10.2.3

Botschaft zur Genehmigung des Abkommens über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Tadschikistan vom 11. Januar 2012

10.2.3.1

Grundlagen und Überblick zum Abkommen

Nach dem Zerfall der Sowjetunion sind fünfzehn neue Staaten entstanden, die 1991 von der Schweiz anerkannt wurden. Aufgrund der nach wie vor sehr engen zwischenstaatlichen Beziehungen dieser Länder schlossen sie sich ­ mit Ausnahme der drei baltischen Staaten ­ in der Folge zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammen.

Während die Russische Föderation den Status als «Fortsetzerstaat» der ehemaligen Sowjetunion übernommen hat, mussten die anderen GUS-Staaten für ihre bilateralen Vertragsbeziehungen neue Grundlagen schaffen, welche den neuen wirtschaftspolitischen Gegebenheiten Rechnung trugen.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hat daher ein Musterabkommen ausgearbeitet, das auf Basis der Regeln des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen1 (GATT) der Welthandelsorganisation (WTO) wie der Nichtdiskriminierung, Meistbegünstigung und Inländerbehandlung ausgebaut werden kann. Es enthält Klauseln für einen besseren Schutz des geistigen Eigentums und beschreibt die Bereiche einer künftigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Tadschikistan ist einer der letzten GUS-Staaten, mit denen die Schweiz ein solches Abkommen abschliesst. Ähnliche Abkommen bestehen bereits mit Russland, der Ukraine, Belarus, Moldawien, Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Armenien, Georgien und Aserbaidschan. Die Verhandlungen mit Tadschikistan wurden später aufgenommen, da sich das Land in den 1990er-Jahren im Bürgerkrieg befand.

Tadschikistan ist noch nicht Mitglied der WTO, aber Beitrittskandidat.

Politische und wirtschaftliche Situation Tadschikistans Tadschikistan ist ein Hochgebirgsland in Zentralasien ohne Zugang zum Meer. Nach der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1991 herrschte bis 1997 ein Bürgerkrieg, dessen Folgen heute noch spürbar sind. Tadschikistan ist trotz seines steten Wachstums immer noch das ärmste Land der ehemaligen Sowjetunion. Innerhalb der GUS ist Tadschikistan immer noch eng mit Russland verbunden, pflegt inzwischen aber auch Beziehungen zu anderen Ländern wie China und dem Iran.

Für die Aussenpolitik des Landes von zentraler Bedeutung sind die Probleme des benachbarten Afghanistan und das daraus resultierende Risiko, dass Drogenhandel und bewaffneter Islamismus auch auf Tadschikistan überschwappen. Ausserdem wird die internationale Zusammenarbeit immer wichtiger. Tadschikistan arbeitet mit zahlreichen internationalen Organisationen zusammen (Weltbank, Asiatische Ent1

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wicklungsbank, Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa [OSZE], Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, Internationale Organisation für Migration) und erhält umfangreiche Hilfsmittel. Es hat eine Abmachung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) für Reformen in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Landwirtschaft getroffen. Bei der Umsetzung der Strukturreformen muss die soziale Komponente berücksichtigt werden.

Tadschikistan verfügt aufgrund seiner gebirgigen Topografie über ein grosses hydroelektrisches Potenzial. Dank diesem Energieüberfluss konnte sich die Aluminiumindustrie entfalten. Die zweite grosse Einnahmequelle ist die Baumwollproduktion.

Die Einnahmen aus dem Baumwoll- und Aluminiumexport sind aber instabil, weshalb die Wirtschaft für Marktpreisschwankungen anfällig ist. Seit dem Bürgerkrieg hat sich die tadschikische Wirtschaft deutlich erholt. Zwischen 2003 und 2007 nahm das Bruttoinlandprodukt pro Jahr durchschnittlich um 8,6 Prozent zu. Die Leichtindustrie, die Dienstleistungen und der Bausektor trugen in den 2000er-Jahren wesentlich zum Wachstum bei. Eine wichtige Einnahmequelle stellen auch die finanziellen Mittel dar, die von nach Russland und Kasachstan ausgewanderten Arbeitskräften nach Hause geschickt werden. Im Jahr 2010 erreichte das Wirtschaftswachstum 6,5 Prozent. Für 2011 prognostiziert der IWF ein Wachstum von 5,7 Prozent.

Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Tadschikistan Tadschikistan gehört bei den Bretton-Woods-Institutionen zur gleichen Stimmrechtsgruppe wie die Schweiz. Die Entwicklungszusammenarbeit stellt daher ein zentrales Element der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen dar. Die Schweiz setzt mit Tadschikistan ein umfangreiches bilaterales Kooperationsprogramm mit einem Budget (DEZA und SECO) von 13,5 Millionen Schweizerfranken für 2011 um.

Dieses Programm beinhaltet die Infrastrukturentwicklung (Trinkwasser und Abwasserreinigung, Bewässerungssysteme, Energie, Minderung der Risiken im Zusammenhang mit Naturkatastrophen), die Reform des Gesundheitssystems, die öffentlichen Dienste (mit Schwerpunkt bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen und beim Zugang zur Justiz) sowie die Unterstützung der Zentralbank und die Entwicklung des Privatsektors. Über die letzten zehn
Jahre wurden rund 130 Millionen Schweizerfranken aufgewendet. Für Zentralasien ist ein neues Programm in Vorbereitung. Die Schweiz wird Tadschikistan auch in Zukunft unterstützen, insbesondere bei der Wasserversorgung, der Entwicklung des Privatsektors, der Reform des Gesundheitswesens und der Entwicklung des Rechtsstaats für einen besseren Zugang zur Justiz.

Der Handelsaustausch zwischen den beiden Ländern ist noch sehr bescheiden. Die Schweizer Exporte nach Tadschikistan betrugen 3,5 Millionen Schweizerfranken im Jahr 2010, während praktisch nichts aus Tadschikistan importiert wurde. Das Land profitiert von den allgemeinen Zollpräferenzen der Schweiz zugunsten von Entwicklungsländern. Per Ende 2009 beliefen sich die Investitionen der Schweiz auf knapp 50 Millionen Schweizerfranken und haben somit in den letzten Jahren zugenommen.

Die Schweizer Wirtschaft ist namentlich in der Textil- und der Baumwollbranche präsent.

Im Juni 2009 unterzeichneten die beiden Länder ein Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen, das die Schweiz bereits ratifiziert

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hat. Es wird nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens in Tadschikistan in Kraft treten. Im Bereich der Doppelbesteuerung wurde im Juni 2010 ebenfalls eine Vereinbarung unterzeichnet, für die das Ratifikationsverfahren zurzeit läuft. Das Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit rundet somit den rechtlichen Rahmen im Hinblick auf die Wirtschaftsbeziehungen unserer beiden Länder ab.

10.2.3.2

Inhalt des Abkommens

Das am 15. Juli 2011 mit Tadschikistan unterzeichnete Abkommen ist wie oben erwähnt ein Rahmenabkommen, das noch ausbaufähig ist. Es berücksichtigt die im Land erfolgten politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen.

Das Abkommen stützt sich auf die Grundsätze der WTO sowie der OSZE. Die im Abkommen vorgesehene Meistbegünstigungsklausel ist insofern interessant, als dass Tadschikistan noch nicht Mitglied der WTO ist, sondern Beitrittskandidat. Das Abkommen verdeutlicht den Willen beider Nationen, wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Die Bestimmungen im Abkommen sollen den Marktzugang erleichtern.

Das Abkommen legt die Rahmenbedingungen fest, um eine Ausweitung des bilateralen Waren- und Dienstleistungsaustausches, intensivere gegenseitige Beziehungen und damit eine harmonische Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zu begünstigen (Art. 1). Dabei stützt es sich auf die grundlegenden Regeln des GATT (Art. 2). Die Vertragsparteien gewähren sich die Meistbegünstigung (Art. 3) und verzichten auf eine diskriminierende Behandlung der Handelsgüter der Gegenseite (Art. 4).

Die importierten Waren der anderen Vertragspartei kommen in den Genuss der Inländerbehandlung (Art. 5). Zahlungen im Zusammenhang mit dem Handel von Gütern und Dienstleistungen erfolgen in frei konvertierbarer Währung und der Zugang zu Devisen darf nicht in diskriminierender Weise eingeschränkt werden (Art. 6). Der Warenhandel hat zu Marktpreisen und auf der Grundlage international üblicher Geschäftsgepflogenheiten zu erfolgen; Tausch- und Gegengeschäfte sollen von den Vertragsparteien weder verlangt noch gefördert werden (Art. 7). Artikel 8 verlangt von den Vertragsparteien, dass sie der Gegenseite ermöglichen, sich über abkommensrelevante Gesetze, Gerichtsurteile und administrative Vorschriften, die die Geschäftstätigkeiten betreffen, zu informieren. Dasselbe gilt für Änderungen bei der zolltariflichen und statistischen Nomenklatur. Im Falle von Marktstörungen verpflichten sich die Vertragsparteien vor Ergreifen von Schutzmassnahmen zu gegenseitigen Konsultationen und zur Suche nach einvernehmlichen Lösungen (Art. 9).

Die Vertragsparteien gewährleisten einen angemessenen, wirksamen und nichtdiskriminierenden Schutz der Rechte des geistigen Eigentums (Art. 10), wobei der Schutz vor Piraterie und Fälschungen im
Vordergrund steht. Sie verpflichten sich insbesondere, den Mindestanforderungen zu genügen, die sich aus den wichtigsten Abkommen im Bereich des geistigen Eigentums ergeben, namentlich dem Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum2 (TRIPSAbkommen).

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Artikel 11 umschreibt die in Handelsabkommen üblichen Ausnahmeregelungen (z.B. Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Schutz des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen). Artikel 12 sieht eine Zusammenarbeit zur Beseitigung technischer Hindernisse für den Handel vor. Artikel 13 widmet sich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zur Förderung von Strukturanpassungsmassnahmen und des Erfahrungsaustauschs. Die Wirksamkeit des Abkommens wird periodisch durch einen Gemischten Ausschuss überprüft (Art. 14). Das Abkommen kann auf Antrag einer Vertragspartei überprüft werden (Art. 15). Es findet auch auf dem Gebiet des Fürstentums Liechtenstein Anwendung (Art. 16). Artikel 17 regelt die Modalitäten für Änderungen am Abkommen und die Streitbeilegung.

10.2.3.3

Inkrafttreten

Das Abkommen tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Tag folgt, an dem sich beide Vertragsparteien gegenseitig die Beendigung ihrer jeweiligen internen Genehmigungsverfahren notifiziert haben (Art. 18). Es wird für eine Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und verlängert sich automatisch für weitere fünf Jahre, sofern es nicht innerhalb der vorgesehenen Frist auf das Ende einer 5-Jahresdauer gekündigt wird (Art. 19).

10.2.3.4

Wirtschaftliche, finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Abkommen hat keine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt und den Personalbestand des Bundes.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Abkommens über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit können nicht wie zum Beispiel bei Doppelbesteuerungs- oder Freihandelsabkommen durch eine Gegenüberstellung von erwarteten Gewinnen und Steuer- oder Zolleinbussen abgeschätzt werden. Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Abkommens besteht darin, dass es unsere Wirtschaftsbeziehungen auf eine völkerrechtliche Grundlage stellt und gleichzeitig die Rechtssicherheit erhöht und die Risiken der Diskriminierung auf dem betreffenden Markt verringert.

10.2.3.5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Abkommen erfolgt im Rahmen der Leitlinie 5 «Die Stellung der Schweiz in einer vernetzten Welt festigen», damit die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weltweit verbessert werden, wie sie in der Botschaft vom 23. Januar 20083 über die Legislaturplanung 2007-2011 und im Bundesbeschluss vom 18. September 20084 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt wurde.

3 4

BBI 2008 753 804 BBl 2008 8543

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10.2.3.6

Rechtliche Aspekte

Bezug zur WTO und zum Recht der Europäischen Union Die Schweiz ist Mitglied der WTO, während Tadschikistan Beitrittskandidat ist.

Nach Meinung der Schweiz steht das Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Verpflichtungen ihrer Mitgliedschaft bei der WTO im Einklang.

Der Abschluss von Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Drittstaaten steht weder mit den staatsvertraglichen Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der Europäischen Union noch mit den Zielen der europäischen Integrationspolitik der Schweiz in Widerspruch.

Verfassungsmässigkeit Die Verfassungsgrundlage für den Abschluss internationaler Abkommen findet sich in der allgemeinen aussenpolitischen Kompetenz des Bundes nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung5 (BV). Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung dieser Abkommen ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen dem Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), die den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Das Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Tadschikistan ist unbefristet und gilt für jeweils fünf Jahre. Es kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende einer 5-Jahresdauer gekündigt werden (vgl. Ziff. 10.2.3.3). Es setzt keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation voraus.

In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20026 gilt eine Bestimmung eines völkerrechtlichen Vertrags als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig kann eine solche Bestimmung sein, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht als grundlegende Bestimmung gelten würde. Die wirtschaftliche, rechtliche und politische Tragweite des betreffenden Abkommens ist nicht grösser als die der anderen Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren mit GUS-Staaten abgeschlossen wurden. Das Abkommen bringt keine neuen bedeutenden Verpflichtungen für die Schweiz mit sich. Wie bei den
anderen von der Schweiz abgeschlossenen Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit erfordert die Umsetzung dieses Abkommens nicht den Erlass von Bundesgesetzen. Das Abkommen ersetzt kein innerstaatliches Recht und trifft keine Grundsatzentscheide für die nationale Gesetzgebung.

Aus diesen Gründen untersteht der Bundesbeschluss zur Genehmigung dieses Abkommens nicht dem Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1­3 BV.

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SR 101 SR 171.10

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Vernehmlassung Das Abkommen ist nicht dem Staatsvertragsreferendum unterstellt, betrifft keine wesentlichen Interessen der Kantone und ist nicht von grosser Tragweite im Sinne von Artikel 3 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20057. Folglich wurde auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet.

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SR 172.061

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