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Schweizerisches Bundesblatt XVll. Jahrgang. .ll.

Nr. 20.

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6. Mai 1865.

Berich t des

schweiz. .Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über feine Geschäftsführung im Jahr 1864.

Geschäftskreis des Justiz- nnd Polizeidepartements.

A.

Gesezgebung, Konkordate, Vertrage zc.

l.

Gesezgebung.

Aus dem Gebiete der Bundesjustiz sind im .Lanse des Verichtiabres keine n e u e n a e s e z g e b e r i s e h e n f r a g e n zur ..Behandlung gekommen.

Es und aus dem Jahr 1863 nur noch zwei hieher gehörige Gegenstande pendent geblieben , welche durch die Bundesversammlung nun auch ihre Erledigung aesnnden haben. Der Eine betrisft die Motion des Herrn Ständerath von Z i e g l e r . betreffend eine M o d i f i k a t i o n des Bund e s g e s e z e s ü b e r die Strafrechtspflege f ü r die eidg. T r u p p e n .

worüber uaeh dem Wunsche der ständeräthlichen Kommissio.. am 12. Septeurer 1864 ein besonderer Bericht erstattet worden .ist. (Bnndesblatt von I864, lll, 240.) Der Ständerath hat bekanntlich, übereinstinunend mit den.. Antrage des Bundesrathes , diese Motion abgelehnt.

Der andere Gegenstand betrifft die schon wiederholt empfohlene , aber eben so

beharrlich bestrittene Beschränkung resp. Regelung des Rekurs-

rechtes.

Die eidg. Räthe haben si.h diesmal zu keinem Beschlnsse eini...

BundesbIatt. Jahrg.XvII. Bd II.

l2

144 gen konnen. Zur Vervollständigung des Aktenmaterials dient noch der Berieht der Kommission des Nationalrathes (Bnndesblatt von 1864,

ll, 505).

ll.

^n.^rdate.

1. Die Arbeiten bezüglich des E n t w u r f e s e i n e s s e h w e i z e r i sehen H a n d e l s r e c h t e s sind im Beriehtjahre wesentlich gefördert worden. Die im lezten Geschäftsberichte erwähnte Expertenkommission hat ihre Berathungen über den Entwurf des Herrn Brosessor Munzinger beendigt. Der in solcher Weise entstandene geprüfte Entwurf wnrde mit

Botschaft vom 12. Jnli 1864 den eidg. Räthen mitgetheilt und zugleich

durch Anstheilung an die Kantonsregierungen, an die schweig. juristischen Fakultäten, an Brofessoren, Banken, Eisenbahugesellschasten und Brivaten möglichst verbreitet.

Mittlerweile wurde die Ueberse^ung dieses Entwurfes durch Herrn Nationalrath Friedrich in Genf ausgeführt uud sodann unter die Bevolkerung französischer Zunge in gleicher Weise verbreitet wie die .^e..tsehe

Ausgabe.

Herr Brofessor Dr. M u u ^ i n g e r schritt nun ^ur Ausarbeitung der

Motive, die bis Ende des Berichtjahres ebenfalls beendigt und verschikt wurdeu. Die Ueberse^ung der Motive übernahm Herr Dufraisse , Brofessor des Handelsrechtes am schweig Vol^te.hnikum, und sie soll moglichst befordert werden.

Nachdem die Vorarbeiten bis ^u diesem Bnnkte gediehen waren, hat sich der Bundesrath in der Lage gesehen, mit der Botschaft von. 5. De-

zember 1864 (Buudesblatt von 1864, lll, 22l) den ihm mit Beschluß

des Nationalrathes von. 30 Jul. 1863 gewordenen Auftrag materiell zu beantworten uud damit jenen Antrag bezüglich des weitern Vorgehens in dieser Angelegenheit zu verbinden, der noch bei den eidg. Räthen pendent ist. - Jndem bezüglich der Begründung ans jene Botschast verwiesen wird, ist nur noch beifügen , dass , dem Wunsche der uationalräthliehen Kommission entsprechend, das Gutachten des Herrn Rathsl.errn B n r k h a r d t ^ ü r s t e n b e r ^ e r in Basel nachträglich noch zum Druk befordert wurde. Die beiden andern aueh von dem Jnsti^- und Volizeidepartemente erhobenen Gutachten der Herreu Professoren Munziuger und Fick sind von den Autoren selbst in .^en Buchhandel gebracht worden.

2.

Der Wirkungskreis des K o n k o r d a t e s b e t r e f f e n d g e m e i n . ^

schaftliche polizeiliche Massregeln gegen Viehseuchen (lV, 198) ist durch den Beitritt des Kantons ^chw..^ erweitert worden (Vlll, 41).

.^eit dem Abschlnss dieses Konkordates ist kein anderer Kanton demselben beigetreten.

t 45 3. Die Verhandlungen über ein K o n k o r d a t b e t r e f f e n d das V e r b o t von L o t t e r i e n und G l ü k s s p i e l e n sind noch zu keinem Absehlusse gediehen. Jm Laufe der Sommersession der Bundesversammlung fand die im lezten Geschäftsberichte vorgesehene zweite Konferenz von Abgeordneten statt, bei der alle Kantone^ ausser Z u g , repräseutirt waren. Der Abgeordnete des Standes Uri wahrte zwar die kantonale Besngniss zur Ertheilung von Lotteriekonzessionen , erklärte aber die Be-

reitwilligkeit der Regierung, die dortige Lotterie nach Ablauf der am 30.

Dezember I863 bestätigten Konzession nicht wieder zu erneuern und in dieser Weise aufzuheben. Eine gleiche Erklärung gab der Abgeordnet^ von Sehw.^z hinsichtlich der dortigen, mit 1868 ablaufenden Konzession.

Ebenso der Abgeordnete von W a l l i s rnkstchtlich der 1848 von der provisoris.heu Regierung ans 30 Jahre für Sa^on ertheilten Konzession.

Die Konferenz hat dann beschlossen , aus den von der Kommission vor..

gelegten Entwurf einzutreten , einige Artikel davon berathen und angenommen, andere dagegen nochmals an die Kommission gewiesen und auf die nächste ordentliche ^ommersession eine neue Konserenz abzuhalten beGlossen.

4. Die im lezten Geschäftsberichte erwähnte Beschwerde der Regiernng von A p p e n z e l l A. Rh. gegen Art. 5 des Konkordates über B e s t i m m u n g und G e w ä h r der V i e h h a u p t m ä n g e l ist von der genannten Regierung zurükgezogen worden, nachdem ihrer Erkärung, dass sie dem Konkordate mit Ausnahme dieses Artikels beitrete, keine Hinderuisse entgegengestellt worden waren.

5. Das von Abgeordneten der evangelis.^hen Kirchenbehörden der Schweiz angeregte K o n k o r d a t b e h u s s V e r e i n s a m u n g der Formal i t ä t e n in E h e s a c h e n ist einstweilen noch nicht weiter gefordert worden.

Einzelne Kantone stehen mit den Antworten aus das bezügliche Kreisschreiben immer noch im Rükstande. Es wird indess diese Angelegenheit nicht länger liegen bleiben, da in der Thal die alten Formen dem neuen Leben zu enge sind.

lll.

Garantie der .^.nt^n^erlassun^en.

Es ist einzig die Gewährleistung einiger revidirter Artikel zur S t a a t s v e r s a s s u n g des K a u t o n s A a r g a u nachgesucht und nach näherer Prüfung derselben am 16. Heumouat 1864 durch die eidg. Räthe ertheilt worden. ^ffiz. ^amml. Vlll, 100.)

Der Bundesbes^luss vom 25. ^eumonat 1863 (Vll, 575) hat seine Vollziehung erhalten, indem die S a m m l u n g der n e u e n s e h w e i z e r i ,,schen K a n t o n s v e r f a s s u n g e n , Band l, enthaltend die auf den 1.

,,Januar 1864 in Krast bestehenden und vom Bunde genehmigten Ver,,fassungen^ im Drnke erschienen, von Amtes wegen bedeutend verbreitet und zu moderirtem Preise dem Publikum zugänglich gemacht worden ist.

146 IV.

^n.^n^at^n der ..^sraeliten.

Diese Angelegenheit hat nun durch den Beschl..ss der Bnndesver^ sammlung vom 30. Herbstmonat l^64 (Vlll, 162), wodurch die Aushebung der in den Artikeln 4l und 48 der Bundesverfassung ausgestellten Ungleichheit der Glaubensbekenntnisse eingeleitet wird, eine neue Richtung erhalten , worüber an einem andern ......rte das Nähere mitgetheilt wird.

Jn den Kantonen ist, so viel nns bekannt wurde, nichts Wesentliches geschien zur Ausgleichung der in den Kantonalgesezen in Bez..^. auf die Jsraeliten noch bestehenden Ausnahmebestimmungen.

Bezüglich der Jsraeliten im Kanton Aargau bleibt nur noch eine Frage zu erortern. Es ist namlieh schon im legten Geschäftsberichte mitgetheilt worden , in welcher Weise den Jsraeliten in Oberendingen und Lengnan das Kantonsbürgerrecht im Kanton Aargau zuerkaunt worden ist.

Es bleibt daher nur noch die ^rage übrig, ob das Ortsbürgerrecht, wie es jezt den Jsraeliten zusteht, alle charakteristischen Merkmale eines vollen Gemeindebürgerrechtes enthalte. Die zu näherer Besprechung dieser Frage bezeichneten Delegirten haben noch keine weitern Verhandlungen gepflogen, die auch sügli.h bis ^nr nähern ...lbklärnng der Frage im Grossen und Ganzen verschoben werden mogen.

V.

^nsntat^erhattni^e.

Der schweig. Konsul in M o n t e v i d e o hat den Bundesrath, im Juteresse mehrerer S.hwei^er, die sich dort verehelichen wollen, angefragt, ob ni.ht die Vorschrift des Art. 1.) des fchwei^. Konsnlarreglemeuts, wona.h die Einwilligung der heimatliehen Regieruugen ^nr Eingehung der Ehe erforderlich ist, für jenes Land wegen seiner grossen Entfernung und wegen der Ungewißheit, welche formen zu erfüllen seien, snspendirt werden konne. Der Konfnl machte hiebei aufmerksam, dass dadurch gerade diejenigen ^chwei^er, welche sieh selbst und il^ren Rachko^ume.. künftige Verwikelungen ersparen mochten , geplagt werden , während die Gleichgültigern zur Trauung gelangen, wenn sie dem Geistliehen vor zwei ^eugen das eidliehe Gelobniss ablegen, dass sie nicht verh.irathet seien.

Der Bundesrath mnsste hieraus antworten, dass Art l.) des Konsularreglements eine allgemein gültige Vorschrift enthalte, und dass keine Ausnahme davon gemacht werden konne. Es sei dieselbe übrigens nicht eine vom Bundesrathe willkürlich aufgestellte Vorschrift, sondern sie b.^ rnhe ans den in diesem Vunkte so ^iemli.h übereinstimn^enden kantonalen Gesezen. Eine Abweichung würde daher jedenfalls nnr da denkbar sein, wo das betretende Kantonsgese^ mildere Forschriften enthielte, was stets im einzelnen Falle untersucht werden müsste. Die Gesezgebnngen der Kantone werden in der ^hat alln.älig milder, allein für die Z^ntralbehorden sei es sicherer, an dem gegebenen ^ri.^ip festzuhalten.

147 Aehnliche Fragen feien auch fchon von andern Konsulaten ausgeworfen worden; allein der Bundesrath habe sie stets verneint, wenn er auch sich nieht verhehlen tonne, dass er nicht in der Lage sei, den Behorden anderer Staaten vorschreiben zu können , welche Formen sie beobaehten müssen, behufs der Verehelichung von Schweizern. Unter allen Umständen erscheine es aber als wünsehbar, dass besörderliehst die nothigen Schritte gethan werden , um eine nachträgliche Anerkennung der Ehe in dem betreffenden Kanton zu erlangen.

Jm Uebrigeu werde bezüglich der den andern Konsulaten ertheilten Antworten auf Rr. 656, 6.^7 und .^58 in Ullmer staatsrechtliche Bra^is verwiesen, womit noch der in Rr. 511 vom Bundesgerichte aufgestellte Grunds.^ verglichen werden möge.

Vl.

^.erhaltn.^e .,n au^wart^en Staaten.

1. Bald nach dem Absolusse eines Vertrages betreffend die gegenseitige.. Riederlassuugsverhältnisse zwischen der S c h w e i z und dem G r o s s h e r z o g t h u m Baden ist auch eine Revision des Vertrages mit diesem benachbarten Staate ^des ältesten und lauge Zeit einzigen), betreffend die Auslieferung von Verbrechern aus dem Jahre l 808, eingeleitet und im Lanfe des Beri^tjahres zum Abschlösse gebracht worden (Osfiz. Samml.

Vlll, 183 u. 206, und Bundesblatt von 1.^64, ll, 824, lll, 211 n. 216).

Die Verträge und Uehereinkl.nfte mit ^raukreich vom 30. Juni 1864, und zwar namentlich jene Partien, ^welche die Niederlassung, den ^ehu^ des literarischen, künstlerischen und gewerblichen Eigeuthums, sowie einiae nachbarliche Verhältnisse betreffen , habeu das Departement

ebenfalls beschäftigt.

Bezüglich der Vollziehung der Verträge mit Frankreich bleibeu noch

verschiedene Verhandlungen pendent. Es find hier namentlich vou Bedeulung^jene, welche mit der schon so lange gewünschten Abschaffung der hohen Gebühren der frau^osischen Gesaudts.hast sür das Visiren ..er .^äffe in Verbindung stehen. ^ Bekanntlich ward von Seite Frankreichs als Gegenleistung die Ermässigung der Aufeuthaltsgebühren zu Guusteu der arbeitenden Klasse verlangt. Es ist zu hoffen, dass die betreffenden Kautoue diese Ermässigung um so bereitwilliger gewähren, als sie ungleich eiuer grossen Zahl der eigenen Mitbürger , und im Allgemeinen einer Klasse der Bevölkerung ^u Ru^en kommt, die im wohlverstandenen Jnteresse des Ganzen alle Berüksichtigung verdient.

Auch Art. 10 des Auslieferun gsverlrages mit den. Grossherzogthum Baden erfordert eine Voll^iehuugsmassregel. Durch diesen Artikel ist das Prinzip der diplomatischen Verhandlung zum Zweke einer Auslieferung nicht absolut festgehalten , wie dies in den meisten Verträgen sonst der ^all

ist. Zur gegenseitigen Erleichterung ist die Möglichkeit gegeben, dieselbe

148 durch direkte Verhandlungen zwischen den Polizei- oder Gerichtsbehörden

zu bewerkstelligen.

2. Die württembergis.he Regierung hat mit Rote pom 20. Oktober die Bereitwilligkeit ausgesprochen , mit der Schweiz einen Vertrag über dle gegenseitigen Niederlassung^ u..d Gewerbsverhaltnisse a^nschliessen , wovon nach dem Vorgabe wegen eines ahnliehen Vertrages mit dem Grossherzogthnm Baden mit Kreisschreiben vom 9. Rovember den Kantonen Kenntniss gegeben wurde. Da inzwischen die Unterhandlungen mit dem deutschen Zollverein begonnen haben, und die Riederlassungsverh^iltnisse auch Gegenstand derselben bilden so wurden weitere Separatver^andlungen mit Württemberg bis aus weiteres suspenl.irt.

3. Ein .^lugehoriger des Grossherzogthnms Baden wünschte im Kanton Waadt zum Bl.armaeie.^amen und zur Ausübung dieses Berufes zugelassen zu werden. Der .... taalsrath von Waadt nahm hieraus ..^eraulassung zu der Eintrage, ob der Bnndesratl^ die waadtländis.^e Gesezgebuug, wodurch nnr ...^chwei^er in diesem Berufe zugelassen würden, durch Art. 1 des Vertrages mit dem Grossherzogthum Baden vom 2l. Dezember

1863 (Vlll, 2) als modifi^irt betrachte, wona.h die Baiser bezüglich

der Ausübung der erlaubten Berufe den J..landern gleich gehalten werden müssen. - Der Bundesrath aufwerte sieh dahin, dass allerdings von dem grossher^oglich badisehen Kandidaten nichts weiter verlangt werden könne, als dass er allen gesezlichen Bedingungen Genüge leiste, deuen im Kanton Waadt die S.hwei^er anderer Kantone in diesem Falle unterworfen werden konnen. Umgekehrt gebore auch im Gross^er^ogthnm Baden die'Vharmaeie zu den beschrankten Gewerben . allein die Schweizer konnen desshalb nicht absolut davon ausgeschlossen , sondern sie müssen zu diesem Bernse zugelassen werden , sobald sie erfüllen , was die Badeuser selbst auch ersüllen müssen.

4. Mehrere Angehörige der österreichischen Staaten, die im Kanton Glarus für den Gewerbsbetrieb .^^ipro^itäts^eugnisse beibringen und Bürgs.hasten leisten sollten, sehnten vor, dass nnn in Oesterreich gesezlieh volle Gewerbsfreil^it und gegenüber andern Staaten Rechtsgleichheit eingeführt sei. Die österreichische Gesandtsehast beantwortete die bezügliche Anfrage mit Hinweisnng aus ^ ll) der kaiserlich österreichischen Gewerbe-

...rdnnug vom 23. Dezember 185.) (Rei.hsgesezl.latt l85l), StükL.^.lV^,

welcher fo.lgendermassen lautet : ,,Die Zulassung von Ausländern zum selbständigen Betrieb einer Gewerbeunlernehmung bleibt , insofern nicht dnrch .^taatsverträge andere Bestimmungen getroffen sind , von Fall zu ^all der Entscheidung des Ministeriums des Jnnern vorbehalten.

^Die Zulassung von Handelsreisenden für ausländische Handelsund Judustriennternehmungen ist dureh eine besondere Forschrift geregelt.^

Diese Antwort wurde Glarus als Auskunft mitgetheilt.

149 5. Eine Maria B o l z von Rottenburg, Konigreichs Württemberg, wohnhast in Biel , hatte an le^term Orte ein... Vatersehastsklage erhoben und sollte den Nachweis leisten, dass im Königreich Württemberg bernisch...

Angehorige ebenfalls berechtigt seien, Vaterschafts- und Alimentationsklagen anzuheben.

Das k. württembergische Ministerium hat aus die vom Bundesrathe vermittelte Anfrage mit Rote vom 31. Januar 1864 geantwortet. Raeh Art. 28 des Gesezes vom 5. September 18.^9 sei jedem, aus einem unerlaubten Beisehlafe erzeugten Kinde der Vater so lange natürliche Alimente zu reichen schuldig, bis sich das Kind felbst ernähren konne .. auch habe er der Mutter die kosten der Entbindung , so wie der Taufe und der Beerdigung des Kindes zu ersehen. Die Klage auf Zahlung der Alimente konne nur entweder vom Vater der Geschwächten oder von einem für das uneheliche Kind bestellten Bfleger, in beiden Fällen in Verbindnng mit der Mutter, falls diese noch am Leben sei, erhoben werden.

Ueber den rechtlichen Grund der Verpflichtung des Vaters enthalte das württembergische Recht keine ausdrükliche Bestimmung. So viel stehe sest, dass die Angehörigen eines solchen sremden Staates, welcher eine Vaterschaftsklage n i eh t gestatte , mit solder nur aus dem Grunde ^urükgewiesen werdeu könnten, weil ihnen der e i g e n e Staat die Klage nicht gewähre, keineswegs aber in Anwendung eines den Ausländer a l s s o l c h e n gegenüber dem Juländer ^urüksezenden Rechtstes, vielmehr würden die württembergis.hen Gerichte einen dem .Ausländer nachtheiligen Unterschied in dieser Richtung zu maehen nur dann in der Lage sein .

wenn im entsprechenden ^alle der Württemberger im Auslande den. dortigen Angehörigen nicht gleichgestellt würde.

6. Jm Konknrs des Franzosen Joseph B e s s o n , niedergelassen im Kanton Reuenburg , hat sein Sohn Hippolvt Besson das von seiner verstorbenen Mutter ererbte Vermogen von ^r. 25,0l).) mit dem Brwilegium

des Vogtgutes gefordert. Hippol.^t Bessou war seinerseits als Bhotograph

etablirt und ebensalls in Konkurs gekommen. Er verlangte nun von den neneubnrgisehen Vormuudschaftsbehorden, dass sie ihm ^ur Wahrung seiner Jnteressen im Konkurse seiues Vaters einen Vormnnd bestellen, was ihm jedoch verweigert wurde. Dagegen giengen seine heimatlichen Behorden in Frankreich auf sein Gesuch ein und bestellten ihm einen Vormuud, welcher im Konkurse seines Vaters das erwähnte Brivilegium gerichtlieh dureh^ufechten snchte. ^ie Kreditoren des Vaters Besson erhoben die Einrede , dass Hippol^t Besson mehr als 1.) Jahre alt, also nach Reuenburger Recht majorenn und handlungsfähig sei , welche Eigensehast er übrigens schon durch Elablirung eines eigenen Geschäftes erlangt habe. Die Reuenburger Gerichte erster und zweiter Jnstanz adoptirten diese Anschauung und verwarfen die Klaae.

Gegen dieses Urtheil legte der Vormund des Hippol...t Besson durch die sran^osische Gesandtschast Beschwerde ein, gestuft daraus, dass nach

150 Art. 3 des Code Napoleon die Franzosen in Fragen der Handlung.^ fähigst, selbst wenn sie im ^luslande sich aufhalten, unter der frantosischeu Gesezgebung stehen , dass nach Art. 3 des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich von 1828 in Vormundschastssache.. das gleiche

Brinzip gelte, wie in Erbschaftssachen , in welchen das heimatliche Recht

angewendet werden müsse (Ullmer Rr. 630) , und dass somit das Aller der Majorennität eines in der Schweig niedergelassenen Franzosen nach der srauzosisehen .^ese^ebung bemessen werden müsse. Run sei dem Hippol.^t Besson von der kompetenten sranzosisehen Behorde in den üblichen Formen und in Uebereiustimmuug mit dem französischen Geseze ein ^oru.und bestellt worden , jener müsse daher ini Danton Reuenburg als minorenu anerkannt werden, denn er sei am 27. Januar l 844 geboren, also 20 Jahre und 6 Monate alt, während nach Art. 88 des Eode Rapoleon die Majorennität erst mit dem 2l Jahre erlangt werde. Rach den Gesezen seiner Heimat müsse er ans dem Konkurse seines Vaters die Rükzahlung der Summe erhalten, die dieser als sein natürlicher Vormnnd empsangen habe; nach den. nenenburgischen Geseze aber würde es zum Schaden der Familie an fremde Kreditoren kommen.

Aus dem Berichte der Regierung vou Reuenburg und ans dem be...

züglichen Urtheile ergibt es sieh , dass ^. keinen Zeiten der Art. 3 des Vertrages von 1828 im .^inne der ..Beschwerdeführer angewendet worden sei. Die Franzosen seien in diesen Fragen stets gleich den Renenbnrgern und wie alle andern Einwohner des Kautous behandelt worden. Es sei vollends hier kein Grund vorhanden, den Betenten anders zu behandeln.

Aneh liege gar kein Konflikt zwischen Reuenburgern und Franzosen vor, da es sieh ganz einfach um die Beziehungen eines niedergelassenen Franzosen zu seinen Kreditoren handle, die meistens im Kanton wohnen und unter den Gesten desselben mit ihm. kontrahirt haben. Daher müsse jede fremde Gese^gebung, so wie an..h der erwähnte Staatsvertrag aus..

geschlossen sein.

Der Bundesrath sprach sieh ebenfalls für diese lettere ...lnsieht aus.

7. Ein gewisser Karl Jlg, von Beterslhal, Grossherzogll.^um Baden, war niedergelassen im Kanton Reuenburg. entsernte sieh heimlich und wurde in Konknrs erklart. Es wurde ermittelt, dass ^lg in seiner Hei^ ^nat erhebliches Vermogen besi^e, wesshalb das neuenburgiseh.^ Konkurs^ gerieht da^ Gesuch stellte, dass die Regierung des Grossher.^ogtl^ums Baden, gestüzt aus den bestehenden ...^taatsvertrag (alte Off. ^. I. 3.)0) angegangen werden mochte, den Konkurs gegen Jlg anch ans dem dor^ tigen Geriete vollziehbar zu erklären und ^u publiziren, so wie die Juventarisation alles Vermögens von Jlg vorzunehmen und
dieses uebst den aus diesem Konkurse entstehenden Prozessen dem Konkursgerichte zu überlassen.

Der Bundesrath hat diesem Gesuche einstweilen uieht entsprochen, .weil es sieh nicht eigne, um von vornherein von den ^taatsregierungen

15l aus diplomatischem Wege behandelt und erledigt zu werden. Da die gestellten Begehren ihrem Wesen nach gerichtlicher Ratnr seien , so müssen sie auch zunächst durch die Berichte gehen, und eine diplomatische Verhandlung konnte sich nur dann anschlössen , wenn entweder die Anwendung des bestehenden Staatsvertrages von 1808 verweigert, oder wenn derselbe irrig interpretirt werden wollte. Der Bundesrath stehe daher in der .Ansicht, dass das in .^rage stehende Gesuch zunächst von dem obersten Gerichtshose des Kantons ^euenburg an den obersten Gerichtshof des grossher^oglieh badischen Mittelrhei..kreises, nämlich an das grossl^erzogliche Hofgericht zu Bruchsal, gestellt werden sollte, und dass erst, wenn dessen Verfügung dem erwähnten Staatsvertrage nicht entsprechen würde, eine diplomatische Verwendung eintreten konnte.

8. Auf ein Gesuch der Regierung von Freibnrg, dass bei der franzosischen Gesandtschaft für eine oft bestraste subsistenzlose sranzosische Familie die Bewilligung zur Heimreise ausgewirkt werden mochte, wurde geantwortet, dass unter Umständen, welche die Ausweisung eines Schweizers begründen würden, auch ein Franzose ausgewiesen werden konne, ohne dass hiezu erst die Bewilligung der sranzosisehen Gesandtschaft nothig sei. Eine besondere Anzeig... sei dann üblich, wenn es sieh um die Zuschiebung von schriftenlosen Jndividuen handle, deren Nationalität ^weiselhast sein konne, was aber hier nicht der Fall sei.

Vll.

^ertra^e ^....ns.^en den ^ant.^nen.

l . Zwischen den Kantonen Waadt und ^reiburg ist eine Uebereinkunst über Ertheilnng von Jagdpateuten abgeschlossen worden , nach welcher die in .einem dieser Kantone wohnhaften Schweizerbürger auch im andern Kanton Jagdpatente erhalten konne.., unter dem Vorbehalte, dass die Juhaber solcher Vate..te den Jag^gesezen desjenigen Kantons sieh zu unterstellen haben, in welchem sie die Jagd ausüben wollen. Diese Ueber^ einkunft wurde nach Art. 7 der Bundesverfassung ^ur Genehmigung vor^ gelegt, die auch ertheilt wurde.

2.

Ebenso habeu die Genehmigung erhalten :

a) Uebereinkunst über Verpsändung von Eisenbahnen zwischen den Kantonen Zürich, Glarns, ^t. Galleu, Graubünden und Thurgau,

d. d. 14. April 1^4.

b) Vertrag ^wischen den Kantonen Zürich nnd St. Gallen, betreffend

Ausübung des ilu.eu mit Be^iehnug aus die Eisenbahn von Walli-

sellen bis zum Ansehlusse an die Eisenbahnlinie Weesen .. Rapperschwel zustehenden Ru^kaufreehtes , ohne Datum, ratifi.^irt vom Grossen Rath des Kantons .^t. Gallen am 22. Rov. 1864 und vom Grossen Rathe des Kantons Zürich am 10. Weinmonat 1864.

152 c. Vertrag zwischen den Kantonen Zürich, St. fallen nnd Thnrgau, betreffend Ausübung des ihnen mit Beziehung aus die Eisenbahn von Winterthnr über Wvl naeh Rorschach Anstehenden Rükkaufrechtes, welcher am 22. Rovember 1864 die Genehmigung des Grossen Rathes von St. Gallen, am 10. Oktober 1864 jene des Grossen Rathes von Zürich nnd am 5. Oktober 1864 diejenige des Grossen Rathes von Thurgau erhalten hat.

Diese leztern drei Verträge werden in der amtlichen Sammlung der das schweizerische Eisenbahnwesen betretenden Aktenstüke Ausnahme finden.

Vlll.

Sammlung ^..a.^re.^tl^er ^nt^eide.

Die Uebersezung der S a m m l u n g d e s Hrn. Ullmer ist durch Hrn. Borel mit Gewandtheit z.. ^.ude geführt, nnd es ist der Druk derselben in ähnlicher Weise uuterstüzt und das Werk verbreitet worden wie die deutsche Ausgabe.

l^.

^itmirl..nn^ ^ur .^nde^re^ht^lle^e.

Jn Anwendung von Art. .)0 des Bundeszivilprozesses sind ^wei Brozesse zwischen Kautonen dem Bundesgeri.hte überwiesen worden. Der

eine betrifft den im Geschäftsberichte für 1862 (Bundesblatt 1863, ll, S. 52, Rr. 26.. besprochenen ^all zwischen den Kantonen Graubünden und Hessin über die Gültigkeit eines S.^hiedssprnehe^. Jm andern Falle hatte die Bundesversammlung über di^.. Kompetenz sich auszusprechen. Es ist dies der Streit zwischen ^..n Kantonen Bern und ^oloti^urn, betreffend den Grabenbach, welcher in ^olge eines Kompetenzkousliktes dureh Bundes-

besehluss vom 12. Juli 1864 dem Buudesgeriehte znm Entseheide zuge-

wiesen wordeu ist. ^ Bundesblatt ^864, ll, ^. 24.) und 553).

.^. ^nstiz.

l. ..^ltaemeine.^ nn.. ^tati^l..

Aus dem Jal^re 1863 sind 12 Rekurse pendent geblieben. ^m .^ause des Berichtjahres sind 12.) Reknrse (6 mehr als im Vorjahre) neu

eingegangen. Es sind also im Ganzen 141 Rekurse in Behandlung ge-.

wesen. Davon sind 125 erledigt und 16 in das Jahr 1865 hinübergetragen worden, weil sie von den betreffenden Kautonen noch nicht beantwortet waren. Von den ledern datirt ein Fall noch aus dem Jahr

1863.

153 Dem Gegenstande nach haben 32 Rekurse Riederlassnngsverhältnisse beschlagen, nämlich: 21 Entzug der Niederlassung und Ausweisung, 7 Verweigerung der Ausweispapiere , 2 Verweigerung der Riederlassnug

und 2 Rükhaltung der Ausweisschristen. 19 Rekurse bezogen ^sich aus

Steuerverhältnisse, wovon 4 noch aus dem Jahr 1863 pendent waren.

Gleich wie im Vorjahre waren wieder 15 Beschwerden wegen El^everweigerung in Behandlung. Von diesen 15 Besehwerden waren 8 gegen Entscheide ^der Regierung von Luzern gerichtet, je 2 gegen solche der Regiernngen von Sehw..z und Aargau und je 1 gegen Beschlüsse der Regierungen von Thurgau , Basel-Landsehast und Freiburg. Rur die Besehwerden gegen Ludern betrafen gemischte Ehen, die andern konnten daher wegen Jnkompetenz sogleich von der Hand gewiesen werben. Von jenen

gegen ^uzern ist l Rekurs als begründet, 5 sind als unbegründet erklärt

worden , 1 ist noch pendent und 1 wurde nieht an Hand genommen , weil Vetent noch nicht die kantonalen Justan^en durchlausen hatte. Ferner betrasen 18 Rekurse Fragen des Gerichtsstandes, wovon 5 die Kompetenz sür Boli^eivergehen und Jnjurien. Als eine ausfalleude Erscheinung darf sianalisirt werden, dass immer noch viele Reknrse eingehen, namentlich aus dem Kanton Bern, welche die Kompetenz sür Alimentationsklagen betreffen, obgleich über diese Frage schon eine grosse Zahl von Beschlüssen bestehen , welche alle Seiten derselben erschopsen und als Rorm gelten konnten und sollten..

Aus der folgenden Uebersieht ist zu entnehmen , wie diese Rekurse auf die einzelnen Kantone sieh vertheilen und wie sie erledigt wurden.

Be^

gründe^ eintreten. ....eisung. erlläxung .....ichl^

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Bern

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Solothurn . . . . .

Basel ^Stadt . . . .

Basel -Landschaft . . .

S^affhausen . . . .

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St. Ballen Graubünden Aargau .

Thurgau

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Tessin

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Waadt

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Reuenburg

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Genf

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Rekurse waren gerichtet ..^gen Bleiben DieGerich^ ^erwaltung.^ .^umma.

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155 ll.

.^ntf.^eide iil.er ^n..ven^.nn^ der ^nnde^erta^nn^.

1.

Riedexlassungsverhältnisse.

^.

a.

V e r w e i g e r u n g der A u s w e i s s c h r i f t e n durch den . ^ e i m a t k a n t o n .

1. Es kann kein Kanton angehalten werden, seinen Angehörigen die Niederlassung oder überhaupt den Aufenthalt in einem andern Kanton durch Ausstellung von Legitimationspapieren zu ermoglichen, wenn sie den Bedingungen des Art. 4l, Ziffer 1 der Bundesverfassung nicht genügen können (l 7. Februar 1864).

l^.

E n t z u g der N i e d e r l a s s u n g .

2. Der Art. 41, Ziffer 6, Lnt. h der Bundesverfassung gestattet den Volizeibehorden der Kantone, Jemanden auszuweisen , der sich eines unsittlichen Lebenswandels schuldig macht. Diese Berechtigung der Bolizeibehorden ist selbst dann nicht ausgeschlossen , wenn der unsittliche Lebenswandel kein strasbares Vergehen enthält.

Blosse Vermuthungen oder vage Angaben geniigen aber nicht. Jemanden auszuweisen.

3. Die Kantone können nicht angehalten werden , Jemanden zu dulden, der die Riederlassungsgebühren nicht bezahlen kann (9. September 1864)...

4. Der Direktor der Justiz und Volizei des Kantons Bern hat dem J o h a n n e s H e d i g e r , von Reinaeh, Kantons Aargan, wegen fortgesetzten Bettels, wiederholter Entwendung und schlechter Aufführung seiner Kinder die Niederlassung entzogen. Dieser Besehluss erhielt die Vollziehung. ..Später wurde den Eheleuteu Hediger der Ausenthalt in Bern wieder gestattet, und in ^olge dessen sind ihre^ Kinder eines na.^ dem andern auch wieder nach Bern gekommen. Es folgte die frühere Lebensweise der Kinder, die abermalige Ausweisung der ganzen Familie und ein Reknrs der Eltern au den Bundesrath , welcher jedoch am 24.

August 1864 abgewiesen wurde , gestüzt auf folgende Gründe : 1. Es srägt sich, ob Eltern wegen solchen Benehmens ibrer mit ihnen zusammeulebenden Kinder, das zur Ausweisung der leztern berechtigt, mitausgewiesen werden dürfen ^

2. Diese Frage mnss mit Rükficht aus die Einheit der ^amilie und die Verantwortlichkeit der Eltern für die Kinder im Allgemeinen bejaht werden, insofern wenigstens eine vollständige Ausscheidung der schuldigen Glieder aus der Familie nicht erfolgen kann.

3. Jm vorliegenden Falle war unzweifelhaft die Berechtigung ^..r Ausweisung der Kinder Hediger vorhanden. Nachdem die Eltern dies selbst anerkannt, troz anfänglichen Versprechens, dieselben aus der Familie auszuscheiden, sie aber wieder zu si.h genommen, und

156 die Solidarität mit denselben somit selbst neu begründet haben, so ist damit auch das Recht der Behörden zur gleichmäßigen Behandlung der Familie in ihrer Gesammtheit begründet, und es ist lediglieh Sache der bernischen Behorden, darüber zu entscheiden, ob sie aus ein erneutes Versprechen der^ Eltern, ihre Kinder zu entfernen, nochmals eintreten wollen, was ihnen übrigens vom Bundesrathe empfohlen wird.

Dieser Entscheid (Bundesblatt 1864, lll, 154) ist an die Bundesversammlung rekurrirt worden. Der Rekurs wurde aber in Folge Absterbens des Ehemannes Rediger znrütgezogen.

5. Die Beschwerde eines Ko n rad K e l l e r , von Amriswi,l, Kantons Thnrgau, welchem im Kanton Appenzell A. Rh. die Riederlassung entzogen wurde, weil er ein Kind nicht nach dem bestehenden Ritus und Gesez tauseu lassen wollte, wurde abgewiesen , aus den im Jahr 1859 ebensal.ls in Sachen der Dissenters von Appenzell A. Rh. aus.^.estellten Gründen (Bundesblatt 1860, ll, Seite 5, Ullmer Rr. 176,..

6. Der Rekurs des B e t e r M e i n e r , von Meiringen, Kantons Bern, welchem in Basel die Riederlassnng verweigert wurde, weil er den Ausweis, dass er sich und seine Familie zu ernähren im Stande sei, nicht zu leisten vermochte , bietet kein weiteres Jnteresse. Er wird daher einsaeh hier eitirt, weil er die eidgenossischen Räthe aueh beschästigt

hat. Der Abweisungsbeschluss des Bundesrathes wurde bestätigt. (Bundesblatt 1864, ll, Seite 537, 824, 825).

7. Eine W i t w e Z w e i f e l aus dem Kanton Glarns und deren 6 Kinder, sowie der Schneider J o f e p h Z ö l l i g mit Familie ans dem Kanton St. Gallen haben sich beschwert, dass ihnen im Kanton Graubünden die Niederlassung einzig ans dem Grunde entzogen worden sei, weil sie zu den Mormonen gehoren, indem sie in allen Beziehungen den Ansorderungen des Art. 41 der Bundesverfassung zu genügen vermogen.

Die Regierung^ von Graubünden rechtfertigte die Ausweisung damit, dass genannte ^amilien durch ihr Beispiel, durch Gestaltung von V.^rsammlungeu und Vorlesungen in ihren Wohnungen zur Verbreitung des Mormonenthums beitragen, wie denn wirklieh eine ^amilie bei ihnen unterrichtet uud in ihrem Beisein im nahen Rabiusa-^lusse um Mitternacht getaust worden sei. Allerdings sei nach Art. 1 des G..se^es gegen den Brosel^tismus die Mittheilung in Glaubenssachen frei . jedoch nur inso.^ fern dieselbe nicht den Glaubenslehren der beiden anerkannten Konsessionen widerstreite. Run sei aber allgemein bekannt. dass die Lehre der ^ormonen weder mit der katholischen, noch mit der protestantischen Konsession übereinstimme, vielmehr denselben. durch den Glaubenssaz der V i e l ....eib e r ei, welcher auch von einzelnen Gliedern der reknrrirenden Familien anerkannt werde, widerspreche.

157 Der Bundesrath hat am 29. April l 8^4 diesen Rekurs begründet erklärt und die Regierung von Granbünden eingeladen , den Rekurrenten die Fortdauer der Niederlassung im Sinne der folgenden Erwägungen zu gestatten : 1. Das Recht der freien Niederlassung ist allen Schweizern, welche einer der christliehen Konsessionen angehoreu, im ganzen Umsaug der

Eidgenossenschaft in der Weise gestattet, dass die Ertheilung Rie-

manden verweigert werden darf, welcher die im Art. 4l , Ziffer 1 der Bundesverfassung vorgeschriebeneu R.^uis^. besi^t , und ein Entzug durch die obere Polizeibehörde der Kantone nur erfolgen darf, wenn Thatsachen vorliegen, welche nach Ziffer 6 des eitirten Artikels die Ausweisung begründen.

2. Die Fortweisung der Rekurrenten wird aber keineswegs aus solche gründe gestüzt, sondern einzig und allein auf den Umstand , dass sie zum Mormonenthum übergetreten seien und dadurch aufgeholt haben, die Hauptbedingung ^u ersüllen, welche die Kantone von einem Niedergelassenen verlangen dürfen.

3. Diese Voraussezung in solcher Allgemeinheit ist aber nicht richtig, indem die Mormonen zwar wohl in ihren Glaubenslehren in einigen Punkten von den grossen christlichen Konsessionen abweichen , nicht aber in solchen, welche wesentlich nur dem Ehriftenthum angehoren, daher sie immerhin als eine christliehe Sekte betrachtet werden.

4. Jm Uebrigeu bleibt es der Regieruug von Graubünden unbenommen, bezüglich des Mormonenknltus die gutsagenden Verfügungen zu treffen , indem Art. 44 der Bundesverfassung nur den vom Staate, d. h von den Kantonen, anerkannten Konsessionen die freie Ausübung des Gottesdienstes zusichert.

5. Ebenso muss es der Regierung freistehen, dannzumal nach Massgabe bestehender Vorschriften einzuschreiten , wenn Anhänger des Mormonenthums Lehrsäze in Anwendung bringen wollten , welche mit der staatlichen Ordnung oder der offentliehen Moral im Widerspruehe stehen würden.

c. .^ükhaItnng der A n s w e l s s e h r i f t e n durch den N i e d e r l a s s e n g^ kanton.

8. Ulrich R e i s s e....., von Sehlalt, Kantons Thurgau, beschwerte sich gegen die Regierung von Luzern, weil ihm die Herausgabe des Wanderbuches verweigert wurde, bis er den dasür erhaltenen Empfangschein (der zugleich als Aufenthaltsorte dient) zurükgegeben haben werde, welcher Forderung er aber nicht entsprechen konne, da Zimmermeister Bortmann in Ludern sieh weigere, diese Aufenthaltskarte herauszugeben, bis er für eine Forderung an Reisfer von 33 Fr. bezahlt sei. Der

158 Rekurs wurde in Festhaltung an dem wesentlichen Jnhalte der Erwa-

gungen bei Ullmer Rr. 3l9 abgewiesen. (5. Oktober 1864.)

9. G o t t l i e b W o o d t l i in Bringen, Kantons Aargan, hatte bei seinem Weg^nge von Basel die Aufenthaltskarte einem Arbeiter übergeben, damit dieser auf den. Vassbürean für ihn das Wanderbuch erhebe.

Schneidermeister B u r i in Basel nahm sie aber diesem Arbeiter weg und verweigerte dann die Heransgabe, bis er für sein Guthaben von 23 Fr.

von Woodtli bezahlt sei. ^terer beschwerte sich nun bei der Regierung von Basel-^.tadt, allein er wurde anwiesen. Auch der Rekurs au den Bundesrath hatte keinen andern Erfolg , weil das eigenmächtige Verfahren des Buri zwar kaum zu rechtfertigen sei , allein der Bundesrath darüber nicht zu urtheilen habe, ob Bnri im reehtmässigen Besize der Karte sich befinde oder nicht, indem diese Frage den kompetenten Behorden von Basel zustehe. Uebrigens stehe es der Heimatbehorde des Woodtli frei , sosern ihr ein solches Vorgehen durch die Umstände gerechtsertigt erscheine, durch Ausstellung neuer Legitimatiouspapiere dem Woodtli den auswärtige^ Aufenthalt zu ermogli^heu. (22. April 1864.)

10. Der Präsident des Bezirksgerichtes Horgen hat auf Begehren

des Rndolf R^sler in Wädeusehweil das in Handen des Statthalter-

amtes Hora.en gelegene Wanderbu.h des J a k o b M ü l l e r zu ^tehrenberg, Kantons Thurgau^ welcher bei Rasier in Arbeit gestanden und diesem noch zirka 2^ F.^ schuldig verblieben ist, mit Arrest belegt, und ^var iu Anwendung von ^ 23 des Gesezes für Handwerksgesellen.

Müller reknrrirte h.egegen gestü.... aus Art. 50 der Bundesverfassung.

Das Bezirksgericht Horgen berief sich zur Rechtfertigung des Arrestes anf

das erwähnte Gese^ und eine konstaute Bra^is, so^vie darauf, dass Rekurreut die ihm eingeräumte ^rist ^ou 1.) ...^agen, um die Aushebung des Arrestes nachzusuchen, unbenu^t habe verstreichen lassen.

dieser Rekurs w.^rde am 20. Januar 1864 begründet erklärt und die Herausgabe des Wauderbnches verfügt, gestuft auf folgende Gründe : 1. Es handelt sich hier unzweifelhaft um eine personliche Forderung, für welche der aufreehtsteheude S^.hul.^uer mit bestimmtem Wohnstz bei dem Richter seines Wohnortes gesucht werden mnss.

2. Rekurrent behauptet, eiueu sesten Wohnstz ^u habeu, und es ist kein genügender Grund vorhanden, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln , da derselbe zn zwei. verschiedenen Malen d...rch seine heimatlichen Behordeu die Aushin^abe seines mit Arrest belegten Wanderbuches verlaugt hat.

3. Es hat der Auspreeher keinen Schritt gethan, um fe^ne Forderung am angegebenen Wohusi^ des Schuldners zur Geltung zu bringen, daher .^ie einfach aufgestellte .Behauptung, derselbe habe keiu festes . Domizil. nicht einmal wahrscheinlich gemacht, geschweige dann erwiesen.

159 4.

Wenn Rekurrent die ihm zur Aufhebung des Arrestes angesäte Frist von 10 Tagen nicht benuzt hat, um seine Einsprache bei dem Gerichtspräsidenten von Horgen geltend zu machen, so ist dieser Umstand nicht geeignet, ein von Anfang an inkonstitutionelles Verfahren zu rechtfertigen.

2. Büxgerrecht.

11.. Jm Jahr 1^5^ hat Hr^ Arzt O e t t i n g e r , Bürger von Welschenrohr, wohnhaft in Snbingen.., Kantons Solothurn, mit der Magdalena Schl.äppi von Lenk, Kantons Bern, ansserehelich einen Knaben erzeugt und die Vaterschaft desselben anerkannt. Die beabsichtigte Vereheliehung war einstweilen noch n.cht moglieh, wesshalb das Amtsgericht Laupen zur Standesbestimmung des Kindes sehreiten mnsste. Dasselbe wurde der Mutter ^gesprochen:. der Vater übernahm freiwillig die Alimen-

tation. Jm Jahr 1854 erfolgte die ^erehelichung der Eltern; im Jahr 1856 starb die Mutter. Seither waltet Streit zwischen den Gemeinden Welsehenrohr (Solothurn) und Lenk ^Bern) über des Bürgerrecht des erwähnten Knaben. Die Gemeinde Lenk , sowie die Regierung von Bern und der Vater stehen in der Ansieht, er sei per .^...bsequens m.^trimonmm legitimirt und dadurch Bürger von Welschenrohr geworden. Auch die Regierung von Solothurn neigt sieh im Hinblik auf ^ .^06 des solothurnischen Eivilgesezbuches dieser Ansicht zu. Die Gemeinde Welschenrohr

dagegen weigert sieh dessen, weil die Schläppi zwei Mal außerehelich ge-

boren habe ^ ^89, E. G. B. Rr. 3 und 9) und weil die Vaterschaslsanerkennung durch Oettinger nach ^ 297 E. G. B. nicht zulässig, da sie aussergeriehtlich gemacht worden sei, während nach dieser Vorschrift die freiwillige Anerkennung v o r der Geburt des Kindes vor dem Richter, oder ein gerichtliches Urtheil von ^eite des kompetente.. ...^olothurnex Richters ersorderlich sei.

Da unter diesen Umständen sür den sraglichen Knaben , der bei seinem Vater in .^ubingen sich befand , keine Legitimationspapiere beige^ bracht werden konnten, so wurde er ausgewiesen , worauf der Vater mit dem Gesuche an den Bundesrath gelangte, dass diese Angelegenheit als Heimatloseusaehe behandelt, oder nach Art.^ 101 der Bundesversassung als ei.. Streit zwischen den Regierungen von Bern und Solothurn an das Bundesgerieht gewiesen werden mochte.

Der Bundesrath hat jedoch am 8. ^ebruar 1864 beide Gesuche aus folgenden Gründen abgewiesen :

1. Das Bundesgesez, betreffend die Heimatlosigkeit, kann nicht in Anwendung kommen, da der betreffende Knabe, Karl Ferdinand Eugen, nicht heimatlos, sondern unbeftrittenermassen Bürger des Kautons Bern ^ist.

2. Auch der Art. 101

der Bundesverfassung trisst nicht ^u, indem

Bunde.....^. ^ahrg.^lI. Bd. II.

.l3

^

160

kein Streit zwischen den Kantonen Bern und Solothurn über das Heimatrecht des fraglichen Knaben waltet, und es dem Bundesrathe um so weniger zusteht, die Regierung von Bern zu veranlassen, als Klägerin vor Bundesgericht gegen die Regierung von Solothurn zur bürgerlichen Anerkennung desselben aufzutreten, da sie offenbar von einem solchen Brozess nichts wissen will.

3. Der Entscheid über die Frage einer spätern Statusänderung --^ ob nämlich der fragliche Knabe durch die nachfolgende Verehelichung des Vaters mit der Mutter desselben legitimirt und Bürger von Welsehenrohr, Kantons Solothurn, geworden sei - steht einzig den kompetenten solothurnischen Behörden zu, indem die .Auslegung und .^lnwendnng von Gesezen ausschliesslich in den Bereich der kantonalen Kompetenz gehört.

4. Wenn der Gemeindrath von Welsehenrohr und die Regierung des Kantons ^olothurn die Anwendbarkeit des ...lrt. 306 des bürgen lichen Gesezbuches aus den vorliegenden Fall bestreiten , so steht es dem Rekurrenten immerhin zu , die richterliche Hilse anzurufen , ....ie es ihm bereits schon durch die Regierung von Solothurn verdeutet worden ist.

3.

G l e i c h s t e l l u n g der R i c h t k a n t o n s b ü r g e r .

.

.

.

.

Jm

..^e.ht.

12. K a t h a r i n a W e n g e r , geb. G a b e l e , Ehefrau des Jakob Wenger von Thierachern, Kantons Bern , hatte vor ihrer Verehelichung m Basel ein Wohnhaus mit einer Barzelle Land gekanst. Wenger gerieth bald in Konkurs. Heinrich Fifcher, Sehreiner, in Basel machte in diesem Konkurse eine Forderung ans Darlehen an die Ehelente Wenger im Betrage von Fr. 6000 und, gestüzt anf eine notarialifche Obligation vom 28. Rovember 1860, ein Bfandrecht ans das oben erwähnte Hans und Grundeigentum der Fran Wenger geltend. Der Vogt der leztern trat jedoch gegen Fifeher als Kläger auf mit dem Reehtsbegehren , dass jene Obligation gegenüber der Klägerin als ungültig erklärt werde, weil diese weder vor, noch bei der Unterzeichnung der Obligation durch einen Beistand berathen worden, und weil der als angeblicher Beistand untere zeichnete Heinrich Krauss von Griesheim, Grossher^ogthum Baden, bei der Unterzeichnung nicht zugegen, übrigens kriminalisirt gewesen sei. Raeh ^ 505 der Gerichtsordnung falle daher die Unterschrist ^ahin.

Die beiden Jnstanzen des Kantons Basel-Stadt haben diese Klage abgewiesen, und zwar übereinstimmend gestüzt anf folgendes Hauphuotiv : Die aus der formellen Mangelhaftigkeit abgeleitete Einwendung erseheine

darnm als unerheblich, weil zur Zeit der Aussertignng des Aktes gesezlich nicht festgestellt gewesen sei, dass f r e m d e Ehefrauen bei Verpsändnng ihres Eigenthums eines Beistandes bedürfen, und Kläger auch nicht dar^

16t gethan, dass die Verpsänderin nach ihrem heimatlichen Rechte eines solchen bedurft habe.

Gegen diese beiden Urtheile hat der Vogt der Frau Wenger an den Bundesrath rekurrirt und die Suspension der bereits angesehen Versteh gernng der fraglichen Liegensehasten verlangt, welchem Gesuche entsprochen wurde. Die Eivilgerichtsämter von Basel^Stadt nahmen jedoch Veranlassuug , hiegegen formlich zu protestiren, als gegen einen unzulässigen Eingriff in den kantonalen Rechtsgang in einer dnreh die kompetenten Gerichte definitiv abgeurteilten , rein internen Eivilreehtssache.

Jn materieller Beziehung wurde der Rekurs damit begründet , dass Frau Wenger als Beruerin dnrch jene Urtheile nicht gleich gehalten worden sei , wie eine Baslerin nach ^ 5l)5 der Stadtgeriehts^Ordnung von 1719 gehalten werden müsste. Darnach sei zur Uebernahme einer Mitschuld nnd zur Verpfändung der Liegenschaften einer Ehesrau die Mitwirknug eines rechtsgültigen Beistandes erforderlich Das Gesez mache keinen Unterschied ^wischen Einheimischen und fremden, was übrigens nach Art 48 der Bundesverfassung unzulässig wäre. Das Gesez von 1719 gelte jezt noch, und es sei unrichtig, wenn die Urtheile vermuthen lassen, dass durch ein späteres Gesez Gleichstellung der sremden mit den baslerischen Frauen ausgesprochen worden sei.

Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat in der Rekursbeant.vortung dür.h seinen Präsidenten , Hrn. Dr. Angust La Roche ,

weitläufig die Uuabhäugigkeit der Gerichte von den Vollziehungsbehorden im Allgemeinen und ..^r Basler kantonalen Gerichte gegen die Eingriffe

des Bundesrathes insbesondere vertheidigt. Weder Art. 90, Ziff. 2, noch Art. 74, Ziff. 8 nnd 15 der Bundesverfassung legen der obersten Voll^iehungsbehorde der Eidgenossenschaft ein Recht bei, das keine kantonale und keine auswärtige Regierung in ihrem Lande besi^e. Es sei nicht erlaubt, auf dem^Wege der Jnterpretatiou die durch Art. 3, 5, Art. ^4.

Ziff. 14 und Art. ....0, ..^ff. 13 der Bundesverfassung den Kantonen ausdrüklich garantirten Gebiete zu überschreiten. Der ^ 38 der Kan-

tonsversassnug gebe dem Appellatiousgeriehte die .^tellnug als hochste

Instanz des Kautons. Es sei somit jeder Reknrs gegen Urtheile des^ selben verfassungswidrig. A^ch der Bundesrath müsse gemäss der eidg..

Garantie je^e Verfassung respektireu.

Jm ^pe^ialsalle handle es sich zunächst darum , ob das Recht.

.^ der Heimat oder dasjenige des Wohnortes der Niedergelassenen zur^ Anweuduug komme. Das Appellationsgerieht habe schon in srühern.

Urtheilen für lezteres sich ausgesprochen , wofür aueh spreche der

Entscheid bei Ullmer Rr. 105.

Wenn der Richter die Verbeistän-

dung als eine ^ormalit.it betrachte, so binde das Gesez des Domizils alle Brauen. Ju diesem ^aue wäre die klägerische Behanptnng begründet. Betraehte aber der Riehter die Verbeiständung als eine Stellvertretung der zeitweilig snspendirten Bevogtung, so sei klar, dass nur

162 da, wo Bevogtung eintrete, auch ......erbeiständung erforderlich sein könne.

Das .^ppellationsgericht sei der leztern Ansfassnng beigetreten. Es sei

zu der Ansicht gelangt, dass bei Rechtshandlungen solcher Frauen, denen in Basel keine Vogte gese..t werden, auch Verbeiständung nicht geordert werden könne; dass vielmehr für niedergelassene unbepogtete Frauen die volle, keiner Beschränkung unterworfene Handlungsfähigkeit anzunehmen sei; woraus weiter folge, dass die Mitunterschrist eines dennoch beigezogenen Beistandes als überflüssige Vorsiehtsmassregel anzusehen sei.

Die angefochtenen Urtheile stehen nicht im Widerspreche mit der StadtGerichtsordnung. Die Gleichheit vor dem Geseze sei im Art. 4l, Ziff. 4 der Bundesverfassung nur von den Gesezen und Verordnungen der Kantone gefordert. Es sei daher unzulässig , aus den Richter ^u beziehen , was die Bundesverfassung vom Gesezgeber verlange.

Der Bundesrath hat mit Entscheid vom 2.). Juli 1864 den Rekurs begründet erklärt und die angefochtenen Urtheile ausgehoben.

Erwägungen lauten wie folgt :

Die

1. Die Einrede, es stehe dem Bundesrath nicht zu, ein rechtskräftiges kantonales gerichtliches Urtheil aufzuheben, ist in so weit begründet, als die Bnndesbehorden allerdings nicht kompetent sein konnen, ein solches Urtheil vom Standpunkte der kantonalen Gesezgebnng aus einer ^rüfnng zu unterwerfen und zu entscheiden, ob dieselbe richtig oder unrichtig angewendet sei.

2. ^Inders gestallet sich aber die Sache, wenn durch ein solches Ur^.

theil eidgenossische Vorsehristen, und namentlich Bestimmungen der Bundesverfassung verlezt werden; denn die Gerichte befinden sich der Bundesverfassung gegenüber in keiner privilegirten Stellung im Verhältniss zu den Regierungen , sondern sie haben in ihre.u Geschäftskreis den Bestimmungen der Bundesverfassung und den durch sie begründeten Kompetenzen der Bnndesbehorden eben so gut ^olge zu geben, wie alle andern Behorden.

3. Es liegt nicht nur in der Besuguiss , sondern in der pslichtigen Stellung des Bundesrathes, über genaue Beaehtung der Bundesversassung ^u wachen, weil die Handhabung derselben unter der Aussicht und Garantie der Bundesbehorden steht, daher auch uach der Ratur der ^ache, naeh konstanter Vra^is und nach mehrfachen .

Entscheidungen der eidgenossischen Räthe die Bnndesbehorden sieh jeweilen kompetent erklärten , Versügnngeu der gesezgebenden , administrativen oder gerichtlichen Behorden aufzuheben, welche mit dem Bundesstaatsrecht im Widerspruch stehen.

4.

Es fragt sich also ein^g, ob dnrch die angefochtenen Urtheile wirklich Vorschriften der Bundesverfassung verlebt worden seien.

163 wie die Beschwerde behauptet, welche Frage unbedingt bejaht werden muss, indem aus der Haupterwägung des Urtheils hervorgeht , dass die Gerichte nur darum so geurtheilt haben, weil Frau Wenger nicht Angehörige von Basel^.Stadt ist, und dass ein anderes Urtheil ausgesagt worden wäre, wenn im Brozess eine Kantonsangehorige am Recht gestanden hätte.

5. Dieses verstosst sieh aber gegen den Art. 48 der Bundesverfassung, welker den Saz ausstellt, dass wenn auch nicht ein nnd dasselbe Recht in der ganzen Schweiz gelte, doch wenigstens alle Schweizer in jedem Kanton nach dem gleichen Rechte wie die eigenen Bürger behandelt werden müssen. Es ist daher mit dem Sinn und Zwek des allegirten Artikels unvereinbar, ganz verschiedenes Recht auf Jemanden anzuwenden, ob er diesem oder jenem Kanton angehore.

13. Der auch hieher gehorige Rekurs von J. A. E h e v a l i e r und K o n s o r t e n , Gläubiger des Dauses B o r n a n d und Eomp. in

St. Eroir^ ^Waadt), betretend Verlegung des Brinzipes der Gleichheit

vor dem Geseze im Konkurse Bornand zu Gunsten der waadttändischen

Kantonalbank befindet sich im Bundesblatt 1864, lll, S. 80. Dieser Rekurs wurde an die Bundesversammlung gezogen, von dieser aber ebenfalls verworsen. Siehe Berichte der Kommissionen im Bundesblatt 1865,

l, S. 5 und 12.

14. Die Regierung des Kantons Aargau machte die Mittheilung, dass die S t r a f e der K a u l o n s v e r w e i s u n g gegenüber von kantonsfremden Schwei^erbürgern , im Kanton Aargau , als mit Art. 48 der Bundesverfassung im Widerspreche stehend, ausgehoben worden sei, während sie in andern Kantonen, namentlich in Bern und Lu^eru, noch angewendet werde. Sie wünschte , der Bundesrath mochte auch in diesem Bunkte eine gleichmässige Vollziehung der Bundesverfassung ^u erwirken suchen.

Es wurde jedoch der Regierung von Aargau geautwortet, die Kantousverweisung sei an sich, weder als selbstständige Strafe, noch als Strass.härsung, oder als Strasumwaudlung, im Widerspruche mit Art. 48 der Bundesverfassung, sondern nur dann, wenn sie nach emem kantonalen Geseze bloss gegen kantonssremde Schweizer verhängt werden konne. Es müsse daher diese ...^trafart in einem speziellen ^trasgeseze eutweder ganz wegsalten, oder sie müsse gegen Kantons- und ^ehweizerbürger gleichmässig anwendbar sein.

Diese Grunds^e ^.ien mit Bezug ans Boli^eivergehen schon lange

festgestellt (Ullmer Rr. 2l2, 213, 214), während mit Rülsicht ausKri-

minalverbrecheu eine derartige Regel nicht als Bedürfniss erschienen sei, da mit Hinsicht ans diese derRiederlassungska..tou im ^lrt. 41 der Bundesverfassung de.. rechtlichen Boden sur den Entzug des Aufenthaltes anf polizeilichem Wege finden würde.

164 Was speziell den Danton Bern betreffe, so sei bekannt, dass hier die Verweisung sowohl gegen die eigenen Bürger, als auch^ gegen die Bürger anderer Kantone angewendet werde. Wenn dagegen im Danton .Luzern, oder in irgend einem andern Danton ungleich verfahren würde, so konnte der Bundesrath nur auf Beschwerde im einzelnen Falle eintreten und nach Untersuchung der Verhältnisse seinen Entscheid geben.

15. A u g u s t M o r i n i und F r a n z B e r n a s e o n i , Maurer aus dem Kanton Hessin, sind wegen Amtsehrverlez..ng von dem korrektionelien Gerichte zu Boudr^, Kantons Renenburg, in Anwendung vom Art. ^4

^ 1. und Art. 22 des Code .^n.^l zu 30 Tagen Gefangenschaft, znr

Bezahlung der Kosten nnd zu 10 Jahren Verweisung ans dem Kanton verurteilt worden. - Sie rekurrirten an den Bundesrath und verlangten Kassation dieses Urteils, weil die Kantonsverweisung nach Art. 21 und 22 des neuenburgis.hen Strasges^es , ans denen jenes Urteil beruhe, gegen Bürger des Kantons Renenburg nicht anwendbar, also mit Art. 48 der Bundesverfassung im Widerspruche sei.

Der Staatsrath des Kantons Renenburg hat hieraus geantwortet, dass die Artikel 2l und 22 des Strafgesezbuches nicht mehr in ihrem ursprünglichen Wortlaute in Kraft seien ; vielmehr sei aus eine Einladung des Bundesrathes (siehe Reknrsentscheid in Sachen Joseph Dnss aus dem Kanton Ludern) dureh Dekret des Grossen Rathes vom 22. Juni 1860 jeder Unterschied zwischen Reuenburgern und niedergelassenen Schweizern aufgehoben worden. Wenn schon Art. 22 in diesen.. Dekrete nicht aus.^.

drüklich zitirt sei , so unterliege es doch keinem Zweisel , dass das im Art. 21 aufgestellte Brinzip anch für den Art. 22 gelte; er sei auch

seither in diesem ^..i.me angewendet worden.

Wesentlich gestüzt ans den Jnhalt dieser Erklärung wurde der Re-

kurs am 2..). Jnni 1864 abgewiesen.

o. S ^ n e r w e s e n .

16. Frau W i t w e Bändiger, geb. L a R i e e a , von St. Gallen,

ist seit 1. August 1862 mit ihren drei Kindern in Ehur niedergelassen, während ihr nur in .Kapitalien bestehendes Vermogen an ihrem Heimatsund frühern Wohnorte St. Gallen unter vormundschaftlicher Verwaltung steht. Frau Bändiger und ihre Kinder wurden daher sowohl in Ehnr als in St. Gallen für die Staats- und Gemeindesteuern belaugt, wo^egen sie und der Vogt der Kinder Einspraehe machten. Die Verhandlungen zwischen den beiden Kantonsre^ieruugen flirten ^u keiner Verständigung, woraus jene bei dem Bundesrathe si^ beschwerten und einen Entscheid des hier bestehenden Konfliktes zwischen zwei kantonalen Gesezgebnngen verlangten, indem nach bnndesrechtlicher Vrar^is eine Doppelbesteurung unzulässig sei.

Die .Regierung von Graubünden begründete nnn ihr .^tenerreeht damit, dass nach dortiger Gesezgebnng alle im Kanton Niedergelassenen

165 ^ ihr gesammtes Kapitalvermögen, sowie für Erwerb resp. Einkommen steuerpflichtig seien. Das gleiche Brinzip sei auch in der Gesezgebnng des Kantons St. fallen ausgesprochen. Graubünden habe aber hier das bessere Recht, weil Frau Bänziger faktisch dort wohne und niedergelassen sei.

Die Regierung von St. Gallen beftritt zunächst, dass nach dem neuern Bnndesrechte Doppelbestenrungen unzulässig seien. Der Umstand, dass die Bundesversammlung den Gesezesentwurs betreffend Ordnung und Ausscheidung der Kompetenzen in den interkantonalen Riederlassungsverhältnissen verworfen habe, spreche gegen jenes Prinzip. Wenn aber auch .die Unzülässigkeit von Doppelbesteurnngen ausgesprochen werden wolle, so stehe doch im konkreten Falle dem Kanton St. Gallen das bessere Recht zu. Es entspreche der Ratur der Sache besser, dass das Bestenrnngsrecht demjenigen Kanton zustehe, der das Vermögen vormundschaftlieh verwalte uno die Verantwortlichkeit für diese Verwaltung trage ; auch werde die Vermögenssteuer, um die es sich handle, nicht von der Berson, sondern von dem Vermögen bezogen. Zudem haben die Bevormundeten für alle Verhältnisse , . die ihr Vermögen beschlagen , nur da ihr rechtliches Domizil, wo dieses Vermögen vormundschastlich verwaltet werde. Jhre Niederlassung mit den wesentlichsten rechtlichen Konsequenzen danre stets am Orte der Vormundschast fort; an einem andern Orte könne sie nur eine höchst unvollkommene sein.

Der Bundesrath hat am 4. Mai 1864 in Erwägung gezogen.

1. Die Gesetzgebung über das ^tenerwesen fällt unzweifelhaft in den Bereich der Kantonalsouveränität, und der Bund hat nur da seine Jntervention eintreten zu lassen, wo ein Konflikt zwischen ^wei Kantonalgesezgebungen diese Lösung verlangt .

2. dieser Fall ist hier vorhanden, da der Kanton Granbünden alle Kantonsein.vohner der kantonalen Vermögenssteuer unterwirft, und zwar von allen ihren in oder ausser dem Kanton befindlichen Kapitalien, während St. Gallen alles im dortigen Kanton liegende , unter Vormundsehast stehende Vermögen steuerpflichtig erklärt ; 3. beide Kantone machen daher ihr Recht auf die Befteurung des ganzen, der Witwe Bänziger und ihren Kindern zugehörenden Vermögens geltend, welche aber diese Doppelbesteuerung sieh nicht wollen gelassen und nach der neuern bundesrechtlichen Vra^is sieh auch nicht gefallen lassen müssen ; 4. somit fragt es sich einzig, welchem der beiden Kantone das besser^ Besteurungsrecht auf das bewegliche^ Vermögen der Rekurrenten zustehe, ob dem Riederlassungskanton Graubünden, oder dem Heimatkanton St. Gallen , wo ^.gleich das unter vormnndschastlichex Verwaltung stehende Vermögen liegt ; 5. diese. Frage mnss im Einkiange mit den, diese Materie beschlagenden

166 neuern Beschlüssen der Bm.desbehorden ^u Gunsten des Rieden lassungskantons entschieden werden, indem diese von der Rechtsansteht ausgehen, dass das bewegliche Vermögen, abgesehen von den sonstigen bürgerlichen und zivilrechtliehen Verhältnissen der Bevormundeten, hinsichtlich der Besteurung den Gesezen des Kantons unterworfen sei, wo der Eigenthümer sein wirkliches Domizil hat; --- und daher b e schl o s s e n : Es stehe die Berechtigung zur Besteurung des beweglichen Vermögens der Rekurrenten während ihrer Niederlassung dem Kanton Graubünden

zu, und es liege dem Kanton St. Gallen die Verpflichtung ob, sich

während dieser Zeit einer gleichartigen Doppelbestenrung jenes Vermögens zu enthalten.

17. Der Entscheid des Bundesrathes in Sachen der Frau Bändiger..

La Rieea hat die R e g i e r u n g des K a n t o n s St. G a l l e n veranlasst, die Gemeinderathe anzuweisen , auch alles übrige , auswärts niedergelassenen Kantonsbürgern zugehörige und unter St. Gallischer Vormundschast stehende bewegliehe ^ermogen der Besteurung zu entlassen , wenn es am Orte der Niederlassung in solche gezogen werde, ungleich aber auch das bewegliehe Vermogen von Niedergelassenen, das in ihren Heimatskantonen unter Vormundschast stehe und bis jezt noch nicht auf die St. Gallischen Steuerregister getragen gewesen, auf diese einzutragen und zu besteuern.

Hieraus ist ein Konflikt zwischen den Kautonen St. Gallen und Appenzell .^l. Rl... entstanden, indem ein J o h a n n e s ..^..blapfer in Rehetobel, Kautons Appenzeli A.Rh., verbürgert und daselbst bevogtet, aber niedergelassen iu der Gemeinde ..^ablat, Kantons ......t. Gallen, an lezterm Orte besteuert wurde, während die Behörden von Appenzell A. Rh. sich weigerten, diese Steuer zu bezahlen : Sehläpser müsse bereits an seinem Heimatsorte die Steuern bezahlen, da naeh dem ^tenergesez von ...lppenzell A. Rh. ans dem Jahr 18.^5 das bewegliche Vermogen bevogteter Versonen am Orte der ..^er.valtung versteuert werden müsse.

Die diesfällige Besehwerde der Regierung von St. Gallen ist am 16. Sept. 1864 in gleicher Weise entschieden worden, wie der Rekurs in Aachen der ^rau Bänziger^.La Rieea , und zwar wesentlich aus den gleichen Gründen.

18. Herr Karl B a r i s in Eoneise, Kantons Waadt, versteuert sein bewegliches Vermögen im Kanton Waadt, wird aber im Kanton Reuenburg für die Steuer von einem aus dortigen .Liegenschaften grund-

pfändlich versicherten Kapital belangt, indem nach der Gesezgebung des

Kantons Reuenburg (Art. 4 und 5 des Gesezes betreffend die direkten Steuern) der Schuldner die ans seinen Liegenschaften hastenden Bsandschulden von dem Werthe derselben abziehen kann , wogegen die Kreditoren

167 dieser Kapitalien die Steuern bezahlen müssen, auch wenn sie ausser dem Kantone wohnen.

Die von Herrn Baris gegen dieses Versahren , als gegen eine Art Doppelbesteurung , bei dem Bundesrathe erhobene Beschwerde ist am

28. Oktober 1864 begründet erklärt worden, gestüzt auf folgende Er-

wägungen : 1. Es liegt im gegenwärtigen Falle eine Doppelbesteurung des nämliehen Guthabens vor, wie aus der Vergleichung der waadtländischen mit der neuen burgischen Gesezgebung klar erhellt.

2 . Die Bundesversammlung hat sich wiederholt, insbesondere im Falle

Dürr, gegen die rechtliche Zulä^igkeit solcher Doppelbesteurungen

ausgesprochen.

3. Bei dem vorliegenden Konflikte zwischen zwei Kantonalgesezgebungen

muss daher gemäss Art. 74, Ziff. 16 und Art. 90, Ziff. 2 der

Bundesverfassung vom Bunde entschieden werden , welchem der beiden Kantone das bessere Recht zustehe.

4. Obschon eine positive Gesezgebung für Entscheidung derartiger Konfliktsälle noch mangelt, so ist doch von der Bundesversammlung, in Aussührung des Art. 3 der Bundesverfassung , im genannten Falle Dürr dahin entschieden worden , dass für die Versteurung des beweglichen ..^ermogens derjenige Kanton, in welchem der Eigenthümer desselben domieilirt ist, als besser berechtigt angesehen werden müsse.

5. An dieser Brar^is ist bis zu einer gesezliehen Ordnung dieser Verhältnisse festzuhalten, zumal sie aus einem rechtlieh klaren und praktischen Grundsaze beruht, und es ist somit im Spezialsalle für das Befteurnngsrecht des Kantons Waadt zu entscheiden ; beschlossen : Es sei Rekurrent gehalten , sein im Kauton Reuenburg gelegenes Guthaben im Kantone Waadt ^u versteuern, und es haben sieh demznsolge die neuenbnrgisehen Behorden der Besteurung dieses Guthabens zu enthalten.

19. Die Einwohnergemeinde F ü l l e n s d o r f , Kantons Basel.Lands ...hast, hat die Erhebnn^ ei..er ^lrmensteuer und deren Verlegung auch aus die Einsassen Niedergelassenen) beschlossen, wogegen 19 niedergelassene Schweizer, welche in der Gemeinde Grund- und Kapitalwerth besten, sich auflehnten, allein sowol pon der Regierung als von dem .Landrathe des Kantons Baselland abgewiesen wurden. Sie rekurrirten an den Bundesrath, gestüzt daraus, dass nach. Art. 41 der Bnndesverfassung die Riederlassungsgemeinde nicht verpflichtet sei, Armenunterstü^ung zu gewähren; die Niedergelassenen seien daher auch nicht verpflichtet, zur Unterstüzung der Bürger beizutragen , und ^war um so weniger, als Einzelne auch von ihren Heimatgemeinden sür Armensteuern belangt werden, wodurch eine unzulässige Doppelbesteurung entstehe.

^

168

Der Bundesrath hat am 23. Mai l 864 diesen Rekurs abgewiesen.

gründe :

1. Die Belastung des Grundeigenthums mit Staats- oder Gemeindesteuern gehort in den Bereich der Kantone, und ein Einschreiten der Bundesgewalt ist nur dann zulässig, wenn Bestimmungen der Bundesverfassung, z. B. über gleiche Behandlung der Angehorigen und Niedergelassenen verlezt werden oder die Bestenrung mit den Vorsehristen der Kantonsversassung im Widerspruche stehen würde, was aber hier nicht der Fall ist.

2. Art.. 41, Ziff. 1, Lut. c und Ziff. 6, Litt. l^ ze^gt, dass kein Kan-

ton schuldig ist, den Niedergelassenen Armenunterstü^nng zu geben, weil die Gleichheit der Rechte sich offenbar nicht auf ökonomische Ansprüche an das Vermogen eines andern Kantons ausdehnt.

3. Der Umstand, dass Einzelne der Rekurrenten auch vom Heimatkauton sür Armenfteuern (übrigens schwerlich vom ^..rnndeigenthum) angesn^t werden, kann den Riederlassungskanton nicht hindern, das Stenerwesen bei sich nach seinem Ermessen einzurichten.

Dieser Beschlnss (Bundesblatt 1864, Il, 137) wnrde an die Bundespersammlnng rekurrirt und von der Lederen bestätigt. (Bundesblatt,

eit., 333.)

20. Herr Karl Salomon W e b e r , von Veltheim, Kantons Aargau, war längere Zeit niedergelassen in Bern, inoess er unter aarganischer Vormundsehast stand. Als er im Oktober 1861 zu Bern starb, lag der grossere Theil seines bloss beweglichen Vermögens in der Hand der Vormundschastsbehorde von Veltheim, den kleinern Theil hatte er unter seiner direkten Verwaltung. Seine Erben waren di^ Kinder seines vorverstorbenen Bruders, welche ebensalls in Bern wohnen, wo sie in^wischen das Bürgerrecht erworben haben. Die aargauisehen Behorden forderten und erhielten die Erbschastsstener von ^em im Kanton Aargau gelegenen Vermogen mit Fr. 335. 43 Rp. Von dem in Bern gelegenen Vermogen ....urde dieErbschastsstener ebenfalls unbeanstandet an Bern befahlt. ^ Dagegen forderte der b^.rnische ^iskns auch seinerseits die gleiche Steuer von dem im Kantone Aargau gelegenen Vermogen, wogegen die Gesehwister Weber sich beschwerten, weil nach ^ 11 des bernischen Eivilprozesses bevormundete Versonen den Wohnsi^ ihres Vormundes haben, die fragliche Erbsehast somit im Kanton Aargau angesallen und das bernische Erbsteuergesez von 1852 nicht anwendbar sei; ferner, weil nach ^ 3 des Konkordates vom 15. Juli 1822 die Jntestatverlasfenschaft eines Niedergelassenen nach seinen heimatliehen Gesezen behandelt werden müsse, und

endlich, weil naeh dem Territorialprinzipe der bernische Fiskus jedenfalls

nur von dem im Kanton Bern angefallenen Theile der Erbsehaft die Erbstener beziehen konne.

Die Regierung von Bern entgegnete, dass hier einzig der wirkliche

169 Wohns^ der Steuerpflichtigen entscheidend sei, nach dem Grundsaze : mo^ bilia o.^hu.^. mh.^rent. Die Bevogtung bewirke keine Ausnahme , d....

sie nur aus eivilxechtliehe, nicht aus osfentliehe Verhältnisse sich beziehe.

Uebrigens sei die Bevogtung, dem .Konkordate von 1822 zuwider, den Behorden von Bern nicht angezeigt worden. Das .Konkordat über Erbverhältnisse komme nicht ^ux Anwendung.

Mit Entscheid vom 31. Dezember 1864 ist die Beschwerde der Geschwister Weber abgewiesen worden aus folgenden Gründen : 1. Die Gesezgebung über das Steuerwesen fallt unzweifelhaft in den Bereich der Kantonalsouveränität, und der Bnnd hat nur da seine Jntervention eintreten zu lassen, wo ein Konflikt ^wischen ^wei Kantonalgese^gebungen diese Losung verlangt.

2. Das Konkordat vom 15. Juli 1822 findet hier keine Anwendung, da der Sinn und Zwek desselben nur dahin geht, die Gesezgebung und das Forum bei streitigen Ansprüchen an eine Erbschaft zu bezeichnen. Hier liegt aber kein Erbstreit, sondern ein Steuerstreit vor.

3.

Nachdem die Bundesversammlung im Rekurse Dür den Grnndfaz ausgestellt hat, es dürse die Erbschaftssteuer vom Rlederlassungskantone zwar vom gesammten bewegliehen Vermogen des Erblassers erhoben werden, nicht aber von den in andern Kantonen gelegenen Liegenschaften, hat der Bundesrath im Reknrsfalle der Elise Braun

(s. Buudesblatt 1863, Bd. l, .^. 462 und Bd. H, ^. 51) diese

Grundsäze ^nr Anwendung gebracht.

4.

Da laut Jnventar das hinterlassene Vermogen des Erblassers nicht in Grundeigentum, sondern nu^ in baarem Gelde und Werth-

schristen besteht, so ist der Wohnstzkanton berechtigt. die Erbschaftsteuer vom gesammten Vermogen zu beziehen.

5.

Es fragt sich somit nur noch, ob durch die über den Verstorbenen verhängte Vormundschast sein rechtlicher Wohnsiz in den Kanton Aargau, den Wohnort des Vormundes, verlegt worden sei.

6. Diese Frage ist aber zu verneinen : a . ^ weil entgegen ^em Konkordate vom 15. Juli 1822 den Behorden des Wohnortes des Verstorbenen keine amtliche Kenntniss von der Vormundschaft gegeben wurde ; b.

weil die angerufene Bestimmung des bernischen Brozessgefezes, naeh welcher bevormundete Bersonen den Wohnsiz ihres Vormnndes haben, nicht auf Fragen des öffentlichen Rechtes und interkantonaler Verhältnisse ausgedehnt werden darf.

170 4.

a.

G e r i ch t s st a n d.

..^es

W

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n or

.es.

2l . Unter den Auspizien der l^.^qne générale scisse in Gens ist für den Ankauf und Betrieb der I)..^illerie .^t. Triphon hn Kanton Waadt eine Gesellschaft gegründet .Borden, deren Domizil nach ^en Statuten in Gens sein sollte. Diese Gesellschast beschloss, eine Bapierfa.^ik zu bauen, wovon die Herren Advokat E ^ t e l in .Lausanne und S^ndie B ite. in .Lave.,.

die Aussührnng übernahmen.

Die Banque ^.nér.^e übernahm durch Vertrag, die nothigen Gelder monatlieh zu liesern. Diese blieben jedoch aus, worauf die Herren E.^tel und Bitet aus das ganze Vermogen der Gesellsehast St. Triphon im Kanton Waadt einen Sequester auswirkten.

Die Verwaltung dieser Gesellschaft war hiermit einverstanden , dagegen beschwerte sich die Administration der l^qne ^éner^le suisse (gr^sster Kreditor der Gesellschaft St Triphon) und verlangte vom Bundesrathe die Aufhebung des Sequesters, weil nach Art. 50 der Bundesverfassung

die Gesellschaft in Gens ^u belangen sei.

Der Bundesrath ist jedoch auf diese Beschwerde nicht eingetreten , weil Art. 50 der Bundesverfassung eine Schnzn.ehr sür den S c h u l d n e r bilde , damit er nicht gegen seineu Willen dem natürlichen Richter entzogen werde; hier sei aber die Schulduerin mit der angefochtenen Massregel einverstanden. wenn daher die Rekurrentin, als Kreditorin

der Distillerie .^t. Triphon, sich gefährdet glaube, so habe sie ihre Ein-

wendungen bei den kompetenten Gerichten des Kantons Waadt und nach Anleitung der dortigen Geseze zn machen. (23. Rovember 1864.)

22. Das Haus B r e i s w e r k uud S o h n in Basel hat vor dem Bezirksgerichte Bellinzona, Kantons Tesfin, gegen die Firma Johann Anton Janeh in Bellinzona eine Klage erhoben aus Bezahlung von

2030 Fr. 15Rp., als Schaden auf acht während des Transportes von

Basel nach Mailand avarirten Baumwo^lballen. Kläger beries sieh unter Anderm daraus, dass die Firma Jauch unterlassen habe, in Bellin^ona zu konftatiren, dass die Schädigungen aus dem Wege von Flüelen

bis Bellinzona, d. h. während des Transportes durch die Firma Müller

..^ Ele. in Altdors entstanden seien , während die Beklagte eine Verpflichtung hie.,u bestritt und entgegnete, es sei Uebung, diese Verifikation aus der Gren^ollstätte vorzunehmen. Die Zivilkammer des Appellationsgerichtes des Kantons Tessin hat diese Zwisehensrage erheblieh gefunden und am 11. September 1863 die ^ache an die erste Jnftanz ^urükgewiesen, weil, bevor das Gericht sich darüber ansspreehen konne , ob wirklieh (wie das Haus Breiswerk behauptete) durch die erwähnte Unterlassung von Seite der ^irma Jauch die Klage gegen Müller ..^ l^e. untergegangen sei, die Herren Müller aneh im jezigen Brozesse gehort werden n^üssen.

Es wnrde daher beschlossen, diese seien^von Amtes wegen vor Gerieht zu

17^ rufen und es sei dann der Brozess vereint zwischen allen interessirten Parteien vor Bezirksgericht Bellinzona fortzusein.

Jn Folge dessen sind die Herren Gebrüder Müller ^ E^ in Altdors nach Bellin^ona vorgeladen worden , wogegen sie jedoch protestirten , und nachdem sie eontumazialiter vorgeladen und verurteilt worden waren , unter Berusung aus Art. 50 der Bundesverfassung an den Bundesrath xekurrirten.

Das Bezirksgericht Bellinzona und der Präsident des obersten Geriehtshofes des Kartons Hessin rechtfertigten dieses Versahren durch den tessinischen Zivilpro^ess. Das Gericht habe die Jntervention der Gebrüder Müller von Zimtes wegen verlangt, weil es ste zur Ausklärung im Brozefse Breiswerk und ^auch nothig gefunden habe. Der Art. 50 der Bundesverfassung konne nicht so verstanden werden, dass eine notwendige Jntervention ausgeschlossen und eine Klage in zwei getheilt würde, obschon sie aus den gleichen Gegenstand sich beziehe und vom gleichen Richter beurtheilt werden konnte. Die Kompetenzeinrede sei nicht in gehöriger Form ^nämlich vor dem Richter) geltend gemacht worden und habe dess-

halb nicht berükstchtigt werden können.

Der Bundesrath hat in seinem Entscheide vom 20. April 1864 in

Erwägung gezogen :

1. Die Klage des Hauses Breiswerk und Sohn in Basel gegen die .

Firma Johann Anton Jauch in Bellinzona ist aus Ersaz von ^.ehaden gerietet, den einige Kausmanns.^aaren aus dem .^ransporte erlitten haben; diese Klage hat somit eine rein personliehe Forderung znm Gegenstand.

2. Wenn nun die Rükvergi.tung dieses gleichen .Schadens oder die ganze oder theilweise direkte Bezahlung desselben von den Herren Gebrüder Müller .^ Ele. in Altdors durch wen immer verlangt werden will , so kann diese Klage auch keinen andern als personliehen Eharakter an sich tragen, und muss daher nach Art. 50 dex Bundesverfassung vor ihrem natürlichen Richter in Altdors eingeklagt werden , ohne dass dieselben gezwungen werden konnen , vor einem inkompetente^ Richter als .Litis Denuneiaten anzutreten.

3. Der Umstand, dass nach Art. 14.^ des Zi.^ilprozessgesezes des Kantons Hessin auch eine Jnsrechtrusnng von Amtes wegen durch den

Richter zulässig ist, vermag das erwähnte versafsungsmässige Recht

der Rekurrenten nicht zu schmälern, da in Fragen interkantonaler Ratur sowohl die Geseze als die Gerichte der Kantone an die Bundesvorsehristen gebunden sind.

4. Rach konstanter bundesreehtlicher Brar^is ist in Fragen des Gerichtsstandes der Rekurs unmittelbar bei den Bnndesbehorden zulässig , indem die wesentliche Bedeutung des Art. 50 der Bundesverfassung gerade darin besteht, dass derjenige, welcher vor einem Gerichts-

172 stande, den er als inkompetent betrachtet, belangt werden will.

nicht angehalten werden kann , zuerst durch alle Rechtsinstanzen eines andern Kantons über die Kompetenzfrage zu prozessiren.

23 Herr Georg V o l l e n w e i d e r , in Lane.nau, Kantons Zürich, hat von Herrn Joseph Bortmann in Schindellegi, Kantons Schw^, einen 1000 Fr. betragenden Schuldbrief für ein Darlehen von 200 Fr. und für eine dem Bortmann gleichzeitig übergebene Obligation von 500 ^r.

aus einen Andern als Vsand erhalten. Nachdem Herr Bortmann die

200 Fr. ^urükbezahlt hatte , verlangte er gegen Rükgab.. der nieht

realisirbareu Obligation den Schuldbrief heraus.

Herr Vollenweider weigerte sich dessen , bis er vollständig bezahlt sei. Run trat Ersterer als Brovokant auf und liess den Leitern vor das Bezirksgericht Hofe, Kantons Schw^, vorladen, um darüber zu verhandeln, ob ihm , Hrn. Vollenweider, nieht eine Frist anzusehen sei, inner welcher er seine vermeintliche Ansprache an den vom Vrovokanten in Handen habenden

Schuldbrief von 1000 Fr. gerichtlich geltend zu machen habe.

Hr.

Vollenweider gab dieser Zitation keine Folge , er protestate vielmehr gegen die Kompetenz der schwierigen Gerichte. Das Bezirksgericht Hofe entschied jedoch in Anwendung der ^ 339 und 340 der Zivilprozessordnung, Hr. Vollenweider habe vor Ablauf von acht Wochen seine vermeintliche Ansprache auf den fraglichen Schuldbrief gegenüber dem .^rovokanten vor dem erwähnten Bezirksgerichte zum Entscheide zu bringen , unter .Androhung des Rechtsverlustes.

Hiegegen rekurrirte Hr. Vollenweider an den Bundesrath , gestüzt auf die Artikel 50 und 53 der Bundesverfassung. Die Regierung von ^chw.^ vextheidigte die Kompetenz der dortigen Gerichte damit, dass Vollenweider an Vortmann eine personliche Forderung stelle.

Hiefür sowohl als für die Realisirung des angeblichen Bfandes seien die Geriehte von Schw.^ kompetent. Umgekehrt stelle Vortmann keine personliehe Forderung an Vollenweider, sondern er verlange bloss .den Titel heraus, zu welchem Zweke nach der Gesezgebung von Sch.v.^ das Brovokatiousversahren zulässig sei.

Der Bundesrath hat am 20. März 18l^4 den Rekurs als begründet erklärt und das erwähnte Urtheil des Bezirksgerichtes Hofe aufgehoben.

Gründe :

1. Um zu benrtheilen , ob das Brovokationsverfahren gegen den Re.^ kurrenten zulässig sei , muss vor Allem geprüft werden , ob er vor das in der Hauptsache kompetente Gericht geladen sei ; denn die Vrovokation hat ja nur den Zwek, den ..^rovokaten ...um Anbringen seiner Forderung vor dem Richter zu veraulassen, vor welchem sie selbstständig versolgt werden kann.

l 73 2.

Es ist zwischen unversicherten personliehen Ansprachen und psandversicherten Forderungen wohl zu unterscheiden; nur bei den erstern ist der Gläubiger nach Art. 50 der Bundesverfassung verpflichtet, seinen Schuldner beim Gerichtsstand des Wohnortes zu suchen . hat aber der Debitor dem in einem andern Kanton wohnenden Kreditor Pfandrechte bestellt, so ist dieser nach eidgenossischem Recht nicht gehalten, den Sehuz eines ausserkantonalen Richters nachzusuchen.

.^. Unbestritten hat Bortmann dem Rekurrenten für ein Darleihen in baarem Gelde und für die Abtretung eines Obligo einen Kapitalbrief von Fr. 1000 zur Sicherung hinterlegt. (Siehe Sehreiben des Bezirksammannamtes Hose an den Gemeindeammann in Langnau v.^m ..). Dezember 1863.)

4.

Fragliches Obligo seheint aber nicht einbringlieh zu sein, wess.^egen Bortmann dasselbe zurükschlageu mochte, während Vollenweider den Betrag dieser Abtretung fortwährend vom provokanten fordert, und bis zur gänzlichen Tilgung sich an dem bestellten Pfandrechte halten will, über welche Streitfrage nicht der Bundesrath, sondern nur der Zivilrichter zu entscheiden hat.

24. Der Rekurs des Friedrich S t u r z e n e g g e r in Berneck, Kantons St. Gallen , welcher ebenfalls aus Art. 50 und 53 der BundesVerfassung basirt, aber abgewiesen wurde, ist an die Bundesversammlung gezogen worden, und wird daher bei den diessälligen Verhandlungen weitere Erorterung finden. Der Bundesrathsbeschluss befindet sieh im Bun-

desblatt von 186..., l, S. 187.

25. Hieher gehort auch der Rekurs des Hrn. Alexander F a v r e , Baron von B u t t l a r - B r a u d e n s e l s , in Eortaillod, Kts. Reuenl.mrg, welcher die Bundesversammlung beschäftigt hat. Der Bundesrathsbesehluss ist in extenso abgedrukt im Bundesblatt von 1864, H, S. 242; es wird daher einsach auf denselben verwiesen. Die Kommissiousberichte der eidg. Räthe sind zu finden im Bundesblatt von 18^4, ll, .^. 516,

658, 83..). Da die ei.^g. Räthe zu keinem gemeinsamen Besehlusse sieh

pereinigen konnten ^loc. cit. S. 825), noch in Kraft.

so besteht der Bundesrathsbeschluss

l^. Gerleh^stand d e s V e r t r a g e s .

26. Die Jsraeliten J o s e p h K a u f m a n n und S i g m und W e i l , von Gailingen, Grossherzogthum Baden, haben in Kefikon, Kantons Thurgau, verschiedenes in dieser Gemeinde liegendes Grnndeigenthum gekauft.

Sie wurden in Erfüllung des Vertrages säumig und daher vom Verkäufer

im Kanton Thurgau gerichtlich belangt. Allein sie bestritten zunächst die

Kompetenz der thurgauischen Gerichte, indem sowohl die Kaufersüllungs-

.174 ^.ls die Entschädigungskla^ personlicher Ratur seien und daher am Wohnorte der Beklagten in Gailingen angebracht werden müssen. Diese Einrede wurde jedoch von beiden Jnstanzen verworsen, woraus die Beklagten an den Bundesrath rekurrirten. Der ^ l..) der thurgnmsehen Brozessordnung (weicher für Klagen gegen Ausländer das forum contr.ictns konstitnirt) sei nicht anwendbar gegenüber von Angehörigen derjenigen Staaten, in denen die Grnndsäze des Gegenrechtes herrschen. Run unterliege es keinem Zweifel, dass ein Schweizer, welcher in Baden gelegene Liegenschasten gekaust haben sollte, mit einer Vertragsersüllungsklage vor dem badisehen Geriete des Bezirkes, wo ^ie .^iegenschasten liegen^ nieht belangt werden konnte, weil hiesür erforderlich sei, dass der Ausländer im Besize der Liegenschaften sei. Durch den Vertrag allein sei der Käufer noch nicht Besser der Liegenschaften. Wenn dagegen der ausläudis^e Käufer in den Besi., derselben sieh gesezt hätte, fo konnte er als Besser unbeweglicher Güter im Grossher^ogthum Baden mit einer auf diese Güter bezüglichen Klage, z. B. aus .Zahlung des Kaufpreises bei dem forum rei sn^ belangt werden. Endlich sei den Rekurreuten dnrch die Geseze des Kantons Thurgau unmoglieh gemacht, in diesem Kantone Liegenschasten zu erwerben.

Der Rekurs wurde am 23. Dezember 1864 abgewiesen, gestüzt auf folgende Erwägungen : 1. Die schweizerischen Kantone sind vollständig souverän, ihre Eivilgesezgebung und Jurisdiktion aus ihrem Gebiete nach ihrem Ermessen ^u ordnen , wenn dadurch nieht eidgenossische Vorschriften oder Bestimmungen von Staatsverträgen verlezt werden.

2. Eine solche Verleznng ist im vorliegenden Falle aber nicht vorhanden, da der Art. 50 der Bundesversassn..g nur aus Schweizerbürger Anwendung findet, und ein Slaatsvertrag mit Baden über

Gerichtszuständigkeit nicht besteht.

3. Was die Frage des Gegenrechts betrifst, so versteht sich die An-

wendung desselI.eu unter fremden ...Staaten nieht von selbst, sondern es muss entweder durch ausdrükliches Uebereinkommen sestgesezt oder dureh einen modns vivendi gegenseitig eingeführt sein. Dass dieses aber der ^.all sei, ist nicht bewiesen, vielmehr wird es dureh das thurgauische Obergericht geradezu bestritten.

4. Die .^rage, ob im Kanton Thurgau Jsraeliten rechtsgültig Grnndeigenthnm erwerben kennen oder nieht, fällt allein dem Entscheid der thurgauisehen Behorden anheim.

c. G e r i e h t ^ s t a n d für

AlimentationskIagen.

27. Der bevogteteUrs Z i m m e r m a n n , von Brügglen, Kantons ^olothurn, wurde vor Amtsgericht Aarberg, Kantons Bern, eitirt, um eine vor diesem Gerichte gegen ihn eingeleitete Vaternitätsklage zu beantworten. Er wiederholte die schon vor Bsarramt gemachte Erklärung,

175 dass er Vater des fraglichen Kindes sei. Dasselbe wurde der Muner zugesprochen , dagegen wurde der Vater zur Bezahlung von Fr. 25 Kindbettkoste.., Fr. 70 jährlichen Beitrag an die Erziehung des Kindes und

Fr. 100 Entschädigung au die Heimatgemeiude des Kindes verurteilt.

Die Waisenbehörde des Zimmermann rekurrirte gegen dieses Urtheii, gestü^t ans Art. 50 der Bundesversassung. Der Bundesrath sand diesen

Rekurs begründet und hob das fragliche Urlheil auf, gestüzt aus folgende Erwägungen : 1.

2.

Die Leistungen, welche das Amtsgericht Aarberg dem Rekurrenten aufgrund der Schwängerung der Witwe W e i b e l auserlegt, sind unzweifelhaft solche , die ,^ wenn sie bestritten worden wären , aus dem Wege der personlichen Klage vor dem zuständigen Berichte des Beklagten hätten verfolgt werden müssen.

Es kann nun allerdings Jemand sich vor einem sonst in Sachen inkompetenten Ri.hter einlassen und dessen Ausspru.h fi.r sieh als verbindlich erklären, sosern er zu solcher Erklärung die notwendige

personliche Rechtsfähigkeit besizt.

3.

Diese Rechtsfähigkeit geht aber dem Zimmermann ab, indem er zur Zeit der gerichtlichen Behandlung und Anerkennung der ihm überbund^nen Geldleistungen bevogtet war, und somit von sich aus rechtsgültig nicht aus Rechte verzichten konnte , die ihm sonst ^ustehen.

28. Das Amtsgericht .^iguau, Kautons Bern, hat den .Heinrich R n s s b a . u m , von Asp, Kantons Aargau, wohnhast in Basel, aus die von ihm anerkannte Vateruität einer Marianne J ü ^ i zur Bezahlung der Klndbettkosten, einer Entschädigung an die Heimatgemeinde der Mutter und zu Alimentationsbeiträgen verurteilt. Er rekurrirte hiegegen, gestüzt aus Art. 50 der Bundesverfassung. Das Amtsgericht verthe.digte seine Kompetent damit, dass Rel^.rreut sie anerkannt habe durch .Anerkennung der Baternität und ^nrch einige Leistungen au die Mutter. Die Alimentationspflicht sei durch ein schriftliches Versprechen von seiner Seite geregelt geweseu. Es sei somit nur noch die Standesbestimmung des Kindes und die Bestrafung des Un^uchtsehlers übrig geblieben , wozu das Gericht naeh der bernischen Gesetzgebung und Vra^is kompetent gewesen sei.

Der Bundesrath hat jedoch am 5. August l 864 i.. Erwägung ge^oge.. : 1. Raeh mehrfachen Entscheiden des Bundesrathes und der Bundesversammlun^ , namentlich auch über Besehwerden gegen Urtheile

beruischer Richter ^llll^.er Rr. 261 und 262 und Bundesblatt 18^4, Bd. l S. 37l) ist es gegenwärtig fester eidgeu ossischer

Re.htssa^ dass in Vaternitätssachen, wenn, wie im Kanton Bern, eine Baternitätsklage gegen den ^ater nicht zulässig ist, die heimatlichen Gerichte der Mutter nur für die Bestimmung des bürgerliehen

.......unde.^l.a.^ J a h rg . X ^II . B d . II .

l4

176

Stande... des Kindes kompetent sind ; dass dagegen Alimentations^.

und Entschädigungsansprüche gegen den Urheber der Vatersehast als rein persönliche .Ansprüche nach Art. 50 der Bundesversassun^ am Wohnorte des Beklagten zu betreiben sind.

2. Die kantonalen Gerichte konnen sieh der Anwendung dieses mit der Bundesversassung übereinstimmenden Brinzipes nicht durch die Berusung aus ihre kantonalen Geseze entziehen, weil die Bundesverfassung als allen Kantonen gemeinschastliche Re.hts.^uelle auch zu-

gleich kantonales Recht bildet, und im Falle des Widerspruches.

jenen derogirt.

3. Dagegen bleibt es der bernisehen Gesezgebung und Gerichtsbarkeit unbenommeu, gegen Schwangerer von Bernerinnen Bolizeistrasen,.

zusammen mit der Strafe gegen die Geschwängerte, auszufällen,.

auch wenn dieselben andern Kantonen angehoren, indem der angerusene Art. 53 der Bundesverfassung keine entgegenstehende Bestimn.ung enthält . dagegen bleibt dem Bestraften natürlich die^

Opposition gegen die Strafvollziehung in seinem Ausenthaltskanton freigestellt;

und .daher besch l o s s e n : Sei der Rekurs , so weit er sich auf den Gerichtsstand in der Ali-

mentations- und Kosteussrage bezieht, begründet, und das fragliche Urtheil

in dieser Beziehung ausgehoben, im Uebrigen sei der Rekurs unbegründet..

Gleichzeitig wurde beschlossen: Es sei die Regierung des Kantons Bern anf die sich ^mehrenden Rekurse dieser Art aus dem Kanton Bern aufmerksam zu machen , und dieselbe einzuladen , auf die geeigneten Mittel Bedacht zu nehmen , u.^ die Ursachen solcher Reknrse ^u heben.

d.

G ^ x i c h ^ s t and d es V e r g e h e n s .

29. Das Amtsgericht Fraubrunnen , Kantons Bern, hat sich für Beurtheilung der Anklage gegen Hrn. R i k l a u s R n d o l s von R o h r in Kesteuholz, Kantons Solotlmrn, wegen Uebertretung des .Lotteriegesezes kompetent erklärt, von Rohr aber gegen diesen Ents^eid an den Bundesxath reknrrirt. Die Anklage ging dahin, dass von Rohr, indem er über seinen Grundbesiz in Kesteuholz eiue Lotterie errichtete , die Vläne und Billets anfertigte und von den Bostbüreaux^ Olten, Aarburg und Zofingen aus massenhaft an Adressen im Kantou Bern versehikte, das Lotterieperbot in diesem Kauton übertreten habe. Das Amtsgericht ^raubrnnuen erklärte dieses Vergehen als vollendet durch Uebergabe dieser Briefe an die Adressaten; die Aufgabe der Briefe aus auswärtigen Bostbüreaur^ er-

scheine als Vorbereituug; das Amtsgericht sei daher wenigstens bezüglich der in seinem Bezirke wohnenden Adressaten kompetent.

.^

177

Rekurrent .nachte geltend, dass allerdings nach interkantonalem Recht das forum delicti .^ommissi das Anständige sei und dass dieser Grnndsaz noch in einem speziellen Konkordate zwischen den Kantonen Bern und ^olothnrn vom 6. April 1853 Anerkennung gesunden habe. allein hier sei von ihm kein Vergehen im Kanton Bern verübt worden.

Das Lotterieunternehmen, das Objekt demselben, der ^rt der Anfertigung der Vläne und Billets , sowie der Versendung derselben liege im Kauton ^oloth..ru. Somit sei in diesem Kauton der kompetente Gerichtsstand, wle auch der Bundesrath in einen.. ähnlichen Falle angenommen habe , der Ort der That fei derjenige, wo der Jnjuriant seinen strafbaren Brief

der Bost übergeben habe (Ullmer Rr. 28l. Motiv 3.) Das Obergericht von Solothurn sei auch von dieser Ansicht ausgegangen und habe ihn bereits bestraft. Rach dem Grundsa^. non bis in idem dürfe daher eine nochmalige Bestrafung im Kauton Bern nicht stattfinden. Uebrigeus habe nicht er, Reknrrent, diese Billets im Kanton Bern verbreitet, sondern es sei dies durch andere Bersouen geschehen , die sie von ihm bezogen haben.

Der Appellations- und Kassationshof des Kantons Bern bestritt, dass der Bundesrath im jezigen Stadium dieser Angelegenheit einen Eutscheid geben kouue, indem zunächst eine Appellation an die Boli^eikammer des Kantons Beru hatte erfolgen sollen und die Bundesbehorden nicht im ^alle sein konnen . über die Rechtmässigkeit der Entscheidung einer untern kantonalen Bel.^orde ^u urtheilen , bevor die verfassungsmäßigen Instanzen des betreffenden Kantons durchlangen seien.

Dieser Reknrs wnrde am l8. November 1864 abgewiesen, gestüzt auf sollende Gründe : 1. Vorerst ist die Ansieht der Anklagekammer des^ Kantons B..rn als unrichtig ^u bezeichnen, welche annimmt, es konneu ^ie Bundesbehoben bei einem Streit über den Gerichtsstand erst dann einschreiten, .venn ^ie gesezmässigen J n stanzen des Kantons durchlausen seien, da nach vielfachen Entscheiden vor Weiterziehnng des ^rozesses die Kompetenzfrage geregelt sein muss.

2. Der Umstand, dass .^ekurrent im Kanton ^olothurn wegen unbe^ fugten. Lotteriennternehmen bereits bestrast wurde, kann seine poli^eiliche Verfolgung in andern Kantonen nicht hindern, wenn er die in denselben bestehenden Geseze gegen die Lotterien umgangen haben sollte.

3. Es ist unbestrittene Thatsache, dass sämmtlich.. Briefe, mit welchen die ^läne und Billets an die Adressaten in. Kanton Bern gesendet wurden , die Ramensuntersehrift des Beklagten tragen .^ wenn uuu ^ie Frage entsteht , ob das bernisd.e ^trafgesez nur aus Versendungen i^u Kauton Anwendung finde, oder auch anf solche, welche von aus.varts wohnenden Personen in den Kauton Bern gemacht werden , so kann der Entscheid darüber nicht von vornherein dem bernis.hen Richter endogen werden.

17^

4. Die weitern Einreden, welche gegen die Belangbarkeit des Reknrrenten gemacht werden, wie z. B. die Versendung sei ohne sein Vorwissen und seine Mitwirkung gestehen, sind nicht durch den Bundesrath, sondern durch den Richter zu prüfen.

e. G e r i c h t s s t a n d ln .^rb s c h a f t s s a e h e n .

30. Ein Rekurs der Jnngfer L i s e t t e L e u e u b e r g e r, von Dürrenroth (Bern), niedergelassen im .^.äget bei Zofingen (Aargau), ge^en ein

Urtheil des Appellation - und Kafsationshoses des Kautons Bern be-

findetstchin extenso abgedrukt im Bnudesblatt 1864, Band lll, Seite 148.

Durch jenes Urtheil wurde die Klage der Erben des im Kanton Bern verstorbenen Brnders der Rel.urrentin, dahin gehend, dass sie, die Rekurrentin, zwei ^ehuldtitel als ^ur Erbsehaft gehörende Vermogensobjekte ...ur Theilung abliefern, resp. deren Werth an die Erbschaft ers^e...soll, als Erbsehaftsklage.

erklärt und daher die Einrede gegen die Kompetenz der Gerichte des Kautons Bern verworfen. Der Bundesrath erklärte jedoch den Rekurs als begründet, weil keine Erbsehastskla^e vorliege und die Rekurrentin somit an ihrem Wohnorte z..^ belangen sei. Jakob .^ausammann in Mannedors für sich und übrige Miterben ergrisf den Rekurs an die Bundespersammlm.g, welche jedoch am 7. und 14. Dezember 1864 den Bundesrathsbesehluss bestätigte, ohne dass die Kommissionen zu besondern sehrist^ liehen Berichten sich veranlasst gesehen hätten.

5.

V o l l z i e h u n g k a n t o n a l e r Urtheile.

31. Der Rekurs in Sachen des Ulrich S eh ed l er in Ragat^

gegen J a k o b Büchi in Eschl i ko n, Kantons .^hnrgan, in welchen. ein an sich inkompetentes Gerieht als prorogirter Gerichtsstand anerkannt und

die Vollziehung des St. Gallischen Urtheils im Kauton Thurga.. als be-

rechtigt^ erklärt wurde, befindet sich im Bnndesblatt I864 , l, 245.

Büehi rekurrirte an die Bundesversammlung, welehe jedoch^ den Bundes-

rathsbeschluss bestätigte. (^iehe Bericht der nationalräthlichen Kommission, Bundesblatt 1864, Ii, 550.)

32. R u d o l f B o d m e r . von Fällanden, Kantons Zürich, ist während seiner Riederlassnng in Wallenstadt, Kantons .^t. Gallen, dnrch ^wei Urlheile des Bezirksgerichtes Sargans wegen Jnjnrien durch die Bresse zu Gesäugniss, Geldbusse und Kosten verurtheilt worden. Rachdeni er seinen Ausenthalt nach Romanshorn, Kantons Tl^nrgau, verlegt hatte, ver-

langten die St. Gallischen Bel..orden die Vollziehung jener Urtheile.

Bodmer remoustrirte jedoch hiegegen. allein die Regierung von Thurgau

wies ihn ab, gestü^t daraus, dass die Rechtskraft fraglicher Urlheile uicht

angefochten werden koune und dass nach einer Uebereinkuust vonr .). Mai 1845 die Regierungen von Thurgau und St. Gallen sich verpflichtet

habeu, gegenseitig .^ur Vollziehung von Bolizeiurlheilen mitwirke...

^

179 Gegen diesen Entscheid rekurrirte Bodmer an den Bundesrath, und machte namentlich geltend, dass die Uebereinkunst von 1845 nicht auf gehor.ge Weise zu Stande gekommen und dass sie übrigens durch Art. 55 der Buudesversassung und durch Art. 3 des Bundesgesezes betreffend die Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten vom 24. Juli 1852 aufgehoben sei.

^er Bundesrath hat diesen Rekurs am 5. Oktober 1864 als unbegründet abgewiesen. Weder die Bundesverfassung (Art. 55), noch das

Bundesgesez vom 24. Juli 18.52 verbieten die Auslieferung für poli-

tische oder Bressvergehen von einem Danton an einen andern , ebenso sei kein Kanton gehalten, dieser Vergehen wegen Angeschuldigte oder Verurtheilte ausliefern zu müssen , und endlich sei sragliehe Uebereinkunft nach dem frühern schweizerischen Staatsreehte unzweifelhaft ^.lässig gewesen und aueh nach dem jezigen konne sie nicht als unzulässig betrachtet werden.

6. V o l l z i e h u n g e i d g e n o s s i s c h e r S c h ä z u u g s u r t h e i l e .

33. Gemass Staatsvertrag vom 30. ^e^ember 1^58 ^wischen der Schweiz, resp. den. Kantou ^chasfhauseu und dem Grossher^ogthum Baden, betreffend die Weiterführnng der grossher^oglich badischen Staatseisenbahn d..rch den Kanton Schasshausen , hat die Regierung des ledern Standes die Herstellung bequemer Zusahrtsstrassen ^u dem Bahnhofe in Schaffhansen^ übernommen.

Zu der südliehen Bahnhosstrasse, welche gemäss dieser Bestimmung angelegt wurde, musste Hr. H. .^.tierli, Bierbrauer in .^ehaffhausen, 8.)0 ^uadralfuss Hofraum abtreten, und machte dann gegenüber der Regierung neben andern Ansprüchen eine Forderung von 60l)0 ^r. geltend für Verlust einer Zufahrt von der Bahnhofftrasse in den .^osraum, sowie für Jnko..veuieu..en und Miuderwerthe. ^ie Regierung ^bestritt in dieser

Richtung jede Verpflichtung und erklärte, eventuell eine ähnliche Zufahrtsstrasse, wie sie bestehe, ausführen ^u lassen.

^ie eidg. ^ehäznngskommisston sprach sieh über diesen Bunkt in Erwägung 2 ihres Entscheides vom 27. Juni 1863 dahin aus:

.,Dass .venn beritkftchtigt wird , dass es dem Beklagten bis dahin ..moglich war, mit kleinen Wägen zu uud vou dem hintern Theile seiner ,,Gebäuli..hkeiten zu gelangen, uud dass dies nach der Erbauung der Bahn.,hosstrasse wegen der ..Steigung, welche, wenn eine nene Znfahrtftrasse ^hergestellt werden wollte, diese erhielte, nicht mehr moglich sein wird, ^eine Entschädigung von ^r. 1200 sür die eulzogeue Kommunikation als

,,hiulänglieh gerechtserli^l sich darstellt, s o s e r n dem B e k l a g t e n ein

,.Fa h r w e g r e e h t w i r k li eh z u g e s t a u d e n hat.^ uud entschied iu ^isp. l. , die Regierung des Kautous .^chafshausen habe an Hrn. ^.tierli für ., e n t z o g e n e K o m m u n i k a t i o n ^ Fr. 1200 ^u bezahlen.

180 Gegen diesen Entscheid, und zwar lediglich gegen diese spezielle Ziffer, rekurrirte die Regierung von S^ass^ausen an das Bundesgericht , zog aber später diesen Rekurs wieder znrnk . und als Hr. Stierli die Bezahlnng der ihm gesprochenen Entschädigungen verlangte, wurde sie ihm nur theilweise geleistet. Die Bezahlung jener Fr. 1200 für entzogene Kommunikation wurde v..r.veigert, indem sie nur gesprochen worden seien, ..sofern ihm ein Fahrwegrech t wirklich z u g e s t a n d e n habe^, der Beweis für dieses Fahrwegrecht sei aber noch nicht geleistet.

Der von Hrn. ^..tierli gegen die Regierung angehobene Rechtstrieb wurde durch den Gerichtpräsidenten aus gleichem Grunde sistirt.

Hr. Stierli beschwerte sich nun über dieses Verfahren bei dem Bundesrathe, weil es nach Art. 49 der Bundesversass^ng in ..^r ...Stellung

der Bundesbehorden liege, . die Vollziehung reehtskrästiger eidgenössischer

Urtheile zu erwirken, nachdem die kantonalen Behoben dessen sich weigern. Raeh allgemeinen Rechtsgrnndsä^en seien die D i s p o s i t i v e eines Urtheils massgebend, nicht die M o t i v e desselben. jene allein unterliegen

der R.^htskrast. Der fragliche Betrag sei durch Disp. l des ^chaznngserke^nlnisse^ fpe^ell und als Bestandtheil der Hauptsumme festgestellt und von keinerlei Bedingung abhängig gemacht. Durch den Rüi^g des Rekurses an das B...ndesgerieht habe die Regierung dies selbst anch auerkannt, indem sie in der Rekursschrift die Richte^iste..^ eines Wegrechtes behauptet und nachzuweisen versucht habe.

Die Regierung von Schasfhausen antwortete ans diese Beschwerde : Weder nach ^em Bundesre.hte, noch nach den Gesezen von Schaffhausen

sei der Vollzug eines Urtheils, das ans Bezahlung einer Summe Geldes

gehe, Sache der Regierung, vielmehr sei nach Art. 187 des Bundesgesezes über das Verfahren bei dem Bundesgeriehte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in soleheu Fällen stets der Recht...trieb nach den Gesezen des Kantons, in welchem der Debitor wohne, einzuleiten. Reknrreut hätte daher an das .^bergeri.^t von ...^chasfha^sen sieh wenden und ans dem ordentliehen Wege Reehtsofsnung verlangen sollen.

Aber auch materiell sei die Beschwerde ungegründet. Rach^ einem Entscheide des Bundesgeriehtes vom 27. März l ...^ (Ullmer Rr. 438) sei der Schä^.ugsl^o^nmisfion kein Entscheidnugsrecht zugestanden in der rein juristischen ^rage über die Existenz eines ^ahrwegrechts. Jhr En tscheid konne daher uothwendig nur ein eventueller über das Mass der Entschädigung sein, und nieht auf die Rechtsfrage stch ausdehnen.

Der Reknrs sei nnr unter der bestimmten Erklärung ^.n.ükgezogen worden, dass der in Frage stehende Vosten als ein bloss bedingter betrachtet werde.

Uebrigens stehe der Entscheid darüber, welehe Ansicht die richtige sei, dem Richter zu, nicht dem Bundesrathe. Die Juterpretation des fraglichen Urtheils sei entweder Sache der eidg. S^ä^ungskommission oder des Bundesgeriehtes, oder der kantonalen Gerichte.

18t ^

Diese Rekurs wurde ^m 27. Juli 1864 abgewiesen.

folgende gründe:

gestüzt

anf

1. Es steht dem Bundesrathe allerdings das Recht zu, die Vollziehung rechtskräftiger Urtheile des Bundesgerichtes oder der Schwungskommission zu überwachen und notl^igensalls das Geeignete zu ver-^ fügen, um solchen Urtheilen gehorige Rachaehtuug zu verschassen.

.2. Run sind aber die Varteien über den Sinn und die Tragweite

..es Urtheils der Schaznne.skommission vom 27. Juni 1863 getheilter Ansteht, indem Reknrrent sich einsach an das Dispositiv I

2 hält, und die dort sür entzogene Kommunikation ausgesehen ^r. 1200 sieh sest ^gesprochen glaubt, während die Regierung von Sehasshansen behauptet, naeh Erwägung 2 sei sie diese ^umme nur für den Fall schuldig, sosern dem Beklagten ein Fahrwegrecht

wirklich zugestanden habe, was nieht festgestellt sei.

^3. Es ist richtig, dass nnr das Dispositiv und nicht die Motive eines

Urtheils Rechtskraft besten ; dagegen ist eben so sicher, dass die Er-

wägungen zur Erläuterung und ...zum Verständniss eines Urtheils dienen , und wenn im vorliegenden Fall die Schä^.ngskommission die Fr. 1200 Entschädigung nur insofern sür gerechtsertigt hält, als dem Rekurrenten ein Fahr.vegreeht wirklich zugestanden, so liegt darin wol^l der unzweideutige Beweis, dass sie es ausser ihrer Kompetenz erachtete , diese.. Frage zu untersuchen und zu entscheiden, sondern dieselbe, im Streitsalle , den kantonalen Gerichten überlassen wollte.

.4. Uebrigens steht es dem Rekurrenten frei, nach Anleitung des Art. 197

des Gesezes über das Verfahren beim Bundesgerieht in bürgerlichen Reehtsstreitigkeiten eine Erläuterung des Urtheils nachzusuchen.

34. Hr. J o h a n n B a l z in Siguau, Kantons Bern, kam mit .dem Direktorium der Staatsbahn des Kantons Bern, bezüglich der Voll-

^iehung eiues Entscheides der eidg. Sehäzungskommission für die Linie Bern^Kroschenbruuuen, welcher durch Urtheil des Bundesgerichtes im Wesentlichen bestätigt worden war, in Widerspruch. Unter Berusung

^..ns Art. 191 des Buudesgese^es über das Versahren bei dem Buudes-

Berichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (...^fs. Samml. H , 77) gelangte Hr. Balz mit dem Gesuche an den Bundesrath , er mochte den vollständigen Vollzug des Entscheides der eidg. Schäzungskommission an^..orduen.

Bei näherer Brüsung der Angelegenheit schien es jedoch, dass

die

Varteieu über den Sinn und die Tragweite des Urtheils selbst im Widerspruche seien , so dass über deu Umfang der Leistungen der BahnVerwaltung Zweifel walten. Der Bundesrath ^sand daher, es liege nicht in seiner Stellung, das bundesgerichtliehe Urtheil zu interpretiren, sondern es konne dies nach Art. 192 des ^itirten Bnndesgesezes nur aus dem

182 Wege der Revision durch das Bnndesgericht selbst geschehen ; dagegen sei die Thatsache, dass und in welcher Richtung wirklich ein Widerspruch zwischen den Parteien betretend den Wortlaut des fragliehen Urteils bestehe, dnrch eine Expertise in Anwesenheit der Parteien auf den. Lokale zu ermitteln. Diese Expertise wurde angeordnet und, da wirklieh ein solcher Widersprach sich herausstellte, beschlossen, es sei dem Hrn. Bal...

zu erosfnen, der Bundesrath sei nicht im Falle, auf sein Begehren einzutreten, er müsse ihm überlassen, mit einem Revisionsges..che bei dem Bundesgerichte einzukommen.

7. A r r e s t .

35. Hr. G a b r i e l Z iv i , von Dnrmenaeh, in Frankreich , Uhrenmäkler, (confier en horlo^e^e) zu La Ehau^.de^Fouds, Sautons Reuen.^ burg, hat im Dezember 18l^3 von Hrn. August Simonie, Uhrensabrikaut in Bruntrut, 1.)8 Stük Uhren in Commission erhalten und den.

ledern Vorschüsse gemacht. Spater wnrde zwischen chue.. über den Verkauf dieser Ul.^ren verhandelt. Zivi behauptet, der Kauf sei sür Fr. .^077 zu Staude gekommen und von ihm bezal.lt worden. Hr. .^imo..in for..

dert aber noch Fr. .163, und bewirkte bei dem Gerichtspräsidenten in Bruntrut einen Arrest aus ein Guthaben des Hrn. ^ivi au einen Bürger in Brunlrnt. ...dieser Arrest wurde im Amtsblatt pul.lizirt, verbunden mit einer Vorladung an .^ru. ^ivi vor den Gerichtspräsidenten zu .^ru....

trut, un. über die Forderung des ^rn^ Simonin und den dafür ausgewirkten Arrest zu verhandeln.

Hingegen beschwerte sich .^r. ^ivi bei dem Bundesrathe, weil er nach Art. 3. des ^taatsvertrages mit Frankreich von 1828 vor seinem natürlichen Richter belangt werden müsse, weil er serner nach Art. l des zweiten ^taatsvertrages mit Frankreich von 1827 als Franzose Anspruch habe auf den ^chu..., welchen Art. 50 der Bundesverfassung den ^..l.weizern gewahre , uu^ weil er endlich den Voranssezungen dieses Art. 50 vollkommen genüge.

Von Seite des Hrn. Simonin ist der sragliehe Arrest damit gerechtfertigt worden, dass Reknrrent Jsraelit sei und als solder keinen Anspruch habe auf Schuz durch die angerufenen Staatsverträge. Abgesehen hievon, sei das beobachtete Verfahren als eine bloss provisorische Massregel durch

Art. 6l0 des bernischen Eivilprozesses gerechtfertigt. Die durch diesen

Artikel dem Arrestpete..ten ausgelegte Verpflichluug, inner einer Frist seine Massregel zu rechtfertigen , sei vor dem Richter zu erfüllen , der sie be^ willigt habe, also ^a, wo die säsirte Sache liege. Wenn der Rekurs begründet erklart würde, so würde Hr. ^imonin dieses Rechtes beraubt.

Zudem würde mit einem solchen Entscheide gesagt, dass das bernisehe Gesez m.t Art. 50 der Bundesversassung im Widerspruch stel.e, eine Frage, die konstitutioneller Ratur sei.

Dnrch die Bestatignng des Arrestes würde Reknrrent noch nicht

183 feinem natürlichen Richter endogen sein, vielmehr sei in der Zitation ausdrükiich gefagt, dass wenn die Forderung bestritten würde, der Brozess darüber vor den kompetenten Richter zu verweisen wäre. Ein Rekurs wäre erst dann zulässig , wenn Rekurrent vor den. Richter in ^runtrut erscheinen und mit seiner forideklinatorischen Einrede abgewiesen würde.

Der Bundesrath hat mit Beschlnss vom 2^. April .^64 die erwähnte Arrestverfügung aus solgenden Gründen ausgehoben : .l. Es kann zunächst der Art. 3 des Staatsvertrages zwischen der Schwel und Frankreich vom l 8. Juli 1828 im vorliegenden Falle keine Anwendung finden, da derselbe nicht den Gerichtsstand zwischen zwei Kautonen im Jnnern der Schweig ordnet, sondern eine internationale Regel zwischen den beiden kontrahieren .Ländern bezüglich des Gerichtsstandes für personliche Forderungen aufstellt.

2.

^agege.. besteht eiu zweiter .^taatsvertrag zwischen der ...^chweiz und Frankreich oom 30. Mai 1827, welcher im Art. 1 vorschreibt, dass die Franzosen mit Rüksi.ht auf ihre Bersoneu und ihr Eigenthum in jedem Kanton behandelt werden müssen, wie die Bürger anderer Kantone.

3.

Run ist nach Art. 50 der Bundesverfassung gegen einen ausrechtstehendem schweizerischen Schuldner, welcher einen festen Wohufiz hat, für persouliche Ansprachen ansser dem Kanton, in dem er wohnt, kein Arrest zulässig, sondern er muss vor den. Richter seines Wohnortes gesucht werden, und zwar sowohl im Stadium der rechtliehen Betreibung oder bloss provisorischer Maßnahmen , als im ordentlichen Brozess, da es nur verschiedene Formen sind, unter denen der Gläubiger seine Forderung zu realisiren sucht.

4. Es unterliegt aueh keinen. Zweifel, dass der Rekursb.. klagte Simonin gegen den Rekurreuten eine bloss personliehe Ansprache erhoben hat, und dass ^ lezterer sowohl ,. aufrechtstehend ^ ist, als einen festen

Wohusiz hat.

5.

Ferner ist es eine absolute konstante bundesre.htli.he Vra^is , dass in internationalen Verhältnissen Jedermann , der sieh vor einen inkompetenten Richter gezogen glaubt, sogleich. beschwerend an die .Bundesbehorden sich wenden kann, indem Art. 50 der Bundes.^ verfassung seine wesentliche Bedeutung verlieren würde , wenn er gezwungen wäre, zuerst den Vrozess durch alle Rech.tsiustanzen eines andern Kantons zu führen, ob ihm die durch jenen Artikel gewährleisteten versassungsmässigen Rechte gewährt werden wollen oder

nicht.

6.

Es srägt sich somit einzig uoch, ob der Rekurrent anf den Rechtsschuz, der ihm naeh dem Gesagten gewährt werden müsste, darum keinen Anspruch habe. weil er dem israelitischen Glanbensbekenntniss angehöre^

184 7. Diese Frage muss verneint werden, da abgesehen davon , dass erwähnte Eigenschaft des R.^.knrrenten uieht bewiesen wurde, weder Art. 50 der Bundesverfassung , noch der in Erwägung 2 angeführte Staatsvertrag mit Frankreich von 1827 einen Unterschied mit Rükstcht ans das (Glaubensbekenntnis gestattet, und die Er^ klärung des sra.^osischen gesandten vom 7. August 1826, welche eine verschiedene Behandlung der Jsraeliten vorsieht, ausdrüklich ..ur aus die im gleichen ^taatsvertrag von 1827 geregelten Niederlassnngsverhältnisse sieh begeht.

36. Jm Frühjahr 1863 sind in Glarns die daselbst niedergelassenen Spengler Kaspar Baumann , so wie die ^irn.a Banmaun und Brunner in Konkurs gekommen. Hr. Lehrer G e o r g J o rima n n in Bubikon, Kts. Zürich . hat jedoeh in der Eigenschast al.^ Vormund der Frau des Baumaun mit den Repräsentanten der beiden Konkursmassen und unter Zustimmung jedes einzelnen Gläubigers einen Aeeomodementsvertrag abgeschlossen, wonach er B u n t e r s e i n e r p e r s o n l i c h e n H a f t b a r k e i t und G a r a n t i e ^ sich verpflichtete, einerseits die berechtigten Vorzugsschulden zu übernehmen und andererseits den Kurrentgläubigern 42 ^ zu bezahlen. Dagegen wurde der sämmtliche Aktivbestand dem Hrn. Jorimann eigeuthümlieh abgetreten. Jn der Liquidation .dieser Angelegenheit belangte nun Hr. Jorimann den Knpserschmied Rudolf Zweifel in Glarus vor den glarners.hen Gerichten für ^r. 145. ^6 Rp. Legerer anerkannte jedoch nur Fr. l 02. 04 Rp. und deponirte diesen Betrag, welcher dann auch dem Kläger zugesprochen und von diesem bezogen wurde. GleichZeitig wurde dem Hrn. Jor.maun no.h ein von Me^ger Kaspar Brennwald geforderter un^ von ...ies^.u ebenfalls deponirter Betrag von Fr. 1.)1 7..) Rp. gerichtlich Angesprochen. ^lls er aber auch dieseu Betrag in Empfang nehmen wollte, ergab es sich, dass Kupfersehmied Zweifel einen Arrest darauf gelegt hatte, bis er fur seine Forderung an die .^irma Baumann und Brnnner von Fr. ..)6. 86 Rp. befahlt sei. Es erfolgte dann die Vorladung des Hrn. Jorimaun v..r Vernnttleranu Glarns, um über die Richtigkeit der Forderung, für welche der Arrest ausgewirkt worden war, zu verhandeln. Er erschi.... j.^och uicht, und in sein Begehren um Aufhebung des Arrestes ist die Staudesko.umission ni.ht eingetreten, weil diese Frage den Gerichten Anfalle.
Hr. Jorimanu gelaugte nnn mit einer Beschwerde an den Bundesrath und verlangte, gestü^t ans Art. 50 der Bundesversassung, Aufhebung des fraglichen Arrestes, so wie unter Einweisung aus Art. 49 der Bundesversassung Vollzog des erwähnten Urtheiles gegen Brenuwald.

Von Seite der Standeskommission des Kantons Glarus und des Rekursbeklagten wurde fraglieher Arrest dadurch gerechtfertigt, dass der Konkurs da aufgetragen werden nuisse, wo er ausgebrochen sei. Run sei Rel.nrrent dnrch fraglichen Vertrag in die Rechte und ..^fliehten der Konkursmassen

185 getreten. Es müssen den Streitigkeiten vor der Bundesverfassung von der Vollziehung dieses einem Dritten

daher alle aus diesem Rechtsverhältniss entspringendem glarnerischen ^.orum beurtheilt werden. Art. 50 finde hier keine Anwendung. Ebenso konne nicht eines rechtskräftigen Urtheils die Rede sein , da gegenüber keine Bedeutung habe.

Mit Besehluss vom 27. Juli 1864 ist der fragliche Arrest als ungültig erklart worden, aus folgenden gründen : 1. Mit dem Jnkrasttreten des Aee.^nodementsvertrages ist das Konknrsverfahren aufgehoben worden , wie sich dieses ans der Ratnr und aus den Bestimmungen des genannten Vertrages ergibt, und es gingen die Rechte und ..^fliehten der frühern Konkursmasse aus Hrn. Jorimann über.

2.

Es stund daher in den Brozessen gegen Rudolf Zweisei und Kaspar Brennwald nicht mehr die Konkursmasse von Baumann und Brunner als Kläger vor Zivilgericht in Glarns am Rechten, sondern G.

Jorimanu, welcher diese Brozesse auf seine Rechnung und Gefahr,

ohne Betheiligung , resp. Verbindlichkeit der Fallimentsl.omm.ssion führte.

3.

Wenn Rudolf ^weifel als Ansprecher an der srühern Konkursmasse Banmann und Brnnner gegen den Uebernehmer der Aktiven und Bassiven eine Gegenforderung geltend machen wollte , so hätte er dieses in d.^u von Jorimann gegen ihn gesüßten Vro.^esse aus ge.^ sezlich vorgeschriebene Weise thuu sollen, was nicht geschehen zu

sein scheint, da das Gericht ü^er sein daheriges Anbringen stillschweigend hinwegging.

4.

Es kann daher dem R. Zweifel nicht zustehen, ans eine dem Rekurrenten geriehtlieh zugesprochene Snnune in Glarus Arrest zu legen, sondern er hat denselben als ausrechtftehenden Schuldner an seinem Wohnort für die behauptete Forderung zu belangen.

lll.

^nts..heide nber ...^ninendun^ der ^nnde^^es^e.

a. B u u d e s g e s e ^ über die p o liti scheu und p o l i z e i l i c h e n G a r a n t i e n zu Gunsten der E i d g e u o s s e n s c h a f t .

(Reue O. ^. lll, S. 33.)

37. Rach Art. 6 des Bundesgesezes über die politischen und .^olizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossensehast vom 23. Dezember 1851 bedürfen die eidg. Zentralbeamten ,.als s o l c h e ^ an dem Orte ihrer ^mtsverriehtnng keinerlei Riederlassuugsbewilliguug und kounen daller aueh nicht zur Be^ahlnng einer Riederlassungsgebühr angehalten werden.

186

^

Jn einem Spezialsalle war die Regierung von Graubünden der Ansieht, dass ein in Ehur angestellter eidg. Zollbeamter allerdings sür seine ..^erson befreit sei, nicht aber auch seine Familie.

Der Bundesrath hat jedoeh am 24. Jnni .^64 diese Ansicht als unrichtig widerlegt und dahin sich ausgesprochen, dass die Familien dieser Beamten ebenfalls keiner Riederlassungsbewilligung bedürsen und daher auch keine .^porteln zu bezahlen haben. Die Worte: als solche im Art. .^ erhalten

ihre Erklärung durch die Botschaft des Bundesrathes zu dem fraglicheu geseze (Buudesblatt 1851, lll, S. 251) in dem Saze. ,.Es versteht

"sich indess, dass eine solche Besreinng da nicht eintritt, wo der Ange,, stellte sür a n d e r e G e w e r b e der Niederlassung bedars..^ Jn diesem Sinne sei das Gesez stets überall angewendet worden. Damit stimme auch Art. 5 desselben Gesezes überein, wo nur vom Domizil der Mitg li e der des Bundesrathes geredet werde, während es keinem .^we.fel

unterliege, dass ihre Familien das gleiche Domizil theilen.

38. Die Regierung von ^ürich machte die Entdekung, dass die Ge-

meinden, welche die Stadt umgeben, mit Bezng ans die Riederlassnng der eidg. Beamten und Bediensteten (Kreispostdirektor, Bostangestellte und Bedienstete, Professoren am Polytechnikum u. s. w ) ungleich versahreu. Sie richtete desshalb die Einsrage an den Bundesrath, wie der Art. 6 des oben zitirteu Bundesgesezes bis jezt angewendet worden sei, und ob, wenn bei der Revision des Gemein^egesezes der Kanton Zürich jene Vorschrift auf alle eidg. Beamten und Bediensteten, iubegrifseu die Lehrer am Polytechnikum, zur Anwendung brächte, der Bundesrath die Bslicht zur Sehadloshaltung auch in dieser Ausdehnung anerkennen würde.

Der Bundesrath antwortete durch Mittheilung der wesentlichen Ent..

scheide , welehe in dieser Materie bis jezt gefasst wurden und xesümirte seine Ansicht dahin, dass nach jenen verschiedenen Entscheiden alle eidg.

Beamten und Augestellten Anspruch haben aus die im Art. 6 des erw.ihnten Bundesgesezes gewährte Befreiung. Bis je^t seien stets nur fragen zum Entscheide vorgelegen , bei denen von Seite der kantonalen Behorden eine den Art^ .^ beschränkende Jnterpretation versucht worden sei. Die Anwendung aus die Professoren und Lehrer am Bol^te.hui^ kum sei aber eine Ausdehnung jenes Art. 6, .^eil dieselben nach allgemeinen Begrisfen niel^t ^u den Beamten zählen. Dessen ungeaehtet fiude der Bundesrath diese Ausdehnung ganz a^u Blaze. So wenig er zugeben konnte , dass es in der Willkur einer Kantons- oder Gemeindsbehorde liege , ob sie einem Bundesbeamten , der au einem bestimmten Orte zu suuktiomren habe, .^ie polizeiliche Bewilligung zum Aufenthalte geben wolle oder nicht, eben so .oenig koune es .^on den ziircherischeu Behörden abhangen , einem durch den Bnudesrath gewählten Professor die Niederlassnng am Size seiner. Wirksamkeit zu bewilligen oder zu verweigern.

Das eidg. Bol^techuikum sei eine im Art. 22 der Bundesverfassung vorgesehene und durch die obersten eidg. Behorden ins Leben gerufene Anstalt,

187 wel.he unter die Oberaussicht des Bundesrathes gestellt sei. Wenn nun aber ^ürich gehalten sei,^ und durch Uebernahme des .......lzes der Anstalt sich auch freiwillig verpflichtet habe, den erwählten Professoren und Lehrern an jen..r eidg. Anstalt die Niederlassung unverkümmert zu gestatten, so ergebe sich die Analogie von selbst , dass diese Professoren und Lehrer nicht in einer schlechter.. Stellung stch befinden können, als die eigentlichen eidg. Beamten und Angestellten und daher weder einer besondern .....iederlassung^bewilligung bedürsen, noch eine Gebühr zu bezahlen haben.

Der Bundesrath nehme dah..r keinen Anstand, seine Anficht dahin ^u äussern , dass vorkommendensalls der Schlusssa^ von Art. 6 des ost erwähnten Bundesgese^es auch auf die Professoren und Lehrer am Bol....techniknm seine Anwendung finden würde.

Die Regierung von Zürich erliess hierauf eine Verordnung, wodurch gleich .^en im eidg. Amte oder Dienste stehenden Bersonen auch die Lehrer am Bol.^technikum am Orte ihrer Amtstätigkeit als niedergelassen betrachtet werden, ol,ne dass sie einer Riederlassungsbewilliguug bedürfen.

Die Ernennungs- oder Anstellungsakte vertritt für dieselben und ihre Familien die Stelle der Heimatschriften.

.^ 39. Ra.h einem Berichte des Bolizeidepartements von St. Gallen bestanden auch dort ähnliche Uuregelmässigl.eiten wie in Zürich. Einerseits wurde der Einnehmer der Hauptzollstätte Haag gebüßt, da er sich weigerte , eine Riederlassuugsbewilligung nachzusueheu. Andererseits mussten in der ^tadt ^t. Gallen diejenigen eid^. Beamten, welche nieht Bürger waren, die Niederlassung nehn.en, jedoch ohne Vorweis eines LeumundsZeugnisses. Es wurden daher an das Bolizeidepartement St. Gallen die gleichen Erossnungen gemacht, wie an Ehur und Zürich.

h.

B u n d e s g e s e z b e t r e f f e n d d i e g e m i s c h t e u Ehen.

(Rene O. S. ll, S. 130, ^ll, 126.)

40. Die dnrch Urtheil des bischofliehen Gerichtshofes in Freiburg, vom 1. September 185^7, vou ihrem Ehemann aus unbestimmte Zeit zu Tisch und Bett geschiedeue Fra^.. Lue i e K a t h a r i n a M a r i a B u g i n , geb. H a r t m a n n , von ^reiburg, ist im August 18^4 in Bern zur protestantischen Konsession übergetreten, und wünseht sich nun wieder zu verehelichen. Die heimatliehen Behorden verweigerten jedoch ihre Einwilli-

gung , weil der Religionsweehsel nicht eine Auslosung des Ehebaudes

(divorce) bewirke, indem die Ehe der Beteutiu nach ^dem im Kau^ou .^reiburg geltenden kanonischen Rechte no.h sortbestehe, obschon sie gegenwärtig eine gemischte geworden sei.

Die hiegegen erhobene Bes^erde ist am 23. Rovember 1864 abgewiesen worden, weil allerdings noch eine güllige, aber gemischte Ehe vorhanden sei (Ullmer Rr. 484) und das Rachtragsgesez über die ge-

188 mischten Ehen vom 3. Hornig 1862 der Rekurrentin den Weg zeige, auf welchem sie eine gänzliche Ehescheidung erlangen konne.

41.

Herr J o f e p h Maria J u d e r b i ^ i n , Gerber von S..hw..z,

wohnhast in Schattdorf, Kantons Uri, ist am 22. Mai 1858^in Glarns zur protestantischen Religion übergetreten. Er wünscht nun die aus frühern Verhandlungen schou bekannte Josepha Jnderbi^in, auch ..Bürgerin von Sehw^z, welche gleichzeitig und am gleichen Orte mit ihm protestantiseh wur^e. zu heirathen. Die heimatliehen Behord^. verweigerten jedoch die Bewilligung zu dieser Ehe, und ^war stüzte die Regierung von Schw^ ihren Entscheid ans folgende Gründe : a.

Rekurrent verlange die Bewilligung zur Verel..elichung mit der geschiedenen Frau eines noeh l e b e n d e n Ehemannes, was durch die Lehre der katholischen Kirche über die Unanflosliehkeit der Ehe .^ls unerlaubt erklärt sei.

b.

Die Verfassung und Gese^gebnng des Kantons Schw..^ haben diesen Gruu.^saz als Jubegrisf der katholischen Konfession a...sgenommen und festgehalten ; ein Abgehen von demselben könne daher kei.^r Behorde des Kantons Sehwvz zustehen.

c.

Jn staatlicher Beziehung fordere das Gesez über Verehelich.nngen

vom 14. Oktober 18l8 resp. 22. Dezember 1846 für Ehestands-

kandidaten Garantien über den moralischen Eharakter, im vorliegenden Falle spreche aber das notorische Zusammleben der Betenten zu Ungunsten derselben.

Znr Erläuterung dieser Erwägungen ist daran zu erinnern , dass die Josepha Jnterbil^in im Jahr 1845 mit ^err.. Alois ^amenzind von Gersau, Kantons Schw.^ , ehelich getraut und am 27. Januar 1850 von dem bisehoflieheu Kommissariate in Lnzern auf unbesthnn^te Zeit von Tisch und Bett geschieden wurde; das. im Jahr l 858 ^nachdem sie konvertirt hatte) ihr Ehemann sie vor das bischofliche Kommissariat in Sehw..^ eitiren liess. um über die Aushebung der ...Scheidung zu verhandeln, dass ^iese ungeachtet der protestation von ihrer ^eite aufgehoben wnrd.. , und dass sie dann ohne Erfolg an den Bundesrath^ und an die Buudesversammlnng rekurrirte. (Bnndesblalt 185.), l, ^. 370, ll, S. 355,

360 , 368 und 378 oder Ullmer Rr. 485).

Der Raehtrag zu dem Bundesgesez betreffend die gemischten Ehen vom 3. Febrnar 1862 machte es der Frau Eamen^ind möglich , die Scheiduugsklage bei dem Bundesgerichte einzuleiten, und sie wurde dann wirklich am 2. Jnli 1863 im Sinne jenes Rachtragsgesezes ganzlich geschieden.

Gegen den oben erwähnten Bes.hluss der Regierung von Schw.^ rekurrite nun Herr J o s e p h M a r i a J u d e r b i ^ i u und stellte das Gesuch, die genannte Regierung mochte angehalten werden . die neue Ehe

zu bewilligen. Durch die fragliche Schlnssnahme werde die im Art. 44

18..)

der Bundesverfassung garantirte Gleichberechtigung der beiden Konsessionen gestort und ein Vorrecht für die Katholiken geschaffen.

Da das Bundesgesez die gemischten Ehen sichere, so konne in einem katholischen Kanton nicht gestaltet sein , eine rein protestantische Ehe ^u hindern. Auch konneu die Behorden des Kautons Sehw.^ nicht bereehtigt sein , eine durch das Bundesgericht (ebenfalls in Anwendung des Bundesgese.,es) geschiedene gemischte Ehe fortwährend noch als eine ungeschiedene Ehe zu behandeln.^ Dies würde den Art. 5 des Nachtragsgestes verleben, wonach nur dem k a t h o l i s c h e n Ehegatten die Wiederoereheliehung aus dem Grunde des Lebens des geschiedenen Ehegatten durch die kantonalen Geseze untersagt werden dürfe. Dem protestantischen Theile bleibe somit das Recht zur Wiederverwendung bundesgese.^li.h gesichert. Hieran vermoge eine kantonale Gesetzgebung nichts zu ändern.

Auch der Kanton Sehwr^ sei paritätischer Boden geworden.

Der aus dem katholischen Kirchenrechte hergenommene Erwägnngsgrund konne. somit keine Anwendung finden.

Die Verlobten besten günstige Leumundszeugnisse , ein unsittliches Zusammenleben sei nicht bewiesen.

Die Regierung des Kantons Schw.^ hat in ihrer Antwort auf die in dem rekurrirten Bes.hlusse enthaltenen Motive sich berufen und als weitern Grund angesührt, dass die Betenten ^ im dritten Grade blutsverwandt seien, sonnt ohne kirchlichen Dispens sieh nicht ehelichen konnten.

Der Bundesrath hat diesen Rekurs vom 13. Mai 1864 ans folgenden Gründen abgewiesen : 1. Es ist iu der Regel Sache der Kantonsgesezgebung, zu bestimmen, unter welchen Bedingungen eine Ehe ^wischen ihren eigenen Angehorigen geschlossen werden darf, eine Beschränkung findet indessen in so weit statt, als die Kantone sich den Grn..dsäzen der eidgenossischen Geseze über die gemischten Ehen zu unterziehen haben , und überhaupt keine die allgemeine Garantie der Bundesverfassung über Gleichheit vor dem Geseze u. s. w. verlezeudeu Bestimmungen handhaben dürfen.

2. Die Verweigeruug der Ehe der Reknrrenten stü^l sich wesentlich. ans den Grund , dass nach den Vorschriften des im Kanton ^hw.^ geltenden kanonischen Rechts die Braut während dem Leben des von ihr geschiedenen Galten keine uene Ehe eingehe.. dürfe.

3. Diese Uni.ersagung würde sich selbst nach dem Rachtragsgesez über die
gemischten Ehen rechtfertigen, wenn die Verlobte noeh der ka^ tholischen Konsession angehoren würde , dieselbe ist aber s^.hon vor längerer Zeit ^um Brotestantismus übergetreten ^ und hat gerade ans dem Grunde, weil die schw.^erische Gesezgebuug die gäu^liehe Schei..

dung auch für Brotestanten ausschließt , das Bnudesgeri^t ange-

rufen, welches dureh Urtheil vom 2. Juli 1863 die zwischen Herrn Alois Eamen.^ind und ^ran Jofepha ^eb. Jnderbil^in be^

stehende Ehe gänzlich geschieden hat.

.....

190 4. Die rechtliche Stellung der Brautleute muss von dem Standpunkte derjenigen Konsession aus beurtheilt werden, welcher sie augehoren, woraus im vorliegenden Falle folgt, dass die Braut durch keine andere rechtsgültig bestehende Ehe gebunden ist und somit vollkommen besahigt wäre, die mit Herrn Jnderbil^in vorhabende Ehe ^ abzuschließen, sofern nicht andere Hiudernngsgründe vorhauden sind, welche die Schlnssnahme der Regierung rechtfertigen.

5. ^lls ein solches wir.^ namentlich geltend gemacht, dass die Brantleute im dritten Grad blutsverwandt seien, welche Verwandtschaft im Kauton .^ehw....^ jede El.^e ohne kirchlichen Dispens ausschliesst, ein solcher sei aber nicht beigebracht worden.

6. Es steht nun jedem Kanton ^.. die Ehehindernisse, mit Vorbehalt des in Erwägung 4 bezeichneten Verhältnisses . nach sreiem Ermessen festzustellen, und insbesondere die Verwandtschaftsgrade zu bezeichnen, inner welchen Ehen von Kautousbürgern unzulässig sind, und es ist in dieser Beziehung ein Einschreiten der Bnudesgewalt wegen der Dispensfrage um so weniger Bedürsniss , als es der freien Wahl des Bräutigams anheimgegeben bleibt, durch Erwerbuug eines andern Kantonslmrgerred.ts sich einer Kantonalgesezgebung zu entziehen, welche ihn an d..r Eingehung der vorhabenden Ehe hinderte.

4.^. Ju die Beschwerde einer ^hurgauerin gegen die Gerichte des Kantons Aargau , wegen Verweigerung der Vewillig.mg zur Vereheliehung eines dortigen Bürgers mit ihr, wurde nicht eingetreten , da ein.^ solche Besehwerde zunächst ..^aehe des Bräutigams sei.

c.

Bundesgesez b e t r e f f e n d die A u s l i e f e r u n g von Ver^ b r e eh e r u o d e r A u g e s eh u l d i g t e u .

(Reue .^fs. S. lll, 161. Alte Osf. .^. l, 2l)6, Art. 1^ u. 20.)

43. Der in Basel niedergelassene Kaufmann E m a u u e l B r a u n s c h w e i g , von Hagenheim in Frankreich, ist dureh Vermitlelung des Staatsanwaltes des Kantons Basel -Stadt ans den 8. Dezember .I863 .vor die Assisen des l^. G^s.hwornenbe^irkes des Kantons Bern nach Biel vorgeladen worden , uni bei der Verhandlung gegen die Gebrüder Rordmann, wegen betrügerischen Bankrottes, als Zeuge einvernommen zu werden. Ra.h.^em er abgehort und aus seine Anssagen beeidigt worden war, verfügte die Kriminalkammer dessen sofortige Verhaftung und die Erofsuu..g einer Untersuchung gegen ihn , wegen beschwornen falschen

Zeugnisses (Meineides). Ani ^ehluss der Voruntersuchung bewilligte die Anklagekammer des Kautons Bern die Freilassung des Braunseh.veig gegen

Bestellung eines Domizils in Biel und gegen eine Kaution von ^r. 50^0.

Ungefähr gleichzeitig machte die Regierung von Basel^Stadt dieje..ig^

^

191

.^on Bern auf dieses Verfahren aufmerksam und sprach die Erwartung

aus, dass nach den Vorsehristen des Bundesgesezes vom 24. Juli 1852

ein Auslieferungsbegehren an sie gelangen werde. Die Regierung von Bern lehnte jedoch dieses Ansinnen ab, wesentlich gestüzt darauf, dass nach Art. 333 des bernischen Strafprozesses der Richter zur Verhaftung des Zeugen befugt gewesen und dass Braunschweig als eine auf frischer That ertappte Berson dem forum delicti commisi unterworsen sei.

Bei der prinzipiellen Bedeutung dieser Frage hat die Regierung von Basel- ...^tadt sich veranlasst gesehen, gegen dieses Versahren bei dem ^ Bundesrathe Beschwerde zu führen, gestüzt auf folgende Gründe : Das Bundesgesez vom 24. Juli 1852 über die Auslieferung von Verbrechern oder Angeschuldigten berühre die ..^fliehten der Kantone bei Requisition von Zeugen nicht, und die durch dieses Bundesgesez noch in

^rast erklärten Art. 19 und 20 des Konkordates vom 8. Juni 1809, bestätigt den 8. Juli 1818 , seien unzureichend. Dagegen habe die ..Schweiz in verschiedenen Auslieserungsverträgen mit auswärtigen Staaten (z. B. mit Bauern 1851 Art. .) und mit Oesterreich 1855 Art. ..)) den Grnndsaz anerkannt, dass der in ein auswärtiges Staatsgebiet rea^uirirte und hier auf frischer That eines Verbrechens ertappte Zeuge zwar fest^ genommen, aber desshalb seinem heimatlichen Richter nicht entzogen werden dürfe, sondern an diesen zur Behandlung vor seinem ordentlichen Richter auszuliefern sei. Damit sei allerdings eine Ausnahme von den Grundsäzen des forum delicti commini konstituirt, allein gerade aus jenem Grnnde werde das freie Geleite zugesichert. Run sei nicht einzusehen, wesshalb jene in den Staatsverträgen der Schweiz anerkannten Grundsäze nicht auch innerhalb der Schweiz zwischen den einzelnen Kantonen gelten sollten. Da es sich um eine interkantonale Frage handle, so konne der von der Regierung von Bern angerufene Art. 333 nicht

entscheidend sein. Dagegen sei im Art. 1 des Bundesgesezes über die

Auslieferung das Vrinzip angegeben , nach welche.^ in diesem Falle die Kompetenz zu bestimmen sei. Die Zeugen müssen, wie es in den zitirten .......taatsverträgen geschehen, als unter ihrem heimatlichen Gerichtsstands bleibend betrachtet werden, und damit scheine auch die Motivirung des bnndesräthlichen Entscheidet vom 5. Rovember 1853 übereinzustimmen.

(Ullmer Rr. 528).

Die Regierung von Bern begründete ihren Standpunkt wie folgt : Rach allgemeinen Rechtsgrundsäzen sei zur Verhaftung eines ans ^inem andern Staatsgebiet vorgeladenen Zeugen wegen eines früher ans bernischem Staatsgebiete begangeneu Verbrechens ein Auslieferungsversahren nothig. Ol.^.e ein solches Versahren konnte die Ladung als ^euge zur Ver-

hastnng eines Mitschuldigen mit Umgehnng des vorgeschriebenen Ausliese^ rungsverfahre..s dienen. Ganz anders verhalte es sich, wenn ein Zeuge bei seiner Vorladung und beim Eintritte in den Kautou Bern keines

Bundesblatl.. Jahrg. X^ll. Bd II.

15

192 Vergehens schuldig gewesen, sondern erst nach seinem Eintritte eine strafbare Handlung begehe. Hier konne die Vorladung nicht zur Un.gehnng der Auslieserung wissbraucht worden sein, und es komme daher der allgemein geltende Gerichtsstand des begangenen Verbrechens, sowie der Grundsaz betreffend die Zulässigkeit der Festnahme auf frischer That zur unge^ schmälerten Geltung. Jm Spezialsalle komme noch hin^u der Zusammenhang der Sachen und die Gerichtsbarkeit der Behorde über die vor ihren Sehranken verübten strafbaren Handlungen Die Ladung eines Beugen geschehe selbstverständlich unter der ^orausse^ung, dass er sich als solcher benehme , sie konne keine Exterritorialität begründen.

Run anerkenne die Regierung von Basel, dass keine bnndesrechtliche Vorschrift bestehe , wonach das von ihr behauptete Versahren beobachtet werden müsste. Es sei aber .^ie Anwendung von Grun^sä^e.., wie sie in Verträgen mit auswärtigen Staaten vorkommen, unzulässig, schon wegen den gan^ verschiedeneu und weit engern staatlichen Begehungen der eidgenossisehen Stände unter sich. ^wischen den ledern konnen nicht die-^ selben strengen Ansprüche aus Ausübung der Oberherrlichkeit über die von auswärts erschienenen Zengen gelten, wie zwischen der Schweiz und fremden Staaten. Das bernische Gesezbnch über das Strasversahren, und namentlich die hier massgebenden Bestimmungen desselben, seien mit den Bundesgesezen vollkommen verträglich.

Der von Basel zitirte Entscheid des Bundesrathes vom ..... Rovember 1853 beziehe sich aus einen ^all, der von dem vorliegenden wesentlich verschieden sei, indem dort der vorgeladene Zeuge als Mitschuldiger an einem bereits verübten Verbrechen steh erwiesen habe. Die Vorladung des Braunschweig als Zeuge sei erfolgt, ohne eine weitergehende Musichexung, als die ihm durch .^irt. 20 des fragliehen Konkordates gegebene, der vollstäudigen Entschädigung sür Reise und .Aufenthalt naeh beruisehen Gesezen.

Der Bundesrath erliess am I3. ^pril 1864 folgenden Entscheid: 1. Braunschweig steht als Niedergelassener in Basel unter der dortigen Jurisdiktion, und wenn derselbe zur Zeugnissablage in einem Brozesse, der in einem andern Kanton geführt wird, angehalten werden will, so kann dieses nur unter Vermittlnng und Zustimmung der Behordeu des Riederlassungskantons geschehen.

2. Der re^uirirenden Behorde stehen hiesür zwei Wege offen : entweder wird ein Re^nisitorium sur Abhorung des Zengen an die znständigen Behorden des Riederlassungskantons erlassen, welche die Abhorung des Zeugen vornehmen und das Brotokoll einsenden, oder wenn die Anwesenheit des Beugen bei der gerichtliehen Verhandlung als nothwendig erseheint, so wird um dessen personliehe Stellung nachgesucht.

^

.l 93

3. Jm ledern Falle soll der Zenge , wenigstens so lange er in dieser Stellung verharrt, um so mehr auf sicheres Geleit Anspruch halben, da ja die Ge.oährn..g desselben ein im Jnteresse^des regierenden Richters liegendes Mittel ist, im Prozesse die nöthige Ausklärung zu erhalten.

4.

Wenn die personliche Stellung eines solchen Zeugen lediglich in gutem Glauben und allen Renten unpräjud^irlich au die re.u.irirende Behorde bewilligt wird , und derselbe sich znr gerichtlichen Verhandlung stellt, so kann die Thatsa.^he, dass er der ihm obliegenden ^flieht der wahrheitsgetreuen Aussage ui^t nachgekommen, nicht genügen, ihn ohne weiters einem Gerichtsstand zu unterwersen, unter den er sich nicht freiwillig begeben hat.

5. Hiemit wird aber keineswegs die Straslosigkeit für ein begangenes ^erbrechen zugesichert ; denn es liegt nur in Frage , welcher Gerichtsstand der zustandige sei , beziehungsweise welche Regierung nach Art. 1 des Auslieferungsgesezes über die Auslieferung sich auszuspähen habe, wobei der die Auslieferuug verweigernde Kanton die Verpflichtung übernimmt, den Schuldigen zu bestrafen ;

b e s eh l o s s e n : Es sei der Rekurs begründet, und es habe demnach die Regierung von Bern bei derjenigen von Basel die Auslieferung des Brauus.hweig nachzusuchen, welche dieselbe zu bewilligen oder im Falle der Weigerung die strasreehtliche Behandlung des Angeschuldigten selbst z... übernehmen hat.

44.

Bei Anlass des so eben erwähnten Rekurses iu Aachen Braun^ schweig hat die Regiernug von Basel bemerkt, dass dortseits schon ost die

Rothwendigkeit einer Ergänzung des Bundesgese.^es vom 24. Juli 1852

gefühlt worden sei , und empfahl dieselbe iu dem Sinne , dass Bestimmungeu über die interkantonalen ^eugenrea^.isitionen aufgenommen würden.

Je mel^r das osfentliehe und mündliehe Verfahren in den Gerichten der Kautone Eingang finde, desto häufiger seien die Fälle, in welchen solche Zeugenvorladungen aus andern Kantonen erfolgen müssen. Rnn würde es im Jnleresse der Justiz liegeu, wenn dieses Verhältniss so gut als die Auslieferung von Angeschuldigten und Verbrechern gesezlich geregelt

u.^. damit einer Willkürlichst vorgebeugt würde, welche auf .^ie küuftige

Erledigung solcher Requisitionen ni.ht ol.me Einsluss bleiben konnte.

lV. .^nw..n.^nn^ der .^^nl.^rdate.

K o n k o r d a t betressend Effekten eines ^alliten in Kredi tors Händen in einem andern Kanton.

^llte Off. Samml. l, 285.)

45. Hr. Landesfälmdrich J. M. Amstad in Beckenried, Kantons Unterwalden nid dem Wald ,

forderte im Konkurse des alt.^Rathsherrn

194 Beter Halter in Giswpl, Kantons Unterwarfen ob dem Wald, ^.r. 5730. 77, und machte dafür ein Pfandrecht auf verschiedene Gült- und andere Werthschriften d^s Konkursen geltend. ^..iese W.^rthschriften befanden sich jedoch nur zum Theil im V^ des Ansprechers, indess er für andere Titel, die momentan bei der Kommission lagen, welche für Vereinigung des H.^pothekarwesens in Lungern (Obwalden) bestellt war, blosse Bsaudverschreibnngen (.,Gut- und Abtretungsscheine^) besass. ..^ie Repräsentauten der Konkursmasse bestritteu jedoch das Bfandre.ht auf fragliehe Titel und forderten sie zur Masse, indem sie Hr. Amstad, wenn er damit nicht einverstanden wäre, gleich vor das Gericht n a ..h Giswr^l (Obwalden) zitirten, um über folgende Rechtsfragen zn verhandeln : a. ob die fraglichen Kavitalbriese nach Obwaldenschem Rechte ihm, dem Rekurrenten, rechtlich eingesät und verpfändet seien .^ h. ob ihm für den Betrag seiner Forderung ein Prioritätsrecht auf den rechtliehen Vesi.. und das Eigeuthum an jenen Titeln Anstehe, oder ob diese nicht in die allgemeine Konkursmasse geboren ^ Aus der andern Seite maehte Rekurrent diese Sa.he bei der heimatlichen Gerichts-Kommission von Ridwalden anhängig, welche den Halterschen Massa^Kuratoren einen fatalen Termin ansäte, inner welchem sie, falls das Bfandrecht des Hrn. .^lmftad an fragliche Werthschriften bestritten werden wolle , diese Streitsrage vor den kompetenten Gerichten von Ridwalden auszutragen haben, ansonst angenommen werde, sie haben auf jede Einrede verzichtet.

Gleichzeitig gelangte Hr. Amstad mit einer Beschwerde gegen das Vorgehen der Vehorden von Ob.valde.. an den ....... nndesrath und verlangte,

gestuft auf das Konkordat vom 7. Juni 1810, bestätigt den 8. Jnli 1818 (alte ..^fs. .^amml. B. l, ^. 285), so wie geftüzt auf Entscheide des Bundesrathes in ähnli.hen fällen (Ull^uer Rr. 243,

256, Erwägung 3, Rr. 305, 3^4, 266, 268, 534, 546, 547, 54.),

551), dass die Kompeteuz zum Entsche.de der vorliegenden Frage den Gerichten von Ridwalden zugewendet werden möchte.

^ie Haltersehen Massa Kuratoren beantworteten diese Beschwerde wie

f^

Ueber die Gültigkeit des Pfandrechtes aus diejenigen Gültbriefe, für welche der Rekurrent blosse Empfaugseheine in Händen habe, während die Jnftru.ueute niemals in seinem Vesi^e gewesen seien, haben lediglieh die.

.^bwaldenschen Gerichte zu urtheilen, während die Ridwal.^euscheu Gerichte kompetent seien, hinsichtlich des von der Kreditorschaft bestrittenen Bfandrechtes an denjenigen Titeln, die wirklich im ..^esi^e des Rekuxrenten sich befinden.

Was diejenigen Effekten betreffe. die im Besi.^e des Rekurrenten liegen, so seien diese vor Allem an die Haupt.uassa abzuliefern. Wenn

^

195

er dessen sich weigere, so gehore diese Rechtsfrage auch vor das Obwaldensehe Forum, weil in dieser Weigerung ein Verzicht aus die Wohlthat des von ihm angerufenen Konkordates liege ; denn wenn er die Objekte nicht abliefere , wie .^lrt. 1 dieses Konkordates e.^ vorschreibe , so fei man zu der Annahme berechtigt, er habe ans das ganze Konkordat verzichtet.

Die weitere Frage, ob und welche Rechte der Bestz des Pfandes bei der .^ertheilung der Fallimentsmassa gewähre , so wie alle ans die Eollozirung und Lie.uibirung bezüglichen Streitsragen , stehen ebenfalls dem Obwaldenschen Richter zu, nach einem Entscheide des Bundesrathes vom

23. Januar 1863. (Geschäftsbericht für 1863. Rr. 46. Bundesblatt 1864, Bd. l, S. 379.)

Der Bundesrath hat am 17. Juni 1864 diesen Rekurs im Sinne folgender Erwägungen als begründet erklärt : 1.

Wenn es sich fragt, ob die Empfangsseheine, welche Rek^rrentfüx solche H^pothekarinstrnmente erhielt, die momentan nicht in den Händen des Schuldners, sondern bei der mit Bereinigung des H^pothekarwesens beantragten Kommission liegen, auch als saustpsäudlich hinterlegte Werthschristeu betrachtet werden konnen, so ist diese Frage zu bejahen , weil dieselben nur an die Stelle der zu einem bestimmten ^weke amtlich eingeforderten Hauptinstrumente treten und seinerzeit dureh diese wieder ersezt werden.

...

2.

Die ^rage, ob die in den Händen des Rek.irrenten liegenden Essekteu in die allgemeine Konkursmasse abgeliefert werdeu müssen, ist nach ^ 2 des zitirten Konkordates vor dem Richter des Kantons, wo der Besizer derselben wohnt, zu entscheiden, denn der Sinn dieser Bestimmung ist kein anderer, als dass die in einem Kanton gültig entstandenen Psandrechte gesehüzt werden, und damit dieses um so sicherer geschehe, soll der Richter des Kantons, wo die Pfänder liegen, darüber entscheiden.

3. Da .^as Bsaud zum Zweke hat, den Gläubiger zu sichern, dass er a..s dem Erlos desselben sur seine Ansprache bezahlt werde , so steht es ihm allerdings frei , dasselbe au die Konkursmasse abzugeben und durch den Ko..kursriehter versilbern zu lassen, in welchem ^alle die gleichen Reehte, die ihm an ^er verpfändeten Sache zustanden , anch an dem . den Gegenwert^ der Pfänder bildenden

E.^los zusteht.^

4.

^lber ebenso muss es dem Pfandgläubiger auch zustehen, die Pfänder n a eh Massgabe seiner heimatlichen Geseze und dureh seinen heimatlichen Richter zu realisiren, wobei es sich aber persteht, dass der Mehrerlos in die allgemeine Konkursmasse abzuliefern sei.

5. Riemals kann aber der Pfandgläubiger angehalten werden , die Frage, ob und wel.he Rechte der Besiz des Psaudes bei der Ver-

^

196

theilung der Faliimentsmasse gewähre , so wie die auf die Eolloeirnng und Li^uidirung bezüglichen Streitfragen dem Entscheide des allgemeinen Kouknrsriehters zu unterstellen , weil sonst das Bsand dem Gläubiger nicht eine reelle, sondern nur illusorische Sicherheit gewähren konnte.

V.

^andhal.un^ d.er ^ant^n^nerfa^an^en.

46. Am 27. Juni l 85..) genehmigte der Grosse Rath des K^tons B a s e l - S t a d t einen V.an über Erweiterung der ^.tadt, worin auch die neue Zulage der sogenannten Gartenstrasse festgestellt w.^rde. ^un besass die Direktion der schweizerischen Eentralbahn noch ein Stnk des durch Expropriation sur den Bahnhos in Basel erworbenen Landes und verkaufte es am 3. Jannar 1860 an Hrn. Architekt L u d w i g Mari n g in Basel. Jn dem diessälligen Vertrage wurde bedungen, dass Hr. Maring im Voraus gegenüber der Eentralbahn aus jeden Beitrag an die nen projektirte Strasse, falls ein Theil des verkauften Landes dazu verwendet werden sollte, verachte. Unterm l.). April 1861 verkauste Hr. Maring diese Liegenschaft an Hrn.

l)r. Benjamin Sigm^ud in Basel und übergab sie aller Beschwerden und Beladensehasteu frei und ledig zu wahrem Eigenthum.

R^u erliess der Kleine Rath des Kantons Basel-^.tadt am l 9. Jnli 1862 den Austrag zur Ausführung der im Juui 185..) beschlossenen Gartenstrasse. Jn ^.olge dessen wurde den. Direktorium der ^.mtralbahn durch das Bankollegium erofsnet, dass es sich nun zunächst um die Abtretung des betrefseudeu ...^tras.engebietes handle, dessen Kosten laut Gesez vom 29. August 185.), Art. 8, und nach bisherigen Vorgängen in der Weise von den Austossern zu tragen seien, dass je die Hälfte der Strasse....

breite dem Besser der anstoßenden Façade zufalle.

Dieser Art. 8 lautet wie folgt : ferner sind die anstoßenden Grnndbestzer verpflichtet, die Kosten des ,,^ur Herstellung der Strassen erforderliehen und von ihnen au ^en ^taat ^abzutretenden Terrains nach Massgabe des Ru^eus und Vortheils, der ,,einem jeden derselben aus der .^traßenanlage erwächst, zu tragen.

,,Bei ofsentlichen fläzen, so wie bei solchen Strassenkorrektioneu und ^^trasseuaulagen, die lediglich im offeutlicheu Juteresse und ohne wesent,,li..l.en Vortheil für die anstoßenden .Liegensehaftsbeft^er erbaut werden, ,,hat bei der erforderlichen Terrainerwerbung auch eine Beteiligung des Staates in angemessener Weise einzutreten.

^Dasselbe findet statt, wenn durch vollige Eutwerthung eines ein.,^eluen Grundstükes der Gesan.mtbetra^ der Lauderwerbnng im Verhältnis ^,^u den für die Austosser durch die Anlage erwachsenden Vortheilen all,.zusehr gesteigert würde.

^

197

,,Falls über die Abtretnngskosten des erforderlichen Terrains oder ^über die Vertheilung derselben unter die einzelnen Anstosser oder über ,,das Mass der allsälligen Betheiligung des Staats keine gütliche Ver..ständigung erhielt werden kann , so entscheidet ein nach Anleitung des Ge-

,,se^s vom 15. Jun. 1837, ^ 3, 4 und 5 aufzustellendes Schiedsge..richte

Da sowohl das Direktorium der Eentralbahn als Hr. Maring eine

Beitragspslicht ablehnten , so leitete d^as Baukollegium das in dem eben erwähnten

Gesezesartikel

vorgesehene

schiedsgerichtliche

Versahren

ein.

Vor dem Schiedsgerichte machte Hr. Maring geltend, das fragliche Gesez enthalte einen unzulässigen Eingriff in Vrivatre.hte, übrigens sei es hier nicht anwendbar, da eine Liegenschaft Vortheil von einer Strasse haben müsse, wenn deren Eigentümer an die Erstellung derselben beitragen solle. Die sragliche Liegenschaft habe jedoch keinen Vortheil von der Gartenftrasse.

Das Schiedsgericht stellte indess in seinem Urtheil vom 28. August 1863 den Saz auf : die erwähnte Strasse sei nicht als eine im offentlichen Jnteresse erstellte anzusehen und es erscheine daher nicht als gerechtfertigt, dass zur Tragung der Kosten derselben der Staat beige^ogen werde.

Aus dieser Grundlage wurden die Anftösser als beitragspflichtig erklärt und die gegenseitigen .Quoten festgestellt.

Hr. Maring führte nun bei der Regierung von Basel-Stadt Besehwerde gegen Dieses Urtheil. Diese Beschwerde wurde jedoch abgewiesen und dann b..i dem Bundesrathe erneuert. ...^ie ftü^te sich wesentlich darauf, dass das^ fragliche Urtheil auf einem Geseze beruhe, welches mit der Versassn..g im Widerspreche stehe, und sei daher selbst verfassungswidrig.

Das G.^se^ vom 2.). August l 85.) widerspreche einerseits darum der Ver^ fassung , weil ledere im ^ 7 das Eigenthum vor willkürlicher Verlegung sehü^e und für Abtretungen, die der allgemeine Rnzen erfordere, von ^eite des Staates nach ges..zl..eheu Bestimmungen gerechte Entschädigung zusichere , während das Gesez die Last dem Staate abuehm.. und privaten auflege. Andererseits sei in der Verfassung bestimmt, es dürfe Riemaud seinem ordentlichen Richter entzogen werden, während das Gesez ein Schiedsgeruht ausstelle, wodurch die ordentlichen, stehenden, zum Voraus gewählten Gerichte umgangen werden.

Diese beiden Hauptgefiehtspuukte wnrden, nebst einigen andern untergeordneter Ratnr, von Seite des Reknrrenteu und der Regierung von Basel, so wie in einem von dem erstern beigebrachten Rechtsgutachten weitläufig erortert.

Der Bundesrath hat jedoch am 19. August 1864 diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dabei in Betracht gezogen : l.

Es ist zuerst die allgemeine Vorfrage ^beantworten, ob Rekurrent zu der vorliegenden Beschwerde formell legitimirt sei.

198 2. Diese Frage ist ans doppeltem Grunde zu beiahen, einmal : weil nach Art 5 der Bundesverfassung jeder Bürger berechtigt ist, zum Schnze seines verfassungsmäßigen Rechts gegen behauptete Ver^ lezung sich an die Bundesbehorden zu wenden, und zweitens, weil Hr. Maring an der Frage der Rechtsgültigkeit des angefochtenen

schiedsgerichtliehen Urtheils, das in seiner Schlussbestimmung den Regress gegen ihn erofsnet, unzweifelhaft auch prwatrechtlieh interes-

firt ist; 3.

Zur Hauptsache übergehend, ist zu entscheiden, erstlieh über die behauptete Verfassungswidrigkeit der Schiedsgerichte, und zweitens

der gesezliehen Entschädigungsbestimmung in E^propriationsfällen.

4.

Betreffend die Schiedsgerichte , so sehliesst der angerufene Art. ^ der Verfassung von Basel^tadt dieselben offenbar nicht aus ; denn er s a g t . ,,Riemand darf feinem ordentlichen Richter, w e l c h e n das G e f e z für den Fall a n w e i s t , entzogen werden.^ Rachdem das Gesez für passend erachtet hat, für Anstände der Art Schiedsgerichte vorzuschreiben, so sind diese als die o r d e n t l i c h e n Gerichte für diese Art von Streitigkeiten zu betrachten.

5.

Auch der Art. 53 der Bnndesversassung ist durch die Einführung der Schiedsgerichte keineswegs verlebt. denn die Schiedsgerichte sind, wenn sie auch für den einzelnen Fall besonders kompouirt werden, dess.vegen doch keine Ausnahmsgeriehte, so wenig als G.^ schwornengeriehte, Handelsgerichte n. s. f. Die ga.^e Argumentation gegen die Schiedsgerichte beruht aus einer Vermengung des

Begrisss des ordentlichen Richters mit dem des ständigen Richters, .-- zwei Begrisse, die bei vieler äusserer Aehnlichkeit doch in sich verschieden sind.

^. Betreffend die Entschäd.gungsbeftimmnug entsteht die Vorfrage, ob gemäss dem eventuellen Begehreu der Regierung vou Basel^tadt die Beschwerde über die behauptete Verlegung der ^antoualverfassung querst noch beim Grossen Rathe von Basel anzubringen sei.

7. Dieses Verlangen erscheint als unbegründet , da die Besehwerde sieh gerade gegen eine ^chlussnahme des Grossen Rathes selbst richtet, indem ja die Verfassungsmässigkeit des von ^m erlassenen Gesezes in ^rage gestellt wird und über diese zn entscheiden ist.

8. Jn die Materie selbst eintretend, beruht die Behauptung der Ver-

sassnngswidrigkeit des Gesezes vom 29. August 185.) im Wesens

liehen daraus, dass ^lrt. 7 der .^antonsverfassung in Expropriations-

sällen die ..^flieht zur Entschädigung ausspreehe, während das srag^ liche Gese^ die Anstosser zur Abtretung des für ^trassenanlagen erforderlichen Landes ohne weitere Entschädigung verpflichte.

..). Es erseheint indessen die Behauptung, dass die bezügliche Bestimmnng des Gesezes mit der Verfassung im Widerspruehe sei , nicht als begründet, und zwar ...us folgenden Gründen:

199 a. Der Art. 7 der Verfassung spricht ^den Grundsaz der Entschä-

digung für Abtretungen keineswegs mit derjenigen Unbedingtheit aus, wie Rekurxeut behauptet, sondern er sagt in seinem Eingang nur: ,,Das Eigenthum soll vor willkürlicher Verlegung gesichert s.^in^, wogegen sieh vorerst das Gesez nicht verstosst, da

es die Ausmittlung der Entschädigung dem Spruche des Richters

anheimgibt. Jm Weitern fährt die Verfassung sort: ,,Für Ab,,tretungen, die der allgemeine Ruzen erfordert, hat der Staat ,,nach geglichen Bestimmungen gerechte Entsehädig.mg ,,^u leisten^, woraus erhellt, dass ausdriiklich die nähere Ordnung der Art und des Masses der Entschädigung dem Geseze vorbehalten werden wollte.

b. Die Versassung gibt auch für die weitern gesezlichen Bestimmuugen keinerlei Direktionen, sie schreibt weder positiv vor, dass d.e Entschädigungen in Baar befahlt werden müssen, noch sd.liesst sie negativ die Kompensation des Schadens durch anderweitige Vortheile, welche dem Eigentümer der betretenden Liegenschaft durch das ossentliehe Werk erwachsen, aus. Der Gesetzgeber in Basel hatte daher voll^ Freiheit, solche Vortheile bei der Bereehnung der Entschädigung mit in Betracht zu ^eheu, und wenn er in ^olge dessen festgesezt hat, dass unter Umständen ein Eigenthümer mit Rüksicht ans die Wertherhohung des Restes einen

Theil des Gruudstüks unentgeldlich abzutreten habe, so bleibt

er immerhin uoeh hinter der in andern Kantonen üblichen Vra^is ^urük. nach welcher ^. B. bei ^lusskorrektionen die Eigeuthümer von Grundstufen, deren Verbesserung vorausgeht wird, den vermuteten Mehrwerth ganz oder theilweise baar herauszubezahlen haben.

10. Schliesslich konnte allerdings sehr in Frage gestellt werden, ob Art. 7 der Basler Verfassung überhaupt für Beurtheilung dieses Verhältnisses massgebend sei, oder ob nieht dieses Verhältniss analog dem vom Bundesrathe unterm 23. Mai 1.^55 entschiedeneu ^alle einer Beschwerde über verlangte unentgeltliche Landesabtretungen behuss einer Reusskorrektion .^Ullmer ^. 17) unter dem Gesichts^ punkte der Repartition von öffentlichen Lasten aufzufassen sei. Bei dieser ledern Auffassung wäre alsdann Art. 9 der Verfassung von Basel massgebend, lauteud : .,Jeder Bürger und Einwohner hat die "Verpflichtung, nach den gesezliehen Bestimmungen an die ossent,,liehen Lasten beizutragen.^ Auch unter diesem Gesichtspunkte würde daher die vorliegende Beschwerde als grundlos erscheinen.

47. Der Entscheid über den Rekurs der Herreu Rotare Me.^.er in Liestal. und S ü t t e r l i n in Sissaeh gegen einen Beschluss des Landrathes des Kantons Baselland, wodurch das Jnftitut des Notariates

200 ^ ausgehoben wurde, ist im Bundesblatt 1864, Il, 666 vollständig abgedrukt. Bekanntlich hat der Bundesrath gesunden, es sei jenes gefezlich geregelte Jnstitnt nicht in derForm aufgehoben worden, welche die Verfassung für Aushebung oder Abänderung von Gesezen vorschreibe und daher den ^

bezüglichen Landrathsbeschluss als aufgehoben erklärt. Die Regiernng

von Basel-Landschast ergriff hiegegen den Rekurs an die Bundesversamm-

lung . allein der Beschluss des Bundesrathes wurde bestätigt. (Siehe Bericht der nationalräthlichen kommission, Bnndesblatt 1864,

ll, 843).

48. Ein zweiter Rekurs wegen Verlegung der Verfassung durch den L a n d r a t h des K a n t o n s B a s e l ^ L a n d s c h a s t ging von den .B ez i r k s s t a t t h a l t e r n und B e ^ i r k s s c h r e i b e r n diesel Kantons aus.

Der Landralh von Basel^Landschast hat nämlich am 19. Oktober 1863 beschlossen. , die genannten Beamten sollen die ihnen durch Gesez und Uebnug zukommenden Sporteln ^ar begehen, aber Rechnung darüber führen und periodisch mit der Rechnung an die Staatskasse abliesern.

Durch einen weitern Beschlnss vom 16. Rovember 1863 red.^irte der Landrath die Sporteln der Be^irkssehreiber in der Weise, dass vom 1. De.^.r.

gl. J. an bis zur Revision des betreffenden Gesezes diejenigen Sporteln, d.e 60 Et. und darüber betragen , um ein Drittheil hernntergese^t sein sollen.

Die Bezirksstatthalter und Be^ir^ssehreiber reknrrirten gegen diese

beiden Entscheide, geftüzt aus die ^ 4l und 46 der Kautousversassuug.

Das im erstern ^ in aussieht gestellte G e s e z für Regelung der Besoldungen der Staatsbeamten sei noch nicht erlassen. ^ 46 sichere das Gesezgebungsrecht in Basel^Lan.^s.hast dem Volke zu, und bestimme die Formen, die beobachtet werden müssen, um Geseze und allgemein verbindliehe Beschlüsse in ^rast ^u se^en. Dieses verfassuugsm.issige Recht kouue uieht durch blosse Beschlüsse des ^andrathes illusorisch gemalt werden.

Die Regierung von Base^.Landschast begründete die sragliehen Be^ schlösse im Wesentlichen damit, dass die Reknrrenten sie selbst verschuldet haben , indem sie die von ihnen verlangten Materialien für die Revision der alten .^portelngese^e ni..ht gegeben , obsehon ihnen bekannt gewesen . wie sehr die .^porteln im Volke .^kreditirt seien. Dadurch sei i.n Volke die Meiunng entstanden, es sei boser Wille der neuen Bel^orden, dass der ^ 4l der Verfassung ui.ht ^ur ^lnssührung komme. U.nter diesen Umständen seien sie verpflichtet gewesen . diese Frage vorläufig wenigstens annähernd ^u regeln. D.^r B^schluss vom 16. Rovember habe speziell seine restliche Begründung :n der Rothw.mdigkeit, wenigstens den weitern Anwachs des Schadens von dem Volke ab^u.venden.

Nachdem in einer ^wische^.verfü^nng vom 30. Rovember 1863 der Regierung von Basel-Landschaft eröffnet worden war, dass wenn seiner ^eit im ^inne der Reknrrenten entschieden .verden sollte, alsdann der .^taat Basel ^.Landschaft ihren Reklamationen gerecht werden müsste. sind am

201 16. März 1864 die rekurrirten Bes.hlüsse vom 1..). Oktober und 16. Rovember 1863 als ausgehoben erklärt worden.

dieser Entscheid gründet steh im Wesentlichen ans die Erwägung,

d^.ss es nicht in der Willkühr des Landrathes von Basel^Landschast liege, die Regelung einer Angelegenheit, welche lant Verfassung durch ein Gesez stattfinden soll, durch einfache Beschlüsse, die der Genehmigung des Volkes ni.ht unterstellt werden, vorzunehmen.

4.). Jm Berichte des politischen Departements werden die politischeu Vorgänge im K a n t o n B a s e l - L a n d s c h a f t berührt, die von staatsrechtlichen Ents.heide.. begleitet waren , deren Mittheilung in diese Abt.^eilung des Geschäftsberichtes verwiesen werden musste.

Jm ^ 46 der bestehenden Verfassung des Kantons Basel-Landsehaft ist wortlich folgendes bestimmt : .,Alle geseze , allgemein verbindliche Beschlüsse und Vertrage sollen na.h einer dxeissigtäg^en Publikation im Amtsblatte dem Volke^i seinen Gemeindeversammlungen ^ur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden.

Hiebei entscheidet die Mehrheit der Stimmenden.

.,Es dürfen jedoch in einem ^Jahre nicht mehr als zwei solcher Gemeiudeversammlnugen ^rühjahr und ...^.patjahx) zusammenbauten werden.^

Bezüglich der Ausführung dieser Abstimmung wird im ^ 88 derselben ^ersassu^g vorgesehrieben, was solgt: ..Bei allen Abstimmungen über Ge^ se^e, allgemein verbindliche Bes^lüsse und Erlasse, welche durch ^ 46 uud 87 dem ^olke zugewiesen siud , muss die absolute Mehrheit, bei Wahlen wenigstens .^er dritte .^heil der stimmberechtigten Bürger anwesend sein. ^.ie Gemeindevorstände sind b e f u g t , unter Androhung von Bussen ^u den betresseudeu Versammlungen einzuladen.^

Am 17. Mai l 864 erliess ....un die Regierung des Kantons Basel.Landschaft eine Verordnung betreffend die erste Frühlingsabftimmung über die im ^ l ausgezählten Geseze, Konkordate und andere fragen (Z^ff. ^, Eutlassuugs^esuch des .^.rn. Regierungsrath Rolle). Jm gleichen ^ 1 wurde diese Abstimmung auf ^ouutags den 2^. Mai 1864 .Nachmittage 1 Uhr augese^t und im Weitern bestimmt : ^ 2. Die Gemeinderäthe stnd v e r p s l i e h t e t , von der im ^ 88 der Verfassung eingeräumten Befugniss Gebrauch ^u machen, und die ^timmberechtigten bei l ^r. B..sse zur Versammlung vorbieten zu lassen. Die dann ohne triftige Entschnldigungsgrimde ^iehterseheiuenden finden verzei.hnen , und .^ie Bnsse vou ihnen zuhanden der Gemeindekasse einzuziehen.^ ,,^ 12. Wer durch Drohungen, Versprechungen und Einschüchterungen , oder aus andere Weise auf die Abstimmung hindernd einwirkt, soll verzeigt und nach den Bestimmungen der be^üglieheu Geseze bestrast werden.^

202 Gegen diese Verordnung haben die Herren Rationalräthe G u ^ w i l l e r und G r a s in Basel^Lands...ast bei dem Bundesrathe nach drei Riehtungen hin Beschwerde erhoben. Einmal widerspreche ^ 2 derselben dem ^ 88 der Verfassung, weil die Gemeindrathe durch jenen v e r p f l i c h t e t werden, die Versammlungen bei Busse einzuladen, während sie nach der Verfassung h.ezu unr b e f u g t sein sollen. Sodann konne versassungs..^ gemäss der Bürger frei in der Bresse, in Vereinen und sonst überall für oder gegen die Theilnahme bei der Abstimmung sieh aussprechen , nach ^ 1 2 der Verordnung aber seien f ü r d i e A b s t i m m u n g selbst Drohungen, Versprechungen nnd Einschüchterungen nicht verboten, während der einfachste Rath zur R i c h t a b s t i m m u n g mit Strafe belegt werden könnte. Auch. hindurch sei ^ 88 der Verfassung verlebt. Ebenso sei die Vorlage des Entlassungsgesuches des Herrn Rolle wider die Verfassung, weil keine Bestimmung in d..r leztern zu finden sei , wonach ein .solches Entlassungsbegehren dem Volke ^ur Abstimmung vorgelegt werden müsste.

Dem mit dieser Besehwerde verbundenen Gesuche um eine provisorische Verfügung entsprechend, wurde am 25. Mai 1864 die Regierung von Basel^.Landschast eingeladen, die aus den 2..). Mai zusammenberufenen Gemeindeversammlungen abzusagen und auf so lange zu snspendiren, bis endgültig über diese Besehwerde entschieden sein werde. Am 26. Mai 1864 verfügte jedoch die erwähnte Regierung, es habe die Abstimmung unwiderruflich am 29. Mai stattzufinden; dagegen stellte sie den Vollzug des ^ 2 der Verordnung betreffend die Busse, ^ b i s A u st r a g s d e r S a eh e ^ ein, in dem ^inne, dass die Gemeindräthe nicht verpflichtet seien, der fraglichen Weisung uach^ukommen , dagegen sei es e i n st w e i l e n dem Urtheile ihres eigenen Pflichtgefühles überlassen.

Mit Beschluss vom 6. Juni 1864 wurden die Betenten gemäss bestehender Bra^is zunächst an den .^andrath des Kantons Bafel-^andschaft verwiesen. Dieser erklärte jedoch die Beschwerde unbegründet, worauf sie bei

dem Bundesrathe bezüglich des ^ 2 der fraglichen Verordnung erneuert wurde.

Die nun eingekommene Beantwortung des Rekurses durch die Regierung von Basel-Landschast ist in der bekannten Denksehrist derselben au die eidgenössischen Stände und an die Bundesversammlung enthalten , auf welche hier verwieseu wird.

Jn Anwendung von Art. 2, 5, 90, Ziff. 2, 3 und 1l) erfolgte nun am 27. Juni folgender Entscheid : .i . Der Bundesrath hat in Ausübung

seiner

verfassungsmäßigen

Besugnisse die Sistirung der aus den 2.). Mai abhin ange-

ordneten Volksabstimmung bis zum Austrag der von mehrern Bürgern eingereichten Beschwerde gegen verfassungswidrige Ver..

fügungen des Regierungsratl^.s verlangt, nnd wenn in Ri.htbeach..

tung dieser Weisung die Abstimmung dennoch vorgenommen wnrde, so muss dieselbe als ungültig angesehen werden.

203 2. Es ist unzulässig , Bürger , welche an einer von der zuständigen eidgenossischen Behorde untersagten Abstimmung nicht Theil ge^ nommen haben, desswegen ^.r Verantwortung zu ziehen.

3.

Bei einer neuen Abstimmung dürfen die Bürger nur in der durch die Versassung vorgeschriebenen Weise zu den betreffenden Versammlungen eingeladen werden.

4. Von den Beschwerdeführern wird die Beschwerde gegen ^ 1, Zifs. 8

und gegen ^ 12 der Verordnung vom 17. Mai 1864 sallen ge-

lassen, und de.. dritte Beschwerdepunkt bezüglich ^ 2 der Verordnung ist dadurch beseitigt, dass die Regierung selbst durch Beschluß vom 7. Juni den fraglichen Artikel in einem .^inne abgeändert hat, welcher mit Art. 88 der Verfassung übereinstimmt ;

b e schl o f f e n : 1. Die am 29. Mai in der Mehrzahl der Gemeinden vorgenom^.

mene Volksabstimmung ist ungültig, und es kann als Fortsezung derselben keine Abstimmung in denjenigen Gemeinden nachgeholt werden, in welchen auf genannten Tag die Gemeindeversammlungen nieht einberufen worden sind.

2. Weder die Gemeinderäthe , wel.he die Gemeindeversammlungen auf besagten Tag nicht angesezt, noch die Bürger, welche steh von denselben serne gehalten haben, dürfen desswegen zur Verantwortung oder Strafe gezogen werden.

3. Jn ^olge der von der Regierung abgegebenen Erklärung ist die Bes.hwerde über ^ 2 der Regierungsverordnung vom 17. Mai 1864 als erledigt zu betrachten, in der Meinung , dass sür die neu ^u veran^ staltende Voll.sabstimmuug einzig den Gemeinderäthen die Besugniss ^usteht, unter Androhung von Bussen zu den betreffenden Versammlungen einzuladen.

4. Diese ^..hlussnahme ist der Regierung von Basel-Landschast zur Rachaehtung und den Rekurreute^ ^ur .^enntnissnahme mittheilen.

Gegen diesen Entscheid hat die Regierung den Rekurs an die Bundesversammlung ergriffen. Der weisendem ^inne entschieden wird voraussichtlich in der und wir enthalten uns daher 50.

Nationalrath hat darüber bereits in ab^ (15. Dezember 1864). Der Ständerath ordentlichen Julisi^ung darüber verhandeln, weiterer Bemerkungen in dieser Sache.

Die Vorginge in G e n f aus Anlass der am 21. August da-

selbst stattgesundeuen Wahl eines Mitglieds des ^taatsrathes, und ^war speziell der Besehluss des Wahlbüreaus von Gens , wodurch die Wahl des Hrn. A. Eheneviere als Mitglied des ..^taatsratl^es kasstrt wurde, haben ebenfalls ^u eiuem Rekurse geführt wegen Ueberschreituug der versassungsmassigen Kompetenz des erstern. Der Buudesrathsbeschluss, wodurch jene Kassation durch das Wahlbüreau ausgehoben und die erwähnte Wahl als gültig erklärt wurde, ist abgedrul.t im Bundesblatt von 1864, ll, S. 566.

204 Das .^rand Bureau wollte sich damit nicht begnügen, sondern rekurrirte bekanntlich an die Bundesversammlung, welche jedoch an. 26^2^). September 1864 den Entscheid des Bundesrathes bestätigt hat. hieraus be-.

zieht sich ein wesentlicher Theil der Botschast des Bundesrathes in. Bun-

desblatt von 1864, ll, S. 740.

^. Polizei.

1.

..^..llgemein^.

1. Der Bundesrath wurde ..u einer Beschwerde bei der frantosischen Regierung wegen zwei franzosischen Bässen, die in Gens der Bolizei abgegeben wurden, und die den Jnhaberu G e u s als Jntern.rnugsort (residente ohh^) anwiesen, veranlagt, da es sich ergeben halt.., dass die Jnhaber gefährliche Verbrecher seien , und dass der eine jener Bässe in dem Momente ausgestellt worden sei, als t.as betretende Jndividuum aus der Strafanstalt entlassen worden war. Die franzosische Regierung hat eine genane .Verifikation d..s Tatbestandes angeordnet un.^ sodann die Zusichernng gegeben, dass bestimmte Jnstruktionen erlassen worden seien, damit Sehnliches sich nicht wieder erneuern konne.

2. Das Gericht von Bruntrut, Kts. Bern, hat in einer Untersnehung wegen Diebstahl beim Gericht in Belfort (Frankreich) direkt die Einvernahme verschiedener Mengen verlangt, allein der französische Minister des Aeussern retournirte die Akten aus diplomatischem Wege mit dem Bemerken, dass das Gesuch ebeusall^ aus diesem Wege hätte gestellt werden sollen, ein Versahren, das allerdings zwischen der ^.hweiz und Frankreich feit alter Zeit geübt wird und z. B. aueh von Frankreich in der Untersuehung gegen Greeo und Konsorten beobachtet wurde.

205 ll.

.^...n^lieferu.^en.

^.. Statistik der von der Schweiz bei auswärtigen Staaten nachgesuchten Auslieserungen.

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Glarus

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Basel^tadt . . . .

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Gallen

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Reuenbnrg Genf

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von welchen diese Ans^ lieserungen verlangt wurden.

Amerika

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Baden

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Bauern

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Belgien

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Frankreich . .

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Unentdekte.

B. Statistik der durch die Schweiz an auswärtige Staaten bewilligten Auslieserungen.

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Oesterreich Breussen .

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Kantone, von welchen diese Aus...

lieferungen verlangt wurden.

Zürich

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Basel-^tadt . . . .

Basel^andschaft

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St. Gallen . . . .

Graubünden . . . .

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Waadt

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Schweiz (allgemein) .

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207 3. Auf Ansuchen der französischen Regierung wurde die Auslieferung des nach Genf geflüchteten Johann Baptist M a r t i n , gewesener Ser^eant-Major, bewilligt, indem derselbe als Eomptable seiner Kompagnie wegen Unterschlagung und Diebstahl von Kompagniegeldern zu 10 Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden war.

Jn Folge dessen gelangte eine grössere Anzahl in Genf wohnender Schweizerbürger mit dem Gesuche an den Bundesrath, dass der Auslieserung keine Folge gegeben werden möchte, indem nach dem Wortlaute de....

Vertrages mit Frankreich hiefür keine Verpflichtung bestehe.

Es wurde hierauf nicht eingetreten, weil einerseits zwischen den Re^ gieruugeu der Schweiz und Frankreich theils ausdrüklich , theils durch mehrjährige .l^ra^is konvenirt sei , dass die Auslieferung auch dann zu erfolgen habe, wenn die eingeklagte Handlung nach der Gesetzgebung des die Auslieferung verlangeuden ..Staates als ^erbre^.hen (crime) bezeichnet werde, was hier der Fall sei, und weil andererseits die genannten Staatsregierten Speziell anch darüber einig seien, dass Militärs, welche die il.neu anvertrauten Kassen unterschlagen , als Depositarien von Staatsgeldern anzusehen und zu behandeln seien, so dass Art. 5 des Vertrages von 1828 hier noch ausdrüklich zur Auslieferung verpflichte. Dagegen finde allerdings wegen blosser Desertion eine Auslieferung nicht statt.

4. Bezüglich des wegen der Anklage ans betrüblichen Bankerottes an Frankreich ausgeliefertem ^ranzos.... Jean Laurent Martin eröffnete später die sranzosis.he Gesandtschaft, dass in ^olge der Untersuchung Martin nur an das korrektionelle Gericht verwiesen worden sei, wegen des blossen Vergehens (deh^ des einfachen Bankerottes. Rach den in Auslieserungssachen geltenden Prinzipien hätte er daher an die Gräuze zurükgesührt werden sollen ; allein er habe selbst darauf verzichtet und gewünscht, dass die sormliehe Aburtheilung erfolgen mochte. Dieses Begehren sei begreif-

lich, weil das Urtheil, dem er si^ nicht entziehen konnte, jedenfalls das

Resultat hätte, dass er genöthigt wäre, während der ganzen Zeit, welche für die .^trafverjäl^ruug nothig sei, aus Frankreich entfernt zu bleiben.

Judem die Gesandtschaft eine in obigem ...^inne ausgestellte schriftliche Erklärung des Angeschuldigten übermalte, wünschte sie die Zustimmung des Bundesrathes zu erhalten. die dann auch ertheilt wurde.

5. Ans ein Auslieferungsgesuch von Seite der Regierung von Aargau hat das Ministerium von E n g l a n d geantwortet , dass die Geseze des vereinigten Königreiches keine Auslieferung gestatten.

6.

Ein Anton Z a k r o ek i ans Vreussen, welcher sich als polnischer

Flüchtling ausgab, wurde eines bedeutenden Diebstals in B^rliu überführt und danu von den preussisehen Behorden zur Beurtheilung reklamirt.

Zakrocki machte jedo.h Einwendung gegen seine Auslieferung und behauptete, in Graudenz wegen Desertion vom preussischen Militär zu 5 Jahren Festnngsstrafe vernrtl^eilt und an der polnischen Jnsurrektion betheiligt

Bundesblatt. .Jahrg. X^II. Bd. II.

t6

208 zu sein. Die Regierung von Zürich, wo er arretirt war, wünschte daher die Zusicherung zu erhalten, dass Zakrocki im Falle der Auslieferung weder wegen Desertion, noch wegen politischer Vergehen gestrast, sondern nach Abbüssnng der ihn wegen gemeiner Vebrechen tretenden Strafe wieder .inf freien Fnss gese^t werde.

Diese Erosfnung wurde der preußischen Gesandtschast mitgetheilt und von Seite des Bundesrathes mit der Bemerkung begleitet, das. die Schweiz das gleiche Verfahren beobachte auch gegenüber solchen Staa.^ ten, mit denen ste in Vertragsverhältnissen betreffend Auslieferung von Verbrechern stehe.

Die preussische Regierung liess jedoch antworten , dass ^akrocki allerdings wegen Desertion bestrast werden müsse , falls er nach Brenssen zurükkehren würde. Sie müsste daher von der Auslieferung absehen, wenn solche nicht olme jene ^usicherung erfolgen könne.

7. Bezüglich des im lezten Geschäftsberichte ermähnten D e l a f i e l d , welcher ursprünglich nur wegen Diebftahls mit Einbruch ausgeliefert wor-

den war, hat die italienische Regierung nachträglich eingewilligt, dass er auch wegen des Verbrechens der ^äls.hung von Brivaturkunden bestraft werden dürfe Delafield ist dann wirklich nur des leztern Verbrechens schuldig erfunden und ^u sü^.f Jahren Einsperrung verurtheilt worden.

8. Anlässlich der an Jtalien bewilligten Auslieferung eines Joseph E a s n e d i , welcher der Rotl^ueht angeklagt und in Tessin verhaftet war, wurde von dem Vertheidiger desselben, sowie von dem Staatsrathe des Kantons Tessin eingewendet, einerseits, dass dem Art. 4 des Vertrages von 1843 nicht genügt sei, indem ein Verhaftsbefehl und ^as Dekret über ^erse^ung in d.^u Anklagestand beigebraeht werden müssen, während nur der erster... vorliege , andererseits konne nicht von vollendetem Verbrechen, sondern nur von ^ersuch, und endlich n^l.t von Roth^ucht, sondern nur von einem Angrisse ans die ..^.ehamhaftigkeit geredet werden.

Die Auslieferung sei daher weder sormell, noch materiell gereehtsertigt Es wnrde allerdings konstatirt, dass die italienische Uebersezung des fraglichen Auslieser..ngsvertrag...s (Alte Off. S. lll, S. 26l) die er-

wähnte Einwendung gegen die formelle Gültigkeit des Anslieferungsb..^

gehrens rechtfertige ; allein es wurde dieser Eiuwnrs dadurch widerlegt, dass der franzosisehe Te^t massgebend sei, nieht die italienische Uebersezung.

Rach dem sra.^osis.h.... Te^t , wie nach der deutschen Uebersezuug und nach konstanter Vra^is genüge das Eine o d e r das Andere: der Ver^ hastsbefehl oder der Entscheid über ..^ers^ung in ^lnklagezustand. Was die materielle ...^eite betreffe, so liege eine vollkommene Ueberemstimmung

por zwischen der Anklage auf Roth^ucht und dem Art. ^ , Ziff. 1 des

erwähnten .^taalsvertrages. Es konne daher gar nicht in .^rage kommen, ob diese Handlungen als Verbrechen oder nnr als unehrenhafte Handlaugen, wie der Anwalt ^a^ne^s glaube, oder ob Vollendung, oder ob

^

209

^

blosser Versuch vorliege : alles dieses sei Sache des kompetenten urtheilenden Richters , vor welchem derartige Vertheidigungsgründe vorgebracht werden mögen. Die Auslieferung musste daher ihre Vollziehung erhalten..

9. Der Bundesrath kann auch in den Fall kommen, den objektiven Thatbestaud zu prüfen, bevor er dem Auslieserun^sbegehren eines Kantons bei einer auswärtigen ^taatsregierung Folge gibt. Er machte von diesem Rechte Gebranch, als die Regierung von Gens verlangte, es mochte bei der Regierung von Bauern die Auslieferung des Herrn ^ a n k o v o n R a k o w i ^ ans Bukarest , welcher den Herrn .Lasalle im Duell getödtet halte, wegen M o r d ausgewirkt werden. Es wnr.de die Einsendung der Akten verlangt, um nähere Aufklärung zu erlangen bezüg-

lich des objektiven Tatbestandes und namentlich über die .^rage, ob die Handlung ans Schwei^ergebiet stattgefunden habe.

.Nachdem genügende Aufklärung gegeben worden war , wurde die Auslieferung verlangt und von der konigl. bayrischen Regierung be-

willigt.

.Nachträglich erhob der konigl. bayerische Gesandte Reklamationen und verlaugte aus diese Angelegenheit znrükzukommen, indem er die Genfer Untersnchungsbehorde eines ungebührliehen Verfahrens beschuldigte , den objektiven Tatbestand kritistrte und namentlich eine Anerkennung des Brinzipes der Reziprozität verlangte.

Es wurde jedoch in Dieses Verlangen nicht eingetreten. Einerseits gehore eiue Kritik des Verfahrens der Geuser Gerichtsbehörden nicht in das Gebiet ^diplomatischer Verhandlungen, es moge diesfalls beider kantoualen obern Jn stanz oder l.^i der Geri^tsverhand.uug Besehwerde geführt werden. Andererseits sei das Auslieferuugsl.egehr.m in der vertragsmassigen Form gestellt und von der eigenen Regierung des Herrn Gesandten so ausgenommen und anerkannt worden. Dadurch sei die Frage der Auslieferung, welche den Bundesrath allein besehästige , erledigt.

Endlich konne der Bundesrath nicht anerkennen, dass hier eine ^rage der Reziprozität vorliege, da nach dem ^taatsvertrage a..eh wegen Verstummelung und schwerer Korperv.^rle^uug die Auslieferung bewilligt werden müsse. Zndem sei gerade Bauern es gewesen, das bei den Verhandlung gen über den fragliehen Vertrag unter dem Verbrechen des ,.Todsehlags^ ausdrüklieh auch die Tödtung iu. Duell habe inbegriffen wissen wollen.

10. Die niederländische Regierung hat die im legten Geschäftsbexiehte erwähnte Reklamation näher dahin erläutert, dass das dortige Gefez vont l 3. August l 84.) nur dann die Arrestation von verdächtigen oder signalisirten fremden gestatte, wenn deren Auslieferung aus diploma^ tischem Wege v e r l a n g t w o r d e n s e i . Die neuern Ausliefer.i..gsverträge, in die ein Artikel ausgeuommeu worden, wodurch gegenseitig die Arrestation vor der Produktion eines .^erhastsbefehles autorisirt werde, be-

210 schranken aus jenem Grunde diese ^akultät ausdrüklich aus Fremde, ,,deren A u s l i e f e r u n g v e r l a n g t w o r d e n s e i . ^ Jn diesem Sinne seien alle Verträge ^wischen den Riederlanden und den europäischen Staaten abgeschlossen und so anch derjenige mit der Schweiz von 1853.

Die niederländische Regierung konne daher die von einer untern ausländischen Bolizeibehorde bei einer gleichen des Jnlandes ua.hgesu..hte Arrestation eines Fremden , dessen Auslieferung nicht formlieh, d. h. ans diplomatischem Wege verlangt worden sei, nicht bewilligen. Höchstens müsste das Gesuch um Auslieferung gleichzeitig mit demjenigen um provisorische Ver^ haftung gestellt werden.

Der einzige Fall, in welchem die von einer Bolizeioehorde bei der andern vor dem sormliehen Anslies^rnngsbegehren nachgesuchte Verhaftung dennoch einen gewissen Erfolg haben konne , dann aber nieht in Folge des Auslieserungsvertrages, sondern gau^ abgesehen von diesem, sei derjenige,^ wo das signalisirte Judividnnm gemäss des oben eitirten Gesezes arretirt werden konne, um als nicht ausgenommener, d. h. nicht legitimirter Fremder (elr..^...r non adnn.., , ...'.^^..dire ne pouvant ........

l.^ltime^ über die Grande gewiesen zu werden. Wenn in diesem Falle das Auslieferungsbegehren während der sehr kurzen Dauer des Verhaftes vor der Expulsion an die koniglich.^ Regierung gelange , so koune das Begehren um provisorische Verl^aftn..g einigen Rnzeu haben. Um diesen Zwek zu erreichen, sei aber nothig, ^ass die ^vei Gesnche möglichst rasch auf einander folgen, damit die Ausweisung des Fremden , welcher aus diesem Grnnde nur so lange verhastet gehalten werden konne, als die nothigen Anordnungen es erfordern, nicht schon vollzogen sei.

Das hierauf bezügliche Kreisschreiben des .Bundesrathes vom 23.

Dezember 1^63 ist nun in dem hier e.ntwikelten .^inne zu modifi^iren.

11. Die italienische Gesandtschaft stellte die Anfrage, ob der Bundesrath gegen die Ausliesernug eines gefährlichen Verbrechers von Jtalien an Frankreich etwas einzuwenden im ^alle sei. Die B^horden des angeblichen Heimatkantons haben jedoch dieses Jndividuum nieht anerkannt. Der Bundesrath hat daller aus jene Anfrage geantwortet, dass er nicht im Falle sei , eine Erklärung ^u geb...n , die indirekt eine Anerkennung der s.hweizerischen Angehorigkeit enthalten würde , insofern habe er auch gegen die Auslieferuug an Frankreich keine Bemerkung ^n machen.

12. Der schweizerische Konsul in Havre lenkte die Aufmerksamkeit des Bundesrathes aus das Verfahren der sranzosisehen Bolidi bei dem Transporte schweizerischer Jndividuen, die^ von Frankreich au die Schweiz ausgeliefert werden, indem sie von Brigade zu Brigade und vou einem Arrestlokal zum andern transportât und peinlichen Situationen ausgesezt werden, durch Kälte und Entbehrungen sehr^ leiten Müssen .^.

Der Konsul beautragte, es mo.hte die Eidgenossenschaft die .Transportkosten übernehmen und die Reise per Eisenbahn moglieh macheu.

^

211

Der Bundesrath ist jedoch hierauf nicht eingetreten, sondern hat dem Herrn Konsul geantwortet, dass der Ratur der Sache nach jeder Staat die Art des Transportes von auszuliefernden Gefangenen aus seinem Gebiete zu bestimmen habe und diese Materie sich desshalb wohl etwa zu zeitweiligen Vereinbarungen uber einen modns vivendi zwischen den Regierungen zweier Staaten, nicht aber zu.. Verträgen selbst eignen konne. Raeh Art. 5 des Vertrages mit Frankreich habe jeder Staat die Transportkosten ans seinem Gebiete zu bezahlen. Wünsche nun Fran^ reich eine besondere Art des Transportes aus Schweizergebiet oder die Sel.weiz eine solche aus franzosischem Gebiete, so müssen natürlich die Kosten dieses besondern Transportes vergütet werden, sosern nicht die sranzostsche Regierung einwillige, als Regel den Eisenbahntransport anzunehmen, womit sich die Schweiz schon einverstanden erklären konnte.

Ans diesem Grunde sei Herr Minister Kern von den Ansichten des Herrn Konsnls Mittheilung gemacht worden. Für besonders gefährliche Verbrecher würde indess der Transport per Eisenbahn vielleicht Bedenken haben.

So lange aber der Grundsaz, dass die beiden Staaten den Eisenbahntrausport aus ihrem Gebiete bezahlen .sollen, nicht aeeeptirt sei, konne der Bundesrath den Kantonen nicht vorschreiben, dass sie aus ihre Kosten den Modus des Eisenbahntransportes durch Frankreich zu wählen haben.

Der Bundesrath sei nicht im Falle, den Kantoneu hierüber irgend etwas vorschreiben zu konnen, noch geneigt, eine moralische Bression aus dieselben zu üben. Es konne nicht jedem Kanton konveniren, grosse Ausgaben für einen Verbreeher zu machen, um diesem grossere Reisel.e^uemliehkeit zu verschaffen. Jedenfalls konne die Ordnung dieser Verhältnisse füglich de^n Ermessen der Kantonalpolizeibehorden anheimgeftellt bleiben , denen die Verhältnisse des einzelnen ^alis bekannt seien und bei denen die nöthige Humanität ebeusalls vorausgeht werden dürfe.

lll.

^.^.ten ...^n i.at^ei.t.^e.r ^ran.^......^.

l 3. Ein Ludwig B o g g e t t i aus dem Kanton Tessin wurde wegen Mordes vou Frankreich an Tessin ausgeliefert und durch Genf, Bern und Luzern dahin trausportirt. Das Volizeidepartement vou Gens liess ihn dem eidgenössischen Justiz^ und Volizeidepartement zuführen und verlangte vou diesem auch den Ersaz der Kosten bis Bern. Da jenes in l.^ter Zeil .wiederholt in gleicher Weise versahren ift, so wurde es ersueht, davon abzugehen , gestüzt aus solgende Gesichtspunkte .

Es unterliegt allerdings keinem Zweifel, dass die Kantone das Recht haben, die Kosten für sol.he Transporte zurükzufordern. Dagegen kann es nicht ..^aehe des ei.^. Justiz- und ^olizeidepartemeutes sein , dieselben aus der Bundeskasse zu bezahlen, oder deren Liquidation zu be-

sorgen. Dieser Jrrthum ist durch die total unrichtige Expedition des

2l2 Transportbesehles hervorgerufen worden , indem der Transport an die Direktion der ^entralpoli^ei des Kantons Hessin hätte adressirt werden sollen, was aus den von der sran^ostschen ^olizei mitgegebenen pikten leicht ersichtlich war.

Die Bundesbehorden haben in diesen Angelegen-

heiten lediglich die Beobachtung der Vertrage, also bloss die diplomatische Seite zn besorgen.

Wenn diese Verhandlung beendigt und die Aus-

liesernng bewilligt ist, so ist die Vollziehung der Auslieferm.g Sache der

gewohnlichen Polizei, und der^ Transport des Jndividuums muss auf dem üblichen Wege von Kantonspolizei zu Kantonspoli^ei vollzogen werben.

Was dann die gegenseitige Abr^hnnng der Kosten betrifft, so findet diese ganz gleich statt, wie bei einem ^oli^transporte gewohnlicher Art.

14. Die Direktion der Eentralpolizei des K a n t o n s F r e i b u r g beschwerte sich über jene des Kantons T e s s i n wegen der Bereehnnng der Kosten, welche der Transport eines von Jtalien an Freiburg ausgelieferten Joseph l.^ h o l l e t von Freibnrg durch den Kanton Tessin veranlasse. Diese Berechnung widerspreche den Artikeln l 4 und

15 des Bnndesgesezes über die Auslieferung vom 24. Juli 1852. Auch

sei die Forderung auf Ersa^ der Kosten überhaupt ungerechtfertigt , wie aueh keiu anderer zwischenliegender Kanton die Kosten reklamire. Ueberhaupt seien alle Kautone in der ^rar^is einig, dass die Kantone , durch welche der Transport bloss transitile, gegenseitig keine Kosten anrechnen , einzig die Kantone Waadt und Tessin machen eine Ausnahme hievon.

Tessin spreche nun sogar die Anficht ans, dass fragliche Kosten, im Falle Freibnrg sie ablehne, aus der Bnndeskass.. zu vergüten waren.

Diese Reklamation wnrde dahin beantwortet , dass Tessi.. prinzipiell im Rechte sei. . ..^s koune n^mli.h keinem Zweifel unterliegen, dass nach

Art. 14, 15 und l^ de... Bund .^gesezes über die .^lusiief..rung von Verbrechern und angeschuldigten vom ^4. Jnli 1852. ^. ^. lll. .^. l^l) die dazwischen liegenden Kantone fiir oen Transport eines von eine^u Kanton oder fremden Staate an einen andern Kanton ausgelieferten Jndividuums die Kosten von dem le^rn erseht v.^rlangea konnen. Wenn nun allerdiugs die grosse Mehrzahl der Kautone von diesem Rechte keinen Gebrauch mache, so konnen desshalb die andern nicht angehalten werden, ans ihr gesezliehes Recht zu verachten. Fur die Berechnung dieser Kosten seien die Art. 15 und lli ...es erwähnten Bnnd..sg^s^es maßgebend. Jedenfalls sei die Bundeskasse nicht hastbar.

15. Die Berechnung der Kosten für polizeiliche Transporte hat in neuerer Zeit wiederholt ^n interkantonalen Ko^flikt^.n Anlass geboten.

Namentlich verursachte die Verschiedenheit des Verfahrens Jukouvenienzen, indem die einen Kautoue diese Kosten berechnen, .^ie andern nicht.

Jn dem oben erwähnten Falle B o g g e t t i hat die Eentralpol^ei Bern sich dazu verstanden, dem Genfer Voli^il^diensteten die Transportkosten bi.^ Bern zu vergüten und dann ihrerseits den Ersa^ demselben bei Uebergabe des Transportirten in Lu^rn zn reklamiren. Allein in Luzern wur.^... die

213 Bezahlung verweigert, weil auch Uri sie verweigert hat und lezteres daraus sich ftüzt, dass es diese Kosten von dem tessinischen Grenzposten nicht vergütet erhalte. Das Volizeidepartement von Gens musste daher jene .Kosten wieder an Bern zurückzahlen und dann von Tesstn sie xeklamiren.

Bei diesem Anlasse hat die Eentralp olirei des Kautons Bern bemerkt, dass es sehr zwekmässig wäre, wenn endlich der Bundesrath em allgemeines Regulativ ausstellen würde. Sie sehe sich veranlag künftig jede Be..al..lung von Kosten sür die den Kanton Bern transitirenden Verbrecher ^n verweigern, um so mehr, als ste ihrerseits bis dahin keine Kosten für den Transport aus Berner Gebiet in Rechnung gebracht habe. Ueberdiess halten sieh die Genfer- und Waadtländer-Bolizeiftellen bei der Berechnung nie an den Tarif im eidg. Ausliefernngsgeseze, sondern gehen willkürlieh hoher.

Unter diesen Umständen hat das eidg. Jnstiz- und Bolizeidepartement sieh veranlasst gesehen, am 10. Oktober l 864 die obern Bolidibehorden sämmtlicher Kautone mittelst Kreissehreibens um nähern Berieht über das in jedem Kanton gegenüber den andern Kantonen oder auswärtigen Staaten übliche Versahren zu ersuchen. Diese Berichte sind noch nicht von allen Kantonen eingegangen ; es kann d.^her noch nicht ermessen werden, ob und welche Versügnng angemessen sein mochte.

16. Die Regierung von T e s s i n hat dagegen remonstrirt, dass die italienischen Behorden von der Ansicht ausgehen . es sollten im Tessin alle Fremden, die daselbst wohnen, arretirt werden, sobald sie in einem italienischen ^ahndungsblatte wegen eines Verbrechens ausgeschrieben seien, ohne dass ein spezielles Ansucheu von Seite der kompetenten italienischen Behorden uothig und abzuwarten wäre. Die Regierung machte ausmerksam, dass aus einem solchen Versahren Jnkonvenien^n und namentlich für den Kanton Tessin grosse Kosten entstehen würden. Es sei schon oft vorgekommen, dass signalisirte Jndividnen lange verhastet gehalten worden seien, ohne dass die Ausliesernng verlangt worden wäre. Jn einzelnen Fällen sei sogar die angebotene Auslieferung nicht angenommen worden.

Jn semer Antwort vom l.). Oktober 1864

sprach sieh der Bundes-

rath über dieses Verh.iltniss in folgender Weise aus: Er sei d..mit einverstanden, dass der Regierung von Tessin nicht gerade die Vflicht obliege, Fremde, die im Kanton Tessin wohnen, arretiren zu lassen, sobald sie in einem italienischen ^ahndungsblatte erscheinen. allein sowohl die freund.^ nachbarlichen Beziehungen, als aneh gan^ besonders das eigene Jnteresse eines jeden Staates fordere, dass Jndividuen, die man durch Ausschreibnng in eiuem auswärtigen Fahndungsblatte als notorische Verbrecher kennen lerne, entweder nicht dulde, oder verhafte. Dieses Verfahren konne gar nicht die vom Staatsrathe gefürchteten Rachtheile für den Kanton Tessin haben. Denn wenn die Verhaftung eines solchen Jndividuums wirklich erfolge, fo bleibe es in jenen Fällen, wo der Staats-

214 vertrag nieht formliche diplomatische Verhandlung vorschreibe, der tesstn^ sehen Bolizei unbenommen, dasselbe einfach über die Grenze zu bringen oder unter Bezugnahme aus die Ausschreibung mit Transportbefehl an die ausschreibende ausländische Behorde abzuschieben und der ledern dann das Weitere zu überlassen. Wenn aber auch nicht in allen fallen so..

gleich in dieser Weise verfahren werden tonne, sondern nach dem Staats^ vertrage noch eine nahere Eognition geübt werden müsse, so sei dennoch kein Grund vorhanden, ein von einer auswärtigen Behorde als Verbrecher bezeichnetes und gesuchtes Jndividuum nicht zu verhaften. Es müsse dann aber diese Verhaftung sogleich dem Staatsrathe und von diesem dem Bundesrathe einberichtet werden, welcher beförderlich die Beibringnng der für die Auslieferung nothigen Rapiere vermitteln werde.

Jn solehem Falle stehe es sogar d..m Staatsrathe zu, eine Frist zu be^ stimmen , binnen welcher diese Bapiere beizubringen wären . ansonft der Verhastete sreigelassen würde, - ein Versahren, das in vielen andern

Staaten gesezlich gleich geordnet sei.

Würde aber in einem .^p^ialfalle wirklich der Verficht ans die Ans-

lieferung eines Jndividuums erfolgen. dessen Verhastung dnrch eine aus^.

wärtige Aussehreibung veranlasst worden wäre, so hätte Tessin unbedenk...

lieh das Recht, den Ersaz der auf ungerechtfertigte Weise verursachten Verhastsl^often zu verlangen, und der Bundesrath würde ein solches Verlangen jederzeit untersten.

lV.

^and^^rasre.^t.

15. Jm Lause des Berichtjahres hat wieder einmal, uach langem Unterbruche , der gan^e Organismus der Bundesstrasrechtspflege in Bewegung gesell werden müssen. ..^ie Ausregung der politischen Parteien in G e n s führte im August einen erbitterten Wal.lkamps und schließlich am 22. Angust einen Strassenkamps mit einigen Todten und Verwnn^ deten herbei. ^iese Ereignisse nöthigten zu einer bewaffneten eidgenosfischen Jntervention, wodurch gemäss Art. 104, Lut. d der Bundesoer^

sassnng und Art. 52 und ^3, Li^. d des Bundesftrasreehtes die Eroff-

nung einer eidgenossischen Untersuchung selbstverständlich auch gefordert war.

Znr Beschleunigung der Untersuchung .ourde die Ernennung eiue.^ zweiten Untersuchungsrichters, so.me eine Vermehrung des Hulfspersonales nöthig. Ebenso musste dem Generalprokurator .^d boc ein Gehilfe bei^ gegeben werden.

Rach Beendigung der Untersu.hnng hat die eidgenossische Anklagekammer am 4. Rovember 1864 14 Betheiligte wegen der in den Art. 46, 52 und 73, Litt. d des Bundesstrasgesezes vorgesehenen Vergehen in An^ klagezustaud verseht und deren Beurteilung vor die Bundes .. Assisen des ersten Kreises verwiesen.

.^ie Asfisenverhandlungen fanden im Wahlgebände zn Genf ^ta.t,

215 wosür noch verschiedene bauliche Einrichtungen erforderlich waren.

Die Verhandlungen begannen am 13. Dezember. Da eine ungewöhnlich lange Dauer derselben vorauszusehen war, so stellte der Bräsident der Kriminalkammer den Autrag . dass mit Rüksieht aus den grossen Zeitverlust , auf die theure Lebensweise in Gens und auf die den Richtern und Gesehwornen in ihren Brivatverhältnissen hervorgerusenen ^.torungen eine

Erhohung des gesezlichen Taggeldes um Fr. 5 gewährt und dass be-

willigt werden mochte , den Riehtern und Geschwornen um die Mittagszeit während einer Bause in den Verhandlungen aus Kosten des Bundes eine massige Kollation zu verabreichen, damit die Mitwirkenden sieh nicht zerstreuen und die Zeit moglichst benuzt werden konne.

So sehr auch der erftere Antrag mit Rüksicht auf den sehr sparliehen Tarifansaz gerechtsertigt sein moehte , so schien es doch nicht gerathen, darauf einzutreten. Dagegen fand in der Weise eine etwelehe Aushilfe statt, dass neben der erwähnten Kollation noch ein Gemeinschaftliehet Logis sur sämmtliche Geschworne auf Rechnung der Gerichtskosten bewilligt wurde.

Am 30. Dezember erfolgte das Urtheil. Die Fragen an die Gesehwornen lauteten dahin .

I. An 12 Angeklagte Fontanel und Eonsorten :

Jst der Angeklagte ^ontanel schuldig, am 22. Angust 1864

a. freiwillig und mit dolns au einer ^usammeurottung Theil geuommen nud durch Handlungen die Absicht einer kantonalen Behorde ^u wiederstehen, manifestât zu haben ..

b. freiwillig und mit dolns an einer Zusammenrottung zn dem Zweke Theil genommen zu haben , um die Vollziehung des Genfer Gesezes über die Wahlen und der nach Vorschrift dieses Gesezes nothigen Operationen zu verhindern^ II. betreffend die zwei Angeklagten Vettiner und Krauss :

Jst der Angeklagte schuldig, im Lause des 22. August 1864 in Genf

freiwillig an einer Zusammenrottung Theil genommen und durch HandIungen die Absicht, einer kantonalen Behorde Widerstand ^u leisten, bethätigt zu haben ^ Diese fragen sind von den Geschwornen sämu.tlich mit ..^ein beantwortet worde.. ; worauf der Gerichtshof sämmtliche Angeklagte von jeder Strafe freigesprochen hat. Die Augeklagten verachteten ihrerseits auf jede Entschädigung, dagegen wurden sämmtliehe .^rozesskosten dem Vnnde aufgeladen.

^ Diese .^rozesskosten haben eine erhebliehe Uebersehreitnng des Budget^ kredites s..ib Ziffer 13, F. b. .Justiz-, Untersuchung^- und Voll^iehungs^ kosten^ verursacht, wesshalb hier noch einige weitere Nachweise zur RechtFertigung gegeben werden müssen.

Der Abschluss der Rechnung über diese Brozesskosten hat zwar erst

216 im Jahr 1865 stattfinden konnen, wesshalb noch ein Theil der Kosten auf dieses Jahr hinübergetragen werden mnsste ; allein es scheint dennoch am Blaze, diese Abrechnung, wie sie sehliesslich festgestellt wurde, in ihren Hauptrubriken hier mittheilen.

Die Gesammtkosten der Voruntersuchung betragen Fr. l2,0l2. 65 Rpn.

,, ,.

,, Hauptverhandlung ., ,, 12,316. 50

Bundesanwaltschast ,,

,,

..

545..). 45 ,,

Summa Fr. 29,788. 60 Rpn.

Die anderweitigen Auslageu aus diesem Budgettitel betragen .

.

.

.

.

. ,,.

417. 55 ,,

Summa s..mmtlieher Justi^osten 1864 Fr. 30,206. 15 Rpn.

Der Büdgetkredit beträgt .

.

Fr. 3000 Rachtragskredit bewilligt am 17. De-

^ember 1864 (O. S. Vlll. l.)3) ,, 20,000 Die bewilligteu Kredite betragen .

.

,, 23,000. -.-. ^ Es ergibt sieh somit eine Kreditüberschreitung von Fr. 7206. 15 Rpn.

wovon jedoch aus die Staatsreehnung von 1864 nur kommeu, während der Rest aus 186.^ hinüber^ getragen wurde m i t .

.

.

.

,,

6181. 15

F r . 1025. -

,,

Rpn.

Diese Ueberlragnng ist dadurch nothig geworden, dass die eidgenosfische Staatsreehnnng für 1864 abgeschlossen worden w a r , bevor es moglich gewesen ist, die Rechnung über den Genserprozess zu sehliessen.

Die aueh in diesem ^alle gemaehten Erfahrungen stellten die Rothweudigkeit einiger reglementariseher Verfügungen über ...ie Form des Rechnuugs^ wesens für das U..t...rsnehungs- uu.^ Gerichtspersouale als unerlässlieh her^us. Der Bundesrath hat daher zu diesem ^weke von den gemachten Beobachtungen dem Buudesgeriehte Kenntuiss gegeben.

Auch zu Gunsten des Uutersuehungspersonales musste in billiger Würdigung der bereits obeu erwähnten und noch anderer besonderer Um-

stände in geeignet scheinender Weise die Unzul.ingliehkeit der tarismässigen Ansähe ergänzt werden.

Die Entschädigung der Bundesanwaltschast musste uaeh Analogie unter Rüksichtnahme aus die Eigenthümlichkeiten des ^pezialfalles bestimmt werden , da das Gese^ über .^ie Kosten der Bnndesreehtspflege vom 24. Herbstmonat 1856 einen ständigen eidgenossischen Generalanwalt mit si.^em Gehalte vorausseht.

l 6.

Hieher

gehoren

auch noch die S t r a f s ä l l e w e g e n G e -

sährduug v o n Eisenbahnwagen. Es sind 8 bezügliche Unter^ suehnngen eingegangen und in Anwendung vom Art. 74

des Bundes-

2l7 strafgesezes den Gerieten der betreffenden Kantone (Bern 5, Luzern 1, St. fallen 1, Thurgau 1) zur Beurtheilung übertragen worden. Davon haben 7 und fünf weitere Fälle aus dem Jahr 1863 durch Urtheile ihre Erledigung gesunken. Jn drei Fällen erfolgte Freisprechung ; in zwei andern sind die Angeschuldigten gleichzeitig uoch wegen andern Vergehen benrtheilt worden. Das Strasmass in den andern Urtheilen ist sehr verschieden. Jn zwei Fällen wurde Fahrlässigkeit angenommen und der eine mit 3 Monaten Gesängniss, der andere aber mit 4 Monaten Gesangniss und 100 Fr. Busse beurtheilt. Vier Urtheile lauten aus Gefährdung von Eisenbahnzügen und sprechen als Strafen aus , das eine

l 4 Tage ^esängniss und 10 Fr. Busse, das andere 1^ Jahr Gefäuguiss und 2 Jahre Einstellung im Aktipbürgerreeht , das dritte 14 Tage Ge-

sängniss und 25 Fr. Busse, uud das vierte 10 Monate Gesänguiss.

Wenn in solchen Fällen Ersaz der Kosten aus der Bundeskassa ver-

laugt wir^, so ist das llrtheil mit einer Spezifikation der Kosten und einem Armuths^engniss einzusenden. Ju jenen Fällen, wo der Angeschuldigte gleichzeitig wegen anderer Vergehen nach den Kantonsgesezen bestrast wir^ , kann der Bund nur soweit sür Bezahlung von Kosten belangt werden, als eine Bestrafung aneh wegen Uebertretnng der Bundesgese^e erfolgt ist.

Es hat dann aber eine angemessene Ausscheidung der Kosten durch den Richter stattzufinden.

V.

^liti^he .^ln.^tli..^,. ^remden^li^ei.

17. Als in den ersten Tagen des Jahres 18^4 Berichte aus Baris kamen , dass dort vier Jndiv.dueu verhaftet worden seien wegen einer Verschwörung gegen das .^eben des Kaisers und dass diese Verschworung im Kanton Tessin durch M a ^ i u i angezettelt worden sei, hat das Jnsti^- un^ ^olizeidepartement sogleich von sieh ans telegraphisch eine genaue Untersuchung abgeordnet , und dnreh spätere Requisitionen die weiter nothigen Justrul^tionen gegeben Es hatte diese Untersuchuug ^uuächst nur den Zwe., zu ermitteln, ob Macini, im Widerspreche mit früheren

Versügn..ge.. gegen ihn, wirklich im Kantou Tesfiu geduldet worden sei

uud was an l^e.. Früchten Wahres sein mochte, dass die Versehworuen mit falschen Bässen aus dem Kautou Tessin uaeh ^raukreieh gekomu^en seien.

Mittlerweile langte am 20. Jannar durch Vermittlung des schweizeris.hen Ministers in Baris ein Rogatorium ein , wodurch der mit der fraglichen Untersuchung in Baris betraute Jnstrnktionsrichter über mehrere Bnntt.^. Ansschlüsse aus dem Tessin verlangte. Zur grossern Beschleunignng hatte er einen Erpressen mit einem Doppel nach ùngano abgeordnet.

Die Regierung von Tessin wnrde ersucht, dieses Rogatorium dem kompetenten Untersuchungsrichter ^..r Behandlung und entsprechenden Erledigung zu überweisen, in der Meinung, dass nur allein die tessinischen B^-

218 horden handeln , wobei sie dann aber mit dem Delegirten sich in die notwendige nähere Verbindung sezen mögen. Die in solcher Weise erhobenen Akten seien dann aber jedenfalls dem Bundesrathe einzusenden.

Unser Justiz und Polzeidepartement sah sich, wie begreislich. veranlasst , dieser Angelegenheit seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und Anträge vorzubereiten , welche einerseits geeignet wären . srühern Beschlüssen gegen Mazzzini, die in Vergessenheit gekommen zu sein schienen, aufzusrischen und welche andererseits sowohl der Ehre des Landes als den eigenen Jnteressen und den Rüksichten gemäss sein mochten, die ein jeder Staat, welcher die Begehungen zu besreuudeten Nachbarstaaten in loyaler

Weise pflegen will, nicht vernachlässigen darf. Es schien jedoch ange-

messen, den Ausgang der Untersuchung in Baris und das Urtheil abznwarten, um die faktischen Verhältnisse, die dort zu Tage gefordert werden konnten, noch näher zu kennen. immerhin wie sich von selbst versteht, unter Vorbehalt der eigenen Würdigung dieser Thatsachen. Es stellte sich nnn allerdings herans. dass die ersten Berichte hinsichtlich der Bässe übertrieben waren. Es ist nämlich ganz in der Ordnung , dass jener Angeklagte, der ein Tessiner ist, mit einem dortigen Basse versehen war.

Dagegen hat ein anderer, ein Jtaliener, auf ungebührliche Weise einen Bass ans den Ramen eines Tessiners erhalten können. Jm Weitern ergab

sich, dass Macini wirklich längere Zeit in Lugano war; dass auch die

Verschworneu einige Monate dort sich aushielten , und zwar theilweise

gleichzeitig mit Macini, so wie ferner, dass das Komplott wirklich im Tessin angezettelt und durch Macini eingeleitet und gefördert worden sei.

Mittlerweile tauften neue Gerüchte ans, dass Macini wieder naeh Lugano zurückkehrt sei. Die Bolizeidirektion des Kantons Tessin berichtete indess am 2. April, dass diese Gerüchte, wie genaue Raehforschungen ergeben haben, unwahr seien; sie wünschte aber ungleich eine Jnstruktion zu erhalten, wie sie sich zu verhalten hatte, salls er später wieder erseheinen würde.

Unter diesen Umständen wurde am 15. April l 864 folgender Besehlnss gefasst und mit Kreissehreiben vom gleichen Tage sämu.tliehen eid-

genössisehen Ständen mitgetheilt :

D e r s c h w e i z e r i s c h e Bundesrath,

nach Einsicht der srühern Ausweisungsbeschlüsse gegen den politischen Flüchtling Joseph Macini.

in Betracht der Thatsache, dass Macini sehon wiederholt und neuerdings im legten Sommer das ihm in Lugano gewährte Aspl in einer, die äussere Sicherheit der Schweiz gefährdenden Weise missbraueht hat ,

21..)

gestüzt aus Art.

verfassung ,

57 und Art. 90, Ziffer 8, 9 und 10 der Bundes-

b e schl i ess t : ,,1. Es seien die frühern Beschlüsse über die .Ausweisung Joseph Mazzini's erneuert und bestätigt.

^2. Seien sammtliehe Kantonspolizeibehorden einzuladen, für genaue

Vollziehung dieses Beschlusses zu sorgen, dem Joseph Macini

unter ke.nen Umständen mehr Asyl zu gewähren, ihn im Betretungsfalle zu verhaften und hievon dem eidgenössischen Justiz- und Polzeidepartement Anzeige zu machen.

,,3. Sei. dieser Beschlnss mittelst Kreisschreibens sämmtlichen Kantonsregiernngen zur Ueberwachung der Vollziehung desselben mitzu-

theilen und in das Bundesblatt aufnehmen. (Bundesblatt 1864, l, 523.)

^

Zur Ergänzung dieses Beschlusses ist nur noch hervorzuheben , dass Macini schon 1834 dur.h die Tagsazung aus Anlass des Savonerhandels aus der Schweiz ausgewiesen und dass diese Ausweisung 1836 in Folge der durch den Mord an Les sing in Zürich erossneten Untersuchung erneuert wurde.

Bald nach der Einführung des neuen Bundes 1848 und 1849 sahen sich au.h die neuen Behorden zu Verfügungen veranlagt, welche bezwekten, den unermüdlichen Agitator vom schweizerischen Gebiete fern zu halten , das er gerne zum Schlupfwinkel für seine , die Ruhe anderer Staaten gefährdenden Machinationen wählte. Aehnliche Massnahmen folgten sich in den Jahren 1850 und 1852, uud am 30. August

1854 sah sich das Justiz und Volizeidepartemeut durch die damaligen

Umtriebe Mazzini's veranlasst, denselben allen Polizeistellen mittelst eines besouderu Kreisschreibens zu signa lisiren und dessen Verhaftung zu verlangen. Unler diesen Umstäuden hat es st.l.. wirklich um nichts anderes gehandelt, als um Auffrischung der frühern i.. Vergessenheit gekommenen Beschlüsse, uud zwar aus einer Veranlassung, die an sich bedeutend genug gewesen wäre, sol.he Beschlüsse, wenn sie noch nicht bestanden hätten, neu zu safseu.

18. Raeh langem Unterbruehe ist die Flüchtlingsangelegenheit wieder ein Traktandum des Justiz- und Polzeidepartements geworden, und scheint es für einige Zeit bleiben zu wollen. Es ist bereits in dem Berichte an den Nationalrath vom 1. Dezember 1864 (Bundesblatt von 1865, l. S. t 67) über die polnische Einwanderung ziemlich ausführlich referirt worden, wesshalb es genügen kann, hier nur die wesentlichern Momente in Erinnerung zu rnfen. Dagegen werden die besondern Verhältnisse, welche mit dieser Angelegenheit verbunden sind, es entschuldigen, .venn im gegenwärtigen Beruhte auch noch in das Jahr 1865 hinübergegriffen wird.

Jm Allgemeinen lassen sich drei Perioden unterscheiden. Die erste bis zum Erlass des Kreisschreibeus vom 8. Juni 1864 (Buudesblatt von

220 1864, ll, S. 56), die zweite von da bis zu dem Beschlusse vom 23. .... eptember 1864 (Bundesblatt von ...864 ll, S. 783) und die dritte während der ungeschmälerten Geltung dieses Beschlusses bis zu der Besehränkung desselben dnrch den Besehluss vom 15. Febrnar l 865 (Bun-

desblatt von 1865 I, S. 151).

Als die Bundespolizei querst durch den Präsidenten des Centralkonnte in Zürich und erst später durch die Bolidi von St. Gallen für Unterstüzung zn Gunsten der Polen in Anspruch genommen wurde, musste si... natürlich zunächst die gegenseitige Stellung der Behörden iu Aachen

der Polizei im Allgemeinen und bezüglich der Flüchtlingspolizei im Be-

sondern zu Rathe ziehen. Pom Standpunkte der gewohnlichen Polizei aus konnte allerdings kein Zweifel darüber walten, dass die Bundespolizei sich nicht einzumischen hatte. anf diesem Gebiete sind die Kantone

bekanntlich souveräu. Jn der Flüchtlingspolizei muss daher im Allgemeinen von dem gleichen Grundlage ausgegangen werden ; dagegen haben

für besondere Fälle die Art. 57 und .)0, Zi ss. 8, 9 und 10 der g ...genwärtigen Bnndesversassnng den Bandesbehörden allerdings Kompetenzen eingeräumt, die bis zur gänzlichen Verdrängung der Kantone von diesem Polzeigebiete führen konnen. Die verschiedenen Bundesbes.hlüsse, welche in dieser Materie gefasst worden sind, lassen über diese .Kompetenzen keinen Zweifel, so wie auch darüber, dass gleichwohl die ökonomische Seite Sache der Kantone geblieben ist, und dass nur in Ausnahmsf ä l l e n , bei b e s o n d e r e r Belastung der K a n t o n e , ein B e i t r a g des Bundes g e l e i s t e t wird.

Jn der ersten Periode nnn haben die Bundesbehörden mögliehst lange das gewol.nliche Verhältnis.. in Polizeisachen beizubehalten gesucht, und mit Rüksicht auf die geringe Zahl der Flüchtlinge fo lauge als moglich eine Einmischung der Bundespolizei sowohl, als eine Betheiligung

der Buudeskasse abgelehnt.

Allein es trat ein wesentlicher Uebelstand ein , de... zu dem Kreisschreiben vom 8 Juni 1864 führte. Es ergab sich, dass die Polen beinahe ausschließlich nnr einzelne größere Städte aussuchten, so das. nur einzelne wenige Kautone die daraus entspringenden Lasten zu tragen hatten. Das Kreiss.hreiben vom 8. Juni hatte eine Verallgemeinerung der Intern und daher eine Erleichterung der einzelnen Kautone zum Zweke. Es vertraute aus den humanen Sinn der Kautone , der seine Jmtervention des Bundes weder wünsche, noch nöthig maehe. Es. wurde daher mehr empfehlend als verordnend zu den Kantonen gesprochen und damit die Zusicherung von Reiseunterstüzungen verbunden.

Jm Allgemeinen zeigte steh eine günstige Disposition b...i den Kantonen, und die Polen verteilten si.h bald in alle Kantone. Allein es gieug nicht lange, so ertönten Beschwerden wegen Ueberlastnng, die bis iu die Gegenwart vielfältig sich erneuerten. Ju dieser zweiten Periode nämlich sind sast alle ankommenden Flüchtlinge in Zürich Rammen-

221 getroffen und von dort aus in die einzelnen Kantone gewiesen worden, wogegen jedoch bald jene Klagen laut geworden sind, die in dem oben zitirten Berichte an den Nationalrath (Bundesblatt von 1865 l, S. 175 u. sf.) näher besehrieben sind und zulezt dadurch bekräftigt wurden, dass nen ankommende Bolen nicht mehr ausgenommen werden wollten.

Jezt allerdings war der Zeitpunkt gekommen , wo der Bundesrath einen umfassenden Gebrauch von seinen Kompetenzen machen musste. Allein es veranlasste ihn hiezu weniger die Ueberzeugung, dass die Zahl der Flüchtlinge seine Jntervention erfordere, oder dass die Lasten, welche. aus deren Verpflegung den Kantonen erwachsen mussten, sur diese ohne Bundesbeitrag unerschwinglich wären. Jm Gegentheil hätte der Bundesrath geglaubt, dass in beiden Riehtungen die Kantone die Einmischung des Bundes hätten entbehren können. Allein es kamen zahlreiche Konflikte zwischen den Kantonen vor, die einen Charakter anzunehmen drohten, durch den die Schweiz mit ihrem viel gerühmten politischen Ashle nicht in das beste Licht gestellt worden wäre. Jene Konflikte tonnten aber bundesrechtlich nur durch d.e Buudesbehorden geschlichtet werden. Es war also diese versassungsmässige Stellnug des Bundesrathes, welche den Beschluss

vom 23. September herbeiführte, wodurch die Oberleitung in Flüchtlings-

saehen in die Hand des eidg. Justiz- uud Polzeidepartementes gelegt und daneben ausnahmsweise noch ein Bundesbeitrag von 70 Rpn. per Mann und per Tag zugesichert wurde.

Jm Vorbeigehen konnen wir noch erwähnen, dass schon in der ordentlichen Sommersession der eidg. Räthe eine Motion eingebracht worden war, behufs Untersuchung der Frage, ob nicht der Bund all.. Kosten übernehmen sollte, welche den Kantonen durch die Ausnahme politischer Flüchtlinge erwachsen. Es ist hierauf mit dem Berichte vom 1. Dezember 1864 in näherer Ausführung der angedeuteten Gesichtspunkte mit dem Antrage auf Verneinung geantwortet worden, und die Buudesversammlung hat in der Dezembersizung das Verfahren des Bundesrathes genehmigt.

Mittlerweile hat das eidg. Justiz und Volizeidepartemeut die Vollziehung jenes Beschlusses vom 23. September an die Hand genommen und die nöthigen speziellen Verfügungen von sieh aus getroffen. Die Vertheilnug aus die Kautone wurde geregelt . es wurde eine genaue Kontrole über die Untersten mittelst wochentlicher Berichte über die Mutationen eingeführt und eine monatliche Abrechnung angeordnet.

Die diesfälligen Arbeiten haben das Departement iu ausserordentlichem Masse

beschäftigt.

Rachdem einmal dieser .Organismus im Ganze war, hat die Sache in der dritten Veriode einen ziemlich regelmässigen und verhältnissmässig den ruhigsten Verlaus genommen. Allerdings sehlte es nicht ..n mancherlei Konflikten und Beschwerden ; allein sie sind direkt durch das Departement

222 erledigt worden. ohne dass jemals eine Weiterziehnng an den Bundesrath vorgekommen wäre.

Diese dritte Veriode reicht nun in das Jahr 1865 hinüber, wesshalb, strenge genommen, die Berichterstattung hier schliessen konnte.

Allein da bald nach dem Reujahr, am 15. Febrnar 1865 (Bundesblatt

1865, l, 151) wieder ein Besehluss von prinzipieller Bedeutung gefasst

wnrde, so ist wenigstens eine Darlegung der Gründe , welche zu diesem Beschlösse führten, noch am Blaze. Durch den erwähnten Besehluss ist nämlich die Rükgabe der Flüchtlingspolizei au die Kantone vorbereitet, und das Ende der ausnahmsweise bewilligten ...Beiträge des Bundes an die Verpflegungskosten der Kantone auf den 31. Mai 1865 festgesezt worden.

Jm Allgemeinen versteht es sich wohl von selbst, dass eine ausnahmsweise Massregel mogliehst abgekürzt und de.. regelmässigen Zuständen beforderlichst Vlaz machen muss. Rnn genügt es aber nicht, diesen Zwek bloss anzustreben, sondern man muss auch die Mittel dafür wollen. Es konnte daher unmöglich eine Organisation auf unbestimmte Zeit hin bestehen, die bald als Ursache der Vermehrung der Flüchtlinge klarer sich herausgestellt hätte, als es schon der Fall war.

Es traten aber noch andere Gründe hinzu, welche die Aufhebung jener Ansnahmsmassregeln direkt nothwendig machten. Es ist nich.t zu leugnen, dass die ganz formlose Bewilligung des Ausenthalts an eine grosse Zahl Flüchtling- und aus lauge Zeit nicht wohl angeht. Eben so wenig würde sich eine zu lauge Verpflegnng vou grosstentheils jungen , gesunden Männern rechtfertigen , fur welche vom Bunde , von den Kautonen und von privaten bereits bedeutende ...Summen verwendet worden sind , die den hilfsbedürftigen Landeskindern mit der .Einweisung, dass sie ihr Brod selbst verdienen sollten, verweigert worden

wären. Allerdings wird in der Schweiz bei Gestattung des Asvls an

politisch Verfolgte kaum jemals in jeuer engherzigen Weise verfahren werden, die nur den Bemittelten Asyl gewährt, und die eigentlichen Hilfsbedürstigen von der Schwelle vertreibt ; allein es wird nicht unbillig sein, daraus hinzuweisen. dass die Behörden eine so ausuahmsweise Begünstigung der Emigration vor der eigenen Bevolkernng doch nur in einem gewissen Masse gewähren dürfen. Wenn man sich dann erinnerte, dass der Beschlnss vom 23. September im fünften Monat in Kraft bestand und dass viele Volen, die schon vorher von den Kantonen verpflegt worden waren, damals noch in Verpflegung standen, so mussten wir die Ueberzeugung gewinnen, dass bei weitem nicht alle die ihnen vergonnte lange Frist, um Entschlüsse über neue Lebensziele zu fassen, in gehöriger Weise bennzt haben.

Aus solchen und ähnlichen ..gründen hatten schon zwei KantonsRegierungen Ternane festgesezt, über welche hinaus sie keine Unterstüzung

223 mehr auf kantonale Rechnung gewahren wollten. Sehnliche Absichten wurden auch aus andern Kantonen erofsnet. Damit musste vollends eine Aenderung eintreten. denn es konnten nicht einzelne Kantone befreit und dasür die andern mehr belastet werden, und noch weniger konnte der Bund zur Uebernahme der Verpflegung sich drängen lassen , da er nur Veitrage an die K a n t o n e gewährt und mit den untersten Jndividuen in keiner Begehung steht. Wenn die Kantone keine Unterstüzung gewähren, so ist Niemand da, der Anspruch auf einen Veitrag des Bundes

hätte.

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Unter diesen Umständen war es geboten und gerechtserligt, den Beitrag an die Unterstüzung zn begrenzen. Es geschah dnr.h den zitirten Beschluss vom 15. Februar 1865 mit Bewährung langer Zwischentermine und mit gebührender Rükstchtnahme ans Ausnahmsfälle.

Die Regierung von St. Gallen sah sich v..ranlasst, die .Aushebung dieses Beschlusses zu beantragen. Die Gründe, wesshalb nicht eingetreten wurde, mogen in der Antwort au jene Regierung vom 17. März l 865

(Bundesblatt l 865, I, S. 266) nachgelesen werden. Sowohl in diesen.

Schreiben, als in einem spatern an den Staatsrath von Waadt (Bundes-

blatt 1865, ll, S. 28) ist zugleich die Tragweite jenes Beschlusses noch

näher ausgeführt.

Jn eine einlässlichere Erorterung dieser Entlegenheit aus dem Jahre 1865 kann schon deswegen nicht eingetreten werden, weil j..zt, bei Absassung des Berichtes, die Wirkungen des Beschlusses vom 15. Februar 1865 erst beginnen, und weil ein Herausreißen einzelner Episoden das nothige Verständniss doch nicht bieten würde. Wir wollen nnx noch anerkennend erwähnen, dass in vielen Kantonen die alten Hilsskomite wieder neue Thätigkeit gewonnen, und dass in andern Kantonen neue domite

sich gebildet haben, um den arbeitssähigen Flüchtlingen Arbeit zu verschaffen und die Hilssbedürstigen zu unterstüzen.

Als statistische Rotiz sügen wir zum Schlusse noch bei, dass am 1. Oktober 1864, als die eidg. Kontrole begonnen hat, 240 Mann von den Kantonen verpflegt waren, und dass bis zu jenem Zeitpunkte die Kan-

tone Fr. 35,519. 13 ausgelegt hatten. .später ist daun die Zahl der

Uuterstüzten bedeutend gestiegen, namentlich in den Monaten Januar und Februar 1865, in Folge der Aushebung der Jnternirung in. Oesterreich.

Bis zu Ende des Jahres t864 haben die Kantone Fr. 5l ,858. 5..)

und der Bund Fr. 46,008. 68 verwendet, und bis Ende März 1865 die erstern Fr. 73,004. 68, der leztere Fr. 84,024. 95.

Bundesblatt. Jahrg.XVII Bd.Il.

17

224 D.

Heimatlosenwesen.

Dieser Geschäftszweig hat im Laufe des Berichtjahres nicht gefordert werden kennen. Allerdings ist namentlich im Anfange des Jahres Einiges darin gearbeitet worden , zur Vorbereitung von Anträgen über die Einbürgert verschiedener Bersonen ; allein als die Bolenangelegenheit mehr und mehr alle Thätigkeit i... höchsten Masse in Anspruch nahm und die lausenden Gesehäste die Tendenz bleibender Vermehrung beibehielten, da musste das Heimatlosenwesen, so weit es nicht auch zu den laufenden Geschäften zählte, snspendirt werden. Dagegen ist dann allerdings auch die Thatsache zu nol.iren, das.. die Zahl der eigentlichen Untersuchungen sich nicht vermehrt hat.

Der im legten Bericht erwähnte Entscheid, betreffend die Familie So u a nini (31 Bersonen), ist vom Danton Hessin an das Bnndesgericht gezogen worden. Die Klage wurde von dem Untersnchungsbeam..en expe-

dn.t, welcher auch die Replik und noch eine Vervollständigung der Akten

besorgte. Gleiches geschah in einem andern Falle betreffend 6 Personen.

Dieser kam zur Aburteilung durch das Bundesgericht, welches den Be-

schluss des Bundesrathes bestätigte.

Die Einbürgerung der zur Schweiz gekommenen Bewohn.x de... Dappenthales hat eine längere Korrespondenz mit dem Staatsratl..e des Kau-

tons Waadt herbeigesührt. Da sie noch nicht erledigt ist und vielleicht

Anlass zu einer Spezialvorlage gibt , so kann das Weitere hier überBangen werden.

Rach einer Mittheilung des Staatsrathes von Tessin werde dort die Vollziehung des Bnndesgesezes ihren steten , wenn auch langsamen Fortgang nehmen und im Jahr 1866 voraussichtlich ihr Ende erreichen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweiz. Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1864.

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Bundesblatt

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1865

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2

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20

Cahier Numero Geschäftsnummer

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06.05.1865

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143-224

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