12.052 Botschaft zur Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache ­ Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung» vom 9. Mai 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache ­ Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Mai 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-0276

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Übersicht Die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache ­ Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung» wurde von einem überparteilichen Komitee lanciert. Sie hat zum Ziel, die Finanzierung der Abtreibung aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu streichen. Zu diesem Zweck verlangt sie eine Änderung von Artikel 117 der Bundesverfassung, der vorsieht, dass unter Vorbehalt von seltenen Ausnahmen seitens der Mutter Schwangerschaftsabbruch und Mehrlingsreduktion im Obligatorium nicht eingeschlossen sind.

Die Änderung des Strafgesetzbuches im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch, die in der Volksabstimmung vom 2. Juni 2002 mit 72,2 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde, hält fest, dass ein Schwangerschaftsabbruch ­ zusätzlich zum Fall, in dem der Schwangerschaftsabbruch notwendig ist, um die Gefahr einer schweren Gesundheitsbeeinträchtigung der Schwangeren abzuwenden ­ straflos ist, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau vorgenommen wird. Die Vorlage beinhaltete zudem eine Anpassung von Artikel 30 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung, mit der festgelegt wurde, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei straflosem Abbruch einer Schwangerschaft im Sinne des Strafgesetzbuches die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit übernimmt. Mit den geltenden Bestimmungen sollten nicht nur die gesetzlichen, sondern auch die finanziellen Hürden für einen Schwangerschaftsabbruch beseitigt werden. Gleichzeitig sorgen klare Auflagen dafür, dass ein solcher Eingriff unter guten Bedingungen und auf schriftliches Verlangen der korrekt informierten Frau vorgenommen wird.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Streichung der Übernahme der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs durch die Krankenversicherung schädliche gesundheitliche und soziale Auswirkungen hätte, und zwar aus folgenden Gründen: Es würde eine gewisse Rechtsunsicherheit entstehen. Die Ausnahmefälle, in denen die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs übernommen würden, wären allgemein formuliert, was zahlreiche Diskussionen über deren Auslegung und unterschiedliche Praktiken zur Folge hätte. Gewisse
Frauen würden erreichen, dass ihr Schwangerschaftsabbruch als Ausnahmefall gilt, und so eine Vergütung erhalten, während andere Frauen in derselben Lage den Eingriff selbst zu bezahlen hätten. Zudem würden die Verwaltungskosten der Krankenversicherer steigen, weil sie überprüfen müssten, ob eine Leistungspflicht besteht oder nicht.

Es würde ein Anreiz geschaffen, Schwangerschaftsabbrüche ausserhalb des gesetzlichen Rahmens durchzuführen. Dieser Rahmen wurde vom Gesetzgeber festgelegt, um sicherzustellen, dass die erforderlichen medizinischen Leistungen von hoher Qualität sind, dass die Schwangere informiert und beraten wurde und dass sie den Schwangerschaftsabbruch schriftlich verlangt hat. Ausserhalb des gesetzlichen Rahmens könnte insbesondere die Behandlungsqualität nicht garantiert werden, was

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schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen und entsprechende Kostenfolgen für die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach sich ziehen könnte.

Es würde ein Zusammenhang geschaffen zwischen der wirtschaftlichen Lage der Frau und dem Entscheid für oder gegen den Schwangerschaftsabbruch. Der Gesetzgeber hat jedoch beschlossen, dass die Entscheidung, sich einem solchen Eingriff zu unterziehen, in unserer liberalen Gesellschaftsordnung der Frau zu überlassen ist und dass wirtschaftliche Überlegungen keine Rolle spielen sollen, wenn die Frau moralische, theologische oder sozial-ethische Überlegungen gegeneinander abwägt.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Einsparungen, die mit der Streichung der Übernahme der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erzielt würden, die zu erwartenden rechtlichen, sozialen und gesundheitlichen Folgen nicht zu rechtfertigen vermögen. Die Schwangerschaftsabbruchrate in der Schweiz ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr tief. Selbst ohne Abzug der Kostenbeteiligung der betroffenen Frauen machen diese Eingriffe lediglich einen verschwindend kleinen Teil der Kosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aus. Schliesslich würde die Annahme der Volksinitiative die Option eines sicheren und zugänglichen Schwangerschaftsabbruchs in Frage stellen, wie er vom Europäischen Parlament empfohlen wird.

Aus diesen Gründen empfiehlt der Bundesrat, die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache ­ Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung» ohne Gegenvorschlag abzulehnen.

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache ­ Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung» hat den folgenden Wortlaut: I Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 117 Abs. 3 (neu) Unter Vorbehalt von seltenen Ausnahmen seitens der Mutter sind Schwangerschaftsabbruch und Mehrlingsreduktion im Obligatorium nicht eingeschlossen.

3

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt: Art. 197 Ziff. 8 (neu) 8. Übergangsbestimmung zu Art. 117 Abs. 3 (Kranken- und Unfallversicherung) Nach Ablauf einer Übergangsfrist von neun Monaten nach der Annahme durch Volk und Stände wird bis zum Inkrafttreten der geänderten Bundesgesetzgebung jede Bestimmung, welche den Schwangerschaftsabbruch oder die Mehrlingsreduktion obligatorisch versichert, durch die Regelung von Artikel 117 Absatz 3 der Bundesverfassung ersetzt.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache ­ Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung» wurde am 4. Juli 2011 mit der erforderlichen Unterschriftenzahl eingereicht. Mit Verfügung vom 16. August 2011 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Volksinitiative mit 109 597 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.2 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu keinen Gegenentwurf. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens am 1 2 3

SR 101 BBl 2011 6551 SR 171.10

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3. Juli 2012 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 3. Januar 2014 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Sie kann diese Frist um ein Jahr verlängern, wenn mindestens ein Rat über einen Gegenentwurf oder einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlassentwurf Beschluss gefasst hat (Art. 105 Abs. 1 ParlG).

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 BV: ­

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

­

Sie bezieht sich ausschliesslich auf die Frage der Rückerstattung der Kosten für den Schwangerschaftsabbruch durch die soziale Krankenversicherung und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

­

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Die Initiative ist deshalb als gültig zu erklären.

2

Ziele und Forderungen des Initiativkomitees

Die nachfolgenden Ausführungen zum Initiativkomitee, zur Zielsetzung und zu den Hauptargumenten des Initiativkomitees stützen sich auf die Veröffentlichungen auf der Website des Initiativkomitees4 zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Botschaft.

2.1

Initiativkomitee

Das aus 27 Personen bestehende Initiativkomitee tritt als überparteiliches Komitee auf. Ihm gehören Mitglieder der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Christlichdemokratischen Volkspartei der Schweiz (CVP), der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP), der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) und der FDP.Die Liberalen (FDP) an. Drei Mitglieder des Komitees sind parteilos.

2.2

Hauptziel der Initiative

Nach Aussage des Initiativkomitees wissen viele Bürgerinnen und Bürger nicht, dass sie mit ihren Krankenversicherungsprämien Abtreibungen mitfinanzieren. Doch Abtreibungen seien keine Krankheit. Deshalb fordert die Volksinitiative, dass die 4

www.privatsache.ch. Seit der Lancierung der Initiative sind die Dokumente geändert und ergänzt worden. Die vorliegenden Ausführungen beziehen sich auf den Stand der Website am 22. Dezember 2011.

5413

Vergütung der Abtreibungen aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu streichen ist.

2.3

Hauptargumente des Initiativkomitees

Das Komitee begründet die Initiative mit folgenden Hauptargumenten: 1.

Entlastung der obligatorischen Krankenversicherung von fragwürdigen Leistungen: Abtreibungen gehören nicht zum Grundleistungskatalog der obligatorischen Krankenversicherung;

2.

Stärkung der Freiheit des Einzelnen: Niemand soll verpflichtet werden, über Prämien die Abtreibungen anderer mitfinanzieren zu müssen;

3.

Stärkung der Selbstverantwortung der Versicherten: Wer für sich die Möglichkeit einer Abtreibung in Betracht zieht, kann eine freiwillige Zusatzversicherung abschliessen oder die Kosten direkt bezahlen;

4.

Stärkung der Elternrechte: Jugendliche unter 16 Jahren können nicht mehr ohne Wissen der Eltern zu einer Abtreibung gedrängt werden;

5.

Die Initiative leistet einen positiven Beitrag zur Senkung der Prämien der obligatorischen Krankenversicherung;

6.

Die Initiative stoppt den finanziellen Anreiz durch die Krankenversicherung, Schwangerschaften abzubrechen; das reduziert die Zahl der Abtreibungen.

2.4

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Die Volksinitiative lehnt sich an eine Motion (09.3525) an, die vom Parlament am 12. April 2011 abgelehnt wurde. Die Initiative sieht die Streichung der Vergütung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vor und beauftragt den Gesetzgeber, die Ausnahmefälle festzulegen, in denen die Versicherung diese Leistungen übernimmt. Der Ermessensspielraum des Gesetzgebers wäre durch die von der Initiative vorgegebenen Prinzipien eingeschränkt. Das erste Prinzip ist die Nichtübernahme der Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sowie der Mehrlingsreduktion, das zweite Prinzip ist der Vorbehalt von seltenen Ausnahmen seitens der Mutter.

Die Initiative findet Anwendung auf die obligatorische Versicherung, allerdings ohne eine Unterscheidung zwischen den Bereichen der Kranken- und Unfallversicherung zu treffen. Die Kostenübernahme durch die Unfallversicherung bei einem Unfall anlässlich eines Schwangerschaftsabbruchs wäre daher ebenfalls ausgeschlossen. Die Volksinitiative ist hingegen nicht anwendbar auf die Taggeldversicherung nach dem Bundesgesetz vom 18. März 19945 über die Krankenversicherung (KVG).

5

SR 832.10

5414

3

Würdigung der Initiative

3.1

Chronologie der rechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs

3.1.1

Früheres Recht

Nach dem früheren Inhalt der Artikel 118 und 119 des Strafgesetzbuchs6 (StGB) war der Abbruch einer Schwangerschaft durch die Schwangere oder durch eine Drittperson strafbar. Ein Abbruch nach Artikel 120 StGB war jedoch erlaubt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis eine Gefahr für das Leben der Schwangeren oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes bestand und diese nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden konnte (sogenannte medizinische Indikation). Für den Abbruch der Schwangerschaft bedurfte es der schriftlichen Zustimmung der Schwangeren; der Eingriff musste durch einen diplomierten Arzt oder eine diplomierte Ärztin vorgenommen werden, und es musste vorher das Gutachten eines zweiten diplomierten Arztes oder einer zweiten diplomierten Ärztin eingeholt werden. Unter dem alten Recht übernahm die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei straflosem Abbruch einer Schwangerschaft nach Artikel 120 StGB die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit. Diese Bestimmung lehnte sich an den altrechtlichen Artikel 12quater KUVG an, der am 9. Oktober 1981 in das Gesetz aufgenommen wurde und auf den 1. März 1982 in Kraft trat.

3.1.2

Gescheiterte Initiativen

Verschiedene Etappen prägten die Diskussion um die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. Am 27. Dezember 1971 kam die Volksinitiative «für die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs» zustande7. Als Gegenvorschlag zur Volksinitiative verabschiedete der Bundesrat am 30. September 1974 den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Schutz der Schwangerschaft und die Neuordnung des Schwangerschaftsabbruchs8. Er empfahl darin die sogenannte erweiterte Indikationenlösung, einschliesslich der sozialen Indikation. Die Volksinitiative wurde am 24. Februar 1976 zurückgezogen9; das vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetz wurde von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern am 28. Mai 1978 abgelehnt10.

Am 13. Februar 1976 kam die Volksinitiative «für die Fristenlösung» zustande11.

Der Bundesrat empfahl die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung12. Am 25. September 1977 scheiterte die Initiative in der Volksabstimmung13.

Während der Sommersession 1978 wurden vier parlamentarische Initiativen (78.222, 78.223, 78.224, 78.225) sowie vier Standesinitiativen (78.204, 78.205, 78.207, 79.202) eingereicht14. Eine parlamentarische Initiative verlangte die Einrich6 7 8 9 10 11 12 13 14

SR 311.0 BBl 1971 II 2034 BBl 1974 II 703 BBl 1976 I 847 BBl 1978 II 367 BBl 1976 I 844 BBl 1976 II 798 BBl 1977 III 923 Bericht/Stellungnahme des Bundesrates: BBl 1979 II 1037, 1980 III 1047

5415

tung einer sozial-medizinischen Indikationslösung, die drei anderen strebten eine föderalistische Lösung im Bereich des straffreien Schwangerschaftsabbruchs an. Mit den Standesinitiativen wurde der Gesetzgeber aufgefordert, die eigenständige gesetzgeberische Tätigkeit der Kantone beziehungsweise die Einführung einer Fristenlösung zu ermöglichen. Keiner dieser Initiativen wurde Folge gegeben.

Am 26. August 1980 kam die Volksinitiative «Recht auf Leben» zustande15. Der Bundesrat empfahl die Initiative zur Ablehnung und legte einen Gegenentwurf vor16.

Dieser wurde von beiden Räten verworfen. Die Initiative scheiterte am 9. Juni 1985 in der Volksabstimmung17.

Die Volksinitiative «für Mutter und Kind ­ für den Schutz des ungeborenen Kindes und für die Hilfe an seine Mutter in Not» kam am 18. Januar 2000 zustande18. Die Lancierung der Initiative war eine Reaktion auf die parlamentarische Beratung der parlamentarischen Initiative «Schwangerschaftsabbruch. Revision des Strafgesetzbuches» (93.434, vgl. Ziff. 3.1.3). Der Bundesrat empfahl die Initiative in seiner Botschaft vom 15. November 200019 zur Ablehnung, verzichtete jedoch angesichts der beim Parlament hängigen Beratungen auf einen Gegenentwurf. Die Volksinitiative wurde in der Volksabstimmung vom 2. Juni 2002 mit 81,8 Prozent NeinStimmen abgelehnt20.

3.1.3

Änderung vom 23. März 2001 des Strafgesetzbuchs (Schwangerschaftsabbruch)

Am 29. April 1993 reichte Nationalrätin Barbara Haering Binder die parlamentarische Initiative 93.434 «Schwangerschaftsabbruch. Revision des Strafgesetzbuches» ein, die eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und die Einführung einer Fristenlösung anstrebte. Nach Ablauf der Frist sollte ein Schwangerschaftsabbruch nur noch erlaubt sein, wenn nach ärztlicher Erkenntnis eine Gefahr für das Leben der Schwangeren oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes besteht und diese nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Auf Antrag der vorberatenden Kommission für Rechtsfragen (RK-NR) beschloss der Nationalrat am 3. Februar 1995, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. In der Folge erarbeitete die RK-NR einen Vorschlag für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs im StGB.

Der nach den parlamentarischen Beratungen verabschiedete Text bestimmt, dass ein Schwangerschaftsabbruch in zwei Fällen straflos ist: ­

15 16 17 18 19 20

wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist;

BBl 1980 III 270 BBl 1983 II 1 BBl 1985 II 677 BBl 2000 234 BBl 2001 675 BBl 2002 5117

5416

­

wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.

Für diesen zweiten Fall werden einige Voraussetzungen im Gesetz definiert, insbesondere wird festgehalten, dass der schwangeren Frau gegen ihre Unterschrift ein Informationsleitfaden abgegeben wird und dass sich die Ärztin oder der Arzt persönlich zu vergewissern hat, dass eine schwangere Frau unter 16 Jahren sich an eine für Jugendliche spezialisierte Beratungsstelle gewandt hat.

Nach der vom Parlament beschlossenen Gesetzesänderung obliegt es den Kantonen, die Praxen und Spitäler zu bezeichnen, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen. Hinsichtlich der Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs sieht die Vorlage eine Änderung des KVG vor, wonach die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei straflosem Abbruch einer Schwangerschaft nach Artikel 119 StGB die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit übernimmt.

Das Bundesgesetz wurde am 23. März 2001 in der Schlussabstimmung im Parlament und anschliessend in der Volksabstimmung vom 2. Juni 2002 mit 72,2 Prozent Ja-Stimmen angenommen21. Die Neuregelung ist am 1. Oktober 2002 in Kraft getreten22.

3.2

Statistische Angaben

Nach Artikel 119 Absatz 5 StGB ist jeder Schwangerschaftsabbruch zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde zu melden, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet und das Arztgeheimnis gewahrt werden muss. Das Bundesamt für Statistik (BFS) erstellt gestützt auf die erhobenen Daten eine Statistik der Schwangerschaftsabbrüche.

Im Jahr 2010 wurden 11 092 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. 10 641 dieser Schwangerschaftsabbrüche betrafen in der Schweiz wohnhafte Frauen. Dem standen 80 290 Geburten im gleichen Zeitraum gegenüber.

Bei mehr als 62 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche wurde die medikamentöse Methode angewendet, in 38 Prozent der Fälle wurde ein chirurgischer Eingriff durchgeführt. Mehr als 60 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche werden in den ersten sieben Schwangerschaftswochen durchgeführt. Dabei wird bei mehr als 90 Prozent der Fälle die medikamentöse Methode angewendet. 35 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche werden zwischen der 8. und der 12. Schwangerschaftswoche durchgeführt. In diesen Fällen wird als Methode der chirurgische Eingriff bevorzugt (über 90 Prozent).

Im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern ist die Abbruchrate in der Schweiz sehr tief, vor allem bei den Teenagern. Die Rate der Schwangerschaftsabbrüche lag 2010 bei 6,8 auf 1000 Frauen im Alter von 15­44 Jahren, während sie 21 22

BBl 2002 5117 AS 2002 2989

5417

in Schweden 2009 über 20 betrug (20,8). Abbruchraten zwischen 10 und 20 verzeichnen England und Wales (2009: 17), Frankreich (2007: 16,8), Dänemark (2009: 15,3), Spanien (2009: 11,4), Finnland (2009: 10,6) und Italien (2008: 10,3).

Deutschland weist mit 7,1 Schwangerschaftsabbrüchen pro Jahr auf 1000 Frauen im Alter von 15­44 Jahren 2010 eine mit der Schweiz vergleichbare Quote auf.

Die Kosten der Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz dürften rund 8 Millionen Franken betragen, was rund 0,03 Prozent der Aufwendungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entspricht. In dieser Schätzung sind die geschätzten Kosten für die medikamentösen und für die chirurgischen Schwangerschaftsabbrüche mit eingerechnet (im Durchschnitt zwischen 600 und 1000 Franken), nicht berücksichtigt ist jedoch der von den betroffenen Frauen direkt finanzierte Kostenanteil (Franchise und Selbstbehalt). Weil ein Schwangerschaftsabbruch nicht zu den besonderen Leistungen bei Mutterschaft nach Artikel 29 Absatz 2 KVG zählt, fällt er nicht unter die Befreiung von der Kostenbeteiligung nach Artikel 64 Absatz 7 KVG. Es ist daher nicht möglich, die tatsächlichen Kosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung genauer zu beziffern; sie liegen jedoch unter den hier genannten Schätzwerten.

3.3

Rechtliche Erwägungen

Die frühere strafrechtliche Regelung umschrieb die Indikation zum straflosen Schwangerschaftsabbruch ­ wie jedes Indikationenmodell ­ nur mit unbestimmten Rechtsbegriffen und räumte somit dem Gutachter oder der Gutachterin unweigerlich einen grossen Ermessensspielraum ein23. Der Begriff Gesundheit konnte in diesem Kontext breit gefasst werden, ähnlich der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche die Gesundheit «als ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen»24 beschreibt. Dies führte insbesondere je nach Auslegung durch die Ärzteschaft zu einer uneinheitlichen Praxis in den einzelnen Kantonen (wobei die meisten Kantone eine mehr oder weniger liberale Praxis in Sachen Schwangerschaftsabbruch zuliessen25), aber auch innerhalb der einzelnen Kantone bestand keine Einheitlichkeit. Die uneinheitliche Anwendung des Rechts stellte das Gleichbehandlungsgebot in Frage, dass gleichliegende Fälle zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten gleich behandelt werden müssen. Für Ärztinnen und Ärzte sowie für die betroffenen Frauen stellte die daraus resultierende Rechtsunsicherheit (sowohl hinsichtlich der strafrechtlichen Risiken als auch der allfälligen Vergütung der Intervention) eine grosse Belastung dar.

Der Blick auf die Anwendung des StGB zeigt, dass seit 1980 praktisch keine Strafurteile gestützt auf die Artikel 118 und 119 StGB ergangen sind. Eines der letzten Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) nach den genannten Artikeln betraf im Übrigen die Frage der Vergütung eines Schwangerschaftsabbruchs. Das EVG hielt am 14. Mai 1982 fest, dass die gesetzliche Leistungspflicht 23 24

25

Vgl. dazu insbesondere BBl 1998 5376 5379 Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation, wie sie von der Weltgesundheitskonferenz vom 19. Juni bis zum 22. Juli 1946 in New York angenommen, von den Vertreterinnen und Vertretern von 61 Staaten am 22. Juli 1946 unterzeichnet (Actes off.

Org. mond. Santé, 2, 100) und am 7. April 1948 in Kraft gesetzt wurde.

Vgl. dazu insbesondere BBl 1998 3005 3007

5418

nicht nur die zur Beseitigung der körperlichen oder seelischen Beschwerden notwendigen Massnahmen umfasst, sondern auch diejenigen, die dazu dienen, eine Gefährdung der Gesundheit oder eine Verschlimmerung eines bestehenden Leidens zu vermeiden (BGE 108 V 34 / RSKV 1982 nr. 517). Der Schwangerschaftsabbruch wird demnach nicht ausschliesslich praktiziert, um eine theoretisch mögliche Gefahr abzuwenden, sondern auch um zu verhindern, dass die Schwangere im Falle einer Fortsetzung der Schwangerschaft an Leib und Leben bedroht wäre. In der Beratung der parlamentarischen Initiative Haering Binder wurde das Fehlen von Strafurteilen nach den Artikeln 118 und 119 StGB als Anzeichen dafür gewertet, dass in der Gesellschaft der nötige Wille zum Vollzug der Strafbestimmung zum unerlaubten Schwangerschaftsabbruch nicht oder nicht mehr vorhanden ist. Mit der Einführung der Fristenlösung wurde somit eine bereits vorher weit verbreitete und strafrechtlich nicht (oder nicht mehr) geahndete liberale Praxis in Sachen Schwangerschaftsabbruch verankert.

Die Änderung vom 23. März 200126 des StGB in Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch enthielt auch eine Änderung von Artikel 30 KVG. Die Revision wurde im Nationalrat mit 107 zu 69 Stimmen und im Ständerat mit 22 zu 20 Stimmen gutgeheissen. Gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen. In der Volksabstimmung vom 2. Juni 2002 wurde die vom Parlament beschlossene Revision mit grosser Mehrheit angenommen.

Die allen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zugestellten Abstimmungserläuterungen des Bundesrates enthielten den gesamten Vorlagetext, einschliesslich die Änderung von Artikel 30 KVG. Ausserdem machten die Referendumskomitees in ihrer Stellungnahme als Argument gegen die StGB-Revision geltend, dass damit alle Versicherten gezwungen würden, sich über die Krankenversicherungsprämien an den Kostenfolgen von Abtreibungen zu beteiligen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger genehmigten die Fristenlösung somit im Wissen darum, dass die Kosten des legalen Schwangerschaftsabbruchs im Sinne des StGB von der Krankenversicherung übernommen werden würden.

Am 12. April 2011 bestätigte der Nationalrat diesen Volkswillen, als er sich mit 84 zu 55 Stimmen27 gegen die Annahme einer Motion (09.3525) aussprach, die dasselbe Ziel wie die in der vorliegenden Botschaft zur Diskussion stehende Initiative verfolgte.

3.4

Praktische Erwägungen

Mit der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und der Ausweitung des Anspruchs auf Vergütung der Leistungen nach Artikel 30 KVG entfielen die Anreize, einen Abbruch ausserhalb des geschaffenen gesetzlichen Rahmens durchzuführen. Dieser gesetzliche Rahmen stellt sicher, dass die erforderlichen medizinischen Leistungen von hoher Qualität sind, dass die Schwangere informiert und beraten wurde und dass sie den Schwangerschaftsabbruch schriftlich verlangt hat. So können gewisse Risiken, insbesondere für die Gesundheit der Frauen, die sich einem Schwangerschaftsabbruch unterziehen, vermieden werden.

26 27

BBl 2001 1338 AB 2011 N 663

5419

Die vorliegende Initiative, welche die Streichung der Vergütung des Schwangerschaftsabbruchs ­ abgesehen von seltenen Ausnahmen ­ durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vorsieht, stellt den strafbaren Charakter des Schwangerschaftsabbruchs, in den Fällen und unter den Voraussetzungen, die im StGB aufgeführt werden, nicht in Frage. Dies führt jedoch, wie unter dem alten Recht, wieder zu Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Recht auf Rückerstattung der Kosten, was daher eine Rückkehr zur alten Praxis zur Folge haben könnte, die mit der neuen Gesetzgebung überwunden worden war. Auch wenn seltene Ausnahmen gesetzlich vorgesehen sind, ergäbe sich durch die allgemeine Formulierung des Erlasses unweigerlich ein Ermessensspielraum, der zu Ungewissheit führen würde, da die Schwangere nicht wüsste, ob ihre Krankenversicherung für die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aufkommt oder nicht. Der Bundesrat könnte die Ausnahmefälle zwar möglichst genau festlegen, aber Diskussionen über die Auslegung wären unvermeidlich. Einerseits gibt die Initiative den Versicherern die Befugnis zu entscheiden, ob die Indikationen für die Vergütung des Schwangerschaftsabbruchs erfüllt sind, wohingegen sie im aktuellen Recht nur feststellen müssen, dass der Abbruch keine strafrechtliche Verurteilung nach sich zieht, um einer Rückerstattung zuzustimmen. Andererseits ­ wie unter dem alten Recht ­ könnten die Ärztinnen und Ärzte die im Gesetz definierten Ausnahmeindikationen weit auslegen und gewisse Schwangerschaftsabbrüche so darstellen, dass der Versicherer der Kostenübernahme zustimmt. Im Falle eines solchen Schwangerschaftsabbruchs, der durch eine Ärztin oder einen Arzt mit Berufsausübungsbewilligung und unter Einhaltung der im Gesetz festgelegten Voraussetzungen vorgenommen wird, bestünde kein zusätzliches Risiko für die Gesundheit der betroffenen Frau.

Allerdings besteht die Gefahr, dass gewisse Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch nicht selbst bezahlen können, Leistungen in Anspruch nehmen, die die gesetzlichen Vorgaben nicht oder nur teilweise einhalten. Es würden Eingriffe zu geringeren Kosten, aber ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen angeboten. Ein solches Gebaren wäre illegal und strafbar, würde aber ebenso an Verbreitung gewinnen wie der Schwangerschaftsabbruch zu Zeiten, als dieser noch
verboten war.

Solche Praktiken könnten ein Risiko für die Gesundheit der betroffenen Frauen darstellen, da bei einem solchen Schwangerschaftsabbruch die Gefahr einer unzureichenden Behandlungsqualität bestünde. Die Frauen würden gesundheitliche Risiken eingehen und für die Komplikationen (physischer oder psychischer Natur) im Zuge qualitativ unzureichender Eingriffe hätte die obligatorische Krankenpflegeversicherung aufzukommen.

Der Gesetzgeber und das Volk haben entschieden, den Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen zu erlauben (Frist, Gespräch der Ärztin oder des Arztes mit der Schwangeren, Meldung der Eingriffe an die Behörden). Diese Auflagen gewährleisten den Gesundheits- und Rechtsschutz aller Betroffenen. Der Bundesrat ist deshalb der Ansicht, dass die Verbindung von Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs und Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung beibehalten werden soll.

5420

3.5

Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung

Gestützt auf die Kompetenzen, die ihnen die schweizerische Bundesverfassung zuweist, setzen sich Bund und Kantone im Rahmen der Sozialziele unter anderem dafür ein, dass jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat, die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält und gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit und Unfall gesichert ist (Art. 41 BV). Die Kompetenzen des Bundes umfassen den Erlass von Vorschriften und das Treffen von Massnahmen in den Bereichen Fortpflanzungsmedizin, Gentechnologie und Transplantationsmedizin sowie den Erlass von Vorschriften über die Kranken- und Unfallversicherung. Der Bund trifft zudem im Rahmen seiner Zuständigkeiten Massnahmen zum Schutz der Gesundheit. Als Rechtsetzungsbehörde legt der Bund namentlich die obligatorisch versicherten Leistungen (Art. 24 ff. KVG) sowie die Leistungserbringer, die zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung zugelassen sind (Art. 35 ff. KVG), fest.

Vor der Änderung des StGB wurden die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur dann übernommen, wenn der Abbruch erlaubt, also medizinisch indiziert war. Mit der Einführung der Fristenlösung erhielten gesunde Frauen, für die eine Schwangerschaft kein Gesundheitsrisiko darstellt, das Recht auf Abbruch einer Schwangerschaft. Die Schwangerschaft ist im Übrigen keine Krankheit. Der Gesetzgeber war jedoch der Ansicht, dass eine ungewollte Schwangerschaft stets ein Gesundheitsrisiko darstellt. Ein Abbruch ist in diesem Fall keine Gefälligkeitsoperation, sondern eine medizinisch-therapeutische Intervention wie viele andere im Bereich der menschlichen Fortpflanzung, deren Kosten die Krankenversicherung übernimmt (wie beispielsweise die Behandlung der Sterilität). Er gewährleistet wie diese die physische oder psychische Integrität der Patientin. Der Gesetzgeber hat deshalb eine Änderung von Artikel 30 KVG beschlossen, um ausdrücklich festzuhalten, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei straflosem Abbruch einer Schwangerschaft nach Artikel 119 StGB die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit übernimmt. Zudem muss ein Schwangerschaftsabbruch, wie alle von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergüteten Leistungen, wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein.

Ebenso sind alle gesetzlichen Bestimmungen zur Qualität anwendbar.

3.6

Ethische Erwägungen

Aus moralischer, theologischer und sozial-ethischer Sicht stellt eine ungewollte Schwangerschaft immer eine ethische Konfliktsituation dar. Mit der Einführung der Fristenlösung hat der Gesetzgeber den Anspruch der Betroffenen auf Achtung ihres Gewissenentscheids begründet. Damit fand ein Paradigmenwechsel statt: Der Gesetzgeber hat entschieden, dass in unserer liberalen Gesellschaft die Verantwortung für die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch der betroffenen Frau überlassen werden muss. Die Fristenregelung hatte nicht zum Ziel, das Dilemma, in dem sich die betroffenen Personen befinden, zu lösen. Vielmehr ermöglicht sie einen gangbaren Weg, Verantwortung wahrzunehmen, und ist ein Ausdruck des Vertrauens der Gesellschaft in die Reife der Personen, die vor dieser Entscheidung stehen.

5421

Der Gesetzgeber war auch der Ansicht, dass es möglich sein muss, die Entscheidung überlegt und ohne Druck - vor allem finanzieller Natur - zu treffen. Er legte daher einerseits Voraussetzungen fest, die sicherstellen, dass die Schwangeren informiert und beraten werden, und beschloss andererseits, dass die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden. Die Aufhebung der Kostenübernahme würde den Entscheid über einen allfälligen Schwangerschaftsabbruch mit der wirtschaftlichen Lage verknüpfen. Dies ist unerwünscht. Die der Frau überlassene Verantwortung für ihren Entscheid wiegt schwer. Die einzubeziehenden moralischen, theologischen und sozial-ethischen Kriterien sollten nicht durch wirtschaftliche Überlegungen beeinflusst werden. Der Bundesrat wünscht auch nicht, dass die Frauen aus bescheidenen sozialen Verhältnissen wegen ihrer wirtschaftlichen Situation benachteiligt sind, wenn sie den Entscheid für einen Schwangerschaftsabbruch treffen müssen.

3.7

Finanzielle Auswirkungen

Die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs, die zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gehen, sind begrenzt und stabil. Zum einen beteiligen sich die betroffenen Frauen an den Kosten der erbrachten Leistungen und zum anderen ist die Zahl der Eingriffe in der Schweiz im internationalen Vergleich bemerkenswert niedrig.

Die Ausweitung der Möglichkeit, einen Abbruch ambulant vornehmen zu lassen, und die Zunahme der medikamentösen Abbrüche im Zuge der Markteinführung der Abtreibungspille Myfegine haben weiter zur Senkung der Kosten beigetragen.

Die Aufhebung der Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei Schwangerschaftsabbruch hätte Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen, die illegale Eingriffe in Anspruch nehmen würden. Die Kosten der Auswirkungen hätte die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu tragen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Versicherer in jedem Einzelfall nachzuprüfen hätten, ob eine im Gesetz anerkannte Ausnahmeindikation für den Schwangerschaftsabbruch vorliegt.

Dies hätte einen merklichen Anstieg der Verwaltungskosten und gegebenenfalls der Kosten für medizinische Gutachten zur Folge.

4

Frage eines Gegenentwurfs

Aus den oben angeführten Gründen beantragt der Bundesrat die Ablehnung der Volksinitiative, ohne einen Gegenentwurf oder einen Entwurf zu einem mit der Initiative eng zusammenhängenden Erlassentwurf (Art. 97 Abs. 2 ParlG) vorzulegen. Er ist weiter der Ansicht, dass das Volk seinen Willen bezüglich der Kostenübernahme bei Schwangerschaftsabbruch bereits geäussert hat, als es am 2. Juni 2002 die Änderung des StGB vom 23. März 2001 mit 72,2 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen hat. Die Änderung von Artikel 30 KVG war Bestandteil der Vorlage.

Der Bundesrat hält weiter fest, dass das Parlament am 12. April 2011 eine Motion (09.3525) teilweise gleichen Inhalts wie die vorliegende Volksinitiative abgelehnt hat.

5422

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das heutige Gesetz den juristischen und ethischen Integritätsanforderungen genügt, welche die zur Diskussion stehende Initiative in Frage stellt. Der Bundesrat ist der Meinung, dass jeder Gegenentwurf oder Entwurf zu einem mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlassentwurf diese Anforderungen gefährden würde.

5

Internationaler Vergleich

Die Gesetzgebung in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch ist in Europa sehr unterschiedlich.

In Schweden ist der Abbruch auf Verlangen der Frau innerhalb von 18 Wochen seit der letzten Periode zulässig. Die Kosten werden praktisch gänzlich von der Krankenversicherung übernommen, die Kostenbeteiligung der Patientin ist gering.

In Grossbritannien ist der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von 24 Wochen seit der letzten Periode unter bestimmten Bedingungen erlaubt (sozialmedizinische Indikationen und Entscheid von zwei Ärzten oder Ärztinnen). Das Krankenversicherungssystem übernimmt die Kosten.

In Frankreich wird der Abbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche, das heisst innerhalb von 14 Wochen seit dem ersten Tag der letzten Periode, auf Verlangen der Frau vorgenommen; die Frau muss eine Notlage aufgrund der Schwangerschaft geltend machen. Die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs werden zu 80 Prozent vom Krankenversicherungssystem übernommen beziehungsweise zu 100 Prozent, wenn die Frau jünger als 18 Jahre ist oder bei Bedürftigkeit.

In Dänemark ist der Abbruch auf Verlangen der Frau innerhalb von 12 Wochen seit dem ersten Tag der letzten Periode erlaubt. Das Krankenversicherungssystem übernimmt die Kosten.

In Spanien ist der Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Frau innerhalb von 14 Wochen seit der letzten Periode zulässig. Die Kosten werden vollumfänglich vom Krankenversicherungssystem übernommen.

In Finnland ist der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von 12 Wochen seit der letzten Periode unter bestimmten Bedingungen erlaubt (sozialmedizinische Indikationen und Entscheid von zwei Ärzten oder Ärztinnen). Das Krankenversicherungssystem übernimmt die Kosten des Eingriffs, der Spitalaufenthalt geht jedoch zulasten der Frau.

In Italien ist der Schwangerschaftsabbruch bis zum 90. Tag der Schwangerschaft unter bestimmten Bedingungen zulässig (von der Frau definierte sozialmedizinische Indikationen). Die Kosten werden vollumfänglich vom Krankenversicherungssystem übernommen.

In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von 12 Wochen nach der Empfängnis erlaubt, sofern die betroffene Frau eine Notlage geltend macht oder durch Vergewaltigung schwanger wurde. Die im Zusammenhang mit dem Abbruch anfallenden Kosten (Information, Schwangerschaftsnachweis) werden teilweise übernommen,
nicht jedoch der Eingriff selbst. Frauen mit geringem eigenem Einkommen erhalten weitere Kosten erstattet. Kosten für Abbrüche von Schwangerschaften mit medizinischer Indikation oder als Folge einer Vergewaltigung werden vom Krankenversicherungssystem vollumfänglich übernommen.

5423

Obschon sich die Rechtslage von Land zu Land unterscheidet, ist generell eine Übernahme der Kosten durch das Krankenversicherungssystem beziehungsweise staatliche System vorgesehen. Ein direkter Zusammenhang zwischen Vergütungsquote und Schwangerschaftsabbruchrate ist vor dem Hintergrund der unter Ziffer 3.2 zitierten Statistiken nicht belegbar.

6

Verhältnis zum europäischen Recht

6.1

Vorschriften der Europäischen Union

Artikel 3 des Vertrages der Europäischen Union (EU-Vertrag) überträgt der Europäischen Union die Aufgabe, die soziale Gerechtigkeit und den sozialen Schutz zu fördern. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der Union ist in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt. Das Freizügigkeitsprinzip verlangt eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, wie dies in Artikel 48 AEUV festgelegt ist. Das Unionsrecht sieht keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten können die Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten sowie die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit weiterhin bestimmen. Die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit wird durch die Verordnung (EG) Nr. 883/200428 und die Durchführungsverordnung Nr. 987/200929 geregelt. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 199930 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit am 1. Juni 2002 ist die Schweiz Teil des multilateralen Koordinationssystems, auf der Basis der alten Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu und abwandern, sowie durch die entsprechende Durchführungsverordnung Nr. 574/7231.

6.2

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) garantiert die Konvention vom 4. November 195032 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) kein umfassendes «Recht auf Abtreibung». Indes gehört der Abbruch der Schwangerschaft zum Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) der Schwangeren und des Ungeborenen. Die Vertragsstaaten 28

29

30 31 32

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S.1,berichtigt in ABl. L 200 vom 7. Juni 2004 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom 30.10.2009, S.1 SR 0.142.112.681 SR 0.831.109.268.1 und 0.831.109.268.11 SR 0.101

5424

haben bei ihrer Gesetzgebung einen grossen Ermessensspielraum, um die Konfliktlagen zwischen Mutter und Kind in einen Ausgleich zu bringen (EGMR, Urteil vom 16. Dezember 2010 [Grosse Kammer], A, B und C gegen Irland, BeschwerdeNr. 25579/05, § 212 und § 231 ff.). Eingriffe in das Recht auf Privatleben müssen ferner das Diskriminierungsverbot nach Artikel 14 EMRK beachten. Als Eingriff in das Recht auf Privatleben gilt nicht nur das Verbot, die Schwangerschaft abzubrechen, sondern auch der Ausschluss der Übernahme der Behandlungskosten durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung kann darunter fallen (vgl. EGMR, Urteil Schlumpf gegen die Schweiz vom 8. Januar 2009, Beschwerde-Nr. 29002/06). Der Bundesrat ist indes der Auffassung, dass sich der Initiativtext in einer Weise auslegen lässt, der eine allfällige Unvereinbarkeit mit der EMRK vermeidet.

6.3

Die Instrumente des Europarates

Was die wirtschaftlichen und sozialen Rechte anbelangt, stellt die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 die Entsprechung zur EMRK dar. In Artikel 12 ist das Recht auf soziale Sicherheit verankert. Die Schweiz hat die Charta am 6. Mai 1976 unterzeichnet; eine Ratifizierung wurde jedoch 1987 vom Parlament abgelehnt, sodass dieses Übereinkommen für unser Land nicht bindend ist.

Mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Es handelt sich dabei um ein von der Europäischen Sozialcharta von 1961 gesondertes Abkommen, welches diese nicht aufhebt. Das Recht auf soziale Sicherheit ist ebenfalls in Artikel 12 enthalten.

Die Schweiz hat dieses Instrument nicht ratifiziert.

Die Schweiz hat die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 am 16. September 1977 ratifiziert33. Unser Land hat jedoch Teil II über die ärztliche Betreuung nicht angenommen, der die Verpflichtung zum Inhalt hat, den geschützten Personen medizinische Versorgung bei Krankheit ohne Rücksicht auf ihre Ursache sowie bei Mutterschaft zu gewährleisten. Der Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin kann zur Beteiligung an den Kosten der bei Krankheit gewährten medizinischen Versorgung verpflichtet werden. Zudem kann die Dauer der erbrachten Leistungen pro Fall auf 26 Wochen beschränkt werden.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990 ist ebenfalls ein von der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit zu unterscheidendes Abkommen, sie ersetzt jene nicht. Die revidierte Ordnung ist noch nicht in Kraft getreten.

33

AS 1978 1491

5425

6.4

Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Weder das Recht der Europäischen Union und noch die Instrumente des Europarates setzen für den Schwangerschaftsabbruch Normen fest: Die Volksinitiative steht somit nicht im Widerspruch zum europäischen Recht.

Das europäische Recht räumt den Staaten in Fragen des Schwangerschaftsabbruchs zwar einen gewissen Ermessensspielraum ein, das Europäische Parlament hat jedoch verschiedene Entschliessungen verabschiedet, die den Mitgliedstaaten und den mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten empfehlen, den Schwangerschaftsabbruch nicht nur zu legalisieren, sondern diesen auch sicher und allen zugänglich zu machen34. Die Streichung der Übernahme der Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung kann als eine Einschränkung der Option auf einen sicheren und zugänglichen Schwangerschaftsabbruch angesehen werden, wie er vom Europäischen Parlament empfohlen wird.

7

Schlussbemerkungen

Die Volksinitiative wird vorgelegt, nachdem sich das Stimmvolk 2002 bereits für die Kopplung von Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs und Vergütung der Leistung ausgesprochen hat. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese Kopplung beibehalten werden soll.

Mit der Annahme der Änderung des StGB stimmte der Souverän der Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs unter bestimmten, klar festgehaltenen Voraussetzungen zu. Würden die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gestrichen, so bestünde ein Risiko, dass gewisse Eingriffe ausserhalb des rechtlichen Rahmens durchgeführt würden. Der vom StGB verlangte Zugang zur Information und die von der Krankenversicherung verlangte Qualität der Leistungen wären in diesem Fall nicht gewährleistet. Neben den gesundheitlichen Risiken und der Strafbarkeit solcher Praktiken, ist der Bundesrat der Auffassung, dass die im StGB festgelegten Anforderungen möglicherweise nicht mehr korrekt angewendet werden könnten.

Die Streichung der Vergütung des Schwangerschaftsabbruchs durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung würde die derzeit gewährleistete Rechtssicherheit für die betroffenen Frauen und die Ärzteschaft untergraben. Die Diskussionen um die Auslegung der im Gesetz definierten Ausnahmeindikationen und die notwendigen Kontrollen vor einer Kostenübernahme bei Schwangerschaftsabbruch würden Unsicherheit schaffen und den Verwaltungsaufwand der Versicherer erhöhen.

Schliesslich ist der Entscheid für oder gegen den Schwangerschaftsabbruch nach Auffassung des Bundesrates zu schwerwiegend, als dass wirtschaftliche Überlegungen dabei eine Rolle spielen dürfen. Zudem ist der Schwangerschaftsabbruch ein 34

Insbesondere Entschliessung des Europäischen Parlaments vom 8. März 2011 zu dem Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der Europäischen Union (P7_TA-PROV(2011)0081) und Entschliessung des Europäischen Parlaments vom 8. März 2011 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union (P7_TA-PROV(2011)0085)

5426

medizinisch-therapeutischer Eingriff, der die physische oder psychische Integrität der Patientin gewährleistet. Es ist daher angebracht, dass dieser unter die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung fällt.

Die Rate der Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz ist stabil, mit sinkender Tendenz. Sie ist niedriger als in den anderen europäischen Ländern. Die Kosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind daher nicht problematisch. Aus den oben ausgeführten Gründen und in Anbetracht des äusserst geringfügigen Einflusses einer Aufhebung der Leistungspflicht bei Schwangerschaftsabbruch auf die Kosteneindämmung im Bereich der Krankenversicherung, beantragt der Bundesrat, die Initiative Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung und ohne einen Gegenentwurf zur Abstimmung vorzulegen.

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