12.057 Botschaft zur Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (Weiterentwicklung des Schengen- und des Dublin/Eurodac-Besitzstands) vom 23. Mai 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (Weiterentwicklung des Schengen- und des Dublin/Eurodac-Besitzstands).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Mai 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-0924

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Übersicht Diese Botschaft bezieht sich einerseits auf die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, kurz IT-Agentur. Andererseits betrifft sie eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat im Hinblick auf den Abschluss einer Zusatzvereinbarung zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, in der die Modalitäten der Beteiligung der Schweiz an der Agentur genauer festgelegt werden sollen. Der Abschluss dieser Vereinbarung ist notwendig, damit sich die assoziierten Staaten an der Agentur beteiligen können.

Gegenstand der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 ist die Errichtung einer Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Bereich von Titel V (Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der auch die Schengen/Dublin-Zusammenarbeit umfasst. Mit der Verordnung wird das langfristige Betriebsmanagement des VisaInformationssystems (VIS) und von Eurodac sowie, zu einem späteren Zeitpunkt, des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) von der Europäischen Kommission auf die Agentur übertragen. Später könnte die Agentur auch mit der Entwicklung und dem anschliessenden Betrieb anderer IT-Systeme im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht beauftragt werden, sofern diese neuen Systeme ordnungsgemäss durch einen neuen Rechtsakt der EU begründet werden. Im Rahmen ihrer Aufgaben wird die Agentur insbesondere Entscheidungen fällen, die direkte (namentlich finanzielle und technische) Auswirkungen auf die Schweiz haben können. Hingegen wird sie über keine rechtsetzenden Kompetenzen verfügen. Denn der Hauptauftrag der Agentur besteht darin, das Betriebsmanagement des SIS II, des VIS und von Eurodac sicherzustellen, damit diese Systeme das ganze Jahr über rund um die Uhr funktionieren und somit einen stetigen, ununterbrochenen Datenaustausch gewährleisten. Die Agentur wird ihre Tätigkeit am 1. Dezember 2012 aufnehmen.

Am 5. Juni 2005 hat das Schweizer Volk der Beteiligung des Landes an der Schengen/Dublin-Zusammenarbeit zugestimmt. In der Folge hat die Schweiz am 20. März 2006 das Schengen-Assoziierungsabkommen und
das Dublin-Assoziierungsabkommen ratifiziert. Da mit diesen Abkommen ein dynamisches System geschaffen wurde, hat sich die Schweiz verpflichtet, grundsätzlich auch die künftigen Weiterentwicklungen des Schengen- und des Dublin/Eurodac-Besitzstands zu akzeptieren. Für die Schweiz stellt die vorliegende Verordnung eine solche Weiterentwicklung dar, die nach dem ordentlichen Verfahren übernommen werden muss, das in den Assoziierungsabkommen vorgesehen ist. Dieses Verfahren umfasst die Notifizierung der Weiterentwicklung durch die Organe der EU sowie die Übermittlung einer Antwortnote, in der die Schweiz mitteilt, dass sie den ihr notifizierten Rechtsakt akzeptiert.

Da der Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung vom Parlament genehmigt werden muss, akzeptiert die Schweiz den Inhalt des Rechtsakts unter

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Vorbehalt der Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (Art. 7 Abs. 2 Bst. b des Schengen-Assoziierungsabkommens und Art. 4 Abs. 3 des DublinAssoziierungsabkommens). Somit verfügt sie über eine Frist von höchstens zwei Jahren, um ihre internen Verfahren, einschliesslich einer allfälligen Referendumsabstimmung, abzuschliessen.

Als an Schengen/Dublin assoziierter Staat beteiligt sich die Schweiz bereits an der Nutzung der Informationssysteme SIS, VIS und Eurodac. Die Übernahme der vorliegenden Verordnung hat für die Schweiz zur Folge, dass ihre Beteiligung im Rahmen der neuen gemeinsamen institutionellen Struktur neu definiert wird. Genauer wird die Übernahme der Verordnung zunächst dazu führen, dass die Mitspracherechte der Schweiz in der Führung und im Betrieb der betreffenden Informationssysteme präzisiert und formell festgelegt werden. Ausserdem wird die Übernahme den assoziierten Staaten Gelegenheit bieten, im Gegensatz zur heutigen Situation Stimmrechte zu erhalten, zumindest insoweit, als sich diese Rechte allein auf rein operative Entscheidungen beziehen.

Die Übernahme der Verordnung erfordert, dass zwischen der EU einerseits und der Schweiz und den anderen assoziierten Staaten (Norwegen, Island, Liechtenstein) andererseits eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen wird. In dieser Vereinbarung sollen Art und Umfang der Beteiligung der assoziierten Staaten an der Agentur sowie die diesbezüglichen Vorschriften detailliert festgelegt werden (einschliesslich der finanziellen Beiträge an die Agentur). Der Bundesbeschluss enthält eine Delegationsnorm, die den Bundesrat ermächtigt, diese Zusatzvereinbarung abzuschliessen. Denn obwohl die Vereinbarung noch ausgehandelt werden muss, ist ihr Inhalt im Wesentlichen bereits ausreichend bekannt. Die wichtigsten Punkte der Vereinbarung sind die Art der Berechnung des finanziellen Beitrags der Schweiz zum Haushalt der Agentur, die Modalitäten für die Beschäftigung von Schweizer Staatsangehörigen in der Agentur und der Umfang der Stimmrechte der Vertreterinnen und Vertreter der assoziierten Staaten in den Organen der Agentur.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 als Weiterentwicklung des Schengen- und des Dublin/Eurodac-Besitzstands

1.1.1

Ausgangslage

Gegenstand der Übernahme Diese Botschaft bezieht sich auf die Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (nachfolgend: die Verordnung)1 als Weiterentwicklung des Schengen- und des Dublin/Eurodac-Besitzstands. Zudem betrifft die Botschaft eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat, mit der dieser ermächtigt werden soll, eine Zusatzvereinbarung zwischen der EU einerseits und der Schweiz und den anderen assoziierten Staaten andererseits abzuschliessen. In dieser Vereinbarung werden Art und Umfang der Beteiligung der assoziierten Staaten an der Agentur sowie die diesbezüglichen Vorschriften detailliert festgelegt.

Am 5. Juni 2005 hat das Schweizer Volk der Beteiligung des Landes an der Schengen/Dublin-Zusammenarbeit zugestimmt. In der Folge hat die Schweiz am 20. März 2006 das Schengen-Assoziierungsabkommen (nachfolgend: SAA)2 und das DublinAssoziierungsabkommen (nachfolgend: DAA)3 ratifiziert. Die Assoziierungsabkommen sind am 1. März 2008 in Kraft getreten. Die Inkraftsetzung des SchengenBesitzstands und indirekt des Dublin/Eurodac-Besitzstands für die Schweiz erfolgte auf den 12. Dezember 2008, mit Ausnahme der Aufhebung der Personenkontrollen an den Flughäfen für Flüge innerhalb des Schengen-Raums, die erst am 29. März 2009 eingeführt wurde. Da mit den Assoziierungsabkommen ein dynamisches System geschaffen wurde, hat sich die Schweiz auch verpflichtet, die Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands (Art. 2 Abs. 3 und Art. 7 SAA) und des Dublin/Eurodac-Besitzstands (Art. 1 Abs. 3 und Art. 4 DAA) grundsätzlich zu akzeptieren. Die zu übernehmende Verordnung stellt eine Schengen-Weiterentwicklung und, aufgrund der Aufnahme des Betriebs von Eurodac in die Aufgaben der Agentur, die erste Entwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands dar, die der Schweiz notifiziert wurde.

1

2

3

Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Okt. 2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in der Fassung gemäss ABl. L 286 vom 1.11.2011, S. 1.

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, SR 0.362.31.

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags, SR 0.142.392.68.

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Der Vorschlag der Europäischen Kommission4, der schliesslich zur Verabschiedung der Verordnung geführt hat, geht auf den 24. Juni 2009 zurück. Die Ausarbeitung der Verordnung durch den Rat und durch das Europäische Parlament dauerte fast zweieinhalb Jahre. Die Schweiz war in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates vertreten und konnte ihren Standpunkt zum Entwurf im Rahmen ihres Mitspracherechts geltend machen. Anschliessend stimmten die zuständigen Organe der EU formell über den Verordnungstext ab. Die Verordnung wurde am 25. Oktober 2011 verabschiedet und der Schweiz am 7. November 2011 notifiziert. Am 23. November 2011 beschloss der Bundesrat, die Weiterentwicklung zu akzeptieren, sodass die Schweiz am darauffolgenden Tag unter Vorbehalt der Beendigung ihrer innerstaatlichen Verfahren ihre Annahme notifizieren konnte. Die Agentur wird ihre Tätigkeit am 1. Dezember 2012 aufnehmen.

Im Bereich von Titel V (Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der die Schengen/Dublin-Zusammenarbeit umfasst, wurden verschiedene IT-Grosssysteme aufgebaut, von denen einige zurzeit bereits in Betrieb sind. Dies gilt vor allem für das Schengener Informationssystem der ersten Generation (SIS), das Visa-Informationssystem (VIS) und das System Eurodac für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zweck der effektiven Anwendung der Dublin-Regeln. Gegenwärtig wird das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) entwickelt. Es soll 2013 in Betrieb genommen werden.

Gegenstand der Verordnung ist die Errichtung einer Agentur für das Betriebsmanagement der Informationssysteme VIS und Eurodac sowie des SIS II ab dessen Inbetriebnahme. Künftig kann die Agentur allenfalls auch andere IT-Systeme im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht entwickeln und betreiben, sofern die EU jeweils ein entsprechendes neues Rechtsinstrument verabschiedet.

Durch die Verordnung wird somit die Zuständigkeit für das Betriebsmanagement, die bisher bei der Europäischen Kommission lag, auf die Agentur übertragen.

Zudem ermöglicht die Verordnung eine kohärentere Gesetzgebung, da sie eine einheitliche Struktur für das Betriebsmanagement mehrerer IT-Systeme im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht schafft, die bisher getrennt verwaltet wurden.

Als an Schengen/Dublin
assoziierter Staat beteiligt sich die Schweiz bereits an der Nutzung der Informationssysteme SIS, VIS und Eurodac. Diesbezüglich werden die Übernahme der Verordnung und der damit verbundene Abschluss der Zusatzvereinbarung zunächst dazu führen, dass die Mitspracherechte der Schweiz in der Führung und Nutzung der betreffenden Informationssysteme präzisiert und formell festgelegt werden. Sie werden den assoziierten Staaten jedoch auch Gelegenheit bieten, im Gegensatz zur heutigen Situation Stimmrechte in den Organen der Agentur zu erhalten, zumindest insoweit, als sich diese Rechte auf rein operative Entscheidungen beschränken.

Auftrag und Natur der Agentur Die Agentur hat in erster Linie den Auftrag, das Betriebsmanagement des SIS II, des VIS und von Eurodac sicherzustellen, damit diese Systeme das ganze Jahr über rund um die Uhr funktionieren und einen stetigen, ununterbrochenen Datenaustausch gewährleisten. Neben diesen operativen Aufgaben wird die Agentur Zuständigkeiten 4

KOM(2009) 293 endgültig.

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übernehmen, die sich auf das Festlegen von Sicherheitsmassnahmen, die Erstellung von Berichten, die Veröffentlichung, die Kontrolle und die Information beziehen.

Die Hauptaufgaben der Agentur umfassen somit die Gesamtsteuerung der IT-Systeme sowie den Betrieb dieser Systeme. Die Agentur soll ein äusserst leistungs- und reaktionsfähiges Kompetenzzentrum bilden, das mit spezialisiertem ausführendem Personal ausgestattet ist, dies auch im Hinblick auf die Entwicklung und das Betriebsmanagement anderer potenzieller Systeme im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht.

Zudem ist die Agentur für alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Kommunikationsinfrastruktur zuständig, die in den einschlägigen Erlassen der EU zu den betreffenden IT-Systemen erwähnt sind. Sie übernimmt auch Aufgaben in der Schulung von Fachleuten des VIS und des SIS II, einschliesslich der Schulung im Zusammenhang mit dem Austausch von Zusatzinformationen. Unter bestimmten Voraussetzungen verfolgt sie ausserdem die Entwicklungen in der Forschung und führt Pilotprojekte durch. Schliesslich kann ihr auch die Zuständigkeit für die Entwicklung und den Betrieb anderer IT-Grosssysteme im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts übertragen werden, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass ergänzende Rechtsinstrumente erlassen werden, die die Errichtung derartiger Systeme vorsehen und der Agentur entsprechende Kompetenzen einräumen.

Generell ist die Zuweisung dieser Systeme zu einer Agentur darauf ausgerichtet, Synergien zu nutzen und Räumlichkeiten und Personal gemeinsam in Anspruch zu nehmen.

Obwohl die Aufgaben der Agentur operativer Natur sind und die Agentur über keine rechtsetzenden Kompetenzen verfügt, handelt es sich nach der Terminologie der EU um eine sogenannte «Regulierungsagentur». Sie wird als Einrichtung der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit errichtet.

Beteiligung der assoziierten Staaten Soweit sich die Verordnung auf das SIS und das VIS bezieht, stellt sie für die Schweiz eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des SAA dar; in Bezug auf Eurodac entspricht sie einer Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands. Beschliesst die Schweiz, die Verordnung zu übernehmen, ist sie folglich berechtigt, im Verwaltungsrat Einsitz zu nehmen und sich an den Tätigkeiten der anderen Organe
der Agentur zu beteiligen. In der Praxis verfügt die Schweiz in den Organen der Agentur de facto bereits über einen Beobachterstatus, der solange gilt, bis der Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung sowie die noch auszuhandelnde Zusatzvereinbarung in Kraft treten.

Die Beteiligung der Schweiz an der Agentur hat auch finanzielle Auswirkungen: Der derzeitige finanzielle Beitrag der Schweiz an den Betrieb der entsprechenden IT-Systeme muss im Rahmen der Verhandlungen über die Zusatzvereinbarung neu festgelegt werden.

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1.1.2

Verlauf der Arbeiten und Beratungen

Die Beratungen über den Verordnungstext wurden von den Mitgliedstaaten der EU und den assoziierten Staaten in den Jahren 2009 bis 2011 in Brüssel geführt. Sie fanden in der zuständigen Arbeitsgruppe des Rats der EU (Gruppe Schengen-Besitzstand) sowie im COREPER statt, die als gemischter Ausschuss tagten. Den Vorsitz führten nacheinander Schweden, Spanien, Belgien, Ungarn und Polen.

Im Rahmen der Mitspracherechte, welche die EU den assoziierten Staaten einräumt, beteiligten sich Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone im gemischten Ausschuss aktiv an den Vorbereitungsarbeiten für den Verordnungsentwurf. Damit gelang es ihnen, die Interessen der Schweiz zu wahren, insbesondere im Rahmen der Diskussionen über Artikel 37 der Verordnung, der sich auf die Beteiligung der assoziierten Staaten bezieht, und in der Frage der Mitspracherechte dieser Staaten5.

1.1.3

Verfahren der Übernahme der Weiterentwicklung

Abschluss des Notenaustauschs Die Artikel 7 SAA und 4 DAA sehen ein spezielles Verfahren für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklungen des Schengen- und des Dublin/EurodacBesitzstands vor. Zunächst notifiziert die EU der Schweiz «unverzüglich» die Annahme von Rechtsakten oder Massnahmen, die eine Weiterentwicklung des Schengen- oder des Dublin/Eurodac-Besitzstands darstellen. Danach verfügt der Bundesrat über eine Frist von 30 Tagen, um dem zuständigen Organ der EU (Rat der EU oder Kommission) zu notifizieren, ob die Schweiz beabsichtigt, die Weiterentwicklung zu übernehmen. Diese Frist läuft ab der Annahme des Rechtsakts durch die EU.

Die Notifizierung durch die EU und jene durch die Schweiz bilden einen Notenaustausch, der aus Sicht der Schweiz einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben muss dieser Vertrag entweder vom Bundesrat oder vom Parlament und, im Fall eines Referendums, vom Volk genehmigt werden. Ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Notenaustauschs zuständig, muss die Schweiz der EU in ihrer Antwortnote mitteilen, dass die betreffende Weiterentwicklung für sie erst nach Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtsverbindlich wird (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA und Art. 4 Abs. 3 DAA). In diesem Fall verfügt die Schweiz für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklung über eine Frist von höchstens zwei Jahren ab der Notifizierung durch den Rat der EU. Innerhalb dieser Frist muss auch eine allfällige Referendumsabstimmung stattfinden. Sind alle verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, unterrichtet die Schweiz den Rat und die Kommission unverzüglich in schriftlicher Form. Wird kein Referendum ergriffen, erfolgt diese Mitteilung unverzüglich nach Ablauf der Referendumsfrist. Der Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung tritt zum Zeitpunkt der Übermittlung dieser Mitteilung in Kraft, die der Ratifizierung des Notenaustauschs gleichkommt.

5

Vgl. Ziff. 1.2.2 unten.

5881

Im vorliegenden Fall wurde die Verordnung der Schweiz am 7. November 2011 notifiziert. Der Bundesrat beschloss am 23. November 2011, die Verordnung unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsmässigen Voraussetzungen zu übernehmen, und notifizierte der EU seinen Beschluss am darauffolgenden Tag. Folglich läuft die zweijährige Frist am 8. November 2013 ab.

Konsequenzen einer Nichtübernahme Wird die Verordnung nicht innerhalb von höchstens zwei Jahren übernommen, gelangt das spezielle Verfahren zur Anwendung, das im SAA und im DAA vorgesehen ist: Im Rahmen des DAA (Art. 4 Abs. 6 und 7) wird das Abkommen ausgesetzt und der Gemeinsame Ausschuss prüft innerhalb von 90 Tagen eine einvernehmliche Lösung. Kann keine Lösung erzielt werden, gilt das Abkommen nach Ablauf dieser Frist als beendet. Im Rahmen des SAA (Art. 7 Abs. 4) wird das Abkommen als beendet angesehen, sofern nicht der Gemischte Ausschuss innerhalb von 90 Tagen nach Prüfung der Möglichkeiten zur Fortsetzung des Abkommens etwas anderes beschliesst. Ist dies nicht der Fall, wird das Abkommen drei Monate nach Ablauf der 90-tägigen Frist automatisch beendet6.

1.2

Bedarf nach einer Zusatzvereinbarung

1.2.1

Ausgangslage

Die Agentur ist eine Einrichtung der EU. Da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, muss zwingend eine Zusatzvereinbarung zwischen der EU einerseits und der Schweiz sowie den anderen assoziierten Staaten (Norwegen, Island, Liechtenstein) andererseits abgeschlossen werden. In dieser Vereinbarung müssen die Modalitäten für die Beteiligung dieser Staaten an den Tätigkeiten der Agentur, für die Einsitznahme ihrer Vertreterinnen und Vertreter in den Organen und für die Beschäftigung ihrer Staatsangehörigen durch die Agentur geregelt werden. Genauer gesagt muss die Zusatzvereinbarung Bestimmungen enthalten, um unter anderem Art und Umfang der Beteiligung der assoziierten Staaten an den Arbeiten der Agentur sowie detaillierte Vorschriften dafür, einschliesslich Bestimmungen zu Finanzbeiträgen, Personal und Stimmrechten, festzulegen (Art. 37 der Verordnung).

Mit Beschluss vom 25. Mai 2011 hat der Bundesrat ein entsprechendes Verhandlungsmandat genehmigt. Die Verhandlungen sollen im ersten Halbjahr 2012 aufgenommen werden. Noch lässt sich nicht bestimmen, bis zu welchem Datum sie abgeschlossen sein werden.

6

Vgl. Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen II, BBl 2004 6133 ff.

5882

1.2.2

Überblick über den Inhalt der auszuhandelnden Vereinbarung

Allgemeiner Überblick Gemäss Artikel 37 der Verordnung muss eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen werden, in der unter anderem Art und Umfang der Beteiligung der assoziierten Staaten an den Arbeiten der Agentur, insbesondere Bestimmungen zu Finanzbeiträgen, Personal und Stimmrechten, festgelegt werden. Dabei handelt es sich um eine ähnliche Vereinbarung wie jene, welche die Schweiz im Hinblick auf ihre Beteiligung an der FRONTEX-Agentur abgeschlossen hat7.

Artikel 37 der Verordnung enthält eine nicht abschliessende Aufzählung einiger grundlegender Punkte der Vereinbarung. Anhand des gesamten Verordnungstextes sowie anderer derartiger Vereinbarungen, die mit der EU abgeschlossen wurden8, lässt sich der künftige Inhalt der Vereinbarung zudem schon jetzt mit ausreichender Genauigkeit absehen. Im Wesentlichen wird die Vereinbarung Bestimmungen zu den folgenden Punkten enthalten: Umfang der Mitspracherechte der assoziierten Staaten, Höhe des finanziellen Beitrags zum Haushalt der Agentur, Anerkennung der Zuständigkeit des Gerichtshofs der EU (EuGH) gegenüber der Agentur, massgebende rechtliche Bestimmungen im Bereich des Datenschutzes und Voraussetzungen für die Beschäftigung von Schweizer Staatsangehörigen in der Agentur. Überdies wird die Vereinbarung einige klassische Nebenbestimmungen umfassen, vor allem zur Rechtsstellung der Agentur in der Schweiz, zu ihren Vorrechten und Immunitäten, zu ihrer Haftungsregelung, zur Anerkennung der Zuständigkeit anderer Einrichtungen der EU für die Kontrolle der Arbeitsweise oder der Tätigkeiten der Agentur (vgl. Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung, OLAF9; Rechnungshof), zu den Voraussetzungen und Modalitäten einer allfälligen Übergangsregelung zwischen dem Datum, an dem die Agentur ihre Tätigkeit aufnimmt (1. Dezember 2012), und dem formellen Inkrafttreten der Vereinbarung sowie zu den Modalitäten einer Beendigung der Vereinbarung.

Mitspracherechte Angesichts des Verfassungsrechts, das sich aus den Verträgen der EU ergibt, ist es nicht zulässig, Nichtmitgliedstaaten der EU über einen völkerrechtlichen Vertrag Stimmrechte in rechtsetzenden und institutionellen Fragen zu gewähren. Hingegen stellt das Recht der EU kein Hindernis dar, dass unter bestimmten Voraussetzungen und im Hinblick auf Entscheidungen über operative Fragen in einer Vereinbarung vorgesehen
wird, Drittstaaten partielle Stimmrechte in Einrichtungen der EU einzuräumen. So haben die assoziierten Staaten bereits innerhalb von FRONTEX ein Stimmrecht erhalten, das sich auf operative Fragen beschränkt. Da die Agentur ihre Tätigkeiten nicht in einem rechtsetzenden, sondern in einem technischen Bereich 7

8 9

Vereinbarung vom 30. Sept. 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein einerseits und der Europäischen Gemeinschaft andererseits zur Festlegung der Modalitäten der Beteiligung dieser Staaten an der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (nachfolgend: FRONTEX-Vereinbarung), SR 0.362.313.

Vgl. z.B. FRONTEX-Vereinbarung, SR 0.362.313; Vereinbarung über den Aussengrenzenfonds, SR 0.362.312.

ABl. L 136 vom 31.5.1999, S. 1.

5883

ausübt, dürfte es unter bestimmten Voraussetzungen mit der Rechtsordnung der EU vereinbar sein, den assoziierten Staaten Mitspracherechte zu gewähren. In der Verordnung zur Errichtung der Agentur wird diese Möglichkeit übrigens ausdrücklich anerkannt (vgl. Art. 37, 16 Abs. 4, 19 Abs. 6 und Erwägung 36).

Die Modalitäten der Vertretung der Schweiz im Verwaltungsrat und in den Beratergruppen ­ genauer der Umfang des Mitspracherechts der Schweizer Vertreterinnen und Vertreter in diesen Organen ­ sind eine der zentralen Fragen, die in der Vereinbarung geregelt werden müssen. In den Verhandlungen wird die Schweiz bei der EU insbesondere auf die Anerkennung eines wirksamen Stimmrechts hinwirken. In diesem Zusammenhang geht es vor allem darum, die Fälle, in denen die Schweizer Vertreterinnen und Vertreter in den verschiedenen Organen der Agentur stimmberechtigt sein werden festzulegen sowie jene Fälle, in denen ein Stimmrecht ausgeschlossen ist. Gemäss der Verordnung werden die Schweizer Vertreterinnen und Vertreter in den Beratergruppen auf jeden Fall berechtigt sein, Stellungnahmen zu Fragen abzugeben, für die sie kein Stimmrecht besitzen (Art. 19 Abs. 6 der Verordnung).

Finanzieller Beitrag Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung sieht vor, dass die Einnahmen der Agentur neben einem Zuschuss der EU einen finanziellen Beitrag der assoziierten Staaten umfassen. In den Verhandlungen wird die Schweiz darauf achten, dass die gleiche Formel Anwendung findet wie diejenige in Artikel 2 Absatz 1 der FRONTEXVereinbarung. Diese Berechnungsart entspricht einer gut eingeführten Regel, da sie bereits in den Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen festgelegt ist. So hat sich die Schweiz aufgrund des SAA verpflichtet, Beiträge an die operativen Kosten zu entrichten. Artikel 11 Absatz 3 SAA sieht diesbezüglich vor, dass die Schweiz «im Verhältnis des Prozentsatzes ihres Bruttoinlandsprodukts zum Bruttoinlandsprodukt aller teilnehmenden Staaten» zu diesen Kosten beiträgt. Dasselbe gilt für Artikel 8 Absatz 1 Abschnitt 2 DAA hinsichtlich der Verwaltungskosten und der operativen Kosten im Zusammenhang mit der Anwendung des DAA10.

In der Vereinbarung kann somit ein Verweis auf die Lösungen vorgenommen werden, die in den Artikeln 11 Absatz 3 SAA und 8 Absatz 1 DAA verankert sind, oder selbst eine ähnliche Lösung wie in
diesen Bestimmungen vorgesehen werden.

Beschäftigung von Schweizer Personal Schweizer Staatsangehörige werden in ziemlich breitem Umfang die Möglichkeit haben, als Personal der Agentur beschäftigt zu werden. In diesem Punkt, der als wenig heikel gilt, zeigt sich die EU nicht nur in ihren Voraberklärungen offen, sondern auch in der Formulierung der allgemeinen Bedingungen der Stellenausschreibungen, auf die sich Bürgerinnen und Bürgern von assoziierten Staaten bewerben können. Allerdings wird die Rekrutierung vom Abschluss der Vereinbarung abhängig gemacht.

10

Art. 8 Abs. 1 Abschnitt 2 DAA lautet wie folgt: «An den sonstigen Verwaltungskosten oder operativen Kosten im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Abkommens beteiligt sich die Schweiz am Gesamthaushalt der Europäischen Gemeinschaften mit einem jährlichen Beitrag entsprechend dem Verhältnis ihres Bruttoinlandsprodukts zum Bruttoinlandsprodukt aller teilnehmenden Staaten.»

5884

Gerichtsbarkeit des EuGH und Zuständigkeit des OLAF Von der Schweiz wird voraussichtlich verlangt, dass sie die Gerichtsbarkeit des EuGH innerhalb des Rahmens anerkennt, der durch Artikel 24 Absatz 2 und 4 der Verordnung vorgegeben wird, d.h. zum einen im Bereich der ausservertraglichen Haftung der Agentur für Schäden, die ihre Dienststellen oder ihre Bediensteten in Ausübung ihres Amts verursachen (Art. 24 Abs. 3), und zum anderen, wenn eine Schiedsklausel in einem von der Agentur geschlossenen Vertrag dem EuGH die Zuständigkeit zuweist.

Was den zweiten Fall anbelangt, untersteht die Aufnahme einer Schiedsklausel in einen Vertrag grundsätzlich der Vertragsfreiheit der Parteien und kann somit die Souveränität der Schweiz nicht beeinträchtigen. Eine ähnliche Lösung wurde übrigens in der FRONTEX-Vereinbarung angenommen. In Bezug auf die ausservertragliche Haftung sind einige sehr spezifische Hypothesen zu unterscheiden: Dieser Fall könnte zum Beispiel eintreten, wenn ein Schweizer Staatsangehöriger in seiner Eigenschaft als Mitglied des Personals der Agentur einem Dritten Schaden zufügen würde. Dann müsste die Agentur für ihren Bediensteten haften, unabhängig von seiner Schweizer Staatsangehörigkeit. Nur wenn die begangene Widerhandlung besonders gravierend wäre, könnte die Agentur allenfalls anschliessend auf ihren Beschäftigten mit Schweizer Staatsangehörigkeit Rückgriff nehmen. Hingegen wäre ein Rückgriff auf die Schweiz nicht möglich, da die oder der Beschäftigte der Agentur grundsätzlich nicht Bedienstete oder Bediensteter des Bundes ist. Es könnte auch der Fall eintreten, dass eine Angestellte oder ein Angestellter der Agentur der Schweiz in Ausübung ihres oder seines Amtes einen Schaden zufügt, ohne dass die Angelegenheit einvernehmlich beigelegt werden kann. Diesfalls müsste die Schweiz anschliessend auf dem Rechtsweg von der Agentur Schadenersatz fordern. Angesichts des Auftrags der Agentur ist es nicht ausgeschlossen, dass Schäden an den schweizerischen IT-Systemen verursacht werden, die mit den IT-Systemen der EU vernetzt sind. In einem solchen Fall wird die Schweiz jedoch höchstwahrscheinlich nicht der einzige geschädigte Staat sein. Auf jeden Fall stünde der Schweiz nicht als Beklagte, sondern als Klägerin vor dem EuGH. Es sind somit nur wenige Anwendungsfälle denkbar. Im Übrigen ist
diese Art von Anerkennungsklausel nicht neu; ähnliche Bestimmungen bestehen bereits in anderen Rechtsakten der EU, die von der Schweiz übernommen wurden11.

Sollte die EU von der Schweiz verlangen, die Zuständigkeit des OLAF und des Rechnungshofs für die Kontrolle der Arbeitsweise und der Tätigkeiten der Agentur anzuerkennen, würde dies ebenfalls kein Problem darstellen, denn es ist eher unwahrscheinlich, dass das OLAF eines Tages in der Schweiz seine Kompetenz ausüben kann, Inspektionen vor Ort («on the spot») durchzuführen. Auf jeden Fall hat die Schweiz die Zuständigkeit dieser Einrichtungen der EU bereits im Rahmen

11

Vgl. z.B. FRONTEX-Vereinbarung, SR 0.362.313; Vereinbarung über den Aussengrenzenfonds, SR 0.362.312.

5885

anderer Vereinbarungen formell anerkannt. Dies gilt zum Beispiel für die Zusatzvereinbarung zum Aussengrenzenfonds12, für das Abkommen im Umweltbereich13 oder auch für das MEDIA-Abkommen14.

Weitere Aspekte In den IT-Systemen, die von der Agentur betrieben werden, werden besonders schützenswerte Daten bearbeitet. Deshalb muss die Agentur die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 anwenden, welche die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten auf die Organe und Einrichtungen der EU und auf den freien Verkehr dieser Daten ausdehnt15. Dies gewährleistet, dass nicht nur die Tätigkeiten der Agentur, sondern auch die Übermittlung von Daten zu Schweizer Staatsangehörigen von der Agentur an andere Schengen-Staaten oder an Drittstaaten einer angemessenen Datenschutzregelung unterstehen.

In der Vereinbarung müsste sich die Schweiz verpflichten, die Vorschriften zur vertraulichen Behandlung der Dokumente der Agentur zu beachten, die sich aus der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats der Agentur ergeben, wie dies bereits in der Vereinbarung der Fall ist, die im Rahmen von FRONTEX16 abgeschlossen wurde.

Dabei würde es sich um eine Spezialbestimmung handeln, die das Abkommen ergänzt, das die Schweiz mit der EU über Sicherheitsverfahren für den Austausch von Verschlusssachen abgeschlossen hat17.

Zudem müsste die Schweiz grundsätzlich anerkennen, dass die Agentur im schweizerischen Recht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt und dass sie die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit besitzt, die juristischen Personen nach dem schweizerischen Recht zuerkannt wird. Überdies wird die Schweiz auf die Agentur und ihr Personal ein Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten anwenden, wie dies für die FRONTEX-Agentur bereits der Fall ist.

Schliesslich müsste die Vereinbarung Bestimmungen enthalten, die vorsehen, dass sie ausser Kraft gesetzt wird, wenn das SAA und das DAA gekündigt werden oder ablaufen.

12

13

14

15 16 17

Insbesondere Art. 8 und 9 der Vereinbarung vom 19. März 2010 zwischen der Europäischen Gemeinschaft sowie der Republik Island, dem Königreich Norwegen, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über zusätzliche Regeln im Zusammenhang mit dem Aussengrenzenfonds für den Zeitraum 2007­2013, SR 0.362.312.

Art. 14 und Anhang IV des Abkommens vom 26. Okt. 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Umweltagentur und dem Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz (EIONET), SR 0.814.092.681.

Art. 7 und Anhang III des Abkommens vom 11. Okt. 2007 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft im audiovisuellen Bereich zur Festlegung der Voraussetzungen und Bedingungen für die Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft am Gemeinschaftsprogramm MEDIA 2007, SR 0.784.405.226.8.

ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

SR 0.362.313 Abkommen vom 28. April 2008 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union über die Sicherheitsverfahren für den Austausch von Verschlusssachen, SR 0.514.126.81.

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1.2.3

Kompetenzdelegation für den Abschluss der Zusatzvereinbarung

Die Kompetenz für den Abschluss der Zusatzvereinbarung wird dem Bundesrat übertragen, da die Übernahme der Verordnung innerhalb der Zweijahresfrist erfolgen muss, die in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b SAA und in Artikel 4 Absatz 3 DAA vorgesehen ist. Durch die Kompetenzdelegation an den Bundesrat lässt sich zudem ein schwerfälliges Verfahren verhindern, bei dem der Bundesversammlung zwei Vorlagen zum gleichen Gegenstand vorgelegt werden müssten.

Die Kompetenzdelegation an den Bundesrat ist restriktiv formuliert. Damit soll sichergestellt werden, dass die Vereinbarung nicht über den Rahmen hinausgeht, der durch das SAA und das DAA vorgegeben wird, und dass sich die Schweiz nicht weitergehend verpflichtet, als sie dies im Rahmen ihrer Assoziierung an Schengen und Dublin bereits getan hat. Ausgehend vom voraussichtlichen Inhalt der künftigen Vereinbarung18 enthält die Delegationsnorm eine nicht abschliessende Aufzählung der Punkte, die der Bundesrat mit der EU regeln kann; damit wird der einzuhaltende Rahmen festgelegt. Sollte die EU von der Schweiz verlangen, dass sie vor allem im finanziellen Bereich Verpflichtungen eingeht, die deutlich vom Rahmen abweichen, der im Bundesbeschluss vorgegeben wird, müsste die Zusatzvereinbarung von der Bundesversammlung genehmigt werden.

Die Delegation der Kompetenz zum Abschluss der Vereinbarung an den Bundesrat ist in Artikel 2 des Bundesbeschlusses vorgesehen. Damit lässt sich verhindern, dass der Bundesversammlung ein zweiter Beschluss vorgelegt werden muss, wenn die Vereinbarung ausgehandelt ist und abgeschlossen werden kann.

1.3

Kein formeller Umsetzungsbedarf im innerstaatlichen Recht

Die Übernahme der Verordnung erfordert keine Änderung der schweizerischen Gesetzgebung, da eine Agentur für den Betrieb von IT-Systemen errichtet wird, an denen sich die Schweiz schon heute beteiligt. Die Rechtsgrundlagen für die Beteiligung der Schweiz an den Systemen SIS II, VIS und Eurodac bestehen bereits: Sie ergeben sich daraus, dass die Schweiz die einzelnen Rechtsakte der EU zur Errichtung der erwähnten IT-Systeme übernommen hat. Die Rechtsgrundlagen müssen im Hinblick auf die Beteiligung der Schweiz an der neuen Agentur nicht geändert werden. Im Übrigen ist die Verordnung direkt anwendbar, da sie technische Fragen regelt, welche die Arbeitsweise der Agentur und den Betrieb der Systeme betreffen.

Schliesslich werden die Fragen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Schweiz an der Agentur in einer völkerrechtlichen Zusatzvereinbarung geregelt, die direkt anwendbar sein wird19.

18 19

Vgl. Ziff. 2.2.

Vgl. Ziff. 1.2 oben.

5887

1.4

Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren

Auf die Durchführung einer Vernehmlassung wurde aus den folgenden Gründen verzichtet: Die zur Frage stehende Weiterentwicklung ist technischer Natur, da es sich um eine institutionelle Umstrukturierung des Betriebsmanagements der IT-Systeme innerhalb der EU handelt, an denen sich die Schweiz im Rahmen ihrer Assoziierung an Schengen und Dublin bereits beteiligt. Die Kantone und die politischen Parteien hatten deshalb schon Gelegenheit, sich im Rahmen einer Vernehmlassung zum Grundsatz der Beteiligung der Schweiz an diesen Systemen zu äussern. Im vorliegenden Fall geht es nur noch darum, einen erheblichen Teil der Kompetenzen für das Betriebsmanagement von der Kommission auf eine neue Agentur der EU zu übertragen, in der die Schweiz höchstwahrscheinlich über umfangreichere Mitspracherechte verfügen wird. Im Übrigen konnten die Kantone die Erarbeitung der zu übernehmenden Verordnung verfolgen, als die Schweiz ihr Recht wahrnahm, an der Ausarbeitung der Schengen-Weiterentwicklungen mitzuwirken.

2

Erläuterungen zu den wichtigsten Bestimmungen der Verordnung

2.1

Gegenstand der Verordnung und Aufgaben der Agentur

Gegenstand der Verordnung ist die Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, d.h. des VIS und von Eurodac sowie ab 2013 des SIS II. Inskünftig kann der Agentur auch die Zuständigkeit für die Konzeption, die Entwicklung und das Betriebsmanagement neuer IT-Grosssysteme übertragen werden, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die EU ein geeignetes Rechtsinstrument annimmt (Art. 1 der Verordnung). Unter Betriebsmanagement ist die Ausführung aller Aufgaben zu verstehen, die erforderlich sind, um IT-Grosssysteme gemäss den spezifischen Vorschriften für jedes dieser Systeme in Betrieb zu halten, einschliesslich der Zuständigkeit für die von ihnen verwendete Kommunikationsinfrastruktur. In diesem Rahmen wird die Agentur eine Reihe von spezifischen Zielen anstreben, unter anderem den wirksamen, sicheren und kontinuierlichen Betrieb der Systeme, eine effiziente und in finanzieller Hinsicht rechenschaftspflichtige Verwaltung, eine hohe Dienstqualität für die Nutzerinnen und Nutzer sowie ein hohes Datenschutzniveau.

Konkreter werden der Agentur besondere Aufgaben gemäss den Bestimmungen der Rechtsinstrumente, gemäss denen die drei IT-Systeme errichtet wurden, übertragen (Art. 3, 4 und 5 der Verordnung). Sie nimmt jedoch auch spezifische Aufgaben wahr, die mit der Kommunikationsinfrastruktur (Betriebsmanagement, Kontrolle, Sicherheit, Entwicklung), der Verfolgung der Entwicklungen in der Forschung in diesem Bereich (Art. 8 der Verordnung) und gegebenenfalls, vorbehaltlich der Annahme einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage, mit der Konzeption, der Entwicklung und dem Betriebsmanagement anderer IT-Systeme zusammenhängen.

Ausserdem besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Pilotprojekte durchzuführen (Art. 9 der Verordnung).

5888

2.2

Rechtsnatur und Organisation der Agentur

Die Agentur ist keine internationale Organisation im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 2 BV20, denn unter einer internationalen Organisation ist eine juristische Person des Völkerrechts zu verstehen, die durch einen multilateralen Vertrag begründet wird, in der Staaten oder andere Völkerrechtssubjekte zusammengeschlossen sind und die über eine eigene völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit sowie über eigene Organe verfügt, die ihrerseits Entscheidungskompetenz besitzen.

Die Agentur verfügt zwar über eine eigene Rechtspersönlichkeit (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung) und über eigene Organe (Art. 11 der Verordnung), doch da sie durch einen Rechtsakt begründet wird, der von den Organen der EU erlassen wurde, weist sie die Rechtsnatur einer Einrichtung der EU auf.

Die Agentur verfügt über einen Verwaltungsrat, einen Exekutivdirektor, Beratergruppen, einen Datenschutzbeauftragten, einen Sicherheitsbeauftragten und einen Rechnungsführer.

Der Verwaltungsrat ist das oberste Organ der Agentur und besitzt weitreichende Befugnisse. Seine zahlreichen, umfangreichen Aufgaben sind in Artikel 12 der Verordnung aufgezählt. Er setzt sich aus einer Vertreterin oder einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen, einschliesslich einer Vertreterin oder eines Vertreters pro assoziiertem Staat wie der Schweiz (Art. 13 der Verordnung). In der Verordnung sind die wichtigsten Regeln für die Abstimmungen im Verwaltungsrat verankert. In Bezug auf die Stimmrechte der assoziierten Staaten verweist die Verordnung auf die Vorschriften, die in der Zusatzvereinbarung ausgehandelt und festgelegt werden (Art. 16 der Verordnung)21.

Der Exekutivdirektor hat den Auftrag, die Agentur unabhängig zu führen, ihre reibungslose Arbeitsweise zu gewährleisten und die Agentur zu vertreten. Er nimmt an den Sitzungen des Verwaltungsrates teil, verfügt aber über kein Stimmrecht (Art. 17 der Verordnung).

Die Beratergruppen sind dafür zuständig, dem Verwaltungsrat mit ihren Fachkenntnissen in Bezug auf die drei von der Agentur betriebenen IT-Systeme zur Seite zu stehen, während die konkreten Entscheidungen vom Verwaltungsrat gefällt werden.

Jeder teilnehmende Staat, einschliesslich der Schweiz, entsendet ein Mitglied pro Beratergruppe (Art. 19 der Verordnung). Nach dem Wortlaut der Verordnung müssen die Mitglieder der Beratergruppen
bei der Ausarbeitung jeder Stellungnahme bestrebt sein, zu einem Konsens zu gelangen. Gelingt ihnen dies nicht, enthält die Stellungnahme den begründeten Standpunkt der Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder, doch abweichende Standpunkte müssen ebenfalls zu Protokoll genommen werden. Zudem sieht die Verordnung vor, dass die Vertreterinnen und Vertreter der assoziierten Staaten, unter anderem der Schweiz, auch zu Fragen, für die sie kein Stimmrecht besitzen, Stellungnahmen abgeben dürfen22.

20 21 22

SR 101 Vgl. Ziff. 1.2.2 oben.

Vgl. Ziff. 1.2.2 oben.

5889

2.3

Allgemeine Bestimmungen

Die Agentur hat ihren Sitz in Tallinn (Estland). Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Betriebsmanagement der IT-Systeme werden jedoch in Strassburg (Frankreich) durchgeführt; am Standort Strassburg ist eine sehr grosse Erfahrung vorhanden, da Frankreich während Jahren die Verwaltung des SIS I sichergestellt hat. Durch die Beibehaltung des operativen Standorts in Strassburg kann die Agentur diese Erfahrung nutzen. Der bestehende Back-up-Standort in Sankt Johann im Pongau (Österreich), mit dem sich der Betrieb eines Systems bei dessen Ausfall sicherstellen lässt (backup site), wird weitergeführt.

Das Personal der Agentur besteht aus Beamten, aus Bediensteten auf Zeit und aus Vertragsbediensteten, die dem Statut der Beamten der EU unterstehen. Nach Artikel 37 der Verordnung werden die Modalitäten für die Beschäftigung von Staatsangehörigen der assoziierten Staaten als Personal der Agentur in der Zusatzvereinbarung geregelt. In der Agentur sollen rund 45 Personen mit Verwaltungsaufgaben betraut und dem Sitz in Tallinn zugeteilt werden, während am Standort Strassburg etwa 75 Personen für das Betriebsmanagement und die Entwicklung der IT-Grosssysteme zuständig sein werden. Für den Standort in Österreich ist zurzeit kein ständiges Personal vorgesehen, da der laufende Betrieb der Backup-Einheit durch das Personal sichergestellt wird, das aus Strassburg anreist.

Angesichts der Schutzwürdigkeit der Daten in den IT-Systemen, die von der Agentur betrieben werden, sieht die Verordnung die Ernennung eines Datenschutzbeauftragten vor, der zu den Organen der Agentur gehört (Art. 11 Abs. 2 Bst. a). Zudem enthält sie in Artikel 28 einen allgemeinen Verweis auf die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr23. Dieser Rechtsakt verpflichtet die Organe und Einrichtungen der EU namentlich, den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten der natürlichen Personen und insbesondere deren Recht auf Privatsphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sicherzustellen, wenn sich diese Daten nach den Rechtsvorschriften der EU im Verkehr befinden.

2.4

Finanzbestimmungen

Die Finanzbestimmungen bilden das fünfte Kapitel der Verordnung.

In Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung sind die Einnahmen der Agentur abschliessend aufgezählt: ein Zuschuss, der in den Gesamthaushaltsplan der EU eingesetzt wird, ein finanzieller Beitrag der assoziierten Staaten, unter anderem der Schweiz, sowie etwaige Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten. Absatz 2 enthält eine nicht abschliessende Aufzählung der Ausgaben: Personal-, Verwaltungs-, Infrastrukturund Betriebsaufwendungen sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit von der Agentur eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen. Gemäss Absatz 3 muss auf jeden Fall gewährleistet sein, dass Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sind.

23

ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

5890

In den Absätzen 4 bis 11 dieses Artikels ist das Verfahren zur Feststellung des Haushaltsplans im Einzelnen beschrieben: Auf der Grundlage des Entwurfs des Exekutivdirektors nimmt der Verwaltungsrat den Entwurf des Voranschlags der Einnahmen und Ausgaben der Agentur für das folgende Haushaltsjahr an. Dieser Entwurf und die allgemeinen Leitlinien zu dessen Begründung werden der Kommission und den assoziierten Staaten, darunter der Schweiz, jeweils bis zum 10. Februar übermittelt. Der endgültige Voranschlag wird jedes Jahr bis spätestens 31. März übermittelt. Der Haushaltsplan der Agentur wird vom Verwaltungsrat festgestellt. Er wird dann definitiv, wenn der Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union vom Europäischen Parlament endgültig festgestellt ist.

Die Agentur untersteht auch den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF)24. Durch ihren Beitritt zur Interinstitutionellen Vereinbarung über die internen Untersuchungen des OLAF25 verpflichtet sich die Agentur zudem, den reibungslosen Ablauf der Untersuchungen zu erleichtern, die diese Behörde bei ihr durchführt.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Allgemeines Die Kosten der Beteiligung der Schweiz an der Agentur stehen noch nicht endgültig fest, da sie mit der EU ausgehandelt werden müssen und in der Zusatzvereinbarung festgelegt werden26. Sehr wahrscheinlich werden sie jedoch einem Prozentsatz der Gesamtausgaben der Agentur entsprechen, der gemäss dem Verteilschlüssel ermittelt wird, der in Artikel 11 Absatz 3 SAA und Artikel 8 Absatz 1 DAA festgelegt ist (d.h. im Verhältnis des Prozentsatzes des BIP der Schweiz zum BIP aller teilnehmenden Staaten). Die Berechnung des Beitrags der Schweiz zum Haushalt der Agentur sollte sich nicht von dem unterscheiden, was bereits im Rahmen ihrer Assoziierung an Schengen und Dublin gilt.

Die Gesamtkosten im Zusammenhang mit der Einrichtung und dem Betrieb der Agentur werden insbesondere die Errichtungs-, Verwaltungs- und Betriebskosten umfassen. Die Schweiz beteiligt sich bereits an den spezifischen Kosten, die mit den betreffenden IT-Systemen verbunden sind. Ausserdem beteiligt sie sich über ihren allgemeinen Verwaltungsbeitrag, der in Artikel 11 SAA vorgesehen ist, bereits an den Personalaufwendungen der Organe der EU und an den Infrastrukturkosten in Brüssel. Wenn also künftig die Agentur der Schweiz eine Beteiligung an ihren Aufwendungen in Rechnung stellen kann, werden die betreffenden Kosten grösstenteils den bereits bestehenden Kosten entsprechen. Abgesehen von den Kosten für 24 25

26

ABl. L 136 vom 31.5.1999, S. 1.

Interinstitutionelle Vereinbarung vom 25. Mai 1999 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die internen Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), in der Fassung gemäss ABl. L 136 vom 31.5.1999, S. 15.

Vgl. Ziff. 2.2 oben.

5891

die Errichtung der Agentur und den jährlichen Schwankungen des Haushaltsplans der Agentur wird der künftige Beitrag der Schweiz insgesamt voraussichtlich nicht deutlich höher ausfallen als die Summe, die sie unabhängig von der Errichtung der Agentur zu entrichten hätte. Indem der Betrieb der Systeme vereinfacht wird und die Nutzung von Synergien sowie die gemeinsame Inanspruchnahme von Räumlichkeiten und Personal ermöglicht werden, ist mit der Errichtung der Agentur auch das Ziel verbunden, die Voraussetzungen für bestimmte Skalenerträge zu schaffen. Dies sollte sich auch auf die finanziellen Beiträge der assoziierten Staaten auswirken.

Haushaltsplan der Agentur Für das Jahr 2011 wurden von den budgetierten 5,450 Millionen Euro lediglich 2,214 Millionen Euro verwendet. Die Kommission hat jedoch einen nicht automatischen Übertrag von 1,475 Millionen Euro auf das Jahr 2012 genehmigt. Mit diesen Geldern werden Aktivitäten finanziert, die für das Jahr 2011 vorgesehen waren und nun im Jahr 2012 noch durchgeführt werden müssen. Was das Jahr 2011 anbelangt, handelt es sich ausschliesslich um sogenannte «Verwaltungsaufwendungen» («staff, infrastructure and operating expenditures»); davon ausgenommen sind alle sogenannten «Betriebsaufwendungen». Für das Jahr 2012 sieht der Haushaltsplan der Agentur Zahlungskredite in Höhe von 14,534 Millionen Euro vor, davon 11,386 Millionen. für Verwaltungsaufwendungen und 3,148 Millionen Euro für Betriebsaufwendungen. Der für das Jahr 2013 budgetierte Betrag beläuft sich auf 34,437 Millionen Euro; davon sind 24,707 Millionen für Verwaltungsaufwendungen und 9,730 Millionen für Betriebsaufwendungen vorgesehen.

Die deutliche Zunahme dieser Beträge lässt sich damit erklären, dass die Aufwendungen im Jahr 2011 lediglich das Ende des Jahres abdeckten und im Wesentlichen nur die Anstellung von Personal, die Miete von Gebäuden und die Durchführung von Sitzungen im Hinblick auf die Errichtung der Agentur umfassten (Verwaltungsaufwendungen). Im Jahr 2012 dagegen wird die Rekrutierungskampagne fortgesetzt, dementsprechend steigen die Aufwendungen für die Anstellung von Personal der Agentur von 1,178 Millionen Euro auf 4,563 Millionen Euro an. Ebenso erhöhen sich die Infrastruktur- und Betriebsaufwendungen («infrastructure and operating expenditures») von 6,948 Millionen auf 9,920
Millionen Euro. Dies ist insbesondere auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Einrichtung der Infrastrukturen der Agentur vom Jahresbeginn bis zu deren Inbetriebnahme dauern wird, die auf den 1. Dezember 2012 festgesetzt ist. Im Übrigen sind neue Aufwendungen in Höhe von 3,585 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Übernahme der operativen Tätigkeiten im Bereich der Wartung, des Managements und der Inbetriebnahme der IT-Systeme durch die Agentur vorgesehen. Dabei handelt es sich somit um eine Verlagerung zur Agentur von Aufwendungen, die zuvor von der Kommission übernommen wurden und an denen sich die Schweiz bereits beteiligt.

Die für 2013 vorgesehene Zunahme der Ausgaben hängt nicht nur mit der Fortsetzung der Personalrekrutierung in mehreren Etappen, sondern auch mit der schrittweisen Erhöhung der Verwaltungs- und Betriebsaufwendungen an den drei Standorten der Agentur zusammen. Da die Agentur ihre operativen Tätigkeiten am 1. Dezember 2012 aufnehmen wird, decken die Betriebskosten für das Jahr 2012 nur einen Monat ab, während die Betriebsaufwendungen für das Jahr 2013 den operativen Tätigkeiten während zwölf Monaten entsprechen. Die Ausgaben (Verpflichtungskredite der Agentur) im Zusammenhang mit den operativen Tätigkeiten im Bereich der IT-Systeme (Betriebsaufwendungen der Agentur) werden im Jahr 2013 5892

ebenfalls zunehmen, insbesondere in jenem Zeitpunkt, in dem die Agentur den operativen Betrieb des SIS II übernehmen wird, wenn dieses System endgültig einsatzfähig ist.

Auswirkungen auf die Schweiz Die Höhe der finanziellen Beiträge der Schweiz steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest. Es können jedoch bereits die folgenden ersten Schätzungen vorgenommen werden27: ­

zwischen 110 670.­ und 147 560.­ Euro im Jahr 2011;

­

zwischen 436 000.­ und 581 300.­ Euro im Jahr 2012;

­

und zwischen 1 033 110.­ und 1 377 480.­ Euro im Jahr 2013.

Da diese Beträge jedoch dem gesamten Haushaltsplan der Agentur entsprechen, umfassen sie auch Ausgaben, die bereits im Rahmen des Budgets der EU und der Staaten des Schengen/Dublin-Raums für Verwaltungsaufwendungen und Betriebskosten gewährt werden. Die Schweizer Verhandlungsführerinnen und -führer müssen daher von der EU erreichen, dass die Beteiligung der Schweiz unter gebührender Berücksichtigung der Beiträge berechnet wird, denen sie bereits zugestimmt hat und die sie jährlich überweist, sei dies für die IT-Systeme oder für die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit ihrer Assoziierung an Schengen und Dublin.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Gemäss Artikel 13 Absatz 5 der Verordnung entsendet die Schweiz eine Vertreterin oder einen Vertreter und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter in den Verwaltungsrat der Agentur. Sie entsendet auch jeweils ein Mitglied in die Beratergruppen der IT-Systeme, an denen sie beteiligt ist (Art. 19 Abs. 2 Abschn. 3).

Was die Beratergruppen anbelangt, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Verwaltungseinheiten des Bundes schon heute Einsitz in den entsprechenden Arbeitsgruppen der EU (SIS, VIS, Eurodac). Sie werden ihre Funktion in der neuen Struktur weiterhin wahrnehmen und die Schweiz in den Beratergruppen vertreten. Somit müssen keine neuen Stellen geschaffen werden.

Die Funktion der Vertreterin oder des Vertreters der Schweiz im Verwaltungsrat der Agentur ist hingegen neu. Innerhalb der Verwaltungseinheit, die eine Vertretung nach Tallinn entsenden wird, d.h. im Generalsekretariat des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements (GS-EJPD), sollte daher eine zusätzliche halbe Stelle vorgesehen werden. Die Schweizer Vertretung im Verwaltungsrat übernimmt alle Aufgaben und Pflichten, welche die einschlägigen Rechtsakte des EU-Rechts den Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten zuweisen. In der Schweiz ist sie dafür zuständig, zu allen Fragen im Zusammenhang mit der Agentur Stellungnahmen zu koordinieren und zu erarbeiten, die mit den Verantwortlichen des Pro-

27

Diese Schätzung entspricht 3 bis 4 % der Beträge, welche die Agentur für die Jahre 2011 bis 2013 budgetiert hat ­ entsprechend dem Beteiligungsschlüssel in Art. 11 Abs. 3 SAA.

5893

gramms Schengen/Dublin II (PSD II28), mit den Leitungen der Informatikprojekte beim fedpol und beim BFM sowie mit dem internen Informatik-Leistungserbringer (ISC-EJPD) abgesprochen werden. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand entspricht diese neue Funktion einer halben Stelle. Dieser zusätzliche Personalbedarf kann innerhalb des EJPD kompensiert werden.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die Übernahme der Verordnung ist für die Kantone weder mit zusätzlichen Ausgaben noch mit personellen Auswirkungen verbunden.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

Der vorliegende Entwurf ist sowohl in den Leitlinien der Legislaturplanung 2011 bis 201529 als auch im Entwurf für einen Bundesbeschluss über die Legislaturplanung 2011 bis 201530 enthalten.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 beruht auf Artikel 54 Absatz 1 BV, gemäss dem auswärtige Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Auf Bundesebene ist gemäss Artikel 184 Absatz 2 BV der Bundesrat für die Unterzeichnung und Ratifizierung von völkerrechtlichen Verträgen zuständig. Schliesslich räumt Artikel 166 Absatz 2 BV der Bundesversammlung die Zuständigkeit ein, völkerrechtliche Verträge zu genehmigen, sofern für deren Abschluss auf Grund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag nicht ausschliesslich der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200231, ParlG)und Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Organisationsgesetzes vom 21. März 199732, RVOG), was im vorliegenden Fall nicht zutrifft.

5.2

Erlassform

Die Beteiligung der Schweiz an der Agentur ist nicht mit dem Beitritt zu einer Organisation für kollektive Sicherheit oder zu einer supranationalen Gemeinschaft 28

29 30 31 32

Das Programm Schengen/Dublin II wurde 2011 im EJPD lanciert. Ziel ist es, die Projekte zu koordinieren und zu steuern, die sich auf die Realisierung neuer Anwendungen oder die Wartung bestehender Applikationen im Bereich Schengen/Dublin beziehen.

Ziele 9 und 15; BBl 2012 550, 561.

Art. 16, BBl 2012 627 SR 171.10 SR 172.010

5894

verbunden. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung untersteht somit nicht dem in Artikel 140 BV vorgesehenen obligatorischen Referendum.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert, dem fakultativen Referendum.

Der vorliegende Notenaustausch kann zu den in den Artikeln 7 und 17 SAA vorgesehenen Bedingungen gekündigt werden. Die Übernahme der Verordnung ist unter keinen Umständen mit dem Beitritt zu einer internationalen Organisation verbunden (vgl. Ziff. 2.2).

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV untersteht ein völkerrechtlicher Vertrag dem fakultativen Referendum, wenn er wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder dessen Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten schliesslich Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Im vorliegenden Fall enthält die durch den Notenaustausch übernommene europäische Verordnung wichtige rechtsetzende Bestimmungen, da sie insbesondere die Finanzierung der Agentur durch die Europäische Union und die assoziierten Staaten sowie die Stimmrechte der teilnehmenden Staaten und der assoziierten Staaten innerhalb der Einrichtungen der Agentur regelt. Demzufolge muss der Bundesbeschluss über die Genehmigung dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt werden.

Die Bundesversammlung genehmigt völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterliegen, in der Form eines Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

5895

5896