363

#ST#

Bericht der

nationalräthlichen .Commission über die Botschaft und den An-.

trag des Bundesrathes, betreffend Ausdehnung des mit Frankreich abgeschlossenen Niederlassungsvertragges auf Algier und die französischen .Kolonien.

(Vom 14. Juli 1865.)

Tit..

Bekanntlieh hat die Bundesversammlung bei Genehmigung der schwel zeris.h-sranzosisehen Verträge auch beschlossen : es sei der Bundesrath eingeladen, zu untersuchen, in wie fern es angemessen wäre, den Riederlassuugsvertrag auch aus .Algier auszudehnen und der Bundesversammlung darüber Berieht zn erstatten.

vor.

Es liegt nun eine bezügliche Botschaft sammt Antrag des Bundesrathes Aus jener ergibt sich , dass die Zahl der gegenwärtig in Algier be-

stndli.hen Schweizer wenigstens 3000 beträgt, dass die rechtliche Stellung derselben, wie überhaupt der. Fremden, eine keineswegs ungünstige ist, indem dort die Fremden den Franzosen gleichgestellt sind, die sreie Niederlassung derselben nieht beschränkt wird und sie alle bürgerlichen Rechte gemessen.

Besonders hebt der franzosisehe Minister hervor, dass nach dem Gemeindegesez von Algier jeder Fremde wahlfähig sei in die Gemeinderäthe und dass eine grosse Zahl von fremden Aerzten, Hebammen und Apothekern (Berufsarten , deren Ausübung in Frankreich selbst nur den franzosischen Bürgern Anstehe) in Algier in ganz gleicher Weise praktizire wie die Franzosen ; serner berichtet der Konsul von .Algier, dass in Krankheitsfällen

die Schweizer bis jetzt ohne Anstand und .kostensrei in die Hospitäler aufgenommen worden seien.

364 Demungeachtet dringen die beiden schweizerischen Konsulate von Algier und Oran sel^r auf die Ausdehnung des schweizerisch^sranzösischen HandelsVertrages, theils, weil die dort angesesseneu Schweizer hiedurch von der Willkür des Militärkommandos auf denjenigen Gebieten, welche der Militäroerwaltung unterstellt sind, befreit würden, theils weil der vorhin bezeichnete günstige rechtliche Zustand .^och nnr ein Zustand der Dnldung .sei , der sie vor allen möglichen Eventualitäten nicht fchü^e. Beide schweizerischen Konsulate versprechen sich von der Ausdehnung des Riederlassnngsvertrages auch bessere Unterstützung von Seite l^ europäischen Kapitals für die dortigen schweizerischen Unternehmungen und eine wirksamere Vrotektion der schweizerischen Regierung und ihrer Agenten.

Ueber Allem aber, erklären diese Konsulate, wäre Artikel 4 des schwei^erisch^franzosischen Riederlassungsvertrages eine Wohlthat für unsere dortigen La.^dslente , nach welchem die Niedergelassenen nicht unter den Militärgese^en des Landes stehen, in welchem sie sich aufhalten, und ebenso von jedem Dienst in der Ratioualg^rde und in den Ortsbürgerwachen befreit sind , während die Fremden ...ort sonst auch für den Milizdienst

verpflichtet seien und diese Verpflichtung praktisch eine sehr scharfe Anwendung finde.

Der Bundesrath fand nach allem dem, dass eine Anlehnung des ^chwe^erisch-fran^osischen Riederlassnngsvertrages auf Algier für die dortige schweizerische Bevölkerung von entschiedenem Vortheil w.ir..., un^ trat ^aher in Unterhandlungen hierüber mit der sran^osischen Regierung. Diese gab die Ausdehnung Dieses Vertrags auch ans Algier und die übrigen französtschen Kolonien ^, jedoch mit einem Vorbehalt hinsichtlich des servie de l.^ milice ordinaire ^dentaire. Der Bundesrath glaubte aus Gründen der ausnahmsweisen politischen Lage Algiers und seiner Kolonien und auf die Mittheilung der beiden schweizerischen Konsulate in Algier und Orau und des sran^ofischen ^räfekten in Orau , sowie des spanischen Konsulates daselbst, diesem Vorbehalt beistimmen zu sollen.

Und es beantragt nun derselbe Jhnen diese Ausdehnung des Vertrages in folgendem Wortlaute .

,,Den......Bnudesr..the wird die Vollmacht ertheilt, mit der französischen ,,Regierung eine Erklärung auszuwechseln, ...es Juhalts. dass der zwischen ,,der ^chwei^ und Frankreich am 30. Juui 18^4 abgeschlossene Rieder,,lassungsvertrag auch sür die fran.^ostscheu Kolonien und für Algier Gel.,tnng haben solle, und iu diese Erklärung ^ie Bestimmung aufzunehmen.

,,dass von ^eite der Schweiz nichts dagegen eingewendet werde, dass die ,, schweizerischen Bürger, welche in Algier niedergelassen find, in fällen ,,der Roth sür Verteidigung ihres Herdes zu ^n Waffen gerufen wer..de.., wobei sie jedoch in keinerlei Weise mobilifirt werden sollen.^ Jl^re Kommission theilt nun dieselbe Anschauung und schlägt Jhnen vor, dem bezüglichen Antrag des Bundesrathes, welcher bereits au.h vom Ständerath genehmigt ist, beizustimmen.

^

365

^

Jhre ^stchtspunkte find wesentlich folgende: Es liegt anf der Hand, dass in einem Lande, dessen Kolonisation immer noch nicht eine vollkommen gesicherte genannt werden kann , eine durch Vertrag geschü^te rechtliche Stellung unserer Landsleute um so mehr wünschenswerth, j.. nothwendig erscheint. Darf auch angenommen werden, dass die je^igen günstigen Zustände der Fremden in Algier ohnehin fortdauern würden, weil dieses im Jnteresse Frankreichs liegt, so ist es doch immerhin nur ein Schu^ der Konvenienz und nicht des Rechtes.

Ferner hat die Schweiz durch die Ausdehnung des Vertrages keine neuen wesentlichen Verpflichtungen noch Raehtheile zu erwarten. Die Besürchtung, dass Muselmänner in der Schweiz sich niederlassen werden, ist ohne Grund ; einzelne solcher würden unbemerkt bleiben, und wären derer viele, so dürfte angenommen werden, dass bei diesen der Muhamedanismus bereits im .Absterben sei, wie überhaupt der Orient abstirbt, wenn er in Masse mit der europäischen Zivilisation in friedlichen Kontakt kömmt. ^ Zudem hat der Hauptvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich diese Frage schon entschieden. Für Frankreich dürste durch diesen Vertrag lediglich der Vortheil entstehen, dass derselbe den Zug der schweizerischen Auswanderer nach Algerien verstärken konnte.

Die Hossnung der beiden Konsulate, dass dnrch den Uebergang unserer Landslente in Algerien aus dem f a k t i s c h e n in den r e c h t l i chen

Zustand. der Kredit gehoben und die Flüssigkeit des europaischen Kapitals nach dorten vermehrt werde, ist berechtigt, dürfte aber nicht zu sanguinisch gehegt werden. Bekanntlich ist die Blüthe der algerischen Kolonisation noch bl.oss im Keime. .^ie wird unter Anderm auch durch die ex^.es-

sive Eentralisationslust des Mutterlandes und die Unbeständigkeit der Ge-

se^gebung in ihrer Entwicklung gehemmt. Die geordnete Freiheit und die Spontaneität sind die wesentlichen Bedingungen jeder gesunden Kolouisation. Richt geradezu das französische Wesen steht im Gegensatz zu einer richtigen Kolonisation , denn wir finden, dass z. B. alle sranzosischen .Kolonien, welche wegen Religionsversolgung sich in Deutsehland und Russland niederlassen, reüssirten, warum ^ weil sie frei von der exzessiven Vormundsehast der Metropole und deren in die weite Ferne verwaltenden Zivilen Bureau^ waren. Wohl wesentlich aus diesem Grunde sind fast alle Versuche einer festen Kolonisation in Algier missglückt , obschon an Geld nichts gespart wurde. Wir erinnern uns, dass unter der Republik zirka 50 Millionen ausgegeben wurden, um einige tausend brodlose Handwerker dorthin zu senden und dort zu installiren, die aber, weil das vom Eentrum ausgehende Regime falsch war, nach kurzer Zeit darbten und wieder zurückgebracht werden mnssten.

Als wesentl.ches Motiv zu der Ausdehnung des schweizerisch .. sranzosis.hen Riederlassnugsvertrages aus Algerien erscheint die den dortigen

^.h.veizern, wie allen Fremden, obliegende Milizdienstpflicht.

Bundesblatt. .^ahrg. X^II. Bd III.

28

366 Es beruht diese Milizpflicht auf einem den ..). November 1859 erlassenen Dekrete betreffend die Milizen in Algier . welchem auch di.^ Fremden unterworfen sind. Jn den Beilagen findet sich ein .^ius^ug des offiziellen Bulletins von Algier und seiner Kolonien, in welchem in 6 Titeln auch folgende Bestimmungen erscheinen : Rach Titel 2 sind

alle Franzosen militärpflichtig für die Miliz, und es können auch alle Fremden.

die Muselmänner und die Jsraeliten, zu diesem Dienste berufen werden, in Folge spezieller Befehle der Vräsekten oder der kommandirenden Divisionsgeneräle. Dieser Dienst theilt sich in den ordentlichen und in den

Reservedienst. Die Miliz hat die Ausgabe, Ordnung und Sicherheit in

de.. Gemeinde zu handhaben ; sie kann aber auch ausserordentlicher Weise außerhalb ihres Gemeindeterritorh.ms verwendet werden. ....ach Art. 6 hat die Mili^ die Wassenübungen und Jnspektion.m ^u bestehen. Rach Art. 87 soll sie die stehenden Truppen ergänzen , für den Bla^ und Festungsdienst in der betreffenden Gemeinde, zur Eskortirung von Bulver, Geld , .Angeklagten und andern Gefangenen verwendet werden, und im Falle ponEmeuten und Feuersbrünsten in benachbarten Gemeinden oder feind-

licher Einsälle in dieselben , diesen ^u Hülfe kommen. Die Miliz wird

nach Art. 38 vom Staate bewaffnet; die Uniform hat der Dienstpflicht tige sich selbst anzuschaffen.

Der Vizekonsul von Oran bemerkt nun in einer Zuschrift vom 25. Oktober 1864 Folgendes: ^Ce décret hase sur des considérons d...

mamt^n d'ordre mtericu... et de défense du territoire . reçoit nne application r^onreuse et a s.i raison d^tre dans des lieu^ isoles on des centres de populations d^ns lesquels un danger peut etre prévu ^ m.ns cetle raison disp^r.nt dans les localités populeuses, ou une semblable mesure devient tres onéreuse et n'a pas nieme le mérite de futihte.^ Aus den nun hierüber gepflogenen Unterhandlungen der Schweiz mit Frankreich ergibt sich, wie schon gesagt, dass die franzosische Regierung erklärte , dass sie den Art. 4 des Hauptvertrages nicht in seinem vollen Jnhalte auch in den Vertrag mit Algier aufnehmen konne, gestützt anf die besondern Verhältnisse, in welchen sieh diese afrikanische Besitzung befinde. Sie zeigte steh jedoch zu wesentlicher Reduktion obbezeichneter Mili^pfliehtigkeit geneigt, in dem ^.iune, dass sie die in den Vertrag mit Spanien unter dem 7 Januar 1862 aufgenommene Bestimmung auch der Schweig ^.gestehen wolle, nach welcher die Spanier in Algier nur noch in dringenden Fällen und sur die Verteidigung des eigenen Heerdes zum Ergreifen der Waffen angehalten werden konnen, niemals aber mobi.^ lisirt, d. h. ausser dem Territorium der Gemeinde verwendet werden dürfen.

Auch Jhre Kommission entnimmt ans den Resultaten der bundesräthlichen Nachfrage über die praktische Bedeutung dieser Bestimmung des spaniseh-srau.^osischen Konsularvertrages, dass ohne weiteres derselbe auch

.

367 von uns angenommen werden könne; dass derselbe unsere Landsleute in Algier von der Last des obl^ezeichneten Milizdienstes so zu sagen ganz

befreie und die Bflicht der Verteidigung ihres eigenen Heerdes sich bei

der .Lage der afrikanischen Besitzung fast wie von selbst verstehe.

Es dürfte diese Bestimmung von der Schweiz um so weniger .angefochten werden, als Frankreich, nachdem es erst vor 3 Jahren dieselbe in dem genannten Konsularvertrag mit Spanien sich ausbedungen hat, welches eine weit grossere Zahl seiner Angehörigen in Algerien hat, als die Schwe^, nicht anders als auf die gleichen Bedingungen die von uns proponete Ausdehnung des Riederlassungsvertrages aus Algerien uns zugestehen zu konnen bestimmt erklärt.

Fü^ die französischen .Kolonien würde der .^iederlassungsvertrag vom 30. Juni durchaus unverändert in Kraft treten.

Bern, den 14. Juli 1865.

Ramens der Kommission , Der Berichterstatter: ^ .

^ o t e.

Die Mitglieder der kommission waren .

.^err 1..... J. .^ .. t h , in Teufen (Appenzell A. .^h.^ ,, ^r. Bünzli. in S^loth^n.

..

., ,,

^. G r un h o l z er, in Uster (Zürich).

S. f r e s s e t , in ^otier^uill^ ^reiburg).

...... ^ a i s e r ^ in Del.^ber.g (Bern).

^ie .Ratifikation der fraglichen ^ertragsau^dehnung wurde vom Standera.^h am 10., und vom ^alionalra^ am 1.1.. ^uli ausgesprochen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der nationalräthlichen Kommission über die Botschaft und den Antrag des Bundesrathes, betreffend Ausdehnung des mit Frankreich abgeschlossenen Niederlassungsvertrages auf Algier und die französischen Kolonien. (Vom 14. Juli 1865.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1865

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.08.1865

Date Data Seite

363-367

Page Pagina Ref. No

10 004 856

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.