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Botschaft des

Bundesrathe.... an die h. Bundesversammlung, betreffend den Auflieferung ertrag mit dem Grossherzogthum Dessen.

(Vom 30. Juni 1865.)

Tit. l Das grossherzoglich hessische Ministerium hat dem Bundesrath den Wunsch ausgesprochen. , es mochte zwischen beiden Ländern ein Vertrag über Auslieferung flüchtiger Verbrecher abgeschlossen werden, ähnlich demjenigen, der leztes Jahr zwischen der Schweig und dem Grossherzogthum Baden vereinbart wurde. Wir fanden keinen Grund, dieses Gesuch abzulehnen, obwohl ein Bedürsniss hiesür sich nicht fühlbar machte. Rach nnsern Protokollen ist Hessen seit dem Jahre 184.) bis jezt im Ganzen nur vier Mal in den Fall gekommen, Verbrecher, die sich in die Schweiz begeben hatten, zu versolgen. Die Verbrechen, deren die Flüchtigen beschnldigt waren, betrafen schwere Korperverlezung , Diebstahl, Uuterschlaguug und Schristfälschung, Brandstiftung und fraudulosen Bankerott.

Zwei der Angeklagten waren H e s s e n , die zwei andern aber gehorten dritten Staaten an. Dagegen ist, wie es seheint, die Schweiz während dieser Zeit nie in den Fall gekommen, bei Hessen eine Auslieserung nachAnsuchen, wenigstens ist in den Vrotokollen des Bundesraths niehts er-

st.htlich.

Was den Jnhalt des Vertrags anbetrifft, so stimmt derselbe im Wesentlichen mit dem zwischen der Schweiz und Baden bestehenden Aus-

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lieserungsvertrag überein , daher wir nur diejenigen Bunkte wollen, wo eine Abweichung stattfindet.

berühren

Jm Vertrag mit Baden ist den Kontrahenten freigestellt , die Stellung von Auslieserungsbegehren aus den diplomatischen Weg zu verweisen, nach dem vorliegenden Vertrage muss die Auslieferung aus diplomatischem Wege nachgesucht werden. Bei Baden wurde eine ausnahmsweise Bestimmung aufgenommen, weil bei Auslieferungen , bestehender Vra.^is gemäss, selten die Vermittlung des Bundesrathes nachgesucht wurde, was aus den Grenzverhältnissen sieh leicht erklären lässt , wie wir zur Zeit nachgewiesen haben. Bei dem fernen Hessen trifft dieser Grund nicht zu ; daher wurde wieder, wie in allen übrigen Auslieferungsverträgen , das ..Besuch um Auslieferung aus den diplomatischen Weg verwiesen.

Jn den Verträgen mit Baden und den Niederlanden ist den Zeugen freigestellt, vor der zuständigen Behorde des andern Staates zu erscheinen oder nicht, die Behorden müssen sich mit der Abhornng^des Zeugen im eigenen Lande und mit der Uebermittlung des Verhorprotokolls begnügen.

Man hat gesunden, dass eine solche Bestimmung zu weit gehe, weil doch Fälle vorkommen können . wo das persönliche Erseheinen eines Zeugen nothwendig sein kann.

Es wurde daher die Bflicht des person lichen Erscheinens des Zeugen im andern Lande wieder ausgenommen , aber sehr beschränkt, weil die Leute nur in besonders dringenden Fällen perpflichtet werden sollen, mit Aufwand von ^eit und Geld vor einer auslandiseheu Behorde zu erseheinen.

Das Vorladen der Zeugen ans dem andern Lande diplomatischem Wege.

geschieht

auf

Die Frage, ob eine Handlung im Verbre^hersgrade strasbar sei, entscheidet sich nach der Gesezgebung desjenigen ..Staates , der die Auslieferung verlangt. Ju dem Vertrage mit Baden ist diese Kontroversfrage anders regulirt , indem dort die Geseze des Staates massgebend erklärt sind, der um die Auslieserung augegangen wird. Da in den Verträgen mit den übrigen ..Staaten der je^t wieder aufgenommene Modus entweder ausdrüklich enthalten ist oder die Sache in Vrar^is sich sonst so gestaltet, so wollten wir^ kein zu grosses Eewicht auf diesen Bunkt legen, und haben dem Verlangen Hessens nachgegeben, obwohl wir es vorgewogen hätten, bei der im Vertrag mit Baden vereinbarten Rorm zu verbleiben.

Man hat bei Absehluss des badis.hen Vertrages daraus aufmerksam gemacht, dass das badis.^e Gese^buch die Eintheilung der strafbaren Handlungen in Verbrechen uud Vergehen nicht kenne, sondern jede in das Gebiet des Krimiualrechts eiusehlagende .^andluu^ -^ mit Ausnahme der blosseu Volizeiübertretunge.. Verbrechen nenne. Das Strafgese^bnch von Hessen beruht ans gleicher Gruudlage ; es spricht zwar wohl von Verbrechen und Vergehen, aber in Wirklichkeit ist im Rechtssiune jedes ...^

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.gehen zugleich ein Verbrechen. Viele schweizerische ..Vergebungen scheiden die strafbaren Handlungen in Verbrechen und Vergehen aus, andere aber nicht ; so z. B. ist das Stx..fgesezbuch des .Kantons Zürich angelegt wie das badische und hessische, indem es sammtliche^ im Gesezbuch erwähnt... strafbare Handlungen als Verbrechen betrachtet und die Volizei..

Übertretungen in besondere Geseze verweist.

Diese Verschiedenheit der Gesezgebungen lässt sich einmal nicht ändern ; in der Vrar^is werden aber desswegen keine Schwierigkeiten entstehen , da die meisten der im Art. 2 aufgezählten Handlungen nur im Verbrechersgrade vorkommen können, und bei andern entweder nnr eine Bolizeiübertretung vorliegt oder wegen Geringfügigkeit des Falles die Kosten einer Auslieferung nicht aufgewendet werden wollen. Jn dem Vertrag mit den Riederlanden kommt sogar neben dem Wort ,,Verbreehen^ die Bezeiehnung ,,Vergehen^ vor, wegen welchen ausgeliefert werden soll. Anstände find dieses Bunktes wegen nie entstanden.

Wir nehmen daher keinen Anstand, Jhnen vorzuschlagen, es wolle Jhnen gefallen, folgende Sehlussnahme zu fassen : Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des unterm 9. Juni 1865 abgeschlossenen Vertrags zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Grossherzogthum .Hessen über gegenseitige Auslieferung von Verbrechern ; in Anwendung des Art. 74, Ziff. 5 der Bundesverfassung

besehliesst: 1. Es wird dem vorliegenden, aus 16 Artikeln bestehenden Vertrage die vorbehaltene Genehmigung ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Auswechslung der Ratifikation^ kunden und mit der Vollziehung des gegenwärtigen Vertrages beauftragt.

Wir benuzen diesen Anlass , Sie, Tit. , unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 30. Juni 1865.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

^ieiz.

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend den Auslieferungvertrag mit dem Grossherzogthum Hessen. (Vom 30. Juni 1865.)

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