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Schweizerisches Bundesblatt XVII. Jahrgang. lll.

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Nr. 34

29. Juli 1865.

Botschaft des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend die Grenzregulirung zwischen der Schweiz (Graubunden) und

Italien (Beltlin).

(Vom 24. September 1 865.)

Tit..

Jndem wir die Ehre haben, den Grenzregnlirungsvertrag mit Jtalien vom 27. August 1863, sammt Nachtrag vom 22. August 1864, Jhnen ..ur Genehmigung vorzulegen, ermangeln wir nicht, den Gegenstand unsererseits mit sollenden Bemerkungen zu begleiten : Die Feststellung der Grenze zwischen der Schweiz, und ihren Raehbarstaaten ist in Folge der Unterhandlungen . namentlich in den legten Jahren , ihren. Absolusse uahe gebraut worden. Durch den Vertrag

vom 20/3 l. Oktober 1854 sind die Grenzverhältnisse gegen das Grossher-

zogthum Baden ), und durch den Vertrag vom 5. Oktober .l 86l diejeuigen zwischen dem Danton Tessiu und den benachbarten italieniseheu Vrovinzen) bereinigt worden; endlich ward dnreh den Vertrag wegen des Dap-

penthales vom 8. Dezember 1862)

diejenige Lüke ausgefüllt, welche

N o re. Diese Botschaf, sammt den beiden nachfolgenden Commissionalberichten, erscheint deswegen erst jezt im Druke, weil di^ Ratifikationen vom fach bezüglichen Vertrage erst am 18. Juni 1865 ausgewechselt wurden.

Siehe eidg. Gesezsammlung, Band V, Seile 71.

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,, VII, ,, 211 u. 231.

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Bundesblatt. Jahrg. XVII. Bd. IlI.

450.

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einer vollständigen Markenbereiuignug zwischen der Schweiz und Frankreich im .Wege gestanden hatte.

Gre^anstände von einiger Bedeutung bestehen gegenwartig nur no..h ^wischen dem Danton Graubünden und Oesterreich einerseits und dem genannten Kantone und der italienischen Broviu^ Veltlin andererseits.

Diese leztern Grenzen bilden den Gegenstand des vorliegenden Vertrags.

Was den Gren^anstaud ^wischen Oesterrelch betrifft, so wurde durch die Uebereinknuft vo^ 14. September 185.)^) ^war die Gre^liuie im Münsterthale bereinigt, dagegen war es unmogl.leh, tro^ aller Konzessionen, aus dem zweiten streitigen Vun^., nämlich bei Finstermün.. . das gleich...

Ziel ^u erreichen. Hier glaubte ^esterreieh aus seinen unhaltbaren Behaupt.mgen bestehen und die ...^u.^leiehung eines uralten Gren^spaue^ dem vermeintlichen Jnteresfe der ..^rgseste Ho.hfinstexmün^ opfern ^u sollen. Deshalb haben anch die Verhandlungen mit .^esterreich seit dem Jahre 1859 ruhen müssen

^..lüklicher ^stalteten sich di.^ Unterhandlung^. mit Jtalien, die im vorige., wie in diesem Jahr.. im ^amen d^..r Ei.^genossensd.ast von den Herren Nationalrath D e l a x a g e a z und Ständerath p l a n t a mit eben so viel Hingebung als U.nsteht geführt worden find. Diese Verhandlungen, von beiden Seiten mit a.ler Loyalität gepflogen , haben in ^.olge u.assvoller und verständiger Transaktion zu einem Ergebnisse geführt, durch welches langwierige und znm Theil sehr bedenkliche Grenzanstände den erwünsehten und für beide Theile annehmbaren Abs.hluss finden sollen.

Streitig war zwischen Graubünden und Jtalien die Grenze bis anhin aus folgenden ^nnkt..n : 1. auf dem .^plügen,

2. bei .^aftasegna im Vegell und 3. bei brusio im Vusehlav.

Die Greu^reg..lirnngs^ommissäre haben uo^h zwei andere funkte.

nämlich die Grenzen auf dem ..^tilfserjoch und im Val di ^ei in den Bereich ihrer Verhandlungen gezogen, und wir werden später hierauf mit einigen Worten zu sprechen kommen.

Was die eigentlichen Grenzanstände betrisst, so mogeu sollende historiseh.reehtli.h.m .Aushebungen zum bessern Verständnisse des Vertrages

selbst gestattet sein.

l. ^enzanstand anf dem ^plu.^elt.

Als der Kanton Graubünden noch die Oberherrschaft über das Velt..

lin, über Eleven und Worms hatte, scheint ein Zweifel über die Grenze ^) Siehe eidg. .^ese^sammlung, Band vI. Seite ^9.

^

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183 aus dem ^plüg...n nicht bestanden ^u haben , uud eben so wenig ist be..

kannt, dass von 1797 bis 18l 9 l..ier ein Anstand vorgekommen wäre.

Erst als im Jahr 1819 die damalige Oberherrin des Veltlins, die österreichische Regierung, die neue Strasse über den Splügen ausmessen liess und die österreichischen Jngenieure ihre Vermessungen bis zur Wasserscheide ausdehnten, machte die Regierung von Granbünden, und zwar un-

term 14. Juli l8l9, dagegen Vorstellungen und verlangte, dass die .^bftekungslinie auf de.n von Graubunden behaupteten ...^renzpunkt . nämlich etwa 400 Fuss jenseits der Wasserscheide ans dem südlichen Ablauge gegen Jakobslhal, znrnkgezogen merde.

^Die damalige lombardische Regierung liess wirklich die Arbeiten einstehen und versprach, die Sache zu untersuchen. Allein bald nachher nahmen österreichische Jngenieure ihre Arbeiten auf dem ^t streitig gewordenen ^oden wieder auf , und die Einsprachen Graubuudens vom 28. Oktober 1820, 7. Juni, 2. un... ^. Ro.^mber 182l blieben ohne

Ersolg.

^...ie österreichische Regierung nämlich behauptete , die Bergspize oder Wasserscheide, manchenorts auch die ^..hneesehmelze genannt, bilde den eigentlichen Gren^pu..kt zwischen Graubünden und den. Veltlin. Sie liess daher auch aus diesem Bunkte eine Rondelle erriehten und einen Grenzpsahl mit den österreiehisehen Farben ausstellen. Von da an gehorte ..^er ...^plugen ^u den zweifelhaften Grenzgebieten Graubüudens , beziehung^weise der Schweiz.

Graubünden behauptete nämlich fortan , der ^erggrad , die Wasserscheide ^es Splügen, bilde nicht die Grenze , sondern es erstreke sich das

graubü^dnerische Gebiet a..f der südliehen ^lbdaehnng noch etwa 400

Sehrit.e weiter g...gen das veltlinische Jakobsthal. Ans dem angegebenen funkte jenseits der Höhe finden sieh namlieh Spuren einer von ^sten nach Westen den ^erg hinauf gezogenen ^teinerhohnng, die für eine alte Mauer gehalten wird. Ein paar Schrille weiter südlteh befindet sich neben der ehemaligen .Landstrasse ein älteres gepflastertes Stük ^trasse, das in der ^olge durch eine gerade Linie verbessert wurde. ^iese gerad gezogene Linie ist ebenfalls gepflastert nn^ unter dem ..^au.en ,,die neue Bse^e^ bekannt. ^a , wo dieselbe beginnt , wenn mau von ^plü^en herkommt, soll hart a.. der Trasse ein ausgerichteter spinger ^tein gestanden ^ und bis dorthin das Gebiet des Kantons gereicht haben.

Um diese Grande zu retten, glaubt u.an aus folgende Anhaltspunkte sieh stüzen zu können .

1. Jm Jahr t.^3l fe^n ü.^er die Sache mehrere alte Lente amtlich und eidlieh einvernommen worden.

Ein ehemaliger Werkmeister der äussern halben Landschaft Rheinwald habe aus das Bestimmteste versichert , dass Rheiuwald vor Erbauung der

1.^4 neuen Strasse mit den Bessern des Berghauses die alte Strasse bis zu dem von Graubünden behaupteten Bunkte unterhalten habe.

2. Fünf durchaus glaubwürdige Männer hatten ausgesagt : ,,Si^ ,,erinnern sich sehr gut, dass ehemals geraume Zeit hindurch aus der rech,,ten Seite der neuen Bseze bei einem grossen Stein eine Grenzstange ge.^standen habe. Jn gleicher Richtung mit derselben , ebenfalls auf der ^rechten ^eite der ehemaligen Strasse, ziehe sich über einen Hügelrüken ,,hinweg eine noch sichtbare alte Mauer. Diese Linie habe von jeher die ,,Gren^. zwischen den Jakobsthaler- und Rheinwalde .alpen gebildet, und ,,das über dieselben sich hieher verlaufende Vieh sei von den Rheinwaldern ,, gepfändet worden.^.

3. Vier dieser Einvernommenen bezeugten serner, dass sie sich 1811

oder 1812 aus Auftrag auf den ^plügenberg verfügt, woselbst sie auch

Jakobsthaler Abgeordnete und einen italienischen Jugenieur angetroffen hätten. damals sei die neue Bse..e beiderseitig als Grenze anerkannt worden.

4. Ein dritter habe versichert, dass er während der helvetischen Brä-

fektur-Regiernng in den Jahren 1800 bis l 803 ans dem Splügenberg rechts von der Strasse, bei der neuen Bse^e einen Bfahl mit der Auffehrift ., Schweizerische Eidgenossenschaft^ ausgerichtet habe.

5. fernst mau si.h ans obrigkeitliche Verfügungen, welche zu verschiedenen Zeiten wegen des Unterhaltes der Strasse vom Hohenpunkt bis zum Berghaus getroffen worden sind , namentlich auf den Erlass von

1764, welcher sests^t.

..Es sollen die von St. Jakobsthal diese Strasse vo.. den ..Grenzen der Landschaft Rheiuwald bis zum Berghaus in guten

^Stand stellen und inskünftige zu erhalten sehul...ig seiu...

Hier werde durch die Aus^rüke : ^ v o n den G r e n z e n der Landsehaft R h e i n w a l d ^ statt der üblichen: ,,von der B e r g h o h e o d e r dem G i p f e l ^ offenbar angedeutet, dass die Grenze zwischen der .^öhe

und dem Berghaus liege.

Bevor wir weiter gehen , erlauben wir uns eine Bemerkung allge.^ gemeinern Juhaltes, die überall, wo es sieh um Grenzermittlung handelt,

in Anschlag fallen wird.

Die Grenze zwis.hen zwei Ländern oder ^wei Gemeinden ist entweder eine natürliche oder eine künstliche Die natürliche Grenze wird gebildet

durch die eigeuthümliehe Beschaffenheit des Bodens, durch Gebirgskämme oder durch ^lüsfe und ^een. Die natürliche Grenze wird jedoch vertragsmässig ermittelt und durch Marken bezeichnet. Man strebt in der Regel und aus gntem Grunde dahin, namentlich zwischen zwei Ländern eine natürliche Grenze zu erhalteu , und so ist der Kanton Graubnnden von seinen ostlichen und südliehen Rachbaren theils dnreh das Hochgebirge

und theils durch Flüsse geschieden.

185 Fehlt nun eine solche natürliche Grenze und muss man sich mit einer sogenannten künstlichen Grenze behelsen, so ist es Aufgabe des ansprechenden Theiles, seine Behauptungen urkundlich zu beweisen. Gelingt dieser Beweis nicht, oder konnen die aufgeführten Dokumente nicht als hinlänglieh klare und zutreffende angesehen werden, so wird es jedensalls schwer halten, gegenüber einer natürlichen Grenzseheide mit einer künstlichen Linie aufzukommen.

Legen wir diesen Massstab an die vorliegende Frage, so konnen wir beim Abgange seder schriftlichen Urkunde für die Behauptungen Graubün^ dens und im Hinblike darauf , dass alles sich ans einzelne schwankende Zeugenaussagen reduzirt, den Behauptungen der Gegenpartei unsere AnErkennung nicht versagen. Wir halten vielmehr dasür, dass unsere Kommissäre , indem sie den Gipfel des Splügenberges als künftige Grenze gelten liessen , um so weniger zu weit gegangen sind, als die Schweiz bei ihren Grenzunterhandlunge.. jeweileu aus die natürliche Linie das

grosste Gewicht gelegt , und sür eine vorgeschlagene künstliche Linie stets die Erbringung eines urkundlichen Beweises gefordert hat. Es mag zwar richtig sein, dass es aus militärischen Rüi.sichten erwünscht gewesen wäre, die Grenze jenseits des ^plügen ziehen zu konnen; eine andere Bedeutung

hat die ^ache jedoch nicht, indem die Streke vom Berggipfel bis zur

sogenannten neuen Bse^e durchaus werthlos ist.

Die angemerkten Zeugenaussagen verlieren in uusern Augen um so mehr ihr Gewicht , da in altern ..^olizeiverordnungen der Obrigkeit von Graubünden das je^t streitige Gebiet ausdrnklich als ^ur Gemeinde Jakobsthal gehorend anerkannt wird.

So die kommissarischen Dekrete

von 1655, 1657 und 1677.

II. ^rel^e bei ^.astase.^a.

Der zweite Vu..kt, auf welchen. die ...Schweiz eine .Konzession machen muss , wenn sie billigen und von ihr selbst festgehaltenen Gesichtspunkten Rechnung tragen will, ist derjenige bei Eastasegna.

Der le^te Ort der Eigenossenschast gegen Eleven, der änsserste Endpunkt des eben sowohl durch seiue ungemeinen ^aturschouheiten, wie durch den ^leiss und die Tüchtigkeit seiner Bevolkeruu^ ausgezeichneten Thales Bergell, ist das freundliche Dorf Eastasegna. Diese .^rtsehast wird von der italienischen Gemeinde Villa dnrch das ^lüsseheu Lover getrennt, das am Berge Galesone entspringt. Ungefähr 5.).) Fuss jenseits des LoverBaches, gegen Villa zu, zieht steh in gerader Richtung von der Landstrasse auswärts eine halb versacene . über 6..)l) Fuss lange Mauer. Vom Ende derselben, in einiger Entfernung südwestlich findet si..h ein in ^tein gehauenes .^reu^ , dann weiterhin ein ^weites und drittes , und so von Raum zu Raum bis auf die Bergspize eine Reihe ähnlicher Kreuze, die sür Grenz^eiehen genommen werden. Die Gemeinde Eastasegna behauptet nämlich, ihr Gebiet reiche über den Lover-Bach hinaus, und die durch

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die fragliche alte Mauer , sowie durch die Kreuze angegebene Grenzlinie sei eine Lands.heide , und der .Lover-Bach bilde nur unterhalb der Land^ strasse die Grenze zwischen dem Bergell und dem Veltlin.

Die lombardischen Behörden dagegen behaupten, der Lover bilde bis zu seinem Ursprung ^ie landeshoheitiiche Grenze , und die erwahnten Krenze, aus welche die Bergeller eine so grosse Bedeutung legen, feien nichts anderes als Gemeinde- oder Gütermarken.

Anch aus diesem Punkte bestand bis zum Jahr 1803 kein Anstand.

Damals aber belegte die ^egiernng ^es italienischen Königreichs auch die aus dem rechten User des Lover befindlichen Güter der Eastasegner mit der damals aufgekommenen .....atastersteuer. Die Gemeinde ..^astasegn.. t h ...t freilich hiegegen Einspruch, und es wurde diese Sache Gegenstand mannigsacher diplomatischer l^rorteruug^n in den Jahren l 803 bis t 808.

Jn diesem leztern Jahre drang dann Jtalieu ernstlich darauf, dass Grau..

Bünden endlich einmal seine Gründe genauer darlege . warum es den .Lover nicht als Grenzfluss anerkennen wolle , und warum es die Grundsteuer von den betreffenden Gütern glaube verweigern zu können. Diese Darlegung scheint nicht erfolgt zu sein ; wenigstens wird die Steuer seit dem Jahre 18l l bezogen, freilich unter Reehtsverwahrm.g von Seite .^er Besteuerten.

Für ihre Behauptungen führt die Gemeinde Eastasegna, die hier mehr als der .Danton in den Vordergrund tritt, wesentlich sollende Beweismittel an : 1) Bezieht sie sich auf eine Sentenz, ergangen zu .^ieosoprano im Jahr l 539. Damals war es streitig, ob die Gemeinde l^astasegna für das von ihr jenseits des Lover, also auf dem jezt streitigen Gebiete, gewinterte Vieh auf diejenigen ^llpen und Weiden zu treiben berechtigt sei, welche ein Gesammteigenthum der Gemeinden des Unter- Bergells ausmachen. Die Gemeinde berief sich anf das alte Herkommen , und wirklieh wurde sie, gestüzt aus dieses Motiv, von dem Dichter in ihren

Ansprühen ges^hüzt.

2) Berufen sie sich auf eiu.. Sentenz vom Jahr l 543, durch welche zwei Bürger von Eastasegua angehalten wurden, am Berg Galesone eine Marke zn sezen.

. Man mag diese R.^hts...ittel beurtheilen wie man will , so viel ist ^gewiss, dass ihnen eine durchschlagende Beweiskrast nleht zuerkannt werden kann. Dureh den Spruch von 153^) w...rde natürlich über die Territorial^ frage in keiner Weise entschieden. Der Umstand, ^ass die Frage, ob für das jenseits des Lover gewinterte Vieh die gemeinsamen unterbergeliischen Alpen bennzt werden dürfen, bejahend beantwortet wurd..., scheint sodann eher dasür zu sprechen, dass jene Güter als aus nicht graubündnerischem Boden gelegen, angesehen worden seien. Denn hätte die Anficht gewaltet, das Land jenseits des Lover gehorte zum Kanton Grau^

1.^7 Bünden, so sieht man nicht ein, wie die Frage wegen der Sommerung des Eastasegner..Viei..s hatte zweifelhaft werden konnen. da ohne Zweifel alles auf wirklieh Eastasea.ner-Gebiet gewinterte Vieh auch ans die unterbergellischen Alpen im Sommer getrieben werden durste , während dieses Reeht in Bezng ans solches Vieh zweiselhast war und sein konnte, das ^war Bürgern von Eastasegna gehorte, aber ni.^t im Gemeindsb.^irke von Eaftasegna gewintert wurde.

Der aus dem Spruch vou 1543 hergeleitete Beweis ist noch misslieher, weil, um dem Entscheide des Gerichtes von Eastasegna ^ollziehung ^u verschaffen, die Mitwirkung des Geri^te^ Blnrs in Anspruch genommen wurde, was wohl ni.ht ges.hehen wäre, wenn das Gebiet, aus welches sich der Spruch begeht, als graubündnerifcher Grnud und Boden augesehen worden wäre.

Der Vertrag vom 27. Angnst 1863 anerkennt daher die Ansprüche Jtaliens als gerechtfertigt, indem er zwischen Eastasegna und Villa diejenige Lin.e als Grenze ausstellt, welche den vou der Gegenpartei geltend gemachten Behauptungen wesentlich entspricht. Die Grenze soll gebildet werden dnreh das Strombett der .^oruagiua , welche in die linke Seite der Maira ausmündet , von da an eine knr^e Streke weit durch die Maira bis zu dem Bnnkte, wo derselben aus der rechten Userseite der povero ^ufliesst und hieraus durch das Strombett des Lovero selbst bis ^nr anerkannten Grenze.

....I. Grenze hei Brnsio.

Günstiger als bei den beiden frühern Vunkten gestaltet sieh für die Schweiz die Verhandlung ül.er die Grenze zwischen Brusio und Tirauo.

.^ie soll hier erhalten , was sie auf deu beiden andern Bunkten aus Maugel au genügenden Beweisen nicht gewinnen konnten, und hier ist gerade der wichtigste Anstand aus der ganzen streitigen .Linie , sowohl in

militärischer, als in volkswirthschaftlieher .Beziehung.

Das hier streitige Gebiet bildet einen gros.en Theil der Gemeinde Brusio, und umfasst nicht bloss weite Alpen nnd Waldungen, sondern ^neh angebaute und ständig bewohnte Bewirke, für welche die Frage, ob schweizerisch oder veltlinisch, natürlich vou der höchsten Bedeutnug ist.

Der äusserste Gren^puukt Graubündens ge^en die veltlinisehe Stadt.gemeinde Tirano ist die Ruine der Festung Pl^ ni^ , die im Jahr 1487 der mailändisehe Herzog Ludovieo il Moro gehorig in Stand sezen liess, um das Thal von Tirano gegen die Eiusälle der Graubündner durch eine Sehuzwehr abzuschliessen.

Richt weit von der Ruine Pl^tta m.^l^ liegt am rechten Ufer des Flüsschens Boschiavino der Stein, genannt ^l ^sso della .^ella^' oder ^il ^asso del Cavallo ^ , welcher von Bosehiavo als Grenz- und Aus-

188 gangspunkt betrachtet wird. Von hier aus zieht Graubünden die Grenz^ Iinie in gerader Linie den Berg hinaus bis zum ^sso del Gallo.

Aus der rechten Seite des Boschiavino ^ieht Graubunden die Grenz...

von I^latt^ niala hinweg nach dem ^sso di L.^un.^ und von da nordwestlieh über den Bergrüken ...es ^aiarsa bis an denjenigen des Eanea, über diesen hin bis an den Eambolo und von da nordlich über die hochste

Spize des Eambolo und Malgina.

Die Veltliner dagegen ziehen die hoheitliche Grenze von I^tt... m.^ hinweg ostlieh über ^.isso del G^lo, von da nordlich über .^.s^o ^nde bis an das Jrola^Thal, und dann durch dieses Thal hinaus bis auf die Bergspize; auf der westlichen Seite von .^...^ m...la zwischen le .blende und dem Monte Seala u n t e r E a v a j o n e hin, nach der Bergspiz^ des Gmnielhno.

Hier gebricht es au jeglicher natürlichen Grenze. es sehlt der Ge-

birgskanun, der bei Splügen oder die Flnssseheide, die im Bergell schiklieh als Grenzlinie gelten konnte und als solche auch aus Mangel an besser...

Beweisen wird anerkannt werden müssen.

^nr Behauptung der von Graubünden gemachten Rechtsansprüche werden wir uns daher nach den nothigen Urkunden umzuseheu habeu.^ welche die angesprochene künstliche Grenze zu stüzen vermag.

^iese Urkunde findet stch in einem Spruche pon. Jahr 1526. Um n.imlieh den sieh immer erneuernden Grenzstreitigkeiten zwischen Bosehiav^ und Tirano ein Ziel zu sezen, beauftragte der graubündnerische Bundestag ein unparteiisches Gerieht, die schwebenden, aus unklaren Grenzen herrührenden Anstände endgültig zu erledigen. Der von diesen 13 Sehiedsriehtern am 2. Jnni l.52^ erlassene Spruch lässt sich n.u. in seinem ersten und wesentlichsten Vnukte also vernehmen : ,,Erstlich erklären wir mit dieser unserer Senten^, dass die Grenzen ,,der Hoheit des Gotteshausbnndes gehen bis zum Thurm von Pl.^lta ,,m^l^ , aus der Morgenseite bis zur Hohe des Hahnensteins .^asso del ,,G.^lo), in gerader Linie aussteigend bis zur Hohe des genannten Berges.

,,Aus der .^bendseite vom genannten Thurn.e von Pl.^l^ m^ bis zur ,,Hohe des Ln^m.^teines, und so aufsteigend in gerader Linie bis zur "Hohe des besagten Berges Wir erklären, dass von diesen Grenzen ,,einwärts gegen Brusio die Hoheit l^es Gotteshausbundes sein soll, und ,,dass alle Bersonen, welehe innerhalb des genannten Thurmes .wohnen, ..unter der Jurisdiktion von Buschlav und Brusio seiu sollen. Rüksiehtlich ,,der Angelegenheiten, Zinsen, Abgaben und Kriege und in Hinsieht jeder ,,andern Saehe sollen sie unter der geuannten Gemeinde und den Leuten "vou Bosehiavo und Brusio und ihrer Jurisdiktion stehen und sich ver^ ^gleichen und der Gemeinde von Tirano zu nichts verpflichtet sein.^ Dieser Spruch wiederholt und zulegt noch im Jahr 1680 in allen

Theilen bestätigt, ist so klar und unverfänglich, dass man nicht begreif^

1^

.

wie derselbe von Veltlin nur hat angegriffen werden können.

Dennoch

ist dies geschehen, indem pom Veltlin geltend gemacht werden will, das

Gericht vom Jahr 1526 habe aus lanter Graubündnern bestanden, der Spruch müsse daher als parteiisch erscheinen und könne für Tirano nich.t verbindlich sein.

Mit allem Rechte erwidert hierauf Graubünden : Es habe dem Freistaate der drei Bünde zu jener Zeit unzweifelhaft die Botmässigkeit über das Veltlin zugestanden, und es fei ^der bündnerisehe Bundestag die anerkannte landesherrliche Behörde über die Veltliner gewesen. Jn dieser Stellung habe er die volle Befngniss besessen . bei waltenden Zweifeln über die Grenzlinie zwischen zwei .Landestheilen für eine genaue Unter-

suchung und endgültige Feststellung der zweifelhasten Verhältnisse Vorsorge zu treffen.

Diese zu Gunsten der schweizerischen Ansprüche sprechenden Gründe und Beweise fanden in den Kommissiousverhandluugeu entsprechende Berüksichtignng. so dass hier die Grenze in einer Weise gezogen werden soll, welche den l^erwärtigen Wünschen in allen wesentlichen funkten ein Geuüge leistet. Die Linie wird westlieh und östlich so gezogen, wie die Schweiz es von jeher verlangt hat , und die einige Konzession besteht darin, dass der Vunkt blatta m.^a noch auf italienisches Gebiet zu liegen kommt. Der im Jahr 1809 eingesezte Grenzstein wird hiernach etwas weiter gegen die S.hweiz zurükoersezt, und von diesem Grenzsteine aus wird dann rechts und links die Gräuze gemäß den herwartigen ^.lnsprühen gezogen.

Wie bemerkt, handelt es sieh ans diesen. Bunkte um die wichtigste .^raa.e aller zwischen Granbünden und Jtalieu waltenden Gren^anstände.

Es handelt sich nm sehr bedeutende materielle Jnteressen ; es handelt sich ferner darum , ob eine Reihe von Höfen , welche seit Jahrhunderten schweizerisch waren, künftig zn Jtalien gesehlagen werden sollen. Durch den Vertrag wird diese ^rage zu Gunsten der .^chwei^ erledigt, und wir

dürfen hierin eine hinlängliche Entschädigung dasür erblike^ , was aus den beiden andern .funkten am Splügen und bei Eastasegua Jtalieu kon.^ zedirt werden muss.

I^ .^al di Lei.

^ie Kommission hat auch die ^.rage wegen des Val in den Bereich ihrer Beratungen gezogen.

di ^et noch

Von schweizerischer Seite, und hier namentlich von Militärs, ist wiederholt Zweifel ausgesprochen worden, ob nicht das Lei -Thal für die . Schweiz angesprochen werden könne.

Das Val di .Lei gehorte ursprünglich den Grafen von Werdenberg, und wurde von diesen im Jahr 14^2 der Gemeinde ..^lurs verkaust.

100 Diesen Akt wollten d.e italienischen Kommissare als sür die Sache massgebend erklären.

Rach unserer A..stcht begründet derselbe jedoch lediglich eine zivilrechtliche Handäuderung und keineswegs einen Entscheid über die Territorialsrage. Mass^ebend hiefür ist dagegen nach unserm Dafürhalten der ..Spruch , welchen Ulrich von Ealleuberg im Rameu der drei Bünde am 14. Febrnar 1644 im Streite ..wissen der Gemeinde B.urs ansgefällt hat.

Jn diesen^. Spruche kommt nun folgende , wie uns scheint, jeden Zweifel hebende und die Frage durchschiebende Stelle vor : ,,Erstli.h erkhent mann, dass die Alp vnd thall ^eh, in der Gemeindt ..vnd Territorio Blurss lige, in dem ^eill, vnd marken, wie solche in ,,deu eingelegten s.hrissten, sonderlich von Johann de Eapouibus, in ,,uammen derGrasseu von Werdenberg, den ^lursern gethauen Verkhauff, ,,rogirt den 10. Jul^ .^lnuo l 46.^, durch Joauuem de gasale comi no.,,tarium begriffen Jst. Jtem dass sie Vlurser die im gedachten thall ,,ligende gnet.^.r oder Alpen Schni^e mogen, wie von alter haro. vnd ,,sollent h.emit die von der lobl. ^emeindt Schambss ausf gedachtem Thall Belegte s^.ni^ aussgehebt sein, iel.. vnd ansüro.^ Die Kommission hat diesen Gegenstand zweimal in ^...rathung gezog^u, zunächst im vorigen Jahre anlässlieh der übrigen Gren^anstän^e, und dann in einer besondern Znsammen^.nft am 27. Angust l. J. Das

Ergebniss dieser .Besprechungen ging hauptsächlich dahin, die bereits ge-

zogenen Gren^.n im Thal .^i ^ei so klar und deutlich als moglich ^u .bestimmen, und insbesondere dem Danton Graul^ünden das Recht zu wahren, den ...lverser^Weg ua.h ..^edürfniss erweitern oder auch in eine Balestrasse umwandeln zu konnen , indem die linke Uferstreke des .^lverserbaches als Schwei^ergebiet anerkannt un^ auf dieser ^..treke ^ie grenze thalabwärts durch den liukseitigen Straßenrand gebildet werden soll. Es versteht sich, dass wir uns mit dieser Erläulernug nur einverstanden erklären können, während wir andererseits im ^alle sind, dem ...^pru^he von 1644 diejeuige Bedeutung und Verbindlichkeit zuzuerkennen, welche wir bei brusio für ^en ^prueh vo^ 1.^26 iu unserm Jnteresse in Anspruch genonimen haben.

Endlich hat die Kommission auch noch die Hohe des .......tilfserjoches in Augenschein genommen , indem die Vermutl.mng ausgesprochen worden ist, es mochte bei Erstellung der legten Biegung auf der ^telvio-^trasse .auf sehwei^eriseh.^s Gebiet übergegrisfen worden sein.

Von diesem .^nstande ist uns niemals Kenntniss gegeben worden, und es findet sieh ^avou iu den .^ll^ten uieht die leiseste .^pur. Beim Augensehein hat sieh die Kommissiou überzeugt, dass die Strasse über den Stelvio gänzlich auf italienischem Gebiete angelegt ist.

^

^

^ Bei diesem ^l^lasse hat sieh die Kommission dahin verständigt, dass am äussersten funkte des legten Rankes aus der linken Seite der ^trasse ein Grenzstein gese.^t werden soll, um damit die schweizerisch -italienische Grenze anzuzeigen.

Zur Verdeutlichung der Lokalitäten sind in Beziehung auf die streitigen ^nikte ^mit Ausnahme desjenigen aus dem Stelvio, der ohne Bedentnng ist) Grundrisse dem gegenwärtigen Berichte beigelegt, welche geeignet sein dürsten , die Fragen , um welche es sich handelt , auch für denjenigen anschaulicher zu machen, weleher mit den Oertlichkeiten selbst nicht vertraut ist.

Zum Schlusse haben wir zu bemerken die Ehre, dass ^ir die ^....träge der zunächst betheiligten Regierung des Kautous Graubi...d.^ .^ Einsicht und Vernehmlassnng mitgetheilt haben. Dieselbe gibt .^ ^ mit S.hreiben vom 17. September die Erklärung ab, dass sie keinerle. .^lns..

stellungen daran zu machen si.nde und dafür halte, ..^ss diese schon seit langer Zeit obwaltenden Anstände hiedurch zu einer für beide Theile besriedigenden Losung gelaufen werden.

^ei dieser Sachlage tragen wir um so weniger Bedenken, Jhnen die hoheitliche Genehmhaltung der vorliegenden Verträge nach s.^.gendem Veschlussentwurse zu empsehlen.

Genehmigen Sie, Tit., achtung.

die Versicherung unserer vollkommenen Hoch-

B e r n , den 24. .September 1864.

Ju. Ramen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsident :

.^r. ^. Dnbs.

Der Kanzler der Eidgenos^enschast .

^chie^.

1.)2

Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend

die ^renzregnliruug zwischen der Schweiz (^raubunden) und Jtalien (Beltlin).

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgen o s s e n sehaft, nach Einsi.ht einer Uebereinkunft betreffend Feststellung der Grenze zwischen dem Kanton Graubünden und dem Veltlin, abgeschlossen aus der Grenze zwischen Brusio und girano am 27. August 1863.

eines Nachtrages zu dieser Uebereinkunft bezüglich des ^al di Lei, abgeschlossen ^u ^ndeer, Kts. Graubünden, am 22. August 1864,

und eines Berichtes des Bundesrathes vom 24. September 1864, beschliesst: Der Bundesrath wird ermächtigt, die erwähnten Uebereinkünste im Ramen der Eidgen ossenschast ^u genehmigen und die zur Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses weiter nothigen Verfügungen ^u treffen.

^ o t e. Der vorstehende Beschlußentwurf lst vom schweig. ^ationalralhe am 28. September 18^ und vom sehwelz. Ständerathe am 5. Dezember gl. J. an^ genommen worden. (S^ eldg. Gesezsammlung, Band vlII, Seite 17.^.)

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend die Grenzregulirung zwischen der Schweiz (Graubünden) und Italien (Veltlin). (Vom 24.

September 1865.)

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