Mandat zur Erhebung der Radio- und Fernsehabgaben für die Jahre 2019­2025 Kurzbericht der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte vom 4. Juli 2017

2017-2128

6225

BBl 2017

Bericht 1

Einleitung

Am 26. September 2014 verabschiedete das Schweizer Parlament eine Teilrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) 1. Diese sah namentlich die Einführung neuer Radio- und Fernsehabgaben (im Folgenden: Abgaben) für alle Haushalte und alle Betriebe vor.2 Das neue RTVG wurde am 14. Juni 2015 vom Volk angenommen und trat mit der dazugehörenden Verordnung3 am 1. Juli 2016 in Kraft.

Die Botschaft zur Gesetzesänderung hielt insbesondere fest, dass die Erhebung der neuen Radio- und Fernsehgebühren durch ein Unternehmen vorgenommen wird, welches in einem Verfahren nach dem öffentlichen Beschaffungsrecht bestimmt wird.4 Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) wurde als zuständige Behörde5 vom UVEK mit der Durchführung dieser Ausschreibung betraut. Das Ausschreibungsverfahren wurde am 16. August 2016 mit der Veröffentlichung des Pflichtenhefts in Simap, dem Informationssystem über das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, lanciert.

Am Ende des Vergabeverfahrens am 10. März 2017 gab das UVEK bzw. das BAKOM den Entscheid bekannt, dem Zürcher Unternehmen Serafe AG6 das Mandat zur Erhebung der Abgaben für die Jahre 2019­2025 zu erteilen. Diese Ankündigung stiess auf grosse Resonanz, insbesondere weil die Billag AG7, die seit 1998 mit dem Inkasso der Gebühren beauftragt ist und in Freiburg rund 230 Mitarbeitende beschäftigt, den Zuschlag nicht erhalten hatte.

Angesichts der politischen Tragweite dieses Entscheids beschlossen die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) und die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) im März 2017, sich gemeinsam mit dem Vergabeverfahren des BAKOM zu befassen. Sie beauftragten ihre jeweiligen Subkommis-

1 2

3 4

5 6 7

Bundesgesetz vom 24.3.2006 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) Insbesondere nach der Motion «KVF-N. Neues System für die Erhebung der Radio- und Fernsehgebühren» vom 23.2.2010 (10.3014) eingeführte Revision. Vgl. Botschaft des Bundesrates vom vom 29.5.2013 zur Änderung des RTVG, BBl 2013 4975.

Radio- und Fernsehverordnung vom 9.3.2007 (RTVV; SR 784.401) Vgl. Art. 69d Abs. 1 RTVG. Im Rahmen der Ratsdebatte zur Revision der RTVG im Jahre 2014 stellte eine Minderheit der KVF-N den Antrag, dass die Abgaben von der zentralen Bundesverwaltung erhoben werden sollten. Am 12. März 2014 folgte jedoch die Mehrheit des Nationalrates dem Vorschlag des Bundesrates, die Abgaben weiterhin durch eine externe Unternehmung zu erheben. Der Ständerat bestätigte diesen Entscheid am 19. Juni 2014.

Vgl. Art. 62 RTVV und Art. 11 der Organisationsverordnung für das UVEK vom 6.12.1999 (OV-UVEK; SR 172.217.1).

Tochtergesellschaft der Firma Secon AG Tochtergesellschaft der Firma Swisscom AG

6226

BBl 2017

sionen EDI/UVEK8 damit, die entsprechenden Abklärungen vorzunehmen und sie über ihre Schlussfolgerungen zu orientieren.

Mit der nun abgeschlossenen Untersuchung soll in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der parlamentarischen Oberaufsicht sichergestellt werden, dass die Bundesverwaltung bei der betreffenden Vergabe die Kriterien Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit eingehalten hat.9 Aus diesem Grund werden die GPK in diesem Kurzbericht die definitive Wahl des BAKOM nicht materiell bewerten.

Am 6. April 2017 richteten die Subkommissionen EDI/UVEK ein Schreiben mit einer Liste von Fragen zur betreffenden Vergabe an das BAKOM. Nach Erhalt von dessen Antwort und zur Vertiefung gewisser Aspekte des Dossiers hörten sie an einer gemeinsamen Sitzung am 19. Mai 2017 eine Vertreterin und zwei Vertreter des BAKOM an.10 Auf Grundlage der erhaltenen Informationen genehmigten die Subkommissionen am 12. Juni 2017 diesen Kurzbericht. Dieser wurde dem UVEK und dem BAKOM unterbreitet mit der Bitte zu prüfen, ob der Bericht formelle oder materielle Fehler enthält oder ob schützenswerte Interessen einer Veröffentlichung bestimmter Informationen entgegenstehen. Der Kurzbericht wurde schliesslich am 30. Juni 2017 von der GPK-S und am 4. Juli 2017 von der GPK-N angenommen.

2

Eingeholte Informationen und Sicht der GPK

Die GPK konzentrierten sich bei ihrer Untersuchung auf die folgenden ihnen aus politischer Sicht am wichtigsten erscheinenden sechs Aspekte der Ausschreibung des BAKOM: ­

Grundlagen und Organisation des Vergabeverfahrens;

­

Beschwerderecht;

­

Evaluation der Offerten durch das BAKOM;

­

finanzielle Aspekte;

­

Informationspolitik und Einfluss politischer Erwägungen;

­

künftige Aufsicht und Überwachung der Erfüllung des Auftrags.

In diesem Kapitel werden für jeden dieser Aspekte die von den Kommissionen diskutierten Fragen, die von ihnen eingeholten relevanten Informationen sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen dargelegt.

8

9 10

Die Subkommission EDI/UVEK der GPK-N setzt sich zusammen aus Hansjörg Walter (Präsident), Duri Campell, Hermann Hess, Jacques Nicolet, Valérie Piller Carrard, Louis Schelbert, Marianne Streiff-Feller, Alexander Tschäppät und Erich Von Siebenthal.

Der Subkommission EDI/UVEK der GPK-S gehören an Claude Hêche (Präsident), Joachim Eder, Peter Föhn, Werner Luginbühl und Géraldine Savary.

Vgl. Art. 52 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG, SR 171.10) Angehörte Personen: Philipp Metzger, Direktor, Roberta Cattaneo, Vizedirektorin und Leiterin der Abteilung Medien, und Daniel Büttler, Leiter Sektion Radio- und Fernsehempfangsgebühren

6227

BBl 2017

2.1

Grundlagen und Organisation des Vergabeverfahrens

Die GPK informierten sich beim BAKOM über die Grundlagen und die organisatorischen Abläufe des betreffenden Vergabeverfahrens. Sie befassten sich vor allem mit den Rechtsgrundlagen, den Prozessen sowie dem Zeitplan des Vergabeverfahrens und prüften die Aufteilung der entsprechenden Verantwortlichkeiten innerhalb des BAKOM.

Das BAKOM konnte den Kommissionen sämtliche relevanten Unterlagen zum Verfahren (Rechtsgrundlagen, Zeitplan, Pflichtenheft usw.) vorlegen. Die gesetzliche Grundlage für die Vergabe des Mandats zur Abgabenerhebung bildet Artikel 69d RTVG. Dieser sieht vor, dass bei der Übertragung dieses Mandats an eine Stelle ausserhalb der Bundesverwaltung die Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen (Bundesgesetz und Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen)11 anwendbar ist.

Die Vorbereitungsarbeiten begannen mehr als zwei Jahre vor der Ausschreibung.

Die Ausschreibung wurde nach Inkrafttreten des revidierten RTVG mit einem detaillierten Pflichtenheft auf der offiziellen Plattform Simap publiziert. Nach Rücksprache mit dem UVEK hat sich das BAKOM für eine öffentliche Ausschreibung entschieden. Gemäss den Aussagen des Direktors des BAKOM erlaubt diese Wahl eine Behandlung sämtlicher Dossiers «unabhängig von weiteren Erwägungen des Amtes» (nämlich des BAKOM) und gewährleistet die Transparenz des Verfahrens.

Was die Aufteilung der Verantwortlichkeiten betrifft, so wurden die GPK informiert, dass eine spezielle Organisationsstruktur eingeführt worden sei. Diese bestand aus einem von einer Vizedirektorin des BAKOM geleiteten Steuerungsausschuss und drei mit spezifischen Mandaten betrauten Untergruppen, denen in erster Linie interne Experten angehörten. Das BAKOM gab zudem an, bei seinen Arbeiten vom Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund (KBB) und von einem externen, auf öffentliche Beschaffungen spezialisierten Beratungsunternehmen unterstützt worden zu sein. Dieses habe den Zuschlag für das Mandat nach einem Einladungsverfahren erhalten.

Angesichts der vorgelegten Informationen sind die Kommissionen der Auffassung, dass das Vergabeverfahren gewissenhaft und unter Einhaltung der Rechtsgrundlagen durchgeführt wurde. Zudem handelte das BAKOM bei der Planung vorausschauend.

Dennoch weisen die GPK auf einen Aspekt hin, der Anlass zu Diskussionen gab, nämlich, dass der definitive Vergabeentscheid nicht anfechtbar war. Diese Problematik wird im folgenden Kapitel speziell untersucht.

11

Bundesgesetz vom 16.12.1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1); Verordnung vom 11.12.1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB; SR 172.056.11)

6228

BBl 2017

2.2

Beschwerderecht

Das fehlende Beschwerderecht gegen den definitiven Vergabeentscheid des BAKOM warf in den GPK Fragen auf. Die Kommissionen informierten sich daher beim BAKOM über die einschlägigen Rechtsgrundlagen und darüber, wie die Frage der Beschwerdemöglichkeit bei der Vorbereitung der Ausschreibung behandelt wurde.

Das BAKOM wies die Kommissionen darauf hin, dass es vor Lancierung der Ausschreibung das Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund (KBB) konsultiert habe, um das anzuwendende Ausschreibungsverfahren zu bestimmen. Nach einer rechtlichen Abklärung orientierte das KBB das BAKOM, dass das Mandat zur Erhebung der Abgaben in die Dienstleistungskategorie 87902 «Collection agency services»12 falle. Gemäss Anhang 1a der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) fällt diese Kategorie in den Anwendungsbereich von Kapitel 3 der VöB, was bedeutet, dass keine Beschwerde möglich ist.13 Die GPK befragten den Direktor des BAKOM zu diesem Thema. Dieser meinte, die Empfehlung des KBB sei nichts Ungewöhnliches und ergebe sich daraus, dass die Bundesverwaltung das geltende Recht nach bestem juristischen Fachwissen anwendet. Zudem gab er zu verstehen, dass es angesichts der geltenden Rechtsgrundlagen nicht möglich sei, diese Ausschreibung einer anderen Dienstleistungskategorie zuzuweisen, für die ein Beschwerderecht vorgesehen ist.

Angesichts der vorgelegten Informationen sind die GPK der Meinung, dass das BAKOM die Rechtsgrundlagen im Hinblick auf das Beschwerderecht einhielt. Das BAKOM bat das KBB, die gesetzlich vorgesehene Beratungsstelle im Bereich Güter- und Dienstleistungsbeschaffung, um eine rechtliche Stellungnahme. 14 Auf der Grundlage der Empfehlung des KBB führte das BAKOM eine Ausschreibung nach Kapitel 3 der VöB durch. Die Kommissionen stellen daher keine Missachtung des Gesetzmässigkeitsprinzips fest.

Die GPK sind jedoch der Auffassung, dass dieser Fall mehrere Fragen zum öffentlichen Beschaffungsrecht aufwirft, die von den Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben (WAK) im Rahmen ihrer laufenden Gesetzgebungsarbeiten zur Gesamtrevision des BöB behandelt werden sollen.

­

12

13 14

Erstens: Die Kommissionen fragen sich, ob es bei Vergaben mit grosser politischer Resonanz angebracht ist, dass das KBB alleine über die Kategorisierung der Güter und Dienstleistungen und somit über die Art des anzuwendenden Verfahrens entscheidet ­ insbesondere in Fällen, bei denen diesbezüglich Ermessensspielraum besteht;

Auf Deutsch: ,,Inkassoagenturdienstleistungen". Nummerierung gemäss der international anerkannten Kategorisierung für Dienstleistungen CPCprov (Provisional central product classification). Diese wird unter anderem von der UNO und der WTO verwendet (https://unstats.un.org/unsd/cr/registry/regcst.asp?Cl=9&Lg=1).

Vgl. Art. 39 VöB Vgl. Art. 27 der Verordnung vom 24.10.2012 über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens der Bundesverwaltung (Org-VöB, SR 172.056.15).

6229

BBl 2017

­

zweitens: Die GPK ersuchen die WAK, zu prüfen, wie gross der Handlungsspielraum des Bundesrates bei der Auflistung der Mandate ist, welche unter das Kapitel 3 der VöB (in Anhang 1 der VöB) fallen oder nicht, wie diese Liste mit den internationalen Vorschriften (insbesondere denjenigen der Welthandelsorganisation) in Einklang gebracht wird und ob das BöB entsprechend angepasst werden muss;

­

ferner fragen sich die GPK, ob es nicht grundsätzlich wünschenswert wäre, wenn für ähnliche Ausschreibungen wie diejenige für die Erhebung der Abgaben ein Beschwerderecht im BöB verankert würde, sofern ein solches Recht mit den internationalen Rechtsvorschriften vereinbar ist.

2.3

Evaluation der Offerten

Die GPK prüften, wie das BAKOM die eingereichten Offerten evaluiert hatte. Sie informierten sich über die Verfahrensweise in der Evaluationsphase, die angewandten Kriterien sowie über das Vorgehen bei der Prüfung durch das Amt.

Gemäss BAKOM musste jede Kandidatur ­ um berücksichtigt zu werden ­ zuerst sämtliche 17 Eignungskriterien (EK) erfüllen, anhand deren festgestellt wurde, ob der entsprechende Anbieter überhaupt in der Lage ist, das Mandat in technischer, wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht auszuführen. In einem zweiten Schritt wurden die zugelassenen Angebote anhand von 19 Zuschlagskriterien (ZK) bewertet. Diese wurden in Qualitätskriterien (Gewichtung 60 %) und Preiskriterien (Gewichtung 40 %) unterteilt. Die Liste mit den Kriterien, deren jeweilige Gewichtung sowie die geforderten Eignungsnachweise waren in der Ausschreibung öffentlich zugänglich gemacht worden. Angesichts der vorgelegten Informationen sind die GPK der Auffassung, dass die Auswahl nach einem klaren und auf präzisen Kriterien beruhenden Verfahren durchgeführt wurde.

In Bezug auf die Phase der Evaluation der ZK wies das BAKOM darauf hin, dass das Evaluationsteam (bestehend aus Medienjuristen, Finanz- und Informatikspezialisten) in vier separate Gruppen aufgeteilt worden war. Jede Gruppe habe die eingereichten Angebote einzeln und unabhängig voneinander geprüft. Anschliessend seien die Ergebnisse verglichen worden. Bei Abweichungen sei «gemeinsam über die definitive Bewertung entschieden [worden]». Die Verantwortlichen des BAKOM wurden von den GPK zu diesem Punkt befragt und gaben an, dass die Abweichungen zwischen den Evaluationsgruppen lediglich Detailaspekte betrafen und keinen signifikanten Einfluss auf die definitive Wahl gehabt hätten. Das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten habe, habe letztlich hinsichtlich der erhaltenen Punkte einen deutlichen Vorsprung auf seine Konkurrenten gehabt.

Die konsolidierten Ergebnisse, die Punktevergabe pro Angebot und das Endergebnis (Rangierung gemäss erreichter Punktzahl) wurden in einem Bericht zusammengefasst, welcher der Leitung des Generalsekretariats des UVEK zur Beschlussfassung unterbreitet wurde. Da nichts auf Mängel in diesem Verfahren hindeutete, verzichteten die GPK auf eine Überprüfung der Detailergebnisse der Evaluation. Sie erkundigten sich dennoch beim BAKOM, ob die Antworten der einzelnen Anbieter korrekt überprüft worden seien und die Einhaltung der festgelegten Kriterien ­ ins6230

BBl 2017

besondere in Bezug auf die Mehrsprachigkeit (drei Amtssprachen), den Ort der Leistungserbringung und Datenspeicherung, die Patronatserklärung einer Muttergesellschaft15, die Vergabepolitik und die Arbeits- und Lohnbedingungen ­ zugesichert worden sei. Die Kommissionen gaben sich mit den Antworten der Vertreter des BAKOM zufrieden.

2.4

Finanzielle Aspekte

Nachdem in den Medien Zweifel an den Kostenunterschieden zwischen den Anbietern und an der Überprüfung der Plausibilität dieser Kosten durch das BAKOM lautgeworden waren16, besprachen die GPK diesen Aspekt mit den Vertretern der Verwaltung. Die Kommissionen informierten sich in erster Linie über den Zahlungsrahmen der Ausschreibung und über die vom BAKOM nach Eingang der Kandidaturen durchgeführten Analysen.

Gemäss BAKOM sollten die Anbieter ein Angebot einreichen, das auf einer vorgegebenen Finanzierungsstruktur beruht. Diese besteht aus einer Grundpauschale (Aufwand für das Inkasso der Abgaben), einer Zusatzpauschale (Zusatzaufwände17) und Zusatzeinnahmen (einkassierte Mahn- und Betreibungseinleitungsgebühren). Nach Überprüfung der eingereichten Offerten kam das BAKOM zum Schluss, dass alle drei hinsichtlich der Zuschlagskriterien und der präsentierten Konzepte kohärent waren. Zwar wurden Kostenunterschiede zwischen den Offerten der einzelnen Anbieter festgestellt, doch ist das BAKOM der Meinung, dass insofern keine «ungewöhnliche Diskrepanz» bestand, als Anhaltspunkte fehlten, welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines der Anbieter in Frage stellten, und keine Hinweise für Ausschlussgründe vorlagen. Das BAKOM befand es daher nicht für nötig, von den Kandidaten zusätzliche Erkundigungen einzuholen (gesetzlich ist es dazu nicht verpflichtet18) oder vom im Pflichtenheft vorgesehenen Vorbehalt von Verhandlungen Gebrauch zu machen.

Angesichts der erhaltenen Antworten gehen die Kommissionen davon aus, dass die finanziellen Aspekte vom Amt gewissenhaft überprüft wurden und eine eingehendere Prüfung der GPK daher nicht angezeigt war. Im Hinblick auf einen sparsamen Umgang mit den Finanzmitteln begrüssen die Kommissionen, dass der Grundsatz des freien Wettbewerbs eingehalten wurde und das günstigste Angebot den Zuschlag bekam. Sie betonen zudem, dass in der abschliessenden Evaluation nicht allein der Preis ausschlaggebend war.

15

16 17

18

Der Direktor des BAKOM versicherte insbesondere, dass alle Anbieter bzw. ihre Muttergesellschaften glaubhafte Nachweise zu ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit geliefert hatten.

Vgl. z.B. La messe n'est pas encore dite. In: La Liberté, 27.3.2017 Gemäss BAKOM gehören zu den Zusatzaufwänden u.a. die Kosten für das Call Center, den Versand der Dreimonatsrechnung und die Erhebung der Abgaben der Kollektivhaushalte.

Vgl. Art. 25 Abs. 4 VöB: «Erhält sie ein Angebot, dessen Preis im Vergleich zu den anderen Angeboten aussergewöhnlich niedrig ist, so kann sie bei dem Anbieter oder der Anbieterin Erkundigungen darüber einholen (...).»

6231

BBl 2017

Die Kommissionen sind jedoch der Auffassung, dass das BAKOM angesichts der zu erwartenden öffentlichen und politischen Resonanz bezüglich der angekündigten Kostenunterschiede mit den Anbietern einen intensiveren Austausch zu den finanziellen Aspekten hätte pflegen sollen19 ­ dies umso mehr, als einer der Kandidaten, die Billag AG, bereits seit Jahren mit dem eidgenössischen Mandat zur Erhebung der Abgaben betraut war und daher eine besondere Kostenstruktur aufwies.

2.5

Informationspolitik und Einfluss politischer Faktoren

Im Rahmen ihrer Überprüfung befassten sich die GPK auch mit der Informationspolitik des BAKOM bei diesem Geschäft. Sie befragten das Amt zum Zeitplan für die Bekanntgabe des Ausgangs des Ausschreibungsverfahrens und zu den entsprechenden Entscheiden. Sie diskutierten zudem den Einfluss politischer Faktoren auf diese Ausschreibung.

Der Zuschlag durch das UVEK erfolgte am 7. März 2017. Der Direktor des BAKOM orientierte die Anbieter persönlich am Freitag, 10. März 2017, um 8 Uhr, das heisst zwei Stunden vor der Veröffentlichung des Vergabeentscheids. Das Amt rechtfertigte diese kurze Vorwarnzeit gegenüber den GPK mit der politischen Bedeutung dieser Angelegenheit und der Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Anbieter. Gemäss BAKOM war dieses Vorgehen nach vorgängiger Abwägung mit dem UVEK vereinbart worden, um die Gefahr von Indiskretionen und Verwirrung zu minimieren. Zudem hätten die Anbieter gewusst, dass der Entscheid unmittelbar bevorsteht.

Die GPK haben Verständnis dafür, dass die kurze Vorwarnzeit bei einigen Betroffenen, namentlich bei den Mitarbeitenden der Billag AG, «überraschend» war, können jedoch auch die Gründe des Amtes für dieses Vorgehen nachvollziehen. Sie wurden zudem darüber informiert, dass das BAKOM in der Folge Treffen mit allen Bewerbern und das UVEK mit den Behörden von Kanton Freiburg durchgeführt hat; eine Massnahme, welche sie begrüssen.

Die Kommissionen befragten ferner den Direktor des BAKOM zum Einfluss politischer Faktoren (namentlich der «No Billag»-Initiative) auf den Vergabeentscheid.

Dieser versicherte, dass politische Betrachtungen im Vergabeverfahren keine Rolle gespielt hätten und dieses unter strenger Einhaltung der beschaffungsrechtlichen Vorgaben durchgeführt worden sei. Er betonte, dass eine unabhängige Evaluation der Bewerbungen durch die Projektgruppe erfolgt sei und dass er selbst nie in dieses Verfahren eingegriffen habe. Das BAKOM gab ausserdem an, das UVEK im Laufe des Verfahrens nur zweimal kontaktiert zu haben: bei der Genehmigung des Pflichtenhefts und beim endgültigen Entscheid.

In den Augen der Kommissionen war sich das BAKOM der politischen Bedeutung dieser Ausschreibung bewusst und ergriff es die erforderlichen Massnahmen zur Sicherstellung eines unvoreingenommenen Entscheids. Das Ausschreibungs- und Evaluationsverfahren wurde so konzipiert (Liste präziser Kriterien, Evaluation in 19

Vgl. dazu vorangehende Fussnote.

6232

BBl 2017

getrennten Gruppen, keine Beteiligung des Amtsdirektors usw.), dass die Gefahr politischer Einflussnahme so gering wie möglich war.

Der Bundesrat kann die Erhebung der Abgabe gemäss Artikel 69d RTVG einer Erhebungsstelle ausserhalb der Bundesverwaltung übertragen. Wählt er diese Option, ist das öffentliche Beschaffungsrecht anwendbar. Dies hat allerdings zur Folge, dass für die Berücksichtigung politischer Aspekte, wie die Interessen der Kantone, nur sehr geringer beziehungsweise gar kein Spielraum besteht.

Schliesslich fragen sich die Kommissionen, ob nach der Bekanntgabe des Entscheids nicht das Departement die Kommunikation zu dieser Angelegenheit hätte übernehmen sollen, um auf diese Weise die Unabhängigkeit des BAKOM zu unterstreichen und zu verhindern, dass sich dieses in der folgenden öffentlichen und politischen Debatte «an vorderster Front» befindet.

2.6

Künftige Aufsicht und Überwachung der Erfüllung des Auftrags

Die GPK befassten sich abschliessend auch mit den Zukunftsaussichten dieses Dossiers und befragten das BAKOM zum geplanten Übergang vom alten zum neuen Auftragnehmer und zur Aufsicht über die Serafe AG, namentlich in Sachen Risikomanagement und Einhaltung des erteilten Mandats.

Das BAKOM sieht eine Übergangsphase von 18 Monaten zur Vorbereitung des Systemwechsels und zur Durchführung der erforderlichen Tests vor 20. Der Amtsdirektor versicherte den Kommissionen, dass diese wichtige Phase eng begleitet werde, und nannte verschiedene mögliche Massnahmen, die bei allfälligen Problemen ergriffen werden könnten. Angesichts der Antworten des BAKOM kommen die GPK zum Schluss, dass das Amt diese Übergangsphase und die bestehenden Risiken sehr ernst nimmt. Das BAKOM gab an, die Frage nach der Zukunft des Personals der Billag AG21 mit dieser und mit Secon AG thematisiert zu haben.

Was die künftige Beaufsichtigung angeht, hat das BAKOM die verschiedenen gesetzlich vorgesehenen Instrumente zur Finanz-, Personal- und juristischen Aufsicht über die Erhebungsstelle erläutert. Zwischen UVEK und Auftragnehmer wird ein Vertrag geschlossen. Der Auftragnehmer wird verpflichtet, seine Jahresrechnung sowie einen jährlichen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen.22 Das Amt bekräftigte, dass die Serafe AG an das Pflichtenheft und ihr Preisangebot gebunden ist und dem Bund keine höhere Entschädigung in Rechnung stellen kann.

Die GPK erwarten vom BAKOM und vom UVEK, dass alles getan wird, um einen reibungslosen Übergang und eine Leistungserbringung gemäss Pflichtenheft sicherzustellen. Die GPK-S wird sich in ungefähr einem Jahr beim Amt über den Stand der Dinge informieren.

20 21 22

Die Tests sollen, gemäss den Informationen des Direktors des BAKOM, potentielle Probleme im Bereich der Informatik und der Abgabenerhebung aufdecken.

Insbesondere: Begleitung des Sozialplans der Billag AG und Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung einiger Mitarbeitenden durch die Serafe AG.

Vgl. Art. 69c Abs. 5 RTVG.

6233

BBl 2017

3

Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Die GPK sind der Ansicht, dass das BAKOM ihre Fragen transparent und sachkundig beantwortet hat. Auf der Grundlage der erhaltenen Informationen sehen die Kommissionen keine Anhaltspunkte dafür, dass die überprüfte Auftragsvergabe nicht korrekt durchgeführt wurde. Das Ausschreibungsverfahren und die Bewertung der Offerten wurden gewissenhaft und im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorgaben durchgeführt. Die Kommissionen sind zudem zufrieden mit den Antworten des Amtes zu den finanziellen Aspekten der Offerten, zur Informationspolitik und zu den Zukunftsaussichten. Allenfalls ein intensiverer Austausch zwischen dem BAKOM und den Anbietern über die finanziellen Aspekte wäre wünschenswert gewesen. Ausserdem wäre es in den Augen der Kommissionen sinnvoll gewesen, wenn nach dem Vergabeentscheid das UVEK die Kommunikation in dieser Angelegenheit übernommen hätte.

Die GPK erwarten vom BAKOM und vom UVEK, dass alles getan wird, damit die Übergangsphase optimal abläuft und die Leistungen wie vereinbart erbracht werden.

Aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht besteht ihrer Ansicht nach jedoch kein Handlungsbedarf. Aus diesem Grund wurde auch auf eine Anhörung der Vorsteherin des UVEK verzichtet.

Bei der Überprüfung der GPK sind allerdings einige Fragen zum Beschwerderecht bei öffentlichen Ausschreibungen offengeblieben. Die Kommissionen sind der Ansicht, dass sich die zuständigen Sachbereichskommissionen im Rahmen der laufenden Revision des BöB mit diesen Fragen befassen sollen.

Die Kommissionen schliessen ihre Untersuchung mit diesem Bericht ab. Die GPK-S wird sich in ungefähr einem Jahr erneut mit dieser Angelegenheit befassen und sich über den Stand der Dinge informieren.

4. Juli 2017

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Der Präsident der GPK-S: Hans Stöckli, Ständerat Der Präsident der GPK-N: Alfred Heer, Nationalrat Die Sekretärin der GPK: Beatrice Meli Andres

6234

BBl 2017

Abkürzungen BAKOM

Bundesamt für Kommunikation

BBl

Bundesblatt

BöB

Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Dezember 1994 (SR 172.056.1)

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EK

Eignungskriterien

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

GPK-S

Geschäftsprüfungskommission des Ständerates

KBB

Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund (Bundesamt für Bauten und Logistik)

RTVG

Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 24. März 2006 (SR 784.40)

RTVV

Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 2007 (SR 784.401)

UNO

United Nations Organization (deutsch: Organisation der Vereinten Nationen)

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

VöB

Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 11. Dezember 1995 (SR 172.056.11)

WAK

Kommission für Wirtschaft und Abgaben

WTO

World Trade Organization (deutsch: Welthandelsorganisation)

ZK

Zuschlagskriterien

6235

BBl 2017

6236