ist als damals. Die Wirkungen einer verfrühten Aufhebung der Mietpreiskontrolle dürften daher heute von grösserer Tragweite auf die Kosten der Lebenshaltung und damit letzten Endes auf das gesamte Wirtschaftsleben sein.

Die Weiterführung der Mietpreiskontrolle macht auch die Beibehaltung von Mieterschutzmassnahmen notwendig. In Anbetracht der oben erwähnten Diskrepanz zwischen den Mietzinsen in Neubauten und den vor dem Kriege erstellten Gebäuden ist es selbstverständlich und ganz natürlich, dass sich die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt in erster Linie auf die gegenüber 1939 nur um ca. 10 Prozent erhöhten Altwohnungen konzentriert. Infolgedessen entsteht um jede frei werdende Vorkriegswohmmg in der Eegel sehr schnell und ohne besonderes Zutun des Vermieters ein recht intensiver Wettbewerb der Eeflektanten. Die Versuchung wäre daher gross, die Wohnung dem Meistbietenden zu überlassen. Praktisch würde dies bedeuten, dass bei zahlreichen Neuvermietungen versohleierte direkte oder indirekte Mietzinserhöhungen stattfinden. Derartige Erscheinungen werden sich nie restlos unterbinden lassen.

Immerhin können sie dadurch stark eingedämmt werden, dass man die Vermieter daran hindert, einen Mieterwechsel ganz bewusst zwecks Veranstaltung eines Konkurrenzkampfes um die betreffende Wohnung herbeizuführen, um auf diese Weise den Mietertrag unrechtmässig zu steigern. Ein gewisser Kündigungsschutz ist insofern ein notwendiges Korrelat einer wirksamen Mietpreiskontrolle.

Wenn wir es auch vorläufig ablehnen müssen, der Mietpreisentwicklung freien Lauf zu lassen, so will dies nicht heissen, dass die Diskrepanz der Mietzinse von Alt- und Neubauten verewigt werden kann. Indessen handelt es sich dabei um ein von der künftigen Mietpreispolitik zu meisterndes Problem, dem wir an dieser Stelle nicht ausführlich nachgehen können. Wir möchten hier lediglich festhalten,
dass wir das Fernziel der staatlichen Mietpreispolitik, nämlich die Erreichung eines selbsttragenden Wohnungsmarktes mit dem Gebrauchswert der Wohnungen entsprechenden Mietpreisrelationen, nicht aus den Augen verlieren. Immerhin wird man sich schon jetzt fragen können, ob es sich nicht verantworten Hesse, die Mietpreiskontrolle für die in Zukunft errichteten Neubauten gänzlich aufzuheben.

2. Paòhizinse für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke In unserer Botschaft an die Bundesversammlung vom 80. Dezember 1947 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vertraten wir die Auffassung, dass die auf die Abwertung zurück-

84 gehenden, in der Preiskontrollgesetzgebung -wurzelnden Pachtzinsvorschriften*) ausserhalb der im Bodenrecht zu ordnenden Verhältnisse liegen. Auf Grund von Eingaben der Pächterorganisationen beschloss dann der Nationalrat doch, iin Bodenrecht einen Artikel aufzunehmen, der dem Pächter das allgemeine Eecht eingeräumt hätte, die Herabsetzung eines offensichtlich übersetzten Pachtzinses zu verlangen. Im Ständerat wurde der Artikel aber wesentlich eingeschränkt, und die endgültige Fassung des Artikels 25 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes hat nun folgenden Wortlaut: «Erweist sich infolge veränderter Verhältnisse der vereinbarte Pachtzins unter Anrechnung allfälliger Nebenleistungen als offensichtlich übersetzt und würde der Pächter dadurch, in Schwierigkeiten geraten oder geraten können, so kann er bei der zuständigen Behörde die Herabsetzung auf den Betrag verlangen, der ihm unter Berücksichtigung des Ertragswertes des Pachtgegenstandes ein angemessenes Auskommen ermöglicht.» Diese Bestimmung wird nach Inkrafttreten des neuen Bodenrechts für unbegrenzte Zeit zur Verfügung stehen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist aber das Eintreten veränderter Verhältnisse. Der vertraglich vereinbarte Pachtzins kann nur dann herabgesetzt werden, wenn er sich infolge nachträglicher Änderung der Verhältnisse (z. B. Wirtschaftskrise) als offensichtlich übersetzt erweisen und die finanzielle Lage des Pächters gefährden würde. Artikel 25 des Bodenrechts hat analogen Charakter wie die clausula rebus sic stantibus.

Er ist auch dem Artikel 287 OB (Pachtzinsnachlass bei Unglücksfällen) verwandt, jedoch nicht identisch mit ihm. Praktisch kommt somit Artikel 25 einer völligen Vertragsfreiheit im Pachtzinssektor gleich. Unter dem Regime des Bodenrechts wird nicht verhindert werden können, dass die Pachtzinse nach Beheben erhöht oder neu festgesetzt werden. Überdies wird der Pächter ohne das Eintreten neuer Verhältnisse keine Möglichkeit haben, einen offensichtlich übersetzten Pachtzins auf ein tragbares Mass reduzieren zu lassen. Damit steht eindeutig fest, dass der Pachtzinsartikel im Bodenrecht die seit der Abwertung des Schweizerfrankens auf vollmachtenrechtlicher Basis ausgeübte Pachtzinskontrolle weder ersetzt noch gar überflüssig macht.

Angesichts der bestehenden
Auftriebstendenz könnten wir es" nun aber nicht verantworten, die Entwicklung der Pachtzinse nach dem 81. Dezember 1952 ihrem Schicksal zu überlassen. Den Einbezug der Pachtzinse in die befristete Gesetzesvorlage über die Preiskontrolle erachten wir als unumgänglich. Tatsächlich spielt die Landpacht in unserem Lande eine so bedeutende Eolle, dass der Einfluss der Pachtzinse auf die landwirtschaftlichen Produkten*) Art. l, Abs. 2, der Verfügung l des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vorn 2. September 1989 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung lautet wie folgt: Für Pachtzinse, Weidegelder und Sömmerungszinse sind die Bestimmungen der Verfügung XIa des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements über susserordentliche Massuahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung vom 11. Juli 1938 sinngemäss anwendbar.

85 preise und die Kosten der Lebenshaltung überhaupt, natürlich aber auch auf die Grundstückpreise, nicht zu unterschätzen ist.

Nach der Betriebszählung von 1989 verfügten von total 234 918 Betrieben deren 100 781 über mehr oder weniger Pachtland. In annähernd jedem zweiten Betrieb wurde somit in einem gewissen Umfange Pachtland bewirtschaftet.

Zählt man zum eigentlichen Pächterstande nur die 42 251 Betriebe, die ausschliesslich oder mehr als 50 Prozent der Gutsfläche Pachtland aufweisen, so sind dies 18-Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe, Von der gesamten schweizerischen Betriebsfläche von l 342 697 ha (ohne Alp- und Juraweiden) entfielen nach der letzten Betriebszählang 294 660 ha oder 22 Prozent auf Pachtland. Zu bedenken ist, dass die Kulturlandfläche infolge der grossen Landbeanspruchungen für Verkehrsanlagen, Wohn- und Industriebauten usw. in ständigem Abnehmen begriffen ist. Von 1905 bis 1939 betrug der Rückgang 88 883 Betriebe, oder durchschnittlich 1000 Betriebe im Jahr. Hauptsächlich diese Entwicklung, die zweifellos noch nicht zum Stillstand gelangt ist, hat zur Folge, dass die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Heimwesen das Angebot stark übersteigt. Die Zahl der Pachtanwärter ist denn auch, trotz des hohen Beschäftigungsgrades in der Industrie und im Baugewerbe, anhaltend gross.

Noch grösser dürfte sie bei einem allfälligen Abflauen der Hochkonjunktur werden, indem dann die Abwanderung aus der Landwirtschaft stark zurückgehen dürfte. Als weiteres Moment möchten wir daran erinnern, dass das neue Bodenrecht für Nichtvorkaufsberechtigte*) keine Begrenzung der Liegenschaftspreise mehr vorsieht. Es macht sich ferner die unerfreuliche Tendenz bemerkbar, selbständige Betriebe aus spekulativen Gründen parzellenweise zu verpachten.

Im Handänderungsfalle trachtet die Gesetzgebung allgemein danach, lebensfähige Landwirtschaftsbetriebe als solche zu erhalten; für die Verpachtung fehlen aber entsprechende Vorschriften. Bisher war es wenigstens möglich, Von der Pachtzinsseite aus das Interesse an der parzellenwoisen Verpachtung etwas zu unterdrücken. Die Freigabe der Pachtzinse hätte zweifellos zur Folge, dass in vielen Fällen hemmungslos zur Zerstückelung von Heimwesen geschritten würde, um höhere Pachtzinse zu erlangen.

Die nach der. Abwertung des Schweizerfrankens erlassenen und bei
Ausbruch des letzten Krieges bestätigten Pachtzinsvorschriften haben eich im grossen und ganzen bewährt und waren geeignet, die Pachtzinse in einem vernünftigen Rahmen zu halten. Die Bestimmungen trugen in starkem Masse dazu bei, dass wir heute im allgemeinen einen geordneten und gesunden Pächterstand haben. Diesen gilt es unserer Erachtens zu erhalten. Wir hätten ausserordentlichë Bedenken, die Pachtzinse von einem Tag auf den andern der freien, sozusagen zwangsläufig nach oben gerichteten Entwicklung zu überlassen. Am Grundsatz der Genehmigungspflicht von Pachtzinserhöhungen und erstmaligen Pachtzins! Beisetzungen, dem wohl der Erfolg der bisherigen Massnahmen in erster Linie zuzuschreiben ist, sollte vorderhand festgehalten l ) Vergi. Art. 6--17 des Bundesgesetzea vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes.

86

·werden. Nur mit der fakultativen Herabsetzung des Pachtzinses auf Begehren des Pächters kann das gewünschte Ziel nicht erreicht werden. Das System des freiwilligen Eeduktionsgesuches kann auch nicht befriedigen, weil es geeignet ist, das gute Einvernehmen unter den Parteien zu stören und nicht selten die Kündigung des Verpächters auf den nächstmöglichen Termin zu provozieren.

Selbstverständlich wird bei der Überführung der Pachtzinskontrolle auf eine neue Eochtsgrundlage eine gewisse Modifikation der bisherigen, auf die Lage nach der Abwertung von 1986 zugeschnittenen Bestimmungen zu prüfen sein. Man wird sich dabei die von den kantonalen und eidgenössischen Behörden in der mehr als 13jährigen Praxis gesammelten Erfahrungen zunutze machen können.

Es darf noch festgestellt werden, dass der bisherigen Pachtzinsregelung im allgemeinen auch in Eigentümerkreisen Verständnis entgegengebracht wurde.

Ausdrücklich ablehnende Stellungnahmen gegen den verfolgten Grundsatz, die Pachtzinse in ein angemessenes Verhältnis zum Ertragswert zu bringen, sind bis jetzt nicht zu verzeichnen.

VII. Die Begründung einer befristeten Weiterfuhrung der Preiskontrolle Die Wirtschaft hatte bei Beendigung dos Krieges im Jahre 1945 mit einer raschen Normalisierung gerechnet. Zum Teil wurde ein grösserer Produktionsrückgang und entsprechende Arbeitslosigkeit erwartet. Statt dessen trat als Folge der schnell zunehmenden ausländischen Nachfrage ein bis dahin nie gekannter Konjunkturaufschwung mit einer erheblichen Teuerung ein. Als sich diese Bewegung im Jahre 1949 wieder zurückbildete, rechnete man ein weiteres Mal mit einem Konjunkturrückgang. Durch den Ausbruch des Korea-Konfliktes im Jahre 1950 wurden aber sogar der Nachkriegsauftrieb und die Nachkriegsteuerung übertroffen. Die Preise der Auslandswaren stiegen bis zum Sommer 1951 ganz erheblich. Die dann folgenden Schwankungen sind erst in den letzten Monaten zum Teil in eine zunächst rückläufige Bewegung übergegangen. Einige Beispiele mögen die Entwicklung verdeutlichen (s. Tabelle auf S. 89).

In der Schweiz stiegen die Kleinhandelspreise nur allmählich, aber doch stetig. Sie liegen heute um 8 Prozent über dem Stand vor Ausbruch des KoreaKonfliktes.

~,t , xot!

"

Ctrosshandelsprelse InlandAusland.Waren Waren

Lebenshaltungskosten

Mai 1950. . .... .

196,8 186,8 211,8 158,2 Dezember 1950 . .

218,1 191,0 259,8 160,8 Dezember 1951 . .

227,6 197,2 274,0 171,0 März 1952 . . . .

222,4 196,6 261,8 170,0 Die Grosshandelspreise spiegeln die Entwicklung der Weltmarktpreise mit einer zeitlichen Verschiebung wieder, abgeschwächt durch die zurückgebliebenen Inlandwarenpreise. Sie sind ab Mitte 1951 fast ausschliesslioh wegen der

87

Durchschnittliche Grosshandelspreise (Franko Grenze verzollt) 1939 100

88 sinkenden Auslandwarenpreise rückläufig. Die Inlandwarenpreise sowie die Lebenshaltungskosten blieben dagegen stabil. Das weist darauf hin, dass auf dem Inlandmarkt inzwischen preisstützende Paktoren wirksam wurden.

Als Folge des Korea-Konfliktes hat die Produktion ganz erheblich angezogen. Die Exportmengen und die Bautätigkeit erreichten im vorigen Jahre Höchstziffern. Eine namhafte Abschwächung ist auch für das laufende Jahr kaum zu erwarten.

Die notwendigen Eüstungen tragen auf längere Sicht ebenfalls zur Aufrechterhaltung des Produktionsvolumens bei. Der Bundesrat hat deshalb verschiedene Vorkehren getroffen, um die Investitionskonjunktur zu dämpfen.

Trotz der allgemeinen Hochkonjunktur blieben die Löhne und Preise in einzelnen Sektoren, namentlich in der Landwirtschaft, etwas hinter der allgemeinen Entwicklung zurück, so dass hier noch Bestrebungen zu einem Ausgleich bestehen. Bei einigen Konsumgüter-Industrien sind in letzter Zeit einige Bückbildungen zu verzeichnen, die zum Teil durch eine Zurückhaltung der Käuferschaft, zum Teil durch Erschwerungen im Export verursacht wurden.

Soweit die Rückbildungen über eine angemessene Korrektur überspitzter Konjunkturlagen hinausgehen, dürften sie im allgemeinen aber vorübergehend sein.

Wenn man die wesentlichsten inländischen Konjunkturfaktoren, nämlich Export, Bausektor, Büstungen, Löhne und Landwirtschaftspreise isoliert betrachtet, wird man für die nächste Zeit kaum mit einem Absinken des Preisniveaus zu rechnen haben. Die schweizerische Inlandkonjunktur hängt aber weitgehend vom Geschehen in der Weltwirtschaft ab. Dieses wiederum wird wesentlich beeinflusst durch die politische Lage in der Welt, Es steht eindeutig fest, dass die heutige politische Lage labil ist. Die Entwicklung ist weder auf weite noch auf kurze Sicht ohne weiteres überblickbar.

Es bestehen drei Quellen, aus welchen die politischen Spannungen in der Welt ständig frisch genährt werden. Es sind dies die Liquidation der jüngsten Vergangenheit, d.h. des Problemkreises, welcher den Status der Mächte betrifft, die den letzten Krieg verloren haben. Es sind dies ferner der Kreis, der Fragen im Zusammenhang mit der Liquidation des Kolonialregimes und endlich der dritte, vielleicht wesentlichste Konfliktkreis, der die ideologische Spannung und.deren Bückwirkungen auf die Lösung
praktischer politischer und wirtschaftlicher Fragen betrifft.

Aus jedem dieser drei Kreise können, sei es in nächster Zeit, sei es später, Situationen entstehen, die entweder zu einem lokalisierten Konfliktsherd oder gar zum Krieg oder nur zu einer verstärkten Aufrüstung der massgebenden Weltmächte fuhren können. Als Beispiel zeigt der Konflikt in Korea, zu welchen wirtschaftlichen Folgen und zu welcher Anspannung der gesamten wirtschaftlichen Lage selbst ein lokal beschränkter Krieg führen kann. Die Knappheit der Rohstoffe auf den Weltmärkten und die starke Preishausse von Mitte 1950 an waren ja lediglich dessen Folge. Wenn auch in jüngster Zeit ein Nachlassen der Warenknappheit und damit verbunden ein Absinken der Preise festzustellen ist,

Durchschnittliche Grosshandelspreise franko Grenze verzollt in Franken Artikel

Baumwolle, roh . . . .

1 kg Wolle Merino . 1 kg Oberleder . . . 1 Quadratfuss

Ende 47 Mitte 48 Ende 48 Mitte 49 Ende 49 Mitte 50 Ende SO Mitte 5l Ende 51 4.50 14.70 5.20

5.25 17.50 4.25

4.69 18.83 3.30

4.08 15.83 3.10

4.14

14.17 3.10

4.04 16.75 3.10

6.46

27.50 4.15

6.09 19.50 3.80

6.12

16.76 3.20

Mari 52

5.11 13.75 3

Betoneisen 100 kg Zinn (Straits) 100 kg Kupfer (Elektrolyt) , . . 100 kg

53.38 53.38 53.38 51.68 38.22 33.47 46.47 58.97 62.97 62.97 915. -- 1005. -- 1005. -- 990. -- 743 . 33 754. -- 1444. -- 1188.33 1126.67 1200. -- 232.50 237.50 250.-- 179.-- 202.67 239.-- 368.33 433.33 451.67 378.33

Braunkohlenbriketts Union 1 T.

Brechkoks IT.

84.18 146,60

68.50 72. C3 68.63 67.63 149.50 146.30 120.50 125.50

56.-- 93.40

3.28 3.28 3.33 3.42 5.07 5.30 Kaffee, roh, Santos . . .

1 kg Kristallzucker .

.

. 100 kg 101 . 33 100.-- 88.58 88.79 88.88 85.41 Kakaobohnen 100 kg 440. -- 385.-- 350. -- 225.-- 262. -- 330. -- Kopra .

.

100 kg 98. -- 98. -- 136. -- 106. -- 107. -- 94. --

59.50 70.15 96.40 117.40

70.15 70.15 117.40 117.40

6.12 6.11 5.68 5.97 96.69 123.67 98.25 90.91 333. -- 370. -- 337. -- 894. -- 134.-- 138. -- 107. -- 60.--

W

90 so kann diese Entwicklung jederzeit eine andere Richtung einschlagen, sobald eben eine verschärfte Spannung entsteht. Jedenfalls besteht ständig das Risiko, dass unter dem Einfluss selbst nebensächlicher politischer Entwicklungen eine neue Welle der Aufrüstung und damit der Vorratspolitik frisch einsetzt. Gerade diese Vorratspolitik und Aufrüstung .der Grossmächte hat aber die Konjunktur in der Schweiz wesentlich heeinflusst im Sinne einer Ausnützung der vollen Produktionskapazität unserer Industrie zu steigenden Preisen. Hingegen bestehen auch heute noch keine Anzeichen dafür, dass die Rüstungskonjunktur sich ihrem Ende nähert. Auch wenn eine Verlangsamung des Rhythmus der Aufrüstung beobachtet werden kann, so darf dies nicht als etwas Dauerhaftes angesehen werden. Das grosse amerikanische Verteidigungsprpgramm wie auch die neuesten Aufrüstungsprogramme der westlichen Länder dürften weiterhin grosse Rohstoffmengen und Maschinen beanspruchen. In einzelnen Ländern, auf dem asiatischen und afrikanischen Kontinent, die für die Aufrüstung wichtige Rohstoffe produzieren, ist die politische Lage unsicher, so dass auch mit möglichen wirtschaftlichen Störungen gerechnet werden muss. Beim enormen Materialverbrauch einer modernen Kriegsführung wird aber jeder Ausfall von Zufuhren unmittelbar im Sinne einer Verknappung der Rohstoffe und einer Preishausse sich auswirken.

Neuerdings ist auf den Weltmärkten wieder eine gewisse Unsicherheit zu verzeichnen, die durch eine andauernde Zurückhaltung der Käufer verursacht ist.

Das abwartende Verhalten der Verbraucher und die Bemühungen der Wirtschaft zum Abbau der Fertigwarenlager wirken sich vorwiegend bei gewissen Konsumgütern aus. Ebenso zeitigen die Importbeschränkungen Prankreichs, Grossbritanniens und der übrigen Sterlingländer gewisse Rückwirkungen im gleichen Sinne. Es wäre jedoch zumindest verfrüht, aus den Rückbildungen einzelner Verbrauchswarenkategorien oder von Importbeschränkungen von sogenannten nicht lebenswichtigen Gütern Schlüsse -zu ziehen auf ein dauerndes Zurückgehen der Rüstungskonjunktur, zumal das Verhalten der Käufer weitgehend psychologisch bedingt ist und sich jederzeit ändern kann.

Die politische und somit die wirtschaftliche Lage lassen also alle Möglichkeiten offen. Veränderungen in der einen oder anderen Richtung können jederzeit
und überraschend eintreten. Unter solchen Umständen muss der Staat in der Lage sein, eine ungerechtfertigte Teuerung auch inskünftig mit geeigneten Massnahmen bekämpfen zu können. Für den Erfolg solcher Massnahmen ist die richtige Beurteilung der Lage sowie das rechtzeitige Erkennen und Handeln von ausschlaggebender Bedeutung. Die Preisentwicklung muss deshalb laufend überwacht werden. Diese Preisüberwachung soll zurückhaltend ausgeübt werden und sich auf wesentliche Gebiete beschränken. Werden unangemessene Preiserhöhungen festgestellt, dann hat die Behörde in Verhandlungen auf eine unter Würdigung aller wirtschaftlichen Umstände angemessene Preisstellung hinzuwirken. Auf diese Weise wird die Preisüberwachung schon durch ihre blosse Existenz Wesentliches zur freiwilligen Mässigung beitragen können. Auch bei Gütern, deren Preise durch staatliche Schutz-

91 massnahmen vor der ausländischen Konkurrenz geschützt werden, sollen Eingriffe zur Verhinderung unangemessener Preisbildungen auf die Fälle beschränkt werden, in denen das Allgemeininteresse es unbedingt erfordert.

Auf einzelnen Gebieten bestehen noch immer starke Preisauftriebstendenzen.

Ein Wegfall aller Vorschriften auf Ende dieses Jahres würde mit Bestimmtheit eine fühlbare Erhöhung der Lebenshaltungskosten nach sich ziehen, wodurch das soziale Gleichgewicht gestört und die Konkurrenzfähigkeit unserer Exportindustrie beeinträchtigt würde. Die derzeitigen Massnahmen sollten daher auf einigen Sektoren auf neuer Eechtsgrundlage noch weitergeführt werden. Selbstverständlich wären die Massnahmen der jeweiligen wirtschaftlichen Situation anzupassen. Sobald es die Lage ermöglicht, sollen die Vorschriften gelockert oder aufgehoben werden. In den Jahren 1949 und 1950 wurde-bewiesen, dass die Aufhebung von Preisvorschriften, wenn sie sich verantworten lässt, entschlossen durchgeführt wird.

Wir hoffen, dass sich die Notwendigkeit neuer Preisvorschriften nicht stellen wird und wir uns auf die Überwachung der wesentlichen Preise beschränken können. Unsere liberale Wirtschaftspolitik, mit der wir gute Erfahrungen gemacht haben, soll dadurch grundsätzlich keine Änderung erfahren.

Die Preisüberwachung ist eine einfache, aber unerlässliche Vorsichtsmassnahme.

VIII.Vernehmlassungg der Kantone und Spitzenverbände Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat am 8. Februar 1952 den Kantonsregierungen und den Spitzenverbänden der Wirtschaft einen ersten Entwurf zur Stellungnahme unterbreitet. Derselbe hat folgenden Wortlaut: B undesbes chluss über die Preiskontrolle (Erster Entwurf vom 6. Februar 1952) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung der Artikel 85, Ziffer 14, 118 und 121, Absatz l, BV, nach Einsichtnahme in eine Botschaft des Bundesrates vom ...

im Hinblick darauf, dass gemäss Bundesbeschluss vom 18. Oktober 1950 über die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates der Bundesratsbeschluss vom 1. September 1989 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung auf den 31. Dezember 1952 ausser Kraft tritt, in der Absicht, allfällige nachteilige Auswirkungen dieser Aulhebung auf die Kosten der Lebenshaltung zu vermeiden, beschliess : L Die Bundesverfassung vom 29, Mai 1874 erhält folgenden Zusatz:

92 Art, l Die Warenpreise, die Mietzinse für Liegenschaften und Räumlichkeiten sowie die Pachtzinse für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke sind der Kontrolle des Bundes unterstellt.

2 Die den direkten Export besohlagenden Rechtsgeschäfte sind von dieser Kontrolle ausgenommen.

Art. 2 ?· Der Bundesrat kann, um die Kosten der Lebenshaltung in einem angemessenen Rahmen zu halten, Vorschriften über die in Artikel l erwähnten Preise, Miet- und Pachtzinse erlassen sowie alle für eine wirksame Durchsetzung dieser Vorschriften geeigneten Massnahmen ergreifen.

2 Der Bundesrat wird in der Regel vor dem Erlass solcher Vorschriften und Massnahmen eine aus Vertretern der verschiedenen Wirtschaftskreise des Landes zusammengesetzte Kommission anhören.

Art. 8 Der Bundesrat kann mit vorgängiger Zustimmung der Bundesversammlung die in Artikel l, Absatz l, vorgesehene Kontrolle und die Vorschriften und Massnahmen gemäss Artikel 2 auch auf andere Gebiete ausdehnen.

1

Art. 4 Der Bundesrat kann die ihm gemäss Artikel 2, Absatz l, und Artikel 8 zukommenden Befugnisse an das Volkswirtsohaftsdepartement übertragen.

a Er kann einzelne Befugnisse auch an die Kantone weitergeben.

8 Das Volkswirtschaftsdepartement kann die Eidgenössische Preiskontrollstelle zürn Erlass von Durchführungsbestimmungen zu seinen Verordnungen ermächtigen.

1

Art. 5 Jedermann hat dem Volkswirtschaftsdepartement, seinen Organen sowie denjenigen der Kantone bezüglich der in Artikel l aufgeführten Gebiete alle zweckdienlichen2 Auskünfte zu erteilen und allenfalls zu belegen.

Hält der Bundesrat die Anordnung einer Untersuchung auf einem in Artikel l, Absatz l, nicht erwähnten Gebiete für notwendig, so findet Artikel 5, Absatz l, ebenfalls Anwendung.

Art. 6 1 Der Bundesrat kann Widerhandlungen gegen die gestützt auf diesen Beschluss erlassenen Vorschriften und Massnahmen mit Busse oder Gefängnis bis zu einem Jahr bedrohen.

2 Die Strafverfolgung und die Beurteilung ist Sache der Kantone.

3 Hat der Beschuldigte, der Dritte, in dessen Geschäftsbetrieb die Widerhandlung begangen wurde oder deren Rechtsnachfolger durch die Widerhandlung einen unrechtmassigen Vermögensvorteil erlangt, so kann ihn der Richter ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit zur Bezahlung eines dem Vorteil entsprechenden Betrages an den Bund verpflichten.

Art. 7 1 Der Bundesrat hat der Bundesversammlung über die von ihm oder dem Volkswirtschaftsdepartement getroffenen Massnahmen jährlich Bericht zu erstatten.

2 Die Bundesversammlung entscheidet, ob diese Massnahmen in Kraft bleiben, ergänzt oder abgeändert werden sollen.

1

Art. 8 Die auf dem Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 beruhenden und am 81. Dezember 1952 noch geltenden Vorschriften bleiben noch längstens bis zum 30. Juni 1953 in Kraft.

93

II.

Der Besohluss gilt vom 1. Januar 1953 bia zum 31. Dezember 1957. Er ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten. Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

In einem Begleitschreiben zu diesem Entwurf hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement darauf hingewiesen, dass es angesichts der gegenwärtigen Lage nicht zu verantworten wäre, auf den .1. Januar 1958 hin alle preiskontrollrechtlichen Befugnisse aus der Hand zu geben. Aus diesem Grunde sehe sich der Bundesrat veranlasst, um die Erteilung gewisser preiskontrollrechtlicher Kompetenzen für die Zeit nach dem 31. Dezember 1952 nachzusuchen. Die Entwicklung des Indexes der Kosten der Lebenshaltung und die Lage im Mietzinssektor zeigten zur Genüge, dass in den nächsten Jahren kaum ohne gewisse Massnahmen auszukommen sei. Die Bundesverfassung gebe dem Bund nirgends die Befugnis zu einer allgemeinen Preiskontrolle. Es müsse daher in erster Linie an die Schaffung einer verfassungsmässigen Grundlage gedacht werden. In Anbetracht der heutigen Lage habe sich der Bundesrat grundsätzlich mit einem befristeten Verfassungszusatz einverstanden erklärt.

Gegen einen dringlichen Bundesbeschluas spreche vor allem die Erwägung, dass eine Dringlichkeit noch gar nicht gegeben sei, nachdem der Weg eines Verfassungszusatzes noch offenstehe.

Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat in diesem Schreibon namens des Bundesrates die verbindliche Zusicherung abgegeben, dass von den im Beschlussesentwurf vorgesehenen Befugnissen nur Gebrauch gemacht werde, wenn dies im Interesse des Gemeinwohls unerlässlich sei. Es werde stets das Bestreben des Bundesrates sein, öffentlich-rechtliche Vorschriften gemäss Artikel 2 des Entwurfes erst zu erlassen, wenn alle andern Möglichkeiten, wie z. B. diejenigen der direkten Verständigung der Beteiligten, ausgeschöpft seien.

Da es praktisch ausgeschlossen sei, die auch nach dem 31. Dezember 1952 noch notwendigen preiskontrollrechtlichen Vorschriften vor dem 1. Januar 1958 im Eahmen des vorgeschlagenen Verfassungszusatzes soweit vorzubereiten, dass sie im letztgenannten Zeitpunkt m Kraft treten könnten, sei eine Verlängerung der bisher für die Preiskontrolle massgebenden Bestimmungen bis längstens 80. Juni 1953 notwendig.

Die Antworten der Kantone und Spitzenverbände sind sehr unterschiedlich
ausgefallen und beleuchten die verschiedenartigen Auffassungen, die über die Weiterführung der Preiskontrolle bestehen. Es sind darin sozusagen alle Nuancen von einer strikten Ablehnung jeder weitern Preiskontrolle nach 1952 bis zur Forderung viel weitergehender Bestimmungen, als im erwähnten Entwurf vorgesehen, enthalten. Es beweist dies wiederum, wie weitschichtig das ganze Problem ist.

In den eingegangenen Antworten finden sich meistens Äusserungen zu der materiellen Frage der Weiterführung der Preiskontrolle einerseits und zu der Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. II.

7

94 Kechtsform des zu treffenden Beschlusses andererseits. Bei der nachfolgenden Wiedergabe der hauptsächlichsten Anbringen "wird diese Unterscheidung ebenfalls beachtet.

Stellungnahme zur Weiterführung der Preiskontrolle A. Kantone 1. Der Grossteil der Kantone stimmt grundsätzlich einer "Weiterführung der Preiskontrolle über das Jahr 1952 hinaus zu. Allerdings bringen einige Vorbehalte bezüglich der Bechtsform an, was später noch zu erörtern sein wird. Einzig zwei Kantone und drei Halbkantone (Luzern, Uri, Obwalden, Nidwaiden und Appenzell AE) lehnen eine Preiskontrolle nach 1952 ab.

2. a. Die meisten befürwortenden Kantone geben der Auffassung Ausdruck, dass in nächster Zeit ohne Kontrollvorschriften auf dem Preissektor nicht auszukommen sei und dass die Aufhebung der Preiskontrolle sehr nachteilige Folgen zeitigen würde. Bezüglich des Anwendungsbereiches der neu zu schaffenden Preiskontrollbestimmungen wird allgemein angeführt, dass auf dem Mietzinssektor eine Beibehaltung der Preiskontrolle am notwendigsten erscheine. Verschiedene Kantone verweisen auf die noch immer empfindliche Wohnungsknappheit in grossen Städten und Industriegemeinden. Bei Aufhebung der Vorschriften auf diesem Gebiete werden nachteilige Polgen befürchtet. Im Zusammenhang mit der Mietzinskontrolle sollten auch die bisherigen Mieterschutzbestimmungen weitergeführt werden.

b. Die Meinungen betreffend die Beibehaltung der Pachtzinskontrolle sind geteilt. Einige Kantone finden eine solche Massnahme in Anbetracht des neuen Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 als nicht mehr erforderlich. Von anderer Seite wird bezweifelt, ob diese Grundlage für eine Regelung der Pachtzinse genüge. Gleichzeitig wird aber darauf aufmerksam gemacht, dass eine Pachtzinskontrolle nur noch für grössere Objekte, die einer Bauernfamilie eine Existenz bieten, als notwendig erscheine.

c. Eine Kontrolle der Warenpreise wird von den meisten Kantonen, die sich positiv zum vorgelegten Entwurf geäussort haben, auf gewissen Gebieten als weiterhin erforderlich erachtet. Allerdings kommt in den Stellungnahmen immer wieder zum Ausdruck, dass eine Zurückhaltung bei der Weiterführung dieser Bestimmungen am Platze sei. Darum wird auch Artikel l des Entwurfes vom Kanton Zürich als zu generell bezeichnet.

d. Die Preiskontrolle
bei den Exportpreisen wird ebenfalls verschieden beurteilt. Während der Kanton St. Gallen vorschlägt, auch die indirekten Exporte von der Kontrolle auszunehmen, fordern Nidwaiden und Appenzell I.-ßh. sogar den Einbezug der direkten Exportgeschäfte. Der letztgenannte Kanton findet übrigens bei einer allfälligen Weiterführung der Preiskontrolle auch eine Eegelung für die Löhne als notwendig.

8. Die einzelnen im Entwurf enthaltenen Bestimmungen haben kaum zu wesentlichen Bemerkungen seitens der Kantonsregierungen Anlass gegeben.

95 Wegen der Geltungsdauer von fünf Jahren -wird vom Kanton Bern eine Gefährdung der Vorlage befürchtet. Deshalb wird eine Befristung auf höchstens zwei bis drei Jahre vorgeschlagen. Demgegenüber glaubt der Kanton Neuenburg, dass der Charakter des Verfassungszusatzes keine zeitliche Begrenzung ertrage.

Im weitem sind die Kantone Genf und Schwyz der Ansicht, das bisherige Strafverfahren mit Sondergerichten sollte beibehalten werden, besonders da nur eine kurze Verlängerung der Preiskontrolle in Aussicht genommen sei.

B. Spitzenverbände 1. Die Haltung der Spitzenverbände zum vorgelegten Entwurf ist sehr unterschiedlich. Der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, der Zentralverband schweizerischer Arbeitgeberorganisationen, der Schweizerische Gewerbeverband, der Landesverband freier Schweizer Arbeiter, die Schweizerischen Ärzteorganisationen, der Schweizerische Baumeisterverband und die Schweizerischen .Hauseigentümervereine lehnen Preiskontrollvorschriften nach Ende 1952 strikte ab. Die drei erstgenannten Verbände stellen denn auch ausdrücklich don Antrag, die vorgeschlagene Verfassungsrevision nicht weiter zu verfolgen. Der Schweizerische Bauernverband äussert sich auch negativ zum Entwurf, glaubt aber schon jetzt, dass dio Miet- und Pachtzinskontrolle auch noch nach 1952 erforderlich sei. Wie die ablehnenden Kantone machen aber ebenfalls alle vorerwähnten Spitzenverbände ein Zugeständnis dahin, dass sie sich einer Weiterfährung der Preiskontrolle auf ganz bestimmt abgegrenzten Gebieten, wie z. B. im Mietzinssektor, nicht widersetzen werden, soweit die Verhältnisse Ende 1952 eine solche Massnahme noch unbedingt notwendig machen. Dabei wird aber betont, dass dies durch einen kurzbefristeten, dringlichen Bundesbeschluss gemäss Artikel 89bla BV zu geschehen habe.

Einer so weitgehenden Eegelung, wie sie im Entwurf enthalten ist, widersetzen sich diese Verbände auch deswegen, weil im jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht überblickt werden könne, ob und auf welchen Gebieten eine Verlängerung der Preiskontrolle über 1952 hinaus noch notwendig werde.

In zustimmendem Sinne haben sich hauptsächlich die Verbände, welche die Arbeitnehmerkreise vertreten, geäussert. Es sind dies: der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände, der Verband schweizerischer
Konsumvereine, der Schweizerische Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter, der Christlichnationale Gewerkschaftsbund, der Schweizerische Mioterverband, der Schweizerische Verband für Wohnungswesen und der Bund schweizerischer Frauenvereine.

2. Bei der Gruppe der Verbände, die ihre Zustimmung kundgetan haben ist nicht etwa eine Einheitlichkeit in der Auffassung vorhanden. Diese; ist nur bezüglich des Grundsatzes der Beibehaltung der Preiskontrolle gegeben. Über deren künftige Ausgestaltung gehen aber auch hier die Meinungen ziemlich weit auseinander. Diese Unterschiede beginnen schon bei der Frage, was der Preiskontrolle unterstellt werden soll. Es seien hier nur die wichtigsten Einwendungen und Vorschläge aufgezählt.

a. Die im Entwurf gewählte Bezeichnung «Warenpreise» wird als zu allgemein gehalten, da Preisvorschriften nur für lebenswichtige Waren und Rohstoffe als notwendig bezeichnet werden.

b. Im Mietzinssektor, wo ganz allgemein Preisvorschriften noch am notwendigsten erachtet werden, wird bezüglich des Anwendungsbereiches eine Einschränkung gefordert. Die Mietzinskontrolle sollte für Geschäftslokale aller Art sowie für nichtsubventionierte Neubauten aufgehoben und nur noch für Altbauten und subventionierte Bauten beibehalten werden. Ein Vorschlag geht sogar dahin, den Kantonen auch bei den beiden letztgenannten Kategorien die Möglichkeit zur Lockerung oder gänzlichen Aufhebung der Vorschriften zu geben, wenn das Wohnungsangebot dies rechtfertigt. Wiederholt wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Mietzinskontrolle nur wirksam durchgeführt werden könne, wenn auch die Mieterschutzbestimmungen (Kündigungsbeschränkung) in bisheriger Weise weitergeführt werden.

c. Der Schweizerische Bauernverband hält dafür, dass das Bundesgesetz vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes keine genügende Grundlage für eine Pachtzinskontrolle biete, weshalb diese Massnahnie wie bisher weiterzuführen sei. Die Beibehaltung der Pachtzinskontrolle stelle eine gegenwärtig noch unentbehrliche Ergänzung zum neuen Bodenrecht dar.

.

d. Neben diesen Anregungen, die den schon im Entwurf vorgesehenen Geltungsbereich betreffen, wird noch beantragt, auch die Tarife und Leistungen der Kontrolle zu unterstellen.

e. Die übrigen im vorgenannten Entwurf aufgeführten Bestimmungen geben zu viel weniger wesentlichen Bemerkungen Anlass. Bei der in Artikel 2 vorgesehenen Kommission wird verlangt, dass dieser ein Mitspracherecht in allen Fällen eingeräumt wird und dass sie nicht nur «in der Begel» konsultiert werden soll. Verschiedene Verbände geben ihrer Erwartung auf eine Vertretung in dieser Kommission Ausdruck.

/, Bezüglich der Durchführungsbestimmungen geht die Tendenz in weitgehender Weise dahin, diese höchstens dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement vorzubehalten, ohne Delegationsmöglichkeit an die Eidgenössische Preiskontrollstelle. Es wird befürchtet, dass dieser letztgenannten Amtsstelle sonst zu weitgehende Kompetenzen eingeräumt würden. Ebenfalls für die Weitergabe der Befugnisse an die Kantone wird
eine Einschränkung für notwendig befunden, 3. Die Schweizerische Nationalbank spricht sich nur zur grundsätzlichen Frage aus. Sie erachtet es als angezeigt, die Preis- und Mietzinskontrolle als ein Instrument zur Hintanhaltung unerwünschter Preisauftriebe zu erhalten und dafür die notwendige Rechtsgrundlage zu schaffen.

Stellungnahme zur Eechtsform l. Der Grossteil der Kantone und Verbände, welche einer Weiterführung der Preiskontrolle zustimmen, spricht sich auch in bejahendem Sinne zu der

97 vorgeschlagenen Rechtsform eines Verfassungszusatzes aus. Einige äusaern allerdings hiezu ihre Bedenken und werfen die Frage auf, ob nicht besser die Form eines dringlichen Bundesbeschlusses zu wählen sei. Aus den diesbezüglich gemachten Äusserungen muss geschlossen werden, dass die Vorschläge auf Änderung der Rechtsform deswegen gemacht wurden, weil ein gewisser Widerspruch zwischen der als Übergangslösung gedachten Preiskontrolle und dem Verfassungszusatz, der etwas Beständiges darstelle, empfunden wird.

2. Das Bundesgericht hat zu der Frage der Rechtsform eingehend Stellung genommen. Es kommt zum eindeutigen Schiusa, dass der vorgesehene Verfassungszusatz rechtlich durchaus vertretbar sei. Da die in Frage stehenden Vorschriften nicht vor dem 1. Januar 1953 in Kraft gesetzt werden müssen, erscheine es als richtig, wenn nicht das in Artikel 89bls BV vorgesehene Verfahren Platz greife, das voraussetze, dass die ordentliche Gesetzgebung nicht genüge.

Denn die noch zur Verfügung stehende Zeit reiche aus für den Erlass eines Bundesbeschlusses in Form eines befristeten Verfassungszusatzes.

8. Die Ablehnung einer Verfassungsergänzung und der Vorschlag auf den Erlass eines dringlichen Bundesbeschlusses erfolgen vielfach ohne Angabe eines Grundes. Aus den Stellungnahmen der Verbände ergeben sich zur Hauptsache folgende Gründe gegen einen Verf assungszusatz : a. Eine Gefahr dieser Art der Kodifizierung wird darin erblickt, dass nach Erfahrung befristete Verfassungsergänzungon leichter verlängert und schliesslieh dauernd verankert würden. Damit wäre ein Schritt in der Richtung zur Planwirtschaft gemacht.

b. Ein Verfassungszusatz in der vorgelegten Form wird auch deshalb abgelehnt, weil er gegen den Inhalt und das System der Bundesverfassung verstosse. Danach wäre der einzig gangbare Weg die Aufnahme eines Verfassungsartikels mit der notwendigen Kompetenzbesthnmung und der nachherige Erlass eines Ausführungsgesetzes.

c. Nach dem Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1950 über die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates ist die Bestätigung von Vollmachtenbeschlüssen nur durch Bundesbeschlüsse vorgesehen, die auf Grund von Artikel 89, Absatz 2, oder Artikel 89WsBV erlassen werden. Daraus wird abgeleitet, dass eine andere Reohtsform für die Überführung vollmaohtenrechtlioher Vorschriften
in das ordentliche Recht nicht möglich sei.

d. Eine mehr äusserliche Einwendung geht dahin, dass einzig mit einem dringlichen Bundesbeschluss der ausserordentliche Charakter der Übergangsregelung, welche die Preiskontrolle nach 1952 darstelle, betont werden könne.

IX. Rechtsform In den vorangehenden Kapiteln sind wir zum Schluss gelangt, dass wir es nicht verantworten könnten, auf Ende dieses Jahres alle preiskontrollrechtliehen Befugnisse aus der Hand zu geben. Es stellt sich deshalb die Frage nach

98 der ^Rechtsgrundlage, auf welche die in den kommenden Jahren noch unerlässlichen Massnahmen nach Ablauf der Vollmachten abgestützt werden können, bzw. in welche Eechtsform allenfalls notwendig werdende neue Kompetenzbestimmungen zu kleiden sind.

1. Wir haben im historischen Überblick erwähnt, das« der Bund bereits in den dreissiger Jahren einmal über gewisse preiskontrollrechtliche Befugnisse verfügt hat. Könnte nicht einer der damaligen Erlasse als Grundlage für die befristete Weiterführung der Preiskontrolle herangezogen werden? Hiezu ist folgendes festzuhalten: a. Der Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936 b e t r e f f e n d die Überwachung von Warenpreisen sah in seinem ursprünglichen Artikel 4 vor, dass dieser Beschluss für die Dauer der Eechtsgültigkeit der im Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland enthaltenen Bestimmungen gelte. Der letztgenannte Bundesbeschluss war damals bis Ende 1937 befristet (BB vom 11. Dezember 1935).

. Ende 1937 wurde der Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland vom 14. Oktober 1933/11. Dezember 1985 durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1937 bis Ende 1939 verlängert. Unterm gleichen Datum wurde auch der Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936 botreffend die Überwachung von Warenpreisen bis Ende 1939 verlängert, und zwar in einem vom Beschluss vom 14. Oktober 1933 getrennten Erlass. Damit wurde der oben erwähnte Artikel 4 aufgehoben resp. abgeändert, auch wenn dies im Beschluss vom 28. Dezember 1937 nicht ausdrücklich gesagt wurde.

Als am 22. Juni 1989 der Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland mit gewissen Abänderungen bis Ende 1942 verlängert wurde, unterblieb eine Verlängerung des Beschlusses über die Warenpreise. Der letztere trat deshalb Ende 1989.ausser Kraft, Wir verweisen auf unseren Geschäftsbericht für das Jahr 1940, Abschnitt Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, Generalsekretariat.

b. Der Bundesbeschluss vom 29, September 1986 über wirtschaftliche Notmassnahmen galt anfänglich bis Ende 1937. Er würde unterm 23. Dezember 1937 bis Ende 1939 verlängert und am 21. September 1989 erfolgte eine weitere Verlängerung bis Ende 1942. Da vor dem 81. Dezember 1942 keine nochmalige Verlängerung Platz griff, fiel .die Gültigkeit dieses Erlasses damals
dahin. Über die Gründe des Verzichtes auf eine Erstreckung der Gültigkeitsdauer dieses Beschlusses:über das Jahr 1942 hinaus gibt unser Geschäftsbericht .1942 Auskunft.

c. Der Bundesratsbeschluss vom 27. September 1936 über ausserordentliche Massnahmen b e t r e f f e n d die Kosten der Lebenshaltung wurde in Verbindung mit dem Abwertungsbeschluss vom gleichen Datum gefasst. Er ist formell auch heute noch in Kraft (so ist er auch in der bereinigten Sammlung der eidgenössischen Gesetze noch aufgeführt). Seitdem der Bundesrat aber unterm 1. September 1989 seinen Vollmachtenbeschlusa

99 über die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung gefasst hat, fand der Bundesratsbeschluss vom 27. September 1936 keine Anwendung mehr; die Gültigkeit seiner Ausführungsbestimmungen (EVDVerfügungen) ist für die Geltungsdauer der Verfügung l des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 2. September 1989 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung sistiert (die Verfügungen, die auf dem Bundesratsbeschluss vom 27. September 1936 basieren, sind in der bereinigten Sammlung der eidgenössischen Gesetze nicht mehr aufgeführt und treten somit ab 1. Januar 1953 endgültig ausser Kraft)*).

Es stellt sich die Frage* ob die Preiskontrolle nach Wegfall der Vollmachten nicht einfach auf den Bundesratsbeschluss vom 27. September 1936 abgestützt werden könnte. Hiezu ist folgendes zu bemerken: Der Bundesratsbeschluss vom 27. September 1936 über ausserordentliche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung erwähnt im Ingress keine Bechtsgrundlage. Als solche kommt höchstens die Grundlage in Frage, auf die sich der Bundesrat in seinem Beschluss betreffend Währungsmassnahmen vom gleichen Datum gestützt hat, nämlich Artikel 53, Absatz l, der Finanzordnung 1936/37. Dieser Artikel ist später zum Artikel 46 der Finanzordnung 1939-1941 geworden (mit einer für die vorliegenden Erwägungen nicht wesentlichen Ergänzung). Diese letztere Finanzordnung und insbesondere auch deren Artikel 46 sind Bestandteil der geltenden Finanzordnung 1951-1954. Artikel 46 lautet wie folgt: « . . . Der Bündesrat ist ermächtigt, Massnahmen zu treffen, die er zur Erhaltung des Landeskredites als notwendig und unaufschiebbar erachtet.

Dabei bleibt in Verwaltungs-, Zivil- und Strafsachen der ordentliche Eechtgweg vorbehalten.

Über solche Massnahmen ist der Bundesversammlung in der nächstfolgenden Session Bericht zu erstatten.» Die Tatsache allein, dass der Bundesratsbeschluss vom 27. September 1986 über ausserordentjiche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung auch nach Wegfall der Vollmachten noch Gültigkeit haben wird und dass die Eechtsgrundlage, auf die sich offenbar seinerzeit der Bundesrat gestützt hat, ebenfalls noch vorhanden ist, genügt nun aber unseres Erachtens nicht, um die Preiskontrolle einfach auf diesen Beschluss zu basieren. Die
Preiskontrolle, wie sie nach Ende 1952 weitergeführt werden soll, hat mit der Abwertung von 1936 keinen oder nur einen sehr losen Zusammenhang. Ferner handelt es sich bei dieser Preiskontrolle nicht -- oder höchstens indirekt -- um Massnahmen, die zur Erhaltung des Landeskredites im Sinne von Artikel 46 der Finanzordnung 1939-1941 notwendig sind. Wir denken vor allem z. B. an die Mietpreiskontrolle.

l ) Diese Ausführungen gelten nicht in bezug auf die Verfügung XIa des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 11. Juli 1938 und die Verfügung XVI des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 24. Mai 1939 über ausserordentliche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung.

100 Aus dem Ingress des Bundesratsbeschlusses vom 27. September 1936 über ausserordentliche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung ist ersichtlich, dass der Bundesrat diesen Beschluss als notwendige Massnahme im Zusammenhang mit der Abwertung betrachtet hat. Sobald es sich aber um Massnahmen handelt, die mit der Abwertung keinen oder höchstens einen sehr losen Zusammenhang haben -- wie bei den nach Ende 1952 allenfalls zu treffenden preiskontrollrechtlichen Massnahmen -- können diese nicht auf den Preiskontrollbeschluss vom 27. September 1986 abgestützt werden.

Artikel 46 der Finanzordnung 1939-1941 könnte unseres Erachtens höchstens dann als Kechtsgrundlage für preiskontrollrechtliche Vorschriften angerufen werden, wenn es darum gehen würde, im Zusammenhang mit währungspolitischen Massnahmen preiskontrollrechtliche Bestimmungen zu erlassen.

Endlich darf nicht übersehen werden, dass Artikel 46 von Massnahmen spricht, die der Bundesrat zur Erhaltung des Landeskredites als unaufschiebbar betrachtet. Nun gelten aber die vollmachtenrechtlichen Preisvorschriften noch bis Ende des laufenden Jahres. Es sind also keine unaufschiebbaren, dringlichen Massnahmen zu treffen; vielmehr ist der ordentliche Weg der Gesetzgebung noch durchaus möglich, so dass die Berufung auf Artikel 46 auch deshalb fehlginge.

Übrigens gelangt auch das Bundesgericht in seiner Vernehmlassung zum Yorentwurf vom 6. Februar 1952 zum Schluss, dass der zitierte Artikel 46 der Finanzordnung in diesem Zusammenhang nicht als Eechtsgrundlage angerufen werden könnte. Das Bundesgerioht schreibt hiezu u. a. folgendes: «Wir sind jedoch der Meinung, dass diese Vorschrift, jedenfalls im gegenwärtigen Zeitpunkt, nicht als Grundlage für einen Bundesbeschlusa im Gebiet der Preiskontrolle dienen könnte; dies deshalb nicht, weil die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten erlassenen Vorschriften über die Preiskontrolle noch bis Ende 1952 in Kraft bleiben, also keine unaufschiebbaren, dringlichen Massnahmen zu treffen sind. Die Schaffung einer neuen verfassungsmässigen Grundlage erscheint unsjm gegenwärtigen Zeitpunkt als unumgänglich. Es lässt sich zudem nicht mit Sicherheit voraussehen, dass die Preiskontrolle im Jahre 1952 als Massnahme gelten könne, die zur Erhaltung des nationalen Kredites bestimmt sei und ihr dienen könne. Die
Verhältnisse waren im Jahre 1986 andere, als die Preiskontrolle als Gegenstück zur Geldabwertung erschien.» d) Gemäss Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern kann der Bundesrat im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr, wenn die Beeinträchtigung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern durch das Ausland dies erheischt, Bestimmungen zur Verhinderung ungerechtfertigter Preissteigerungen auf inländischen Vorräten erlassen.

Man braucht keine Worte darüber zu verlieren, dass diese Bestimmung keine Grundlage für die Weiterführung der Preiskontrolle, insbesondere auch

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der Mietpreiskontrolle, nach Ende 1952 bildet, kann diese Vorschrift doch nur dann angerufen werden, wenn der Fall der unmittelbaren Kriegsgefahr gegeben ist. Übrigens bezieht sich das Sicherstellungsgesetz nur auf lebenswichtige Güter; die Miet- und Pachtzinskontrolle liesse sich doshalb gleich wie eine Kontrolle der Entgelte für gewerbliche und industrielle Leistungen*) (siehe Art. l unseres Beschlussesentwurfes) unter keinen Umständen auf das Sicherstellungsgesetz abstützen.

Nach dem Sicherstellungsgesetz und dem Bundesbeschluss vom 26, April 1951 über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsicheren Zeiten können über die Einfuhr, Ausfuhr, Produktion, Verwendung, Abgabe und Bezug von unentbehrlichen Waren einschränkende Vorschriften erlassen werden. Sollten solche Massnahmen getroffen werden und würden sie zu einer Beeinträchtigung der freien Preisbildung führen, so könnte sich die Frage stellen, ob nicht gestützt auf die beiden erwähnten Erlasse Höchstpreise vorgeschrieben werden dürften. Selbst wenn diese Frage bejaht würde, wäre damit eine Rechtsgrundlage für Preisvorschriften nur für Waren gegeben, auf die sich die einschränkenden Massnahmen im Sinne des Sicherstellungsgesetzes und des Beschlusses vom 26. April 1951 beziehen. Auf alle Fälle könnten weder die Mietpreis- und Pachtzinskontrolle noch die Kontrolle der Entgelte für industrielle und gewerbliche Leistungen auf das Gesetz vom 1. April 1988 oder den Beschluss vom 26. April 1951 abgestützt werden.

Infolgedessen kann weder das Sicherstellungsgesetz noch der Beschluss der Bundesversammlung vom 26. April 1951 als Rechtsgrundlage für die von uns nachgesuchten preiskontrollrechtlichen Befugnisse herangezogen werden. Wir erinnern daran, dass z. B. alle heute noch geltenden Warenpreisvorschriften dahinfallen müssten, weil keine dieser Waren im Sinne des Sicherstellungsgesetzes und des Beschlusses vom 26, April 1951 bewirtschaftet werden. Die Einführung von Bewirtschaftungsmassnahmen nur um die Möglichkeit der Beibehaltung oder Wiedereinführung von Preisvorschriften zu schaffen, wäre jedoch nicht zu verantworten, E. Andere Erlasse, die eventuell zur Abstützung der Preiskontrolle nach Ende 1952 herangezogen werden könnten, gibt es nicht. Wir kommen somit zum Schluss, dass für die ab 1. Januar 1953
noch notwendigen preiskontrollrechtlichen Befugnisse ein neuer Erlass geschaffen werden muss.

2. a. Wenn wir näher auf die Frage eintreten, in welche Rechtsform die Vorschriften über die befristeten preiskontrollrechtlichen Befugnisse des Bundes gekleidet werden sollen, so muss zunächst geprüft werden, ob eine verfassungsmassige Grundlage für solche Kompetenzerteilungen besteht.

1 ) Wenn die gewerblichen und industriellen Leistungen in diesem Zusammenhang in Verbindung mit der Miet- und Pachtzinskontrolle (diebekanntlichniindestens vorderhand beibehalten werden sollte) erwähnt werden, BÖ hat dies nicht zu bedeuten, dass wir gedenken, die Entgelte für die gewerblichen und industriellen Leistungen, die heute fast ausnahmslos aus der Preiskontrolle entlassen sind, wieder der Preiskontrolle zu unterstellen, es Bei denn, die Verhältnisse würden dies unbedingt erheischen.

102 Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob nicht unter Umständen für gewisse Sonderfälle Preisvorschriften erlassen werden könnten, die in der Verfassung eine ausreichende Bechtsgrundlage finden würden. Sicher wäre es möglich, im Eahmen einer Kartellgesetzgebung (Art. 3!1318, Abs. 8, lit. d, BV) Preisvorschriften zu erlassen. Dagegen lässt sich eine verfassungsmässige Grundlage für alle jene Vorschriften, die Gegenstand unseres Beschlussesentwurfes sind, nicht finden. Insbesondere könnte eine Preiskontrolle im Sinne unseres Beschlussesentwurfes nicht auf Artikel Sl1"13, Absatz 8, ht. a, B V abgestützt werden, wie auch das Bundesgericht in seiner Vernehmlassung zum Vorentwurf vom 6. Februar 1952 feststellt.

Damit ergibt sich eine erste Schlussfolgerung: Die von uns ins Auge gefassto befristete Weiterführung der Preiskontrolle erheischt vorerst die Schaffung einer verfassungsmässigen Grandlage.

b. Man könnte nun in erster Linie an die Aufnahme einer allgemein gefassten nicht befristeten Kompetenzbestimmung in die Bundesverfassung denken, die dem Bund die Möglichkeit geben würde, auf dem Gebiete der Preise im weitesten Sinne dieses Wortes Vorschriften zu erlassen. Wie wir aber schon ausgeführt haben, geht es uns nicht darum, die Preiskontrolle dauernd als Instrument der Wirtschaftspolitik des Bundes in der Verfassung zu verankern.

Wir stehen nach wie vor auf dem Boden, dass -- von aussergewöhnhchen Zeiten wie den gegenwärtigen abgesehen --· die Wirtschaftspolitik des Bundes (soweit das Inland in Frage steht) in den geltenden Wirtschaftsartikeln der Bundesverfassung eine ausreichende Rechtsgrundlage besitzt, und dass insbesondere die Voraussetzungen und die Notwendigkeit nicht gegeben sind, um die Wirtschaftsartikel durch die Möglichkeit einer staatlichen Preiskontrolle zu erweitern. Ein unbefristeter allgemeiner Kompetenzartikel der Bundesverfassung fällt deshalb nicht in Betracht. : Man könnte sich jedoch auch die Frage stellen, ob nicht dieser allgemein gehaltene Kompetenzartikel der Bundesverfassung, der dem Bund als solchem und nicht der Bundesversammlung oder dem Bundesrat gewisse preiskontrollrechtliche Befugnisse einräumt, befristet werden könnte. Würde dieses Vorgehen gewählt, müsste aber nachher noch ein Ausführungsgesetz erlassen werden, das dem fakultativen Referendum
unterstünde. Dieser drei Etappen aufweisende Weg --· Schaffung der verfassungsrechtlichen Kompetenz des Bundes zum Erlass von Preisvorschriften, dann Vorbereitung und parlamentarische Behandlung des Ausführungsgesetzes (mit Eeferendumsklausel) und endlich Erlass der Vollziehungsverordnung -- schien uns jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht gangbar.

Die Behandlung der Verfassungsvorlage allein hatte soviel Zeit beansprucht, dass es nicht mehr möglich gewesen wäre, vor dem 1. Januar 1958 die notwendige Ausführungsgesetzgebung unter Dach zu bringen.

c. Damit bleiben grundsätzlich nur noch zwei Möglichkeiten offen, nämlich der zur ordentlichen, d. h. nicht dringlichen Gesetzgebung zu zählende, die Bundesverfassung ergänzende Bundesbeschluss (Verfassungszusatz),. der der

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Bundesversammlung oder dem Bundesrat direkt und nicht dem Bund gewisse Kompetenzen einräumt und somit Verfassung und Gesetz in sich vereint, oder ein dringlicher Bundesbeschluss gemäss Artikd 89bls, Absatz S, BV. Haben wir heute die Wahl zwischen diesen beiden Verfahren, oder kommt nur eines von beiden in Präge ? Mit andern Worten : Sind heute die Voraussetzungen zum Erlass eines dringlichen Bundesbeschlusses gegeben, oder muss der Weg der ordentlichen Gesetzgebung eingeschlagen werden ?

Artikel 89Ws BV umschreibt die Dringlichkeit dahin, dass die Inkraftsetzung eines Beschlusses keinen Aufschub erträgt. Es kann sich also nur um eine Sofortraassnahme handeln, die aus einer bestimmten, plötzlich aufgetretenen Situation heraus notwendig wird. Der Weg eines dringlichen Bundesbeschlusses darf nur dann eingeschlagen werden, wenn über die ordentliche Gesetzgebung das angestrebte Ziel nicht rechtzeitig erreicht werden kann.

Wenn wir die Dinge etwas näher betrachten, müssen wir feststellen, dass es sich bei der zur Diskussion stehenden Eegelung nicht um eine Sofortmassnahme handelt, die aus einer bestimmten, plötzlich aufgetretenen Situation heraus notwendig wird. Einmal verfügen wir noch bis Ende dieses Jahres über die erforderlichen preiskontrollrechtlichen Kompetenzen. Der Urnen unterbreitete Erlass muss somit erst auf 1. Januar 1953 in Kraft treten. Sodann enthält unser Beschlussesentwurf verschiedene Kompetenzbestimmungen, von denen noch keineswegs feststeht, ob der Bund hievon bereits zu Beginn des Jahres 1958 oder vielleicht erst im Jahre 1954 oder überhaupt nie wird Gebrauch machen müssen. Unser Beschlussesentwurf hat -- wie bereits erwähnt -- nicht die Bedeutung, dass wir gestützt darauf unter allen Umständen eine totale Preiskontrolle ·-- selbstverständlich im Bahmen des Artikels l -- wieder einzuführen gedenken. Von wenigen Sektoren abgesehen, wie z. B. Miete, Pacht und vielleicht einigen Warenpreisen, hoffen wir, möglichst ohne HöchstpreisVorschriften auszukommen und es -- wenn überhaupt Massnahmen notwendig sind --- bei einer Überwachung im Sinne von Artikel 5 des Beschlussesentwurfes bewenden lassen zu können. Die Dringlichkeit, wie sie weiter oben erwähnt wurde, wäre aber heute selbst dann nicht gegeben, wenn der Bund von den im Beschlussesentwurf vorgesehenen Befugnissen schon anfangs
1953 Gebrauch machen rnüsste, oder wenn im Entwurf nur jene Kompetenzen beibehalten würden, die am 1. Januar 19ö3 vorhanden sein müssen, damit die Mietpreiskontrolle und einige wenige andere Massnahinen weitergeführt werden können.

Die Tatsache, dass die auf Vollmachten beruhenden Vorschriften spätestens Ende dieses Jahres ausser Kraft treten, ist schon seit dem 18. Dezember 1950 (BB über die Aufhebung der ausserordenthchen Vollmachten des Bundesrates) bekannt, und es stand schon im letzten Jahre fest, dass der Bund auch im Jahre 1953 nicht auf sämtliche preiskontrollrechtliche Eingriffsmöglichkeiten wird verzichten können. Die Möglichkeit, auf dem Wege der ordentlichen, d. h.

nicht dringlichen Verfassungsgesetzgebung die erforderlichen Eechtsgrundlagen für die befristete Weiterführung der Preiskontrolle zu schaffen, war damit vorhanden, und sie ist auch heute noch durchaus gegeben. Sobald aber der

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.

Weg der ordentlichen Gesetzgebung beschritten werden kann, ist es nicht angängig; vom dringlichen Bundesbeschluss Gebrauch zu machen.

Auch in dieser Beziehung ist die Stellungnahme des Bundesgerichtes durchaus eindeutig. Dieses schreibt in seiner Vernohmlassung vom 14. März 1952 hiezu folgendes: «Da diese Vorschriften nicht vor dem 1. Januar 1953 in Kraft gesetzt werden müssen, erscheint es uns als richtig, wenn nicht das in Artikel 89Ws BV vorgesehene Verfahren Platz greift, das voraussetzt, dass die ordentliche Gesetzgebung nicht genügt. Denn die noch zur Verfügung stehende Zeit reicht aus für den Erlass eines Bundesbeschlusses in Form eines befristeten Verfassungszusatzes.» d) Wir haben unter lit. c vorstehend festgestellt, dass der Weg eines dringlichen Bundesbeschlusses heute nicht gangbar ist. Es stellt sich jedoch in diesem Zusammenhang die Frage, ob nicht Gründe bestehen, die für eine Verschiebung der Beschlussfassung auf Ende des Jahres sprechen, was zur Folge hätte, ,dass dann die Dringlichkeit gegeben wäre.

Entgegen den Ausführungen in einzelnen Vemehmlassungen zum Vorentwurf vom 6. Februar 1952 sind wir der Überzeugung, dass die Verhältnisse in den nächsten Monaten nicht eine derart grundlegende Änderung erfahren werden, dass ein Verzicht auf jegliche preiskontrollrechtliche Befugnisse verantwortet werden könnte. Die Notwendigkeit eines Bundesbeschlusses über eine befristete Weiterführung der Preiskontrolle muss also heute schon als feststehend betrachtet werden. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung einen weiteren Abbau der noch bestehenden preiskontrollreehtlichen Vorschriften gestatten sollte, ist dennoch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sich in den kommenden Jahren Situationen einstellen werden, die unbedingt Eingriffe im Sinne von Artikel l des Beschlussesentwurfes erheischen. Wir glauben deshalb nicht, dass gesagt werden könnte, die Notwendigkeit der befristeten Weiterführung der Preiskontrolle sei heute noch zu wenig abgeklärt, so dass die Beschlussfassung hierüber noch verfrüht sei und erst Ende des Jahres -- selbstverständlich dann auf dem Wege eines dringlichen Bundesbeschlusses --· vorgenommen werden könne. Selbst wenn man diesen Einwand für einzelne Gebiete als stichhaltig bezeichnen wollte -- was unseres Erachtens nicht zutreffend wäre -- so hätte er bestimmt,
was die Mietzinse betrifft, keine Gültigkeit. Bezüglich dieses letzteren Sektors ist sich der Grossteil der vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zur Vernehmlassung eingeladenen Kreise einig, dass heute schon erklärt werden muss, die Mietpreiskontrolle könne Ende des Jahres nicht einfach fallen gelassen werden.

In diesem Zusammenhang stellt sich also noch eine andere Frage: Ist es angängig, aus irgendwelchen Zweokmässigkeitsgründen die Besohlussfassung so hinauszuzögern, dass praktisch nur noch der Weg des dringlichen Bundesbeschlusses eingeschlagen werden kann? Wir müssen diese Frage entschieden verneinen.

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In unserm Bericht an die Bundesversammlung vom 27. Februar 1948 haben wir über das Volksbegehren vom 23. Juli 1946 für die Rückkehr zur direkten Demokratie ausgeführt, es sei tatsächlich in den dreissiger Jahren ab und zu vorgekommen, dass mit der Ergreifung von Massnahmen mitunter solange zugewartet wurde, bis die zeitliche Unaufschiebbarkeit gegeben war. Gerade dieses Vorgehen hat aber den Unwillen verschiedener Kreise geweckt, die darin eine Gefährdung des Beferendumsrechtes erblickten. So kamen innerhalb der kurzen Frist von ca. 1% Jahren nicht weniger als drei Initiativen zustande, die auf eine Beschränkung der Dringlichkeitsbeschlüsse gerichtet waren. Auch die Initiative, die zum neuen Artikel 89bls BV führte, hat eine ihrer Hauptursachen in der oft kritisierten Anwendung des Dringlichkeitsrechtes der Bundesverfassung.

Man wird dieser Feststellung gegenüber nicht einwenden können, dass ja beim dringlichen Verfahren gemäss Artikel 89bls, Absatz 8, BV das Mitspracherecht des Volkes nicht ausgeschaltet sei, indem ein solcher Beschluss innert Jahresfrist nach seiner Annahme dem Volk und den Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten sei, wenn er länger als ein Jahr in Kraft bleiben soll. Die Begrüssung von Volk und Ständen nach Inkrafttreten einer Vorlage stellt doch den Ausnahmefall dar. Wenn die Verhältnisse es gestatten, muss auch heute der ordentliche Weg der Verfassungsgesetzgebung mit Abstimmung von Volk und Ständen vor der Inkraftsetzung eines Beschlusses eingeschlagen werden.

Die künstliche Herbeiführung der Dringlichkeit ist heute mit der Verfassung ebensowenig vereinbar, wie vor der Annahme des Artikels 89bls BV.

e) Nachdem ein dringlicher Bundesbeschluss gemäss Artikel 89bls, Absatz 8, BV aus den dargelegten Gründen nicht in Frage kommt, bleibt einzig die Möglichkeit eines die Bundesverfassung ergänzenden Bundesbeschlusses.

Der Bund hat zu wiederholten Malen, wenn es darum ging, unter besonderen Verhältnissen Vorschriften für eine bestimmte Dauer aufzustellen, zu dieser Form der Gesetzgebung gegriffen. Diese ermöglicht -- wie das Bundesgericht in seiner Vernehmlassung vom 14. März 1952 ausdrücklich feststellt -- «ein schnelles Verfahren und erlaubt den Erlass von Vorschriften, ohne dass es notwendig wäre, dabei die beiden Phasen der Verfassungsänderung mit nachfolgender Ausarbeitung
eines Gesetzes zu beobachten».

Auf diese Weise sind folgende Erlasse zustande gekommen: der Bundesbeschluss vom 29. September 1915 über den Erlass eines Artikels der Bundesverfassung zur Erhebung einer einmaligen Kriegssteuer (AS. 31, 886), der Bundesbeschluss vom 27. Juni 1919 betreffend Erlass eines Artikels der Bundesverfassung über die Erhebung einer neuen ausserordentlichen Kriegssteuer (AS. 35, 587), der Beschluss vom 16. Dezember 1938 betreffend die Ubergangsordnung des Finanzhaushaltes (AS. 54, 861), der Bundesbeschluss vom 21. Juni 1939 über die Kredite zum Ausbau der Landesverteidigung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (AS. 65, 565) und schliesslioh

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der Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1950 über die Finanzordnung (AS. 1950, 1463).

Man mag einwenden, dass dieses Verfahren nicht ein normales sei. Über die Zulässigkeit dieses Vorgehens können aber keine Zweifel bestehen. Das Bundesgericht stellt dies ebenfalls fest, wenn es in der mehrmals zitierten Vernehmlassung schreibt: «Das damit eingeschlagene Verfahren ist zwar nicht das normale, in der Verfassung für den Erlass genereller Vorschriften vorgesehene, doch enthält es nichts, was der Verfassung widersprechen würde. Die verfassungsgebende Gewalt greift damit in die Befugnisse ein, die allgemein der gesetzgebenden Gewalt zustehen. Doch kann man ihr das Becht hiezu nicht bestreiten. Ist doch sie es, die die Befugnisse der Legislative bestimmt und durch die Verfassung jedem Sachgebiet den engern oder weitern Bahmen steckt, in dem sich die Gesetze halten sollen. Damit steht es derverfassungsgebenden Gewalt aber auch zu, vollständige, sofort ausführbare Bestimmungen in die Verfassung aufnehmen zu lassen und für deren Zustandekommen von der Mitwirkung der gesetzgebenden Behörde abzusehen oder diese sogar auszuschliessen.» In einem Gutachten vom 26. September 1951 äusserte sich sodann die Eidgenössische Justizabteilung zu dieser Art der Gesetzgebung wie folgt: «Die Wissenschaft bezeichnet diese neben die Verfassung tretenden Erlasse als formelle .Verfassungsgosetze (Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 703). Diese Form der Verfassungsergänzung erscheint für Gegenstände vorübergehender Natur zweckmässig. Da sie nicht als numerierte Artikel in die Verfassungsurkunde eingereiht werden, ist unseres Erachtens der behauptete Widerspruch, dass ihr vorübergehender Charakter sich nicht mit dem auf Dauer geschaffenen Grundgesetz vereinbaren lasse, umgangen. Zudem erinnern wir daran, dass die Verfassung selbst Bevisionsmöglichkeiten vorsieht, woraus sich ergibt, dass ihre Schöpfer die Möglichkeit einer zeitlich beschränkten Dauer der Verfassu-ngsvorschriften oder sogar des ganzen Verfassungsrechtes ins Auge fassten. Die jüngste Entwicklung des Verfassungsrechtes hat diesen Gedanken durch Einfügung von Artikel 891)l8, Absatz 3, BV noch weiter ausgestaltet, indem diese Bestimmung in Fällen der Dringlichkeit es ausdrücklich erlaubt, befristetes Verfassungsrecht im ausserordentlichen Verfahren
zu setzen, wie wir oben gezeigt haben. Wir sehen aber nicht ein, warum nur dann befristetes Verfassungsrecht soll geschaffen werden dürfen, wenn dessen Inkrafttreten keinen Aufschub erträgt. Die beiden Initiativen für die Bückkehr zur direkten Demokratie haben gerade gezeigt, dass der Bürger die Organe des Staates dazu anhalten möchte, möglichst das ordentliche Bechtssetzungsverfahren bei der Schaffung von Vorfassungs- und Gesetzesrecht zu beobachten.»

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In der Öffentlichkeit wurde vielfach gegen das von uns vorgeschlagene Verfahren eingewendet, dass die Verfassung das Grundgesetz des Staates darstelle, für die Dauer bestimmt sei und deshalb nicht mit befristeten Bestimmungen im Sinne von Verfassungszusätzen, die alle möglichen Detailvorschriften enthalten würden, belastet werden dürfe.

Gegenüber diesen Einwendungen ist festzuhalten, dass ernstlich die rechtliche Zulässigkeit des beantragten Vorgehens nicht beschriften werden kann. Die Verfassung selbst sieht die Eevision und damit auch die Möglichkeit einer Ergänzung vor. Wir verweisen auf Artikel 118 und 121, Absatz l, BV. Die Schöpfer der Verfassung selbst haben also damit gerechnet, dass das wirtschaftliche und politische Geschehen, das sich bekanntlich in einem ständigen Pluss befindet, früher oder später eine Abänderung oder Ergänzung der ursprünglichen Verfassungsbestimmungen erheischen wird.

Zuzugeben ist, dass die Übersichtlichkeit des staatlichen Grundgesetzes leidet, wenn die Verfassung allzu oft durch notwendigerweise ziemlich detaillierte Verfassungszusätze ergänzt wird. Dieses Bedenken vermag aber nicht den Verzicht auf Massnahmon zu rechtfertigen, die im Interesse der Erhaltung des sozialen Friedens und der Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft unerlässhch sind. Auch liesse sich damit nicht die Wahl eines Verfahrens -- wir denken hier an den dringlichen Bundesbeschluss gemäss Artikel 89Ws, Absatz 8, BV -- begründen, das nun einmal rechtlich nicht gangbar ist, weil die Voraussetzungen hiefür nicht erfüllt sind. Die künstliche Herbeiführung der zeitlichen Dringlichkeit wäre aber unseres Erachtens weit weniger demokratisch als die Beschreitung eines Weges, derjrechtlich durchaus zulässig ist, auch wenn er nicht zur Eegel werden darf, f) Gegenüber dem von uns beantragten Vorgehen ist auch eingewendet worden, dass es mit dem Wortlaut des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 1950 über die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates nicht vereinbar sei.

Dieser Bundesbeschluss besagt in Artikel 2, Absatz l, folgendes: «Die Bundesratsbeschlüsse, die auf Grund der durch Bundesbeschluss vom 30. August 1989 und vom 6. Dezember 1945 erteilten ausserordentlichen Vollmachten ergangen sind, treten auf Ende des Jahres 1952 ausser Kraft, soweit sie nicht vorher durch
Bundesbeschlüsse bestätigt werden, die gemäss Artikel 89, Absatz 2, oder Artikel 89blB der Bundesverfassung erlassen werden.» Aus der Tatsache, dass die Möglichkeit der Weiterführung von Vollmachtenrecht auf dem Wege eines Verfassungszusatzes im Bundesbeschluss vom 18, Dezember 1950 nicht ausdrücklich erwähnt wird, wurde verschiedentlich geschlossen, dass dieses Verfahren nicht angängig sei. Die Vertreter dieser Auffassung behaupten deshalb, dass, was die Weiterführung der Preiskontrolle betrifft, nur ein dringlicher Bundesbeschluss gemäss Artikel 89bls, Absatz 8, in Frage komme.

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Glaubt -wirklich jemand ernstlich, dass die Bundesversammlung mit ihrem Beschluss vom 18. Dezember 1950 für die Weiterführung jener vollmachtenrechtlichen Vorschriften, die keine verfassungsmässige Grundlage haben, den Weg der ordentlichen Verfassungsgesetzgebung habe ausschliessen wollen! Dies wäre ja im klaren Widerspruch zur Volksmeinung gestanden, wie sie in der Annahme des Artikels 89bls B V ihren Ausdruck gefunden hat. Wenn die Vorgeschichte dieser Verfassungsbestimmung, insbesondere unser Bericht vom 27. Februar 1948 und die parlamentarischen Verhandlungen verfolgt werden, zeigt sich doch klar, dass es den Urhebern des Volksbegehrens vom 28. Juli 1946 darum ging, einer missbräuohlichen Anrufung des Dringlichkeitsrechtes entgegenzuwirken. Wie hätte unter solchen Umständen die Bundesversammlung dazu kommen können, den ordentlichen Gesetzgebungsweg für die erwähnten Fälle zum vornherein und ohne hierüber ein Wort der Begründung zu verlieren, auszuschliessen. Wäre sie überhaupt befugt gewesen.in einem nicht dem Referendum unterstellten und durch keinen Notstand des Staates - begründeten Beschluss einen verfassungsmässigen Weg der Gesetzgebung auszuschliessen? Wir müssen diese letztere Frage entschieden verneinen, zugleich aber feststellen, dass unseres Erachtens die Bundesversammlung mit ihrem Beschluss vom 18. Dezember 1950 in keiner Weise die Zulässigkeit der Weiterführung bisher auf Vollmachtenrecht gestützter Vorschriften auf dem Wege eines die Verfassung ergänzenden Bundesbeschlusses ausgeschlossen hat.

Gemäss Artikel 121, Absatz l, BV muss bei einer Eevision der Bundesverfassung (abgesehen vom Volksbegehren) --worunter auch die Ergänzung der Bundesverfassung durch neue Bestimmungen fällt ·-- der Weg der Bundesgesetzgebung eingeschlagen werden. Dieser Weg wird in Artikel 89 und 89Ws BV näher umschrieben. Nun wird aber in Artikel 2, Absatz l, des Bundesbe-.

Schlusses vom 18. Dezember 1950 nicht nur Artikel 89Ma B V, sondern auch Artikel 89, Absatz 2, B V erwähnt. Dabei wurde zwar nicht ausdrücklich festgehalten, .dass, wenn es um die Bestätigung eines Vollmachtenbeschlusses geht, . der keine verfassungsmässige Grundlage aufweist, diese zuerst geschaffen oder der Bundesbeschmss im Sinne von Artikel 89, Absatz 2, BV in die Form eines die Verfassung ergänzenden Bundesbeschlusses gekleidet
werden müsse. Dies aber will nicht besagen, dass die Verlängerung von Vollmachtenbeschlüssen, die keine verfassungsmässige Grundlage besitzen, auf dem Wege der nicht dringlichen Gesetzgebung ausgeschlossen worden sei. Die Bundesversammlung hatte keinen Anlass, in ihrem Beschluss auf diesen Fragenkomplex näher einzutreten und zu erklären, dass bei der Bestätigung eines einer verfassungsmässigen Grundlage entbehrenden Vollmachtenbeschlusses vorerst eine Verfassungsgrundlage geschaffen oder dass der Verlängerungsbesohluss in die Form eines Verfassungszusatzes gekleidet werden müsse, sofern die Dringlichkeit nicht gegeben sei.

Ferner ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass Artikel 2, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 1950 sich nur auf die Bestätigung von Vollmachtenbeschlüssen, auf die nicht verzichtet werden kann, bezieht.

109 Unser Entwurf zu einem Bundesbeschluss stellt nun aber keinen BestätigungsbeschluSB dar. Er hat wohl materiell die Weiterführung des Preiskontrollrechts zum Gegenstand; formell handelt es sich aber nicht um eine Bestätigung des Bundesratsbeschlusses vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Markt Versorgung. Artikel 2, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 1950 kann also -- selbst wenn die Argumentation, wonach dieser die Einschlagung des Weges eines Verfassungszusatzes verbiete, richtig wäre -- dem von uns beantragten Vorgehen nicht entgegengehalten werden, ausgenommen bezüglich Artikel 9 unseres Entwurfes, der das Vollmachtenrecht auf zwei bestimmt begrenzten Sektoren für höchstens sechs Monate verlängert.

Endlich legen wir Wert darauf, an dieser Stelle ausdrücklich festzuhalten, dass eine bisher durch Vollmachtenrecht geregelte Materie nicht nur durch sogenannte Bestätigungsbeschlüsse im Sinne von Artikel 2, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 1950 in die ordentliche, d. h. nicht vollmachtenrechtliche Gesetzgebung übergeführt werden kann, sondern auf jedem anderen in der Verfassung vorgesehenen Wege der Gesetzgebung. Wir erinnern daran, dass das am 80. März 1952. vom Schweizervolk gutgeheissene Landwirtschaftsgesetz auch die Überführung von vollmachtenrechtlichen Vorschriften ins ordentliche Eecht zum Gegenstand hat, ohne dass hiefür der Weg eines Bestätigungsbeschlusses gewählt wurde.

X. Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen des Beschlussesentwurfes Nach Eingang der verschiedenen Vernehmlassungen auf das Kreisschreiben des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 8. Februar 1952 an die Kantonsregierungen und die Spitzenverbände der Wirtschaft wurde die Präge einer befristeten Weiterführung der Preiskontrolle erneut geprüft. Wir mussten dabei feststellen, dass die erwähnten Meinungsäusserungen an unserer Beurteilung der wirtschaftlichen Lage, wie wir sie in den Abschnitten VI und VII wiedergegeben haben, im wesentlichen nichts zu ändern vermögen. Nach wie vor halten wir dafür, dass der Bund auch nach Ende 1952 über gewisse Befugnisse preiskontrollrechtlicher Natur verfügen muss. Um aber die Vorlage soweit als möglich zu entlasten, haben wir einen neuen Entwurf ausgearbeitet, den wir Ihnen mitfolgend
unterbreiten. Zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfes haben wir folgendes zu bemerken: Titel Während der Entwurf vom 6. Februar 1952 den Titel trug «Bundesbeschluss über die Preiskontrolle», sprechen wir nunmehr von einem «Bundesbeschluss über die befristete Weiterführung der Preiskontrolle». Damit wollen wir -- um Missverstandnisse,'zu denen offenbar der Entwurf vom 6. Februar 1952 Anlass gegeben hat, zu vermeiden --- zwei Gedanken zum Ausdruck bringen : Einmal soll schon der Titel klarstellen, dass es sich nicht um eine grundBundesblatt. 104. Jahrg. Bd. II.

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110 sätzliche Änderung in der Wirtschaftspolitik des Bundesrates handelt, sondern nur um die durch die Zeitumstände bedingte Beibehaltung einzelner preiskontrollrechtlicher Befugnisse, damit eingegriffen werden kann, falls ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu befürchten sind. Ferner soll festgehalten werden, dass diese "Weiterfuhrung der Preiskontrolle nur eine befristete ist, d, h. dass es nicht darum geht, die Befugnis des Bundes zum Erlass preiskontrollrechtlicher Vorschriften für dauernd in der Bundesverfassung zu verankern.

Ingress Da die Vorlage eine Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Verfassungszusatz zum Gegenstand hat, ist im Ingress auf Artikel 118 B V hinzuweisen, der die Möglichkeit, die Bundesverfassung jederzeit zu revidieren, vorsieht. Ferner sind die Artikel 121, Absatz l, und 85, Ziffer 14, BV zu erwähnen, welche sich über den Weg, auf dem eine Verfassungsrevision vorgenommen werden kann, sowie über die Zuständigkeit zur Bevision der Bundesverfassung aussprechen.

Wir haben es sodann als zweckmässig erachtet, im Ingress kurz zu sagen, weshalb sich diese Ergänzung der Bundesverfassung rechtfertigt. Es sei daran erinnert, dass das gleiche Vorgehen auch schon in andern Fällen eingeschlagen wurde; erwähnt sei hier lediglich der Bundesbeschhiss über die Finanzordnung 1951 bis 1954. Da die Botschaft dem einzelnen Bürger nicht zugestellt wird, dürfte die kurze Umschreibung der Zielsetzung des Beschlusses im Ingress auch im Hinblick auf die Volksabstimmung angezeigt sein.

Ziffer I Artikel l Absatz l a) Hier werden einmal die Gebiete erwähnt, auf denen der Bund Vorschriften preiskontrollrechtlicher Natur erlassen kann.

aa) Im Vordergrund stehen die Warenpreise. Der Begriff «Waren» ist im weiten Sinne dieses Wortes aufzufassen. Darunter fallen also auch Gas sowie Elektrizität. Eine Einschränkung enthält unser Entwurf insoweit, als die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften sich nur auf Waren bezieht, die für das Inland bestimmt sind. Damit sind die Exportpreise von Waren von der Preiskontrolle ausgenommen.

Wir haben uns auch die Frage gestellt, ob der Kreis der Waren, auf den sich der Beschluss beziehen soll, nicht noch etwas enger gefasst werden könnte.

Tatsächlich gibt es eine Anzahl von Waren, für die der Erlass von Höchstpreisvorschfiften wohl kaum je in Frage kommen dürfte. Wir
denken z. B. an ausgesprochene Luxusartikel. Könnte eventuell nur von «lebenswichtigen Waren» gesprochen werden? Wenn wir es bei der Wendung «Preise von für das Inland bestimmten Waren» bewenden Hessen, so geschah dies nicht etwa deshalb, weil wir beabsichtigen würden, die Preiskontrolle auf alles und jedes auszudehnen, das unter den Begriff «Ware» fällt. Wir wollten vielmehr ver-

Ili meiden, durch die Aufnahme eines Begriffes wie «lebenswichtig», der je nach dem Standpunkt des Betrachters und den Zeitumständen ganz verschieden ausgelegt wird, eine Unsicherheit in den Text des Beschlusses hineinzubringen.

Die Meinung geht selbstverständlich dahin, gegebenenfalls nur für Waren den Erlass von Höchstpreisvorschriften zu beantragen, die wirtschaftlich von Bedeutung sind.

bb) Absatz l von Artikel l erwähnt sodann als weiteres Gebiet, auf dem Preis Vorschrift en erlassen werden können, «die gewerblichen und industriellen Leistungen», Wie bei den Waren, so sollen auch bei den Leistungen nur die für das Inland bestimmten unter die Preiskontrolle fallen; auch werden muffir jene Leistungen, die wirtschaftlich von Bedeutung sind, Höchstpreisvorschriften in Betracht kommen.

Bei den Preisen für gewerbliche und industrielle Leistungen sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Im Vordergrund steht die Kategorie von Leistungen, die direkt dem Konsumenten erbracht werden, wie z. B. die Leistungen der Schuhmacher, der Coiffeure, der Schneider, der Waschanstalten und des Gastgewerbes. Werden gewerbliche und industrielle Leistungen nicht direkt ihren definitiven Nutzniessern, sondern gewissen Unternehmern erbracht, dann ist die Bedeutung der betreffenden Entgelte für die Kosten der Lebenshaltung weniger offensichtlich; sie kann aber trotzdem unter Umständen nicht minder schwerwiegend sein. In diese zweite Kategorie fallen vor allem die verschiedenartigen Leistungen im Baugewerbe, Es ist allgemein bekannt, dass die gegenüber der Vorkriegszeit verdoppelten Baukosten zu den ausserordentlich hohen Mietzinsen für Neubau-Wohnungen geführt haben. In dieser Kategorie sind ferner die Tarife der Lagerhäuser und der Textilveredlungsindustrie, der sogenannten «Ausrüster», zu erwähnen. Die Entgelte der «Ausrüster» haben einen massgebhchen Einfluss auf die Preise der Endprodukte.

cc) Als drittes wichtiges Gebiet, für das Preisvorschriften erlassen werden können, werden in Absatz l von Artikel l die itiet- und Pachtzinse erwähnt.

Es erübrigt sich, hier weitere Worte über die Notwendigkeit der Einbeziehung der Miet- und Pachtzinse in den vorliegenden Bundesbeschluss zu verlieren.

Wir verweisen vielmehr auf unsere Ausführungen in den Abschnitten VI/1 und 2.

ddj Die Erfahrung, der Kriegs- und Nachkriegsjahre
hat gezeigt, dass die Möglichkeit des Erlasses von Vorschriften über Preisausgleichsmassnahmen für die Tiefhaltung der Kosten der Lebenshaltung sehr nützlich ist. Auf dieses Instrument möchten wir deshalb auch unter der Herrschaft des Bundesbeschlusses über die befristete Weiterführimg der Preiskontrolle nicht verzichten.

Welche Bedeutung dem Preisausgleich zukommen kann, geht insbesondere aus dem Beispiel der Preisausgleichskasse für Häute, F.elle, Leder und Schuhe hervor. Dank dieser Kasse war es möglich, den lederverarbeitenden Industrien und Gewerben, vor allem der Schuhindustrie, von 1940 bis 1951 die Rohstoffversorgung zu Preisen zu sichern, die sich wesentlich unter dem WeltmarktPreisniveau hielten. Ohne diese Preisausgleichskasse hätte die Kalkulations-

112 basis der Lederverarbeiter von 1,85 bis 2,15 Franken per kg inländische, rohe Grossviehhaut auf das während Jahren zeitweise mehr als doppelt so hohe Niveau der Importware, nämlich bis auf 5,50 Franken und mehr, steigen müssen.

Die Verbilligung des Rohmaterials hatte zur Folge, dass bis zum Endprodukt (Schuhe) die effektive Verbilligung zugunsten des Konsumenten rund das Vierfache des von ihm geleisteten Beitrages ausmachte.

Als weiteres Beispiel sei die Preisausgleichskasse für Eier erwähnt. Um den Absatz der inländischen Eier zu angemessenen Produzentenpreisen sicherzustellen, wird der Importeur verpflichtet, eine gewisse Quantität an Inlandeiern zu übernehmen. Die Übernahmepreise werden von der Preiskontrollstelle festgesetzt. Ausserdem werden die Sammelkosten der Inlandeier von einer Preisausgleiohskasse getragen, wodurch der Übernahmepreis niedriger gehalten werden kann. Bei Wegfall der Preisausgleichskasse würde nicht nur der Übernahmepreis steigen, sondern auch die Verwertung des Inlandanfalles erschwert, sofern die Kasse nicht durch eine gleichwertige Einrichtung ersetzt würde.

Endlich sei auch noch auf die Preisausgleichskasse für Milch hingewiesen.

Diese stellt die Mittel für die zusätzlichen Kosten der Konsummilchversorgung bereit. Nachdem bei den jeweiligen Änderungen der Konsumentenpreise bis Mai 1951 lediglich die Erhöhung des Produzentenpreises berücksichtigt wurde, hat die Preisausgleichskasse in Form von Zulagen an Molkereien und den Detailhandel die Teuerung der Sammel-, Behandlungs- und Detailvertriebskosten zu übernehmen. Zu ihren Lasten gehen ferner auch die zusätzlichen Kosten für die Versorgung von Mangelgebieten. Während in rein ländlichen Gegenden der Konsummilchpreis selbsttragend gestaltet werden konnte, betragen die Zuschussleistungen der Preisausgleichskasse für Milch in den grossen Konsumzentren auch heute noch 3-4 Rappen je Liter. Im Landesdurchschnitt wird die Konsummilch noch um knapp 2 Rappen für den Liter verbilligt.

bj Der Erlass von Vorschriften für die verschiedenen Gebiete, die wir vorstehend unter lit. a kurz erwähnt haben, soll nun im Vergleich zum Entwurf vom 6. Februar 1952 an verschärfte Voraussetzungen gebunden werden. Nach Artikel l, Absatz l, dürfen Vorschriften nur erlassen werden, wenn infolge von erheblichen Störungen der Marktverhältnisse
ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu befürchten sind.

Die Marktverhältnisse sind dann als gestört zu bezeichnen, wenn auf Grund der Entwicklung von Angebot und Nachfrage die Wirtschaft nicht zu rechtfertigende übermässige Preiserhöhungen oder Margenausweitungen verwirklichen kann. Immerhin soll der Erlass von Vorschriften nur dann möglich sein, wenn es sich um erhebliche Störungen handelt. Geringfügige Störungen, wie sie anch in normalen Zeiten immer wieder vorkommen, sollen nicht schon Anlass zu preiskontrollrechtlichen Eingriffen geben. Die Frage, wann eine Störung als erheblich zu bezeichnen ist, lässt sich nicht zum vorneherein allgemein gültig beantworten; es wird Sache der Bundesversammlung sein, dies im Einzelfall zu entscheiden.

113 Sodann müssen infolge dieser erheblichen Störungen der Marktverhältnisse ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu befürchten sein. Auch der Begriff «ungerechtfertigte Preiserhöhungen* lässt sich aber nicht ein für allemal eindeutig und abschliessend definieren. In unseren jeweiligen Botschaften an die eidgenössischen Hate, mit welchen nötigenfalls der Erlass von Massnahmen gemäss Artikel l, Absatz l, beantragt werden wird, werden wir das Vorhegen all dieser Voraussetzungen näher zu begründen haben.

c. In unserem Beschlussesentwurf sprechen wir nicht nur von ungerechtfertigten Preis-, sondern auch von Margenerhöhungen. Der Grund hiefür liegt darin, dass sich bei einer rückläufigen Entwicklung der Einstandspreise die Möglichkeiten einer Margenausweitung ohne Preiserhöhung mehren. Soweit die Konkurrenz nicht spielt, sollte im Gesamtinteresse der Wirtschaft diesen Möglichkeiten einer ungebührlichen Preishochhaltung entgegengewirkt werden können. Da aber die Margen nicht ohne weiteres auch unter den Begriff «Preise» fallen, haben wir es für angezeigt erachtet, jeweils nicht nur von Preisen, sondern auch von Margen zu sprechen.

Diese Erwägungen gelten sowohl für Absatz l wie für Absatz 2 von Artikel 1.

d. Der Entwurf vom 6. Februar 1952 sah vor, dass zum Erlass von Vorschriften über die Warenpreise und die Miet- und Pachtzinse der Bundesrat zuständig sein soll. Um gewissen, gegenüber dieser direkten Ermächtigung des Bundesrates geäusserten Bedenken Eechnung zu tragen und das Entscheidungsrecht in einem noch vermehrten Masse der Bundesversammlung zu überlassen, haben wir uns entschlossen, den Erlass von preiskontrollrechtlichen Bestimmungen im Sinne von Artikel l, Absatz l, --vom Sonderfall des Artikels 2 abgesehen -- von einem Auftrag der Bundesversammlung an den Bundesrat abhängig zu machen.

Wir haben uns die Frage gestellt, ob nicht überhaupt die Befugnis zum Erlass solcher Vorschriften in die Zuständigkeit der Bundesversammlung gelegt werden könnte. Nun darf aber nicht übersehen werden, dass es sich bei der Einführung von Höchstpreisvorschriften um eine sehr komplexe Angelegenheit handelt. Als es z. B. im Januar dieses Jahres darum ging, für Fichten- und Tannenholz wiederum Höchstpreise einzuführen, musste die Eidgenössische Preiskontrollstelle verschiedene Verfügungen erlassen, die mit Eücksicht
auf Branchengepflogenheiten und in Anbetracht der zahlreichen zu regelnden technischen Details ziemlich umfangreich ausfallen mussten. Es würde bestimmt zu weit führen, wenn alle diese Vorschriften von der Bundesversammlung hätten erlassen werden müssen. Es gilt auch hier eine Lösung zu finden, die den tatsächlichen Gegebenheiten Eechnung trägt, und es wäre verfehlt, ein System zu wählen, das praktisch nicht funktionsfähig wäre. Wenn man die Möglichkeit der Weiterführung der Preiskontrolle für unerlässlich hält, muss man auch bereit sein, eine Zuständigkeitsordnung vorzusehen, welche den Erlass von Höchstpreisvorschriften innert kürzester Frist ermöglicht.

114 Ferner ist daran zu erinnern, dass die sich ständig ändernden Verhältnisse oft eine rasche Anpassung von Einzelvorschriften erheischen, die nicht denkbar ·wäre, wenn die Festsetzung jedes einzelnen Höchstpreises der Bundesversammlung überlassen würde.

Andererseits halten wir dafür, dass auch eine Formulierung vermieden werden sollte, die auf reine Ermächtigungsbeschlüsse hinausläuft. Unseres Erachtens sollte die Bundesversammlung gewisse grundlegende Bahmenbestimmungen selbst aufstellen, im übrigen aber die Durchführung dem Bundesrat überlassen. Wir kommen in unseren Bemerkungen zu Absatz 3 noch näher auf dieses Problem zu sprechen.

Absatz 2 · Hier handelt es sich um eine Bestimmung, die schon im Bundesbeschluss betreffend die Überwachung von Warenpreisen vom 20. Jum 1936 enthalten war.

Wir erachten es für richtig, für alle jene Fälle, da der Bund Schutz- und Hilfsmassnahmen ergreift, die zu einer Beschränkung der freien Preisbildung führen, die Möglichkeit des Erlasses von Preisvorschriften vorzusehen. Selbstverständlich handelt es sich hier wie in Absatz l von Artikel l nur um Höchstpreisvorschriften und niemals um Mindestpreisvorschriften; liegt doch der Zweck der ganzen Regelung darin, ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu vermeiden.

Wir denken hier in erster Linie an Preisvorschriften für einfuhrgeschütsste Waren. Es ist aber auch denkbar, dass andere Schutz- und Hilfsmassnahmen getroffen werden, die den Erlass von Preisvorschriften als zweckmässig erscheinen lassen.

Es werden z. B. auch binnenwirtschaftliche Absatzregelungen getroffen, die ähnliche Gefahren für eine ungerechtfertigte Preisentwicklung in sich bergen wie Einfuhrbeschränkungen.

Ausserdem gibt der Beschluss der Bundesversammlung vom 26. April 1951 über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsicheren Zeiten dem Bundesrat sehr weitgehende Befugnisse zum Erlass von Bewirtschaftungsvorschriften der verschiedensten Art. Sollte der Bundesrat einmal von diesen Kompetenzen in einem grösseren Ausmasse Gebrauch machen müssen, so wäre es nicht ausgeschlossen, dass sich der Erlass von Preisvorschriften für die betreffenden Sektoren geradezu als unerlasslich erweisen würde.

Zur Klarstellung sei sodann erwähnt, dass der Erlass von Vorschriften im Sinne von Absatz 2 nicht an die Voraussetzungen
von Artikel l, Absatz l, gebunden ist. Es ist also im Falle von Artikel l, Absatz 2, nicht notwendig, dass eine erhebliche Störung der Marktverhältnisse vorhegt, die ungerechtfertigte Preis- oder Margenerhöhungen befürchten lässt.

Die Zuständigkeit zum Erlass der Vorschriften muss bei Absatz 2 gleich geregelt sein wie bei Absatz l von Artikel 1. Wir verweisen auf unsere Ausführungen zur letztgenannten Bestimmung sowie auf die Bemerkungen zu Absatz 3.

115 Absatz 8 Der Auftrag der Bundesversammlung an den Bundesrat im Sinne von Absatz l und 2 des Artikels l soll die Gebiete, bzw. Warenkategorien oder Leistungen, für die der Bundesrat Vorschriften zu erlassen hat, genau umschreiben; es kann sich also nicht um eine generelle Ermächtigung handeln.

Unsere Formulierung von Absatz 8 schliesst nicht aus, dass die Bundesversammlung in ihrem Auftrag an den Bundesrat noch weitere Anweisungen erteilt. So wäre es z. B. denkbar, dass die Bundesversammlung ihren Auftrag befristen würde, dass sie dem Bundesrat für die Einführung von Höchstpreisvorschriften einen gewissen Stichtag als Preisbasis vorschreiben würde, dass im Auftrage gewisse Grundsätze über die Zulässigkeit von Preiserhöhungen aufgestellt würden usw. Bei der Miete und Pacht könnte z. B, die Bundesversammlung bestimmen, dass nur für Altwohnungen Mietzinsvorschriften weitergeführt werden dürften, dass durch entsprechende Massnahmen die Diskrepanz zwischen den Mietzinsen in Alt- und Neubauten nach Möglichkeit stufenweise beseitigt werden sollte und dass bei den Pachtzinsen von einem bestimmten Ertragswert auszugehen sei. Wir legen Wert auf diese Feststellungen, um darzulegen, dass es sich nach unserem Dafürhalten bei Beschlüssen der Bundesversammlung gestützt auf Artikel l, Absatz l oder 2, nicht um blosse Ermächtigungsbeschlüsse gleich demjenigen über die Erteilung ausserordentlioher Vollmachten vom 80. August 1939 handeln soll. Im übrigen ist es Sache des Bundesrates, im Bahmen des ihm von der Bundesversammlung erteilten Auftrages diejenigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen, die für eine wirksame Durchsetzung der preiskontrollrechtlichen Massnahmen notwendig sind.

Absatz 4 Die Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre auf dem Gebiete der Mietzinskontrolle haben gezeigt, dass das Fehlen von Vorschriften über den Kündigungsschutz die volle Wirksamkeit der mietpreiskontrollrechtlichen Bestimmungen entscheidend beeinträchtigt. Sobald der Hauseigentümer, vor allem in Ortschaften, wo noch eine gewisse Wohnungsknappheit besteht, in bezug auf das Kündigungsrecht keinerlei Einschränkungen unterworfen ist, wird die Möglichkeit, auf den Mieter einen Druck zwecks Vereinbarung eines höheren als des gesetzlich höchstzulässigen Mietzinses auszuüben, grösser und der Anreiz, von dieser Möglichkeit Gebrauch
zu machen, stärker. Das Verbot der Erhöhung des Mietzinses ohne Bewilligung bietet dem Mieter für sich allein keinen genügenden Schutz; nur wenn er sicher ist, dass der Vermieter ihm nicht kündigen kann, wenn er einer ungerechtfertigten Forderung nach Erhöhung des Mietzinses nicht nachgibt, wird er dem Druck des Vermieters standhalten können. Die Eegierung des Kantons Zürich schreibt denn auch in ihrer Vernehmlassung, dass ohne die Möglichkeit der Beschränkung des Kündigungsrechtes die Erreichung des Zweckes der Mietpreiskontrolle nicht gesichert wäre. Andere Kantonsregierungen haben dasselbe erklärt.

Unsere Formulierung spricht ausdrücklich von Massnahmen gegen ungerechtfertigte Kündigungen. Damit ist zum vornherein gesagt, dass die

116 Kündigung von Mietverträgen nicht grundsätzlich verhindert werden darf, sondern dass es nur darum geht, die Wirksamkeit der Mietzinsvorschriften durch die Verhinderung von ungerechtfertigten Kündigungen zu gewährleisten.

Die Bundesversammlung wird es in der Hand haben, darüber zu befinden, ob sie solche Massnahmen ergreifen will, wie sie auszugestalten sind und ob nicht eventuell den Kantonen ein massgebliches Mitspracherecht, ähnlich wie im Eahmen des vollmachtenrechtlichen Kündigungsschutzes, eingeräumt werden soll.

Artikel 2 Wie bereits dargelegt, kann der Bundesrat gemäss Artikel l preiskontrollrechtliche Vorschriften nicht von sich aus erlassen. Es sind nun aber Fälle denkbar, wo rasch gehandelt werden muss, sollen nicht wieder gutzumachende volkswirtschaftliche Schäden und soziale Spannungen vermieden werden. Der Zweck, der mit den Preisvorschriften verfolgt wird, kann geradezu vereitelt werden, wenn der richtige Augenblick zum Erlass dieser Vorschriften verpasst oder wenn die Absicht der Behörden, Höchstpreise vorzuschreiben, vorzeitig bekannt wird. Erhebliche Störungen der Marktverhältnisse, von denen ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu befürchten sind, können sodann ganz plötzlich eintreten; in solchen Lagen müssen sofort Massnahmen getroffen werden können; Obwohl grundsätzlich die Möglichkeit besteht, die Bundesversammlung kurzfristig zu ausserordentlichen Sessionen einzuberufen, erheischt die Beschlussfassung durch die Bundesversammlung mit den unerlässlichen Vorbesprechungen in den parlamentarischen Kommissionen doch eine gewisse Zeitspanne, die in solchen Fällen nicht in Kauf genommen werden kann. Die Kompetenzerteilung an den Bundesrat für den in Artikel 2 geregelten Sonderfall erachten wir daher als unerlässlich.

Die vom Bundesrat getroffenen Massnahmen sind aber spätestens in der nächstfolgenden Session den Eidgenössischen Bäten zur Genehmigung vorzulegen. Diese entscheiden, ob die vom Bundesrat erlassenen Vorschriften in Kraft bleiben, ergänzt oder abgeändert werden sollen. Damit dürfte das Entscheidungsrecht der Volks- und Ständevertretung in zweckmässiger und ausreichender Weise gewahrt sein.

Artikel 8 Im Entwurf vom 6. Februar 1952 war die Begrüssung der Wirtschaftskreise nur «in der Kegel» vorgesehen. Nach der neuen Formulierung muss sie in den Fällen von Artikel l
immer Platz greifen. Artikel 2 wurde in diesem Zusammenhang absichtlich nicht erwähnt, weil Fälle eintreten können, in welchen der Bundesrat sofort handeln muss und nicht vorerst noch die in Artikel 8 vorgesehene Kommission begrüssen kann. Immerhin geben wir die Zusicherung ab, dass diese Kommission auch bei Massnahmen gemäss Artikel 2 wenn irgend möglich konsultiert werden soll.

Die Ernennung der Kommission wäre Sache des Bundesrates. Er wird dafür sorgen, dass auch die Konsumentenkreise eine entsprechende Vertretung

117 erhalten. Nach dem Wortlaut der Bestimmung des Artikels S wäre ea auch möglich, eine bereits bestehende Kommission zu konsultieren, z. B. die Eidgenössische Preiskoütrollkommission, in der bekanntlich alle Wirtschaftskreise wie auch die Konsumentensohaft vertreten sind. Immerhin müssten in diesem Falle die Mitglieder der Preiskontrollkommission durch den Bundesrat bestätigt werden, da nach bisherigem Becht deren Ernennung Sache des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes ist.

Artikel 4 Den preiskontrollrechtlichen Bestimmungen, die allenfalls gestützt auf diesen Bundesbeschluss erlassen werden, kommt, der Charakter von Notmassnahmen zu, die auf gewisse ausserordentliche wirtschaftliche Entwicklungen oder Lagen zurückzuführen sind. Sie sollen deshalb aufgehoben werden, sobald sie nicht mehr unerlässlich sind. Damit einmal erlassene Vorschriften nicht länger als notwendig beibehalten werden, soll der Bundesrat durch Artikel 4 verpflichtet werden, der Bundesversammlung jährlich Bericht über die gemäss Artikel l und 2 erlassenen Vorschriften zu erstatten. Dabei hat er die Notwendigkeit der Beibehaltung der noch in Kraft befindlichen Vorschriften zu begründen.

Dieser Bericht gibt der Bundesversammlung Gelegenheit, die Berechtigung der Beibehaltung der dazumal geltenden preiskontrollrechtlichen Vorschriften zu überprüfen und nötigenfalls deren Aufhebung, Ergänzung oder Abänderung zu besohliessen.

Artikel 5 Absatz l In der Preiskontrolle unterscheiden wir --· wie aus dem historischen Überblick zu ersehen ist -- zwischen der eigentlichen Preiskontrolle und der blossen Preisüberwachung. Der Unterschied liegt darin, dass bei der ersteren Vorschriften über die höchstzulässigen Preise erlassen werden, während bei der blossen Preisüberwachung sich die Behörden darauf beschränken, die Entwicklung der Preise zu verfolgen, sich über die Preisbildung, insbesondere über die geforderten Preise und deren Berechnungsgrundlagen, zu informieren und durch das Mittel der freiwilligen Verständigung ungerechtfertigte Preiserhöhungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Mit anderen Worten: Bei der Preiskontrolle greift der Staat direkt in die freie Preisbildung ein und setzt die Preise in dem von ihm kontrollierten Sektor selbst fest. Bei der blossen Preisüberwachung fehlt hingegen dieser direkte Eingriff des Staates.
Die Preisüberwachung hat sich gerade in den letzten Jahren sehr bewährt und teils erfreuliche Besultate gezeitigt. Wir erinnern nur an die freiwillige Verstä&digung im Textilsektor. Das Instrument der Preisüberwachung möchten wir auch in Zukunft nicht missen. Es ist auch deshalb unerlässlich, weil die mehr oder weniger laufende Überwachung der Preise eine wesentliche Voraussetzung dafür darstellt, dass die Behörden nicht von Ereignissen überrascht werden, die für unsere Wirtschaft und den sozialen Frieden gefährlich sind, und dann mit ihren Vorkehren im Sinne von Artikel l und 2 zu spät kommen.

118 Wir möchten aber nicht die Preisüberwachung für alle in Artikel l aufgeführten Gebiete ganz generell vorsehen, sondern die Möglichkeit offenlassen, diese Überwachung nur dann anzuordnen, wenn sie sich als unumgänglich erweist. Sollen die Behörden jedoch nicht schon mit der Anordnung der Überwachung zu spät kommen, so muss .dieser Entscheid dem Bundesrat zufallen.

Absatz 2 Gemäss Artikel l, Absatz l, unseres Beschlussesentwurfes setzt der Erlass von Vorschriften erhebliche Störungen der Marktverhältnisse, die ungerechtfertigte Preis- oder Margenerhöhungen befürchten lassen, voraus. Nun genügt aber in der Eegel die Kenntnis des Preises, auch des alten und neuen Preises, nicht, um die positive oder negative Beurteilung der Voraussetzung einer zu befürchtenden, ungerechtfertigten Preiserhöhung zu ermöglichen.

Zum besseren Verständnis von Absatz 2 ist noch darauf hinzuweisen, dass der (Verkaufs-) Preis das Ergebnis der verschiedenen Komponenten der Kalkulation ist (z. B. Ankaufspreis, Bezugskosten, direkte Löhne, Gemeinkosten, Bruttohandelsmarge inkl. Gewinne). Erst solche Kalkulationen werden die Ausgangsbasis bilden können zur Beurteilung der Frage, ob eine Preis- oder Margenerhöhung gerechtfertigt ist oder nicht. Die Preisüberwachung wird sich also nicht darauf beschränken können, lediglich die Preise und ihre allfälligen Erhöhungen zu registrieren. Sie wird sich, soll sie die Erage der «ungerechtfertigten Preis- oder Margenerhöhungen» abklären, um damit der Bundesversammlung -- im Falle der zeitlichen Not dem Bundesrat -- die Unterlagen für den Entscheid auf Einführung der Preisfestsetzung oder den Verzicht darauf zu verschaffen, mit der Zusammensetzung, d. h. der Kalkulation des Preises zu befassen haben.

Die Intensität und das Ausmass der Preisüberwachung lassen sich -- wie schon im letzten Absatz des Kommentars zu Absatz l von Artikel 5 angetönt wurde --· nicht zum vorneherein detailliert festlegen. Die Durchführung wird sich im gegebenen Zeitpunkt der wechselnden Lage und den konkreten Umständen auf den einzelnen Sachgebieten einerseits und der jeweiligen Zielsetzung andererseits anzupassen haben.

Um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir sodann dieser Bestimmung über die Auskunftspflioht noch einen Satz beigefügt, wonach jene Personen, die sich im Strafrecht auf ein durch ihren Beruf
bedingtes gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, .nicht zur Auskunftserteilung verhalten werden können. Dies gilt selbstverständlich nur soweit, als Tatsachen in Frage stehen, von denen die betreffenden Personen in Ausübung ihres Berufes Kenntnis erhalten haben.

.

Artikel 6 Absatz l Während der Entwurf vom 6, Februar 1952 noch die Möglichkeit von Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr vorsah, ist in dem Ihnen unterbreiteten Entwurf nur noch von Busse die Eede.

.119 Da Artikel 5, Absatz 2, die selbständige Verpflichtung zur Auskunftserteilung enthält, deren Missachtung unter Strafe gestellt sein muss, drängte sich eine entsprechende Änderung im Text der Bestimmung des Artikels 6 auf.

Wir sprechen nicht mehr von der Möglichkeit, Widerhandlungen mit Bussen zu bedrohen, sondern sagen direkt «Widerhandlungon gegen diesen Bundesbeschluss ... werden mit Busse bestraft.» Endlich haben wir die Übergangsbestimmungen, d. h. Artikel 9, noch ausdrücklich aufgenommen. Damit ist klargestellt, dass nach dem 31. Dezember 1952 Widerhandlungen gegen die dazumal noch in Kraft befindlichen und auf die in Artikel 9 erwähnten Bundesratsbeschlüssen basierenden Vorschriften nur noch mit Busse bestraft werden können. Bekanntlich sah das kriegswirtschaftliche Strafrecht auch Gefängnisstrafen vor. (Siehe auch Ausführungen zu Absatz 3 von Artikel 6.)

Absatz 2 Da nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch nur die vorsätzliche Widerhandlung strafbar ist} sofern nichts anderes gesagt wird, ist diese Bestimmung unerlässlich. Würde nämlich derjenige, der eine Widerhandlung nur fahrlässig begeht, straflos ausgehen, so wäre die Durchsetzbarkeit des Preiskontrollrechtes ernstlich in Frage gestellt, Absatz 3 Entgegen der Eegelung im kriegswirtschaftlichen Strafrecht, das auch für die Widerhandlungen gegen die vollmachtenrechtlichen Preiskontrollvorschriften Anwendimg fand, soll die Strafverfolgung und die Beurteilung inskünftig Sache der Kantone sein. Dies gilt auch für die Widerhandlungen gegen die gemäss Artikel 9 für höchstens sechs Monate verlängerten vollmachtenrecht" liehen Vorschriften. Ab l, Januar 1953 werden diese Vorschriften nämlich nicht mehr den Charakter von Vollmachtenrecht haben, da sie dann nicht mehr auf dem Vollmachtenbeschluss der Bundesversammlung, sondern auf dorn vorliegenden Verfassungszusatz beruhen sollen.

Der Staatsrat des Kantons Genf hat in seiner Vernehmlassung zum Vorentwurf vom 6. Februar 1952 die Frage aufgeworfen, ob nicht angesichts der gemachten Erfahrungen die Beibehaltung des Apparates der kriegswirtschaftlichen Strafrechtspflege in Erwägung gezogen werden sollte. Es ist zuzugeben, dass ernsthafte Gründe für die Beibehaltung der kriegswirtschaftlichen Ordnung sprechen. Bekanntlich sieht diese vor, dass die Untersuchung und Überweisung Sache eidgenössischer
Behörden ist (Strafuntersuchungsdienst, Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements), während die Beurteilung der kriegswirtschaftlichen Straffälle, worunter auch die Zuwiderhandlungen gegen die Preisvorschriften fallen, den 10 kriegswirtschaftlichen Strafgerichten und dem kriegswirtschaftliehen Strafappellationsgericht zusteht.

Die Mitglieder und Ersatzmänner der 10 kriegswirtschaftlichen Strafgerichte erster Instanz und deg kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgerichtes werden

120 vom Bundesrat ernannt1). Als Präsidenten sind nur Berufsrichter oder Personen, welche den Eichterberuf ausgeübt haben, wählbar. Die übrigen Mitglieder sind ausnahmslos erfahrene Juristen oder Fachleute der Wirtschaft.

Bei der Zusammensetzung der Gerichte wurden die verschiedenen Sprachen, Regionen und politischen Richtungen unseres 'Landes weitgehend berücksichtigt. Sechs kriegswirtschaftliche Strafgerichte erster Instanz amtieren für die deutschsprachige Schweiz, drei für die französischsprechende Schweiz und ein Gericht für die italienischsprechenden Landesteile. Das kriegswirtschaftliche Strafappellationsgericht, das für die ganze Schweiz zuständig ist, wird von einem Bundesrichter präsidiert. Der Umstand, dass die Richter und Ersatzmänner vom Bundesrat ernannt werden, gab zur Behauptung Anlass, dass sie von der Verwaltung nicht ganz unabhängig seien. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Rechtsprechung dieser Gerichte eine durchaus objektive und unabhängige ist. Die Tatsache allein, dass in vielen Fällen die Gerichte nicht gemäss dem Antrag der Überweisungsinstanz entschieden haben, sondern einen Freispruch fällten oder mildere, aber auch höhere als die beantragten Strafen aussprachen, beweist dies zur Genüge. Gerade die Behandlung der den Preiskontrollsektor beschlagenden Straffälle hat die Untersuchungs-, Überweisungsund Urteilsinstanzen oft vor eine nicht leichte Aufgabe gestellt. Zweifellos war auch bei der kriegswirtschaftlichen Strafrechtspflege nicht alles vollkommen.

Abgesehen davon, dass es sich hier weitgehend um Neuland handelt, wo manche Grundsätze erst im Laufe der Jahre herausgeschält werden mussten, darf wohl erklärt werden -- ohne damit einen Vorwurf an irgendeine Adresse zu erheben --, dass auch in der ordentlichen Strafrechtspflege, wie bei allen menschlichen Institutionen, nicht alles vollkommen ist.

Wenn wir trotz den Erwägungen, die für die Beibehaltung der kriegswirtschaftlichen Strafrechtspflege sprechen, die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen den Kantonen übertragen, so geschieht dies deshalb, weil wir Ihnen die Regelung der Preiskontrolle im Rahmen einer verfassungsmässigen Ordnung empfehlen und dabei nicht ohne zwingende Notwendigkeit vom Grundsatz des Artikels 64Ms, Absatz 2, BV abweichen möchten.

Artikel 7 Die Abschöpfung widerrechtlicher Gewinne
oder unrechtmässiger Vermögensvorteile ist erstmals im Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege vorgesehen worden. Artikel 10, Absatz l, dieses Bundesratsbeschlusses lautete wie folgt: J ) Der kriegswirtschaftliehe Gerichtsapparat zählt 35 ordentliche Richter und 48 Ersatzmänner. Die Bezeichnung dieser Richter und Ersatzmänner durch die Bundesversammlung hätte unter Umständen zu unerspriesslichen Diskussionen Anlass geben können. Übrigens erinnern wir daran, dass auch die Mitglieder der Militärgerichte -- ea sind dies ordentliche Gerichte -- durch den Bundesrat ernannt werden.

121

«Hat der Beschuldigte, der Dritte, in dessen Geschäftsbereich die kriegswirtschaftliche Widerhandlung begangen wurde, oder deren Bechtsnachfolger durch das Vergehen einen unrechtmässigen Vermögensvorteil erlangt, so kann ihn der Eichter ohne Eücksicht auf die Strafbarkeit zur Bezahlung eines dem Vorteil entsprechenden Betrages an den Staat verpflichten.» Wir haben uns die Frage gestellt, ob dieses Institut der Abschöpfung widerrechtlicher Gewinne auch im Eahmen des vorliegenden Bundesbeschlusses beibehalten werden soll. Die Erfahrungen, die während der ersten 5 Kriegsjahre gemacht wurden, als wir noch nicht über die Möglichkeit der Abschöpfung widerrechtlicher Gewinne verfügt haben, sprechen eindeutig für die Beibehaltung der Abschöpfungsmöglichkeit.

Gerade im Preisrecht kommt es Öfters vor, dass eine Widerhandlung nur fahrlässig begangen wird. Die Eichter haben dann verständlicherweise Hemmungen, Bussen auszusprechen, die den gesamten, vom Fehlbaren erzielten unrechtmässigen Vermögensvorteil, der oft in die Zehntausende von Franken gehen kann, einschliessen. Werden aber in solchen Fällen nur geringfügige Bussen ausgesprochen und verbleibt der Verurteilte im Besitz eines wesentlichen Teiles des widerrechtlichen Gewinnes, so muss eine solche Strafpraxis ihr Ziel zum vorneherein verfehlen. Aber auch in Fällen, wo eine Widerhandlung vorsätzlich begangen wird, kann sich die Aussprechung einer Busse, die dem erzielten unrechtmässigen Vermögensvorteil vollauf Eechnung trägt, als stossend herausstellen. Vor allem können dann Schwierigkeiten auftreten, wenn solche Bussen wegen Nichtbezahlung in Haft umgewandelt werden sollen. Soll die ganze Busse umgewandelt werden oder nur die Busse abzüglich der erzielten unrechtmässigen Vermögensvorteile 9 Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Strafrecht in Preiskontrollsachen nur dann befriedigend gehandhabt werden kann, wenn der unrechtmässige Vermögensvorteil unabhängig von der auszusprechenden Strafe abgeschöpft werden kann, wobei wir unter Abschöpfung die Verpflichtung zur Bezahlung eines dem unrechtmässigen Vermögensvorteil entsprechenden Betrages verstehen.

Es wird Sache der Bundesversammlung sein, gegebenenfalls die Einzelheiten zu regehi. Sie wird insbesondere zu bestimmen haben, ob der abgeschöpfte Betrag an die Bundeskasse oder z. B. an den Kanton, der den
Fall strafrechtlich zu beurteilen hat, oder an den Wohnsitzkanton des zur Zahlung Verpflichteten usw. zu entrichten ist und ob eine Eückerstattungsmöglichkeit an den Geschädigten vorgesehen werden soll.

Artikel 8 Immer dann, wenn in einem Bundesgesetz oder Bundesbeschluss die Bundesversammlung zum Erlass gewisser Vorschriften zuständig erklärt wird -- wie dies z. B. in Artikel l, Absatz 3, des Bundesgesetzes über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern der Fall war --, sind die

122 Beschlüsse der Bundesversammlung, die diese gestützt auf die betreffenden Ermächtigungsbestiinmungen fasst, dem Eeferendum entzogen. Unseres Wissens herrscht darüber sowohl in der Rechtswissenschaft wie in der Praxis kein Zweifel.

Das gleiche gilt unseres Erachtens auch dann, wenn ein Verfassungszusatz, der Verfassung und Gesetz zugleich ist, und deshalb auch schon als Verfassungsgesetz bezeichnet worden ist, der Bundesversammlung eine entsprechende Kompetenz einräumt.

Nun hat es aber einige frühere Verfassungszusätze gegeben, die. von einer endgültigen Entscheidungsbefugnis der Bundesversammlung sprechen. Wir erinnern an den Bundesbeschluss vom 6. April 1939 betreffend Ergänzung der Bundesverfassung für die Eröffnung und die teilweise Deckung von Krediten zum Ausbau der Landesverteidigung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Art. 3, Abs. 6). Aus diesem Grunde und um jegliches Missverständnis zu vermeiden, haben wir es dennoch als zweckmässig erachtet, die Bestimmung des Artikel 8 des Entwurfes aufzunehmen.

Artikel 9 Wie wir bereits ausgeführt haben, geht es in erster Linie darum, mit dem vorliegenden Beschlussesentwurf die Möglichkeit der Weiterführung gewisser preiskontrollrechtlicher Vorschriften zu schaffen. Erst in zweiter Linie und nur für den Fall, dass die Lage dies unbedingt erheischen sollte, wird die Möglichkeit des Erlasses neuer Höchstpreisvorschriften vorgesehen.

Für jene Gebiete, wo gewisse Preisvorschriften angesichts der Verhältnisse über den 81. Dezember 1952 hinaus weiter beibehalten werden müssen, ist alles vorzukehren, damit kein Unterbruch in der gesetzlichen Begelung eintritt. Es wird jedoch nicht möglich sein, noch vor dem 81. Dezember 1952 alle in Frage stehenden Bestimmungen unter Beachtung des im Beschlussesentwurf vorgesehenen Verfahrens auf die neue Eechtsgrundlage umzubauen. Aus diesem Grunde schlagen wir Ihnen die Übergangsbestimmung des Artikels 9 vor. Eine Frist von 6 Monaten erachten wir als ein Minimum.

Ziffer II Wir sind uns bewusst, dass die für die Gültigkeit des Bundesbeschlusses vorgesehene Frist verschiedentlich als zu lang bezeichnet worden ist. Wenn wir Ihnen trotzdem beantragen, den Beschluss auf fünf Jahre zu befristen, so deshalb, weil die Zeitumstände nicht den Eindruck erwecken, dass die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sich
kurzfristig normalisieren werden, d. h, zu einem Zustand von einiger Dauer führen werden, der es uns gestatten würde, auf die Möglichkeit des Erlasses preiskontrollrechtlicher Vorschriften überhaupt zu verzichten. Nachdem die Entscheidungsbefugnis entgegen dem Entwurf vom 6. Februar 1952 in die Hände der Bundesversammlung gelegt ist -- unter Vorbehalt von Artikel 2 -- und das Kontrollrecht der Bundesversammlung sehr stark ausgebaut wurde (Art. 4), dürften die in den Vernehmlassungen zum erwähnten Vorentwurf geäusserten Bedenken über die Dauer der Befristung an

123 Gewicht stark verlieren, besonders wenn auch noch berücksichtigt wird, dass die Voraussetzungen für die in Artikel l vorgesehenen .staatlichen Eingriff smöglichkeiten gegenüber dem Vorentwurf vom 6. Februar 1952 beträchtlich verschärft worden sind.

XI. Sehlussfolgerungen Die unsichere Zeit, in der wir leben, rechtfertigt den Entwurf zu einem zeitlich befristeten Verfassungszusatz, den wir Ihnen zur Genehmigung vorlegen. Dadurch, dass die vorgeschlagene Eegelung erst nach vorgängiger Zustimmung des Souveräns, d. h. von Volk und Ständen, in Kraft tritt, erhält sie eine wirklich demokratische Grundlage. Sie führt in keiner Weise wieder eine generelle Preiskontrolle ein, sie gibt vielmehr nur der Bundesversammlung und unter Umständen dem Bundesrat die Möglichkeit, auf bestimmten Gebieten Vorschriften zu erlassen, um wirtschaftlich und sozial nachteilige Auswirkungen, die bei Belassung der vollen Freiheit auftreten könnten, zu verhindern. Steigen die Preise in übersetzter Weise, so vermindert sich der Wert des Frankens.

Fast alle Waren sind heute von der Preiskontrolle befreit. Ihre Wiedereinführung für den einen oder andern Sektor kommt nur als äusserste und letzte Massnahme in Frage. Wir wünschen nicht, dass wir uns dieses Instrumentes bedienen müssen. Allein die Möglichkeit der Ergreifung von Massnahmen dürfte hoffentlich mässigend wirken. Wenn schon neue Vorschriften notwendig werden, so sollen sie in ihrer Geltungsdauer auf das absolut notwendige Mass beschränkt werden.

Miet- und Pachtzinse können nicht von einem Tag auf den andern freigegeben werden. Dadurch würde sieh sehr wahrscheinlich eine fühlbare Steigerung der Lebenshaltungskosten ergeben, die unweigerlich zu Lohnforderungen führen dürfte.

Sollte der Bundesrat jedesmal, wenn der Erlass von unbedingt notwendigen Vorschriften ohne Aufschub erforderlich wird, der Bundesversammlung Antrag zu einem dringlichen Bundesbeschluss vorlegen müssen, so würde die Wirksamkeit von solchen dringenden Massnahmen, die sofort, aber gestützt auf zeitlich befristete Verfassungsbestimmungen getroffen werden müssen, in Frage gestellt.

Die Vorlage wahrt die Befugnisse und das Kontrollrecht der Bundesversammlung. Der Ihnen vorgelegte Entwurf zerstört oder erschüttert auch nicht die Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung, die in den Wirtschaftsartikeln ihre
verfassungsmässige Verankerung gefunden hat. Es handelt sich nur darum, unserer Verfassung Bestimmungen beizufügen, deren Anwendungsdauer begrenzt ist. Dieses Vorgehen stellt nichts Neues dar.

Auf jeden Fall könnten diese Vorschriften, deren Erlass auf Grund der heutigen Verhältnisse gerechtfertigt ist, nur erneuert werden, wenn die Mehrheit der Stimmbürger und der Kantone einer Verlängerung zustimmen

124 würde. Im übrigen ist die Bundesverfassung nicht unabänderlich; sie kann zu jeder Zeit teilweise oder ganz revidiert werden, wobei die Revision durch den Bundesrat, durch die Bundesversammlung oder durch. Volksinitiative vorgeschlagen werden kann. Schlussendlich hat der Souverän über eine solche Änderung zu befinden.

Die ausländischen Staaten haben eine Preiskontrolle beibehalten. Viele unter ihnen haben eine umfassende Ordnung eingeführt oder wieder eingeführt, gegenüber welcher die Ihnen vorgeschlagene, befristete verfassungsmässige Lösung bescheiden erscheint.

Der Bundesrat empfiehlt einstimmig die Annahme des beiliegenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss. Er hat sich bei seinem Entscheid einzig von der Sorge leiten lassen, rechtzeitig unvorhergesehenen Situationen begegnen zu können, die Stabilität des Schweizerfrankens zu erhalten, gegen eine Inflation anzukämpfen und den sozialen Frieden zu sichern. Dieser Boschluss wird erst dann in Rechtskraft erwachsen, nachdem er die Zustimmung von Volk und Ständen gefunden hat. Die Lösung ist loyal und demokratisch.

Der Bundesrat hat seine Verantwortung übernommen; es gilt nun für die Bundesversammlung, das gleich zu tun.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherungunserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 2. Mai 1952.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Kobelt Der Bundeskanzler: Ch. Oser

125

(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die befristete Weiterführung der Preiskontrolle

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 85, Ziffer 14,118 und 121, Absatz l, der Bundesverfassung, nach Einsichtnahme in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. Mai 1952, im Hinblick darauf, dass gemäss Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1950 über die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates der Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung auf den 81. Dezember 1952 ausser Kraft tritt, in der Absicht, allfällige volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen dieser Aufhebung auf die Kosten der Lebenshaltung zu vermeiden, ·

beschliesst:

I.

Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 erhält folgenden Zusatz:

Art. l Sind infolge von erheblichen Störungen der Marktverhältnisse ungerechtfertigte Preis- oder Margenerhöhungen zu befürchten, so kann die Bundesversammlung den Bundesrat beauftragen, Vorschriften zu erlassen -- über Preise von für das Inland bestimmten Waren sowie gewerblichen und industriellen Leistungen, -- über Miet- und Pachtzinse sowie -- über Preisausgleichsmassnahmen.

2 Die Bundesversammlung kann den Bundesrat beauftragen, für Waren, deren freie Preisbildung durch Schutz- und Hilfsmassnahmen des Bundes beschränkt ist, Höchstpreisvorschriften zu erlassen.

Bundesblatt, 104. Jahrg, Bd. II.

9 1

126 3

Die Bundesversammlung hat bei Erteilung eines Auftrages an den Bundesrat im Sinne von Absatz l oder 2 die Gebiete beziehungsweise Warenkategorien oder Leistungen, für die Vorschriften erlassen werden sollen, genau zu umschreiben.

4 Werden Vorschriften über Mietzinse gemäss Absatz l erlassen, so kann die Bundesversammlung auch Massnahmen zum Schutze der Mieter gegen ungerechtfertigte Kündigungen treffen,

Art. 2 Erträgt der Erlass der in Artikel l genannten Vorschriften keinen Aufschub, so ist der Bundesrat befugt, sie vorläufig selbst zu erlassen; er hat sie aber der Bundesversammlung in der nächsten Session zur Genehmigung zu unterbreiten. Die Bundesversammlung entscheidet, ob die vom Bundesrat erlassenen Vorschriften in Kraft bleiben, ergänzt oder abgeändert werden sollen.

Art. 8 Vor dem Erlass von Vorschriften gemäss Artikel l hat der Bundesrat eine von ihm zu ernennende und aus Vertretern der verschiedenen Wirtschaftskreise des Landes zusammengesetzte Kommission anzuhören.

Art. 4 Der Bundesrat hat der Bundesversammlung über die auf Grund von Artikel l und 2 erlassenen Vorschriften jährlich Bericht za erstatten und dabei die weitere Notwendigkeit der noch in Kraft befindlichen Bestimmungen zu begründen.

Art. 5.

1 Der Bundesrat kann die Überwachung der Preise auf den in Artikel l erwähnten Gebieten anordnen.

2 Den vom Bundesrat bezeichneten Organen der Preisüberwachung ist über die geforderten Preise, Miet- und Pachtzinse und deren Berechnungsgrundlagen Auskunft zu geben. Das Berufsgeheimnis im Sinne von Artikel 77 x) des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1984 bleibt gewahrt.

.

Art. 6 1 Widerhandlungen gegen diesen Bundesbeschluss und dessen Ausführungs- und Übergangsbestimmungen werden mit Busse bestraft.

2 Strafbar ist auch die fahrlässige Widerhandlung.

3 Die Strafverfolgung und Beurteilung ist Sache der Kantone.

l

) Art. 77 :. Geistliche, Bechtsanwälte, Notare, Ärzte, Apotheker, Hebammen und ihre beruflichen Gehilfen dürfen über Geheimnisse, die ihnen in ihrem Amte oder Berufe anvertraut worden sind, nicht zum Zeugnis angehalten werden.

127 Art, 7 Die Bundesversammlung kann die Abschöpfung von unrechtmässigen Vermögensvor eilen, die durch eine Widerhandlung gegen die gestützt auf diesen Beschluss erlassenen Vorschriften erzielt worden sind, regeln.

Art. 8 Beschlüsse der Bundesversammlung im Rahmen dieses Bundesbeschlusses unterstehen nicht dem Referendum

Art. 9 Die am 81. Dezember 1952 noch geltenden und auf den Bundesratsbe schluss vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung oder den Bundesratsbeschluss vom 15. Oktober 1941/8. Februar 1946 betreffend Massnahmen gegen die Wohnungsnot gestützten Vorschriften bleiben noch längstens bis zum 30. Juni 1953 in Kraft.

II.

Der Beschluss gilt vom 1. Januar 1953 bis 31. Dezember 1957.

Er ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

715

128

Entwicklung der Löhne und dei Lebenskosten 1939--1951

Entwicklung der Grosshandelspreise und der Lebenskosten 1939--1951

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die befristete Weilerführung der Preiskontrolle (Vom 2. Mai 1952)

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Bundesblatt

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In

Foglio federale

Jahr

1952

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

20

Cahier Numero Geschäftsnummer

6237

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.05.1952

Date Data Seite

61-128

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10 037 871

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