12.063 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts vom 8. Juni 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1995 über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. Juni 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-0355

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen schuf mit den Resolutionen 827 (1993) und 955 (1994) zwei internationale Ad-hoc-Gerichte, welche die in den Neunzigerjahren in Ex-Jugoslawien und in Ruanda begangenen schweren Kriegsverbrechen verfolgen müssen. Die beiden Resolutionen auferlegen den Staaten verschiedene Verpflichtungen, insbesondere die Zusammenarbeit bei der Personenfahndung, die Verhaftung und Übergabe von verdächtigten und angeschuldigten Personen, den Vollzug von Rechtshilfeersuchen sowie die Vollstreckung von Urteilen der beiden Gerichte. Zur Durchsetzung der beiden Resolutionen erliess das Parlament am 21. Dezember 1995 einen allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss1, der die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts regelt, und befristete ihn bis Ende 2003.

Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses wurde in der Folge bis zum 31. Dezember 2008 verlängert2. Mit der Änderung vom 13. Juni 20083 wandelte das Parlament den Bundesbeschluss in ein Bundesgesetz4 um und verlängerte die Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2013.

Mit der Resolution 1966 vom 22. Dezember 2010 schuf der UNO-Sicherheitsrat den Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichte, der die Gerichte für Ex-Jugoslawien und Ruanda ablösen soll. Dieses Nachfolgegericht besteht aus zwei Abteilungen. Die Abteilung für Ruanda soll ihre Funktion am 1. Juli 2012 aufnehmen, die Abteilung für Ex-Jugoslawien am 1. Juli 2013. Der Sicherheitsrat erliess für den Residualmechanismus ein Statut (Anhang 1 zur Resolution 1966) und legte Übergangsbestimmungen fest (Anhang 2 zur Resolution). Diese regeln die Aufgabenverteilung für den Zeitraum, in dem die beiden Abteilungen des Residualmechanismus einerseits und die beiden Gerichte anderseits zeitlich parallel arbeiten werden.

Mit der Verordnung vom 8. Juni 2012 hat der Bundesrat den Geltungsbereich des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf den Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichte ausgedehnt. Das Bundesgesetz ist zudem auch auf den Spezialgerichtshof für Sierra Leone anwendbar5.

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AS 1996 2 AS 2002 1493 AS 2008 4611 SR 351.20 Verordnung vom 12. Februar 2003 über die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Bundesbeschlusses über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung von schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf den Spezialgerichtshof für Sierra Leone (SR 351.201.11)

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1.2

Die beantragte Neuregelung

Die Geltungsdauer des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts läuft Ende 2013 ab. Damit die Modalitäten der Zusammenarbeit der Schweiz mit den Gerichten für Ex-Jugoslawien und Ruanda, dem Spezialgerichtshof für Sierra Leone und dem Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hocStrafgerichte auch für die Zeit nach 2013 geregelt sind, muss das Bundesgesetz auch nach 2013 in Kraft bleiben.

Mit der Resolution 1966 (2010) hat der Sicherheitsrat beschlossen, dass der Residualmechanismus zuerst für vier Jahre ab dem ersten Juli 2012 tätig werden soll (Ziff. 1 und 17 der Resolution). Am Ende dieser Phase sowie in der Folge alle zwei Jahre soll vom Sicherheitsrat überprüft werden, ob er weiter bestehen bleiben soll.

Wann die beiden Gerichte für Ex-Jugoslawien und für Ruanda die ihnen gemäss den Übergangsbestimmungen (Anhang 2 zur Resolution 1966) verbleibenden Aufgaben erledigt haben werden, ist schwer abschätzbar; genau so schwierig ist es vorauszusagen, wie lange der Residualmechanismus als Nachfolgegericht bestehen bleiben wird.

Für die Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesgesetzes erscheinen nach heutiger Einschätzung zehn Jahre als angemessen.

1.3

Verzicht auf eine Vernehmlassung

Für den Bundesbeschluss war seinerzeit eine Vernehmlassung durchgeführt worden6, nicht jedoch für die Änderung vom 13. Juni 20087, mit welcher der Bundesbeschluss in ein bis Ende 2013 befristetes Bundesgesetz umgewandelt wurde.

Da es jetzt nur um eine geringfügige Änderung ­ es handelt sich um eine reine Verlängerung der Geltungsdauer ­ geht, kann auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet werden.

2

Erläuterung zu Artikel 34 Absatz 6 (neu)

Die Schweiz soll für weitere zehn Jahre mit den Internationalen Gerichten zusammenarbeiten können (vgl. Ziff. 1.2). Dies bedingt eine entsprechende Ergänzung von Artikel 34.

3

Auswirkungen

Nach heutiger Einschätzung dürfte die Vorlage keine finanziellen oder personellen Auswirkungen haben. Die mit der Umsetzung des Bundesgesetzes befasste Zentralstelle im Bundesamt für Justiz wird die Ersuchen der internationalen Ad-hoc-

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BBl 1995 IV 1101, Ziff. 16 AS 2008 4611

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Gerichte um Zusammenarbeit voraussichtlich im Rahmen der bestehenden Ressourcen erledigen können.

Auch für die Kantone ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen kaum mit einer Mehrbelastung der Rechtshilfebehörden zu rechnen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 20128 über die Legislaturplanung 2011­2015 nicht angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)9 sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes. Bestandteil der Schweizerischen Aussenpolitik ist unter anderem die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung schwerwiegender Verstösse gegen das Völkerrecht. Mit dem vorliegenden Bundesgesetz werden die wesentlichen Grundsätze dieser Zusammenarbeit in die nationale Rechtsordnung übernommen.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV ist der Änderungserlass dem fakultativen Referendum unterstellt.

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BBl 2012 481 SR 101

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