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Bericht der

don der Bundesversammlung (vereinigte Räthe) zur Vorberathung des von Baselland angehobenen Kompetenzkonflikts, betreffend die Niederlassung französischer Israeliten, niedergefegten kommission.

(Vom 12. November 1865.)

Tit. l Mittelst schreiben vom 20. Oktober 1865 hat der Tit. Regierungsrath von Baselland als Beaustragter des dortigen Landraths bei der Bundesversammlung einen Kompetenzkonflikt angehoben mit dem Gesuch: ,,Das J n k r a f t t r e t e n des R i e d e r l a s s u n g s v e r t r a g s mit Frankreich s o l a n g e z u s u s p e n d i r e n , b i s d i e B u n d e s v e r f a s s u n g unddie k a n t o n a l e V e r f a s s u n g von Vaselland dahin a b g e ä n d e r t s e i e n , dass aueh den s c h w e i z e r i s c h e n Jsraeliten die f r e i e Niederlassung im Umfang der E i d g e n o s s e n s c h a f t g e w ä h r l e i s t e t sei, resp. den Veschluss des B u n d e s r a t h s vom 15. S e p t e m b e r 1865, w e l c h e r B a s e l l a n d d i e Z u l a s s u n g f r a n z o s i s c h e r J s r a e l i t e n als N i e d e r g e l a s s e n e tm D a n t o n g e b i e t e t , zu annulliren."

Thatsächliches.

Raeh Jnkrasttretung der durch die Räthe der Eidgenossenschaft snb 30. September 1864 genehmigten Verträge mit Frankreich meldeten sich, gestützt anf diefe Verträge, in Baselland einige franzosisehe Jsraeliten zur Niederlassung, welche denselben jedoch, entgegen dem Vertrage durch Sehlussnahme der Regierung und des Landraths verweigert wurde. Der

^6 Bundesrath hob diese Sehlussnahme auf, und setzte Baselland, von der al.lermildesten Auffassung der Sache ausgehend, eine Frist von 14 Tagen zur Anhebung eines Kompetenzkonslikts bei den vereinigten Räthen. Baselland verharrte bei seiner Sehlussnahme, und hat in Folge dessen den vorliegenden Kompetenzkonslikt angehoben, dessen bereits erwähntes Schlussbegehren wesentlich aus das Motiv sich stützt, dass die bestehende BundesVerfassung ^Art: 41^ den Kantonen nur die freie Niederlassung von Schweizern christlicher Religion anserlege, welche Bestimmung auch die bafellandsehastliche Verfassung enthalte und die Juden noch ausdrücklich ausschlösse ; dass Verträge mit dem Anslande sich genau innerhalb dieser Schranken halten müssten und ...ie Räthe der Eidgen ossenschast somit in inkompetenter Weise den Vertrag mit Frankreich abgeschlossen hätten, weicher nach der Meinung des Landrathes von Baselland den Kanton nicht verpflichte.

Was nun das Verfahren in dieser Sache betrifft,

so ist die Kom-

mission der Ansieht, dass die Beschwerde allerdings als Kompetenzkonflikt

zwischen Bundes- und Kantonalbesngnissen im .^inne des Art. 74, Ziff. 17a und Art. 80 der Bundesverfassung vor die vereinigte Bundesversammlung gehort. Rein formell ausgesasst, könnte man allerdings verleitet werden, den Gegenstand nur als eine Beschwerde gegen einen Beschlnss des Bundesraths (Schlussnahme vom 15. September 1865)^), welcher den Landraths....esehluss aufhebt, aufzufassen. allein jener Beschluss ist selbst nur eine Aussührungsmassregel der von den Räthen genehmigten Verträge mit Frankreich, und die Beschwerde geht somit materiell gegen die Schlussnahme beider Räthe , d. h. sie stellt die Rechtsbeständigkeit dieser Vertragsgenehmigung und damit die Bundeskompetenz in Frage.

Was nun den Fond der Sache selbst betrifst. so kann sich die Kommission knrz fafsen. Wir befinden uns Augesiehts von Verträgen, die durch die Bundesbehorden mit einem auswärtigen Rachbarstaat abgeschlossen und auch bereits in V o l l z u g g e s e t z t w o r d e n sind. Alle Kantone der Schweig mit Ausnahme von Baselland allein, welcher indessen die W o h l t h a t e n und V o r t h e i l e dieser Verträge sich auch bereits gefallen lässt und geniesst, haben diese Verträge thatsächlich anerkannt. Man kann, ohne zu hohe Worte zu gebraneheu , erklären, dass selbst die Ehre der Eidgenossenschaft gegenüber dem Auslande dahin verpfändet ist, dass das gegebene Wort in voller Treue gehalten und die Verträge ohne Aufschub vollzogen werden. Das Ausehen der obersten Träger der staatliehen Befugnisse dieses Landes müsste in dem heikelsten Vuukte mit Bezug auf ^as Vertrauen des Auslandes bei Unterhandlungen mit der Schweiz aufs empfindlichste und zum grossen Rachtheil unserer Jnteressen geschwächt werden, wenn sremde Mächte nach Ersüllung aller

^ Siehe ^undesblal... v. .^. 18.^ . Band III, Seite 802.

^7 Formalitäten beim Abschluß internationaler Vertrag gewahr würden, dass gleichwohl auch nachher noch die Erfüllung der eingegangenen^ Vertragspflichten in nnserm Lande ernstliche Beanstandung fände. Bei diesem Stand der Sache muss es desshaib befremden, dass ein Glied der Schweizerfamilie sich nicht vor der Verantwortlichkeit scheut, nachträgliche Anstände zu erheben, und es konnte auch in Frage kommen, ob die Art des Einsehreitens ab Seite des Bundesraths gegen solches Versahren nicht entschlossener hätte ^sein dürfen. Die .kommission will diesen letzten Bunkt indessen aus zwei Gründen nicht weiter erörtern : einmal weil diese Seite der Sache vor die getrennten Räthe gehoren würde, da die vereinigte Bundesversammlung als Konfliktbehor.de lediglieh den Konflikt zu entscheiden hat, und anderseits weil die gute Meinung des Bundesraths nicht zu verkennen ist, dem Landrath von Baselland einen ehrenhasten Rückzug zu gestatten.

Die .^rage der materiellen Bundeskompetenz will die Kommission um so weniger vor diesem Rathe neuerdings einlässlieh erortern , als gerade diese Frage in jüngster Vergangenheit vor Eingehung des in Frage liegenden Vertrags von den vorberathenden Be^orden, dem Bundesrath und den Kommissionen der Räthe in ersehopfendster Weise geprüft und im ........inne der Kompetenz des Bundes beantwortet worden ist. Man lese

darüber die gedruckte Botschaft des Bundesraths vom 15. Juli 1864^), den

Bericht

der

Mehrheit

der

nationalräthlichen

Kommission

vom

26. August 1864 ^.), den Bericht der ständeräthlichen Kommission

vom 2. September 1864^^ nach, welche amtliche Aktenstücke alle Seiten dieser Frage in erschöpfender Einlassliehkeit behandeln.

Sodann wurde auch in den Räthen selbst gerade und vorzugsweise diese Kompetenzsrage des Einlässliehsten in einer feierlichen , viele Tage in Anspruch nehmenden Berathung erortert. Es ist also keineswegs der Fall, bass Baselland die Bundesversammlung als Konfliktbehorde etwa aus eine Seite der Frage aufmerksam machen würde, welche dem Bundesrath oder den Räthen der Eidgenossenschaft vor Abschluss jenes Vertrags entgangen wäre, und die nun nachträglich neue, bisher unbekannte .Gesichtspunkte enthüllen würde, welche in frische Erdaurnng zu nehmen wären. Bei dieser Sachlage, während der gewaltige Redekampf gerade über diese Frage und die dabei erorterten Gesichtspunkte der Bundesversammlung in srischestem Andenken sind, dars die Kommission einsach aus jene eitirten und Jedermann in dieser Versammlung wohlbekannten Aktenstücke vorweisen, in welchen die Aussassung der Regierung von Basel-

land des Einlässliehsten widerlegt ist.

Eine nene Erorterung resp. Wiederholung jener Begründungen würde in der ......hat Niemandem in diesem Rathe irgend einen neuen Gesichtspunkt ^

Slehe

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ansdecken, der nicht in diesem Augenblick sämmtlichen Mitgliedern lebhaft vor Augen stünde. Es war die Ueberzeugung, dass in den Beziehungen von Staat zu Staat die Bundesverfassung die Eentralisationsidee am weitesten gesasst hat ; es war die aus dem Wortlaut des Art. 8 der Bundesverfassung gewonnene Ueber^eugun^, dass der Art. 41 den ersten in gegebener Frage nicht limitire, welcher den ...lussehlag gab. Es war die .^atux der Sache, welche gebot, dass in dieser Beziehung dem Bunde grossere Freiheit gegeben werde ; es war die Ueberzeugung, dass das Eintreten m die grosse volkswirthschastliehe Bewegung der Zeit, der Schweiz, ^u ihrem grossten .^aehtheil, ^egen das Jnteresse und die Wohlfahrt dieses .Landes vermauert wurde, wenn die Kompetenz der Staatsverträ.^e so eng gefaxt würden, wie einzelne Stimmen wollten. Diese damals gewonnene, der Auffassung des .Landraths von Baselland direkte entgegenstehende UeberBeugung über die Bundeskompetenz in Staatsverträgen , welche ln der, unsern staatliehen Zuständen am nächsten verwandten amerikanischen Union gleichfalls vollgültig anerkannt ist und in der dortigen Staatsversassung in dem Ausdruck gipfelt: ,,Diese Verfassung und die daraus fliessenden Geseze, sowie alle ^ a b g e s c h l o s s e n e n und noeh a b z u s e h l i e s s e n d e n V e r t r ä g e bilden ^.das hochfte Landesgeset^ , das sämmtliche Richter in allen Staaten ^bindet, entgegen dem., was in den einzelnen Staaten Gegentheiliges ,,in ihren Verfassungen oder Gesezen sein mag.^ Wir wiederholen, d i e s e Auffassung ist es, welche fortwährend die Ueberzeugung der Mitglieder Jhrer .kommission beherrscht und dureh bie kompetenten Jnterpretationsbehorden dieses Landes r e c h t s g ü l t i g entschieden worden ist. Aus diesen Gründen sehliesst die .kommission einmüthig aus Abweisung der Besehwerde von Baselland.

B e r n , den 12. Rovember l 865.

Samens der Commission . ^) Der Berichterstatter:

^. ^^.peler.

.^) Die kommission der vereinigten Bundesversammlung bestand aus den ^erren .

.^arl ......a^. p e I e r , in ^ürl.h.

.Eduard S u ter, ,, ^ ........ Ant. C r e t t o n, ln ...^a^lgn^Bo..rg (Wallis).

.Rudolf .^ in g i e r , ln Lenzburg.

Christoforo M ....... a, ln L^rn....

^ .^ t e.

Die Beschwerde von BaseI.and ist am 1^. ....ovember 18^5 al.^ unbe.^

gründet abgewiesen worden. ^Slehe Bunde.^bIa^ .... .^. 18.^5, Band III. , Seite 94^^ .

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Bericht der von der Bundesversammlung (vereinigte Räthe) zur Vorberathung des von Baselland angehobenen Kompetenzkonflikts, betreffend die Niederlassung französischer Israeliten, niedergefegten kommission. (Vom 12. November 1865.)

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1865

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.12.1865

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85-88

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