10.324 Standesinitiative Gewässerschutzgesetz. Teilrevision Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 3. September 2012

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf einer Änderung des Gewässerschutzgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

3. September 2012

Im Namen der Kommission Der Präsident: Didier Berberat

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Übersicht Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates hat im Rahmen einer Standesinitiative eine Vorlage zur Änderung des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer ausgearbeitet. Sie schlägt eine Ergänzung von Artikel 37 Absatz 1 vor, welche die Verbauung und Korrektion von einem Fliessgewässer ermöglicht, wenn dies für die Errichtung einer auf den Standort angewiesenen Deponie für ausschliesslich unverschmutztes Aushub-, Abraum- und Ausbruchmaterial nötig ist.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Standesinitiative

Die am 16. Juni 2010 vom Kanton Bern eingereichte Standesinitiative verlangt, die Gewässerschutzgesetzgebung so zu ändern, dass es möglich wird, die Umlegung und gleichzeitige Aufwertung von ­ unverbauten und unkorrigierten ­ natürlichen Fliessgewässern ausnahmsweise zu bewilligen, wenn die Errichtung einer neuen Deponie für ausschliesslich unverschmutzten Aushub dies zwingend erforderlich macht.

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S; hiernach: die Kommission) hat an ihrer Sitzung vom 26. April 2011 die Standesinitiative vorgeprüft und eine Vertretung des Kantons Bern angehört. Sie stimmte dem Initiativanliegen zu und beschloss mit 9 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen, der Initiative Folge zu geben, um im Detail zu prüfen, wie die Situation verbessert werden kann.

Der Beschluss der Kommission bedurfte gemäss Artikel 116 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG1) der Zustimmung der zuständigen Kommission des Nationalrates. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) hat die Standesinitiative am 21. Juni 2011 vorgeprüft und dem Beschluss auf Folgegeben mit 22 Stimmen zugestimmt.

Nach den Beschlüssen der beiden Kommissionen ist die Kommission gemäss Artikel 117 Absatz 2 und Artikel 111 Absatz 1 ParlG beauftragt worden, innert zwei Jahren eine Vorlage auszuarbeiten.

1.2

Arbeiten der Kommission

Die Kommission befasste sich an ihren Sitzungen vom 17. Januar und 23. März 2012 mit der Umsetzung der Initiative. Am 23. März 2012 nahm sie einen Gesetzesvorentwurf an, den sie anschliessend vom 2. April bis zum 12. Juli 2012 in die Vernehmlassung gab (Art. 112 Abs. 2 ParlG).

Die Kommission nahm den vorliegenden Gesetzesentwurf am 3. September 2012 mit 8 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) unterstützt.

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Grundzüge der Vorlage

Das Bundesgesetz vom 24. Januar 19912 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz; GSchG) zählt in Artikel 37 Absatz 1 abschliessend auf, in welchen Fällen Fliessgewässer verbaut oder korrigiert werden dürfen, nämlich, wenn der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten es erfordert (Bst. a), wenn es für die Schiffbarmachung oder für die Nutzung der Wasserkraft nötig ist (Bst. b) und schliesslich, wenn dadurch der Zustand eines bereits verbauten oder korrigierten Gewässers verbessert werden kann (Bst. c). Eine Verbauung oder Korrektion eines natürlichen Fliessgewässers ist für die in den Buchstaben a und b von Artikel 37 Absatz 1 GSchG genannten Zwecke möglich, ansonsten schränkt die Gesetzgebung Eingriffe in den natürlichen Verlauf der Gewässer auf bereits verbaute und korrigierte Gewässer ein.

Der Kanton Bern wurde mit dem Problem des sehr starken Schutzes von natürlichen Fliessgewässern konfrontiert, als er ein Vorhaben für eine Deponie für unverschmutzten Aushub prüfte, die einen Eingriff in einen Flusslauf in einem Berner Alpental erforderlich gemacht hätte.

Es ist sinnvoll, für unverschmutztes Aushub-, Abraum- und Ausbruchmaterial (im Folgenden: Aushubmaterial) Deponierungsmöglichkeiten vorzusehen, die nicht mit allzu weiten Transportwegen einhergehen. Damit liessen sich die Umweltbelastungen vermeiden, die der weiträumige Transport solchen Materials insbesondere aus touristischen Alpentälern mit sich bringt. Da es nicht vernünftig ist, wegen kleinen natürlichen Wasserläufen auf die Errichtung einer Deponie für unbelasteten Aushub unter allen Umständen verzichten zu müssen, rechtfertigt es sich, das Gewässerschutzgesetz so zu lockern, dass in diesen besonderen Situationen, die voraussichtlich vorwiegend in Seitentälern der Alpen und Voralpen mit knappen Platzverhältnissen vorliegen, Ausnahmen möglich sind.

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Vernehmlassung

Bei der Vernehmlassung von Anfang April bis Mitte Juli 2012 gingen 48 Stellungnahmen ein. Der Vorschlag zur Änderung des GschG wurde unterschiedlich aufgenommen: 15 Vernehmlassungsteilnehmer stimmen der vorgeschlagenen Revision vollständig zu (fünf Kantone, vier politische Parteien, ein gesamtschweizerischer Dachverband und fünf Verbände), 13 Vernehmlassungsteilnehmer nur mit Einschränkungen (zehn Kantone und drei Verbände), und 15 Vernehmlassungsteilnehmer lehnen die Vorlage ab (sieben Kantone, eine Konferenz der Kantone, alle Umweltschutzorganisationen, eine politische Partei und ein Verband).

Während der Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe bbis für 21 Vernehmlassungsteilnehmer zu weit geht ­ in ihren Augen wird das grundsätzliche Verbot der Korrektion und Verbauung von natürlichen Fliessgewässern durch diese neue Bestimmung zu stark aufgeweicht ­ geht die Gesetzesänderung für sieben Vernehmlassungsteilnehmer zu zu wenig weit: Ihrer Ansicht nach sollten mehr Ausnahmen vom Verbot der Verbauung von Fliessgewässern zugelassen werden. Nebst diesen Vernehmlassungsteilnehmern, für welche die Revision entweder zu grosszügig oder zu wenig grosszügig

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ist, halten 15 Vernehmlassungsteilnehmer sie für gerade richtig (sechs Kantone, vier politische Parteien, ein gesamtschweizerischer Dachverband und vier Verbände).

Angesichts dieser Vernehmlassungsergebnisse hat die Kommission beschlossen, an ihrem Gesetzesentwurf, der das Initiativanliegen angemessen berücksichtigt, keine Änderungen vorzunehmen.

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Erläuterungen zur Änderung des Gewässerschutzgesetzes

Art. 37 Abs. 1 Bst. a Mit der Änderung von Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe a wird der Klammerverweis auf die nicht mehr in Kraft stehende Gesetzesbestimmung über den baulichen Hochwasserschutz durch den Verweis auf die heute geltende Bestimmung ersetzt.

Der materielle Gehalt der Bestimmung wird nicht verändert.

Art. 37 Abs. 1 Bst. bbis Artikel 37 Absatz 1 GSchG wird mit einem neuen Buchstabe bbis ergänzt, sodass es möglich wird, kleine, auch unverbaute Fliessgewässer im Rahmen der Errichtung einer Deponie für ausschliesslich unverschmutztes Aushubmaterial zu verlegen, wenn die Deponie auf den Standort angewiesen ist. Dies ist sie nur dann, wenn aufgrund einer umfassenden Standortevaluation mit Abwägung aller betroffenen Interessen kein anderer Standort möglich ist. Gemäss den bereits heute geltenden Vorschriften des Bundes über Abfälle muss die Deponie ausserdem in der kantonalen Richtplanung vorgesehen sein und der Bedarf muss nachvollziehbar dargelegt und in der kantonalen Abfallplanung ausgewiesen sein.

Die Anforderungen an die Gestaltung der Korrektion des Gewässers richten sich nach Artikel 37 Absatz 2 GSchG. Das bedeutet, dass die unter Artikel 37 Absatz 2 GSchG aufgeführten Funktionen nach der Verlegung des Gewässers weiterhin gewährleistet sein müssen und der ökomorphologische Zustand des Gewässers nicht verschlechtert wird. Bei bereits verbauten oder korrigierten Gewässern muss das Vorhaben zu einer Verbesserung des Zustandes führen. Auch die übrigen für solche Vorhaben relevanten Bestimmungen des Umweltrechts sind einzuhalten.

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Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen.

5.2

Vollzugstauglichkeit

Der neue Artikel 37 Abstatz 1 Buchstabe bbis wird nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Die Anwendbarkeit ist beschränkt auf Deponien, auf denen ausschliesslich unverschmutztes Aushubmaterial abgelagert wird. In den Vorschrif9411

ten des Bundes über Abfälle ist bereits heute mit Grenzwerten klar definiert, wann Aushubmaterial als unverschmutzt gilt. Die Bestimmung ist diesbezüglich somit sehr klar. Der Nachweis der Standortgebundenheit und die damit einhergehende Standortevaluation können die Kantone wie bisher im Rahmen der bestehenden Instrumente der Richt- und Abfallplanung vornehmen. Die Bestimmung ist somit vollzugstauglich.

5.3

Andere Auswirkungen

Mit Blick auf die Umweltbelastung ist es grundsätzlich sinnvoll, die Transportwege von Aushubmaterial möglichst kurz zu halten (eine verhältnismässige Anwendung der Ausnahmeregelung in Ausnahmesituation vorausgesetzt).

Auch aus der Sicht des Tourismus ist die Minimierung solcher Transporte von unverschmutztem Aushubmaterial sinnvoll.

Die natürlichen Funktionen des Fliessgewässers dürfen durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt werden, dies bedeutet, dass eine Verschlechterung der Wasserqualität des betroffenen Fliessgewässers ebenfalls ausgeschlossen werden kann.

6

Verhältnis zum europäischen Recht

Aus dem europäischen Recht ergeben sich keine Verpflichtungen der Schweiz, mit denen die Vorlage nicht vereinbar ist.

7

Rechtliche Grundlagen

7.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 76 der Bundesverfassung (BV3), welcher dem Bund die Kompetenz gibt, Vorschriften über den Gewässerschutz zu erlassen.

7.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage enthält keine Delegationsnormen zum Erlass von gesetzesvertretendem Verordnungsrecht.

7.3

Erlassform

Nach Artikel 22 Absatz 1 ParlG erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes.

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