Praxis des Bundes bei der Steuerung von Post, SBB und Swisscom Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 8. Mai 2012

2012-1243

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Abkürzungsverzeichnis bzw.

COST EDI EFV f.

ff.

FK-N GPK-N GS GV PVK S.

UVEK VR z.B.

Ziff.

8546

beziehungsweise European Cooperation for Science and Technology Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössische Finanzverwaltung folgend folgende Finanzkommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Generalsekretariat Generalversammlung Parlamentarische Verwaltungskontrolle Seite oder Seiten Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Verwaltungsrat zum Beispiel Ziffer

Bericht 1

Einleitung

Ende der 1990er Jahre hat der Bund die Märkte in den Sektoren Post, Eisenbahn und Telekomunikation neu geordnet: 1998 wurden die Post und die Swisscom, 1999 die SBB aus der zentralen Bundesverwaltung ausgegliedert. Diese drei Unternehmen erbringen seitdem auch in ihrer neuen Rechtsform öffentliche Aufgaben und sind für den Bund von grosser finanzieller Bedeutung. Die SBB werden zudem jährlich durch Leistungen aus der öffentlichen Hand mitfinanziert. Der Bund nimmt als Eigentümer und Gewährleister weiterhin Einfluss auf die Aufgabenerfüllung durch diese Unternehmen.

Die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der zuständigen Organe des Bundes sind rechtlich normiert. Allerdings fehlte bisher eine empirische Analyse der tatsächlichen Steuerungspraxis von SBB, Post und Swisscom durch die Regierung und die Verwaltung, welche eine Grundlage für die Weiterentwicklung der Public Corporate Governance bilden könnte. Die bisherigen Diskussionen zur Steuerung der drei Unternehmen bewegten sich vor allem auf einer grundsätzlich-konzeptionellen Ebene. Zudem fehlten Erkenntnisse über die Entwicklung der Leistungsfähigkeit der drei Unternehmen nach der Ausgliederung.

Vor diesem Hintergrund haben die Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalund Ständerates die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) im Januar 2010 beauftragt, eine Untersuchung zur Praxis des Bundes in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB durchzuführen, mit dem Ziel, Fakten zur Zweckmässigkeit der Steuerung zu gewinnen. Die PVK hat im Rahmen dieser Evaluation mit externen Experten zugsammengearbeitet. Der vorliegende Bericht der GPK-N stützt sich auf die Evaluation der Experten im Schlussbericht vom 30. August 20111.

Im ersten Teil der Untersuchung wurde die tatsächliche Praxis der Eignersteuerung des Bundesrates und der Verwaltung von Post, SBB und Swisscom erhoben. Insbesondere wurden fünf kritische Ereignisse genauer analysiert: bei der Post die Reduktion der Anzahl Briefzentren (Projekt REMA) und die Reorganisation des Poststellennetzes, bei den SBB die strategische Ausrichtung von SBB Cargo und der Streik im Industriewerk Bellinzona sowie bei der Swisscom die Auslandstrategie. Im zweiten Teil wurde untersucht, inwieweit die Ziele der Verselbständigung erreicht wurden, nämlich die Effizienz-, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit
(Performanz) von Post, SBB und Swisscom zu steigern.

Da die ausgegliederten Unternehmen vollständig bzw. bei der Swisscom mehrheitlich im Eigentum des Bundes geblieben sind, ergibt sich daraus eine Eigentümerrolle für den Bund. Dabei verfügt der Bund grundsätzlich über die gleichen Rechte und Pflichten wie andere Eigentümer (bzw. Aktionäre). Eine Ausnahme bilden die im Gesetz verankerten strategischen Ziele des Bundesrates, mit denen er in seiner Rolle als Eigner Einfluss auf das verselbständigte Unternehmen ausübt. Die strategischen Ziele ermöglichen dem Bundesrat, gezielt auf unternehmensbezogene (z.B. Gewinn1

Praxis des Bundes bei der Steuerung von Post, SBB und Swisscom, Bericht zu Handen der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 30.8.2011, im Folgenden «Expertenbericht».

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und Umsatzentwicklung) und/oder aufgabenbezogene Aspekte (z.B. Entwicklung neuer Aufgabenschwerpunkte) der verselbständigten Unternehmen Einfluss zu nehmen. Die strategischen Ziele sind ein wichtiges Instrument, mit dem der Bund sein Eigentum bzw. seine Beteiligung an den verselbständigten Einheiten und auf die damit verfolgten Interessen ausrichten kann.2 Die Eignersteuerung durch den Bund steht im Zentrum des vorliegenden Berichtes.

Verselbständigung bedeutet im Steuerungsmodell des Bundes grundsätzlich, dass die Unternehmen bzw. deren Verwaltungsräte innerhalb des Rahmens, der durch das Gesetz und die strategischen Ziele definiert ist, volle Autonomie haben. Der Bundesrat verzichtet auf Eingriffe ins operative Geschäft der Unternehmen. Er kann als Eigner insofern Einfluss nehmen, als er strategische Ziele vorgibt und diese gegebenenfalls anpasst, den Geschäftsbericht genehmigt oder zurückweist, den Verwaltungsrat entlastet oder ihm die Entlastung verweigert und ­ als letztes Mittel ­ den Verwaltungsrat abberuft. Darüber hinausgehende Eingriffsmöglichkeiten im Einzelfall sind dagegen im Steuerungsmodel nicht vorgesehen.3 Die GPK-N beschränkt sich im Folgenden auf die Darlegung der aus ihrer Sicht wichtigsten Schlussfolgerungen und Ergebnisse des Expertenberichts sowie auf deren politische Würdigung. Dabei wird das Steuerungsmodell an und für sich als vorgegeben betrachtet und insofern nicht in Frage gestellt.

Die GPK-N bezieht ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen grundsätzlich auf alle drei Unternehmen und macht zwischen diesen kaum eine Differenzierung. Es steht dem Bundesrat selbstverständlich offen, in seiner Stellungnahme eine solche Differenzierung vorzunehmen.

2

Empfehlungen

Der Expertenbericht zeigt auf, dass sich das aktuelle Modell des Bundes zur strategischen Steuerung der drei Unternehmen grundsätzlich bewährt.4 Das Steuerungsmodell scheint bei «üblichem» Geschäftsverlauf von der Konzeption her geeignet, die Unternehmen als Eigner zu steuern, und die Praxis wird von den beteiligten Akteuren akzeptiert. Auf der anderen Seite der Expertenbericht legt aber auch dar, dass die gegenwärtige Praxis die im Modell vorgesehenen Verantwortlichkeiten gefährdet und dass das Steuerungsmodell in aussergewöhnlichen Situationen mit hohem politischem Druck an seine Grenzen stösst (z.B. in Krisen oder bei unerwarteten, die strategische Ausrichtung betreffenden Vorkommnissen).5 In solchen Ausnahmesituationen bestehen Unsicherheiten bei der Anwendung des Steuerungsmodells, weshalb der Bund direkt Eingriffe vornimmt, was im Steuerungsmodell aber nicht vorgesehen ist. Der Expertenbericht zeigt diverse Gründe auf, weshalb solche Inkonsequenzen vorkommen können.

Die folgenden Empfehlungen der GPK-N zielen deshalb auf eine Weiterentwicklung der Steuerung auf der Basis der bisherigen Erfahrungen ab. Sie sollen insbesondere dazu beitragen, dass die Verantwortlichkeiten von Bundesrat und Unternehmen bzw.

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Erläuternder Bericht der Eidgenössischen Finanzverwaltung zum Corporate-GovernanceBericht des Bundes vom 13. September 2006, Ziff. 7.1.

Zum Steuerungsmodell: Expertenbericht Ziff. 2.1 und 2.2.

Expertenbericht Ziff. 2.5 S. 33.

Expertenbericht Ziff. 2.4 S. 27f.; Ziff. 2.5 S. 33.

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Verwaltungsrat jederzeit, insbesondere auch in aussergewöhnlichen Situationen, klar geregelt sind.

2.1

Strategische Ziele

In der Steuerungspraxis des Bundes liegt eine grosse Zahl von aufgabenbezogenen Zielen vor. Mehr als die Hälfte der strategischen Ziele sind systemfremd, nicht stufengerecht oder nicht in der Form eines strategischen Ziels des Bundesrates formuliert.6 Durch die Festlegung zahlreicher und detaillierter aufgabenbezogener Ziele engt der Bundesrat den Handlungsspielraum des Verwaltungsrates ein, die unternehmensbezogenen Ziele zu erreichen. Die unternehmerische Freiheit des Verwaltungsrates wird eingeschränkt, und die Verantwortlichkeiten, insbesondere die Rolle des Verwaltungsrates, werden unklar.7 Zudem sind in der heutigen Praxis die strategischen Ziele der einzelnen Unternehmen untereinander oft nicht gewichtet und nicht priorisiert.8 Es bestehen namentlich Zielkonflikte zwischen den aufgaben- und unternehmensbezogenen Zielen. Die strategischen Ziele geben also dem Verwaltungsrat keine klare Richtung vor, wie die Prioritäten im Einzelfall zu setzen sind bzw. welches Ziel gegebenenfalls auf Kosten eines anderen zurückzustellen ist. Dies wird vor allem in denjenigen Fällen zu einem Problem, in welchen der Verwaltungsrat zwischen aufgaben- und unternehmensbezogenen Zielen abwägen muss, der Bundesrat aber die Prioritäten anders setzen will (z.B. wenn die Unternehmen im Gegensatz zum Bundesrat davon ausgehen, dass die personal- und regionalpolitischen Folgen ihrer Entscheide angesichts der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit zu tragen seien).9 Die GPK-N erachtet es als wichtig, dass die Kohärenz und Klarheit der strategischen Ziele verbessert wird und so sowohl deren Steuerungspotential als auch die Transparenz der staatlichen Steuerung gestärkt werden. Dazu wäre ihres Erachtens vor allem eine klarere Gewichtung und Priorisierung der strategischen Ziele durch den Bundesrat sowie eine Fokussierung auf unternehmensbezogene Ziele nötig. Dies scheint bei den SBB besonders wichtig, da dort die Anzahl strategischer Ziele vergleichsweise hoch ist und die aufgabenbezogenen Ziele sehr detailliert ausfallen.10 Die Kriterien im Rahmen der Berichte zur Corporate Governance scheinen insgesamt (und insbesondere Leitsatz 16) zu wenig klar, um die Formulierung aufgabenbezogener Ziele auf das Notwendigste zu beschränken.11 Bedeutend wäre deshalb eine Konkretisierung der Grundsätze des Corporate-Governance-Berichts im Hinblick auf das Verhältnis von aufgaben- und unternehmensbezogenen Zielsetzungen und in

6 7 8 9 10 11

Expertenbericht Ziff. 2.3.1.2 S. 19 f.

Expertenbericht Ziff. 2.5 S. 29 f.

Expertenbericht Ziff. 2.5 S. 33.

Expertenbericht Ziff. 2.5 S. 29 ff., z.B. bei der Schliessung von Briefpostzentren bei der Post oder des Industriewerkes in Bellinzona bei den SBB.

Expertenbericht Ziff. 2.3.1.1 S. 16f., Ziff. 2.3.1.2 S. 20.

Vgl. Bericht des Bundesrates zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate-Governance-Bericht) vom 13. September 2006, BBl 2006 8233 ff., CorporateGovernance-Bericht; Zusatzbericht des Bundesrates zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Beratungsergebnisse des Nationalrats vom 25. März 2009, BBl 2009 2659 ff.; Erläuternder Bericht der Eidgenössischen Finanzverwaltung zum Corporate-Governance-Bericht des Bundesrates vom 13. September 2006.

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Bezug auf die Kriterien zur Bestimmung der Intensität der aufgabenbezogenen Steuerung.12 Empfehlung 1

Gestaltung der strategischen Ziele

Die GPK-N lädt den Bundesrat dazu ein, die strategischen Ziele kohärenter und stufengerecht zu formulieren und den Fokus auf die unternehmensbezogenen Ziele zu legen. Die strategischen Ziele sind zu priorisieren und zu gewichten und Zielkonflikte zwischen aufgaben- und unternehmensbezogenen Zielen sind zu klären.

Darüber hinaus lädt die GPK-N den Bundesrat ein, aufgrund der bisherigen Erfahrungen klarere Kriterien für die Formulierung von geeigneten unternehmens- und aufgabenbezogenen strategischen Zielen zu entwickeln.

2.2

Kontrolle der Zielerreichung

Ein zentrales Instrument zur Überprüfung der Zielerreichung ist das jährliche Reporting der Unternehmen, in welchem diese aufzeigen, inwieweit sie die durch den Bundesrat vorgegebenen Ziele im abgelaufenen Geschäftsjahr erreicht haben. Dies läuft nach einem standardisierten Verfahren ab.13 Der Expertenbericht kommt zum Schluss, dass die drei Unternehmen der Verwaltung die zur Beurteilung der Zielerreichung notwendigen Informationen vollständig und transparent liefern. Die Verwaltung ist aber auf die Informationen der Unternehmen angewiesen und kann wegen fehlenden personellen Ressourcen keine eigenen Erhebungen durchführen, um mit ihnen die Zielerreichung zu messen. Die Zielbeurteilung wird zwar mit ausreichend Material belegt, was dem Bundesrat erlaubt, die Eigenabschätzung der Unternehmen nachzuvollziehen. Er erstellt also aus den Reportings der Unternehmen eine eigenständige Beurteilung der Ziellerreichung, diese weicht aber in der Praxis nur geringfügig von der Einschätzung der Unternehmen ab. Das Vorgehen, wonach sich der Bundesrat für die Kontrolle der Zielerreichung einzig auf die Daten der Unternehmen stützen kann, beurteilen die Experten als anfällig für Informationsasymmetrien und Fehleinschätzungen.14 Die GPK-N ist auf einen weiteren Punkt aufmerksam geworden: Die Beurteilung der Performanz aus Kundensicht erfolgt anhand ausgewählter, anerkannter branchenspezifischer Qualitätsindikatoren. Bei der Post sind dies die Laufleistungen, bei den SBB die Pünktlichkeit und bei der Swisscom die Netzqualität. Die Kennzahlen zur Performanz aus Kundensicht dienen als Indizien zur Beurteilung der Effizienz, der Leistungs- sowie der Wettbewerbsfähigkeit der drei Unternehmungen.15

12

13 14 15

So auch der Mitbericht der GPK vom 22.1.2010 zur Parlamentarischen Initiative 07.494, «Parlamentarisches Instrumentarium zu den stategischen Zielen der verselbständigten Einheiten» der FK-N vom 23.6.2009, insbesondere S. 5 f.

Expertenbericht Ziff. 2.3.2.1 S. 21 f.

Expertenbericht Ziff. 2.3.2.2 S. 24, Ziff. 2.5 S. 32.

Expertenbericht Ziff. 3.2.1 S. 35.

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Bei den SBB zum Beispiel ist der Qualitätsindikator für Pünktlichkeit im Personenverkehr eine Verspätung von höchstens 5 Minuten, ein Wert, welcher standardmässig erhoben wird. Die Beurteilung gemäss diesem Indikator führt zu einem sehr guten Resultat der Pünktlichkeit (96,1 % im Jahr 2010). Dieses Resultat fliesst wiederum ein in die Beurteilung der Performanz aus Kundensicht, welche seit Jahren konstant hoch ist und wo die SBB auch im internationalen Vergleich gut dasteht. Es ist jedoch fraglich, ob dieser Indikator (maximale Verspätung von 5 Minuten) die entscheidende Grösse ist, oder ob nicht eher gemessen werden müsste, ob die Anschlusszüge gewährleistet werden.16 Die Unternehmen wählen also die Indikatoren, an denen sie die Performanz aus Kundensicht messen, weitgehend selber. Die GPK-N stellt deshalb in Frage, wie aussagekräftig unter diesen Umständen die Beurteilung der Unternehmen, auch im internationalen Vergleich, tatsächlich ist.

Die Kontrolle der Zielerreichung durch den Bundesrat basiert, wie soeben erläutert, grundsätzlich auf einer Vertrauenskultur. Eine wirksame Kontrolle könnte dadurch in Konfliktsituationen erschwert werden. Um eine tatsächliche Kontrolle zu gewährleisten, erachtet es die GPK-N als notwendig, dass sich die Ergebnisse der Unternehmen aufgrund von unabhängigen bzw. von unabhängigen Dritten geprüften Daten beurteilen lassen.

Die GPK-N erachtet die aktuelle Praxis als problematisch, da die Berichterstattung der Unternehmen an den Bundesrat im Rahmen des geltenden Steuerungsmodells ein Gegengewicht zu ihrer weitgehenden betrieblichen Autonomie bei der Umsetzung der strategischen Ziele darstellt. Die GPK-N ist der Ansicht, dass es in Anbetracht dieser weitgehenden Autonomie einer unabhängigen, auch im Konfliktfall garantierten Kontrolle bedarf. Dafür muss der Zugriff auf diejenigen Daten der Unternehmen sichergestellt werden, welche es zur Kontrolle der Zielerreichung braucht (z.B. durch eine im Gesetz verankerte Garantie).

Empfehlung 2

Zugang zu den Kontrolldaten

Die GPK-N fordert den Bundesrat dazu auf, den Zugang zu den Kontrolldaten, welche eine Überprüfung der Zielerreichung ermöglichen, sicherzustellen.

Internationale Vergleichsdaten, welche Angaben über die Leistungsfähigkeit der Unternehmen beinhalten, werden von internationalen Vereinigungen der entsprechenden Unternehmen erhoben. Zu diesen hat die Verwaltung, im Gegensatz zu den Unternehmen, keinen direkten Zugriff. Dadurch ist in der Verwaltung nur eine Plausibilitätsprüfung möglich.17 Dazu kommt, dass heute aufgrund der unterschiedlichen länder- und unternehmensspezifischen Voraussetzungen die internationalen Vergleiche mit Vorsicht zu interpretieren sind. Daten, welche eine in jedem Fall korrekte Interpretation und einen verlässlichen internationalen Vergleich zulassen würden, stehen in Europa zurzeit nicht zur Verfügung.18

16 17 18

Expertenbericht Ziff. 3.3.2 S. 54, Tabelle 23 und Ziff. 3.3.3 S. 55 f.

Expertenbericht Ziff. 3.1 S. 32.

Expertenbericht Ziff. 3.1. S. 34.

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Ein direkter Zugang zu den Daten der internationalen Branchenorganisationen würde die Glaubwürdigkeit einer unabhängigen Beurteilung in den einzelnen Ländern erhöhen. Dies setzt jedoch Hintergrundwissen zu den Entwicklungen in den einzelnen Ländern voraus. Die Experten schlagen in ihrem Bericht vor, dass EUROSTAT eine solche Datenaufarbeitung und -analyse wahrnehmen könnte.19 Die GPK-N ist der Ansicht, dass sich der Bundesrat im Rahmen seiner Möglichkeiten auf internationaler Ebene dafür einsetzen sollte, dass eine unabhängige Behörde international vergleichbare Daten erhebt und vergleichend analysiert und dass er einen direkten Zugang zu diesen Daten erhält, um eine gewisse Unabhängigkeit bei der Zielsetzung wie auch der Beurteilung der Zielerreichung sicherstellen zu können. Gerade in Bereichen, in welchen der Markt nicht oder nur sehr eingeschränkt spielen kann (z.B. Personenverkehr SBB), wären Benchmarks wichtig, da solche in diesem Fall eben nicht vom Markt vorgegeben werden.

Empfehlung 3

Internationale Performanzvergleiche

Die GPK-N fordert den Bundesrat dazu auf, darauf hin zu arbeiten, dass er einen direkten Zugang zu internationalen Vergleichsdaten erhält. In diesem Zusammenhang soll er im Rahmen seiner Möglichkeiten die Entwicklung internationaler Benchmarks fördern.

2.3

Weitere Steuerungsaktivitäten

Der Expertenbericht zeigt auf, dass zwischen der Verwaltung und den Unternehmen ein kontinuierlicher Austausch besteht, der regelmässige Sitzungen und informelle Gespräche einschliesst (bei den SBB intensiver als bei der Post und der Swisscom).

Zum Beispiel finden mehrmals im Jahr institutionalisierte Eignergespräche zwischen der Verwaltung und den Unternehmen statt. Der Generalsekretär des Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und der Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) erhalten von den Unternehmen die Traktandenlisten und Protokolle der Verwaltungsratssitzungen. Zum Teil wird vorgängig zur Verwaltungsratssitzung eine Sitzung des Generalsekretariates des UVEK und der EFV mit dem Staatsvertreter im Verwaltungsrat abgehalten. Auf SachbearbeiterEbene besteht zwischen dem Generalsekretariat und den Unternehmen ein intensiver informeller Austausch. Ausserdem findet ein regelmässiger Austausch der Unternehmensspitzen mit dem Generalsekretariat des UVEK wie auch mit einzelnen Mitgliedern des Bundesrates und des Parlaments statt.20 Solche informelle Kontakte, vor allem in dieser Intensität, sind im Gesetz nicht vorgesehen.21 Insbesondere die Zustellung der Traktandenlisten und Protokolle der Verwaltungsratssitzungen wird von den Experten im Hinblick auf das Steuerungsmodell als problematisch beurteilt, da dadurch die Entscheide der Verwaltungsräte beeinflusst und die Zuständigkeiten vermischt werden. Damit werden Eingriffe in

19 20 21

Expertenbericht Ziff. 2.3.2.2 S. 24 f.

Expertenbericht Ziff. 2.3.2.1 S 22 f.

Expertenbericht Ziff 2.5 S. 29.

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die unternehmerische Verantwortung der Verwaltungsräte der drei Unternehmen in Kauf genommen.22 Wie oben erläutert (Ziff. 2.1) besteht eine Vielzahl an strategischen Zielen und es kommen zwischen diesen häufig Zielkonflikte vor. Deshalb wird eine Abwägung im Einzelfall nötig: Auf der einen Seite versichert sich der Eigner, also der Bund, laufend, dass das Unternehmen die Ziele in seinem Sinne interpretiert. Andererseits wendet sich der Verwaltungsrat mit zahlreichen Einzelfragen an den Eigner, um zu erfahren, wie er die strategischen Ziele gewichten soll, womit er seine Kompetenz nicht mehr selbständig wahrnimmt. Diese Steuerungspraxis geht über die im Steuerungsmodell explizit vorgesehenen formellen Instrumente hinaus und schränkt die Autonomie, welche den Unternehmen zukommen sollte, ein.

Die GPK ist der Ansicht, dass der Bund seine Steuerung weitgehend auf die vorgesehenen Steuerungsinstrumente beschränken sollte, damit die Verantwortungen klarer getrennt werden können. Dabei geht es nicht darum, jeglichen Austausch zwischen den Spitzen der Unternehmen und der Verwaltung zu unterbinden. Käme der Bundesrat entgegen der Auffassung der GPK-N zum Schluss, die hier angesprochene Praxis sei konform zum Steuerungsmodell, so wäre doch zumindest zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grundlagen für einen solch intensiven informellen Austausch ausreichend sind.

Empfehlung 4

Informeller Informationsaustausch

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, zu überprüfen, ob der regelmässige informelle Informationsaustausch zwischen der Verwaltung und den drei Unternehmen Post, SBB und Swisscom systemkonform ist.

Für den Expertenbericht wurden schliesslich fünf aussergewöhnliche Situationen vertieft untersucht, welche im Fokus der Öffentlichkeit standen und auch zu politischen Vorstössen führten (Reduktion von Briefzentren, Reorganisation des Poststellennetzes, strategische Ausrichtung von SBB Cargo, Streik im SBB-Industriewerk Bellinzona, Auslandstrategie der Swisscom). In vier dieser fünf Fälle hat der Bund als Eigner in Entscheide eingegriffen, bei welchen sich die Unternehmen durchaus im Rahmen der strategischen Ziele bewegt hatten. Der Expertenbericht kommt zum Schluss, dass solche Eingriffe im Einzelfall dem Steuerungsmodell widersprechen, da sie in die Autonomie der Unternehmen eingreifen.23 Es kann dabei nicht ausgeschlossen werden, dass der Bund bei der Übernahme der Verantwortung, welche grundsätzlich dem Verwaltungsrat zukäme, aufgrund seiner faktischer Organstellung für die Konsequenzen haftbar gemacht werden könnte.24 Im Hinblick auf eine einheitliche und transparente Praxis würde es die GPK-N begrüssen, wenn die Voraussetzungen definiert würden, unter denen vom Steuerungsmodell im Einzelfall abgewichen werden kann und Interventionen des Bundes 22 23 24

Expertenbericht Ziff. 2.3.2.2 S. 25; Ziff. 2.5 S. 31.

Expertenbericht Ziff. 2.4 S. 27f.; Ziff. 2.5 S. 33.

Nämlich dann, wenn der Bund unabhängig von einer formellen Bestellung als Organ tatsächlich oder in massgebender Weise an der Willensbildung teilnimmt. Vgl. dazu erläuternder Bericht der Eidgenössischen Finanzverwaltung zum Corporate-GovernanceBericht des Bundesrates vom 13. September 2006, S. 20.

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möglich sind, obwohl die Unternehmen sich im Rahmen der strategischen Vorgaben bewegen. Die Voraussetzungen wären dabei sehr eng zu formulieren, weil sonst das Steuerungsmodell unterlaufen würde. Konsequenterweise wären dann in Fällen, in welchen diese strengen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, die Entscheide der Unternehmen zu akzeptieren; diese könnten gegebenenfalls über die Anpassung der strategischen Ziele oder der gesetzlichen Grundlagen korrigiert werden.

Empfehlung 5

Einzelfallinterventionen

Die GPK fordert den Bundesrat dazu auf, strenge Voraussetzungen für Abweichungen vom Steuerungsmodell durch konkrete Eingriffe des Bundes zu schaffen.

3

Schlussbemerkungen

Die GPK-N hat heute beschlossen, ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu veröffentlichen. Sie ersucht den Bundesrat, bis spätestens zum 31. Dezember 2012 zu Ihren Feststellungen und Empfehlungen im vorliegenden Bericht Stellung zu nehmen und bittet ihn aufzuzeigen, auf welche Art und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

8. Mai 2012

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Präsident: Ruedi Lustenberger Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Der Präsident der Subkommission EDI/UVEK: Max Binder Die Sekretärin der Subkommission EDI/UVEK: Ines Stocker

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