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Schweizerisches Bundesblatt.

^l. Jahrgang. l.

Nr. 1^.

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^. Marz 18^.

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des schweiz. Konsuls in Montevideo über die Kolonie Neu-Helvetia, Rosario oriental, Uruguay.

(Vom 20. Dezember 1864.)

Ost und viel ist über diese, Ende 1861 angelegte Kolonie gesprochen worden ; Einige wussten nicht genug zu rühmen, Andere fanden keine a.ute Seite daran. Um daher ein unparteiisches Urtheil fällen zn können, ist vor Allem aus nothwendig, zu prüfen, ob sieh folgende Elemente, welehe bei Anlagen von Kolonien durchaus erforderlich sind, vorfinden .

1.

G e s u n d e s Klima.

Jm ganzen Staate Uruguay und somit auch ans. der SchweizerKolonie herrscht ein äußerst gesundes Klima, was man dem Umstand zuschreibt, dass fast jedesmal nach einem Regen, und von Zeit zu Zeit aneh ausserdem, der bekannte Pampero weht, der die Luft von allen ungesunden Dünsten reinigt.

2.

Fruchtbarer Boden.

Aus dem ganzen Kolonjegebiet, das zirka 2 ^ Quadratmeilen um-

sasst, gibt es so zu sagen kein schlechtes Land, nnd es findet sich fast überall

eine Schicht schwarzer Erde von l -6^ Tiefe vor, welche die mannigfaltigsten Produkte hervorbringt. Weizen, Mais, lohnen, Gemüse gedeihen außerordentlich gut, Kartoffeln sind bis dato zu lveuig gepflanzt worden , als dass man ein entscheidendes Urtheil fällen konnte , einige Versuche fielen gut ans, andere dagegen nicht. Mit der Knltnr von

Bundesblatt. Jahrg. XVII. BD.I.

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240 ^

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Tabak, Baumwolle u. f. w. sind ebenfalls Versuche im kleinen ^em^cht worden, die ein günstiges Resultat lieferten ; nichts desto weniger wird dem Weizen und dem Mais stets die grosste .Aufmerksamkeit gesenkt werden.

3.

Hinreichendes Wasser.

Obgleich man dieses Land in Besehreibungen für ein sehr wasser^ reiches ausgibt, so ist dies doch nicht der Fall, indem viele Flüss.. und Bäche, die im Winter Wasser haben, während des Sommers austroknen.

Die ....^chweizer^olonie wird jedoch auch in dieser Beziehung begünstigt, da sie nicht nnr ans einer Streke von 1 ^ Meilen vom Rosario^ Flüsschen begrenzt, sondern überdies von mehrern grossern (^.nadas durchkreuzt wird, von denen einige Quellen haben, die nie versieget. .^uch werden aus der Kolonie überall Brunnen gegraben, und man erhält durch dieselben je nach der Lage aus 4 , jedoch mitunter erst auf 15 Meter .^tes Trinkwafser.

4. H^ Dieser Paragraph lautet zu Ungnnsten der Kolonie , indem sieh wirkliehe Wälder nicht vorfinden. selbst in dem aus beiden Seiten des Rosario steh hinziehenden Wäldchen sieht man selten einen geraden Stamm, was ein grosser Uebelstand ist ; denn wo der ^olo..ist genug Bauholz hat , da kann er sieh billige Wohnung , Handwerkzeug u. s. w. ver..

schassen. Zwar haben holzreiche Gegenden auch ihre Rachtheile , denn sie bedingen zehnfache Arbeit bei Urbarmachung des Bodens, abgesehen davon, dass in der Räh.. grosser Wälder ungesunde Lust ist, die ost Fieber zur Folge hat. Aus Mangel an Holz ist daher der .Kolonist ans ^eu^ Helvetia genothigt, seine Wohnung je nach den Mitteln aus Ziegeln oder aus Rasenstüken zu errichten, welch. leztere Bauart eben so billig ^u stehen kommt als Holz.

Brennmaterial dagegen ist genügend vorhanden.

5.

Stellen sieh keine periodisch w i e d e r k e h r e n d e .....and^ plagen ein.^

Trokene Jahre wiederholen steh in diesem Lande osters, ohn^ dass sie jedoch speziell der Landwirtschaft grossen Sehaden ^sügen, da sie meistens erst im Sommer eintreten, wo sowohl Weisen als Mais schon gesäet find, und wo einmal der ^ame im Boden ist, da keimt er aus ; nur wird die Frucht leichter als es sonst d.^r ^.all gewesen wäre.

Heuschrekensehwärme können sieh gelegentlieh aueh einstellen. doeh kommt dies sehr selten und bei weitem nicht so häufig vor, als auf den Kolonien von Sta. Fé.

241 6. . K o m m u n i k a t i o n e n .

Kein Kapitel ist so wichtig als dieses, und es ist ein Frevel ...n der Menschheit, Kolonien da anzulegen, wo man niemals Aussicht hat, eine leichte Kommunikation herzustellen.

Die Lage der Kolonie ist günstig gewählt, da sie nnr 4 Stunden vom Laklata und am Ufer des von der Mündung noch fast vier Stn..den ins Jnnere schiffbaren Rosario liegt. Tro^dem ist die Kommunikation nicht so leicht , wie es der Fall fein könnte , indem .die Mündung des Rosario in den Laklata theilweise durch Felsen und Sand gesperrt ist, so dass grossere Küste..sahrzeuge nur bei hohem Wasserstand einzulaufen im Stande sind. Dieser Jnkonvenien., könnte indessen leicht abgeholfen werden, und wenn das Hinder..iss einmal entfernt ist, so wird eine regelmassige Dampfschiffahrt nach Montevideo und Vuenos-A^res nicht ausbleiben , welche den Kolonisten die Faeilität bieten wird , ihre Vrodukte selbst an Markt zu führen. Die Verbindung mit der Hauptstadt zu Land ist ziemlieh schwierig, da die Strassen mangelhast und noch keine Eisenbahnen vorhanden sind . Personen reisen zu Bserde oder aber, jedoch nur in Friedenszeiten, mit der Bost. die Vesordernng von Waaren, Landesprodukten u. s. w. findet, wo keine Wasserslrasse ist, durch .^chsenear.^ retten statt.

Dagegen ist die Kommunikation ^wischen der Kolonie und der .^auptstadt zu Wasser ziemlich leicht, da kleinere Küstenfahrzeuge die Entfernung bei guuftigem Winde in t..^ Stunden zurul^gen.

.^ind nun sämmtliche 6 Punkte in mehr oder weniger grossem Massstabe aus Reu^Helvetia vorhanden, so srägt es sich je.^t .

t. Wie ist die Direktion besehafsen..

2. Aus welchen Elementen sind die Kolonisten zusammenlese^ Die Gründung einer Kolonie mit Leuten , welche grösstentheils von der Landwirthsehast nichts verstanden oder zu saul ^ur Arbeit waren. ist eine undankbare Arbeit, und die Leitung einer aus den verschiedenartigsten Elementen .,nsamme..g...sezten ^evolkernng ist gewiss keine leichte Sache.

Die ^u bekämpfenden Schwierigkeiten bei Anlage der .SchweizerKolonie waren gleich von Ansang an sehr gross. Vorerst herrschte eine ^iemlieh starke Trokenheit, welche das Bebauen d...s Landes sehr mühsam ma..hte, dann kam fremdes Vieh aus das bebaute Land und richtete Schaden an. ^nm Verstandniss dieses leztern Umstaudes ist nothig anzuführen , dass es hier zweierlei Lan.^ gibt , t.^r.^o de p.^storeo , ^. h.

solches, wo Riemaud verpflichtet ist, sein Vieh zu hüten, nnd arreno de chacra, d. h. solches, wo dasselbe stets unter Aufsicht und des Nachts eingesperrt sein mnss. Desshalb war eine der ersten Borgen des Gründers, das Koloniegebiet in die ledere Kategorie stellen zu lassen.

Jn den ersten Monaten, wo nicht gepflügt werden konnte, war es

242 Volita des Direktors, sich die Nachbarn, d. h. die umliegenden E^.ncieros, nicht unterweise ^um Feinde zu machen . man liess daher die Tan..

,iende, aus der Kolonie weidenden Stüke fremden Viehes unbelastigt . sobald aber gepflügt uud gefäet wnrde, musste dieses Vieh vertrieben werden, was unendliche Mühe verursachte, da dasselbe an den Weideplaz gewohnt war nnd stets wieder znrükkehrte. Abgesehen von dem Vorstehenden.

hatte die Direktion den Kolonisten, die mit Sprache, Verhältnissen n. s. ......

nicht vertraut waren, überall an die Hand ^. gehen; sie mnsste überall Bescheid wissen un.^ überall gegenwärtig sein.

Was nun die Elemente anbetrifft, aus denen die Kolonisten zusam^ mengesezt sind , so war ein Ha..ptübelstand der , dass der Unternehmer anfangs nnr wenige wirkliche Bauern sandte, und es meistens Uhrenmaeher oder sonst Leute waren, die niemals einen Bflng in der Hand gehabt hatten , nach nnd nach kamen jedoch viele tüchtige Bauern, und allmählig konnten sich auch, mit wenigen Ausnahmen, jene hineinarbeiten.

Bei der Gründung der Kolonie bestand der grosste Theil der ersten Familien, welche vom Unternehmer von Basel geschitt wurden, aus ärmern Beuten, die nieht einmal im Stande waren, die Reise von hier nach der Kolonie .,u bezahlen , diese mnssten dann ein halbes Jahr beschästigu..gs^ los leben, da sie sieh n^cht gleich anf die ^elder hinstellen und ernten konnten, und es war ihnen unmöglich, ohne Wohnung, ohne Lebensmittel, ohne Vieh u. f. w. zu er^iftiren. Die Direktion war also ge^ nöthigt, um diese Lente nicht verhungern zu lassen , ihnen obige Sachen aus Kredit zu geben, nnd da anch später noch viele Mittellose von Basel aus naehgeschikt wurden, so ist es begreiflich, dass diese Vorschüsse eine hohe Summe ausmachen.

Wohl der grosste Uebelstand war aber, dass die Kolonisten von da..

heim an eine zu gute Lebensart gewohnt waren. Es gab Viele, die, als sie sahen , dass ihnen die Direktion für die notwendigen Bedürsnisse entgegenkam, Missbrauch. davon machten, sich Aachen geben liessen, welche nicht nothig waren, und dass sich in Folge dessen Schulden ans ....Schulden, Zinsen aus Zinsen häuften, jedoch keineswegs in dem Masse, dass nicht sichere Aussicht vorhanden ist, dass die Kolonisten bei anhaltendem ^.leiss in einigen Jahren dieselben abbezahlen konnen. Die Direktion hat aller-

dings darin gefehlt, dass sie da^ Kreditgeben nicht besser überwachte . allein erstens war es unmöglich , die von den Kolonisten ausgesprochenen Bedürfnisse stets ^n überwachen, und dann hatte sie .^ustrag, anfangs nicht all.^ustreng zu sein , damit die Kolonisten schone Briese nach Hause schrieben, um ihre Verwandten und Bekannten nachzuziehen.

Ein fernerer Uebelstand waren aueh die vom Unternehmer verossentliehteu Broschüren, welche, indem sie die ^aehe in ein ^.. gutes Licht stellten, Viele veranlassen, nach der Kolonie zu gehen, die glanbten, in kurzer ^eit ohne grosse Mühe ein fchones Gut zn erwerben. Diese sanden sich dann aber unangenehm überrascht, als sie ein Leben voll strenger Arbeit vor stch sahen,

243 obschon ihnen diese Arbeit einen guten Erfolg gesichert hätte ; den guten Erfolg mochten sie wohl haben, aber ohne Mühe. Daher kam es, dass sie sich über die Kolonie nachteilig äusserten, ihre Ansichten verofsentlichten und anstatt die Sachlage vom allgemeinen Standpunkte aus zu be.^ sprechen, thaten sie es bloss von ihrem eigenen. Leider ist man nur zu gerne geneigt, schlimmen Berichten Glauben zu schenken , ohne der Ursaehe derselben Rechnung zu tragen ; allein wie oft hatten solche Berichte ihren Grund darin , dass die Direktion Kolonisten , die nicht arbeiten wollten und daher deren Guthaben gefährdeten, den Kredit verweigerte, oder dass liederliche Subjekte ausgewiesen wurden.

Als nach und nach die Bevölkerung der Kolonie zunahm , regte die Direktion die Bildung einer Eiuwohnergemeinde an, woraus die Kolo^ nisten in allgemeiner Versammlung einen Gemeinderath von 7 Mitgliedern mit dem Direktor als Präsidenten wählten.

Dieser Rath erliess dann ein Gemeindereglement, das von den Kolonisten angenommen wurde; nach und nach. je nachdem sich das Bedürsniss fühlbar machte , wurden Zusäze gemacht ; es wurde z. B. ein Reglement erlassen gegen das Zusammenleben von Bersonen beiderlei Geschlechts, die nicht mit einander getraut waren . diesem abzuhelsen, oder vielmehr um kein boses Beispiel zu haben, wurde eine Art von Zivilehe eingeführt und vom Gemeinderath solche, die sich als noch nicht verheirathet ausweisen konnten, getraut.

ferner wurden Reglemente erlassen über militärische Organisation der Kolonisten, über Schüzen.vesen und über Wachtdienst u. s. ...... ; lezteres erst, als die Raehbarn aus Raehe gegen das Vertreiben ihres Viehs gedroht hatten, zur Erntezeit die Felder in Brand zu steken und die ganze Kolonie zn verbrennen.

Mit einem Wort. es wurde von der e r s t e n Direktion von Ansang an alles Mogliehe gethan, um der Kolonie einen guten Erfolg zu sichern ; dass es nun aber damit nicht so schnell geht, als wünschenswerth wäre, liegt hauptsächlich am Mangel einer energischen Direktion ; denn nachdem der Gründer und erste Direktor die Direktion niedergelegt hatte , ging dieselbe aus dessen drei Gehülfen über, welche jeder in seinem Fache ganz tüchtige Männer waren, aber zur Leitung einer Kolonie nicht die nothige Erfahrung und Energie besessen. Hiezu kam der Umstand, dass diese drei
Direktoren den Jnstruktionen des Unternehmers in Basel nachkommen sollten, welehe, da dieser mit den hiesigen Verhältnissen nicht vertraut und Alles nach europäischem Massstabe messend, sehr oft Uneinigkeit unter ihnen hervorriesen , die dem Unternehmen nicht zum Vortheil gereichten und eine starke, e i n i g e Direktion zur Unmöglichkeit machten. Ein fernerer Grund, dass die Kolonie nicht so schnell vorwärts kommt, ist der im lezten Sommer durch fremdes Vi.^.h verursachte furchtbare Schaden.

Der Boden war nämlich durch die Sonne in ^olge der grossen Trokenheit hart gebrannt ; kein Gräschen n..ar zu sehen und da das Vieh kein Futer mehr fand, so lief es heerdenweise von den Estancias weg ; eine grosso

244 Anzahl ging zu Grunde ; aber leider gelangten viele tausend Stüke, 20, 30 Meilen weit herkommend, ans die Kolonie, wo troz der Trokenheit die Felder zn schonen Hoffnungen berechtigten und troz aller Anstrengungen von Seite der Kolonisten , tro^ Verjagen , Riedersehiessen , Wachen Ta^ und Raeht konnten sie es doch nicht verhindern. dass die lernte zerstort und dadurch die schonen Erwartungen zn nichte wurden.

Dass es einer umsichtigen Direktion moglieh gewesen wäre, die ge.^ eigneten Massregeln zu senden und solche mit Vereinigung sämmtlicher Kräfte durehznsühren und dadurch einen Theil der Ernte zu retten, s.heint mehr als wahrscheinlich zu sein.

Unter den politischen Unruhen , welche seit bald zwei Jahren das Land ruiniren - (ein Uebel, das leider in sammtliehen südamerikanischen Republiken , also auch hier , osters vorkommt) --^ hatte die .^ehweizer^ kolonie bis jezt verhältnissmässig nicht viel zu leiden , und wenn eine energische Direktion vorhanden gewesen wäre, welche die Neutralität d.^s Koloniegebiets aufrecht zu erhalten gewnsst hätte , so würde es sich auch nicht ereignet haben, dass sich Kolonisten der Revolutionspartei anschlossen, nnd ein Tbeil davon, worunter V i on, mit ihrem Leben büssen mussten.

Es wäre nicht besonders schwierig gewesen, diese Neutralität ausrecht zu erhalten , da die Hiesigen vor der ^hiesskunst und dem Muthe der Ko..

lonisten einen heilsamen Respekt haben.

Der gegenwärtige ^ustan.^ der Kolonie ist viel versprechend : die Felder stehen prachtvoll, und obwohl die Kolonisten Alle sehr arni an Geld sind, so winden sie angesichts der vor der Thlir stehenden Ernte, mit seltener Ausnahme, mit ihrem Loos sehr wohl ^usrieden sein, wenn sie nur rechtsgültig Kanftitel in Händen hätten, welche ihnen den ..^esi... des innehabenden Landes sicherten. Bei Handverkäufen von ^eite der Direk..

tion wurde nämlich jedem Kolonisten, ob er Alles bezahlte, oder nur einen Theil, oder gar nichts, ein , je nach ...^praehe des Känsers deutsch oder fran^osiseh ans Stempel geschriebener Titel eingehändigt, der an und für sich ganz recht war, da der Unternehmer das Land bezahlt hatte und somit in dieser Hinsicht eigentlich nichts zu befürchten war. Allein um vor den .Landesge^.zen Gültigkeit ..n haben , muss ein Verkauf von einem ^otar ausgestellt sein , was bedeutende Auslagen
verursacht , und da die Ko^ lonisteu nicht über grosse Mittel ..u verfügen haben, so waren sie mit den..

ihnen von der Direktion gegebenen Dokumente zufrieden. Uni aber doch die Kolonisten gegen alle Eventualitäten sicher ^u stellen, lhat die Direk.

tiou beim Präsidenten der Republik Schritte, um die von ihr ^gestellten Titel rechtskräftig erklären zu lassen. Der Präsident war damit einver.^ standen und legte den Kammern die ...........ehe zur Genehmigung vor , leider aber brachen gerade zu dieser ^eit politische Unruhen au..., so dass dieie Angelegenheit unerledigt blieb und es heute noeh ist. Als dann vor zirka 6 Monaten die Direktion il.^ren Verpflichtungen, den hiesigen Kreditoren gegenüber, nieht niehr nachkommen konnte, so liessen sich diese f... r

245 ein Jahr die Atonie perh^potheziren. Es find nun zwar in dieser H....pothek en bloc diejenigen Kolonisten ausgenommen, welche der Direktion nichts schulden; allein das ga.^e Dokument ist derart gemacht, dass es bei der Mangelhaftigkeit der hiesigen Geseze nicht unmöglich wäre , das.

auch diesen Kolonisten Unannehmlichkeiten bereitet werden konnten.

Da nun seither der Unternehmer sallirt hat und die Kolonie in andere Hände übergehen wird, so liegt es sowohl ini Jnteresse des künftigen Eigentümers als aneh der Kolonisten , dass die Hypothek vor Ablaus derselben gelöfcht ^..erde, da keine Aussicht vorhanden ist, dass die Gläubiger solche verlängern ; und da die Kolonisten der Meinung sind, Ursache zu haben, zu glauben, dass ihnen ihr Besizthum streitig gemacht werden konnte, so haben sie sieh dahin ausgesprochen, der Direktion von der diesjährigen Ernte zur Bezahlung ihrer Schulden nichts abzuliefern, bevor sie rechtsgültige Kaustitel in Händen haben.

Aus dem statistischen Berieht, den der Gemeinderath der Kolonie dem Konsulat eingesandt hat, ergibt si.h eine Bevölkerung von 600 Seelen, die ...m 12. dies angepflanzt hatten :

1459 Jneharten Weizen, 1321 ., Mais, 105^ ,, Bohnen, Tabak, Gemüse.

Die Zai.l des gezähmten Viehs beträgt 1290 Stük und 250 Bferde.

Obgleich der Unternehmer als Fond zu Kirche und Schule 4 Barzelle.. geschenkt hat, so e^stirt doch noch keines von diesen beiden Jnstituten. Jn der ersten Zeit wurden zwar die Kinder von einem ehemaligen Lehrer unterrichtet, was aber jezt nicht mehr der Fall ist. Brotestantischer Gottesdienst fand nur dann statt, wenn der deutsche Bsarrer von Montevideo die Kolonie besuchte ; die Katholiken dagegen gehen in das zirka 3 Meilen entfernte Eolla ; Todte werden aus dem Todtenaker der Kolonie, oder aber in Eolla beerdigt. Die reformirten Kolonisten suhlen den Mangel eines resormirten Geistliehen und Lehrers in hohem Grade ; da sie indessen zu arm sind , um ein Lokal zu bauen und jene ^u besolden, so beabsichtigen si..., sich deshalb an den hohen Bundesrath und ihre resp. Regierungen zu wenden.

Ar^t wohnt seit dem Tode de^ Hrn. Dr. Bürcher (Wallis) keiner aus der Kolonie, und es sind schwer Erkrankte aus den einige Stunden entfernt wohnenden angewiesen , bei leichtern Fällen verabreicht die Direktion die nothigen Arzneimittel aus ihrer Apotheke.

Wenn es sich nun darum handelt, die Frage zu beantworten : .,Jst die Kolonie Reu-Helvetia schweizerischen Auswanderern als Ziel zu empsehlen^ so darf man dreist ,, j a ^ sagen. Weil man jedoch noch nicht weiss, nach welchem System der künstige Eigentümer verfahren wird, so ist die Auswanderung dahin vorläufig nur solchen ..n^urathen , welche ohne Unterstüzung von Seite der Direktion e.^istiren konnen , d. h. entweder solehe, welehe genügende Mittel haben, das Terrain und den Unterhalt

246 bis znr nachsten Ernte baar zn bezahlen, oder aber solchen, die das .^and nur in Vacht nehmen, aber im Stande sind, für ihren Unterhalt selbst zn sorgen , diese konnen dann, sobald sie etwas erspart haben, das innehabende Land kaufen.^ Andern Leuten aber als wirkliehen tüchtigen Bauern oder solchen, die arbeiten können und w o l l e n , ist nicht zu rathen nach der Sehwe^erkolonie zu gehen , denn sie werden niemals prosperiren. Handwerker tonnen je nach Umständen ans ihrem Beruf arbeiten und damit Geld verdienen . sie müssen sieh aber alle darauf gesas.t machen, dass der Fall eintreten kann, wo sie sich ledigli.h mit Landwirtl.sehast beschäftigen müssen. Ein Umstand, der noch ^n Gunsten dieser Kolonie spricht und der für Schweizer besonders wichtig ist, ist der, das. sehwei.^ zerisehe Auswanderer im fremden Lande nicht zu fremden, sondern ^n Landslenten kommen.

Es folgen nun hier noch einige Angaben aus der von.. .^...meinde^.

rath der Kolonie eingesandten und daher mogliehst richtigen Statisti.., ^..m Beweise, was tüchtige Leute zu leisten permogen .

Rr. 80. Familie S c h a s s n e r , Landwirth, langte im .^lngnst l863an, sie besteht aus dem Vater und 9 Kindern, wovon 6 erwachsene.

Diese brachten die nothigen .^lkergeräthe, Kleider u. s. w. mit, ebenso ein Kapital von zirka Fr. 8000, woraus sie 3 Parzellen (à ^r. 1025) kauften. Da der Rest dieses Kapitals nicht hinreichte, um bis ..nr Ernte zu leben, so war sie genothigt, bei der Direktion Kredit zu verlangen,

so dass sie dato zirka 400 Doli. schuldet, was sämmtliche Anslagen ans

zirka Fr. 10,000 bringt. Diese Familie hat nun gesäet.

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40Jnch. Waiden, jede .^Fanegas .^ 180^anegas a 4Doll., Doll. 720

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20 ,, Mais, , , 7 ,, ...^120 ,, .i 2. 40 20 ,, Bohnen .e , mindestens . . . . . . . .

,, 33l..

,, 2ll0 Doll. 12.^

d. h. e i r e a Fr. ....700, wovon, wenn diese Familie noch sremde ^eute zum Reinigen des Getreides bedarf , einige Hundert Franken ab^.

Ziehen sind.

.Rr. 21. Familie Matter, besteht ans Mann, ..^rau, zwei erwach senen Sohne^n und einem kleinen Kinde; sie hat gesäet und erwartet eine Ernte von 18 Juch. Waiden, a 4^..^ ^.anegas .^ 8t Fanegas a 4 Doll., Doll. 324

14 ,, Mais, a 7 3

,,

,,

.-^98

Gemüse, Bohnen ..e., mindestens

,,

^2.40

. . . .

^

235

,,

41

Doll. 600 Reinigungskosten hoehstens

,,

1 00

Doll. 500

247 Diese Familie kam int Angust 1862 und hat eine Schuld von eire...

800 Doll., an der sie wenigstens ^ abzutragen im Stande ist.

R. 73. Familie Engster, besteht ans Mann und Frau; sie kam im September 1862 und hatte vor .Ankunft aus der Kolonie noch keinen Vslug in der Hand gehabt, sie erwartet eine Er.. te von.

16Juch. Waizen, à 4^ Fanegas .^ 72 Fanegas a 4 Doll., Doll. 288

14 ,, Mais, a 7

,,

- ..^

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a 2. 40

,, 235 Doll. 523 Reinignngskosten h.^stens ., 100 Doll. 423 Sie schuldet der Direktion Doli. 420, wovon sie wohl die Halste

abbezahlen kann.

Und so noch viele andere mehr.

^um Schluss erlaubt sieh der Berichterstatter noch Folgendes zu bemerken : Die Kolonisten , welche gegenwärtig aus Reu-Helvetia wohnen , werden mit einigen wenigen Ausnahmen vorwärts kommen und schon in einigen Jahren schuldensrei sein, aber dies nur, wenn 1) die. Kolonie von nun an von einem energischen, mit Sprache und Verhältnissen vertrauten, nach Ausseu und Jnnen wachenden Mann dirigirt wird ; wenn 2) der künstige Besser im Stande ist, den Kolonisten oen bisherigen unerschwinglichen, zwar landesüblichen Zinssuss von 12 bis 15 .^..

auf hoehstens 6 bis 8 .^ herabzusehen, und 3) wenn den. Kolonisten von jeder Ernte so viel überlassen wird, als er braucht, um bis zur nächsten Ernte leben zu konnen.

Die schweizerische gemeinnü^ige Gesellschaft, welche sich mit der schweizerischen Auswanderung beschäftigt , hätte durch Uebernahme der Kolonie Gelegenheit , etwas Grossartiges und ^ehones ...u Stande zn ^ringen ; denn abgesehen von den vielen noch unverkauften Parzellen dehnt sieh , südwärts an die Kolonie anschliessend, ein Landstrich von eire.^ 20 ..^uadratmeilen , der westlich vom Rosario und südlieh vom Laklata ....espühlt wird, und sich ausgezeichnet sur Kolonisation in grosserm Massstabe eignet.

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Bericht des schweiz. Konsuls in Montevideo über die Kolonie Neu-Helvetia, Rosario oriental, Uruguay. (Vom 20. Dezember 1864.)

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1865

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12

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22.03.1865

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239-247

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