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Schweizerisches Bundesblatt.

XVII. Jahrgang. III,.

Nr. 50.

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I8. Nooentber 1865.

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des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend die polnischen Flüchtlinge.

(Vom

6. N o v e m b e .. 1865.)

Tit..

Bet Anlass der Prüfung des Geschäftsberichts pro 1864 und speziell desjenigen Theiles, welcher von der Flü eh t l i n g s a n G e l e g e n h e i t han-

delt, hat die Bundesversammlung am 2l. Juli 1865 beschlossen:

..Der B u n d e s r a t h ist e i n g e l a d e n , ü b e r d e n b i s h e r i g e n "Verlauf u n d d e n g e g e n w ä r t i g e n S t a n d d e r A n g e l e g e n -

..heit der polnischen Flüchtlinge so bald als möglich einen

,, b e s o n d e r n B e r i c h t zu erstatten."

Die Kommission des Nationalraths, welche den Bericht über die Geschäftsführung zu prüfen hatte, ist auf die in jenem Berichte enthaltene

Darstellung nicht näher eingetreten. Sie hat sich lediglich dahin aus-

gesprochen, dass sie nicht in der Stellung sei, über diese .Angelegenheit zu verhandeln, da dieselbe noch nicht beendigt sei, und sehr wesentliche Verfügungen des Bundesrathes nicht in das Berichtsjahr (1864) fallen; sie sehe sieh vielmehr veranlagt, mit Rüksicht ans die in Fage stehenden

wichtigen Grundsäze und das lebhaste Jnteresse, das die öffentliche

Meinung an diefer Sache nehme, obigen Antrag zu stellen.

Wir werden daher nicht bloss detaillirter über diese neue Flüchtlings..

einwandernng zu berichten, sondern anch die Grundsäze näher darzulegen habeu , welche der Bundesrath in dieser .Angelegenheit zur .Anwendung brachte.

Bundesblatt. Jal,rg. XVII. Bd. Ill.

67

878

^l.

Jm Verlause der neuesten Kämpfe in Polen find grosse Sehaaren polnischer Parteigänger nach Galizien und Sachsen verschlagen worden.

Auch viele Kranke und Verwundete schleppten sich dahin, um Pflege zu finden. Mehrere rükten in den benachbarten Staaten weiter vor , von denen schon im Ansang... des Jahres 1864 einzelne auch in die Schweiz kamen.

Gegen Ende des Monats Februar traf jedoch ...ue in Galicien be.^ findlichen Pol.en ein harter Schlag. Es wurde nämlich am 27. gl. M.

der Belagerungszustand über Galizien verhängt und eine allgemeine Entwassnung angeordnet. Zugleich wurde jeder Fremde verpflichtet, binnen 48 Stunden die Legitimationspapiere vorzuweisen und unter Angabe des Grundes, eine Aufenthaltskarte nachzusuchen. Damit war die A.^rohung verbunden, dass alle ungehorsamen Fremden nicht nur strasgerichtlich verfolgt werden, ^sondern ohne Rüksieht aus das Loos, das ihrer harrt, ,,ohne Unterschied, in die Heimat instradirt... Um diese Verfügungen mögliehst wirksam zu machen, wurden noch verschiedene Strafandrohungen gegenüber der Bevölkerung beigefügt.

Jn Folge dessen mehrte sieh der Znfluss der Flüchtlinge in der Schweiz. Die meisten kamen über St. Gallen nach Zürich , wo das Zentralkomite für Unterstüznng der polnischen Flüchtlinge seinen ^iz hatte. Daneben bestanden auch noch in einzelnen Kantonen Komites zu gleichem Zweke. Die schweizerische Bevölkerung hatte ihnen ansehnliche Mittel zu diesem menschenfreundliehen Werke zur Verfügung

gestellt. Die Unterftüzung bestand darin, dass jedem, der es nothig hatte,

eine Summe in baar verabreicht wurde, um damit weiter zu reisen. Einzelne vermochten anch aus eigenen Mitteln die Weiterreise zu bewerkstelligen , oder bleibend ihren Unterhalt zu bestreiten. Jm Allgemeinen war damals die Schweiz nur eine Station zur Weiterreise nach Frankreich. Einzelne gingen auch nach Jtalien.

Die Polizeibehörden ignorirten diese Vorgänge so vollständig , dass keine sich veranlasst sah, dem schweizerischen Justiz- und Polizeidepartemente nur wenigstens die ..^hatsache mitzutheilen.

Die so eben erzählten Umstände sind ihm erst später zur Kenntniss gekommen.

Der Präsident des Zentralkomites in Zürich war es, der mit Schreiben vom 14. März 1864 den Bundesrath zuerst aus die tägliche Vermehrung der polnischen Flüchtlinge aufmerksam machte, aber nicht au^ polizeiliehen Gründen, sondern weil seine okonomischen Mittel nicht mehr z.. genügen drohten.

Jn diesem in neuester Zeit belagert werde.

gekleidet. Die

Schreiben machte Herr Zangger die Mitteilung , dass sein Bureau täglich vou 3, 4, l 2 und mehr Mann Die Leute seien meistens mittellos , oft auch schlecht grosse Mehrzahl bestehe aus Polen ^ einzelne wenige

^79 seien Jtaliener. Die Erstern wünschen in der Regel die Reisemittel nach Baris.^. Einzelne suchen Arbeit, aber die wenigsten seien der deutschen Sprache mächtig. Die meisten dieser Flüchtlinge werden durch die osterreiehische Bolidi über Salzburg an d.e bayrische Polizei abgeliefert und erhalten in München Zwangspässe nach der Schweiz. Bis iezt sei es dem Konnte moglich gewesen, den Leuten weiter zu helsen.

aber die Last beginne seine graste zu übersteigen. Er. der .^r. Präsident, glaube, die Verhältnisse seien der Art, dass .^ie eidg. Behorden der Sache sich annehmen sollten, um so mehr, als die kantonalen Behorden wenig ^ .Lust Beigen , sich in dieselbe ^u mischen. Momentan beschäftige ihn ein Trupp von 30 Mann, der ^wei Tage vorher^ (l 2. März) in Rorschach angekommen sei. Er, Hr. Zangger, habe den Hrn. Regierungsrath Sax^er (Präsident des Polenkomites) in ...^t. Gallen ersucht, das Rothige anzuordnen, aneh habe er. demselben sür die dringendsten Bedürsnisse aus der Polenkasse einen Beitrag ausgesät. Vielleicht, so schliesst Hr. Zaugger. dürste es im Jnteresse unsers Landes liegen, de....

Abgang der Mehrzahl dieser Leute nach Frankreich zu besordern.

Diese am 15. März eingegangene Mittheilung veranlasste das eidg.

Justiz- und Polizeidepartement, seinen Sekretär sofort nach .Zürich nnd St. Gallen abzuordnen, um an Ort nnd Stelle über den Umfang der moglichen Zn^üge und über das Versahren der österreichischen und baverisehen Behorden nähere Jusormationeu zu erheben.

Mittlerweile machte die Regierung des Kantous ...^t. Gallen am 16. März den ersten offiziellen Bericht an den Bundesrath, und zwar beschränkte sich diese Mitlheilung aus Details bezüglich der in Rorsehach angekommenen 25 Mann. Darnach wünschten Dieselben nur vorübergehenden Ausenthalt. Jm Uebrigeu zählten sie auf Unterstüzuug von ^eite ihrer Verwandten und freunde, sowie von ..^eite der Polenkomiles in Zürich uud Bern, wohin sie bereits einen Abgeordneten gesendet hätten.

Die Regierung von ^t. Gallen fügte bei, sie halte sich verpflichtet, den

Bundesrath von diesem Vorgange in Kenntuiss zu se^en. .^ Einstweilen habe sie ihr Polizeidevartement beauftragt, noch nähere Erkundigungen einzuziehen uud sürzusorgen, dass diese Flüchtlinge au^ Orte ihrer Ankauft Zusammenbleiben uud polizeilich überwacht werben. Daran knüpfte die Regierung die Einfrage , ob dieselben einstweilen in Rorsehach belassen, oder we.ter in das Jnuere ^er ^ehweiz internst, oder polizeilieh ausgewiesen werden sollen. Einen derselben, der zwar einen polnischen Ausweis besessen, aber aus Paris sei . habe sie wegen Maugels an Subsistenzmitteln nach Frankreich abschieben lassen.

Mit

einem

weitern Schreiben vom l 8. Mär^ 1864 ergänzte .die

Regierung von ^t. Galleu diese Mittheiluugeu. ^Au die bereits er-

u^ähute^. Vorgänge in Galicien anknüpfend, benierkte sie, dass d.e noch näher einvernommenen Fli.ehlliuge iu Rorschaeh über die Anzahl der ans Galicien vertriebeueu Polen keine bestimmten Angaben machen konueu ;

^80 es mogen in und um Krakan zirka 1000 Personen gewesen sein, worunter auch ganze Familien. Einzelne Wenige, deren indifferenter Charakter bekannt oder vollständig ausgewiesen worden, haben die Bewilligung ^um Aufenthalt in andern österreichischen .^ronländern erhalten. Alle andern Personen seien mittelst ^wangsweiser Reiseroute aus dem österreichischen ..gebiete gewiesen worden, wobei sie übrigens das Ziel ihrer Reise haben wählen konnen. Ein grosser Theil der Ausgewiesenen habe sich nach Sachsen (Dresden) gewendet, ein anderer, und wohl der grotte Theil, soll den Weg nach Frankreich eingeschlagen haben. Zirka 200 Mann seien nach München gekommen. Die Abreise aus Galicien habe vom 2.--5. März bewerkstelligt werden müssen. Den in Münehen Augekommenen sei einige Tage Ausenthalt gestattet, dann aber durch die Bolizeidirektion eröffnet worden, dass sie auch Bauern innert drei Tagen verlassen müssen, indess ihr ferneres Reiseziel ebenfalls wählen konnen. Die Einen hätten nun Baden (Heidelberg), Andere Frankreich und ein dritter Theil die .......chwei.., gewählt. Die beiden erstern Bartien seien sodann nach Ulm, die lezi.ern nach Lindau und von da nach Rors^ach dirigirt

worden. Diese leztere Abtheilung habe ursprünglich 28 Mann gezählt, es seien aber bereits Einige aus eigenen Mitteln weiter gereist und mehxere verreisen ebenfalls in den nächsten Tagen.

...lus diesen Ausschlüssen abstrahlte die Regierung von St. fallen folgende Thatsaehen :

,,Die Ankunft der polnischen Flüchtlinge in Rorsehach ist znuäehst

als Folge der massenhaften Ausweisung polnischer Flüchtlinge aus Galizien und sodann als Folge verweigerten Aufenthaltes in Bauern zu betrachten. ^ ..Die Zahl der nach der ^..hweiz gelangten Flüchtlinge .st verhältnissmässig gegenüber der Zahl sämmtlicher aus Galicien sortgewieseneu Bolen sehr gering.^ ,,Es ist moglich, dass noch einzelne der aus Oesterreich Abgeschobenen in ^olge verweigerten Ausenthaltes in Deutschland nach der ..^..hweiz sieh wenden werden ; indessen dürfte mit Grund angenommen werden, dass sich die Folgen solcher Ausenthaltsverweigerungen bereits geltend gemacht , so weit sie überhaupt eintreten werden Die Flüchtlinge sind ohne ^eimatausweise oder Reiselegitimationen...

,,Sie sind ohne .^ubsiftenzmittel, und die wenigsten unter ihnen sind in der Lage , sich solche leieht selbst verschaffen zu konnen , da sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind, nur einige Wenige etwas sranzosisch sprechen und auch nur Wenige eine bestimmte Bernfsart kennen.^ .,Sie wünschen nur vorübergehenden Ausenthalt in der Schweiz, bis es^ ihnen ermöglicht sei, in ihr Vaterland und zu den Jhrigen zurnkzukehren.^ Rach diesen Berichten, womit die erwähnten personliehen Ertundigu^.gen übereinstimmten , war man in St. Gallen und ^ürieh darüber

881 einverstanden, dass sür ein Mai zwar wohl noch vereinzelte, aber nicht Zahlreichere und nicht ostere Zuzüge erfolgen werden , und dass die in Rorschaeh befindliche Mannschaft dasjenige Kontingent bilde, welches in Folge des Belagerungszustandes über Galicien fast notwendig der Schweiz habe Ankommen müssen. Daher war man darüber einig , dass nur jene Mannschaft in Rorschach in Betracht komme und dass.die neuen einzelnen Ankömmlinge der gewöhnlichen Fremdenpolizei der Kantone oder der Brivatobsorge der Komites zu überlassen seien. Auch der Präsident des Zentralkomites erklärte stch einverstanden, in der bisherigen Weise fortwirken zu wollen.

Unter diesen Umständen war lediglich die Einfrage der Regierung von St. Gallen zu prüfen, dahin gehend. .,ob jene Flüchtlinge einst..weilen in Rorsehach belassen, oder weiter in das Jnnere der Schweiz .,internirt, oder polizeilieh ausgewiesen werden sollen.^ Der Bundesrath konnte aber keinen Augenblik zweiselhast sein, dass wegen 25 Mann, die unbewafsnet waren und bloss seit einigen Tagen aus Schweizergebiet sich befanden , die auch durchaus ruhig lebten , und in jenen Staaten, aus denen sie gekommen sind , nichts verfehlt hatten , in einem Zeitpunkte politischer Ruhe von einer Jnternirung oder gar von einer Ausweisung keine Rede sein konne.

Die dritte Frage endlich, ob jene Flüchtlinge einstweilen in Rorschach belassen werden sollen, wollte der Bundesrath nicht beantworten, weil diese Antwort der Regierung von St. Gallen zustand, indem die gewohnliche Fremdenpolizei, sowie die Gewährung des As^ls bekanntlieh Attribute der Kautone sind. Uebrigens waren verhältnissmässig nur wenige Bersouen zu untersten, während andere Kantone in ähnlicher Weise auch schon bedeutende Lasten zu tragen hatten , ohne dass die Hülse des Bundes angerufen worden wäre. Man denke an die Lasten , welche den Kantonen Tefsin, Graubünden , Uri , Ludern ^e. aus der jahrelang andauernden, oft massenhaften Desertion aus den italienischen Diensten und später bei der Auflosung der Fremdenregimenter erwachsen sind.

Der Bundesrath entschied daher am 26. März 1864, es sei beim derzeitigen Stande der ........aehe eine besondere ^chlussnahme nicht erforderlich.

Dennoch durste nicht übersehen werden, dass die Flüchtlingsangelegenheit, so unbedeutend dieser Ansang war, erheblichere Dimensionen
annehmen konnte, sowie dass es sich um fremde handelte , die politischer Vorgänge willen in unser Land gekommen waren, und dass also politische fragen wenigstens moglieherweise hinzutreten konnten. Es lag desshalb im allseitigen Jnteresse, dass die Bundesbehorden knnstig über diese Verhältnisse orientirt seien. Dazu kam noch der Wunsch, wenigstens so viel als moglich der Regierung von St. Gallen entgegen zu kommen. Aus diesen Gründen wnr.^e das ei.^g. Justiz- und Voli^eideparlement ermächtigt, zur Erleichterung so weit behülflieh zu sein, als es die allgemeinen Grund-

^82 säze über Flüchtlingspolizei und As.^l gestatten und zu diesem Ende von sich ans mit den Volizeibehorden von St. Gallen und Zürich die geeignet scheinende Behandlung dieser Angelegenheit zu vereinbaren, sowie allsäilig erforderliche ökonomische Bedürfnisse zum Unterhalte der Mannschaft oder zur Erleichterung ihrer Abreise aus dem Kredite für Fremdenpolizei zu bestreiten.

.

Das eidg. Justiz- und Bolizeidepartement versäumte nicht, im Sinne dieses Beschlusses mit den genannten Bolizeibehorden sich in Verbindung zu sezen und dabei hervorzuheben, das., da nach den Berichten der Regierung von St. Gallen für den Moment kein zahlreicherer Znzng ^u befürchten sei, das Departement einstweilen solgende Gesichtspunkte zur Richtschnur nehme : 1) Vereinzelte Durd^ügler, die fernerhin noch ankommen mogen, namentlich au.l. solche Judividnen, die nicht Bolen seien, obsehon sie in Volen mitgekämpft haben, bleiben, wie bei andern ähnlichen Anlässen, der Fürsorge der Kantone überlassen.

2) Mit Bezug anf die Flüchtlinge in Rorschach werde vorausgeht,

dass ihnen As.^l gewährt werde, sosern sie ruhig sich verhalten, zu keinen Demonstrationen weder nach Jnnen noch nach Aussen sich verleiten lassen, den Versügungen der Staatsbehörden sich unterziehen, sowie auch sonst nicht etwa einem tadelhaf^en Lebenswandel sieh ergeben. Sodann scheine eine Verständigung über die Vertheiluug dieser Leute ans beide Kantone am Bla^e zu sein.

3) Die Kosten für die Verpflegung dieser Flüchtlinge liegen den Kantonen ob, wenn aber in Folge besonderer Umstände eine Mitwirkung der Bundesbehorden als gerechtfertigt sich erzeige, so sei das Departement geneigt, darauf einzutreten.

Das Bolizeidepartemeut des Kantons St. Gallen stellte jedoch sehr bald weiter gehende Begehren. .^ehon mit Schreiben vom 28. März

1864 trat die prinzipiell verschiedene Anschauung in ^lüehtlingssachen

scharf hervor.

Es verlangte dasselbe namentlich bestimmte Direktionen im Sinne der ani 16. März von der Regierung gestellten Eintragen, man konne sich dort keineswegs mit der Ansicht befreunden, dass die ^bsorge über die anwesenden polnischen Flüchtlinge ^.aehe des Kantons sei, der dann eventuell für deren Duldung petitionsweise an andere Kantone sich wenden und der Gesahr der Abweisung sieh anssezen müsste.

Die

Gewährung des Anrechtes an politische Flüchtlinge sei ein von der Eid-

genossensehaft ausgesprochener und von ihr zu garantirender Grundsaz , die daraus erwachsenden Unkosten konnen unmöglich ausnahmsweise nur dem einen Kanton , der in Folge seiner Lage als Grenzkanton von den As^lsnchenden zuerst betreten werde, obliegen. Mit der Anerkennung des Grundsazes der As^lgewährung sei die Rothwendigkeit der Jntervention des Bundes gegeben ; wie denn überhaupt diese Frage ihrem ganzen Wesen nach in den Kreis der internationalen Angelegenheiten gehore, deren Be-

883 handl.mg der Kantonalautonomie entrükt^ sei. Die Regierung gewärtige, der Bundesrath werde diese Angelegenheit zu der Seinigen machen und habe wenigstens vor der Hand ihre Ermächtigung nicht ertheilt, mit der Bolizeidirektion des Kantons Zürich wegen Uebernahme emes Theiles der

Flüchtlinge in Unterhandlung zu treten. Das Bolizeidepartement schliesst diesen Brief mit dem Wunsche, dass es dem Bundesrathe ans die eine oder andere Weise gelingen mochte, die baldige Heimreise dieser jugendliehen Patrioten zu ermöglichen.

Das eidg. Jnfti^- und Boli^eidepartement glaubte aber, auf diese Anschauungsweise nicht eintreten zu können. Jn seiner Antwort vom 29. März hat es die prinzipielle Frage über das As^l dem Bundesrathe vorbehalten und lediglich mit der Obsorge für die inzwischen von Rorschach nach St. Gallen übergesiedelten Bolen sich beschäftigt. Es erklärte sieh namentlich bereit, denjenigen, die verreisen wollen, mit Reisegeld beizustehen und im Rothsalle aueh Bässe zu geben. Bezüglich solcher, die in der Schweiz bleiben wollen , bestehe kein Hindern^ , ihnen Vorweise oder irgend eine andere Legitimation zum Aufenthalte in denjenigen Kantonen, wo jeder nach Wahl und Beruf am besten sich durchzubringen hoffe , auszustellen. Jn dieser Weise würden die Kosten entweder verschwinden, oder auf mehrere Kantone vertheilt und daher für jeden unerheblieh werden.

Jn drei folgenden Schreiben vom 3. 4. und 7. April 1864 zeigte

das Bolizeidepartement an , die Regierung habe die .Ausstellung irgend

welcher Legitimationspapiere an die polnischen Flüchtlinge durch eine St. Gallische Amtsstelle nicht für angemessen erachtet. Dagegen habe sie in der Meinung , dass der Bund die Kosten bezahle , Ermächtigung gegeben , die desektesten Kleider der Flüchtlinge zu ersehen oder auszubessern. Juzwischeu sei die Zahl aus 30 Mann angewachsen, die sämmtlieh eiukaseruirt und in einer Wirtschaft zu 1 ^r. 30 Et. per Mann täglich verkostgeldet seien. Jn soleher Weise betrage die Rechnung für eine

Woche vom 31. März bis 7. April 601 Fr. 10 Et. ohne Entsehädi-

gung für Lokal, Heizung, Licht ^e.

Die Regierung und das Bolizeidepartement des Kantons St. Gallen hielten überhaupt fortwährend an der Ansieht fest, dass die ganze Angelegenheit Bundessache sei, und^ lehnten Alles ab, was nach der Ausfassung des eid.^. Justiz- und Bolizeidepartementes in diesem Zeitpunkte zu einer einsaehern und weniger formell-polizeiliehen Erledigung hätte führen können.

Es standen somit diejenigen Behörden, welche zunächst berufen waren, in Sachen zu handeln, in der prinzipiellen Auffassung der Frage in direktem Gegensaze. Der Bundesrath war daher berusen, darüber sich anzusprechen. Es geschah dies mit dem Beschlusse vom 11. April 1864 im ^inne des eidg..Justiz- und Bolizeidepartementes, indem der Bundesrath erklärte, er sehe sich bei d^em j e z i g e n S t a n d e der F l ü c h t l i n g s a n g e l e g e n h e i t nicht veranlagt, ordnend einzugreisen, sondern

.^4 überlasse sie gänzlich den Kantonspolizeibehorden, sofern die Kantone die

Flüchtlinge länger behalten wollen. Jndess hat er, in Ausdehnung des

frühern Beschlusses und in Berechtigung der etwas ei.ponirten Lage des Kantons St. Gallen, sein Justiz- und Polizeidepartement ermächtigt,

alle bis und mit dem 15. April erlaufenden Kosten für Verpflegung der

dannzumal in St. fallen anwesenden Flüchtlinge (jedoch ohne Lokal, Heizung und Licht) zu bezahlen, von jenem Tage an aber falle die Ob^

sorge für dieselben dem Kanton anheim. (Bnndesblatt 18^4, l, 521.^

Später haben die meisten dieser Flüchtlinge sich entschlossen , nach Jtalien zu gehen. Das Polizeidepartement des Kantons ..^t. Gallen liess sie durch einen polnischen Flüchtling ans den 1830r Jahren, Ramens

Koronikolski, dahin begleiten und das eidg. Justiz- nnd Polizeidepartement gewährte noch angemessene Reiseunterstüzungen.

Jn

solcher Weise be-

trugen die Kosten für diese kleine Schaar 188..) Fr. 0l Et.

Die Regierung von St. fallen liess zwar diese sakt.sche Verständig gnng zn, protestate aber mit Sehreiben vom 15. April gegen die Motive, welche dem Beschlusse des Bundesrathes vom 11. April zu Grunde lagen, indem sie zugleich das Recht des Kantons verwahrte, für alle und jede aus der Verpflegung der Flüchtlinge herrührenden Kosten und Lasten Vergütung durch den Bund zu verlangen. Jn Antwort hierauf bestätigte der Bundesrath am 20. April einfach die frühern Beschlüsse, indem diese .mit bezüglichen Entscheiden der Bundesversammlung übereinstimmen und der Beweis, dass sie aus unrichtigen Prinzipien beruhen, direkt bei der Bundesversammlung geltend gemacht werden moge.

Jnzwischen ist auch die Polizeidirektion des Kantons Zürich mit einem schon von St. Gallen aus avisirten ähnlichen Gesuche eingekommen, weil sie aus den Wunsch des Polenkomites die Verpflegung mehrerer Polen aus offentliehe Kosten habe übernehmen müssen. Dabei wurde noch das weiter gehende Begehren gestellt, dass der Bund die Einbürgerung übernehme, wenn Heimatlose aus der Gewährnng des Ast.,ls entstehen sollten. Es wurde aber in beiden Riehtungen ebenfalls ablehnend geantwortet, und zwar in Hinsieht der Verpflegung aus dem Grunde, weil am 26. März nur eine ökonomische Betheiligung bezüglich der Mann..

sehaft in Rorsehaeh in Aussieht genommen worden sei und hinsichtlich der Heimatlosigkeit, weil die Bnndesbehorden nieht sür die folgen von Handlungen verantwortlich sein konnen , die sie nicht angeordnet haben , und die vielmehr im freien Willen der Kantone liegen.

^l.

Bei Erlass der Beschlüsse vom 2^. März und 11. April l 8^4 ging der Bundesrath, wie bereits augedeutet ist, von dem Gesichtspunkte ans, dass die Fremdenpolizei Sache der Kantone sei, welche also auch die damit verbundenen .Lasten zu tragen haben. Es ist aneh weseutlich die folgerichtige Anwendung dieses bnndesrechtlichen Principes , welche den

885 Bundesrath später geleitet hat. Es ist daher hier am Bl.aze, diefe bundesrechtliche Seite etwas näher darzulegen.

Die Bundesverfassung hat bekanntlieh das ganze Gebiet der Fremdenpolirei den Kantonen überlassen, als einen Theil der innern Rechtsordnung.

Es ist nun sowohl das Asyl als die Flüchtlingspolizei unbestreitbar in dem allgemeinen Begriffe der Fremdenpolizei inbegriffen. Die Kantone sind somit auch in der Gewährnng des As^ls und in der Ausübung der ^lüchtlingspolizei unabhängig, und so gut als sie die Lasten aus der allgemeinen Volizei zu traget haben, eben so gut müssen ihnen auch die Lasten obliegen, die aus jener speziellen Anwendung der Bolizei entspringen.

Diese Säze haben bis znm Erlass der neuen Bundesverfassung nnbeschränkte Regel gemacht. Die neue Bundesverfassung modifizirte allerdings die absolute Herrsehast dieser Regel einigermassen. Allein es ist wohl zu beachten und von den Behörden des Kantons St. Gallen übersehen worden, da^ die Bundesverfassung nicht das Brinzip berührt, fondern lediglich die .Anwendung desselben, und zwar bloss in zwei speziellen Fällen.

Durch Art. 57 ist nämlich dem Bunde das Recht eingeräumt, in

die Ausübung der Fremdenpolizei durch die Kantone einzugreifen , wenn es erstens die innere und zweitens die äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft ersorderlich macht. Die Vollziehung dieses Bundesrechtes ist durch

Art. 90, Zisf. .1, 2, 8, 9 und 10 dem Bundesrathe übertragen, wo-

durch ihm noch besonders die Sorge für Handhabung von Ruhe und Ordnung im Jnnern anvertraut ist.

Es ergibt sich somit aus der historischen Entwikelung dieser Verhältnisse, sowie aus dem wortlichen und logischen ..^..inne der Bundesversassung, dass auf dem Gebiete der Fremdenpolizei im Allgemeinen die Bundesbehörden erst dann zum Einschreiten berufen , aber dann auch dazu berechtigt sind , wenn Konflikte im Jnnern zwischen den Kantonen entstehen , oder wenn Fragen über Beziehungen zu auswärtigen Staaten

vorliegen. Jn spezieller Anwendung auf die Flüehtlingspolizei wird dies sofort klar dureh das praktische Beispiel, dass sur die Bundesbehorden natürlich daun erst ein Objekt zur Anwendung ihrer Kompetenzen vorhandeu ist, w e n n ein K a n t o n b e r e i t s p o l i t i s c h e n F l ü e h t ^

lingen A s y l gewährt hat. Es kann somit nur die Art der A u s ü b u n g der ^ l ü e h t l i n g s p o l i z e i durch die Kantone, nicht die

^lüchtlingspolizei im Brinzip, der Eognition der Bundesbehörden unter-

stellt werden.

Dagegen reicht dann allerdings die Kompetenz der leztern so weit, als es der Zwek erfordert. Wenn es die Jnteressen der Eidgenossenschaft und ihre völkerrechtlichen Beziehungen unerlässlieh machen, so l.onnen nicht bloss einzelne Flüchtlinge internirt oder ausgewiesen , sondern es kann sogar auch einzelnen Kantonen die Gewährung des Asyls geboten oder untersagt werden. Ebenso stehen den Bundesbehörden diejenigen Kom-

886 petenzen zu, die erforderlich sind, um Konflikte ^wischen den Kantonen zu entscheiden und diese Entscheide .^u vollziehen.

Der Gebrauch dieser Kompetenzen kann aber für den Bund nicht die Folge haben, dass er nun die mit der Fremdenpolizei verbundenen Lasten übernehmen müsste. So lange von den gesezgebenden Räthen nicht andere Direktionen gegeben sind, muss der Bundesrath die Uebernahme der Verpflegung einer kleinern oder grossern Zahl von Flüchtlingen stets ablehnen.

Es ist durchaus ein Jrrthum. dass der Bund jemals die Verpflegnngskosten für gewöhnliche Flüchtlinge getragen habe. Er wird auch kaum je anerkennen konnen, dass die Kantone beliebig As.^l gewahren, aber die materielle Verantwortlichkeit aus ihn übertragen dürfen. Der Bund hat nur B e i t r ä g e gewährt an die K a n t o n e für die ans der Gewährung des As^ls ihnen erwachsenen Kosten, aber er hat nie alle K o s t e n getragen, ausser in speziellen Fällen. wo aus politischen Gründen gegen einzelne kompromittirte Bersonliehkeiten vom Bunde aus eingesehritten werden musste. Abgesehen von diesem besondern Falle sind jene Beiträge ganz ausdrüklich uur darnm gewährt worden , weil ausnahmsweise besonders drükende Verhältnisse vorlagen, und weil diese Verhältnisse überdies der Art waren, dass sie den Bund behnss Wahrung der Neutralität nothigten, die Flüchtlinge zu interniren, und ans die Kantone ^u ver-

theilen. Alles dies geschah damals, als es sich um zirka 11 .000 Flucht-

linge handelte , aber im Spezialsall^. war nur eine gan^ kleine Schaar zu besorgen, so dass nicht einmal die Uebernahme auch nur eines Theiles der Verpflegung gerechtfertigt war. Uebrigens beruht diese Aussassung der Flü.l.tliugspolizei mit den erwähnten Konsequenzen aus Entscheiden der gesezgebenden Räthe. Rähere Rachweise im Einzelnen sind schon in dem Berichte des Bundesrathes uber die Volenangelegenl.,eit vom t . Dezember 1864 (Bundesblatt 1865, Bd. l, S. 167) gegeben worden, aus welche hiermit verwiesen wird. Die Bundesversammlung hat auch in der Dezember^ung bei Anlass jenes Berichtes die so eben erorterten Grundsäze genehmigt ; ste müssen daher solange für den Bundesrath massgebeud sein, bis sie von der Bundesversammlung abgeändert werden.

^l.

Unser Jnst^- und Volizeidepartement bemühte sich von Ansang an, für die Volen eine mogliehst sreie Zirkulation nicht bloss im Jnnern, sondern auch von und nach dem Anslande zu erhalten. Es versäumte nicht, die Aufmerksamkeit des Bundesrathes ans das Verfahren in festerreich und Bauern ^u lenken. Jn ^olge dessen wurde am 1l. April 1864 beschlossen, bei der koniglich bäuerischen Regierung Erkundigung

887 über den dortigen Stand der Fluchtlingsangelegenheit einzugehen und gleichzeitig dafür sieh zu verwenden , dass die Leute wenigstens nicht von Seite der Behörden zur Reise nach der Schweiz angetrieben, oder gar, wie es am 12. Mär^ mit jenen 28 Mann geschehen, polizeilich nach Lindau auf ein Dampsschifs gebracht und auf Schwei^ergebiet abgesezt werden.

Das koniglich b a y e r i s c h e S t a a t s m i n i s t e r i u m übermachte mit Antwortsnote von. 5. Mai l .^64 einen Bericht der koniglichen Bolidi-

direktion München, d. d. 24. April l 864. Dieser Bericht enthalt

n..eht uninteressante Details , wesshalb das Wesentliche daraus hier mitgetheilt wird. Hiernach sei die Zahl der polnischen Flüchtlinge, welche seit dem Mai 1863 von Salzburg her über München passirte, in den srühern Monaten kaum beachtenswerth gewesen. Jm Laufe der zwei legten Monate dagegen habe sich in Folge der in Galizien getroffenen ..Sicherheitsmaßnahmen der Zugang der Art gesteigert , dass er in der

Zeit vom 1. Mär^ l864 bis zum 20. April gl. J. die Zahl von 300

Personen erreicht habe.

Die meisten derselben besten die erforderlichen Reisemittel und österreichische, jedoch nnr sür einige Tage und bloss ^um Austritt gültig erklärte Zwangs- und Jnterimspässe nach Deutsehland , Frankreich und der Schweiz.

Die übrigen, etwa der sechste Theil, seien theils ohne Bersonallégitimation, theils ohne Reisemittel nach München gekommen und haben angegeben, dass sie von den osterreiehisehen Behorden in Galicien ans Staatskosten über Wien nach .^al^burg geliefert und von da mit Eisenbahnfal^rkarten nach München versehen, über die osterreiehisehe Grenze gesell worden seien. Diese Jndividuen bezeichnen theils Frankreich, theils die Schweiz als ihr Vaterland. Auch befinden sich angebliche Engländer und Niederländer unter ihnen.

Die Bassinhaber dagegen seien durchgehends als russische Staatsangehorige in den Bässen bezeichnet.

Jn Bezug ans die fremdenpoli^eiliche Behandlung dieser Bassanten bemerkt die konigli^e Boli^eidirektion, dass ihnen bei dem Mangel vollgültiger Reisenrknnden oder sonstiger genügender Bersonalausweise im Hinb^ik ans Art. Vll der Vassverordnung ein längerer Aufenthalt in der Regel nicht gewährt werde. Vielmehr werden dieselben zur alsbaldigen Abreise von Muncheu angehalten. Eine bestimmte Reiseroute sei ihnen bis ^u jenem Zeitpunkte nieht vorg...zei.hnet worden. Die Meisten halben der an sie ergangenen Aufforderung Folge geleistet; die Ungehorsamen seien, sosern sie Reisemittel gehabt, nach Art. 146 des Strasgesezbuches behandelt u.orden. Diejenigen, welche keine Reisemittel besessen, haben

die Bitte gestellt, ihre Beförderung .an die Landesgrenze mittelst Schub

^n bewerkstelligen. Je nach ihrem ^Wunsche, nach Frankreich oder in die ^ehwei^ sich begeben zu wollen. seien dieselben entweder nach Ulm oder

888 nach .Lindau abgeliefert worden.

Ein Z.vang oder eine sonstige Einwir-

kung bezüglich der Wahl der Reiseroute habe hiebei nicht stattgesunden.

Die Zahl der auf diese Weise behandelten Flüchtlinge belaufe sich auf einhundert, wovon etwa die Hälfte auf den oben erwähnten Zeitraum falle.

Der zahlreichste Transport mit 26 solcher ,, Schillinge ^ sei am 1l. März von München nach Lindau abgegangen. Auch hier habe die Bestimmung der Route auf der freien Wahl der Betreffenden beruht.

Die Gründe, w e l c h e namentlich die minder b e m i t t e l t e B l a s s e bestimme, ihren A u f e n t h a l t in der Schweiz zu n e h m e n , s e i e n in der Einvernahme eines ans e i g e n e r Erfahrung mit den V e r h ä l t n i s s e n v e r t r a u t e n p o l n i s c h e n G u t s b e s i z e r s vom 22. April 1864 enthalten.

Jm Uebrigen weisen die Ulkten nach, dass die grossere Hälfte der mittelst Sehub an die Landesaren.^e geschafsten Flüchtlinge auf der Route nach Ulm und nur der geringere Theil nach Lindau beordert worden sei.

Der Zugang solcher Flüchtlinge daure noch sort, wie lange und in welchem Umsange könne nicht ermessen werden. Zur Zeit dieses Berichtes seien etwa 20 Mann auf der Durchreise in München anwesend, die theils nach Frankreich , theils nach der Schweiz oder nach Sachsen sich begeben.

Der oben erwähnte polnische Gutsbes^er bestätigte laut der m Absehrist beigelegten Einvernahme, dass die wohlhabenden Flüchtlinge nach Brüssel, Dresden, Baris, die weniger bemittelten aber nach der Schweiz sich begeben, und zwar desswegen, weil die Reisegelegenheit dahin billiger zu stehen komme , dann weil die Subsistent daselbst wohlseiler sei und weil sie von der dortigen Regierung, so wie von den Unterstü^ungskomites daselbst Subventionen in Aussieht haben.

Das koniglich ba...eris^.e Staatsministerium sügt diesen Mittheile.-

gen bei, dass es das von der königliehen Bolizeidirektion München bisher

eingehaltene Versahren vom dortseitigen Standpunkte aus nur als vollkommen saehgemäss zu bezeichnen vermoge , und dass aneh ein Grnnd zu einer anderweitigen. Verfügung so lange nicht gegeben erseheine, als gegen den weitern Dnrehzug und beziehungsweise Aufenthalt von Seite der betheiligten auswärtigen Staaten, insbesondere von Württemberg, Baden, der Schweiz und Frankreich , m ..h t Einsprache erhoben werde.

Das Staatsministerium glaube übrigens in Berüksichtignng der hier obwaltenden gan^ besondern Verhältnisse und da der Uebertritt aus Bauern sederzeit nur aus ausdrükliehes Verlangen der fraglichen Bolen stattfinde, einer Einsprache des schweizerischen Bundesrathes nieht zu begegnen.

.llV.

Jm Anfange des Monates Juni 1864 stellte der Präsident des schweizerischen Zentralkomites in Zürich an den Bundesrath wieder das^

889 Gesuch , dass er die Verpflegung der Flüchtlinge und deren Verkeilung ans die Kantone übernehmen mochte, weil der .Andrang derselben stets Brosser, der Zuflnss der Hilfsmittel dagegen stets kleiner werde. Auch von Seite der Volizeidirektion des Kantons Zürich kam zu derselben Zeit ein ähnliches Gesuch ein , weil dort bereits etwa 100 Mann verpflegt werden müssen und nach neuesten Berichten eine grossere Anzahl nachkommen werde.

Der Bundesrath musste aber aus den weiter oben entwikelten prinzipiellen Gründen die Uebernahme der Verpflegungskosten ablehnen.

Allein es kamen in jenem Zeitpunkte auch noch andere Momente in Betragt. Die Zahl der anwesenden Flüchtlinge war noch sehr

gering , auch lag keine politische Frage im Verhältnisse zum Auslande vor, denn die Flüchtlinge kamen nicht aus einem politisch aufgeregten Rachbarstaate, ferner waren keine Verwikelungen zu besorgen, die eine Jnternirung der Flüchtlinge ans einigen Gren^kantonen und da dnrch eine entsprechende Belastung anderer Kantone erforderlich gemacht hätten . überhaupt standen den^ Volen au^.h alle Rachbarstaaten offen, und von keiner Seite drohte ihnen eine persönliche Gefährdung. Wie konnte denn die Bnndespolizei eine Organisation einführen, die nur dann hätte gerechtfertigt sein konnen , wenn gerade das Gegentheil von allen diesen Umständen vorgelegen hättet Eine solehe Organisation war ferner auch darum nicht gerechtfertigt, weil damals die meisten Kantone noch keine Volen bei fi.^ gesehen hatten, während man nicht zweiseln durste, dass auch dort Behorden und Volk bereit seien, den Flüchtlingen As..,l und Unterstützung zu gewähren.

Endlich kam noch in^Betraeht, dass die Einführung einer Massregel, wobei der Bund die Kantone von etnem Gebiete verdrängen muss, das ihnen zusteht, weun nicht internationale oder interkantonale Verhältnisse dazu nothigen , nur ausnahmsweise und nur in sehr dringenden Fällen erfolgen soll. Hier aber lag wohl eine ausnahmsweise .^ast in Folge der Fremdenpolizei auf einzelnen Kantonen, aber unter ganz gewohnliehen Umständen und ohne zu drükend zu sein, und von den Konflikten zwischen den Kantonen, wie sie später austauchten, war damals noch keine Spur.

Wenn hienaeh die Einführung einer Bundeskontrole und eine grossere ökonomische Betheiligung des Bundes nicht am Vlaze schien, so war aber doch irgend eine Aeusserung des Bundesrathes zwekmässig, wenn die als billig erkannte Verkeilung auf mehrere Kantone erzielt werden sollte.

Es geschah dies mittelst Kreisschreiben vom 8. Juni 1864. (Bundes^

blatt 1864, ll, S. 56.) Dadurch wurde den Kantonen der Standpunkt

des Buudesrathes erossnet und damit das Gesuch verbunden, sie mochten denjenigen Volen Asi.l gewähren , die aus freier Wahl bei ihnen eintreffen, oder auch auf den Wnnsch der Flüchtlinge von den zn sehr überladenen Kantonen ihnen zugewiesen würden. Diese Zuweisung sollte aber nicht heimlich oder zwangsweise geschehen, sondern es mussteu die

8.)0 betreffenden Polizeibehorden jeden. Flüchtling einen .Ausweis behändigen.

Jn Fällen von Konflikten zwischen Kantonen oder von Ungehorsamkeit der Flüchtlinge mnsste an unser Justiz^ und Polizeidepartement Bericht gemacht werden , welches maßgebend versugen , oder den Fall unserm Entscheide unterstellen konnte.

Es wurde sogar noch ein Schritt weiter gethan, um die Kantone zu überzeugen , dass sie im w i r k l i eh e n R o t h s a l l e aus die Mit^..

wirkung der Bundesbehorden rechnen konnten. Die Kantone wurden nämlich eingeladen, unserm Justiz^ und Polizeidepartemente in angemessenen Zwischenräumen (bei starkem Zudrange jede Woche) ein Verzeichnis der angekommenen Polen, nebst .Bezeichnung derjenigen, die abgereist waren, zu übersenden, damit jenes im Falle sei, den ...^tand der Sache zu übersehen und allfällig von sich aus angemessene Verfügungen zu treffen.

Die Besorgung und Verpflegung der Flüchtlinge wurde allerdings, den oben erorterten Grundsäzen gemäss, den Kautonen zugewiesen, dagegen erhielt unser Justiz und Polizeidepartement die Vollmacht, die Abreise der Flüchtlinge durch Ausstellung von Pässen (für beschränkte .Dauer jedoch) un.^ durch sortgesezte Gewährung einer angemessenen Reiseunterstüznng zu befordern.

Solche^ Jndividuen, die zwar in Polen mitgekämpst, aber andern Staaten angehorten, wurde die Eigenschast von politischen Flüchtlingen nicht zugestanden. Es stand daher den Kantonen frei, bezüglich auf diese beliebige Verfügungen zu treffen. ...^ie erhielten keine eidg. Pässe und keine Reisesubsidien.

Dabei wurde die Erwartung ausgesprochen, dass jeder ^li.^ehtling nach .Anlagen und Beruf sieh besehästigen und ruhig sieh betragen werde.

Mit Bezug aus die bekannte Erscheinung, dass die Kantone in neuerer Zeit aus Furcht vor .heimatlosen in Gewährung des ...lsvls rnkhaltender waren, wurde noch beigefügt, dass ^vir im vorliegenden Falle eine derartige Besorgniss nicht gereehtsertigt halten. Es befinden sieh in allen europäischen Staaten polnische Flüchtlinge, daher haben in dieser .^rage alle Staaten das gleiche Jnteresse, das nicht uuberuksichtigt bleiben konne. Uebrigens lehre die Ersahrung, dass ans politischen Flüchtlingen eigentlich noch nie Heimatlose entstanden seien.

Die Vollziehnug dieses Kreisschreibens zeigte, dass der ^tand der ^lüchtlingssaehe wirklich ein ganz bescheidener war, und dass ausser Zürich nur etwa 3 oder 4 Kantone einige wenige Flüchtlinge hatten.

Dagegen ist es allerdings richtig, dass in den Monaten Juli bis und mit September eine ziemlich konstante Einwanderung stattfand. Die Meisten kamen nun aus Sachsen, .venige mehr aus Oesterreieh.

Es sollen aus Sachsen einige kleine Expeditionen nach Polen organisât wor-

891 den sein , wesshalb zahlreiche Flüchtlinge aus Sachsen , namentlich ans Dresden, weggewiesen wurden. Die sächsische Bolizei, sowie die dortigen Bolenkomites sollen sie nach der Schwe^ und speziell nach Zürich gewiesen haben. Wirklich bildete Zürich bis Ende September den Zentralpunkt, wo alle Flüchtlinge zusammentrafen und von wo sie mit Vorweisen in die andern Kantone gelangten, oder mit eidg. Bässen nach Frankreich oder Jtalien zogen.

Merkwürdigerweise zeigte es sich sehr bald , dass nicht alle Kantone

so s^mpatisch geneigt waren, den Flüchtlingen As.^l und Verpflegung

zu gewähren. Einige haben schon bei dem Erscheinen der ersten Bolen mit Vorweisen von Zürich gegen deren Aufnahme sich ausgelehnt. und wenn sie auch auf Verwendung von ...^eite des eidg. Justiz- und^BolizeiDepartements zur Ausnahme sieh bewegen liessen, so geschah es doch nur mit Missbehagen. Obsehon die Bolizeidirektion von Zürich im eigentlichen Sinne nur Samens unsers Justiz- und Bolizeidepartementes handelte, so stuften dennoch mehrere Kantone ihre Weigerung gerade daraus, dass sie wohl von der Bundesbehörde, aber von keinem Kantone Flüehtlinge sich zuweisen lassen.

Die Regierungen von Glarus und Waadt gelangten in diesem Sinne an den Bundesrath, und ähnliehe .Verhandlungen walteten mit den Bolizeibehorden von Luzern , Aargau, Thnrgau , Granbünden und Reuenburg.

Es ergab sieh hiebei der Uebelftand. dass noch Mitte August auch von dem Bolenkomite in Zürich Flüchtlinge in andere Kantone gewiesen wurden. Eine doppelte Zuweisung musste aber natürlich Jnkonvenienzen erBeugen.

V.

Raehdem allmälig dureh vielfache Verhandlungen. eine Art modus vivendi erzielt war, trat Ende August eine unvorhergesehene Wendung ein. Das Bolizeidepartement des Kantons St. Gallen machte nämlich

um diese Zeit die Mittheilung, dass laut Bericht eines mit den Verhältnissen orientirten Flüchtlings in nächster Zeit ungefähr 1000 bis l 200 Volhhnier, die in ofterreichischen Festungen internirt seien, nach und nach in kleinern Abtheilungen in Rorsehaeh eintreffen werden, um nach Frankreich zn .reisen , wo ihnen vom Bolenkomite in Baris sichere Arbeit in

Aussieht gestellt sei. Auch seien ungefähr 1000 Flüchtlinge in Dresden angewiesen, innert einer bestimmten ^rist das Kouigreieh Sachsen zu verlassen. Es wurde der genannten Behorde sofort die Jnstruktivn gegeben, wenn wirklieh e i n e ^ g r o s s e Zahl Bolen ankommen s o l l t e ^ , dieselben einstweilen aus eidg. Kosten zu verpflegen, aber so-^ fort telegraphisehen Berieht zu machen, um dan.^umal das Angemessene verfügen zu können.

Diese lettere Versügung veranlagte das Bolizeidepartement von St.

Gallen, naeh Zürich und Thurgau die Mittheilung zn machen, däss künstig

^92 die Verpflegung aller Flüchtlinge auf eidg. Rechnung genommen sei.

Dieser Jrrthum wurde jedoch sofort dahin berichtigt, dass an dem hierseitigen Versahren nichts geändert und dass jene Verfügung bloss m o m e n -

tan gegeben fei, für den Fall, als wirklich eine M a s s e von 1000 bis

2000 Mann eintreffen sollte , indem sofort die nöth^en Anordnungen gemacht würden, um ihre beabsichtigte Weiterreise zu besordern, wie denn auch die Bundesbehorden sieh stets vorbehalten haben, aus einen solchen ^all hin entschiedenere Massnahn.en zu treffen. Jndess zeigte es sich Später, dass jenes Gerücht unbegründet war.

Gleichwohl hatte dasselbe zu zwei Verfügungen veranlagt, wodurch die Bun.desbehorden eine möglichst genane Uebersieht über den Stand der Sache zu erlangen wünschten, um auf alle Fälle gefasst zu sein, und rechtZeitig die angemessenen Anordnungen tressen zu können.

Einerseits wurden die Regierungen von Oesterreich und Sachsen um Ausschluss ersucht, ob jene Mittheiluugen richtig seien, und andererseits .erging am 26. August ein Kreissehreibeu an sä.nmtliehe Kantone, mit dem

Gesuche, mogliehst besorderlich zu berichten, wie viel poluisehe Flüchtlinge

bis zu jenen. Tage in jedem Kanton angekommen seien und wie viel noch dort sich befinden, ebenso wi.. viele von den Auwesenden ans ossentliehe Kosten verpflegt werden.

Gegenüber den Regierungen von Oesterreieh und Sachsen wurde her^orgehoben, dass die Schweiz wie bisher auch sernerhin bereit sei, den Bolen Asyl und Unterstü^ung zu gewähren. Es sei ihr aber bis jezt nur darum moglich gewesen , die fortwährend ankommenden kleinern Zuzüge anzunehmen , weil Frankreich und Jtalien die von der Schweiz kürzere oder längere Zeit verpflegten und sodann mit Vapieren und mit ansehnlichen Reisemitteln ausgestatteten ^olen aufgenommen haben. Dieses Versahren beruhe aber auf einem gegenseitigen ofsenen Uebereiukommen, wie es nachbarliehe Beziehungen und der freundschaftliche internationale Verkehr erfordern. Da aber aus Oesterreich und Sachsen noch grossere Massen nach der Seh.weiz instradirt werden sollen, so glaube der Bundesrath, jene Staaten daran erinnern .n.. müssen, dass kein Staat verpflichtet sei, Flüchtlinge bei sich auszunehmen, die in einem andern Staate Unterkommen gefunden haben, so wenig als er überhaupt Mittellose und Hilfsbedürftige sieh zuschieben lassen, oder auch nur ohne sein Wissen und ohne feine Zustimmung den Durehpass naeh einem andern ...Staate, dessen EinBilligung ihm nieht einmal bekannt sei, gestatten müsse, besonders wenn dieses noch auf seine Kosten geschehen soll.

Die. Antworten der beiden genannten Regierungen waren in diesem Stadium der ^lüchtlingsangelegenheit von grossem Jnteresse.

Diejenige des k. k. osterreichischen Ministeriums des Aeussern ist vom

12. September 1864 datirt und geht im Wesentlichen dahin :

893 Die auf österreichischem ...Gebiete betretenen polnischen Jnsurrektions-

flüchtlinge, welche sich als russische Staatsangehörige .^ualifizirt haben, seien im Jnlande internirt und nur einer verhältnissmassig unbeträchtlichen Zahl solcher Jnternirter, welche in einem sehr geringen Grade kompromitirt gewesen und die sich mit hinreichenden Reise- und Subsistenzmitteln ausgewiesen . haben , sei auf ihr Ansuchen die Bewilligung zum Austritte aus den kaiserlichen Staaten ertheilt worden, welcher gewohnlieh über Bodenbach oder Fürth vor sich gegangen sei. Dies sei übrigens nur so lange geschehen, als die kaiserlich -russische Regierung diesen ihren Unterthanen die Bewilligung zur Rükkehr nach der Heimat verweigert habe, was dermalen jedoch nicht mehr der Fall sei. Solche Jndividuen seien auch, wenn sie keinen legalen Pass besessen, von den österreichischen Behörden mit einem Reiseeertisikate versehen worden.

Was die Jnsnrrektions-Zuzügler betreffe, so habe immer der Grundsaz geilten, sie in der Richtung, in welcher sie nach Oesterreich gekommen, zumeist über Bodenbaeh oder Salzburg, in das Ausland znrükschaffen zu lassen. Sobald nun diese die Grenze passirt gehabt, feien ^ie öfterreichischen Behorden nicht mehr in der Lage gewesen, ans die Richtung ihrer Weiterreise einen Einfluss üben zu können,^ und wenn sie sofort nach ^ der Schweiz sich gewendet haben, wo konstatirter Massen Polenkomites bestehen, die mit der Dirigirung von Zuzüglern naeh dem Sehauplaze der polnischen Jnsurrektion sich befassen, so ..^une wohl die kaiserliche Re^ gierm.g hiefür nicht verantwortlich gemacht werden.

Abschiebungen von polnischen Jnsurgenten nach der Schweiz haben aber n i e stattgefunden. Selbst solche Zuzügler polnischer Rationalitat, welche in der Schweiz Pässe auf falsche Ramen lautend erhalten haben (nud die ^ahl derselben sei eine sehr bedeutende gewesen), seien nicht über die Grenze nach der ...Schweiz, sondern über Salzburg ausser Landes geschafft worden.

Was schließlich die Anzeige betreffe, dass 1000-1200 Polen in kleinen Abteilungen aus Oesterreich nach der Schweiz abgeschoben werden sollen, um von da aus nach Frankreich zu gehen, so könne das Ministeri n m des Aeu^ern die beruhigende Versicherung geben, dass diese Rachrieht völlig ans der Luft gegriffen sei.

Das königl. sä.hsische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten hat am 21. ^eptember 1864 geantwortet, und zwar im Wesentlichen

was folgt : Die vorgebliche Abschiebung von gegen 1000 Mann polnischer

Flüchtlinge nach der Schweiz habe s..hon desshalb dort nieht in .^rage kommen können, weil sich die Zahl der noch anwesenden Polen überhaupt nur ans etwa 250 belaufe, welche zumeist der bemittelten .^lafse augehören und daller eintretenden Falls der Schweiz oder einem andern ..Staate, dem sie sich zuwenden wollten, nicht zur Last fallen wurden. Abgesehen

Bunde....^..^ ^ a h r^ . X^II. Bd. III.

68

894 von den , im Verhältnis. zur ^esammtzahl der in Dresden angekommenen Bolen kanm nennenswerten wirklichen Ausweisungen e i n z e l n e r Jnd^ vidnen. habe stch die konigliche Regierung dieser Flüchtlinge bisher überhaupt nicht massenweise, unter Anwendung von Zwangsmitteln , zu ent.^ ledigen.gesueht. Namentlich sei es den pon Dresden abgehenden Bolen im Al^ gemeinen^ollig frei gestellt, ihre Weiterreise in dieser oder jener Richtung fort^use.^en, und so haben stch die Einen nach der Sehwei^ gewendet, die Andern die Route durch .^...hweizergebiet nach Jtalien genommen, und noch Andere haben stch direkt nach Frankreich oder Belgien begeben. ....aeh Lage der Sache bestehe keine Veranlassung , ein anderes Verfahren einzuhalten.

Was hinwieder den Stand der Flüchtlinge in den Kantonen ^u Ende Angust vorigen Jahres betrifft, so wurde derselbe durch die Berichte der Kantone auf das oben erwähnte Kreissehreiben vom 26. August ermittelt

wie folgt .

.Angekommen.

Zürieh Bern .Luzern Uri

.

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Schw^

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Unterwalden ob dem Wald .

Unterwalden n i d dem Wald Glarus . . . . . . .

Zug

.

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17 22 5 -

-

--^

. 1 13

---

-

2

1

-

10

.

-

-

-

.

.

.

.

.

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.

22 38 101 4

4 9 47 -

8 29 37 ---

^chasfhansen

.

.

40

.

.

Verpflegt.

605 116 36 25

.

.

.

---

.

Abgeregt.

Freiburg . . . . .

^olothurn . . . . . .

Basel^tadt . . . .

Basel^audsehast . . .

.

.

731 158 62 25

.

Appeseli A. Rh. . . . .

Appenzell J. Rh. . . . . ^t. Gallen . . . . . . 191 Graubüuden . . . . . .

37 Aargau

.

.

.

.

.

.

.

Thurgau . . . . . . .

Tessiu . . . . . . . .

Waadt . . . . . . .

Wallis

.

.

.

.

.

.

.

Reueuburg . . . . . . .

54

195 69 38 1

3l

1..)

143 ^29 39

176 57 1

6

18 2 6

10 12 17 -

21

10

^1^11 ^^ 1330

209

Genf (gab keine Antwort).

-

895 Raeh diesen Berichten wären also bis E n d e A u g u s t angekommen

und kontrolirt

. . . . ^ . . . . . . . 1811 Flüchtlinge.

Davon wieder abgereist

.

.

.

.

.

.

.

.

1330

somit in der Schweiz noch anwesend . . . . .

48l

Davon untexstüzt . . . . . . . . . .

Es lebten also aus eigenen Mitteln . . . . .

20..)

272

..

,.

,, ,.

Von dieser Zusammstellnng kann sedoch nur eine einzige Zahl als sicher angesehen werden, nämlich diejenige, ^ass Ende August 209 Flüehtlinge in den Kantonen verpflegt wurden. Die andern fahlen sind durch-^ aus ungenau, denn einerseits kann der gleiche Flüchtling, indem er 4-5 Kantone durchreiste , in alle Kontrolen eingetragen und daher mehrfach gezählt sein, andererseits sind viele Flüchtlinge in die Schweiz gekommen, die damals gar noch nicht kontrolirt waren. Als sehr bemerkenswerthe Thatsache mag auch herausgehoben werden, dass damals nur etwa ^ der anwesenden Flüchtlinge nnterstü^t werden mussten.

Jm Weitern entnehmen wir aus einzelnen Berichten der kantonalen Bolizeibehorden über den damaligen Stand der Angelegenheit was solgt : Die .^olizeidirektion des Kantons Zürich bemerkte, es könne die Zahl der dort angekommenen Bolen nicht genau angegeben werden, weil schon vor der polizeilichen Kontrole viele Volen durchgereist seien, die nur das Zentralkomite nnterstü^t habe, und weil dieses Komite die besondere Unterstn^ung einzelner Vol^n auch dann noeh fortgesezt, als die Volizei der ...^ache sich angenommen und die Bedürftigen in der Kaserne untergebracht habe. Ueberdem befinden sich uoeh ziemlieh viele ^olen in Wirtshäusern und Vrivathäusern, theils mit ^amilie, theils allein, die noch gar nicht kontrolirt seien. Von den kontrolirten Flüchtlingen seien 12..) in das Ausland, 476 mit Vorweisen in andere Kantone, 18 in andere Bewirke

des Kautons Zürich gegaugen, 91 haben Aufenthaltsbewiltignng erhalten und 17 werden verpflegt.

Das Voli^eidepartemen.^ des Kantons ...^olothurn bennate diesen Anlass, um sich zu beschweren , dass von Zürich , Bern und L.^ern Flüehtlinge nach ^olothnrn gewiesen werden, und um eine gleichsormige und gerechte Verkeilung der aus der Gewähruug des As.^lre^ls entspringenden Last zu verlangen. es verlangte zu diesem Zweke, dass dies.e Augelegenheit von dem eidg. Justiz- und Boli^eidepartement au Hand genommen werde.

Das Justiz- und Boli^eidepartemeut des Kantons Waadt bemerkte ebenfalls, dass au.h dort viele ..^olen passirt seien, ohne in der Liste ei^getragen ^u sein. Die Einen haben vorgegeben, nach Genf, Andere nach Turin ^n gehen, seien . aber nach einigen Tagen wieder ^urükgekommen und naeh der ostlichen ^....hweiz gegangen. J^ deu legten Tagen seien 7 Mann gekommen, die gesagt hab...., sie wollen nur etwa 8 Tage ausrnhen und ua.^her wieder in die Kautone zurükkehren, aus denen sie

896 ^

gekommen seien. Da sie ohne Hülfsmittel seien, so müssen sie verpflegt und auch mit Reizmitteln zur Rükkehr vergehen werden.

Andere Kantone sahen sich nicht veranlasse, irgend welche Bemerkungen zu machen.

V.l.

Der eben erwähnte Bestand der Sache zu Ende des Monats August veranlagte das eidg. Justiz^ und Polizeidepartement anzuordnen, dass jenen Kantonen, die keine oder nur sehr wenige Flüchtlinge hatten , von den neu Ankommenden eine bestimmte Zahl von Zürich ans zugewiesen werde. Es versäumte zwar nicht, die betreffenden Polizeibehörden davon zu avisiren und ihnen die Gründe darzulegen. Allein dennoch wurden von verschiedenen Seiten Reklamationen dagegen erhoben, die sich in verstärkler Form auch von anderer Seite wiederholten, als das genannte Departement ungesähr Mitte September sich veranlasst sah , andere Zuweisungen nachfolgen zu lassen. Es haben sieh nämlich um diese ^eit die Zuzüge in der That vermehrt. Raeh eingezogenen Erkundigungen waren es meistens solche, die sich aus österreichischen Festungen haben flüchten konnen , oder auch gegen Vorweisung des Reisegeldes entlassen wurden, was vielen durch eine polnische Agentur in München ermöglicht werden konnte.

Um diese Zeit kam es auch schon vor , dass Polen, die früher in der Schweiz verpflegt und mit Reisemitteln nach Jtalien und Frankreich versehen worden waren, wieder zurückkehrten und ueue Unterstüzung perlangten. So ausfallend diese Erscheinung war, so konnte denno.h dem von einigen Seiten gestellten Antrage, dass solchen Polen der Wiedereintritt verhindert oder neue Unterstüzuug verweigert werden mochte, keine ^olge gegeben werden , da von ^eite der Schweiz auch auswärtigen Staaten gegenüber die freie Zirkulation als kleinste Gunst für die Polen vertheidigt wurde.

Solche uud ähnliehe fatale Erscheinungen wurden noch vermehrt durch die Haltung von Frankreich und Jtalien. Jm Ganzen genommen fanden die Polen wohl überall As.^l ; allein in der Schweiz kam nach und nach zu einer Reiseunterstüzung auch noch das System der völligen Verpflegung und Beherbergung hinzn, während iu Frankreich und Jtalien umgekehrt schon in dieser Zeit die ursprünglich au.^ Staatsmitteln gewährten Unterstüzuugen ausgehoben wurden. Das franzosische Ministerium liess wissen, dass die Polen zwar wohl nach Frankreich kommen, aber nieht aus össentliehe Unterstüzuug zählen können, weil der für solche Zweke verfügbare Kredit erschopft sei. Der Minister des Jnnern bemerkte überdies, dass eine grosse Zahl von Polen auch nach England, Belgien, Jtalien uud iu die Schweiz
gegangen sei. ^ie^ seien überall in diesen Staaten mit Sympathie aufgenommen und empfangen worden, und geniessen in der Schweiz so^ar eine generose Gastfreundschaft. Er sehe daher keinen Grnud, der sie nothigen

^

897

würde, nach Frankreich zu kommen. Es scheine ihm überdies nicht gerecht, dass Frankreich dnreh die erforderlichen Unterftüzungen und Auslagen eine Last allein übernehme, wovon die andern Staaten auch ihren Theil tragen können.

Auch von Jtalien wurden^ Mitte September Anordnungen getroffen, welche den .Austritt der Volen nach diesem Staate erschwerten und sogar viele zur Rükkehr in die Schweiz veranlagten Darnach sollten nämlich keine Flüchtlinge mehr über die Grenze passiren dürfen, die nicht bew e i s e n können, dass sie die .^.ubsisten^mittel selbst zu erwerben vermögen.

Das eidg. Jnsti^- und Volizeidepartement versäumte nicht, sür eine freiere Behandlung dieser, alle Staaten berührenden Angelegenheit sieh zu verwenden. Es blieb auch wirklieh jene Anordnuug nicht lange bestehen, aber sür den Moment hatte sie eine hemmende Wirkung.

Die meisten Schwierigkeiten wurden aber von Seite der Kantone selbst hervorgerusen.

Es ist bereits erwähnt worden, dass in dieser Veriode alle Bolen in Zürich zusammentrafen und von dort aus aus die Kantone vertheilt wurden. Einze.lne Bolizeibehorden wollten nun die bloss kantonalen .Vorweise nieht anerkennen und mussten wiederholt dazu verständigt werden. Es ist wohl kein ^weisel, dass dieselben Flüchtlinge, wenn sie von sich aus in die betreffenden Kantone^ gekommen wären, dort freiwillig Aufnahme ge-

sunden hätten ; allein die Flüchtlinge wollten beisammen bleiben, theils

um unter bekannten Waffengefährten zu sein , theils weil nur Wenige deutsch oder sranzosiseh verstanden. Andere Kantone glaubten das As^l nur gewähren ^u sollen gegen Bezahlung der Kosten durch den Bund, und veranlassten weitläufige Belehrungen ^über das gegenseitige Verhältniss in dieser Frage. Wieder Andere klagten, überlastet zu sein.

Endlich gelangte die Regierung von Zürich, welche am längsten und mit den grossten Opfern das bisherige Verfahren zu halten suchte, mit einem Schreiben vom 1^19. September 1864 an den Bundesrath, worin sie nachdrul.sam eine Aenderung und die Uebernahme der ganzen Angelegenheit dnreh den Bund verlangte. Sie konnte dieses Gesuch allerdings mit erheblichen Gründen belegen . indem sie daraus hinwies, dass bis den 17. September 832 Volen in Zürich augekommen seien, die dem Kanton Zurieh 8574 Fr. Kosten verursacht haben ; dass ferner täglich neue Bolen ankommen, während es immer schwieriger werde, sie weiter ^u senden. Diese Thatsaehe^ wurde dureh beigelegte Sehreiben der Bolizeibehorden der Kantone Thurgau, Sehasshausen, Wallis, Basel und Bern bestätigt. Bern z. B. erklärte am 16. September, dass es keine Bolen mehr ausnehmen, sondern zuruk.^eisen werde, bis der Beweis geleistet sei, dass die in der .^.ehweiz angekommenen Bolen nach Verhällniss ans alle Kantone vertheilt seien. Aehnliehes erklärte Basel, das wirklieh schon .^rei Mann nach .^t. Gallen, ^olotlmrn und ^ürich znrükgesehikt hatte.

Unter diesen Umständen war eine Aenderung des bisherigen Verfahrens im Sinne einer zentralen Leitung wirklieh unerlässlieh. Der Bundesrath hätte zwar nach zwei Richtungen hin noch Bedenken tragen konnen.

Einmal war die Zahl der anwesenden Volen immer noch nieht so gross, dass die Lasten , welche aus deren Verpflegung den Kantonen erwachsen mussten, für diese ohne^Bundesbeitrag als unerschwinglich hätte erseheinen müssen. Sodann aber hatte der zu fassende Entscheid eine prinzipielle Bedeutung, weil man es mit einer besondern Klasse von politischen Flücht-

lingen zu thun hatte.

Jn der Regel nämlich sind politische Flüchtlinge in die Schweiz ge-

worfen worden dur.h Ereignisse, die unmittelbar an unsern Grenzen spielten und die Neutralität des Gebietes, sowie die volkerreehtlieheu Beziehnngen von Staat zu Staat gefährden konnten. Es war der Bundesrath nicht bloss durch Art. 57, sondern noch durch verschiedene andere

Artikel der Bundesverfassung berechtigt, in Sachen des As^.ls Rechte und

..^fliehten der Kantone zu ordnen. Solehe Massnahmen entsprangen. dann offenbar aus der Pflicht des Bundesrathes, sur die innere und ä..s.ere Sicherheit zu sorgen, und nicht etwa aus einer Art Oberpolizei des Bundes. Unter solehen Voraussezungen konnte eine ökonomische Bethei^ lignng des Bundes als gerechtfertigt erscheinen. nicht bloss dann, wenn eine grosse Masse von Flüchtlingen zu verpflegen war, sondern auch dann, wenn es sich nur um einzelne kompromittirte Persönlichkeiten handelte.

Jm vorliegenden ^alle aber lagen jene Voraussezungen nicht vor.

Die polnischen Flüchtlinge kamen von einem entfernten Kampsplaze.

weder die Neutralität, noch die äussern Beziehungen des Landes wurden durch sie gefährdet. Die ...^ehweiz kann überhaupt bei Vielen .^ur al^ vorübergehender Ausenthalt angesehen werden, um hier oder anderswo ein definitives Unterkommen zu suchen, das den Kräften und Reigungen

des Einzelnen entspricht.

Dennoch konnte dem damaligen Andrange der Volen die Bedeutung einer ansnahmsweisen Erscheinung, welche s..hon darum die Aufmerksamkeit der Bnndesbehorden auf fieh ziehen musste, nicht abgesprochen werden.

Durch die Ankunft der Volen ans sremden Staaten und dnr^h ihre Abreise nach fremden Staaten wurden zudem Beziehungen na .h Anssen her^ vorgerufen , die den Bundesrath sehon zu wiederholten diplomatischen Verhandlungen veranlasst hatten und noch sernerhin zu solchen veranlassen konnten. ferner erschien von ganz besonderm Gewiehte der Umstand, dass durch di.e Polen zahlreiche Konflikte zwischen den Kantonen entstanden waren, welche durch die Bundesbehorden entschieden werden mussten.

Unter diesen Umständen glaubte der Bundesrath, die ihm in .^lüchtlingssachen zustehenden Kompetenzen auch aus den vorliegenden ^ali ausdehnen zu sollen und darum ^dann auch eine grossere ökonomische Betheiligung des Bundes übernehmen zu müssen. Er sasste daher am 23. ^ep-

899 tember 1864 einen Beschluss, den er mit Kreisschreiben vom gleichen Tage unter Hmweisun^ aus den Vorgang im Beschlusse der Bundes-

versammlung vom 8. August 1849 (Bundesblatt 1849 Il, S. 387) l..en Kantonen mittheilte.

Derselbe lautet wie folgt:

Der schweizerische Bundesrath, nach Einsicht eines Berichts seines Justiz- und Bolizeidepartements,

besch liesst: 1. Es ist, in Entsprechung der von einer grossen Zahl von Kautonen geäusserten Wünsche , die Verkeilung der anwesenden und noch ankommenden Volen, vom 1. Oktober d. J. an, von dem eidg. Justizund Volizeidepartemente an die .^and ^u nehmen.^ welches dabei die Kantone nach Verhältnis^ zu belasten hat.

2. An die Kosten der Verpflegung werden aus der Bundeskasse beigetragen : ^ ^ a. 70 Rappen per Mann und per Tag für jeden durch die Kantone Verpflegten ; h. die Reisekosten im Jnnern der Schweiz, so weit sie dur.h Anordnungen der Bnndesbehorde veranlasst sind, und Reisebeiträge nach

dem Auslande.

3. Dieser Beschluss Kreisschreiben mitzutheilen , kompromittirten Flüchtlinge Ansehen eines militärischen 4.

Das

ist sämmtliehen Kantonsregierungen mittelst welche dabei einzuladen sind , die weniger zur Heimreise, alle Unterstufen aber ohne Ranges zur .Arbeit anzuhalten.

eidg. Justiz- und Volizeidepartement ist mit der Voll-

ziehnng dieses Beschlusses beauftragt.

(Siehe Bundesblatt 1864 H, S. 783.)

V .

.

.

^ .

Die Vollziehung dieses Beschlusses wurde von unserm Justiz- nnd Poli^eidepartement durch angemessene Jnstruktionen an die kantonalen Volizeibehorden mittelst Kreisschreiben vom 26. September 1864 an die Hand genommen. Es wnrden Formulare für die Listen, für die Reisevorweise und Bons mitgetheilt, eine genaue Kontrole der Unterstüzten mittelst wochentlieher Berichte über die .Mutationen eingeführt und eine monatliche Abrechnung mit jedem Kanton. angeordnet. Um den neuesten Stand der Angelegenheit übersehen und die neu ankommenden

Flüchtlinge nach einem möglichst billigen Verhältnis.. vertheilen zu konnen,

wurde ein Bericht verlangt, über die Zahl der mit dem 1. Oktober verpflegten Flüchtlinge, so wie über die Grosse der bis zu jenem Zeitpunkte von jedem Kanton aus Staatsmitteln verwendeten Summe.

900 Da die Bolen zum weitaus graten Theil in Rorschach und Romanshorn in die Schweiz kamen, so wurden nun .St. Gallen und Frauenfeld als Stationsorte bezeichnet, von wo ans das eidg. Jnstiz- und Bolizeidepartement nach Massgabe einer stets fortgeführten Uebersicht die neu angekommenen Flüchtlinge jeden Ta^ per Telegramm aus die Kantone vertheilte. Die Volizeidepartemente der Kantone St. Gallen und

Thurgau sind ihm hiebei sehr thatkrästig zur Seite gestanden. Sie

fertigten die Lauspässe nach den im Telegramm bezeichneten Kantonen aus, so wie die Bons für die Eisenbahnen ...e.

Gleichzeitig mit dem erwähnten Kreisschreiben konnte den sämmt.^ lichen Bolizeibehorden mitgetheilt werden, dass nach einer Erossnnng, die der russische Gesandte dem Bundespräsidenten machte, die wenig betheiligten Volen strassrei zurükkehreu konnen, indess allerdings einer speziellen Bewilligung hie^u bedürfen , zn welchem ^weke jeder eutweder persönlich bei der Gesandtschaft sich ^u stellen, oder schriftlich seine persönlichen Verhältnisse einzuberichten hatte. Jm ^alle die nähern Erkundigungen in seiner ^eimat einen günstigen Entscheid gestatteten, konnte der Betretende von der Gesandtschaft einen Vass ^ur Rükreise erhalten, jedoch ohne Reisegeld.

Denjenigen Flüchtlingen, welche die Schweig verlassen wollten, wnrden in. Jnne.rn die Eisenbahn-, Dampfschiff^ und Bostta^en bezahlt und aus der Ausgangs stati on wie bisher eine Reiseunterstüznng von 35 bis 40 Franken verabreicht.

Sämmtliehe Eisenbahn- und Dampssehiffverwaltungen bewilligten die Militarle zu Gunsten der reisenden Polen. Die eidg. Bostverwaltung dagegen perweigerte eine gleiche Vergünstigung, mit Rül.steht ans ihre skalamässigen Abzahlungen an die Kantone.

Aus den Berichten über ^ den damaligen Stand der Sache ergab sieh, dass am 1. Oktober 1864 im Ganzen bloss 240 Flüchtlinge in den Kantonen unterstnzt wurden , und dass sechs Kantone gar keine Unterstiften hatten. Die Auslagen der sämmtlichen Kautone betrugen bis zn

jenem Zeitpunkte Fr. 35,519. 13, diejenigen des Bundes Fr. 21,0l2. 54.

Nachdem auch noch ein gleichmässiges Reehnungssormular eingeführt war, ging die Sache ihren geregelten Gang. Die Zahl der nnterstüzten Flü^tlinge stieg im Oktober aus 436, während doch im Oktober weniger (64) augekommen sind als im .September (112).

Rach .Einführung dieser neuen Anordnungen haben alle Kantone, mit einer einzigen Ausnahme, ohne Widerrede nicht bloss As.^l, sondern aueh Unterstüznng gewährt. Diese Ausnahme machte Genf.

Schon unterm 8. September 1864 hat das Jnstiz- und Bolididepartement dieses Kantons gesehrieben , dass zwar mehrere polnische Flüchtlinge Genf passirt , aber keine Verpflegung verlangt haben , und dass we^.n sie solche verlangt hätten, ihnen dennoch keine gewährt worden

901 wäre. Die Mehrzahl der in Genf wohnenden Flüchtlinge habe eigene Mittel, die anderen haben Arbeit gesucht, nm leben zu konnen. Dagegen haben sich 88 Flüchtlinge bei der Behörde um Reiseunterstüzung gemeldet, von denen 64 und zwar meistens nach Jtalien verreist und 57 wirklieh unterstüzt worden seien.

Als dann in Folge des Beschlusses vom 23. September 1864 dem Kanton Genf auch zwei Flüchtlinge zugewiesen wurden, schikte sie das dortige Justiz- und Bolizeidepartement nach 24 Stunden Aufenthaltes nach Bern zurük, weil sie subsistenzlos seien und keinen Erwerb gesunden haben. Dieses Versahren wurde damit begründet, dass der Kanton Genf nicht die Gewohnheit habe, Fremde zu untersten, und er werde es in der Zukunft anch nicht thun. Die in Genf ankommenden polnischen Flüchtlinge können keine weitere Unterstüzung erwarten , als was die Humanität sur den ersten Moment ihrer Ankunft gebiete. .^ie müssen daher unverzüglich Beschästignng suchen, ohne welche es ihnen unmöglich sei, in Gens zu wohnen.

Jn einem weitern Sehreiben vom 18. Oktober rechtfertigte es jene Zurükweisung mit der sormellen Erklärung , dass der Kanton Genf keine polnischen Flüchtlinge unterstü^e ..^qne le Canton de Genove n'entra tiendra p.^s les reliés .^olon^is^. Einerseits gewähre das KantonalBudget keinen Kredit hiesür, dann nnterftüzen weder der Staat noch die Gemeinden die arbeitslosen Genser, es wäre daher Absolut ungerecht, Fremde günstiger zu behandeln, als die eigenen Angehörigen, und drittens sei ein solches Versahren nur ein ausgezeichnetes Mittel , um Faullenzer und Bettler zu erzeugen , was vermieden würde , wenn die Flüchtlinge sogleich bei ihrer Ankunft zur Arbeit angehalten würden. Gens habe immer grosse Sympathie bewiesen gegen Unglükliehe aller Länder; es

habe den würdigen politischen Flüchtlingen immer As.^l gewährt, und

dadurch eines der schönsten Rechte eines sreien und republikauischen Volkes geübt. aber niemals habe es ihnen Unterstützungen Recours. be-

willigt ; das eidg. Justiz- und Polizeidepartemeut befinde sich im Jrrthum,

wenn es dieses vorausgeht habe. Es liege selbst im Jnteresse dieser Kategorie von Fremden, dass man auf die angegebene Weise handle; dies sei das Mittel, um sie nieht herabzuwürdigen und ihnen ihre Manneswürde zu wahren. Das Justi^ und ..^olizeidepartement des Kantons Gens sügte die Anzeige bei, es werde die dorthin gewiesenen Flüchtlinge einen Tag lang beherbergen und verpflegen, aber am folgenden Tage nicht mehr; sie müssen entweder stch Arbeit verschassen, oder den Kanton verlassen. Damit wurde noch die Erösfnung verbunden,

dass in Gens Fr. 837. 7..) Reisesubsidien nach dem Auslande ausgelegt

worden seien, woran das dortige ^olenkomite ^r. 425. 20 erseht habe, es werde daher die Rükerstattnng des Restes von ^r. 412. ^..) von der Bundeskasse verlangt. ebenso zirka ^r. 1l)..), welche an Gasthöfe be-^ zahlt werden müssen, in denen mehrere ganz entblosste Flüchtlinge jeweilen während 24 Stunden verpflegt worden seien.

902 Unser Justiz- und Bolizeidepartement konnte natürlich aus diesen Standpunkt nicht eingehen ; es lehnte weitere Vergütungen, als der Beschlnss vom 23. September zulässt, ab tmd verordnete die Verpflegung der zwei von Genf zurükgewiesenen Flüchtlinge anf Kosten dieses Kantons.

Rach wiederholten und weitläufigen Korrespondenzen zwischen den genannten zwei Amtsstellen haben dann die bezüglichen Verfügungen auch in Gens ihre Vollziehung gesunden.

^ Es ist auch noch von anderer Seite die Ansieht geltend gemacht worden, dass in Folge des Beschlusses vom 23. September 1864 die früher von den Kantonen gewährten Unterstüzungen vom Bunde ^u tragen seien. Allein es wurden aueh diese Begehren abgewiesen.

V.l^.

Nachdem einmal der Organismus zur Vollziehung des Beschlusses vom 23. September in. Gange war, nahm die Sache einen ziemlieh regelmässigen Verlauf. Es kamen keineswegs viele neue Flüchtlinge an, aber es reisten weniger in das Ausland, und die Anwesenden nahmen eine konstantere Haltung an. An verschiedenen Orten vereinigten sie sieh zu einer ^Gesellschaft zur gegenseitigen Hülfe.^ Es wurden gemeinsame Statuten entworfen, wonach je 10 Mann unter einem Führer stehen sollten. Zehn solcher Gruppen hätten wieder einen Vorsteher und Stellvertreter desselben ^n wählen gehabt. An der Spize der ganzen Vereinigm.g sollte ein Ausschuß von süns Mitgliedern stehen, die in Beziehung wären mit ähnliehen Verbindungen in Frankreich und Jtalien.

Dem .^itel der Statuten gemäss war zwar die gegenseitige Hülse als Zwek.der Verbindung ausgestellt. Jm Weitern war in ^ 2 gesagt, die Gesellsehast n..erde darnach trachten, dass ihre Mitglieder bereit seien, auf deu ersten Ruf des Vaterlandes demselben zur Hülse zu eilen, ohne jedoch vom sremden Boden aus in die inneren Angelegenheiten desselben sieh zu misehen ^e. Jn verschiedenen Städten wurden diese Statuten diskutirt.

An andern Orten bildeten sieh Eoterien, und Gegenentwürse wurden aufgestellt. ^ Unser Justiz- und Boli^eidepartement sah sieh veranlasst. mit Kreissehreiben vom 9. Rovember 1864 die obern Bolizeibehörden sämmtlicher Kantone aus diese Erscheinnng ausmersam zu machen, nieht weil es geglaubt hätte , derselben eine ernste politische Bedeutung beilegen zu sollen , sondern weil später leieht politische Bestrebungen sieh hätten geltend machen können, die eine bereits fertige Organisation gesunden hätten.

Es kamen aber aueh noch praktische Gründe hinzu. Das Departement ^ sprach sich hierüber dahin aus, dass, da die Unterstüzung der Flüchtlinge keineswegs ein Ansfluss des An..ls, soudern eine guthat der Menschlich-

keit sei , so entspringe daraus für die Unterstufen die Bslicht , ihren

Lebensunterhalt möglichst bald dnrch ihre eigenen Kräfte zu suchen. Eine ^Vereinigung aber, die den Keim von Reibungen und Varteiungen schon in sich trage, viele Versammlungen veranlasse, Korrespondenzen und Reisen

903 verursache, und zwar Alles das in einem fremden Staate und zum grössten Theile aus kosten dieses Staates, serein Gebahren, das nicht zugegeben werden konne. Dazu komme, dass die Theilnehmer von der .Arbeit abgezogen oder ^verhindert werden, Arbeit anzunehmen, endlich sei die Vermehrung der Bolen und die seltenere Abreise natürliche Folgen ei....es solchen Zusammenlebens.

dessen ungeachtet sind ähnliehe Verbindungen in Renenburg und Zürich entstanden. Es ist indess nicht zu zweifeln , dass die kantonalen Behorden rechtzeitig allsällige Ausschreitungen zu ahnden wissen werden.

Das Boli..,eidepartement des Kantons Renenburg sah sich veranlasst, einem Bolen die Unterstüznug zu entziehen, der seine Zeit lieber dem Vereinsleben widmete, als der Arbeit. Da diese Verfügung nicht den gewünscht ten Erfolg hatte und sein Beispiel uachtheilig wirkte, so wnr^e er genothigt, den Kanton Reueubnrg zu verlassen. Seine Besehwerde an den Bundesrath wurde abgewiesen. Uebrigens wurde das Bestreben nach Gründung von Gesellschaften auch ans der Mitte der Flüchtlinge selbst vielfach missbilligt. dennoch ist später in St. Gallen eine solche gegründet worden, die vorzugsweise nüzlichen Zweken sich widmen soll , so dass wenigstens bis jezt nichts ^achtteiliges von ihr bekannt wurde.

Mit Rachdruk wurde stets daraus gedrungen, dass arbeitsfähige Flüehtlinge zur Arbeit aufhalten seien. Das von einige.. Bolizeibehorden ein.^ geschlagene Verfahren, Flüchtlinge mit Vorweisen in einen andern Kanton z... sehiken, um dort Arbeit zu suchen, konnte aber dennoch nicht gebilligt werden, weil aus diese Weise eine Storung im Verhältnis^ der Zuteilungen eintrat. Desshalb wurde vorgesehrieben, dass ein Flüchtling nur dann seinen Aufenthalt verlegen dürfe, .venn ihm in einem andern Kanton Arbeit wirklieh ungesichert war , andernfalls wurde dem zweiten Kanton das R...cht eingeräumt, ihn ^urükzuweisen, woher er gekommen war. Die Rükweisnng musste i^.^ess besorderlieh ersolgen, da sonst Zustimmung präsu^ mirt und die allfällig uotl.^ig gewordene Uuterstüzuug dem zweiten Kanton zugemuthet wnrde.

Es traten nun bald hie und da auch andere Unregelmässigkeiten aus .^eite der ^luchtlinge zu Tage. Das Verlassen von Arbeit ohne Gründe, Widerlichkeit ge^en Anordnungen von Behorden, storriseh.^s Benehmen, betrügerisches Auftreten Fremder als politische Flüchtlinge und andere Erscheinungen wnrden mitgetheilt. Jn allen solchen fällen ist entschiedenes polizeiliches Einschreiten gegen die Betreffenden von uuserm Justi^ und ^olizeidepartement unterstüzt und gelegentlich auch anempfohlen worden.

Das unmotivirte Ausgeben der Arbeit von Seite eines Flüchtlings wurde iu^ess ^uicht als genügender Grund anerkannt, um dessen Ausweisung ans einem Kanton zuzulassen, dagegen wurde der betresfeuden Vo-

lizei das Re..ht zugestanden, demselben die Unterstü^.mg und Beherbergung zu entziehen.

904 Glosse Deserteurs oder Refraetairs sind, in Uebereinstimmnng mit dem stets geübten Verfahren, nicht als politische Flüchtlinge anerkannt und daher auch vom Bunde nicht unterstüzt, sondern der gewohnlichen polizeilichen Behandlung zugewiesen worden.

Eine ziemliche Zahl Flüchtlinge umging die Stationen St. Gallen und Frauenseld und erschien plozlich im Jnnern der Schweig, um nicht zu riskiren , einem Kanton zugewiesen zu werden , der nicht konvenirte.

Es wurde jedoch verfügt, dass kein Kanton einen Flüchtling aufzunehmen gehalten sei, der ohne übli.hen Vorweis erschien, wodurch jene Um.gehungen sich verminderten.

Das von verschiedenen Flüchtlingen wiederholt gestellte Gesuch, ihnen eine Unterstüzung in Baar zu verabreichen , wurde ebensalls abgelehnt, weil der Bund nicht einzelne Flüchtlinge nnterstüze, sondern nur Beiträge zahle an die von den Kantonen gewährten Unterstüzungen.

Da schon vor dem Ende des Jahres 1864 von verschiedenen Seiten Reklamationen über zu grosse Belastung eingekommen waren , so verlangte unser Justiz- und Bolizeidepartement mit Kreisschreiben vom 27. Dezember 1864 neuen Berieht darüber, wie .viel. jeder Kanton bis zn Ende des Jahres aus Staatsmitteln sür die Bolen verwendet haben werde, um darnach das skalamässige Verhältniss berechnen und die neuankomme.^den Bolen nach dem Resultate dieser Berechnung vertheilen zu konnen.

Es ergab sich, dass die Kantone bis zu jenem Zeitpunkte 5.l,858 Fr.

5..) Ets. verwendet hatten. (Der Bund 46,008 Fr. 68 Ets.) Vierzehn Kantone standen über dem skalamässigen Verhältniss , die andern 11 unter demselben.

Die Zahl der unterstehen Flüchtlinge war Ende Dezember 265 (zehn weniger als Ende Rovember). Die Zahl der nicht unterstüzten Volen betrng nach der aus den 15. Januar 186.^ angeordneten Zäh-

lung 397.

Es wurde von einzelnen Kantonen auch gegen die Art der oben erwähnten Ansmittelung des Verhältnisses unter den Kantonen reklamirt, indem nicht die Grosse der Auslagen, sondern die Zahl der ^erpflegungstage massgeben^ sein sollte , da in den einen Kautonen mehr , in den andern weniger verwendet werde. Jndess würde die Berechnung nach den Verpslegungstagen aueh mangelhast gewesen sein, weil die einsaehen Dureh^ gangsstationen in Vortheil gekommen wären.

Dagegen sind andere Uebelstände zu Tage getreten , welche eine mogliehst gleiehmässige Belastung der Kantone und die Bemühungen unsers Justiz- und Volizeidepartementes sehr erschwerten.

Zunächst ist es allerdings richtig, dass in der Art und im Umfange der Unterstüzuug grosse Verschiedenheit unter den Kantonen waltete. Von der blosseu Gewährung des As^ls mit nur uubedeutendeu ökonomischen

905 Beiträgen von Seite der .Kantone (Tessin, Freiburg, Genf) bis zu einer Unterstüzung von 2 Fr. per Tag ^Glarus) bestanden mannigfache Abstufungen. Jn den einen Kantonen ferner fand Raturalverpflegung in .

Kasernen statt, in den andern Verkostigung in Gafthofen. Dazu kommt, dass während in einzelnen Kantonen frühzeitig Komites gebildet wurden, die den Bolizeibehorden eifrig an die Hand giengen, um den Flüchtlingen in oder a..sser der Schweiz Arbeit und Unterkommen zu verschaffen , wodurch ein steter Wechsel der Bersonen moglich wurde , in andern Kantonen die Sache lediglieh in den Händen der Bolidi blieb , die natürlich nicht erreichen konnte , was den Brioaten moglich war , woraus sich die Erseheinung erklärt , dass in den erstern Kantonen. eine verhältnissmässig grossere Zahl von Flüchtlingen verpflegt wurde , als in den leztern, während vielleicht die leztern dem Betrage der Auslagen nach im Verhältniss zu den Erstern vorgingen.

Ferner erschwerten mehrere Kantonspolizeibehörden selbst die gleichmässige

Verkeilung der Flüchtlinge in hohem Grade, indem sie die Mittheilungen,

die zur Berechnung des Verhältnisses unter den Kantonen unerlässlieh notwendig waren , nicht oder zu spät machten. So ist z. B. die Zusammenftellung über die bis Ende 1864 von den Kantonen gemachten Auslagen ^nach Abzug der Bnndesbeiträge) erst in der zweiten Halste des Monats Januar 18^5 vollständig geworden. sür den Monat Januar haben sogar vier Kantone diese Mittheilung, ungeachtet wiederholter Mahnungen, garnie gemacht, und im Febrnar sind sie wieder erst gegen das Ende des Monates eingegangen. ^n solcher Weise konnten die zur Bestimmuug des Verhältnisses unter den Kantonen notwendigen Berechnuugen erst drei bis vier Wochen nach demjenigen Zeitpunkte angestellt werden, aus den die Berechnung abgeschlossen w^.rde, also zu einer Zeit, wo die Verhältnisse schon wieder ganz andere waren. Aehnlich verhielt es steh mit den Mutationsberichten , welche nothig waren , um stets einen Ueberblik zu haben über die anwesenden und abreisenden Flüchtlinge, sowie um das missbräuchliche .^in- und Herreisen im Jnnern zu verhindern. Diese Uebelstände veranlagen vielfache Rechargen an die Kantone und mussten oft gerade jenen gegenüber gemacht werden , die sich über zu grosse Belastung beklagten. Ein besonderes Kreisschreiben vom 25. Februar 1865 machte die Kantone aus die Folgen aufmerksam, die für sie und sür unser Departement aus jenen Uebelständen erwachsen mussteu, und drang angelegentlich aus Abhülfe. Unser Justiz- und Bolizeidepartement bemühte sich aber dennoch^ , die .^ertheilung der ankommenden Flüchtlinge auf sämmtliche Kantone, so weit es unter s^ol.hen Umständen

überhaupt moglich war, nach Verhältniss und Billigkeit durchführen.

^.

Es ist oben erwähnt worden, dass schon zu Ende des Jahres 1864 von verschiedenen Kantonen Reklamationen wegen zu grosser Belastung

^06 erhoben worden seien. Bald nach dem Reujahr erneuerten sich gleiche Reklamationen von anderer Seite in mehr und mehr entschiedener Form.

Jn der That sprach das Volizeidepartement des .Kantons Sehwhz schon am 4. Januar 1865 die Erwartung aus, dass diesem Danton keine Flüchtlinge mehr zugetheiit werden, und das Bolizeidepartement des Kantons St. fallen erklärte ...m 6. Januar 1865, dass es einer zu ihrem Manne na^h St. Gallen gekommenen Bolin und ihrem dreijährigen Knaben zwar Asr.l gewähren wolle , aber erwarte , dass die ..^t. Gallische .Staatskasse nicht in Mitleidenschaft gezogen werde, da die bereits geleisteten .namhaften Opser derselben bekannt seien ; es moge daher die Verpflegung jener ..Personen auf die Bundeskasse übernommen werden.

Ferner wurden in Gens nach den. srüher erwähnten System die Unterstüzungen wieder verweigert, und die Regierung von Zii r i ..h fasste am

21. Januar 1865 folgenden Beschluß

D e r R e g i e r u n g s r a t h d e s K a n t o n s Zürich hat ans den Berieht der Direktion der Bolizei , betreffend Unterstüznng polnischer Flüchtlinge , dahin gehen... : Laut den Berechnungen, welche dem eidg. Jnsti^ und Bolizeidepartement eingehändigt worden, sind in dem Jahre 1864 auf Rechnung des Kantons Fr. 10,753. 50 für Unt..rstü^ung und Verpflegung polnischer Flüchtlinge verausgabt worden.

Seit dem 1. Dezember 1864 wurden die unterstüzten Bolen in der Kaserne untergebracht. Sie bennzen daselbst ^wei Zimmer und eine^ Küche. Die Direktion des Militärs erklärt jedoch , dass man diese Lokalitäten vom 24. April 1865 an für Militärzweke bedürfe, es mi.sste somit für einen andern Verpflegungsmodus gesorgt werden . sosern man die Staatsverpflegnng polnischer Flüchtlinge fortbestehen lassen wollte.

Rach Ansicht der Voli^idirektion ist aber^ hiefür kein genügender Grund vorhanden.

Rükfiehten der Humanität rechtfertigten es zwar , dass denjenigen

polnischen Flüchtlingen , welche von allen Hilfsmitteln entblost in die ^chwei^ kamen, eine vorübergeheude Unterstü^ung gewährt wurde; allein selbstverständlich haben diejenigen Bolen, u^elehe länger in der Schweiz wohnen wollen, sür ihren Unterhalt selbst zu sorgen, und man darf von allen denjenigen, welche keine genügenden ...^ubsistenzmittel besizen, verlangen, dass sie si.^h unverweilt um Arbeit umsehen, und wenn sie solche gesunden , ihr mit ^leiss und Ausdauer obliegen. Das Gese^ gewährt ja auch den eigenen Kautonsbürgern uur sur den ^all der Arbeitsnnsähigkeit Unterstü^uug. Die meisten der zur Zeit in der Kaserne ver-

pflegten Voleu sind unter 3..) Jahren alt und alte sind arbeitsfähig ; b e s ..h l o s s e n :

.l. Vom 1. April 1865 au sollen keine Flüchtlinge mehr auf Kosten

^

^

907

des Kantons verpflegt werden , nnd es sind die zur Zeit in der Kaserne befindlichen Bolen anzuhalten, sich mit aller Beförderung um Arbeit umzusehen.

lI. Der Bolizeidirektion wird ein Kredit bis aus Fr. 500 eröffnet, um nötigenfalls das Komite für Unterbringung der Bolen in seinen Bestrebungen zu unterstüzen.

lII. Die Bolizeidirektion wird eingeladen, Flüchtlinge, welche sieh der Arbeit entziehen, ohne dass sie genügende Snbsiftenzmittel besten, aus dem Kanton wegzuweisen.

Am 6. Februar 1865 meldete die Bolizeidirektion des Kantons Aargan, dass man auch dort daran denke, gleich der Regierung des Kantons Zürich, von einem bestimmten Zeitpunkte an jede fernere Verpflegung polnischer Flüchtlinge aus Kosten des Kantons abzulehnen. Auch von Glarus, Zug, Appenzell A. Rh. und Uri kamen ebenfalls Verwahrungen ein gegen sernere Zutheilung von Flüchtlingen.

Dennoeh mehrte sich die Zahl der ^ neuen Flüchtlinge, und zwar vorzugsweise derjenigen, welche Unterstüzung verlangte. Es musste jedoch aussallen , dass so viele erst ankommen , nachdem die Kämpfe in Bolen schon lange beendigt waren, so wie dass die wenigsten die üblichen V.isse hatten und dass die Einvernommenen über die Gründe ihres Erscheinens unwahrscheinliche Angaben machten, woraus zu errathen war, dass man es mit Leuten zu thun habe, die nicht wegen persönlicher Gesährdung genöthigt waren, als ^lüchtliuge umherzuirren. Es ist Thatsache, ^dass schon im Laufe des Monats Januar 1865 verschiedene Flüchtlinge direkt aus Volen naeh der Schweiz kamen, sogar auch Frauen und Kinder.

Jm Februar wurbe daher angeordnet, dass die in Rorsehach Ankommenden über den Grad ihrer Betheiligung an der polnischen Revolution und über den Ort, woher sie kommen, verhört werden sollen. ^ogl..ich vermieden aber die Flüchtlinge diesen Weg und kamen über Romanshorn, und als auch in Frauenseld Verhöre angeordnet wurden , wiehen sie nach Schaffhansen aus.

Ein Schreiben des Bolizeidepartementes des Kantons Luzern zeichnet

die Situation in diesem Zeitpunkte ganz richtig. Es wird daher sein Hauptinhalt hier eine passende Stelle finden, osehon es vom 23. Februar 1865 datirt ist, also dem nun bald zu erwähnenden Besehlusse des Bundesrathes vom 15. Februar uachsolgte. Das genannte .^olizeidepartement schreibt nämlieh : ,,Wir sind weit davon entfernt, das werktätige Mitleid gegen die aus ihrer Heimat verdrängten ungleich umherirrenden Flüchtlinge tadeln zu wollen , allein wir haben die Ueberzeugung, dass man in der Mild-

thätigkeit gegen dieselben auch zu weit gehen kann. Welcher dieser ^lücht-

linge sollte sich nicht bewogen sühlen, eine Reise nach der Schweiz zu machen , wenn er in Erfahrung bringt , dass er dort nicht nur ungestort

908 sieh aufhalten kann, sondern auch bereitwillige Unterstüzung findet und ^ein Reisegeld von 30 .i 40 Franken erhält, sobald er die Schweiz wieder verlassen will. Es ist nicht zn bezweifeln, .dass gerade dieses Reisegeld von vielen beansprucht wird, die im Stande wären, die Reisekosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten, und eben so häufig geschieht es, dass Flüchtlinge wenig oder gar nichts sich darum bekümmern, ob sie .Arbeit erhalten oder nicht, weil fie wissen, dass dennoch für ihren Unterhalt gesorgt wird.

Der Eidgenoss.msehaft gereicht es ..nr Ehre, ..as As^lreeht in einer Weise ausgedehnt zu haben, wie es in keinem andern Staate geübt wird . von daher der masslose Zudrang der Flüchtlinge ans allen Gegenden und die in bedenklicher Weise sich steigernden kosten für den Unterhalt derselben.

Ob übrigens die Mehrheit der Bevölkerung mit diesem Versahren einverstanden wäre , wenn es in die Lange fortdauern sollte , mochten wir sehr bezweifeln.

,,Wir schliessen mit der Anzeige, dass der Regiernngsrath beschlossen

hat, mit dem 15. April näehsthin solle die Verpflegung der polnischen

Flüchtlinge aushoren, weil die Kaserne von dieser Zeit an für militärische Zweke in Anspruch genommen werden mnss und das Asvlrerht keineswegs die Unterstü^ungspslicht in geübtem Masse in sieh schliesst.^ Solehe und ähnliche Erscheinungen bestärkten die Ver.nuthung, dass gerade das System der Verpflegung in der Schweiz eine grosse An-

ziehungskrast üben müsse. Auch hatte sieh in der That die Zahl der

Unterstüzten verdoppelt. Jm Januar 1865 betrug fie 251, im Februar dagegen 558.

Der Monat Januar ersorderte aus der Bundeskasse Fr. 7542. 46, der Monat Februar dagegen Fr. 13,444. 50.

Es war daher ^natürlich, dass ein System, das solche Resultate hatte, und das bereits in verschiedenen Kantonen gebrochen worden war , auch von Seite des Bundes nicht länger beibehalten werden konnte. Es wurde keineswegs übersehen, dass ein solcher ...Schritt nicht überall gleiche Unterstüzung finden werde; allein ein entscheidender Schritt musste geschehen, und die Richtung war bereits durch die Kautone vorgezeichnet.

Rach unserer Aufsagung tonnte dieses Vorgehen der Kantone keineswegs getadelt werden. .^ie verweigerten ja nicht das Asvl. der fleissige und arbeitsame ^lüehtling konnte nachher .vie vorher uugestort überall da bleibeu , ^wo er seinen Lebensbedars am besten finden konnte. Seine Eigenschaft als politischer Flüchtling blieb seine Legitimation, wie sie es früher war, und die mit dieser Eigeuschast verbundenen Vortheile konnten Alle geniessen, die arbeiten und ihr Auskommen selbst suchen wollten.

Anders verhält es sieh dagegen mit der Verpflegung und Unterstüzung.

Es wird zwar in der solgteu, der genothigt zu verweigern. Man seiner Familie, aus

Seh.vei^ Niemand daran denken, dem politisch Verist, hier ...^chuz zu snehen, die uothigste Rahruug wird Jedem , ^er dnreh politisches Missgesehit aus seinem Eigenthum und aus allen übrigen Verhält^

909 nissen verdrängt worden ist, gerne eme Zeit der Ruhe gönnen, um mit der Vergangenheit abzuschliessen und neue Entschlüsse für die Ankunft ^u fassen. Das Jnteresse für ihn wird um so reger erhalten bleiben,

je mehr er sich bemüht , diese Zukunft durch seine eigene Thätigkeit sich

^u sichern.

Allein jenes Jnteresse wird notwendig in demselben Grade erkalten, je mehr sieh die Mnssezeit verlängert, ohne dass fester Wille und männliche Entschlüsse, dagegen bloss fruchtlose V^äne ^u Tage treten.

Denn es ist am Ende wirklieh wahr, dass mit der Gewährung des As^ls doeh nicht notwendig aueh der Unterhalt verbunden ist . jedenfalls .kann von einer Bflieht zur Unterstützung nicht die Rede sein und noch weniger davon, dass die einmal gewährte Unterstüznng auf alle Zeiten dauern .

müsse. Jm Gegentheil, da sie eine ausnahmsweise Begünstigung ist, so muss ste auf das Dringendste beschränkt werden, was im gegenwärtigen Fall, Mitte Febrnar 1865 , für den graten Theil der Flüchtlinge (die Kontrolen find Belege dafür) bereits überschritten war, ein Umstand, der um so mehr in Betracht kommen musste , als die Kämpfe in Bolen seit bald einem Jahre beendigt und die Theilnehmer in keinem der die Schweiz umgebenden Staaten persönlich gefährdet waren.

Alle diese Betrachtungen hätten den Bundesrath veranlassen können, schon von sich aus mit Bezng ans die am längsten Verpflegten den Beitrag für die Verpflegung zu begraben. Er wurde nun aber durch das Vorgehen der Kantone vollends dazu genöthigt. Da der Bund nur Beiträge gibt an die von den Kantonen gewährte Unterstützung , so musste der Beitrag ansl^ren , sobald diese Unterstü.^ung selbst aufhörte. Ein anderes Versahren hätte zur Folge gehabt , dass entweder der Bund an die Stelle der Kantone treten und die Unterstüzung hätte übernehmen, oder dass er die Bedürstigen aus jenen Kantonen , die nicht mehr unterstufen wollten , wegziehen und andern Kantonen hätte zutheilen müssen.

Beides war unzulässig. Ersteres wäre mit den von der Bundesversammlung genehmigten Brinzipien im Widerspreche gewesen , Lezteres mit der Billigkeit und mit der durch das Bestehen der eidgenossis.hen Kontrole gebotenen gleichen Behandlung sämmtlicher Kantone.

Wenn unter diesen Umständen auch die Beiträge des Bundes begränzt werden mussten, so hätte es doch inhnman geschienen , sie sogleich ol.me einen vermittelnden Uebergang von dem einen .....^stem in das Andere aufzuheben. Es schien passend, einen angemessenen Termin zu gestatten, damit die Flüchtlinge sich darnach einrichten könnten. Dieser Termin durfte aber nicht länger sein , als die von einzelnen Kautonen gesezen,
weil sonst gerade eingetreten wäre, was vermieden werden musste ^ das Eintreten des Bundes am ^laze der Kantone oder die aussehliessliehe Belastung anderer Kantone.

^ u n d e .

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Ja^g.X^Il.

Bd. I I I .

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910 Dieses stnd die Motive, welche dem Beschluß vom 15. Februar 1865 zu Grunde gelegen haben. Derselbe lautet wie folgt : Der

schweizerische Bundesrath,

nach Einsicht eines Antrages seines Justiz- nnd Bolizeidepartements,

beschließt: 1. Der Beitrag des Bundes, welcher durch Besehlnss vom 23.

September 1864 an die kosten der Kantone für Verpflegung der poln.-

^chen Flüchtlinge bewilligt worden ist, hort auf : a. mit Ende des Monats März 1865 rüksichtlich derjenigen ..^olen, welche vor dem 3... Dezember 1864 angekommen sind.

b. zu Ende des Monats Mai 1865 rükfichtlich aller andern polnischen Flüchtlinge.

2. Wenn in einzelnen Kantonen die kantonale Unterstüzung früher anshort, so hort auch der eidgenossische Beitrag von den. gleichen Zeitpunkte an auf.

3. Das eidgenossische Justiz- und Bolizeidepartement ist ermächtigt, in Fallen, wo von den Kantonen ans Humanitätsrüksichten oder wegen besonderer Verhältnisse nach obigen Terminen noch weitere Unterstü.,nng gewährt wird , den Bundesbeitrag ebensalls länger zu bezahlen.

4.

Bezüglich der Reiseunterftüznng in das Ausland bleibt es bei

dem Beschlösse vom 23. September 1864, bis etwas Anderes verfügt wird.

5. Mit Ende des Monats Mai 1865 wird anch die eidgenossische Kontrole über die Flüchtlinge anshoren . diese sind von jenem Zeitpunkte an ansschliesslieh den kantonalen Behorden und Gesezen unterstellt.

6. Bezüglich der Frage, von welkem Zeitpunkte an die Gefahr von Heimatlosigkeit einzelner Flüchtlinge wieder auf die Kantone übergeht , behält sich der Bundesrath eine spätere Schlussnahme vor. Vor dem Jnkrasttreten einer solchen Verfügung wird den Ständen rechtzeitig Kenntniss davon gegeben werden.

7. Das eidgenössische Justiz- und Bolizeidepartement ist mit der Vollziehung und mit den hiefür nothigen speziellen Anordnungen beaustragt.

8. Dieser Beschlnss ist sämmtlichen Kantonsregiernngen mitzutheilen und in das Bundsblatt ausznnehmen.

(Bundesblatt 1865, Bd. I, ^. 15l.)

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911

^.

Gegenüber den auswärtigen Staaten wurde fortwährend gleiches Verfahren im Verhältniss von Staat zu Staat angestrebt, wonach den

polnischen Flüchtlingen überall möglichst erleichterte Zirkulation und

Aufenthalt gewährt würde, und zwar der Art, daf.. z. B. nicht ein Staat sie ohne jegliche Mittel in einen andern ziehen lasse, aber wenn sie zurükkommeu , den Ausweis von Reisemitteln verlange , oder dass die Bässe nur .^um Austritt ans eu.em Staate, nicht aber zur Rükkehr ausgestellt werden ..e. Die Barität unter den Staaten und die Rüksiehten eines freuudnaehbarlichen Verkehrs hätten diktiren sollen , dass jenes von der Schweiz geubte Versahren auch gegen sie beobachtet würde.

Es geschah dies jedoch von keinem Staate. Am nä^sten stand Jtalien, indem es wenigstens Reisegeld gewährte, dabei aber aueh die Bässe ^ol.^mentc per an.^...^ ausstellte. Dabei war Bauern, woher gerade die meisten Flüchtlinge gekommen sind , weniger rüksiehtsvoll. Rieht nur kamen sie von dort ohne Reisemittel, sondern sie wurden noch sehr häusig geradezu nach der Schweiz gedrängt, mit ,,Zwa..gsvorweis^, oder ,,Schubpass^, oder in anderer Art. Dieses Versahren durste nicht geduldet werden. Unser Justiz und Boli^eidepartement sah sich deshalb schon am ^0. Januar 1865 veranlasst, die Bolizeibehorden von St Gallen und Frauenseld zu instruiren, diejenigen Flüchtlinge, welche g e z w u n g e n worden wären, in die Sehwei^ zu geheu , wieder dahin zurükzuweisen, woher sie gekommen seien. Dadurch wollte man Bauern veranlassen , die Flüchtlinge, welche im Lande bleiben wollten, eher ^u dulden.

Jn den angeordneten Einvernahmen behaupteten nun viele, sie seien wenigstens indirekt nach der Sehwei^ gewiesen worden, indem ihnen nur zwischen Russland und der ^ehwei^ eine Wahl moglieh gewesen, während il,.nen in Russland harte Strafen gedroht hätten. Diese Angabe erhielt einigen Bestand dadurch , dass zahlreiche solche Flüchtlinge mit osterreiehischen Bässen versehen waren, welche ihnen für füns Tage gültig ausgestellt wurden zur Reise über Brag, .^ürth, Bauern nach der ...^.chwei^. Der Bundesrath beauftragte daher am 3. ^ebruar seinen Geschäftsträger in Wien , über das dort geub^e Verfahren Erkundigung ein^.zieheu und gegen eine zwaugsweise Jnstradirung n ..eh der Sehwei^ zu reklamiren.

.

Raeh den Versicherungen des osterreiehiseheu Boli^eiministers war jedoeh jene Angabe unbegründet, indem den Flüchtlingen die Wahl der Route vollig frei gestellt sei. Der Bass werde ihnen nach der getroffeuen Wahl ausgestellt. Sie erhalten 25 fl. Reisegeld
und reisen allerdings m e i s t e n s über Fürth na.h B..i..er... Dabei versiel.erte der österreichische Boli^eiminister , dass General Berg denjenigen ^lüchtliugeu, welche uaeh Boieu ^.rükkehren wollen, unbedingt die Bewilligung da^u ertheile, wenn sie desshalb ein Gesuch an ihn richten, und es sei kein einziger ^all vorgekommen, dass das gegebene Wort der strassreien Rükkehr uicht gehallen worden wäre.

912

^

^

Diese lettere osstzielle Eröffnung musste von selbst in Verbindung gebracht werden mit der Beobachtung, dass in neuester ^eit zahlreiche Flüchtlinge ankamen, die nur als Gemeine gedient hatten. Z. B. waren von 43 Mann, die am 15. und 16. Februar 1865 in Sehasfhausen die Schweiz betraten,^ nur zwei als Unteroffiziere, alle andern als Gemeine in den Reihen der Bolen. Run kann aber wohl mit Znverst.ht ange^ nommeu werden , dass wenn überhaupt Jemandem , gerade den Leuten dieser Klasse die Bewilligung zur Heimkehr gegeben würde, ja sogar, dass sie ohne besondere Gefahr auch ohne solche^ Bewilligung heimreisen konnten , was m der That ziemlich häufig vorgekommen ist.

Um aber genau orientirt zu sein, richtete der Bundesrath am 20. Februar 1865 eine Einfrage an die russische Gesandtsehast bezüglich des formellen Verfahrens für die Bewilligung zur Heimkehr der Flüchtlinge und bezüglich der materiellen Voranssezungen , unter denen eine solche Bewilligung ertheilt werde.

Jn Antwort hieraus übermachte die russische Gesandtschast mit Rote vom 12.^24. Februar 1865 die von dem Statthalter des Königreichs Polen am 15,^27. Juli 1864 über diesen Gegenstand erlassenen Verfügungen, die noch als Rorm dienen und folgendermaßen lauten : ,,Eine ansehnliche Zahl Bewohner des Konigreiches (Bolen) hat, obschon sie an den Unruhen nicht den geringsten Antheil genommen halben, das Land heimlich mit Bässen, deren Gültigkeit seit .Langem ausgelaufen ist, verlassen, ohne wieder an ihren Wohnsiz zurükzukehren.

,,Dagegen gibt es Andere, welche in den Reihen der Banden sich befunden haben und zurükzukehren wünschen, aber. da sie später theils aus freien Stüken, theils von den Truppen verfolgt, ins Ausland sich geflüchtet haben , nicht den Mnth bestzen heimzukehren, aus Besorgniss vor der Verantwortlichkeit, die fie auf sieh geladen haben.

,,S. E. der Graf, Statthalter des Kaisers, hat diesen Verhältnissen

Rechnung tragend am 6^18. Juli 18.^4 verfügt, es solle bekannt gemacht

werden, dass die der ersten Kategorie angehörenden Jndividuen ins Land zurükkehren konnen und dass die Grenzdouaniers angewiesen seien, ihnen für diesen Zwek bestimmte Karten auszustellen, mit denen ste sich direkt vor dem Generalpolizeiehes des Königreichs zu stellen haben.

,,Diejenigen Jndividuen dagegen , welche zur zweiten Kategorie gehoren, nämlich solche, die an den Unrnhen sich betheiligt haben, messen, wenn sie zurükkehren wollen , bei den betreffenden kaiserliehen Gesandt^ schaften oder Konsulaten im Auslande sich stellen und daselbst ein detaillirtes Geständniss ihrer Fehler ablegen.

Raeh Vrüsung dieser Gestandnisse und Bestimmung des Grades der Schuld werden diese Jndividuen entweder eine ablehnende Antwort, oder dann die Erlaubnis^ erhalten, ins Land heimzukehren , und für diesen leztern ^all haben sie , wie die der ersten Kategorie angehörigen Jndividuen, die Verpflichtung, vor dem

Generalpolizeimeifter des Königreiches sich zu stellen, um eine Ausenthaltsbewilligung zu erhalten.

9l3

,,Jmmerhin hat S. E. der Statthalter des Kaisers verfügt, e^ fei Jedermann zu pxäveniren, dass wenn entdekt würde, dass zurükgekommene Bersonen irgend ein Kriminalverbrechen begangen oder an der Ausbreitung der Unruhen und der Anarchie thätigen Antheil .genommen haben, sie^die gesezlieh vorgeschriebenen Folgen .^n gewärtigen hätten..^ Diese Eröffnung ist von unserm Justiz- und Bolizeidepartemente durch Kreissehreiben vom 8. März 1865 den sämmtlichen Polizeibehörden mitgetheilt worden, mit der Bemerkung, es werde ihnen überlassen, den Werth oder Unwerth derselben zu beurtheilen und davon den gutfindenden Gebrauch gegenüber den Bolen zu machen.

Jm Hinblik auf die Zweifel, die hie und da in die Bewilligung zur Rukkehr gelegt worden waren, konnte das Departement beifügen, dass ihm von unterrichteter und glaubwürdiger Seite (aus Bolen) versichert worden, es sei noch kein aus der Schweiz mit B e w i l l i g u n g heimgekehrter Flüchtling in weitere Untersuchung gezogen oder bestrast worden.

Ledere Bemerkung ist auch heute noch wahr und wird durch den Umstand bestärkt, dass der kaiserlich russische Statthalter in Bolen auf die durch Vermittlung der russischen Gesandtschaft au ihn gestellten Gesuche um Bewilligung zur Rükkehr stets mit Offenheit geantwortet uud gesagt hat , ^ was dem Betresseuden warte: entweder dass er noch einer administrativen oder polizeilichen Aufsicht sich unterziehen müsse, oder dass noch eine administrative Untersuchung gegen ihn zu sühren sei, oder end^ lich geradezu, dass er vor ein Kriegsgericht gestellt werde. Es wusste also Jeder, was ihm bevorstand, und er konnte von der Bewilligung zur Rükkehr Gebraut machen oder nicht. Vom Oktober vorigen Jahres an

bis Ende August 1865 stnd 35 solche Gesuche au die russische Gesandt-

sehaft vermittelt. aber bis heute nur 22 und stets in obigem .^inne beantwortet worden. Es ist aber Thatsache, dass weit mehr ohne besondere Anfrage aus der S.hweiz heimgekehrt sind.

Jm Februar 1865 haben die Beziehnugen zu auswärtigen Staaten noch weitere Verhandlungen veranlasse Das in Turin noch bestandene Komite horte mit der Unterstüzung der Boleu aus, was zur Folge hatte, dass die Zahl der in die ..^ehwei^ ^urükkehrenden sich wieder vermehrte. Daher wurde der schweiArische Gesandte in Turin eingeladen, dem dortigen Komite zuhanden^ der Flüchtlinge wissen zu lassen, dass aueh in der Schweiz die Unterftüzung aufhore, und dass es sehr schwer halte, Arbeit zu finden.

Da die italienischen Bässe, wie bereits erwähnt wurde, stets nur zum Austritte aus Jtalien lauteten , so wurde der sehwei^. Konsul in Genua auf eine Ausrage hin iustruirt, sein Visum keinem Basse bei^usezen, der.nieht aueh zur Rükkehr des Jnhabers berechtige. Bekanntlieh waren zum Eintritte in die Seh.vei^ keine Bässe nothig; da aber dennoch das schweizerische Visum ost verlaugt wurde. so durste durch ein solches ni^ht ein Brä^udi^ geschaffen werden.

914

Die konigl. bayerische Regierung versügte gegen Ende des Monats Februar, dass künftig nur jene polnischen Flüchtlinge ans Oesterreieh nach Bauern übertreten dürsen. welche mit Reisegeld und mit Bässen versehen seien, die ein Visum tragen von dem schweizerischen oder sranzosisehen Gesandten in Wien. Das k. k. österreichische Ministerium des Aenssern, dem obige Verfügung der bayerischen Regierung erossnet worden war, stellte in Folge dessen an den schweig. Gesandten in Wien das Gesn.h, er mochte eventuell sein Visum zum Eintritte in die S.h.vei^ ertheilen, und fügte bei, dass noch etwa 400 Bolen in Oesterreich seien.

Aus eine diessällige Anfrage vom 20. Februar gab der Bundesrath am 22. gl. Mts. dem schweig Gesandten die Jnstruktion, das Visnm zum Eiutritte der polnischen Flüchtlinge in die Schweiz nur dann zu ertheilen, wenn dem Bassinhaber freigestellt sei, nach Frankreich oder in die Schweiz ^u reisen, und wenn der Bass nicht nur zum Austritte ans den österreichischen Staaten, sondern auch zur Rükkehr in dieselben gültig sei, und wenn drittens wahrscheinlich gemacht sei, dass der betreffende Bole im Falle seiner Rül^ehr in die Heimat einer erhebliehen Strafe unter-

liegen würde. (Bundesblatt 1865, l, S. 180.) Es ist mit dieser Jn.^

strnktion die Thatsache ...u vergleichen, dass Oesterreieh solchen ^lu.htlingeu, die aus der Schweiz nach der Wallachei reisen wollten, nicht einmal den Durehpass gestattete.

Der österreichische Minister erwiderte aus jeneErossnung am 26. Februar, dass der zweite Bunkt --- Rükkehr nach Oesterreich - unmöglich sei, da es sich nicht um österreichische Angehörige , sondern um russische Unterthanen handle; übrigens sei die Zahl der Jnternirten bereits ans 128 zusammengeschmolzen, und man hoffe aueh, diese noeh im Lande selbst unterzubringen.

Aus spezielle Anfragen wurde später gleiehwohl die Bewilligung zum Visum erteilt ; uaeh knrzer Zeit aber siel es überhanpt ausser Anwendung.

Am 22. ^ebrnar 1865, gleichzeitig mit der obigen Instruktion nach Wien, wurde serner beschlossen, es sei die königl. bayerische Regierung zu ersuchen, einerseits keinen Flüchtling nach der ^chwei^ergrenze zn instradiren, der nicht (in Uebereinstimmung mit ihrer eigenen Verfügung) mit einem osterreiehis^en Basse und dem Visum des schweizerischen Ge.^ sehäststrägers in Wien versehen sei, da im andern ^alle die Rül^veisung an der Grenze erfolgen würde , andererseits möchte sie jene Flüchtlinge, die nach Frankreich reisen wollen, ni^.ht durch die Schweiz, sondern über Ulm und Stuttgart nach .^trassbnrg instradiren. Es war bekannt, dass ihnen in Strassburg der Eintritt nach Frankreich viel leiehter mogli^ war, als aus der Schweig, und zwar gerade darum, weil sie in der ^chwei^ gut verpflegt seien und daher nicht nöthig haben , naeh Frankreich zu gehen.

Das königl. bayerische Staatsmiuisterium beeilte si^.h , au. 27. ^ebrnar 1865 zn antworten, seine Verfügungen seien bereits im Sinne der

915 Vierseitigen Wünsche getroffen, dagegen glaube es annehmen zu dürfen, dass der Bundesrath sich nicht weigern werde, jene wenigen Bolen aus Bauern noch in die S.l..weiz eintreten zu lassen, welche nachweislich vor jenen Befehlen nach Bauern gekommen seien und ausdrüklich wünschen, nach der Schweiz instradirt zu werden. Ans der andern Seite werden von nun an , dem hierseitigen Wunsche entsprechend , jene Flüchtlinge, welche sich nach Frankreich begeben wollen , nicht durch die Schweiz, sondern über Stuttgart nach Strasslmrg gewiesen werden.

Ganz in Uebereinstimmung mit den Versügungen der k. bayerischen Regierung und mit den vom Bundesrathe nach Wien gegebenen Jnstruktionen , sowie zur Aussührnng dieses Beschlusses (vom 22. Febr). gab unser Justiz- und Boli..eidepartement am 24. gleichen Monats den Bolizeibehorden von St. Gallen, Frauenfeld und Schasfhausen die Jnstruktion, solche Bolen, die nicht von unserm Geschäftsträger in Wien zum Eintritt in die Schweiz visirte Bässe besten , oder solche , deren Ziel laut den innehabenden Bässen Frankreich sei. vorkommendenfalls zurükzuweisen.

Diese Massregel müsse mit Montag den 27. Februar in Kraft treten.

Damit übrigens das genannte Departement über die Vorgänge an der Grenze orientirt sei und je nach Umständen versügen könne, wurde in einem Boskriptum beigesügt, dass ihm über vorkommende Fälle zu berichten sei.

Wirklich kamen solche vor, denn die bayerischen Bolizeibehörden haben die Antwort des Bundesrathes nicht abgewartet, sondern sind wie bisher verfahren , indem sie Flüchtlinge nöthigten, sosort das bayerische .Staatsgebiet zu verlassen , zu welchem Zweke sie aus dem Zwangswege nach der ^..hweiz instradirt wurden.

Während das Bolizeidepartemeut des Kantons Thurgau über diese

Vorfälle bereitwillig Bericht erstattete, ist leider dasjeuige des Kautons

St. Gallen stumm geblieben.. Dieses Verfahren hatte ^ur Folge, dass vier Bolen, welche am 27. Februar in Romanshorn erschienen, der Eintritt per Telegramm noch gestattet werden konnte, während am 28. Februar vier andere, wovon zwei krank, von Rorschach nach Lindau zurükgewiesen wnrden, ohne dass der Weisung gemäss, darüber berichtet worden wäre. Es konnte also eine dem Spezialfalle angemessene Versügung nicht mehr getroffen werden.

Unser Jnsti^ und Bolizeidepartement säumte jedoch nieht, so bald es davon Kenntniss erhielt, sosort per Telegramm einen Bericht zu verlangen, wodurch dann allerdings jene Tatsache bestätigt wnrde. Aus eine wegen der offenbaren Säumniss ziemlich ernst gehaltene Antwort erfolgte am

17. März ein zweiter Bericht des Bolizeidepartements von St. Gallen,

worin nach der Versicherung des Bezirksamtes Rorsehach erklärt wird, dass ,.der in öffentlichen Blättern über den Vorgang geschlagene Lärm auf Entstellung vonThatsa.^en beruhe.^ Dieser Vorsall, so wie das anderweitig.

beobachtete Versahren von Seite der bayerischen.. Behorden bewog unser Justi^ und Bolizeidepartement, am gleichen 4. März sosort von sich ans die Bolizeibehorden von St. Gallen, Thurgau und Sehaffhausen tele-

.^16 graphisch zu ermächtigen, den ankommenden Bolen bis auf weiteres den Eintritt wieder zu gestatten, welche Verfügung nachher vom Bundesrathe genehmigt wnrde.

Der Bundesrath hatte bis zu diesem Momente die konigl. bayerische Rote vom 27. Februar 1865 noch .nicht beantwortet. Es geschah dies aber mit Rote vom 6. März. Angesichts der neuesten Vorgänge konnte er nicht umhin, zu bemerken, er sei durch das eigenmächtige Vorgehen der bayerischen Bolidi überrascht worden. Damit die Polen nicht gemeinen Vaganten gleich hin- nnd hergeschoben werden, habe er nun den ungehinderten Eintritt in die Schweiz einstweilen wieder gestattet. Jnsosern sei also dem Wunsche der konigl. bayerischen Regierung entsprochen.

Der Bundesrath müsse aber ernstlich wünschen , die konigliche Regierung mochte die gemessensten Befehle geben, damit die Boli..eibehorden im Einklange stehen mit den Zusagen der Regierung. Er gebe ihr auch ^u bedenken, ob es nieht im allseitigen Jnteresse läge, wenn solche Bolen, die Arbeit gefunden haben, geduldet würden.

Jn Antwort hieraus gab die konigl. bayerische Gesa..dtschast mit Rote vom 15. März 1865 ei...e sachliche Darstellung des in Bauern ge.^ übten, ans srühern Mittheilungen bereits bekannten Verfahrens.

Mit Bezug aus die neueste Zeit wies sie daraus hin, dass die k. k. ofterreiehische Regierung im Febrnar die bis dorthin bestandenen Jnternirnngsanstalten ausgehoben und die polnischen Flüchtlinge plozlieh und u na ng e k ü n d i g t in grossen Massen an die bayerische Grenze gewiesen habe.

Diese Erscheinung habe die konigl. baher..s..he Regiernug veranlasst, die oben erwähnte Erklärung mit Bezug auf Bässe nnd Vifa in Wien geben zu lassen, und an den Eingangsstationen die erforderliche polizeiliche Kontrole herzustellen. Ehe jedoch diese Konlrole ins Leben getreten , habe sich in München bei der ans Seite Oesterreichs mogliehst beschleunigten Jnftradirung der Bolen mit jedem Tag eine grossere Masse angesammelt.

Die Bolizei habe einer solchen Uebersüllung nicht ruhig Ansehen konnen, sondern die Flüchtlinge zur Reise über die Landesgrenze anhalten müssen.

Hiebei sei ihnen die sreie Wahl gelassen worden. Jn ^olge der am 25. Februar angekommenen Rote des Bundesrathes vom 22. gleichen Monats seien die Bolizeidirektion München und das Stadt - Kom.^ missariat Lindau am 3. März angewiesen
worden, ^enaueft im Sinne jener Rote zu verfahren. Das ...^tadt - Kommissariat in Lindau moge erst am 4. oder 5. März diese Weisung erhalten und desshalb wie früher gehandelt haben. Jn dem Umstande, dass also spätestens vom 5. März an Zwangs -Jnstradirungen in die Schweiz nicht mehr vorgekommen seien, liege ein tatsächlicher Beweis, dass ein Widerspruch zwischen den Zusagen des konigl. Ministeriums und den. Versahren der konigl. Boli^eibehorden nicht bestanden habe. Gegenüber der Bemerkung, dass selbst solche Flüchtlinge , die in München Arbeit gefunden haben, nach der Schweiz instradirt worden seien, wurde entgegnet, es seien die-

9l7 jenigen Flüchtlinge, welche vor jener massenhaften Ansammlung in München Aufenthaltsbewilligung erhalten haben , in keiner Weise ^ur Abreise veranlasst worden; es befinden sich in dieser Weise noch mehr als 100 Flüchtlinge in München und wahrscheinlich andere noch an andern Orten des Konigreiches. Rach Entschließungen, welche das königliche Ministerium des Jnnern am 6. und 7. März erlassen habe, stehe nun der ..Bewilligung vorläufigen Aufenthaltes an solche Flüchtlinge , welche eine ordentliche Beschäftigung finden und zu ^ keinen besondern Bedenken Anlass geben,

nichts entgegen.

Es wurde nun von einer weitern Korrespondenz abstrahlt. Dagegen war die k. ba.^eris..he Gesandtschaft im Falle, mit Rote vom 3. Aprit 1865 über das Versahren in den legten Tagen des Monates Februar noch einige weitere amtliehe Erhebungen dem Bundesrathe zur Kenntniss zu bringen. Sie fügte dieser Mittheilung bei, die königliche Regierung lege Werth darauf, dem Bundesrathe den Nachweis zu liesern, dass auch

die königliche Bolizeidirektion München in dieser Angelegenheit korrekt gehandelt habe.

^ Der Andrang der Flüchtlinge im Februar 1865

verminderte sich im

März in hohem Grade und horte im April fast ganz aus. Es sind angekommen : in Frauenfeld

im Februar 270

,, St. Gallen ,,

,,

67

,, ^ehaffhausen

,,

53

,,

März 30

,, 21

. . 3

April

,,

,,

8

7 -

im Februar 390 März 54 April 15 Es seheint , dass Bauern seine Versügungen mit Bezug auf den Besiz von Bässen mit Visa nicht hat ausrecht erhalten können , da noch viele Flüchtlinge gekommen find ohne Visa aus ihren Bässen. Dagegen seheint der Besiz von Reisegeld ziemlieh konsequent gefordert worden zu sein, da noch im Mai vier Mann aus Jtalien kommend in Lindau zurükgewiesen wurden,^ weil sie ohne Reisegeld waren, obschon alle vier gehörige Bässe hatten, (drei von der preussischen Gesandtschaft nnd der vierte von dem Ministerium in Turin).

Eine ziemliche Anzahl von Flüchtlingen fand dnr.h eigene Bemühungeu Beschäftigung und genügenden Erwerb. Andern wurde es möglich gemacht, Handwerke zu erlernen. Viele hatten fieh schon früher der Uhrenmacherei zugewendet, und eine grosse Anzahl fand das Auskommen in den industriellen Etablissementen der Oftsehweiz, namentlich in Zürich , St. Gallen und Sehasfhausen. Ueberhaupt begann zu dieser Zeit in Komites und bei Brivaten ein reger Eiser sieh zu entwikeln, den Flüchtlingen Arbeit und Verdienst zu verschaffen , ein Eiser , der namentlieh dann sich steigerte und grosse Erfolge erhielte, als der Bnndesbeitrag an die Verpflegung wirklich aushorte. Diese Bemühungen fanden selbst in Deutschland vielfache Unterfti^ung , so daß eine ansehnliche Zahl von

.)18 Flüchtlingen , die in der Schweiz waren , in Deutschland Unterkommen und Erwerb finden konnte. Namentlich wirkte mit Ausdauer und Erfolg das Zentralkomite in Zürich, mit dem unser Jnsti^ und Bolizeideparte..^ ment in vielfachem und stets srenndlichem ..Verkehre stand , worin die vollste Uebereinstimmung in Zwek und Mitteln sieh betätigte.

Das theilweise Anfhoren der Unterstüzung und der zentralen Leitung durch den Bund erregte aber bei der Regierung von St. Gallen Bedenken.

Sie eröffnete nämlich dem Bundesrath mit Sehreiben vom 3. März 1865, sie konne sich mit dem Vorgehen, wie es im Beschlusse vom 15. ^ebruar liege, nicht einverstanden erklären, sie müsse vielmehr alles Ernstes dagegen sich verwahren. Die Verhältnisse seien bis .,nr Stunde gleich geblieben , wie sie bestanden haben , als die polizeiliche Kontrole vom Bunde übernommen und die Beiträge an die Kantone bewilligt worden seien,. Die Regierung stellte daher das Begehren, der Bnndesrath möchte ans dem Beschlusse vom 15. Februar laufenden Jahres nicht verharren , oder doch wenigstens die Vollziehung desselben so lange sistiren, bis den eidgenössischen Räthen in ihrer nächsten Versammlung Anlass geboten sein werde, sich darüber auszusprechen und geeignete Verfügungen zu treffen.

Es konnte jedoch diesem Begehren weder in der einen noch in der andern Richtung entsprochen werden. Die Gründe hiesür wnrden in der

Antwort vom 17. Mär^ 1865 weitläufig entwikelt.

Diese Antwort ist vollständig in das Bnndesblatt von 1865, Band I, Seite 266 aufgenommen. es wird daher lediglieh darauf verwiesen.

Die Regierung des Kantons Waadt erhob mit Schreiben vom 4. April 1865 ähnliehe Bedenken wie jene von ^t. Gallen und erhielt am 7.

gleiche^ Monats ebenfalls eine ablehnende Antwort, und zwar wesentlich aus den gleichen Gründen wie sie St. Gallen gegenüber geltend gemacht wurden. ^Siehe Buudesblatt von 1865, Band ll, S. 28.)

Auch die Voli^eidirektion des Kantons Zürich stellte in einem Schreiben vom 7. April das Wegfallen der eidgenössischen Kontrole als eine bedenkliche Massregel dar , indem das gegenseitige Zuschieben der Flüchtlinge zwischen den Kantonen eintreten werde. Es wnrde jedoeh von nnserm Jnsti^ und Bolizeidepartement der Standpunkt vertheidigt, dass das heimliehe Znschieben unter den Kantonen nicht stattfinden dürfe , und dass die Handhabung dieses Sazes dnreh die Aushebung der Volenkontrole nicht weg^

gefallen sei. Jenes sei ein allgemein gültiges Prinzip , die Zusehiebung von hülssbedürstigen Fremden dürse überhaupt nicht stattfinden, und die Ausgleichung von diesfälligen Konflikten zwischen den Kantonen sei bekanntlich durch die Bundesverfassung den Bundesbehorden als eine Bflieht auserlegt worden , deren sie nieht beliebig sieh entledigen können.

Auf der andern Seite zeigten wiederholte Beschwerden, die wegen zu grosser Belastung von mehreren Kantonen nach dem Beschlusse vom 15.

91.)

Februar noch eingekommen sind, wie sehr ein entscheidender Schritt nothwendig war.

Die Standeskommission des Kantons Appenzell A. Rh. sasste nämlich am 2. März l865 den Beschluss , dass sie, Angest.hts der veränderten Sachlage , weder einer ^eidgenössischen , noch einer kantonalen Polizeibehörde weiterhin die Berechtigung zugestehe, dem Kanton Appenzell A. Rh. polnisehe Flüchtlinge zuzuweisen. Ebenso erossnete die Bolizeidirektion des Kantons Uri mit Schreiben vom 5. März 1865, dass sie im Auftrage der Bolizeikommission gegen die weitere Zuweisung von Flüchtlingen mit Entschiedenheit sich ver.vahre und mit Ende des Monates März mit jeder U..tersti^ung aus der Staatskasse aufhoren werde.

Unser Justi^ und Boli.,eidepartement konnte aber diesen Wünschen keine Re^nnng tragen. Es beantwortete sie mit Hinweisung darans, dass der Beschluss des Bundesrathes vom 23. September 1864 noch in Kraft sei , wodurch es den Anstrag erhalten habe , die ankommenden Bolen nach Verhält.uss auf s ä m m t l i c h e Kantoue ^u vertheilen. Damit sei zugleich g^agt, ^ass die Kantone verpflichtet seien, die ihnen zngewiesenen Flüchtlinge anzunehmen. Das Departement konne hievon keine Ausnahmen zulassen , da sie zum Raehtheil anderer Kantone gereichen müssten, und die verhältnissmässige Vertheilnng ftoren würden.

Eine Versügung der Regierung

des Kantons

Basel-Stadt

vom

10. ^Mär^ 1865, wodurch sie ihre Boli^eil.urel.tion anwies, künstig keinerlei neue Zusendungen mehr anzunehmen und aueh jener ^lüehtlinge, die naeh ^rankrei.h reisen wollen, sieh nicht weiter anzunehmen, bis ge^ wisse Znsicherungen gegeben seien, erwies sich als auf irrigen Vorausseznngen beruhend. Die ^oli.^eidirektiou von Basel hatte wegen des eigenthümlichen Verfahrens der franzosischen Behorden an jener Gränze eine mühevolle Stellung. Es wurde bereits bemerkt, oass die ^olen in .^trassburg ungehindert passireu konnten und erst spät entdekt, dass ein Gleiches aueh uber Gens und Verrières moglich war.

Es wurde zwar einzelnen Kantonen empsohlen, die Abreiseuden aus lettere Routen zu weisen, allein die Mehrzahl ging deunoeh über Basel, von wo sie na.h Anordnung der sran^osisehen Polizei nach Eolmar mussten, um aus dortiger Bräfel^nr sich auszuweisen. Die Weiterreise wurde nur gestattet, im ^alle des Bestes von genügendem Reisegeld uach Varis, und wenn der Betreffende darüber sich auswies, dass er in Baris sein Auskommen finden wnrde, oder dass er Verwandte dort finde. Dieser Umweg ersorderte überdies ein höheres Reisegeld (bis 50 .^r. statt ^5 Fr.)

Jm März wurde jene Präsentation naeh Mülhausen verlegt , und im April wurde eroffnet, dass die Reise nach Baris überhaupt nieht mehr

gestattet .verde , ..^eil diese Stadt von Bolen überfüllt sei. Um die Mitte

des Monates Juni 1865 wurde endlieh verordnet, dass die aus der ^chwe^ kommenden ^lüehtlinge zuerst nach Belfort ^u dirigiren seien, wo sie einkasernirt^ werden , nnd von wo aus ihnen die Weiterreise ge-

920 stattet wird, je nachdem sie über die E^istenzmittel an andern Orten sieh auszuweisen permögen.

^

^ .

Um diese Zeit kam die Auswanderung polnischer Flüchtlinge zur Sprache.

^ Mit Schreiben vom 28. März 1865 stellte der oben erwähnte Vole Koromkolki in St. Gallen an unser Justiz^ nnd Bolizeidepartement die Bitte, dass einige Bolen zur Reise nach den Bereinigten Staaten von Nordamerika, wo sie eine Kolonie für ihre Landsleute zu gründen beabsichtigen, vom Bunde unterstüzt werden mochten. Es wurde ihm sogleich geantwortet, dass zwar seine Jdee einer Brüsung werth sein möge , das Departement aber nicht daraus eintreten könne ; auch mochte es weder zu einer solchen Unternehmung rathen, noch einzelne Bolen zur Theilnahme veranlassen. Bevor man näher mit der Sache sich befassen könnte , müsste jedenfalls ein bestimmter Vlan über die Ausführung vorgelegt werden und es müssten die Bolen . welche daran Theil nehmen wollten, selbst darüber sich aussprechen. Uebrigens wäre erforderlieh, dass neben dem Bnnd aueh die Kantone und .^ülfskomites ökonomisch sich

betheiligen.

Koronikolski schrieb hierauf am 3l. März, er würde gerne znr Besprechung dieser Angelegenheit nach Bern kommen nnd gewärtige eine Vorladung ; seine Landsleute dagegen werden mit dem Bolizeidepartement von St. Gallen verhandeln. Es wurde jedoch am 4. April eine solche Verhandlung abgelehnt.

Er möge mit dem Bolizeidepartement von St. Gallen in Verbindung treten, welches auch seinerseits darüber sich aussprechen möge ; es sei durchaus nicht nötl..ig , dass er oder Andere seiner ...^chikfalsgenossen nach Bern kommen, denn man könne sich jedenfalls nicht mit dem Detail befassen. Es werde einsach ein bestimmtes Begehren gewärtigt, das der Brüfung unterstellt würde, aber erst eingereicht werden könne, nachdem das Polenkomite und die Regierung von

St. Gallen den Gedanken geprüft und das Mass ihrer Beiträge bekannt gegeben haben.

Koronikolski hat jedoch die Antu.ort aus seine Ansrage nicht abgewartet , sondern ohne weiteres mit dem Bolizeidepartement des Kantons St. Gallen sich in Verbindung gesezt, welches ihn mit einem offiziellen Schreiben bei dem eidg. Justiz- und Bolizeidepartement einführte. Dieses Schreiben ist vom gleichen Tage datirt, wie die lezte Antwort an Koro-

nikolski (4. April 1865) und lautet wie folgt:

.,Vier in St. Gallen domizilirende polnisehe Flüchtlinge angesehener Familien, die in dem polnischen Aufstande eine hervorragende ..Stellung einnahmen und um so schwerer kompromittirt sind, habeu deu Eutsehluss gefasst, nach Amerika zu übersiedeln, um sieh dort eine ueue Heimat zu

921 suchen, und in der Absieht, bei gutem ^Erfolg der Kolonisation, andere ihrer Schiksalsgenossen später nachzuziehen.

"Die Gesuchsteller geben sich der Hoffnung hin , es dürste vielleicht der h. Bundesrath seine Protektion bei ^er nordamerikanischen Regierung eintreten lassen, dass ihnen eine gesunde und fruchtbare Landesgegend angewiesen und überhaupt der ersorderliche Schuz für die Ansiedlung ertheilt werde. Sie ^ sprechen zugleich den Wunsch aus , sich unter der Leitung eines seit Jahren in hier donnzilirenden Landsmannes , Hrn.

Koronikolski, nach Amerika zu begeben.

,.Hr. Koronikolsk., der sich seiner Landslente mit grosser Aufopferung ^ annimmt, stellte an uns das Ansuchen, ihn bei Jhnen, Herr Bundesrath, zu empsehlen, damit er Gelegenheit habe, personlich das Auswanderungprojekt Jhnen vortragen zu können.

,,Wir haben seinem Gesuche bereitwillig entsprechen zu sollen geglaubt, undstellenan Sie. .^err Bundesrath l die a n g e l e g e n t l i c h e B i t t e , dem Hrn. ^Koronikolski Jhre Ansichten über die Ausführbarkeit der vorhabenden Uebersiedlung, so wie die Aussichten über den verhossten Schuz Seitens der nordamerikanischen Regierung geselligst eröffnen zu wollen."

Dieser a n g e l e g e n t l i e h e n B i t t e von Seite des Volizeidepartementes des Kantons St. Gallen wurde entsprochen. Koronikolski wurde angehort, aber in seinem Blane keineswegs unterstüzt, sondern vielmehr abgemahnt , indem ihm entgegengehalten wurde , dass wenn auch eine Unterstüzu..g zur R e i s e bis A m e r i k a vom Bunde geleistet werden könne, dadurch für ein ferneres Fortkommen der Betheiligten noch niehts gethan wäre. Damit aber könne der Bund sich nicht befassen. Er könnte höchstens nach dem Gedanken des Bolizeidepartementes von .^t. Gallen der Regierung der Vereinigten Staaten die dort ankommenden Volen zu einer guten Ausnahme empsehlen, woran indes.. auch ohne eine solche Empfehlung nicht zu zweifeln sei. Es wurde ausdrüllich hervorgehoben, dass die weite Reise im Jnnern bis zum Orte der Ansiedelung und die Ansiedelung selbst für die Bolen sehr bedenklich werden könnte. Koronikolski war es sehr zufrieden, dass seine Landsleute einsaeh zur guten Ausnahme empfohlen werden, wünschte aber naehdruksam, dass die Reisebeiträge mit

Rüksicht aus die grosse Emtsernung erhöht würden.

Da früher schon widerholt höhere Reisebeiträge für grössere Entfernnngen und namentlich auch (von Aarau aus) zur Reise nach .....ordamerika gewünscht wurden. indem die üblichen 30-35 Fr. allerdings nicht genügen konnten, und nachdem von obigem Vetenten noch ein schristliches Gesuch eingereicht worden war, so genehmigte der Bundesrath

am 10. April 1865 sollenden Beschluss .

^ ,,1) Sei das eidg. Justiz- und Bolizeidepartement ermächtigt, den-

Wenigen polnischen Flüchtlingen, welehe nach Nordamerika auszuwandern "wünschen, einen Reisebeitrag bis auf ^r. 1l).) ^u verabreichen, insofern "dieselbe.. die weiter nöthigen Reisemittel beizubxingen vermögen ;

^

922

,,2) Set das Generalkonsulat in Washington zu beauftragen , die ,,Unionsregierung davon zu benachrichtigen. dass einige polnische Flucht,,linge nach der Union überzusiedeln und durch Erwerb von Grundbe,,siz u. s. w. eine neue Heimat zu gründen wünschen ; der Bundesrath ^ersuche die Regierung, diesen Hulssbedürstigen die Ausführung ihrer Ab...ficht nach Möglichkeit zu erleichtern.^

(Bundesblatt 1865, ll, S. 28 und 2..).)

Schon am 12. April gelangten zwei hervorragende Bolen an das e.^. Juft..^ und Bolizeidepartement mit .^em Gesuche, dass keine Reisenderstüzungen ^nach Nordamerika gewährt werden möchten , wohl aber nach der Türkei. Sie machten die Andeutung, dass die Jdee znr Answandernng nach den Vereinigten Staaten von absoluten Regierungen komme und von Agenten unter der Maske der Bhilantropie und des patriotismus befördert werde. Der Eine jener Betenten sprach steh ferner dahin aus, dass die Juteressen der polnischen Emigranten fordern, die Flüchtlinge in Europa beisammeu zu halten. Unser Jnstiz^ und Bolididepartement wies diese Znmuthnngen zurük. Am 13. April wnrde lezterm geantwortet, dass die Bnnd^.sbehorden bei einer Auswanderung der Bolen nach Amerika sich keineswegs betheiligen , und Jedem den freien Willen lassen, feine Sehritte zu lenken, wohin er wolle. Es sei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass auch nach andere eutserntern Gegenden hin ein grösseres Reisegeld bezahlt werde. Dagegen kenne man keine polnische Emigration als Begriff und noch viel weniger eine Organisation derselben, sondern bloss Jndividuen, die hülssbedürstig seien.

Die Bolizeidirektion des Kantans A a r g a u kam dann wirklich mit dem Gesuche ein, um Uuterstüzung von 17 Bolen zur Reise na.l.. der Moldau. Es wurde daher am 17. April der Beschluss vom 1l). gl. ^..ts.

verallgemeinert, indem der Bundesrath sein Jnst^ nnd Boli^eidepartement ermächtigte, auch an solche polnische Flüchtlinge, welche nach dem Orient oder naeh andern überseeischen ^ändern zu reisen beabsichtigen, unter den im Beschlusse vom 10. April enthaltenen Voraussezuugeu und inner den in diesem Beschlusse ausgestellten Grenzen, einen hohern Reisebeitrag als bisher ^u verabreichen, welcher jedoch zu der geringern Eut^ fernung als Amerika in angemessenem Verhältnisse stehen soll.

Gleichzeitig be^ehloss der Bundesrath, auch dem sehweizerisehen Minister in Turin von der Absicht mehrerer Bolen zur Uebersiedelm.g nach dem Orient, so wie von dem obigen Beschlösse Keuntniss zu geben, ml.t .^em Austrage, der k. italienischen Regierung hievon ebenfalls Mittheilung zu ma..hen und damit an dieselbe ..^s Gesuch zu verbinden . sie mochte den Durehpass und die Einschiffnng in Genua uaeh Mogliehkeit erleichtern.

(Bundesblatt 1865, ll, ^. 45 und 46.)

Später sind dann ansser .^oro..ikolski mit seinen vier Genossen nur noch aus dem Danton Aargan drei ander.. Boleu naeh den Vereinigten Staaten verreist , während eine ansehuliehe Zahl nach dem Orient sich

923 verfügte. dieser Zufluchtsort wurde ihnen jedoch im Mai und Brachmonat auch geschmälert , indem die türkischen Repräsentanten ihre Visa nicht mehr ertheilen dursten, weil es sich herausstelle, dass die Bolen nicht nach der Türkei gehen, um Beschäftigung zu suchen, sondern politischer Umtriebe willen. Aus ähnlichen ...gründen wurde aueh die ziemlich in Schwung gekommene Reise nach den Donaufürstenthümern ersehwert.

Auch der Durchpass durch Oesterreieh wurde verweigert in Anbetracht der in neuerer Zeit stattfindenden Ansammlung polnisch-revolutionärer Elemente in den Donausürstenthümern.

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^ l .

Die lant gewordenen Befürchtungen, welche an das Aufhören der Bundesbeiträge geknüpft wurden, traten nicht ein. Der Umstand, dass überhaupt nnr aus etwa drei oder vier Kantonen noch Fragen zur Sprache gebracht wurden , welche mit dem Aushoren der Kontrole und der Unterstüzungen in Beziehung standen, beweist hinlänglich. dass die grosse Mehrzahl der Kantone hiemit einverstanden war, was übrigens von mehrern Seiten auch direkt bestätigt wurde. Es blieben bloss noch die Reisebeiträge zu ordnen. Dieses geschah mit dem Beschlusse vom

31. Mai 1865, welcher lautet.

Der schweizerische Bundesrath,

nach Einsicht eines Berichtes und Antrages seines Justiz- und Bolididepartements ,

besehliesst: 1. Die im Art. 3 des Beschlusses vom 15. Februar abhin vorgesehenen Beiträge an solche polnische Flüchtlinge, welche wegen Alter, Verwundung oder langwieriger Krankheit ausnahmsweise von den Kantonen noch unterstü^t werden, dauern einstweilen noeh sort. das Justizund Bolizeidepartement ist jedoch ermächtigt, nach Brüsung der Verhältnisse den Zeitpunkt zu bestimmen, wann im einzelnen Falle diese Beiträge aushoren sollen.

2. Reisebeiträge für bedürstige, gegenwärtig in der Schweig anwesende polnische Flüchtlinge werden nur noch bis zu folgenden Terminen von der Bundeskasse geleistet: .^. bis zum 15. Juni näehsthin sür Ortsveränderungen im Jnnern der Schweiz, h. bis Ende ^uni sur die Abreise nach dem Auslande.

Diese Termine haben indessen keinen Bezng anf die im Art. 1 erwähnten Flüchtlinge. diesen kann auch später noch ein Beitrag zur Reise nach dem Ausland verabfolgt werden.

3. Die Ausnahme von Flüchtlingen , welche neu in der Schweiz ankommen, bleibt von nun an den Kantonen gänzlich überlassen, der Bnnd wird an solche keinerlei Unterstem gen leisten. ^

924 4. Di.^ Uebersiedlung von Flüchtlingen von einem Kanton in einen andern kann ohne Mitwirkung der Bundesbehorden stattfinden.

Einseitige Zuschiebungen sind jedoch nieht statthaft ; vielmehr ist eine ausdrükliehe oder eine aus den Umständen sich ergebende Zustimmung der Behörden de^ neu gewählten Kantons erforderlich.

Allfällige Konflikte zwischen den Kantonen, die hieraus sich ergeben konnen. werden zunächst durch das eidg. Justiz- und Bolizeidepartement entschieden.

5. Die Vollziehung dieses Beschlusses ist dem eidg. Justi^ und Bolizeidepartement übertragen.

(Bundesblatt 1865, Band R, Se.te 564.)

Die Regierungen der Kantone St. Gallen und Thurgau erneuerten Ende Juni das Gesuch, dass der Bund die Reifebeiträge auch fernerhin bestreiten und die Zntheilung der Flüchtlinge an einzelne Kantone beibehalten mochte , allein es wurde uieht mehr eingetreten. Seither sind aus dieser Unterlassung anch keinerlei Jnkonvenienzen bekannt geworden.

Raeh den neuesten Erhebungen waren zu Anfang Oktober lausenden Jahres noch 666 polnische Flüchtlinge in der Schweiz , und zwar in folgenden Kantonen :

Zürich Bern

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Ludern Uri

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Sehw^z

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. 177

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5

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1 7

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Unterwalden.. nid dem Wald ,,

^b

Glarns Zu.^ Freiburg Solothurn

Basel-.^tadt Basel^andsehast Sehasshausen

Appeseli .^l. Rh.

,, J^ ^ St. Gallen Graubündeu Aargau ..^hurgau Tessin Waadt

Wallis

Reueuburg Gens

..

,,

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7

1 1

2

.

-

2 28 26 36 3 20 3 2 78

11 11 8 8 40 14 37 71

666

925 nachdem mit Ende Mai die B^..de^nte...stü..,ung aufgeholt hat, sind ln Anwendung von Zlsf. ^ ^ .^es.^uf^ ....o.n 15. F^ua... und von Ziff. 1 d^es .^..hlusses ^..m 3t. M..... n.....^ 44 Flüchtling angemeldet worden, die we.^n Alter, Verwundung oder .^......ikheit in den .Kantonen noch verpflegt werden. Es wurde ihnen daher a..^ der Beitrag des Bundes gewährt. Seither stnd jedoeh 13 abgereist, und zwar flnd einige davon in ihre Heimat gegau^n , so daß noch 3t Mann in der ursprünglichen Form verpflegt werden.

Die Gesammtzahl der in die Schweiz gekommenen Flüchtlinge kann.

nicht angegeben werden, weil vor dem 1. Oktober 1864 keine ^ontrolen geführt und seither nnr die Untexstüzten eingetragen worden sind. Diejenigen , welche keine Unterstüzung verlangten, suchten und erhielten As.......

nach freiem Belieben. Dagegen soll nun die obige Zahl von 666 alle ^ur Zeit anwesenden Flüchtlinge bezeichnen. ob sie Unterstüzung erhalten haben oder nieht.

Die alphabetischen Listen verzeigen seit dem 1. Oktober 1864 als

Unterstufe .

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wovon als abgereits angezeigt wurden

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1598 Mann, 783 .,

so dass hiernach anwesend wären .

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Da jedoch zu Anfang dieses Monats nur

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815 Mann.

666 ,,

anwesend waren, so ergibt sieh, dass .

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149 Mann seit dem Aushoren der Mutationsberichte l^Ende Juni) abgereist sind.

Von Mai bis 1. ..Oktober 1864 (5 Monate) sind dnreh die Bun-

deskasse 456 Mann mit Reisegeld in das Ausland unterstüzt worden ; vom 1. Oktober 1864 bis Ende Juni 1865 (9 Monate) 596 Mann.

Die Auslageu der Kantone im Jahre 1864 bis Ende Mai 186^ betragen uaeh ihren Berichten .

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. F r . 81,204. 85

Diejenigen des Bundes 1864 Jm Jahr l 865 bis Ende Mai

Fr. 46,007. 68 .. 55,165. 72 Fr. 101,174. 40

,, 101,174. 40

Summa aller Auslagen bis Ende

M a i 1865 . . . . . . . Fr. 182,3^9. 2 5 1865 vom Bunde noch ausgelegt ^r. 9,445.23 ,, 9,445.23 Summa Fr. 110,619. 63 Fr. 191,824. 48

^eit Ende Mai bis Ende Oktober

^V.

Der gegenwärtige Bericht ist absichtlich in das Detail eingetreten, um einen Einblil. in den Verlauf dieser neuen ^lüchtlingseinwanderung ^u geben .und die praktische Anwendung der aufgestellten Prinzipien dar-

Bund^bl........ Jahrg. X^lI B^.III.

70

926 zulegen, indem diese Prinzipien, wenn die vergebenden Räthe nieht andere ausstellen. künstig wieder zur Riehtsehnur dienen werden.

Es mogen jezt, da der gan^e Verlauf übersehen werden kann, mit Bezug auf die Auswahl des passendsten Momentes für den Erlass der einen oder andern Verfügung abweichende Ansiehten austreten. Allein es ist nicht zu übersehen, dass die Einwanderung etwa 11 Monate dauerte, und dass es nie m^glieh war, nur annähernd voraus zu wissen, welchen Umfang sie momentan oder im Ganzen erlangen mochte. Es wurde von keinem auswärtigen Staate Mittheilnng gemacht über die Jntentionen der dortigen Behorden, nicht einmal von den getroffenen Verfügungen. Ferner darf man ebenfalls nicht ausser Acht lassen, dass wir uns ans einem Ge^ biete befinden , das durch kein Gesez und durch keine festen Regeln geordnet ist, auf dem die .Kompetenzen der Kantone unter sich und des Bundes ^n den Kantonen so leicht sich durchkreuzen, und dass endlich anch die Bra^is nnr in längern Perioden den Bolizeibehörden wieder geläufig wird.

Gegenwärtig liegt bekanntlich die ganze Angelegenheit in den Händen der Kantone, die das .^l aueh fernerhin gewähren, aber, so viel bekannt

ist, fämmtlich von der Beherbergung und Verpflegung der Flüchtlinge zurükgekommen find. Hievon find einzig ausgenommen die wegen ^llter, Krankheit oder Verwundung nicht im Stande find, ihren Unterhalt zu erwerben, für welche, wie bereits erwähnt wurde, aneh der übliche BundesBeitrag noch geleistet wird. Hie und da dürften auch durchreisenden Flüchtlingen, wenn nieht ganz besondere Gründe walten, kleine Unterstüzungen noeh verabreicht werden. Jm Auslande ist den Flüchtlingen egenwärtig ziemlich ungehinderte Zirkulation moglich , sowie ihnen aneh berall As.^.l gewährt wird, wenn sie selbst sieh zu ernähren vermögen und sieh ruhig verhalten.

G

B e r n , den 6. Rovember 1865.

Jm Ramen des sehweiz. Bundesrathes , Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft .

^ i .

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Bericht des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend die polnischen Flüchtlinge. (Vom 6. November 1865.)

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Bundesblatt

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Jahr

1865

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.11.1865

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877-926

Page Pagina Ref. No

10 004 946

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