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Bundesblatt 104. Jahrgang

Bern, den 12. Juni 1952

Band II

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Happen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an _ Stämpfli & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 42, 43 und 60 der Verfassung des Kantons Solothurn (Vom 4. Juni 1952) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die Stimmberechtigten des Kantons Solothurn haben in der kantonalen Volksabstimmung vom 20. April 1952 die vom Kantonsrat am 28. Januar 1952 beschlossene Eevision der Artikel 42 und 43 der Kantonsverfassung mit 15 681 Ja gegen 8 019 Nein und die am 19. Februar 1952 beschlossene Eevision des Artikels 60 der Kantonsverfassung mit 14 856 Ja gegen 9 684 Nein angenommen.

Dieses Ergebnis ist vomRegierungsratt am 22. April 1952 erwahrt und im kantonalen Amtsblatt vom 25. April 1952 veröffentlicht worden. Mit Schreiben vom 12. Mai 1952 ersucht er um Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen der Artikel 42, 43 und 60 der Kantonsverfassung lauten: Bisheriger Text Art. 42 Ein Obergericht, mit Einschluss dos Präsidenten aus höchstens sieben Mitgliedern bestehend, ist die oberste kantonale Gerichtsbehörde in Zivilsachen.

Dasselbe hat drei Ersatzmänner.

Das Obergericht muss zur Fällung eines gültigen Urteils, gesetzliche Ausnahmefälle vorbehalten, vollzählig sein, Bundesblatt. 104. Jahrg. Bd. II.

Neuer Text Art. 42 Ein Obergericht, mit Einschluss des Präsidenten aus sieben Mitgliedern bestehend, ist die oberste kantonale Gerichtsbehörde in Zivil- und Straf Sachen. Es hat drei Ersatzmänner.

Die Besetzung des Gerichtes bei der Behandlung der einzelnen Geschäfte wird durch das Gesetz bestimmt.

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286, Bisheriger Text

Neuer Text

Dasselbe übt die Oberaufsicht über die gesamte Eechtspflege und die Amtsschreibereien aus und hat alljährlich dem Kantonsrat über die Justizpflege und die Geschäftsführung der Amtsschreibereien Bericht zu erstatten.

Das Obergericht übt die Oberaufsicht über die gesamte Rechtspflege und die Amtsschreibereien aus und hat alljährlich dem Kantonsrat über die Justizpflege und die Geschäftsführung der Amtsschroibereien Bericht zu erstatten.

Art. 48 Für jede Amtei wird als erstinstanzliche Gerichtsbehörde ein Amtsgericht aufgestellt, bestehend aus einem Präsidenten und vier Mitgliedern. Demselben werden vier Ersatzmänner bei-

Art. 43

Art. 60 Die Stimm- und Wahlberechtigung in den Gemeinden wird durch die Gesetzgebung bestimmt.

Für jede Amtei wird als erstinstanzliche Gerichtsbehörde ein Amtsgericht aufgestellt, bestehend aus einem Präsidenten und vier Mitgliedern. Dem Gericht werden ein Gerichtsstatthalter und vier Ersatzmänner beigegeben.

Der Kantonsrat kann für Amteien, in denen sich infolge der Geschäftslast die Notwendigkeit hiezu ergibt, beschliessen, dass zwei Amtsgerichtspräsidenten, zwei Amtsgerichtsstatthalter, acht Amtsrichter und zwei Gerichtsschreiber zu wählen sind. Die Organisation der beiden Abteilungen, insbesondere die Verteilung der Geschäftslast, erfolgt durch ein Reglement des Obergerichtes.

Der Regierungsrat kann, wenn besondere Verhältnisse es erfordern, befristet einen ausserordentlichen Gerichtsstatthalter ernennen.

Art. 60 Die Stimm- und Wahlberechtigung in den Gemeinden wird durch die Gesetzgebung bestimmt.

Durch die Gesetzgebung kann 20 Jahre alten Schweizerbürgerinnen, die im Gemeindegebiet Niederlassung oder Aufenthalt haben, die Stimm- und Wahlberechtigung im Kirchenwesen erteilt werden.

287 Neuer Text Die verfassungamässigen Einschränkungen und Ausschliessungsgründe gelten auch für die Frauen.

Frauen, die durch die Ehe Schweizerbürgerinnen werden und die nicht in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, können die Stimmund Wahlberechtigung erst fünf Jahre nach Abschluss der Ehe erhalten.

Die Eevision des Artikels 42 der Kantonsverfassung verfolgt den Zweck, eine angemessene Entlastung des Obergerichtes herbeizuführen. Im Gegensatz zur bisherigen Eegelung ist als Voraussetzung der Gültigkeit eines Urteils der Grundsatz der Vollzähligkeit des Gerichtes in der Verfassung nicht mehr vorgesehen. Es wird der Gesetzgebung überlassen zu bestimmen, in welcher Besetzung das Obergericht die Geschäfte zu behandeln hat (Quorum).

Die Eevision des Artikels 48 der Kantonsverfassung dient der Bationalisierung der Eechtspflege bei den erstinstanzlichen Gerichten. Sie ermöglicht zur Hauptsache die doppelte Besetzung der Amtsgerichte bestimmter Amteien.

Es handelt sich bei diesen beiden Verfassungsartikeln um Fragen der kantonalen Gerichtsorganisation, die das Bundesrecht nicht berühren.

Artikel 60 der Kantonsverfassung sieht neu die Möglichkeit vor, durch die Gesetzgebung die aktive und passive Stimm- und Wahlberechtigung der Schweizerbürgerinnen in kirchlichen Angelegenheiten einzuführen. Das Bundesrecht steht grundsätzlich einer, solchen Eegelung nicht entgegen. Ein vierter Absatz enthält den Vorbehalt, dass Frauen, die durch die Ehe Schweizerbürgerinnen werden und die nicht in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, die Stimmund Wahlberechtigung erst 5 Jahre nach Abschluss der Ehe erhalten. Diese Bestimmung wird damit begründet, dass für die Frau im Gegensatz zu den Männern die Möglichkeit besteht, durch Eheschluss mit einem Schweizer von einem Tag auf den andern Schweizerin zu werden, selbst wenn sie die Schweiz überhaupt noch nicht kennt, also jede Assimilierung fehlt; die Wartefrist von fünf Jahren soll für diese Fälle einen Ausgleich schaffen. Eine Verletzung der Eechtsgleichheit im Sinne von Artikel 4 der Bundesverfassung kann in dieser Ausnahmebestimmung nicht erblickt werden. Sie ist durch die Besonderheit der tatsächlichen Verhältnisse sachlich gerechtfertigt; Ausländerinnen, die das Schweizerbürgerrecht durch Heirat erwerben, aber in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind,
werden von ihr nicht betroffen.

Die in den Artikeln 42, 43 und 60 der Kantonsverfassung vorgenommenen Änderungen enthalten somit nichts, was dem Bundesrecht zuwiderlaufen würde.

Die Voraussetzungen der Gewährleistung nach Artikel 60 der Bundesverfassung sind erfüllt.

288 Wir beantragen Ihnen deshalb, der vom Regierungsrat des Kantons Solothurn vorgelegten Verfassungsrevision durch Annahme des mitfolgenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. Juni 19S2.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Kobelt Der Bundeskanzler: Ch. Oser

289 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 42, 43 und 60 der Verfassung des Kantons Solothurn

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung des Artikels 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1952, in Erwägung, daas die vorliegenden Verfassungsänderungen nichts enthalten, das dem Bundesrecht widerspricht, beschliesst:

Art. l Der in der Volksabstimmung vom 20. April 1952 beschlossenen Änderung der Artikel 42, 43 und 60 der Verfassung des Kantons Solothurn wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird "mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 42, 43 und 60 der Verfassung des Kantons Solothurn (Vom 4. Juni 1952)

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Jahr

1952

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24

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6266

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

12.06.1952

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285-289

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