11.490 Parlamentarische Initiative Transparentes Abstimmungsverhalten Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 25. Oktober 2012

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Geschäftsreglements des Ständerates.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

25. Oktober 2012

Im Namen der Kommission Der Präsident: Robert Cramer

2012-2745

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Übersicht Abstimmungen im Ständerat erfolgen durch Handerheben. Wenn mindestens zehn Mitglieder es verlangen, dann erfolgt die Abstimmung unter Namensaufruf. Dieses Instrument wird jedoch selten benutzt. Somit kann das Stimmverhalten der einzelnen Mitglieder des Ständerates bei den meisten Abstimmungen nicht festgehalten werden. Dies soll mit dieser Vorlage geändert werden.

Es wird vorgeschlagen, im Ständeratssaal eine elektronische Abstimmungsanlage einzubauen. In Zukunft sollen alle Abstimmungen elektronisch erfolgen.

Die elektronische Erfassung der Abstimmungen erlaubt es, Namenslisten zu publizieren, damit sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ein Bild über das Verhalten der Ratsmitglieder machen können. Das Stimmverhalten wird dadurch auch für die Stimmenden selbst und für die übrigen Ratsmitglieder nachvollziehbar.

Zudem ermöglicht eine elektronische Abstimmungsanlage eine sichere Ermittlung der Abstimmungsresultate. Dadurch können Fehler bei der Auszählung knapper Abstimmungsresultate vermieden werden.

Bei allen wichtigen Abstimmungen sollen inskünftig Namenslisten veröffentlicht werden. So bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, bei Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und wenn mindestens zehn Ratsmitglieder es verlangt haben.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

11.490 s Pa. Iv. Jenny.

Transparentes Abstimmungsverhalten

Am 12. Dezember 2011 reichte Ständerat This Jenny (GL) eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher er eine Änderung der Artikel 44 und 45 des Geschäftsreglements des Ständerates (GRS) verlangte. Danach sollte die Stimmabgabe neu mit einem elektronischen Abstimmungssystem erfolgen. Das Stimmverhalten der Ratsmitglieder während der Abstimmung und das Resultat sollen auf Anzeigetafeln angezeigt werden. Bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen gemäss Artikel 159 Absatz 3 BV sollen Namenslisten publiziert werden. Bei anderen Abstimmungen soll dies auch der Fall sein, wenn es mindestens zehn Ratsmitglieder verlangen.

Die parlamentarische Initiative wurde am 2. April 2012 von der Staatspolitischen Kommission (SPK) des Ständerates vorgeprüft. Die Meinungen in der Kommission waren geteilt. Mit 6 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten beantragte die Kommission schliesslich dem Rat, der Initiative keine Folge zu geben. Der Rat entschied am 11. Juni 2012 ebenfalls knapp andersherum: Mit 22 zu 21 Stimmen bei einer Enthaltung wurde der parlamentarischen Initiative Folge gegeben (AB 2012 S 524). Der Rat stimmte gemäss Artikel 46 GRS unter Namensaufruf ab.

Dadurch hatte die SPK den Auftrag erhalten, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten, welche sie am 25. Oktober 2012 mit 7 zu 5 Stimmen zuhanden des Rates verabschiedete.

1.2

Frühere Diskussionen im Ständerat

Die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems im Ständerat war in den letzten zehn Jahren wiederholt Diskussionsthema. Bei der Erarbeitung des Parlamentsgesetzes (ParlG) wurde seitens der SPK des Nationalrates eine einheitliche Regelung für beide Räte vorgeschlagen. Gemäss dem von der SPK des Nationalrates vorgeschlagenen Artikel 82 ParlG sollte das Abstimmungsergebnis in Form von Namenlisten veröffentlicht werden bei Schlussabstimmungen, Gesamtabstimmungen, Abstimmungen über die Dringlichkeit von Bundesgesetzen und Abstimmungen, die unter die Ausgabenbremse fallen, oder wenn eine von den Ratsreglementen bestimmte Anzahl Ratsmitglieder das schriftlich verlangt. Die vorgeschlagene Gesetzesbestimmung verlangte die Publikation der Namenslisten bei bestimmten Abstimmungen, machte jedoch keine Vorgaben zum Vorgehen. Eine elektronische Abstimmungsanlage war somit nicht zwingend notwendig, wie aus dem Bericht der Kommission hervorgeht: «Die Grösse des Ständerates erlaubt es aber, Artikel 82 ohne grossen Aufwand umzusetzen» (BBl 2001 3569).

Der Nationalrat stimmte aber aufgrund eines Einzelantrages mit 63 zu 60 Stimmen einer noch weiter gehenden Lösung zu, wonach die Stimmabgabe jedes Ratsmitgliedes bei allen Abstimmungen namentlich festgehalten und öffentlich zugäng9465

lich gemacht werden soll (AB 2001 N 1352 ff.). Wie der Berichterstatter der Kommission im Ständerat festhielt, hätte dieses erhöhte Erfordernis im Ständerat wohl zwingend den Einbau einer elektronischen Abstimmungsanlage erfordert. Die Kommission beantragte deshalb dem Rat, auf Gesetzesebene festzuhalten, dass die Veröffentlichung des Abstimmungsverhaltens im Ratsreglement zu regeln sei. Dabei wäre es gemäss Berichterstatter «grundsätzlich denkbar, dass künftig auch im Ständerat die namentlichen Resultate der Schlussabstimmungen öffentlich gemacht werden» (AB 2002 S 20). Der Rat folgte dieser Argumentation mit 28 zu 8 Stimmen. Die Frage blieb bis zur Einigungskonferenz zwischen den Räten strittig. In den zwei weiteren Abstimmungen unter Namensaufruf sprach sich der Ständerat mit 26 zu 14 Stimmen bzw. mit 30 zu 13 Stimmen gegen die Veröffentlichung aus (AB 2002 S 928 und 1155). In der Einigungskonferenz setzte sich schliesslich der Ständerat durch, womit er auch inskünftig frei war, diese Frage nach seinem Gutdünken zu lösen.

In der nachfolgenden Totalrevision des GRS beantragte die Kommissionsmehrheit, weiterhin mit Handerheben abzustimmen. Sie setzte sich mit 23 zu 13 Stimmen gegen den Minderheitsantrag durch, wonach die Publikation der Namenslisten bei bestimmten Abstimmungen vorzusehen sei (AB 2003 S 649).

Das Anliegen der Minderheit ­ die Veröffentlichung des Stimmverhaltens bei Gesamt- und Schlussabstimmungen sowie bei Abstimmungen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern ­ wurde bereits zwei Jahre später durch eine Motion wieder aufgenommen (05.3698 Mo. Sommaruga Simonetta. Transparenz im Ständerat). Dieser Vorstoss wurde mit 26 zu 13 Stimmen und einer Enthaltung in einer Abstimmung unter Namensaufruf abgelehnt (AB 2005 S 1205).

In der SPK des Ständerates wurde das Anliegen anlässlich der Beratung einer Vorlage mit verschiedenen Änderungen des Parlamentsrechts (07.400 Pa.Iv. Parlamentsrecht. Verschiedene Änderungen) aufgrund eines Antrages aus den Reihen der Kommission erneut intensiv diskutiert. Die Kommission liess Entwürfe für eine Änderung des GRS ausarbeiten und eine Machtbarkeitsstudie mit Kostenabschätzung anfertigen. Schliesslich sprach sich dann aber die Kommission mit 7 Stimmen zu 1 Stimme dagegen aus, eine entsprechende Kommissionsinitiative einzureichen.

1.3

Namentliche Abstimmungen im Ständerat

Artikel 46 GRS sieht vor, dass eine Abstimmung im Ständerat unter Namensaufruf stattfindet, wenn mindestens zehn Mitglieder es verlangen. Die Mitglieder des Ständerats haben also ein Instrument zur Verfügung, um bei bestimmten Abstimmungen das Stimmverhalten registrieren zu lassen. Während das Instrument des Namensaufrufs im Nationalrat vor Einführung der elektronischen Abstimmungsanlage intensiv genutzt wurde, fanden im Ständerat äusserst selten Abstimmungen unter Namensaufruf statt. In der vergangenen Legislaturperiode (2007­2011) hat der Ständerat nie namentlich abgestimmt, in der vorhergehenden (2003­2007) gerade einmal und zwar über die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems.

Auch bei den Beratungen über das Parlamentsgesetz hat der Ständerat die Frage der Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems unter Namensaufruf entschieden.

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Vorher war das Instrument richtiggehend eingeschlafen gewesen: Die letzte protokollierte Namensabstimmung vor 2002 fand 1947 statt. Im 19. Jahrhundert hingegen wurde auch im Ständerat häufig namentlich abgestimmt: Von Wyss weist eine erste namentliche Abstimmung schon am 28. November 1848 nach (Abstimmung über den Sitz der Bundesbehörden). Im ausklingenden 19. Jahrhundert häuften sich Namensabstimmungen, um dann im 20. Jahrhundert zunehmend seltener vorzukommen (von Wyss, Moritz: Die Namensabstimmung im Ständerat. Untersuchung eines parlamentarischen Mythos. Sonderdruck aus: «Nachdenken über den demokratischen Staat und seine Geschichte». Beiträge für Alfred Kölz. Zürich 2003, 24 f.).

1.4

Veröffentlichung der Abstimmungslisten im Nationalrat

Im Nationalrat werden heute sämtliche Abstimmungen mit Namenslisten erfasst und veröffentlicht. Bis es aber soweit war, ging auch der Nationalrat einen langen Weg.

Der Rat entschied sich am 18. März 1993 für die Einführung des elektronischen Abstimmungssystems, nachdem er in den vorangehenden 15 Jahren schon diverse diesbezügliche Postulate und Motionen behandelt und teilweise auch angenommen hatte. Das Büro musste verschiedene Vorlagen unterbreiten, bis sich der Rat zufrieden gab. 1993 vermochte schliesslich eine Lösung die Ratsmehrheit auf sich zu vereinen, wonach alle Abstimmungen mit einem elektronischen System vorzunehmen sind. Gedruckte Namenslisten mussten aber nur bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen über die Dringlichkeit, oder wenn mindestens 30 Ratsmitglieder dies schriftlich verlangen, veröffentlicht werden (AB 1993 N 491 ff.). Am 28. Februar 1994 traten diese Bestimmungen für ein Jahr in Kraft. Ein Jahr später wurden die Bestimmungen in definitives Recht übergeführt, wobei der Vorschlag, zu allen Abstimmungen Namenslisten zu veröffentlichen, keine Mehrheit fand (AB 1995 N 302 ff.).

In der Folge wurde die Publikation von Namenslisten zu allen Abstimmungen aber immer wieder gefordert. Bei den Beratungen für ein neues Parlamentsgesetz sprach sich eine Mehrheit des Nationalrates grundsätzlich für diese Lösung in beiden Räten aus, konnte sich aber ­ wie oben dargelegt ­ im Ständerat nicht durchsetzen. Der Nationalrat regelte deshalb die Publikation der Abstimmungsergebnisse in seinem Reglement, wobei er den Schritt zur vollständigen Transparenz doch nicht ganz vollziehen mochte: Er beschloss, dass nur die Namenslisten gemäss bisherigem Recht publiziert werden und die Namenslisten der übrigen Abstimmungen «öffentlich einsehbar» sein sollten. Diese Regelung siegte mit 54 zu 53 Stimmen gegen den Antrag, zu allen Abstimmungen Namenslisten zu publizieren (AB 2003 N 1158).

Diese Unterscheidung gab zu Missverständnissen Anlass und erwies sich in der Praxis als wenig zweckmässig. Die SPK des Nationalrates hatte sowohl in ihrem schriftlichen Bericht vom 10. April 2003 (BBl 2003 3484) als auch durch ihre Berichterstatter im Rat erklärt, dass die Namenslisten der «öffentlich einsehbaren» Abstimmungen zwar nicht in gedruckter Version (man befürchtete eine Aufblähung des «Amtlichen
Bulletins»), aber dennoch im Internet publiziert werden sollten. Das Büro des Nationalrates beschloss aber erst am 16. November 2007, die Bestimmung in diesem Sinne zu vollziehen. Damit machte allerdings die Unterscheidung in zwei Abstimmungskategorien wenig Sinn mehr, so dass sie der Nationalrat mit der Revision des GRN vom 3. Oktober 2008 (AS 2009 725) aufhob.

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2

Grundzüge der Vorlage

Mit dieser Vorlage soll die Transparenz der Entscheidungsprozesse im Ständerat weiter gestärkt werden. Bereits heute erlauben es die intensiven Debatten im Ständerat, dass interessierte Personen sich ein Bild über die Entscheidungsfindung machen können. Neu sollen die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich die Möglichkeit haben, sich über das Abstimmungsverhalten ihrer Vertreterinnen und Vertreter im Ständerat auf einfache Art und Weise und vollständig informieren zu können.

Auch die Praktikabilität und die Zuverlässigkeit der korrekten Feststellung der Abstimmungsresultate sprechen für die Einführung des elektronischen Abstimmungsverfahrens.

Hinzu kommt das Interesse der Wissenschaft, über Daten betreffend das Abstimmungsverhalten der Mitglieder des Ständerates verfügen zu können. Somit werden z.B. systematischere Vergleiche zwischen den beiden Kammern möglich.

Die spezifische Entscheidungskultur des Ständerates, wonach das einzelne Mitglied nach Auseinandersetzung mit der Argumentation seiner Ratskollegen und Ratskolleginnen unabhängig von Pressionen der Fraktion oder von Interessengruppen seinen Entscheid fällt, stellt ein wichtiges Element des schweizerischen Zweikammersystems dar. Befürchtungen, wonach die Publikation von Namenslisten diese Kultur zerstören könnte, sind deshalb ernst zu nehmen. Allerdings ist die Kultur des Ständerats durch die ausgeprägten Diskussionsmöglichkeiten in den Kommissionen und im Ratsplenum sowie durch das Selbstverständnis der Ratsmitglieder geprägt und nicht durch die Nichtpublikation des Stimmverhaltens.

Aufgrund der intensiven Diskussionskultur im Ständerat, wonach das Wort jederzeit allen Ratsmitgliedern zusteht, ist es den Ratsmitgliedern möglich, ihre Entscheide im Rat zu begründen, so dass auch ein differenziertes Stimmverhalten für Aussenstehende nachvollziehbar ist.

Die Mitglieder des Ständerates haben nichts zu verbergen. Der Schritt in Richtung vermehrter Transparenz kann und soll deshalb gewagt werden, damit der Rat sich nicht immer wieder mit ungerechtfertigten Vorwürfen konfrontiert sieht, was der Institution Ständerat langfristig schadet.

Neu sollen die Abstimmungen im Ständerat deshalb nicht mehr durch Handerheben, sondern mithilfe eines elektronischen Abstimmungssystems vorgenommen werden.

Bei den wichtigen Abstimmungen sollen Namenslisten
publiziert werden. Konkret soll dies geschehen bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und wenn zehn Ratsmitglieder eine Abstimmung verlangt haben (bisheriger Namensaufruf). Die Kommission erachtet es nicht als zweckmässig, wenn zu allen Abstimmungen eine Namensliste publiziert wird. Im Laufe einer langen Detailberatung werden häufig Abstimmungen vorgenommen, welche aus dem Zusammenhang gerissen nicht immer nachvollziehbar sind. Die Publikation dieser Abstimmungen würde eher Verwirrung stiften anstatt Transparenz schaffen.

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3

Argumentation der Minderheit

Die Minderheit beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten. Sie ist zwar überzeugt davon, dass die Ratsmitglieder ihr Abstimmungsverhalten nicht ändern und den zunehmenden Druckversuchen von Parteien und Interessengruppen widerstehen würden, wenn Namenslisten veröffentlicht werden. Allerdings würden sie bei der Publikation von Namenslisten nicht mehr vor der Kategorisierung durch irgendwelche «Ratings» verschont werden. Die Vorlage bringe somit keinen Gewinn an Transparenz, sondern stärkt die Interessengruppen. Parlamentsmitglieder würden ihre Repräsentationsfunktion jedoch nicht dadurch wahrnehmen, indem sie einfach den Abstimmungsknopf so drücken, wie es ihre Partei oder eine bestimmte Klientel von ihnen erwartet. Ein verantwortungsvolles Parlamentsmitglied habe immer auch langfristige und übergeordnete Überlegungen in seinen Entscheid miteinzubeziehen.

Die Minderheit will der Tendenz zur vereinfachten Darstellung parlamentarischer Prozesse, welche alleine auf Ja/Nein-Listen fokussiert, nicht Vorschub leisten. In einem Parlament gehe es sicher um das Einbringen bestimmter Meinungen, dann aber auch um den gegenseitigen Austausch, welcher eine differenzierte Entscheidfindung ermöglichen soll. Aufgrund der intensiven Diskussionskultur im Ständerat könne sich die interessierte Öffentlichkeit sogar noch ein differenzierteres Bild über die verschiedenen Meinungen der Ratsmitglieder machen, als dies im Nationalrat möglich ist, wo die Wortmeldungen beschränkt sind. Im Übrigen erlaube gerade das direktdemokratische System in der Schweiz es den Parlamentsmitgliedern, ihre Entscheide gegenüber der Wählerschaft darzulegen und zu begründen.

4 Art. 44

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen Stimmabgabe

Die Änderung der Form der Stimmabgabe wird zur Hauptsache mit der Änderung dieses Reglementsartikels vollzogen. In zwei Ausnahmefällen muss nach wie vor auf die früheren Abstimmungsformen (Handerheben oder Namensaufruf) zurückgegriffen werden: Bei geheimer Beratung («zum Schutze wichtiger Sicherheitsinteressen oder aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes», vgl. Art. 4 Abs. 2­4 ParlG) oder bei einem Defekt des elektronischen Abstimmungssystems.

Analog zu Artikel 56 Absatz 4 GRN wird festgelegt, dass ein Ratsmitglied nur die Abstimmungsknöpfe an seinem Pult bedienen darf; es darf also, wenn es z.B. im letzten Moment vor der Abstimmung den Saal betritt, nicht die näher gelegene Anlage auf dem Pult eines abwesenden Ratsmitglieds benützen. Nur so kann die richtige Registrierung der Stimmabgabe gewährleistet werden.

Damit ist auch klar, dass eine Stimmabgabe durch Stellvertretung nicht zulässig ist; auf diese im GRN enthaltene Bestimmung (Art. 56 Abs. 3) kann verzichtet werden.

Art. 44a (neu)

Erfassung und Veröffentlichung der Abstimmungsdaten

Diese neue Bestimmung regelt die Grundzüge des neuen Verfahrens. Weitere technische Vollzugsfragen können durch das Büro beantwortet werden.

Die Liste der möglichen Vermerke auf der Namensliste wird unverändert aus der für den Nationalrat geltenden Regelung übernommen. Nur bei der Frage, ob spezifische 9469

Entschuldigungsgründe vermerkt werden sollen, sind verschiedene Antworten denkbar. Der Nationalrat kannte zuerst nur den Eintrag «entschuldigt». Seit der Totalrevision des GRN von 2003 werden Entschuldigungen aufgrund eines Auftrages einer ständigen Delegation gemäss Artikel 60 ParlG («Delegationen in internationalen parlamentarischen Versammlungen und für die Pflege von zwischenstaatlichen Beziehungen») speziell vermerkt. Insbesondere die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates können recht häufig an Ratssitzungen nicht teilnehmen, weil die Plenarsessionen dieser Versammlung in Strassburg teilweise gleichzeitig stattfinden. Durch einen entsprechenden Vermerk in der Namensliste soll für Aussenstehende klargestellt werden, dass die Abwesenheit nicht auf mangelhafte parlamentarische Pflichterfüllung zurückzuführen ist. Eine ähnlicher qualifizierter Entschuldigungsgrund liegt vor, wenn ein Ratsmitglied sich wegen Mutterschaft, Unfall oder Krankheit abgemeldet hat (im Nationalrat als weiterer spezifischer Vermerk eingeführt im Jahre 2009).

Diese beiden spezifischen Entschuldigungsgründe können nur dann in den Namenslisten vermerkt werden, wenn sie vor dem Namensaufruf vor Beginn des Sitzungstages mitgeteilt werden und wenn das Mitglied für die Dauer des ganzen Sitzungstages abwesend ist. Abmeldungen während laufender Sitzung und teilweise Abwesenheiten würden die nötigen Programmierungen der Abstimmungsanlage unverhältnismässig erschweren.

Die Wahl einer Lösung, die im Gegensatz zur heute geltenden Regelung im Nationalrat nur eine teilweise Publikation der Namenslisten vorsieht, wird oben (Ziff. 2) erläutert. Die Regelung entspricht den 1994 bis 2003 im Nationalrat angewendeten Bestimmungen. Dort war allerdings noch der Satz enthalten: «Alle nicht ausdrücklich zur Veröffentlichung bestimmten Abstimmungsdaten sind vertraulich» (Art. 81a GRN i.d.F. vom 3. Februar 1995). Heute werden die Verhandlungen der Räte integral und «live» im Internet übertragen. Diese Übertragung liesse sich mit einer derartigen Vertraulichkeit nicht vereinbaren; die heutige Praxis der Internet-Übertragung soll nicht eingeschränkt werden. Im Weiteren kann auch darauf verzichtet werden, die Übergabe der Abstimmungsdaten an das Bundesarchiv ausdrücklich zu erwähnen; diese Abgabepflicht ergibt sich aus dem
Archivierungsgesetz.

Das Büro kann auf Gesuch hin eine wissenschaftliche Auswertung der übrigen Abstimmungsergebnisse bewilligen. Solche Gesuche werden bewilligt, wenn die Auswertung für ein wissenschaftliches Forschungsprojekt benötigt wird, nicht aber für publizistische Zwecke.

Das Begehren von 30 Ratsmitgliedern für die Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses in Form einer Namensliste musste im Nationalrat in schriftlicher Form gestellt werden. In den wenigen Anwendungsfällen im Ständerat wurden jeweils in der Praxis auch Unterschriften gesammelt und eingereicht. Das GRS verlangt allerdings nicht die schriftliche Einreichung. Die SPK des Ständerates hatte in ihrem Bericht vom 31. März 2003 zur Totalrevision des GRS ausdrücklich festgehalten: «Es genügt, wenn auf Begehren eines Ratsmitglieds durch Handerheben festgestellt wird, ob mindestens zehn Ratsmitglieder eine Namensabstimmung verlangen» (BBl 2003 3522).

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Art. 45 (Stimmabgabe durch Handerheben) und 46 (Namensaufruf) Die Bestimmungen über die Stimmabgabe durch Handerheben und über den Namensaufruf bleiben anwendbar in den Ausnahmefällen, in welchen nicht mit der elektronischen Abstimmungsanlage abgestimmt werden kann (Art. 44 Abs. 2).

Art. 46 Abs. 1: Wenn die Abstimmungsanlage kurzfristig ausfällt, so muss das Begehren für die Durchführung eines Namenaufrufs in einem einfachen Verfahren, d.h. ohne Sammlung von Unterschriften, mit einem Ordnungsantrag gestellt werden können.

Art. 46 Abs. 4: Bei Gelegenheit soll ergänzt werden, dass die Sekretärin oder der Sekretär bei der Durchführung des Namensaufrufs nach jeder Antwort das Zwischenergebnis bekannt gibt. Ein entsprechender Vorschlag wurde zwar bei der Totalrevision des GRS von der SPK abgelehnt. Beim letzten im Ständerat durchgeführten Namensaufruf am 11. Juni 2012 wurde aber so vorgegangen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es die Übersicht über den Verlauf der Abstimmung gewährleistet.

5

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Im Rahmen der Sanierung des Ständeratssaals wurden im Jahr 2011 bereits vorbereitende bauliche und technische Massnahmen für eine elektronische Abstimmungsanlage umgesetzt (Abstimmungstastatur, Verkabelungen, konstruktive Voraussetzungen für die Anzeigebildschirme etc.).

Vorausgesetzt, dass die definitive Installation der elektronischen Abstimmungsanlage noch im Rahmen des erwähnten Projektes erfolgen kann, werden die Kosten für die Planung, Projektierung, Realisierung und Einführung auf ca. 700 000 Franken geschätzt.

Der Betrieb und die Bedienung der Anlage erzeugen zusätzlichen internen Personalaufwand, der aus heutiger Sicht nicht quantifizierbar ist, weil er von der Komplexität der gewählten Lösung abhängt. Die Parlamentsdienste streben bei der Systementwicklung aber an, dass für den Betrieb keine zusätzlichen Personalressourcen notwendig sind.

Für den Unterhalt des Gesamtsystems der elektronischen Abstimmungsanlage durch externe Fachspezialisten rechnen die Parlamentsdienste mit jährlich wiederkehrenden Kosten von ca. 50 000 Franken.

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Gesetzmässigkeit

Artikel 82 ParlG sieht vor, dass die Ratsreglemente regeln, in welchen Fällen das Abstimmungsergebnis in Form einer Namensliste veröffentlicht wird.

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6.2

Erlassform

Artikel 36 ParlG gibt dem Ständerat die Kompetenz, «ein Geschäftsreglement mit den Ausführungsbestimmungen über seine Organisation und sein Verfahren» zu erlassen. Zur Erlassform des Geschäftsreglements als Spezialfall einer Verordnung der Bundesversammlung gemäss Artikel 163 Absatz 1 BV siehe Ziffer 5 des Berichts der SPK vom 31. März 2003 zur Totalrevision des GRS (BBl 2003 3523).

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