zu 07.419 Parlamentarische Initiative Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik Bericht vom 10. November 2011 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Februar 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 10. November 20111 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates betreffend eine neue Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Februar 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

1

BBl 2012 675

2011-2889

1827

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die von Nationalrat Norbert Hochreutener am 23. März 2007 eingereichte parlamentarische Initiative «Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik» (07.419) verlangt die Ergänzung der Bundesverfassung (BV)2 durch einen Artikel über die umfassende Förderung der Familie. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (Kommission) beauftragte ihre Subkommission «Familienpolitik» mit der Erarbeitung einer Vorlage. Zum Vorentwurf und dem erläuternden Bericht führte sie eine Vernehmlassung durch. Nach Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse verabschiedete die Kommission am 10. November 2011 den Erlassentwurf samt Bericht3.

Die Kommission schlägt einen neuen Artikel 115a BV mit folgendem Wortlaut vor: Art. 115a

Familienpolitik

Der Bund berücksichtigt bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Bedürfnisse der Familie. Er kann Massnahmen zum Schutz der Familie unterstützen.

1

Bund und Kantone fördern die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Sie sorgen insbesondere für ein bedarfsgerechtes Angebot an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen.

2

Minderheit (Fehr Jacqueline, Carobbio Guscetti, Goll, Rielle, Rossini, Schenker Silvia, WeberGobet) 2

... von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung. Sie sorgen ...

Reichen die Bestrebungen der Kantone oder Dritter nicht aus, so legt der Bund Grundsätze über die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit fest. Er kann sich finanziell an den Massnahmen der Kantone beteiligen.

3

Minderheit (Fehr Jacqueline, Carobbio Guscetti, Goll, Rielle, Rossini, Schenker Silvia, WeberGobet) 3

... von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung fest. Er kann ...

Minderheit (Prelicz-Huber, Fehr Jacqueline, Goll, Rielle, Rossini, Schenker Silvia, WeberGobet) Er legt Grundsätze über die Harmonisierung der Alimentenbevorschussung durch die Kantone fest; er berücksichtigt dabei die Harmonisierungsbestrebungen der Kantone.

4

2 3

SR 101 BBl 2012 675

1828

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Artikel 115a Absätze 1­3 BV

2.1.1

Politische Einordnung

Der Bundesrat äussert sich im Rahmen dieser Stellungnahme zum ersten Mal zum Grundsatz einer neuen Verfassungsbestimmung zur Familienpolitik. Die Pa.Iv.

«Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik» verlangt eine Ergänzung der Bundesverfassung in Bereichen, welche der Bundesrat als wichtig erachtet und in denen der Bund bereits heute teilweise aktiv ist.

Der Bundesrat erachtet die Hauptzielsetzung des vorgeschlagenen Artikel 115a BV, die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und insbesondere den bedarfsgerechten Ausbau des Angebots an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen, als gesellschafts- und familienpolitisch prioritär. Eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit ist volkswirtschaftlich sinnvoll: Namentlich Frauen können vermehrt erwerbstätig sein. Damit steigt einerseits das Familieneinkommen, was eine wirksame Bekämpfung der Familienarmut ermöglicht, den Konsum ankurbelt und zusätzliche Steuereinnahmen nach sich zieht.

Andererseits können die Investitionen in die Ausbildung der Frauen amortisiert und der Verlust an Humankapital eingedämmt werden, der durch den Rückzug vieler, oft gut ausgebildeter Mütter aus dem Erwerbsleben entsteht. Dass die Steigerung der Erwerbsbeteiligung sowie eine kontinuierliche Weiterbildung und Höherqualifizierung der erwerbstätigen Personen aus wirtschaftlicher Sicht notwendig ist, zeigt auch die Fachkräfteinitiative des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) zur langfristigen Versorgung der Schweizer Wirtschaft mit Fachkräften.4 Zudem leistet eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit einen Beitrag zur Gleichstellung von Frau und Mann in Beruf und Familie. Im Weiteren erhöht ein bedarfsgerechtes Angebot an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen die Chancengleichheit und Integration, namentlich von Kindern und Jugendlichen aus einem bildungsfernen Umfeld, insbesondere aus Familien mit Migrationshintergrund.

Im Bundesbeschluss vom 18. September 20085 zur Legislaturplanung 2007­2011 wurde als dritte Leitlinie eine Stärkung der gesellschaftlichen Kohäsion festgelegt.

Zu diesem Zweck setzte sich der Bundesrat für 2010 und 2011 zum Ziel, eine kohärente Familienpolitik zu entwickeln.6 Um dieses Ziel zu erreichen, legte der Bundesrat dem Parlament am 17. Februar
2010 eine Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung vor.7 Am 1. Oktober 2010 verabschiedete das Parlament die Änderung des Bundesgesetzes über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung, mit welcher das Impulsprogramm um vier Jahre verlängert und mit einem Kredit von 120 Mio.

Franken ausgestattet wird. Parlament und Bundesrat hielten fest, dass das Impulsprogramm 2015 enden wird und nicht weiter verlängert werden soll.

4 5 6 7

Vgl. Bericht des EVD «Fachkräfte für die Schweiz» vom August 2011.

BBl 2008 8543, hier 8547 Ziele des Bundesrates 2010 und 2011, Band I, Ziel 8, S. 6 und 22.

BBl 2010 1627; SR 861

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Am 31. März 2010 verabschiedete der Bundesrat den Bericht «Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung»8, der gemeinsam mit den Kantonen, den Gemeinden, den relevanten Bundesstellen sowie Nichtregierungsorganisationen und Betroffenen erarbeitet worden war. Anlässlich der nationalen Konferenz zur gemeinsamen Bekämpfung der Armut vom 9. November 2010 wurde die Weiterentwicklung und Umsetzung der Strategie unter den zentralen Akteurinnen und Akteuren diskutiert. In einer gemeinsamen Erklärung wurden die prioritären Handlungsfelder und die weitere Zusammenarbeit festgehalten. Der Bundesrat empfiehlt zur Bekämpfung der Familienarmut, insbesondere der Armut von Alleinerziehenden, unter anderem die Verbesserung der Infrastruktur, namentlich einen bedarfsgerechten Ausbau des Angebots an kostengünstiger familien- und schulergänzender Betreuung.9 Der Bundesrat hat am 23. November 2011 die Vernehmlassung zur Teilrevision des Ausländergesetzes10 eröffnet. Zur spezifischen Integrationsförderung schlägt er vor, gemeinsam mit den Kantonen flächendeckende und bedarfsorientierte Integrationsprogramme zu erarbeiten. Dabei sollen Migrantenfamilien unter anderem chancengleichen Zugang zu Angeboten der frühen Förderung erhalten.

Die Vernehmlassungsergebnisse zur Pa.Iv. «Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik» zeigen, dass mehr als drei Viertel der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer die Einführung einer neuen Verfassungsbestimmung zur Familienpolitik begrüssen und die Mehrheit davon mit der von der Kommission vorgeschlagenen Formulierung von Artikel 115a Absätze 1­3 BV einverstanden ist oder eine weiterreichende Verfassungsbestimmung verlangt.

2.1.2

Würdigung des Entwurfs der Kommission

Mit Blick auf die familienpolitischen Zielsetzungen des Bundesrates, insbesondere jene zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und zur Bekämpfung der Familienarmut, sowie in Anbetracht des deutlich positiven Vernehmlassungsresultats unterstützt der Bundesrat die Einführung einer neuen Verfassungsbestimmung zur Familienpolitik.

Der unveränderten Übernahme der Programmnorm des heutigen Artikel 116 Absatz 1 BV in Artikel 115a Absatz 1 BV ist im Rahmen des vorliegenden Entwurfs systematisch richtig.

Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit (Art. 115a Abs. 2 und 3 BV) Der Bundesrat begrüsst die Statuierung der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit als Staatsaufgabe in der Bundesverfassung und die vorgeschlagene verpflichtende beschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Festlegung von Grundsätzen über die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Er erachtet das Festhalten an der bestehenden Kompetenzordnung als richtig, wonach primär die Kantone in der Pflicht sind, die Vereinbarkeit zu fördern. Der 8 9 10

Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Motion (06.3001) der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 13. Januar 2006.

Vgl. Bericht «Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung», Ziff. 4.

SR 142.20

1830

Bund würde folglich nur dann aktiv, wenn die Kantone oder Dritte ihre Aufgaben ungenügend wahrnähmen Diese Kompetenzordnung hat sich bereits im Bereich der Bildungsverfassung bewährt.11 Die «Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule» (HarmoS-Konkordat) ist dank Artikel 62 Absatz 4 BV zustande gekommen, wonach der Bund die notwendigen Vorschriften nur erlässt, wenn die Kantone auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung des Schulwesens erreichen.

Ausdrückliche Erwähnung der fakultativen Mitfinanzierungskompetenz des Bundes (Art. 115a Abs. 3 zweiter Satz BV): Antrag auf Streichung Die in Artikel 115a Absatz 3 zweiter Satz BV statuierte fakultative Mitfinanzierungskompetenz des Bundes ergibt sich nach Auffassung des Bundesrates bereits aus Artikel 115a Absatz 3 erster Satz BV und bedarf deshalb keiner ausdrücklichen Erwähnung. Sollte der Bund dereinst zum Schluss kommen, Grundsätze über die Förderung der Vereinbarkeit erlassen zu müssen, wird im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses unter Berücksichtigung der aktuellen finanzpolitischen Rahmenbedingungen auszuhandeln sein, ob und inwieweit sich der Bund allenfalls finanziell engagieren soll.

Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, Artikel 115a Absatz 3 zweiter Satz BV zu streichen.

Schaffung eines bedarfsgerechten Angebots an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen als Aufgabe der Kantone (Art. 115a Abs. 2 zweiter Satz BV): Antrag auf Änderung Der in Artikel 115a Absatz 2 BV vorgeschlagenen Kompetenzordnung kann sich der Bundesrat nicht vollumfänglich anschliessen. Es befürwortet zwar, dass mit der neuen Verfassungsbestimmung nebst den Kantonen auch dem Bund eine verpflichtende Förderungskompetenz im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung eingeräumt werden soll. Damit wird der Bund aufgefordert, Fördermassnahmen auf Bundesebene zu ergreifen. Als solche Massnahme könnte beispielsweise ein Eltern- bzw. Vaterschaftsurlaub eingeführt werden. Die Schaffung eines bedarfsgerechten Angebots an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen soll indes nach Ansicht des Bundesrates Aufgabe der Kantone bleiben. Bundesrat und Parlament haben diese Haltung letztmals in der Debatte zur am 10. Oktober 2010 verabschiedeten Verlängerung des Bundesgesetzes über Finanzhilfen für
familienergänzende Kinderbetreuung bestätigt, wonach das Impulsprogramm und damit das Engagement des Bundes 2015 definitiv endet. Als Arbeitgeber wird der Bund seine Verantwortung weiterhin wahrnehmen, um es seinen Mitarbeitenden zu ermöglichen, Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung vereinbaren zu können.

Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, dass in Artikel 115a Absatz 2 zweiter Satz BV explizit gesagt wird, dass entsprechend der heute geltenden Kompetenzordnung die Kantone, nicht aber der Bund für ein bedarfsgerechtes Angebot an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen zu sorgen haben.

11

Art. 62 Abs. 4 und Art. 63a Abs. 5 BV

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Aufnahme der Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung (Art. 115a Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 erster Satz BV): Unterstützung des Antrags der Kommissionsminderheit Der Bundesrat schliesst sich der Kommissionsminderheit (Fehr Jacqueline, Carobbio Guscetti, Goll, Rielle, Rossini, Schenker Silvia, Weber-Gobet) an und beantragt, neben der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit auch diejenige von Familie und Ausbildung aufzunehmen. Bundesrat und Parlament haben bis anhin immer auch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung als zentral erachtet (vgl. Art. 1 des Bundesgesetzes und der Verordnung über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung12). Insbesondere für Frauen ist es schwierig, gleichzeitig eine Ausbildung zu absolvieren, die Familien- und Hausarbeit wahrzunehmen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.13 Ausbildungen dauern zunehmend länger, die Maxime des lebenslangen Lernens verlangt nach Weiterbildungen und viele gehen neben der Aus- bzw. Weiterbildung einer Erwerbstätigkeit nach. Bei Ausbildungen auf tertiärer Stufe kommt die stärkere Strukturierung der Studiengänge erschwerend hinzu (Stichwort Bologna-System). Erwerbstätigkeit und Ausbildung lassen sich in der Realität junger Familien zunehmend nicht mehr trennen, weshalb sich ein Ausschluss der Ausbildung in der Vereinbarkeitsproblematik aus Sicht des Bundesrates nicht rechtfertigt.

2.2

Artikel 115a Absatz 4 BV (Antrag der Kommissionsminderheit)

2.2.1

Politische Einordnung

Der Bundesrat hat in seinem Bericht «Harmonisierung Alimentenbevorschussung und Alimenteninkasso» vom 4. Mai 201114 festgehalten, dass im Bereich der Alimentenbevorschussung aufgrund der unterschiedlichen kantonalen Regelungen Mängel bestehen. Mit den aktuellen kantonalen Unterschieden betreffend Bedarfsgrenzen, Teilbevorschussung, Schwelleneffekte, Dauer der Bevorschussung oder Höhe des bevorschussten Betrages kann das im Zivilgesetzbuch (ZGB) statuierte Ziel des Bundesgesetzgebers, die Unterhaltsansprüche von Kindern mittels Alimentenhilfe zu sichern, nicht in allen Kantonen erreicht werden.15 Besonders problematische Konsequenzen haben diese Mängel für Kinder von armutsbetroffenen oder armutsgefährdeten Alleinerziehenden. Die Behebung dieser Mängel mittels einer Harmonisierung der Alimentenbevorschussung ist folglich als wichtiges sozialpolitisches Instrument zur Bekämpfung der Armut von Alleinerziehenden und deren Kindern angezeigt. Als rechtliche Möglichkeiten für die Harmonisierung wurden im Bericht des Bundesrates einerseits die Schaffung einer kompetenzbegründenden Bestimmung in der Bundesverfassung und der Erlass eines Bundesgesetzes zur Alimentenbevorschussung angeführt, welches sich auf die neue Verfassungsnorm abstützen könnte. Andererseits wurde auf die Möglichkeit des Abschlusses eines interkantonalen Konkordats zur Alimentenbevorschussung hingewiesen.

12 13 14 15

SR 861, 861.1; BBl 2010 1627 Vgl. Bericht «Vereinbarkeit von Familie und Studium» vom September 2009 in Erfüllung des Postulats Fehr Jaqueline (06.3321).

Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats (06.3003) der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 13. Januar 2006.

SR 210; vgl. Art. 293 Abs. 2 ZGB zur Bevorschussung von Kinderalimenten.

1832

Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) hat sich bereits im Jahr 2008 grundsätzlich für eine Harmonisierung der Alimentenbevorschussung ausgesprochen. Im Rahmen der Erstellung des Bundesratsberichts wurde sie um eine konsolidierte Stellungnahme zum Berichtsentwurf gebeten. Sie favorisierte in ihrer Stellungnahme die Harmonisierung der Alimentenbevorschussung im Bundesrecht, behielt sich aber eine erneute Prüfung nach Vorliegen der Vernehmlassungsergebnisse zur Pa.Iv. «Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik» vor. Der Vorstand der SODK hat seine Präferenz für eine Harmonisierung der Alimentenbevorschussung im Bundesrecht am 9. Dezember 2011 nochmals bestätigt. Angesichts der bestehenden Mängel der Alimentenbevorschussung sieht die SODK dringenden Handlungsbedarf. Sie wird deshalb in einem ersten Schritt Empfehlungen zur Ausgestaltung der Alimentenbevorschussung zuhanden der Kantone erarbeiten, die sich eng an den Bericht des Bundesrates anlehnen.

Der Kanton Zürich hat am 4. Februar 2009 die Standesinitiative «Harmonisierung Alimentenbevorschussung und Alimenteninkasso» (09.301) eingereicht, mit welcher der Bund eingeladen wird, eine gesetzliche Grundlage zur Harmonisierung der Alimentenbevorschussung und des Alimenteninkassos zu schaffen. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats hat die Standesinitiative am 31. März 2011 vorgeprüft und beschlossen, die Vorprüfung zu sistieren, bis der Bundesratsbericht und die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Pa. Iv. «Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik» vorliegen. Am 15. November 2011 nahm die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats die Vorberatung wieder auf und gab der Standesinitiative ohne Gegenstimme Folge.

In seinen am 5. Dezember 2011 veröffentlichten Zielen für das Jahr 201216 hält der Bundesrat fest, dass er den Vorgehensentscheid betreffend die Harmonisierung der Alimentenbevorschussung gestützt auf den vorliegenden Entwurf der Kommission 2012 fällen werde. Die Vernehmlassungsergebnisse zeigen, dass mehr als die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, darunter die Hälfte der Kantone, eine Harmonisierung der Alimentenbevorschussung begrüssen. Davon befürworten wiederum rund zwei Drittel die Schaffung einer Bundeskompetenz.

2.2.2

Würdigung des Entwurfs der Kommission

Aufgrund der übereinstimmenden Einschätzung des Bundesrates in seinem Bericht, der SODK in ihrer Stellungnahme zum bundesrätlichen Bericht und der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, dass die Mängel in der Alimentenbevorschussung dringend zu beheben sind, plädiert der Bundesrat im Sinne der Kommissionsminderheit (Prelicz-Huber, Fehr Jacqueline, Goll, Rielle, Rossini, Schenker Silvia, Weber-Gobet) für die Aufnahme eines Absatzes 4 zur Harmonisierung der Alimentenbevorschussung in die Bundesverfassung. Bezüglich Kompetenzordnung teilt er allerdings die Auffassung der Kommissionsmehrheit, dass es primär Aufgabe der Kantone ist, entsprechende Verbesserungsmassnahmen zu ergreifen und gegebenenfalls ein interkantonales Konkordat zur Harmonisierung der Alimentenbevorschussung abzuschliessen. Als Leitlinien können die Kantone die Empfehlungen im Bericht des Bundesrates und die sich daran anlehnenden Empfehlungen der SODK, die sie gegenwärtig erarbeitet, heranziehen. Der Bund 16

Ziele des Bundesrates 2012, Band I, Ziel 17, S. 10 und 37.

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soll erst dann gesetzgeberisch tätig werden und in einem Rahmengesetz Mindeststandards zur Harmonisierung der Alimentenbevorschussung festlegen, wenn es den Kantonen in den nächsten Jahren nicht oder nur ungenügend gelingen sollte, die Mängel in der Alimentenbevorschussung zu beheben und eine Harmonisierung zu erreichen.

Der Bundesrat beantragt deshalb, den von der Kommissionsminderheit (PreliczHuber, Fehr Jacqueline, Goll, Rielle, Rossini, Schenker Silvia, Weber-Gobet) vorgeschlagenen Artikel 115a Absatz 4 BV als Kann-Bestimmung aufzunehmen. Diese ist aus gesetzestechnischen Gründen analog zu Artikel 115a Absatz 3 BV zu formulieren.

3

Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat unterstützt Eintreten auf die Vorlage und Artikel 115a Absatz 1 BV in der vorgeschlagenen Formulierung.

Bei Artikel 115a Absätze 2, 3 und 4 BV schliesst sich der Bundesrat der jeweiligen Kommissionsminderheit an, beantragt aber folgende Änderungen: Art. 115a Abs. 2, zweiter Satz BV 2

... und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung. Sie Die Kantone sorgen insbesondere ...

Art. 115a Abs. 3, zweiter Satz BV 3

... Er kann sich finanziell an den Massnahmen der Kantone beteiligen.

Art. 115a Abs. 4 BV Reichen die Bestrebungen der Kantone im Bereich der Harmonisierung der Alimentenbevorschussung durch die Kantone nicht aus, so kann der Bund Grundsätze festlegen; er berücksichtigt ...

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