Bundesgesetz über die Anpassung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit

Entwurf

vom ...

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 2. März 20121, beschliesst: I Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert:

1. Bundesgesetz vom 28. September 19562 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen Art. 1a 2. Bei Missbräuchen

Stellt die tripartite Kommission nach Artikel 360b des Obligationenrechts3 fest, dass in einer Branche oder einem Beruf die orts-, berufsoder branchenüblichen Löhne und Arbeitszeiten wiederholt in missbräuchlicher Weise unterboten werden, so kann sie mit Zustimmung der Vertragsparteien die Allgemeinverbindlicherklärung des für die betreffende Branche geltenden Gesamtarbeitsvertrags beantragen.

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Gegenstand der Allgemeinverbindlicherklärung können in diesem Fall die Bestimmungen über die minimale Entlöhnung und die ihr entsprechende Arbeitszeit, die Vollzugskostenbeiträge, die paritätischen Kontrollen sowie die Sanktionen gegenüber fehlbaren Arbeitgebern und Arbeitnehmern, insbesondere Konventionalstrafen und die Auferlegung von Kontrollkosten, sein.

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BBl 2012 3397 SR 221.215.311 SR 220

2011-1722

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Anpassung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit. BG

2. Bundesgesetz vom 8. Oktober 19994 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Titel Bundesgesetz über die flankierenden Massnahmen bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und über die Kontrolle der in Normalarbeitsverträgen vorgesehenen Mindestlöhne (Entsendegesetz, EntsG) Art. 1 Sachüberschrift und Abs. 2 und 3 (neu) Gegenstand und Begriff Es regelt ebenfalls die Kontrolle der Arbeitgeber, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz beschäftigen, und ihre Sanktionierung, wenn sie gegen Bestimmungen über den Mindestlohn verstossen, die in einem Normalarbeitsvertrag im Sinne von Artikel 360a des Obligationenrechts5 (OR) vorgeschrieben sind.

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Der Begriff der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers bestimmt sich nach schweizerischem Recht (Art. 319­362 OR).

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Art. 1a (neu)

Nachweis der selbstständigen Erwerbstätigkeit durch ausländische Dienstleistungserbringerinnen und Dienstleistungserbringer

Ausländische Dienstleistungserbringerinnen und Dienstleistungserbringer, die sich auf selbstständige Erwerbstätigkeit berufen, haben diese gegenüber den zuständigen Kontrollorganen auf Verlangen nachzuweisen. Der Begriff der selbstständigen Erwerbstätigkeit bestimmt sich nach schweizerischem Recht.

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Die Dienstleistungserbringerin oder der Dienstleistungserbringer muss den Kontrollorganen nach Artikel 7 Absatz 1 bei einer Kontrolle vor Ort folgende Dokumente vorweisen:

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a.

Kopie der Meldung nach Artikel 6 oder Kopie der erteilten Bewilligung, wenn die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz der Meldepflicht oder dem Bewilligungsverfahren nach der Ausländergesetzgebung unterliegt;

b.

Bescheinigung nach Artikel 11a Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 (Formular E 101)6;

SR 823.20 SR 220 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der für die Schweiz gemäss Anhang II zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681) jeweils verbindlichen Fassung.

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Anpassung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit. BG

c.

Kopie des Vertrags mit der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber beziehungsweise der Bestellerin oder dem Besteller; wenn kein schriftlicher Vertrag vorhanden ist, eine schriftliche Bestätigung der Auftraggeberin oder des Auftraggebers beziehungsweise der Bestellerin oder des Bestellers für den in der Schweiz auszuführenden Auftrag oder Werkvertrag; die Dokumente müssen in einer Amtssprache vorgelegt werden.

Kann sie oder er die Dokumente nach Absatz 2 nicht vorweisen, so setzt ihr oder ihm das Kontrollorgan eine Nachfrist an.

3

Können die Kontrollorgane gestützt auf die vorgelegten Unterlagen sowie allfällige Beobachtungen vor Ort nicht abschliessend beurteilen, ob eine selbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, so holen sie weitere Auskünfte und Unterlagen ein.

4

Die kontrollierte Person und ihre Auftraggeberin oder ihr Auftraggeber beziehungsweise ihre Bestellerin oder ihr Besteller müssen den Kontrollorganen auf Verlangen alle Dokumente zustellen, die dem Nachweis der selbstständigen Erwerbstätigkeit der kontrollierten Person dienen und die Auskunft über das bestehende Vertragsverhältnis geben.

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Art. 1b (neu)

Massnahmen bei Verletzung der Dokumentationspflicht oder misslungenem Nachweis der selbstständigen Erwerbstätigkeit

Das Kontrollorgan kann der zuständigen kantonalen Behörde nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d folgende Personen melden:

1

a.

Personen, die innert der angesetzten Nachfrist die Dokumente nach Artikel 1a Absatz 2 oder gleichwertige Unterlagen nicht vorweisen;

b.

Personen, denen der Nachweis der selbstständigen Erwerbstätigkeit misslungen ist und deren Arbeitgeber nicht feststellbar ist.

Die kantonale Behörde kann einen Arbeitsunterbruch anordnen und veranlassen, dass die betreffende Person den Arbeitsplatz verlässt. Beschwerden gegen die Anordnung eines Arbeitsunterbruchs haben keine aufschiebende Wirkung. Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach kantonalem Recht.

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3

Der Arbeitsunterbruch dauert an: a.

bei Personen nach Absatz 1 Buchstabe a: bis die Dokumente nach Artikel 1a Absatz 2 oder gleichwertige Unterlagen vorgewiesen werden;

b.

bei Personen nach Absatz 1 Buchstabe b: bis ihr Arbeitgeber festgestellt werden konnte.

Art. 7 Abs. 2 Der Arbeitgeber muss den Organen nach Absatz 1 auf Verlangen alle Dokumente zustellen, welche die Einhaltung der Arbeits- und Lohnbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belegen. Die Dokumente müssen in einer Amtssprache vorgelegt werden.

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Art. 9 Abs. 2 und 3 2

Die zuständige kantonale Behörde nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d kann: a.

bei Verstössen gegen Artikel 1a Absatz 2, bei geringfügigen Verstössen gegen Artikel 2 und bei Verstössen gegen die Artikel 3 und 6 eine Verwaltungssanktion aussprechen, die eine Belastung durch einen Betrag bis 5000 Franken vorsieht; Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 19747 über das Verwaltungsstrafrecht ist anwendbar;

b.

bei Verstössen gegen Artikel 2, die nicht geringfügig sind, bei Verstössen im Sinne von Artikel 12 Absatz 1 oder bei Nichtbezahlung rechtskräftiger Bussen den betreffenden Unternehmen oder Personen verbieten, während ein bis fünf Jahren in der Schweiz ihre Dienste anzubieten;

c.

gegen Arbeitgeber, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz beschäftigen und die gegen Bestimmungen über den Mindestlohn, die in einem Normalarbeitsvertrag im Sinne von Artikel 360a OR8 vorgeschrieben sind, verstossen, eine Verwaltungssanktion aussprechen, die eine Belastung durch einen Betrag bis 5000 Franken vorsieht; Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht ist anwendbar;

d.

den fehlbaren Unternehmen oder Personen die Kontrollkosten ganz oder teilweise auferlegen.

Die Behörde, die eine Sanktion ausspricht, stellt dem Staatssekretariat für Wirtschaft und dem zuständigen Kontrollorgan nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a eine Kopie ihres Entscheides zu. Das Staatssekretariat für Wirtschaft führt eine Liste der Unternehmen und Personen, die Gegenstand einer rechtskräftigen Sanktion gewesen sind. Diese Liste ist öffentlich.

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Art. 12 Abs. 1 Bst. c und d (neu) Mit Busse bis zu 40 000 Franken wird bestraft, sofern nicht ein mit höherer Strafe bedrohtes Vergehen des Strafgesetzbuches9 vorliegt, wer:

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c.

einer rechtskräftigen Dienstleistungssperre nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b nicht Folge leistet;

d.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz beschäftigt und systematisch und in gewinnsüchtiger Absicht gegen Bestimmungen über den Mindestlohn, die in einem Normalarbeitsvertrag im Sinne von Artikel 360a OR10 vorgeschrieben sind, verstösst.

SR 313.0 SR 220 SR 311.0 SR 220

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II 1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

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