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Bundesblatt 104. Jahrgang

Bern, den 10. Januar 1952

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 28 franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. --Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Bundesbeiträge an die durch Naturkatastrophen bedingten Meliorationen (Vom 8. Januar 1952) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

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Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge an die durch Naturkatastrophen bedingten Meliorationen zu unterbreiten.

I. Einleitung Mit Datum vom 10. Juli 1951 haben wir Ihnen eine Botschaft mit Beschlussesentwurf unterbreitet, welche die vermehrte Hilfe des Bundes bei der Finanzierung u. a. von Meliorationen in lawinengefährdeten Gegenden zum Gegenstand hatte. Dort empfehlen wir Ihnen, im Interesse der im Winter 1950/51 schwer von Lawinen heimgesuchten Gebiete die durch die Finanzprogramme ab : 1933 abgebauten gesetzlichen Höchstbeiträge wieder in Kraft zusetzen. Der Bundesrat hat seinerseits im gleichen Zusammenhange finanzielle Erleichterungen für die meistbetroffenen Gebirgskantone in Aussicht genommen, um jenen ihre weitschichtigen Aufgaben bei der Wiedergutmachung eingetretener und;der Abwehr künftiger Schäden materiell zu erleichtern.

Noch bevor Ihre Kommissionen zur erwähnten Vorlage Stellung nehmen konnten, sind die Kantone Graubünden und Tessin, schon die materiell hauptgeschädigten des letzten Winters, von einer neuen Katastrophe heimgesucht worden. Zwischen dem 7. und 9. August 1951 sind die Südschweiz, das Engadin und andere Bündner Täler von Unwettern aussergewöhnlichen Ausmasses heimgesucht worden. Es wurden teilweise Abflussmengen festgestellt, die bisher nie registriert worden waren. Nachstehende Tabelle vermittelt ein deutliches Bild der Wasserführung. : Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. I.

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Station

Geschätzte am8flZrÏ951 inma/sec.

Tessin, bei Biotta. . .

105

ms/sec.

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Bisherige maximale Abflussmenge Zeitpunkt Beobachtungspériode

123-133 August

1939 1925-1950 1922

Brenno, bei Loderio. . 320 310 Juli { 1930-195o' Moesa, bei Lumino . . 1000 700-800 September 1944 1913-1950 Tessin, bei Bellinzona . 1400 1500 September 1927 1918-1950 Bavona, bei Bignasco . 170 140-170 Juli 1940 ', 1929-1950 Maggia, bei Bignasco . 400 290-350 August 1939 1929-1950 Die Wirkungen waren besonders verheerend im Engadin und im Gebiet Val Pontirone-Calancatal-unteres Misox-Magadinoebene-Monte Ceneri-Vedeggiotal-Malcantone. . Sie bestanden vor allem in ausserordentlich starken Murgängen mit Ablagerung von sehr grobblockigem Material, im Ausbrechen von Bächen und Flüssen aus ihrem Bett, in der Zerstörung von Brücken und Strassenstrecken und als Folge in Verkehrsunterbrechungen und Kulturlandverwüstungen.

Es scheint nicht ausgeschlossen, dass der schneereiche Lawinenwinter 1950/51 zur Vergrösserung des Schadens beigetragen hat, einmal durch die Sättigung des Bodens mit Wasser, dann durch die Verletzung des Waldes und der Steilhänge und durch Ablagerung von lose in Tobein und Bachbetten liegendem Material.

Die Schäden wiegen um so schwerer, als es sich fast durchwegs um Gebirgsgegenden mit sehr beschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten und sehr knappem Vorrat an Kulturland handelt. Schwer fällt auch ins Gewicht, dass vielerorts Boden verwüstet wurde, der vorher mit Mühe durch vielfältige Meliorationen der Natur hatte abgerungen werden müssen. Schäden entstanden dann in weitgehendem Masse an Bachläufen, Wegen, Strassen, Brücken und Wasserversorgungen, die ordentlicherweise mit Meliorationskrediten subventioniert werden.

Die v o r l ä u f i g e n Schätzungen der zuständigen kantonalen Organe ergeben für die Wiederherstellungsarbeiten an Meliorationsbauten und Kulturland Beträge von 1,5 Millionen Franken im Kanton Graubünden und von 1,3 im Kanton Tessin, zusammen also einen Aufwand von 2,8 Millionen Franken.

Die beiden Kantone melden ausserdem für Eeparaturen an Strassen und Brücken einen Bedarf von zusammen rund 2,8 Millionen Franken. Davon dürfte, was auf Grund späterer Abklärungen näher festzulegen wäre, ein gewisser Anteil das Meliorationswesen betreffen, so dass auf diesem Sektor mit einem Gesamtaufwand von voraussichtlich total 3,5 Millionen Franken zu rechnen sein wird.

* * * Die Tatsache, dass uns die Verhältnisse des Jahres 1951 zwangen, zuerst zur Behebung der Lawinenfolgen an Sie zu gelangen und dass nunmehr die

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Unwetterkatastrophen ähnliche Massnahmen auf dem Gebiete des Meliorationswesens erfordern, gaben uns Anlass zu ganz grundsätzlichen Überlegungen im Zusammenhange mit der Bundeshilfe bei gewaltsamen Naturereignissen. Wir sind dabei zur Überzeugung gelangt, es sollte dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben werden, nicht nur bei den heute zu heilenden Unwetterschäden, sondern auch bei künftigen grösseren Naturkatastrophen (Lawinen, .Hochwasser, Felsstürze, Eutschungen) zu raschem Handeln im Einvernehmen mit den zuständigen Kantonsregierungen bereit zu sein. Was dieses Jahr in den Kantonen Graubünden und Tessin geschehen ist, kann sich nächstes Jahr anderswo wiederholen. Darum wird ein Beweis grundsätzlicher Hilfsbereitschaft bei solchen Ereignissen dazu beitragen, der Gebirgsbevölkerung das Ausharren auf der angestammten Scholle, auch unter der ständigen Bedrohung durch Naturgewalten, zu erleichtern.

u. Die Finanzierung von Wiederherstellungsarbeiten und die Bundesbeiträge

Wiederherstellungsarbeiten tragen einen ganz besondern Charakter. Meist sind sie verhältnismässig teuer; bei Kulturlandräumungen ist oft bald eine Grenze erreicht, wo man sich sagen muss, der Aufwand lohne sich im Hinblick auf den wiederzugewinnenden landwirtschaftlichen Ertrags wert nicht mehr.

Und doch zwingen die Verhältnisse und die Betriebsbedürfnisse zur Anhandnahme solcher Arbeiten, sollen nicht erhebliche Kulturlandschmälerungen die Existenzbasis so stark reduzieren, dass der Landwirt zur Ab- oder Auswanderung gezwungen ist.

Wiederherstellungsarbeiten an sich wirken aber nicht fördernd auf den landwirtschaftlichen Ertrag. Sie können ja nur verlorengegangene Produktionsmöglichkeiten mit grossem Aufwand wieder schaffen so, dass der Landwirt nach durchgeführter Arbeit wenigstens wieder gleich weit ist wie vor der Katastrophe.

Je und je bot deshalb die Finanzierung von Wiederherstellungs- und der zur Vermeidung weiterer Katastrophen zweckmässigerweise mit ihnen einhergehenden Sicherungsarbeiten besondere Schwierigkeiten. Das trifft auch bei den neusten Unwetterfolgen in den Kantonen Graubünden und Tessin zu.

Die zuständigen Eegierungen haben deshalb auf dem Gebiete des Meliorationswesens das Gesuch gestellt, der Bund möge sich an den notwendigen Arbeiten mit höchstmöglichen Beiträgen beteiligen. Insbesondere werden folgende Bundesbeiträge postuliert: Strassen, Brücken etc. (auch im Eahmen von Güterzusammenlegungen) 70-75 % Kulturlandräumungen etc ' . 50 % Diese Wünsche gehen von der Tatsache aus, dass die Finanzlage der beiden Kantone schlecht und die materiellen Möglichkeiten der direkt betroffenen Gemeinden, Genossenschaften und Privaten sehr beschränkt sind. Gleichartige

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,

Begehren dürften zu erwarten sein, wenn künftig gleiche Katastrophen in Gebieten mit ähnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen eintreten sollten. Sie können ja aus der Natur der Sache heraus fast ausschliesslich Bergkantone und die Bergbevölkerung treffen.

·' .

Das Landwirtschaftsgesetz von 1893 sieht Höchstbeiträge bis zu 50 % vor. Durch die Finanzprogramme wurde ein Abbau eingeleitet. Nach der für 1951-1954 gültigen Finanzordnung muss das frühere Maximum um mindestens 14 reduziert werden, so dass heute ein Höchstsatz von 37%% möglich ist. Das steht mit den fundierten Wünschen der von den letzten Unwetterkatastrophen betroffenen zwei Kantone im Widerspruch. Es erweist sich deshalb im Anwendungsbereich des Landwirtschaftsgesetzes als notwendig, für die mit den Unwettern vom August 1951 direkt zusammenhängenden Wiederherstellungsund-Sicherungsarbeiten den Subventionsabbau aufzuheben.

Wir halten deshalb dafür, es sei auf dem Gebiete des Meliorationswesens f ü r alle d i r e k t o d e r i n d i r e k t a u f g r ö s s e r e N a t u r k a t a strophen zurückgehenden Arbeiten der Subventionsab,bau g e n e r e l l a u f z u h e b e n . Dabei verstehen wir unter direkt abhängigen Arbeiten die Instandstellungen, Eäumungen etc., unter indirekten die im Interesse einer rationellen Lösung zweckmässigerweise gleichzeitig oder unmittelbar anschliessend durchzuführenden Massnahmen (Beispiele für letztere: Neubau eines Systems von Entwässerungskanälen im Nachgang zu Überschwemmungen, Güterzusammenlegung im Nachgang zu aus Lawinenschäden notwendigen Umsiedelungen).

Dabei hat es nicht die Meinung, der Bundesrat werde inskünftig bei-allen Naturkatastrophen ohne weiteres das gesetzliche Beitragsmaximum gewähren.

Vielmehr würde es sich darum handeln, ihm die E r m ä c h t i g u n g zur A u s schöpfung der gesetzlichen Unterstützungsmöglichkeiten zurückzugehen. Bei der Beitragsbemessung würde er nach w i e v o r di.e w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e d e r b e t r o f f e n e n Gegend, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kantone, Gemeinden und Privaten sowie Art u n d U m f a n g des Schadens b e r ü c k s i c h t i g e n .

Diese Massnahme würde sich für den Kanton Tessin zwar erübrigen, da ihm auf Grund der Bundesratsbeschlüsse über die Eivendicazioni ticinesi bereits seit längerer Zeit
entsprechende · Konzessionen mit Wiederherstellung der gesetzlichen Beitragsmaxima gemacht wurden (BEB vom 27. Oktober 1925 und vom 19. Juni 1942). Mit Bundesratsbeschluss vom 28. März 1949 wurde das gleiche Entgegenkommen den tessinähnlichen Südtälern Graubündens gewährt. Es werden aber heute die andern Teile Graubündens nicht besser gestellt als die übrige Schweiz. Die Gewährung der anbegehrten Höchstbeiträge sollte aber auch für sie ermöglicht werden, soweit sie durch das Unwetter geschädigt sind. Dafür ist die Wiederherstellung der gesetzlichen Ansätze erforderlich.

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Darüber hinaus erachten die Eegierungen von Graubünden und Tessili für die Unwetterfolgen vom August 1951 zusätzliche Bundesbeiträge von 20-25% an die Wiederherstellung von teuren Bauten als unerlässlich. In der Tat ist dem entsprechenden Begehren, eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen. Es erwies sich ja in der Vergangenheit, dass im Grossteil der betroffenen ', Gebiete (Tessin und Südtäler Graubündens) die abgebauten ordentlichen Beiträge nicht zur Aaslösung einer normalen Melioratiohstätigkeit genügten und dass deshalb die oben erwähnten besondern Konzessionen auf Grund der Tessiner und Bündner Begehren gewährt werden mussten. Heute handelt es sich um die Behebung ausserordentlicher Schäden, was ja nicht eine Vermehrung der Produktionsmöglichkeiten an sich, sondern höchstens die Wiederherstellung der frühern Ausgangslage bringt. Diese Überlegung muss zur Überzeugung führen, dass in gewissen Fällen tatsächlich eine über 50 % hinausgehende Bundesleistung am Platze ist. Immerhin diktiert die gespannte Finanzlage des Bundes bezüglich der Gewährung weitergehender finanzieller Hilfe eine wohlerwogene Zurückhaltung. Wir glauben nicht so weit gehen zu können, dass an gewisse Kategorien von Wiederherstellungsarbeiten zum vorneherein und ohne Einschränkung Beiträge von 70-75 % in Aussicht genommen würden.

Vielmehr vertreten wir die Auffassung, es s o l l t e mit: h ö c h s t e n s 7 0 % s,ein B e w e n d e n h a b e n u n d d e r e n t s p r e c h e n d e Z u s c h l a g v o n höchstens 20%, zum o r d e n t l i c h e n u n a b g e b a u t e n M a x i m u m v o n ,50% s e i n u r a u s s e r o r d e n t l i c h e r w e i s e b e i m V o r l i e g e n b e s o n d e r e r V e r h ä l t n i s s e zu g e w ä h r e n . Als Begründung dürften z. B. besonders schlechte Finanzlage der Interessenten, sehr teure Bauten oder der Umstand anerkannt werden, dass es sich um verhältnismässig junge und nunmehr beschädigte oder zerstörte Anlagen handelt. Die Verhältnisse sollten von Fall zu Fall geprüft und ein variabler Zuschlag zum ordentlichen Maximum jeweils nach Abwägung aller zweckdienlichen Faktoren gewährt werden. Die Kompetenz dafür wäre 'dern Bundesrat in einem besondern Artikel des Ihnen iîn Entwurfe unterbreiteten Bundesbeschlusses zu erteilen, dies wiederum nicht nur für die Unwetterfolgen des Jahres 1951,
sondern bei Bedarf auch für Meliorationsarbeiten in direkter oder indirekter Abhängigkeit von allfälligen künftigen Naturkatastrophen.

' KI. Anpassungen der Subventionspraxis an die besondem Verhältnisse von Wiederherstellungsarbeiten nach Naturkatastrophen , a. Subtentionierbare Arbeiten Die Subventionspraxis auf dem Gebiete des Meliorationswesens, die auf wenigen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 22. Dezember 1893 betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund (Landwirtschaftsgesetz) beruht, umfasst heute schon die Wiederinstandstellung von Kulturland und kulturtechnischen Anlagen nach Naturkatastrophen. In dieser Richtung sind also keine neuen Anordnungen notwendig.

42 Hingegen zeigen gerade die neusten Unwetterkatastrophen, dass bei der Wiederherstellung von Strassen formell eine Lücke besteht. Bei dem mit Bundeshilfe auszubauenden Hauptstrassennetz (inkl. Alpenstrassen) ist die Subventionierungsmöglichkeit gegeben. Es folgen die Kantons- und Ortsverbindungsstrassen, an deren Bau sich der Bund finanziell nicht beteiligt und wo deshalb auch eine direkte Unterstützung der Behebung von Katastrophenschäden nicht gegeben ist; die Kantone werden sich dort mit der indirekten Bundeshilfe begnügen müssen, welche ihnen in Form des Benzinzollanteils zufliesst.

Eine umfangreiche Kategorie von Verkehrswegen, hauptsächlich in den Naturkatastrophen besonders ausgesetzten Gebirgsgegenden, hat hingegen den Charakter von Meliorationswerken, seien sie nun effektiv aus Meliorationskrediten subventioniert worden oder nicht. Landwirtschaftliche Güterwege und -strassen bilden seit jeher Gegenstand der Subventionspraxis des Meliorationswesens,, werden sie nun als isolierte Werke oder als Bestandteile umr fassender Güterzusammenlegungen erstellt. Seit dem Jahre 1926 unterstützt der Bund aus Bodenverbesserungskrediten auch den Bau von Verkehrswegen, die der Erschliessung schwer zugänglicher Gebirgstäler oder der Verbindung von Bergdörfern und -gemeinden unter sich und mit dem Tale dienen.

Es lässt sich unseres Erachtens bei der Behebung von Katastrophen; schaden rechtfertigen, bezüglich der subventionierbaren Verkehrswege einen weitherzigen Maßstab anzulegen. Wird zum Beispiel eine Gebirgsstrasse zerstört, deren Bau nach heute gültiger Praxis beitragsberechtigt wäre, so soll es auch ihre Wiederinstandstellung nach einer grösseren Katastrophe selbst dann sein, wenn das Objekt vor Einführung der heutigen Unterstützungsgrundsätze erstellt worden ist. Der Bundesrat glaubt, mit diesem Entgegenkommen eine materielle Entlastung insbesondere für die Gebirgsbevölkerung schaffen zu können, die deren Existenzkampf erleichtern wird.

b. Reduktion der kantonalen Beitragsleistung Artikel 9, Absatz b, des Landwirtschaftsgesetzes bestimmt, der Beitrag des Kantons oder der Gemeinde oder der Korporation müsse in der Kegel mindestens ebenso hoch sein als jener des Bundes. Die Praxis legte diese Bestimmung so aus, dass für die Auslösung eines Bundesbeitrages eine .mindestens ebenso hohe kantonale
Gegenleistung vorausgesetzt wurde. Leistungen von Gemeinden wurden ganz oder teilweise auf den Kantonsbeitrag angerechnet.

Unsere Ausführungen in Kapitel II oben, die meist bedrängte Finanzlage der den Naturkatastrophen besonders ausgesetzten Kantone (in der Eegel Gebirgskantone) sowie die jeweils vielseitigen und gehäuften Schäden drängen uns die Überzeugung auf, dass für Wiederherstellungs- und Folgearbeiten vom Grundsatz des ebenso hohen kantonalen Beitrages in weitgehendem Masse abgegangen werden muss, ausgenommen natürlich bei Katastrophen in finanziell konsolidierten Gegenden. Im Wirkungsgebiet der Bundesratsbeschlüsse über

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die Rivendicazioni ticinesi ist dieses Problem bereits teilweise gelöst. Heute inuss 'es für die besondern Verhältnisse nach Unwetterkatastrophen umfassender geregelt werden.

Wir sehen den am besten gangbaren Weg in der Anwendung des zweiten Satzes von Artikel 9, b, des Landwirtschaftsgesetzes, wonach ausnahmsweise an Genossenschaften und Korporationen im Falle des Bedürfnisses und bei richtiger Durchführung ein Bundesbeitrag bis auf 50% der wirklichen Kosten auch für solche Unternehmungen ausgerichtet werden kann, welche keine oder nur eine geringere Unterstützung von Seiten des Kantons oder der Gemeinde erhalten. Man hat bei der Schaffung des Landwirtschaftsgesetzes von 1893 mit guten Gründen als allgemeine Eegel die Voraussetzung des gleich hohen Kantonsbeitrages angenommen, und auch im neuen Bundesgesetz über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes wird als Bichtlinie dieser Modus vorgesehen. Dem immer wieder 'erhobenen Einwand, dieser Grundsatz führe we^en der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten der Gebirgskantone zu einer Schlechterstellung gerade der Bergbauern, kann nun. nach dem weiter oben zitierten Gesetzestext ausnahmsweise Eechnung getragen: werden.

Das Vorliegen von Ausnahmeverhältnissen beim Eintritt umfangreicher Naturkatastrophen wird nicht bestritten werden können.

Der Bundesrat nimmt deshalb wie schon für die Lawinenfolgen des Winters 1950/51 in Aussicht, inskünftig jenen Kantonen Konzessionen hinsichtlich ihrer Gegenleistungen zu machen, welche im Nachgang zu einer Naturkatastrophe eines solchen Entgegenkommens bedürfen. Die Höhe der Kantonsbeiträge wird von Fall; zu Fall zu prüfen sein, wobei ausser dem Schadenumfange auch die kantonale Finanzlage eine ausschlaggebende Eolle wird spielen müssen..

c: Spezialreydung betreffend die kantonale Beitragsleistung auch bei 'privaten Bauvorhaben Der Gesetzestext, der den gegenüber finanzschwachen Kantonen gemäss Abschnitt b oben zu gewährenden Konzessionen zugrundeliegt, sieht dieses Entgegenkommen wörtlich nur für Genossenschaften und Korporationen vor.

Diese Einschränkung müsste sich in Einzelfällen von privaten Arbeiten so auswirken, dass ein den gegebenenfalls vorliegenden Verhältnissen entsprechender, reduzierter Kantonsbeitrag ganz automatisch auch eine Senkung des Bundesbeitrages nach sich
zöge. Das könnte zu ungerechtfertigten Härten, führen.

Der Bundesrat hat sich mit diesem Problem schon im Jahre 1919 befasst.

Es schien ihm damals möglich, eine Ausnahme zugunsten Privater grundsätzlich zu gewähren, ohne dass dem Gesetze Zwang angetan wird. Er erklärte sich mit Beschluss vom 22. September 1919 damit einverstanden, in Zukunft ausnahmsweise und in begründeten Fällen auch bei privaten Boden-''.und Alpverbesserungen den Bundesbeitrag höher als jenen des Kantons, oder der Gemeinde oder der Korporation anzusetzen. Darüber ist in dem von den eidgenös-

44 sischen1 Räten genehmigten Bericht des Bundesrates über die Geschäftsführung im Jahre 1919 Rechenschaft abgelegt. Da natürlich finanzielle Schwierigkeiten der betroffenen Kantone sich auch auf die Subventionierung privater Wieder-.

herstellungsarbeiten etc. auswirken müssten, erachten wir es als gegeben, die skizzierte.Ausnahmebehandlung auf Unternehmen dieses Charakters auszudehnen.

IV. Auswirkungen auf den Bodenverbesserungskredit des Bnndes In,den letzten Jahren und auch für das abgelaufene Jahr wurden durch die Bäte ausser den speziellen Posten für die ausserordentlichen Unternehmen des kriegsbedingten Meliorationsprogrammes und die Meliorationen von Linthund Rheinebene für die Unterstützung der Bodenverbesserungen bewilligt: 3,5 Millionen Franken für die eigentlichen Bodenverbesserungen (Güterzusammenlegungen, Ent- und Bewässerungen, Strassen und Wege etc.); 2,5 Millionen Franken für die, landwirtschaftlichen Hochbauten (Siedelungen, Alpgebäude, Dienstbotenwohnungen, Stallsanierungen etc.).

Wie sich künftige Katastrophen finanziell auswirken, kann aus naheliegenden Gründen nicht dargelegt werden. Wir nehmen in Aussicht, die jeweils nötigen zusätzlichen Mittel auf dem Budgetwege anzufordern, je nach Dringlichkeit der zu finanzierenden Massnahmen allenfalls auch als Nachtragskredite.

Zurzeit stellt sich das Problem der Finanzierung erst für die .Wiedergutmachung der Unwef terschäden vom August 1951. Dafür liegen naturgemäss bisher nur grobe Schätzungen vor. Auch die im Einzelfall in Aussicht zu nehmenden Beitragshöhen können heute noch nicht abschliessend festgelegt werden.

Immerhin darf heute gesagt werden, dass mit einem ungefähren zusätzlichen Kreditbedarf in der Grössenordnung von 2 Millionen F r a n k e n z u rechnen sein wird. Man könnte sich fragen, ob dieser Betrag nicht zweckmässjgerweise als besonderer Kredit zur Verfügung des Bundesrates gestellt werden sollte.

Im Hinblick auf die heute noch vorliegenden Unsicherheiten sowie auf die bis; Ende 1954 befristete Finanzordnung möchten wir indessen davon absehen.

Wir werden den aus den tatsächlichen Schäden und dem zeitlichen Ablauf der Arbeiten sich ergebenden Kreditbedarf während der nächsten zehn Jahre jeweils in die Voranschläge einstellen.

Um die grundsätzlich erwünschte zeitliche Begrenzung derartiger ausserordentlicher
Aktionen zu erreichen, erscheint zum vorneherein eine jeweilige Fristsetzung für die Subventionierungen und die Auszahlungen am Platze.

Wir nehmen dafür bei den Unwetterschäden vom August 1951 8 respektive 10 Jahre in Aussicht. Wenn einerseits vermieden werden muss, dass sich die Aktion ungebührlich in die Länge zieht, so soll anderseits im Hinblick auf die lokale Häufung der Schäden und auf die für deren Behebung erforderlichen Mittel doch ein gewisses Minimum gewährt werden.

Die zu ergreifenden Massnahmen sind bei der Wiedergutmachung von Katastrophenfolgen zu einem guten Teil dringlicher Natur; es kann mit den Arbeiten

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vielfach nicht .zugewartet werden, bis die Subventionierungsgrundsätze in den Details festgelegt und genehmigt sind. Deshalb wurden schon für die Behebung der Unwetterfolgen vom August 1951 überall da vorzeitige Baubewilligungen gewährt, wo dies die Lage erforderte. Durch diese Bewilligungen wird aber den späteren Beschlüssen der Bundesbehörde über die Genehmigung der Projekte sowie über die, Ausrichtung von Bundesbeiträgen in keiner Weise vorgegriffen.

Es entspricht aber einem Akt der Gerechtigkeit, die dringenden Fälle nicht schlechter zu stellen als jene, die erst nach Inkrafttreten des Urnen zur Genehmigung unterbreiteten Beschlussesentwurfes zur Behandlung gelangen.

Wir werden deshalb deren Subventionierung vorläufig zurückstellen und dann auf der gleichen Basis durchführen wie für- später baureif werdende Objekte.

Das gleiche Vorgehen musste auch schon bei den Massnahmen zur Behebung der. Schnee- und Lawinenschäden des vergangenen Winters eingeschlagen werden. Es zwingt dazu, die dringlichen Arbeiten zu beginnen und unter Umständen, weitgehend fertigzustellen, bevor deren Finanzierung sichergestellt ist.

Gerade diese Unsicherheit ist für die geschädigte Bevölkerung besonders drückend, sie wird vielfach gezwimgenermassen zum Aiifschub der Wiederinstandstellungsarbeiten, zur Vergrösserung der Schäden und der Kosten für deren Behebung führen, Wir erlauben uns daher, Ihnen den beigefügten Beschhissesentwurf über eine grundsätzliche Bereitstellung der Bundeshilfe für die durch Naturkatastrophen bedingten Meliorationen zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

Wir benützen diesen Anlass, um Sie, Herr Präsident und sehr geehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 8. Januar 1952.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Kobelt Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Bundesbeiträge an die durch Naturkatastrophen bedingten Meliorationen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung von Artikel 23 der Bundesverfassung, in Anwendung von Artikel l, Absatz 4, sowie von Artikel 3, Absatz 2, der bis 1954 verlängerten Pinanzordnung (Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1938), .

.

nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 8. Januar 1952, beschliesst:

Art. l Der Bundesrat wird in Abänderung von Artikel l, Absatz l, der bis 31. Dezember 1954 verlängerten Finanzordnung 1939-1941 (Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1938) ermächtigt, Bundesbeiträge im nicht abgebauten Eahmen gemäss Bundesgesetz vom 22. Dezember 1893 betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund an alle mit grösseren Naturkatastrophen zusammenhängenden Meliorationen zu gewähren.

Art. 2 Der Bundesrat ist ermächtigt, ausnahmsweise ausserordentliche Zusatzbeiträge bis zu 20 Prozent an die zur Behebung der Folgen von Naturkatastrophen notwendigen Meliorationen in jenen Fällen zu gewähren, in denen auch bei angemessener Unterstützung durch Kantone und allenfalls Gemeinden die gesetzlichen Höchstbeiträge .zur Finanzierung der erforderlichen Arbeiten nicht ausreichen.

Art. 3 Dieser Beschluss ist gemäss Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug des Beschlusses beauftragt; er bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Bundesbeiträge an die durch Naturkatastrophen bedingten Meliorationen (Vom 8. Januar 1952)

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