12.004 Jahresbericht 2011 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 27. Januar 2012

Sehr geehrte Herren Präsidenten, Sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen gestützt auf Artikel 55 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10) den Bericht über die Tätigkeit der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation im Jahr 2011 und bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Dieser Bericht gibt Auskunft über die wichtigsten während des Berichtsjahrs vorgenommenen Kontrollen sowie über ihre Ergebnisse und die daraus zu ziehenden Lehren. Ein besonderes Augenmerk gilt auch den Folgen, die den Empfehlungen der Kommissionen und der Delegation gegeben wurden.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Januar 2012

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Der Präsident der GPK-N: Ruedi Lustenberger, Nationalrat Der Präsident der GPK-S: Paul Niederberger, Ständerat

2012-0246

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Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

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1 Einleitung 1.1 Jahresprogramm 2011 und wichtige Geschäfte des Berichtsjahrs 1.2 Veröffentlichte Berichte und Briefe an den Bundesrat

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2 Auftrag und Organisation 2.1 Aufgaben und Kompetenzen der Geschäftsprüfungskommissionen 2.1.1 Aufgaben 2.1.2 Aufsichtsbereich 2.1.3 Informationsrechte und Vertraulichkeit der Arbeiten 2.1.4 Parlamentarische Initiative zur Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen 2.2 Organisation der Arbeiten und Überblick über die behandelten Geschäfte

6793 6793 6793 6794 6795

3 Ausgewählte Themen der Geschäftsprüfungskommissionen 3.1 Wirtschafts- und Finanzpolitik 3.1.1 Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA 3.1.2 Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen 3.1.3 Meldepflichtverletzungen gemäss Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel 3.1.4 Eidgenössische Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement 3.2 Soziale Sicherheit und Gesundheit 3.2.1 Neufestsetzung der Labortarife 3.2.2 Plakatkampagne der Invalidenversicherung: «Behinderte integrieren statt ihnen mit Vorurteilen begegnen» 3.2.3 Krankenversicherungsgesetz: Bessere Umsetzung der Qualitätssicherung 3.2.4 Abklärung einzelner Aspekte der Organisation der Bekämpfung der Grippepandemie 3.2.5 Mutmassliche Verwendung von Unterstützungsbeiträgen für Lobbyingarbeit (Pro Audito) 3.3 Internationale Beziehungen und Aussenhandel 3.3.1 Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen 3.3.2 Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates 3.3.3 Humanitäre Hilfe der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit auf Sri Lanka nach dem Tsunami 3.3.4 Reorganisation der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit: Dienststellenbesuch

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6797 6799

6803 6805 6806 6809 6811 6811 6812 6813 6815 6816 6817 6817 6818 6820 6821

3.4 Staat und Verwaltung 3.4.1 Die strategische politische Steuerung des Bundesrats 3.4.2 Zusatzbotschaft zur Regierungsreform: Mitbericht der Geschäftsprüfungskommissionen zuhanden der Staatspolitischen Kommissionen 3.4.3 Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes 3.4.4 Bundespersonalgesetz: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung 3.4.5 Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen 3.4.6 Reorganisation des Bundesamts für Migration 3.4.7 Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen: Probleme bei der Personalführung 3.4.8 Reformen im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten: VEKTOR und VEKTORplus 3.4.9 Beizug von externen Experten in der Bundesverwaltung 3.5 Justizwesen 3.5.1 Begleitende Kontrolle der Umsetzung von «EffVor2» der Strafverfolgungsbehörden des Bundes 3.5.2 Staatshaftungsklage von alt Bundesrat Christoph Blocher gegen die Eidgenossenschaft mit Vergleich beigelegt 3.6 Sicherheit 3.6.1 Rüstungsbeschaffung im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport 3.6.2 Einsatzgruppe «Tigris» des Bundesamts für Polizei 3.7 Forschung, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft 3.7.1 Eidgenössische Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau 3.7.2 Steuerung der Ressortforschung des Bundes 4 Staatsschutz und Nachrichtendienste 4.1 Aufgaben, Rechte und Organisation der Geschäftsprüfungsdelegation 4.2 Revision der Zusammenarbeitsvereinbarung mit der Finanzdelegation 4.3 Nachkontrolle zum ISIS-Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation 4.3.1 Empfehlungen der Geschäftsprüfungsdelegation 4.3.2 Reduktion des ISIS-Datenbestands und der Pendenzen in der Qualitätssicherung 4.3.3 Tätigkeit des ISIS-Datenschutzbeauftragten 4.3.4 Neuauflage des präventiven Fahndungsprogramms «Fotopass» 4.3.5 Auskunftserteilung an A. L.

4.3.6 Staatsschutz in den Kantonen 4.4 Rechtmässigkeit des Pilotversuchs mit dem Informationssystem Äussere Sicherheit 4.5 Gesetzliche Grundlagen für die Funkaufklärung

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4.6 Vorgehen des Diensts für Analyse und Prävention im Fall des sogenannten «Rütli-Bombers» 4.6.1 Vorgeschichte 4.6.2 Aufsichtseingaben 4.6.3 Kompetenzen von Staatsschutz und Strafverfolgung in einem laufenden Strafverfahren 4.6.4 Rechtliche Möglichkeiten für den Quellenschutz 4.6.5 Konkretisierung des gesetzlichen Quellenschutzes auf Antrag der Geschäftsprüfungsdelegation 4.6.6 Zur These des «Rütli-Bombers» als «agent provocateur» 4.7 Nachfolgeuntersuchung zu den sogenannten «Holenweger-Papieren» 4.8 Auslandkontakte Geschäftsprüfungsdelegation 5 Geschäftsberichte 2010 und weitere Berichte 5.1 Geschäftsbericht 2010 des Bundesrats 5.2 Geschäftsbericht 2010 des Bundesgerichts 5.3 Weitere von den Geschäftsprüfungskommissionen behandelte Berichte Jahresbericht 2011 der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle Anhang zum Jahresbericht 2011 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte

6786

6857 6857 6859 6859 6860 6861 6862 6863 6864 6865 6865 6868 6869

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Abkürzungsverzeichnis AB-BA ATSG ArG BA BAFU BAG BAR BBl BEHG BFM BFT BGer BJ BK BKP BLW BöB BPG BPI BStGer BStP BSV BV BVGer BWIS DAP DEZA DSG EBK EDA EDI EDÖB EFD

Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1) Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (SR 822.11) Bundesanwaltschaft Bundesamt für Umwelt Bundesamt für Gesundheit Schweizerisches Bundesarchiv Bundesblatt Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effenkthandel (SR 954.1) Bundesamt für Migration Bildung, Forschung und Technologie Bundesgericht Bundesamt für Justiz Bundeskanzlei Bundeskriminalpolizei Bundesamt für Landwirtschaft Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 172.056.1) Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (SR 172.220.1) Bundesgesetz vom 13. Juni 2008 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (SR 361).

Bundesstrafgericht alt Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 (BS 3 303) Bundesamt für Sozialversicherungen Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) Bundesverwaltungsgericht Bundesgesetz vom 21. März 1997 über die Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (SR 120) Dienst für Analyse und Prävention Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1) Eidgenössische Bankenkommission Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter Eidgenössisches Finanzdepartement 6787

EFK EFV EJPD ENNIR ESA ESBK ESTV ETCS ETH ETH-Rat EU EVD EZV fedpol FIFG FinDel FINMA FK FLAG GPDel GPK GPK-N GPK-S GRN GRS GWK IGE ISAS ISIS ISIS-NT ISV-NDB IV KVF KVG MG

6788

Eidgenössische Finanzkontrolle Eidgenössische Finanzverwaltung Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement European Network of National Intelligence Reviewers Eidgenössische Stiftungsaufsicht Eidgenössische Spielbankenkommission Eidgenössische Steuerverwaltung European Train Control System Eidgenössische Technische Hochschulen Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen Europäische Union Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Eidgenössische Zollverwaltung Bundesamt für Polizei Bundesgesetz über die Förderung der Forschung und der Innovation, Teilrevision vom 25. September 2009 (Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz; AS 2010 651 ) Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats Geschäftsprüfungskommission des Ständerats Geschäftsreglement des Nationalrats vom 3. Oktober 2003 (SR 171.13) Geschäftsreglement des Ständerats vom 20. Juni 2003 (SR 171.14) Grenzwachtkorps Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum Informationssystem Äussere Sicherheit Informatisiertes Staatsschutz-Informationssystem Informatisiertes Staatsschutz-Informationssystem ­ Neue Technologie Verordnung vom 4. Dezember 2009 über die Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (SR 121.2) Invalidenversicherung Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen der eidgenössischen Räte Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10) Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz; SR 510.10)

MKG MND MoU NAD ND-Aufsicht NDB Neat NGO OAK OKP OLS Pa.Iv.

ParlG PolAG PUK PVK RD EFD RK-N RK-S RVOG SBB SECO SERV SIF SNB SND SPK SPK-N STEP StGB STIB Swissmedic UBS UKI UR URA UVEK VAZ

Militärkassationsgericht Militärischer Nachrichtendienst Memorandum of Understanding Aufsichtsdelegation der eidgenössischen Räte über den Bau der neuen Eisenbahn-Alpentransversale Nachrichtendienstliche Aufsicht des VBS Nachrichtendienst des Bundes Neue Eisenbahn-Alpentransversale Nichtregierungsorganisation(en) Oberaufsichtskommission des Grossen Rates des Kantons Bern Obligatorische Krankenpflegeversicherung Offenlegungsstelle der SIX Swiss Exchange AG Parlamentarische Initiative Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10) Polizeiliche Aufgaben des Bundes Parlamentarische Untersuchungskommission Parlamentarische Verwaltungskontrolle Rechtsdienst des Eidgenössischen Finanzdepartements Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats Kommission für Rechtsfragen des Ständerats Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010) Schweizerische Bundesbahnen Staatssekretariat für Wirtschaft Schweizerische Exportrisikoversicherung Staatssekretariat für internationale Finanzfragen Schweizerische Nationalbank Strategischer Nachrichtendienst Staatspolitische Kommissionen der eidgenössischen Räte Staatspolitische Kommission des Nationalrats Strategisches Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur Schweizerisches Strafgesetzbuch (SR 311.0) Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis Schweizerisches Heilmittelinstitut Union de banques suisses Unabhängige Kontrollinstanz Untersuchungsrichter/in Eidgenössisches Untersuchungsrichteramt Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Vertrauensarbeitszeit

6789

VBS VEKF VlG VISV V-NDB VWIS WBK-N WEKO WHO ZEO ZNDG

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Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Verordnung vom 15. Oktober 2003 über die elektronische Kriegführung (SR 512.292) Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (SR 172.061).

Verordnung vom 6. Juni 2011 über das zentrale VisaInformationssystem (SR 142.512).

Verordnung vom 4. Dezember 2009 über den Nachrichtendienst des Bundes (SR 121.1) alt Verordnung vom 27. Juni 2001 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (AS 2001 1829) Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats Wettbewerbskommission Weltgesundheitsorganisation Zentrum für Elektronische Operation Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (Ziviles Nachrichtendienstgesetz; SR 121)

Bericht 1

Einleitung

Der vorliegende Jahresbericht bietet einen Überblick über die Tätigkeit der parlamentarischen Aufsicht der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) im Jahr 2011. Er enthält überdies Informationen über die Arbeitsmethoden und -prozesse, über die Probleme im Zusammenhang mit bestimmten Aufsichtsgeschäften und über die erzielten Ergebnisse. Der Jahresbericht enthält zum Teil Informationen, die bisher noch nicht veröffentlicht wurden.

Die GPK haben den vorliegenden Bericht an der Plenarsitzung vom 27. Januar 2012 einstimmig gutgeheissen und beschlossen, ihn zu veröffentlichen. Der Berichtsentwurf wurde gemäss Artikel 157 Parlamentsgesetz (ParlG1) den betroffenen Behörden zur Stellungnahme unterbreitet. Die abgegebenen Stellungnahmen wurden von den GPK und der GPDel geprüft und soweit als möglich berücksichtigt.

1.1

Jahresprogramm 2011 und wichtige Geschäfte des Berichtsjahrs

Anlässlich der Verabschiedung des Jahresprogramms Ende Januar 2011 entschieden die GPK, der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) keine neuen Evaluationsaufträge zu erteilen, damit bis zum Ende der Legislatur nach Möglichkeit alle im Vorjahr beschlossenen Evaluationen beendet und von den Kommissionen behandelt werden könnten.2 Dieses Ziel konnte weitgehend erfüllt werden. Zwei Evaluationen (Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB sowie Steuerung der Sozialversicherungen) waren per Ende Legislatur auf Stufe PVK abgeschlossen und werden von den GPK im Jahr 2012 noch behandelt. Im Weiteren beschlossen die GPK, direkt auf Stufe ihrer Subkommissionen Inspektionen zu zwei Themen durchzuführen. Die eine betrifft die Reorganisationen des Bundesamts für Migration (BFM) seit 2004 (vgl. Ziff. 3.4.6), die andere das Verfahren bei Meldepflichtverletzungen gemäss Börsengesetz (vgl. Ziff. 3.1.3).

Nach wie vor sistiert ist die Inspektion der GPK-N zur Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat, nachdem der Bundesrat in diesem Dossier die Informationsrechte der GPK-N bestritt und ihr deshalb die notwendigen Informationen nicht übermittelte. Ein Treffen zwischen einer Delegation des Bundesrats und beider GPK, das Ende März 2011 stattfand, führte zu keiner Anpassung der bundesrätlichen Rechtsauffassung. Der darauf gestützte Vorschlag des Bundesrats, dass er im Sinne eines Kompromisses der Präsidentin der GPK-N und der Präsidentin der zuständigen Subkommission ­ aber nicht der PVK und dem Sekretariat GPK ­ Einsicht in die departementalen Unterlagen zu den zur Diskussion stehenden Wahlgeschäften des Bundesrates gewähren wolle, war für die GPK nicht annehmbar.

Nicht nur widersprach dieser Vorschlag der Rechtslage, sondern die Befolgung 1 2

Bundesgesetz vom 13. Dez. 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10).

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011, Ziffer 1.1 (BBl 2011 4045).

6791

desselben hätte der federführenden GPK-N ihre Fachunterstützung entzogen und dadurch die Inspektion verhindert. Da mit dem Inkrafttreten per 1. November 2011 der Änderung des ParlG vom 17. Juni 2011 (vgl. Ziff. 2.1.4) die Rechtsauslegung des Bundesrats hinfällig wurde und eine neue Ausgangslage für den Zugang zu den zur Diskussion stehenden Informationen geschaffen wurde, wird die GPK-N die Inspektion in der neuen Legislatur wieder aufnehmen.

Die GPK konnten im Berichtsjahr vier Inspektionen abschliessen: Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates (Ziff. 3.3.2), Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (Ziff. 3.4.3), Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen (Ziff. 3.1.2) und Begleitende Kontrolle der Umsetzung von «EffVor2» (Ziff. 3.5.1).

Der vorliegende Jahresbericht informiert teilweise auch über weitere Abklärungen und Untersuchungen, die nicht separat veröffentlicht wurden, so etwa über die Untersuchung zu den Meldepflichtverletzungen gemäss Börsengesetz (Ziff. 3.1.3), über die Plakatkampagne der Invalidenversicherung «Behinderte integrieren statt ihnen mit Vorurteilen begegnen» (Ziff. 3.2.2), über die mutmasssliche Verwendung von Unterstützungsbeiträgen für Lobbyingarbeit (Pro Audito) (Ziff. 3.2.5), über Probleme der Personalführung beim ETH-Rat (Ziff. 3.4.7) und über Reformen im EDA «VEKTOR» und «VEKTORplus» (Ziff. 3.4.8). Weiter finden sich im vorliegenden Bericht bisher unveröffentlichte Informationen über die Fortsetzung von Briefwechseln mit dem Bundesrat zu bereits veröffentlichten Berichten, so etwa zur Evaluation der Eidgenössischen Zollverwaltung (Ziff. 3.1.4), zur Neufestsetzung der Labortarife (Ziff. 3.2.1), zum Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen (Ziff. 3.3.1) und zur Einsatzgruppe «Tigris» der Bundeskriminalpolizei (BKP) (Ziff. 3.6.2). Der Jahresbericht informiert zudem über Ergebnisse von Nachkontrollen zu früheren Untersuchungen, so etwa zu den Inspektionen Bundespersonalgesetz: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung (Ziff. 3.4.4), Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit NGOs (Ziff. 3.4.5), Beizug von externen Experten in der Bundesverwaltung (Ziff. 3.4.9), Rüstungsbeschaffung im VBS (Ziff. 3.6.1) und
Stiftungsaufsicht (Ziff. 3.7.1). Ebenfalls bisher unveröffentlichte Informationen zu den Aktivitäten der GPDel finden sich unter Ziffer 4, mit Ausnahme der Ziffern 4.5 (gesetzliche Grundlagen für die Funkaufklärung) und 4.7 (Nachfolgeuntersuchung zu den sogenannten «Holenweger-Papieren»).

1.2

Veröffentlichte Berichte und Briefe an den Bundesrat

Gemäss ihren Handlungsgrundsätzen publizieren die GPK in der Regel ihre Untersuchungsresultate. Nebst ihren Medienmitteilungen veröffentlichten die GPK im Berichtsjahr folgende acht Berichte bzw. Briefe (Kurzbericht in Form des Briefs): ­

Jahresbericht 2010 der GPK-S/N und der GPDel vom 27. Januar 2011

­

Mitbericht der GPK-S/N vom 27. Januar 2011 an die Staatspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte (SPK-S/N) zu 01.080 Zusatzbotschaft zur Regierungsreform

6792

­

Bericht der GPK-S vom 29. März 2011 «Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates»

­

Brief der GPK-N an den Bundesrat vom 1. Juli 2011 «Begleitende Kontrolle der Umsetzung von »

­

Bericht der GPK-S/N vom 1. Juli 2011 betreffend ihre Inspektion «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA»

­

Bericht der GPK-N vom 7. September 2011 «Evaluation der Anhörungsund Vernehmlassungspraxis des Bundes»

­

Bericht der GPK-N vom 21. Oktober 2011 «Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen»

­

Bericht der GPK-N vom 25. November 2011 zur Nachkontrolle zur Inspektion «Bundespersonalgesetz: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung»

Diese Berichte wurden im Bundesblatt (BBl) veröffentlicht und sind auf der Internetseite der GPK abrufbar.

2

Auftrag und Organisation

2.1

Aufgaben und Kompetenzen der Geschäftsprüfungskommissionen

2.1.1

Aufgaben

Die GPK nehmen als parlamentarische Kommissionen im Auftrag der eidgenössischen Räte die Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Bundesrats und der Bundesverwaltung, der eidgenössischen Gerichte sowie der anderen Träger von Aufgaben des Bundes wahr (Art. 169 BV3, Art. 52 ParlG). Die Aufgaben und Zuständigkeiten der GPK werden in den Artikeln 2627, 5255 und 153158 ParlG sowie in weiteren Gesetzes-4 und Verordnungstexten5 definiert.

Bei der Ausübung ihres Auftrags überprüfen die GPK hauptsächlich, ob die Bundesbehörden im Sinne der Verfassung und der Gesetze handeln und ob die vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben richtig erfüllt worden sind (Überprüfung der Rechtmässigkeit). Zudem achten sie darauf, dass die vom Staat getroffenen Massnahmen 3 4

5

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101).

Art. 32 des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial vom 13. Dez. 1996 (KMG; SR 514.51), Art. 5 Abs. 1 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1), Art. 8 Abs. 1 der Verordnung vom 10. Juni 2004 über die Stellen- und Personalbewirtschaftung im Rahmen von Entlastungsprogrammen und Reorganisationen (SR 172.220.111.5), Art. 20 des Bundesbeschlusses vom 4. Okt. 1991 über den Bau der schweizerischen Eisenbahn- und Alpentransversale (Alpentransit-Beschluss; SR 742.104) oder Art. 10 des Bundesgesetzes vom 18. März 2005 über den Anschluss der Ost- und der Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz (HGVAnG; SR 742.140.3).

Handlungsgrundsätze der GPK vom 29. Aug. 2003 und 4. Sept. 2003, die im Jahresbericht 2002/2003 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 23. Jan. 2004 veröffentlicht wurden (BBl 2004 1673).

6793

sinnvoll sind und dass die Bundesbehörden ihren Entscheidungsspielraum richtig nutzen (Überprüfung der Zweckmässigkeit). Schliesslich kontrollieren sie auch die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen mit Blick auf die vom Gesetzgeber gesetzten Ziele (Überprüfung der Wirksamkeit).

Die GPK erfüllen ihre Aufgaben, indem sie: ­

Inspektionen durchführen;

­

die PVK mit Evaluationen beauftragen;

­

den jährlichen Geschäftsbericht des Bundesrats und den Tätigkeitsbericht des Bundesgerichts sowie die Jahresberichte anderer Organe des Bundes prüfen;

­

die Berichte behandeln, welche ihnen der Bundesrat, die Departemente und weitere Stellen vorlegen müssen;

­

Behörden und Dienststellen des Bundes besuchen;

­

von Dritten eingereichte Aufsichtseingaben behandeln;

­

Empfehlungen an den Bundesrat, an die Departemente, an die eidgenössischen Gerichte und an die AB-BA oder an die BA richten;

­

die Umsetzung früherer Empfehlungen kontrollieren.

Die GPK können ausserdem für technische Fragestellungen zeitlich befristet Experten beiziehen.

Die GPK erstatten dem Parlament über die Hauptergebnisse ihrer Arbeit einmal jährlich Bericht (Art. 55 ParlG). Dieser Jahresbericht wird in der Frühlingssession in den beiden Räten behandelt.

2.1.2

Aufsichtsbereich

Der Aufsichtsbereich der GPK ist äusserst umfangreich: Er umfasst sämtliche Tätigkeiten des Bundesrats und der Einheiten der Bundesverwaltung sowie der eidgenössischen Gerichte und der BA, wobei die Rechtsprechung der Gerichte und die Entscheide des Bundesanwalts von der Kontrolle ausgeschlossen sind (Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 26 Abs. 4 ParlG).

Auch alle öffentlich-rechtlichen und privaten Körperschaften sowie die natürlichen und juristischen Personen, die Träger von Bundesaufgaben sind, unterliegen der parlamentarischen Oberaufsicht, auch wenn diese in der Praxis weniger direkt ist als gegenüber den Dienststellen der Zentralverwaltung. Die Kantone sind ebenfalls der Aufsicht der GPK unterstellt, soweit sie mit der Umsetzung von Bundesrecht beauftragt sind (Art. 46 Abs. 1 und Art. 49 Abs. 2 BV).

Die GPK wie auch die GPDel üben ihre Oberaufsichtsfunktion sowohl nachträglich wie auch begleitend aus.

Abgesehen von den Geschäften, welche die GPK von Gesetzes wegen prüfen müssen, bestimmen sie ihre Untersuchungsgegenstände autonom und setzen ihre Arbeitsschwerpunkte nach eigenem Ermessen. Zu diesem Zweck erstellen sie jedes Jahr ein Programm, das die Prioritäten für die Aufsicht in jedem Verwaltungsbereich festlegt. Ab und zu erhalten die GPK Mandate von den eidgenössischen Räten oder 6794

von anderen parlamentarischen Kommissionen. Die Arbeitsplanung wird regelmässig aktualisiert, um auch im Laufe des Jahres auftauchende, unvorhergesehene Bedürfnisse abzudecken.

2.1.3

Informationsrechte und Vertraulichkeit der Arbeiten

Für die Wahrnehmung ihrer Oberaufsichtsaufgabe verfügen die GPK über weitreichende Auskunftsrechte (Art. 150 und 153 ParlG), die mit der Änderung des ParlG vom 17. Juni 2011 verstärkt und präzisiert wurden (vgl. Ziff. 2.1.4). Die Kommissionen haben insbesondere das Recht, alle amtierenden und ehemaligen Behördenvertreter, Mitarbeitenden von Dienststellen sowie Vertreter von übrigen Trägern von Bundesaufgaben direkt zu befragen, und sie können von diesen alle zweckdienlichen Auskünfte verlangen. Sie haben zudem die Möglichkeit, auskunftspflichtige Personen vorzuladen und nötigenfalls vorführen zu lassen. Die Kommissionen bestimmen selbst, welche Personen der beaufsichtigten Einheiten sie anhören wollen ­ mit der einzigen Auflage, die vorgesetzte Behörde (Bundesrat, eidgenössische Gerichte, AB-BA) vorgängig zu informieren. Sie sind somit auch nicht an den Dienstweg der Verwaltung oder der Gerichte gebunden. Die vorgesetzten Behörden können verlangen, sich vor der Anhörung eines ihrer Unterstellten gegenüber den GPK äussern zu können (Art. 153 Abs. 5 ParlG und Art. 162 Abs. 1 Bst. c und Abs. 5 ParlG). Das Amtsgeheimnis findet bei Anhörungen von Bediensteten des Bundes durch die GPK keine Anwendung. Es kann deshalb durch die angehörten Personen nicht vorgebracht werden, um eine Aussage vor den GPK zu verweigern. Die GPK sind ausserdem berechtigt, sämtliche Dienststellen des Bundes mit oder ohne Vorankündigung zu besuchen.

Bei den Informationsrechten der GPK gibt es nur zwei Einschränkungen: Erstens haben die GPK keinen Anspruch auf Einsichtnahme in Protokolle der Bundesratssitzungen. Zweitens sind die GPK nicht berechtigt, Informationen zu verlangen, die im Interesse des Staatsschutzes oder der Nachrichtendienste oder aus anderen Gründen geheim zu halten sind (Art. 153 Abs. 6 ParlG).

Ist in einem konkreten Fall die Tragweite und die Ausübung der Informationsrechte der GPK oder der GPDel strittig, so sieht das ParlG eine klare Regelung vor: «Sie entscheiden endgültig über die Ausübung ihrer Informationsrechte.» (Art. 153 Abs. 6 erster Satz ParlG). Der Bundesrat kann in solchen Fällen die GPK zwar im Sinne von Artikel 153 Absatz 5 ParlG darauf aufmerksam machen, dass nach seiner Beurteilung das Informationsbegehren unter eine der beiden erwähnten Ausnahmekategorien fällt, und die GPK haben selbstredend
die Pflicht, die Einwände des Bundesrats zu prüfen. Danach entscheiden sie jedoch abschliessend über die Tragweite und die Ausübung ihrer Informationsrechte, und dieser Entscheid ist auch für den Bundesrat verbindlich. Diese abschliessende Entscheidungskompetenz der Aufsichtskommissionen gewährleistet, dass nicht die Exekutive als kontrolliertes Organ, sondern die GPK als das kontrollierende Organ über die Tragweite und Ausübung der Informationsrechte im Einzelfall bestimmen. Wird vom Bundesrat geltend gemacht, das verlangte Dokument falle in die Kategorie des Staatsschutzes, ziehen die GPK die GPDel bei, um über diese Frage zu befinden.

Die beiden erwähnten Vorbehalte bei den Informationsrechten der GPK gelten nicht für die GPDel. Diese verfügt gemäss Artikel 169 Absatz 2 BV und Artikel 154 ParlG über uneingeschränkte Informationsrechte gegenüber den ihrer Aufsicht 6795

unterworfenen Behörden und Organen. Sie kann nicht nur alle für die Ausübung ihrer Aufgaben notwendigen Informationen verlangen, sondern dazu auch formelle Zeugeneinvernahmen anordnen (Art. 155 ParlG). Weder das Amts- noch das Militärgeheimnis können ihr entgegengehalten werden.

Die weitgehenden Auskunftsrechte der GPK und der GPDel erfordern im Gegenzug eine Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit vertraulichen Informationen. Die GPK sind deshalb gehalten, geeignete Vorkehren für den Geheimnisschutz zu treffen (Art. 150 Abs. 3 ParlG)6. Mit der Änderung des ParlG vom 17. Juni 2011 wurden sie zudem verpflichtet, für ihren Zuständigkeitsbereich Weisungen zum Geheimnisschutz zu erlassen und insbesondere den Zugang zu Mitberichten von Departementsvorsteherinnen und -vorstehern zu Bundesratsgeschäften zu beschränken. Die Mitglieder der GPK sind zudem hinsichtlich aller Tatsachen, von denen sie im Rahmen ihres Mandats Kenntnis erhalten, an das Amtsgeheimnis gebunden (Art. 8 ParlG). Verletzungen des Amtsgeheimnisses können mit Disziplinarmassnahmen geahndet (Art. 13 Abs. 2 ParlG) oder strafrechtlich verfolgt werden (Art. 320 StGB7).

Der verantwortungsvolle Umgang mit den weitgehenden Informationsrechten der GPK/GPDel bedeutet u.a., dass nach der Herausgabe der einverlangten Dokumente der Präsident oder die Präsidentin der zuständigen Subkommission oder Arbeitsgruppe im Auftrag der GPK die Unterlagen auf ihre Vertraulichkeit hin überprüft und gegebenenfalls die nötigen Schutzmassnahmen trifft, bevor die ihnen zugrunde liegenden Informationen an die einzelnen Mitglieder weitergeleitet werden. Dabei kommt den beaufsichtigten Behörden ebenfalls eine gewisse Verantwortung zu: Von ihnen wird erwartet, dass sie die Kommissionen von sich aus vor oder mit der Herausgabe von Unterlagen auf besonders hohe Vertraulichkeit der einverlangten Information aufmerksam machen. Gestützt darauf können danach die GPK oder die GPDel im Rahmen einer Interessenabwägung den kommissionsinternen Zugang zu den einverlangten Dokumenten einschränkend regeln oder unter Umständen sogar auf die Durchsetzung ihrer Informationsrechte einstweilen verzichten.

Die Verpflichtung der GPK zur Vertraulichkeit ist ferner das Gegenstück zu der den Personen im Dienste des Bundes auferlegten Pflicht, vor
den Kommissionen vollständig und wahrheitsgetreu Auskunft zu erteilen. Kommen diese Personen ihrer vollständigen und wahrheitsgetreuen Auskunftspflicht nach, haben sie Anspruch darauf, dass ihnen aus ihren Aussagen vor den Kommissionen keine personalrechtlichen oder anderweitigen Nachteile seitens ihrer vorgesetzten Stelle erwachsen. Aus diesem Grund sind diese Personen auch nicht gehalten, den ausschliesslich ihnen zugestellten Protokollauszug ihrer Anhörung der vorgesetzten Stelle zur Kenntnis zu bringen. Erfahren die GPK oder die GPDel von Druckversuchen seitens der vorgesetzten Stelle, so machen sie diese auf die entsprechende Bestimmung in Artikel 156 Absatz 3 ParlG aufmerksam.

6

7

Von der GPK-N in Auftrag gegebene Gutachten: Giovanni Biaggini, «Informationsrechte der Geschäftsprüfungskommissionen der eidg. Räte im Bereich der Strafverfolgung aus verfassungsmässiger Sicht, Zürich, 5.6.2008» und Niklaus Oberholzer, «Informationsrechte der Geschäftsprüfungskommissionen der eidg. Räte im Bereich der Strafverfolgung aus strafprozessualer Sicht: Gutachten im Auftrag der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 5.6.2008».

Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0).

6796

Bei grösseren Untersuchungen streben die GPK die Veröffentlichung der gewonnenen Erkenntnisse zur Geschäftsführung des Bundesrats an. Die betroffenen Behörden erhalten vorgängig zur Publikation die Möglichkeit zur Stellungnahme (Art. 157 ParlG). In der Praxis werden die Feststellungen der Kommissionen in Form eines vorläufigen Berichts den betroffenen Behörden unterbreitet. Diese nehmen grundsätzlich schriftlich Stellung; sie können aber auch um eine mündliche Anhörung ersuchen. Die betroffenen Behörden können in ihrer Stellungnahme ihre eigenen Argumente vorbringen, die Beschreibung der Sachlage korrigieren oder neue Angaben machen. Die Stellungnahmen werden im Schlussbericht berücksichtigt, soweit sie berechtigt und zutreffend sind. Dieser wird in aller Regel veröffentlicht, sofern keine schutzwürdigen Interessen entgegenstehen (Art. 158 Abs. 3 ParlG). In diesem qualifizierten Verfahren haben die GPK folglich das Recht, Informationen, die bis zu diesem Zeitpunkt dem Amtsgeheimnis unterlagen, zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Mittel für eine effektive Oberaufsicht. Die Berichte der GPK werden in aller Regel veröffentlicht.

Die Mittel, über welche die GPK gegenüber den beaufsichtigten Stellen verfügen, sind vor allem politischer Natur. Die Kommissionen teilen ihre Schlussfolgerungen in der Regel in der Form von öffentlichen Berichten oder Briefen an die vorgesetzte politische Behörde mit. Diese enthalten Empfehlungen, zu denen die verantwortlichen Behörden Stellung beziehen müssen. Mit ihrer Arbeit verpflichten die Kommissionen demnach die Behörden, Rechenschaft über ihre Tätigkeiten (oder Unterlassungen) abzulegen. Dagegen haben die GPK keine Mittel, die beaufsichtigten Behörden zum Handeln zu zwingen, Entscheide aufzuheben bzw. zu ändern oder anstelle der beaufsichtigten Behörde Entscheide zu treffen (Art. 26 Abs. 4 ParlG).

Die GPK müssen allein mit ihren Argumenten überzeugen. Daneben stehen ihnen die parlamentarischen Instrumente zur Verfügung (Einreichung einer Motion, eines Postulats oder einer pa.Iv.), um eine Gesetzesänderung in die Wege zu leiten.

2.1.4

Parlamentarische Initiative zur Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen

Bereits 2008 stiessen die GPK aufgrund eines Aufsichtsentscheids des Bundesstrafgerichts (BStGer) auf Schwierigkeiten, ihre Informationsrechte gegenüber den Strafverfolgungsbehörden durchzusetzen. In den folgenden Jahren stellte der Bundesrat im Rahmen von zwei Untersuchungen der GPK deren Informationsrechte in Frage und verweigerte die Herausgabe von Unterlagen (vgl. Jahresberichte 2009 und 2010 der GPK und der GPDel8).

Die GPK beschlossen deshalb am 22. Januar 2010, mit einer parlamentarischen Initiative eine Klärung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen in die Wege zu leiten. Die GPK-S arbeitete in der Folge eine entsprechende Gesetzesvorlage aus und verabschiedete ihren Bericht am 3. Dezember 20109. In den Beratungen in der Frühlings- und in der Sommersession 2011 stimmten die Räte der Vorlage,

8 9

Jahresberichte 2009 und 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte (BBl 2010 2671, 2011 4045).

10.404 Pa. Iv. Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen, Bericht der GPK-S vom 3. Dez. 2010 (BBl 2011 1817).

6797

die vom Bundesrat in zentralen Punkten abgelehnt wurde10, mit wenigen Modifikationen fast einstimmig zu. Die Änderung des ParlG vom 17. Juni 2011 trat per 1. November 2011 in Kraft11. Mit dem neuen Gesetz werden Unklarheiten beseitigt und bessere Arbeitsgrundlagen für die Oberaufsicht der GPK geschaffen. Die Revision bringt im Wesentlichen folgende Neuerungen:

10 11 12 13

1.

Die GPK erhalten zur Wahrnehmung ihrer Oberaufsichtsfunktion einen verbesserten Zugang zu den Akten des Bundesrats. Nur die Protokolle der Bundesratssitzungen können den GPK vorenthalten werden, was dem Schutz des Kollegialprinzips des Bundesrats dient. Neu können die GPK neben den Anträgen der Departementsvorsteherinnen und -vorsteher auch die Mitberichte der anderen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher in konkreten Einzelfällen im Rahmen von Untersuchungen herausverlangen. Allerdings sind sie verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihre Mitglieder nur beschränkten Zugang zu den Mitberichten erhalten (Art. 153 Abs. 6 und 7 ParlG). Die GPK haben dazu Weisungen erlassen, die diesen Zugang restriktiv regeln.12

2.

Die Auskunftspflicht gegenüber den Aufsichtskommissionen und ihren Delegationen sowie gegenüber Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) gilt nicht mehr nur für Personen, die aktuell im Dienste des Bundes stehen, sondern auch für Personen, die den Bundesdienst verlassen haben.

Die Aufsichtskommissionen, Delegationen und die PUK haben zudem die Möglichkeit, auskunfts- oder zeugnispflichtige Personen vorzuladen und nötigenfalls vorführen zu lassen.

3.

Die GPDel ist neu ausdrücklich für alle Geheimbereiche des staatlichen Handelns zuständig. Im Gesetz wird zudem klar gestellt, dass die GPDel nicht nur das Recht hat, in geheime Dokumente Einsicht zu nehmen, sondern diese Dokumente auch herauszuverlangen.

4.

In Bezug auf den Informationszugang und den Informationsfluss wurde die GPDel formell der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) gleichgestellt. Die beiden Delegationen erhalten laufend sämtliche Beschlüsse des Bundesrats einschliesslich der Anträge und der Mitberichte. Das Gesetz schreibt vor, dass sie gemeinsam die Einzelheiten der Zustellung, der Einsichtnahme und der Aufbewahrung festlegen sollen. Eine Vereinbarung zwischen den Delegationen wurde inzwischen bereits in diesem Sinn revidiert (s. Ziff. 4.2).13

5.

Für alle Aufsichtskommissionen und Delegationen einschliesslich der PUK wurde überdies eine Ausstandsregel eingeführt (Art. 11a ParlG).

Pa. Iv. Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen, Stellungnahme des Bundesrats vom 2. Febr. 2011 (BBl 2011 1839).

Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG) (Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen; AS 2011 4537).

Weisungen der GPK der eidg. Räte über ihre Massnahmen zum Geheimnisschutz vom 27.1.2012.

Vereinbarung der FinDel und der GPDel betreffend die Oberaufsicht über den Staatsschutz und die Nachrichtendienste vom 6. Dez. 2006 (veröffentlicht auf der Website der GPK).

6798

2.2

Organisation der Arbeiten und Überblick über die behandelten Geschäfte

Wie die übrigen parlamentarischen Kommissionen setzen sich die GPK aus 25 Mitgliedern des Nationalrats und aus 13 Mitgliedern des Ständerats zusammen.

Die Mitglieder werden für eine Dauer von vier Jahren gewählt; das Mandat ist verlängerbar. Die Zusammensetzung der Kommissionen und die Zuteilung der Präsidien und Vizepräsidien richten sich nach der Stärke der Fraktionen im jeweiligen Rat (Art. 43 Abs. 3 ParlG). So weit wie möglich werden ausserdem die Amtssprachen und die Landesgegenden berücksichtigt.

Jede Kommission ist in mehrere ständige Subkommissionen unterteilt (Art. 45 Abs. 2 ParlG; Art. 14 Abs. 3 GRN14 und Art. 11 Abs. 1 GRS15), welche alle Departemente, die Bundeskanzlei (BK), die eidgenössischen Gerichte und die BA abdecken.

Die Bereiche werden wie folgt zugewiesen: Subkommissionen EDA/VBS:

­ Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ­ Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS)

Subkommissionen EJPD/BK:

­ Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ­ Bundeskanzlei (BK)

Subkommissionen EFD/EVD:

­ Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD) ­ Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (EVD)

Subkommissionen EDI/UVEK:

­ Eidgenössisches Departement des Innern (EDI) ­ Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)

Subkommissionen Gerichte/BA: ­ Bundesgericht (BGer) ­ Militärkassationsgericht (MKG) ­ Bundesstrafgericht (BStGer) ­ Bundesverwaltungsgericht (BVGer) ­ Bundespatentgericht (BPatGer) ­ Bundesanwaltschaft (BA) ­ Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) Die Subkommissionen verfolgen im Auftrag der Plenarkommissionen die Arbeit der ihnen zugeteilten Behörden mit. Sie leisten die eigentliche Untersuchungsarbeit (z.B. Durchführung von Anhörungen, Aufträge für Expertisen, Anfordern von 14 15

Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3. Okt. 2003 (GRN; SR 171.13).

Geschäftsreglement des Ständerates vom 20. Juni 2003 (GRS; SR 171.14).

6799

Unterlagen) und erstatten den Plenarkommissionen ­ den Entscheidungsgremien ­ Bericht. Es obliegt den Plenarkommissionen, Beschlüsse zu fassen, Berichte zu genehmigen und zu publizieren sowie den verantwortlichen politischen Behörden Empfehlungen zu unterbreiten (Art. 158 ParlG).

Die GPK können auch Arbeitsgruppen oder ad hoc-Subkommissionen einsetzen, um Themen zu untersuchen, die beispielsweise besondere Fachkenntnisse erfordern.

Im Jahr 2011 waren drei der vier Arbeitsgruppen, die sowohl aus Mitgliedern der GPK-S wie auch der GPK-N bestehen, aktiv: Eine Arbeitsgruppe führte die Nachbegleitung der Inspektion zum Behördenverhalten bei der Bekämpfung der Finanzkrise/Datenübergabe an die USA durch. Eine weitere Arbeitsgruppe widmete sich der zukünftigen Ausgestaltung der Oberaufsicht über die Gerichte. In dieser Arbeitsgruppe nehmen auch zwei Vertreter der Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte (FK) Einsitz. Die Arbeitsgruppe zum Risikomanagement der Bundesverwaltung schliesslich setzt sich mit dem Risikomanagement und dem Risikoreporting an den Bundesrat kritisch auseinander. Sie ist um einen Vertreter der FinDel ergänzt. Die Arbeitsgruppe «Controlling BGer» hielt im 2011 keine Sitzung ab.

Im Weiteren bestimmt jede Kommission aus ihrer Mitte drei Mitglieder, welche die GPDel bilden. Diese befasst sich mit der Überwachung der Tätigkeiten im Bereich des Staatsschutzes und der zivilen und militärischen Nachrichtendienste. Die Delegation verfügt gemäss Verfassung und Gesetz über sehr weitgehende Auskunftsrechte (für weitere Einzelheiten s. Ziff. 4.2).

Schliesslich bestimmt jede Kommission zwei Mitglieder für die Neat-Aufsichtsdelegation (NAD), die die parlamentarische Oberaufsicht über die Realisierung der neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) ausübt. Die NAD umfasst neben den Mitgliedern der GPK vier Mitglieder aus den FK sowie vier Vertreter der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF).

Im Berichtsjahr erfolgte ein Wechsel: Nationalrat Hans Stöckli löste Nationalrat André Daguet ab dem 1. Juni 2011 in der GPK-N ab.

Das Präsidium der GPK-N wurde 2011 bis zum Ende der 48. Legislaturperiode (Ende November) durch Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi ausgeübt. Neuer Präsident seit Dezemer 2011 ist Nationalrat Ruedi Lustenberger; Nationalrat Rudolf Joder übt das Vize-Präsidium aus. Die
GPK-S präsidierte 2011 bis zum Ende der 48. Legislaturperiode Ständerat Claude Janiak. Neuer Präsident ist Ständerat Paul Niederberger; Ständerat Hans Hess übt das Vize-Präsidium aus. Die namentliche Zusammensetzung der GPK und deren Subkommissionen im Jahr 2011 bis Ende der 48. Legislaturperiode ist aus der Tabelle 1 zu ersehen. Am 20. Dezember 2011 hielt die GPK-N ihre konstituierende Sitzung ab, am 21. Dezember 2011 die GPK-S. Die beiden Kommissionen bestimmten die Zusammensetzung und die Präsidien der Subkommissionen und der Arbeitsgruppen sowie die Mitglieder der Delegation.16 Das Präsidium der Delegation wurde 2011 bis zum Ende der 48. Legislaturperiode durch Ständerat Claude Janiak ausgeübt. Die namentliche Zusammensetzung der GPDel in dieser Zeitspanne ist ebenfalls der Tabelle 1 zu entnehmen. An ihrer konstituierenden Sitzung vom 21. Dezember 2011 ernannte die GPDel Nationalrat Pierre-François Veillon zum Präsidenten und Ständerat Paul Niederberger zum Vize-Präsididenten.

16

Für die namentliche Zusammensetzung siehe www.parlament.ch.

6800

Tabelle 1 Zusammensetzung der GPK, der Subkommissionen und der GPDel im Berichtsjahr GPK-N (Plenarkommission)

GPK-S (Plenarkommission)

Roth-Bernasconi Maria (Präsidentin), Lustenberger Ruedi (Vize-Präsident), Bader Elvira, Baumann J. Alexander, Binder Max, Cathomas Sep, Daguet André (bis 31.5.2011), Eichenberger Corina, Français Olivier, Frösch Therese, Gadient Brigitta M., Glanzmann-Hunkeler Ida, Glauser-Zufferey Alice, Glur Walter, Goll Christine, Ingold Maja, Maire Jacques-André, Miesch Christian, Moret Isabelle, Rossini Stéphane, Stöckli Hans (ab 1.6.2011), Veillon Pierre-François, von Siebenthal Erich, Wasserfallen Christian, Weber-Gobet Marie-Thérèse, Wyss Brigit

Janiak Claude (Präsident), Niederberger Paul (Vize-Präsident), Briner Peter, Cramer Robert, Graber Konrad, Hêche Claude, Hess Hans, Imoberdorf René, Kuprecht Alex, Leumann-Würsch Helen, Reimann Maximilian, SeydouxChriste Anne, Stadler Markus

Subkommissionen EDA/VBS Glanzmann-Hunkeler Ida (Präsidentin), Bader Elvira, Baumann J. Alexander, Daguet André (bis 31.5.2011), Eichenberger Corina, Frösch Therese, Goll Christine, Miesch Christian, Rossini Stéphane, Stöckli Hans (ab 1.6.2011), Veillon Pierre-François, Wasserfallen Christian, Wyss Brigit

Briner Peter (Präsident), Cramer Robert, Hêche Claude, Imoberdorf René, Reimann Maximilian, Seydoux-Christe Anne

Subkommissionen EJPD/BK Hess Hans (Präsident), Cramer Robert, Wyss Brigit (Präsidentin), Baumann Graber Konrad, Imoberdorf René, J. Alexander, Binder Max, Daguet André (bis 31.5.2011), Français Olivier, Janiak Claude, Leumann-Würsch Helen Glanzmann-Hunkeler Ida, Glur Walter, Lustenberger Ruedi, Maire JacquesAndré, Moret Isabelle, Roth-Bernasconi Maria, Stöckli Hans (ab 1.6.2011)

6801

Subkommissionen EFD/EVD Gadient Brigitta M. (Präsidentin), Glauser-Zufferey Alice, Glur Walter, Goll Christine, Ingold Maja, Lustenberger Ruedi, Maire Jacques-André, Moret Isabelle, Roth-Bernasconi Maria, von Siebenthal Erich, Wasserfallen Christian, Weber-Gobet Marie-Thérèse

Leumann-Würsch Helen (Präsidentin), Briner Peter, Graber Konrad, Niederberger Paul, Reimann Maximilian, Stadler Markus

Subkommissionen EDI/UVEK Binder Max (Präsident), Bader Elvira, Français Olivier, Goll Christine, Ingold Maja, Miesch Christian, Rossini Stéphane, Roth-Bernasconi Maria, Veillon Pierre-François, von Siebenthal Erich, Wasserfallen Christian, Weber-Gobet Marie-Thérèse

Hêche Claude (Präsident), Cramer Robert, Kuprecht Alex, Imoberdorf René, Niederberger Paul, SeydouxChriste Anne

Subkommissionen Gerichte/BA Eichenberger Corina (Präsidentin), Cathomas Sep, Daguet André (bis 31.5.2011), Frösch Therese, Gadient Brigitta M., Glauser-Zufferey Alice, Roth-Bernasconi Maria, Stöckli Hans (ab 1.6.2011)

Seydoux-Christe Anne (Präsidentin), Briner Peter, Hess Hans, Janiak Claude, Leumann-Würsch Helen, Stadler Markus

GPDel Janiak Claude (Präsident), Veillon Pierre-François (Vize-Präsident), Frösch Therese, Kuprecht Alex, Moret Isabelle, Niederberger Paul NAD (nur GPK-Mitglieder) Binder Max, Cathomas Sep, Hess Hans, Imoberdorf René ,

Arbeitsgruppe «Finanzmarktaufsicht»

Veillon Pierre-François (Präsident), Hess Hans (Vize-Präsident), Daguet André (bis 31.5.2011), Eichenberger Corina, Frösch Therese, Gadient Brigitta M., Graber Konrad, Hêche Claude, Kuprecht Alex, Leumann-Würsch Helen, Lustenberger Ruedi, Seydoux-Christe Anne Arbeitsgruppe «Risikoreporting Bundesrat» (nur GPK-Mitglieder) Leumann-Würsch Helen (Präsidentin), Gadient Brigitta M., Hess Hans, Janiak Claude, Roth-Bernasconi Maria, Veillon Pierre-François

6802

Arbeitsgruppe «Controlling BGer» Gadient Brigitta M. (Präsidentin), Briner Peter, Eichenberger Corina, Frösch Therese, Roth-Bernasconi Maria, Seydoux-Christe Anne Arbeitsgruppe «Oberaufsicht über die Gerichte» (nur GPK-Mitglieder) Eichenberger Corina (Präsidentin), Seydoux-Christe Anne Während des Berichtsjahres traten die GPK zu 21 Plenarsitzungen und 59 Subkommissions- und Arbeitsgruppensitzungen zusammen. Davon waren sechs Termine Dienststellenbesuchen gewidmet. Die GPDel führte 14 Sitzungen durch. Insgesamt fanden 113 Sitzungen statt.

Die GPK erhielten in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörden 27 Aufsichtseingaben, wovon 22 erledigt werden konnten. Im gleichen Zeitraum bearbeiteten die Kommissionen weitere 10 Eingaben, die während des Vorjahres eingereicht worden waren.

Neben den in den Ziffern 3­5 beschriebenen Arbeiten führten die GPK und die GPDel mehrere Besuche bei Behörden und Dienststellen des Bundes durch: EJPD

­ Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK)

UVEK

­ Skyguide

EFD

­ Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV)

EFD

­ Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF)

EDA

­ Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)

Milizbehörde ­ Wettbewerbskommission (WEKO)

3

Ausgewählte Themen der Geschäftsprüfungskommissionen

3.1

Wirtschafts- und Finanzpolitik

3.1.1

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA

Die gemeinsame Untersuchung über das Verhalten der Behörden in der Finanzkrise (erster Teil) und bei der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die Vereinigten Staaten (zweiter Teil), zu der sich die GPK-N und die GPK-S am 23. Januar 2009 entschieden hatten, wurde im ersten Halbjahr 2010 weitergeführt und abgeschlossen.

Mit der Untersuchung war eine Arbeitsgruppe beauftragt gewesen, die sich aus je sechs Mitgliedern der beiden Kommissionen zusammensetzte und von Nationalrat Pierre-François Veillon präsidiert wurde.

Der erste Teil der Untersuchung (Finanzmarktkrise) galt der Beurteilung des Verhaltens der Schweizer Behörden (Bundesrat, EFD, Eidgenössische Bankenkommission/ Eidgenössische Finanzmarktaufsicht [EBK/FINMA]) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) unter den Gesichtspunkten der Früherkennung der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Schweiz, der im jeweiligen Kompetenz6803

bereich der verschiedenen Behörden getroffenen Massnahmen sowie des Umgangs mit dem Fall UBS unter Berücksichtigung der systemrelevanten Bedeutung der Bank, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. Mit dem zweiten Teil der Untersuchung sollte geklärt und beurteilt werden, wie die Schweizer Behörden (Bundesrat und involvierte Stellen der Bundesverwaltung, EBK/FINMA und SNB) mit den Begehren der amerikanischen Behörden um Herausgabe von Informationen über amerikanische UBS-Kunden umgingen.17 Der Schlussbericht18 der GPK wurde am 30. Mai 2010 veröffentlicht. Darin wurden im Zusammenhang mit den im Rahmen dieser Untersuchung gemachten Feststellungen 19 Empfehlungen, zwei Postulate und fünf Motionen formuliert, welche auf eine Verbesserung des Behördenverhaltens in Krisensituationen abzielten.

Der Bundesrat nahm am 13. Oktober 2010 Stellung zu diesen Empfehlungen und Vorstössen19. Gleichentags veröffentlichte er die Zusatzbotschaft zur Regierungsreform, in der er ebenfalls auf gewisse Feststellungen der GPK einging.20 Des Weiteren informierte er am 16. Februar 2011 die GPK in einem Zusatzbericht21 über das Resultat von sechs Aufträgen, die er zur Umsetzung der GPK-Empfehlungen dem EFD und der BK erteilt hatte. Am 25. Mai 2011 schliesslich informierte er über den Umsetzungsstand der Empfehlungen 3 und 6 sowie des Postulats 1.22 Am 1. Juli 2011 gingen die GPK auf die Stellungnahmen des Bundesrats ein.23 In diesem Bericht, mit dem die Inspektion ­ vorbehaltlich neuer Erkenntnisse ­ abgeschlossen wurde, analysierten die GPK die Arbeit des Bundesrats.

Die GPK stellten fest, dass die Empfehlungen 1­7, 9, 12, 15 und 18 sowie die Motion 1 und das Postulat 1 als umgesetzt angesehen werden können oder sich in der Umsetzung befanden, wogegen die Empfehlungen 8, 13, 14, 16 und 19 sowie die Motionen 2­4 zum Bedauern der GPK nur teilweise realisiert worden waren. Zur Umsetzung des Postulats 2 und der Motion 5 wollten sich die GPK zu einem späteren Zeitpunkt äussern.

Von den institutionellen Massnahmen des Bundesrats enttäuscht, hielten es die GPK für sinnvoll, ihre Beurteilung den mit der Prüfung der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform beauftragten SPK zur Kenntnis zu bringen. In ihrem Mitbericht vom 27. Januar 201124 an die SPK (vgl. Ziff. 3.4.2) äusserten sich die GPK auch zum Bericht der PVK zur strategischen politischen Steuerung des Bundesrats25 (vgl. Ziff. 3.4.1).

17 18

19 20 21 22 23

24

25

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011, Ziff. 3.1.1 (BBl 2011 4045).

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe der UBS-Kundendaten an die USA, Bericht der GPK-N/S der eidg. Räte vom 30. Mai 2010 (BBl 2011 3099).

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe der UBS-Kundendaten an die USA, Stellungnahme des Bundesrats vom 13. Okt. 2010 (BBl 2011 3459).

Zusatzbotschaft vom 13. Okt. 2010 zur Regierungsreform (BBl 2010 7811).

(Nicht veröffentlicht).

Brief des Bundesrats an die GPK vom 25. Mai 2011 (nicht veröffentlicht).

Inspektion der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA», Bericht der GPK-N/S vom 1. Juli 2011 (BBl 2011 6573).

Siehe unter: www.parlament.ch/e/dokumentation/berichte/berichte-aufsichtskommissionen/ geschaeftspruefungskommission-gpk/berichte-2011/pages/default.aspx.

Die strategische politische Steuerung des Bundesrats, Bericht der PVK vom 15. Okt. 2009 zuhanden der GPK-N (BBl 2010 3083).

6804

3.1.2

Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen

Am 21. Oktober 2011 verabschiedete die GPK-N ihren Bericht zur Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen zuhanden des Bundesrats.26 Die Ergebnisse der GPK-N stützen sich auf die Evaluation der PVK27, welche die GPK-N im Juni 2010 in Auftrag gegeben hatte. Die Evaluation zeigt, dass die Öffnung des Arbeitsmarkts bereits ab 2004, als die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit in Kraft traten, einen Lohndruck zur Folge hatte. Die Auswirkungen dieser Öffnung breiteten sich nach und nach auf das ganze Land aus, wobei die Arbeitnehmenden mit niedrigem Bildungsniveau und das neu angestellte Personal am stärksten davon betroffen sind.

Daraus lässt sich allerdings nicht schliessen, dass es formalrechtlich zu «wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietungen» kommt. Der Gesetzgeber hat diesen Begriff nicht näher bestimmt, und auch in der Praxis gibt es kein gemeinsames Kriterium für dessen Präzisierung. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die PVK nicht das Personenfreizügigkeitsabkommen als Ganzes untersucht hat, sondern nur die Lohnentwicklung seit der Öffnung des Schweizer Arbeitsmarkts und die flankierenden Massnahmen unter dem Gesichtspunkt ihrer Steuerung bzw. Umsetzung sowie ihrer Wirkungen und Wirksamkeit.

Die GPK-N musste im Rahmen ihrer anfangs 2010 beschlossenen Untersuchung feststellen, dass es vor diesem Jahr weder von Seiten des Bundesrats noch von Seiten des EVD eine Steuerungsstrategie gab. Einzig aufgrund der Besorgnis und der Anstrengungen der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) wurde in der Zwischenzeit eine gute und umfassende Strategie erarbeitet.

Gemäss PVK wird das System der flankierenden Massnahmen jedoch frühestens ab 2012 über die nötigen Aufsichtsinstrumente verfügen. Die Kommission formulierte in ihrem Bericht eine diesbezügliche Empfehlung an den Bundesrat, womit sie diesen einlädt, sich im Bereich der strategischen und operativen Steuerung u.a. für eine rasche Umsetzung einer klaren, auf objektiven Indikatoren beruhenden Strategie einzusetzen.

Ferner stellte die GPK-N fest, dass die fehlende Steuerung durch den Bundesrat und der undefinierte Rahmen dazu führten, dass die Umsetzungsakteure der flankierenden Massnahmen zu Praktiken griffen, die zu unterschiedlich sind, um die vom Gesetzgeber festgelegten Ziele zu erreichen. Deshalb lud die Kommission den 26

27

Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen, Bericht der GPK-N vom 21. Okt. 2011 ­ www.parlament.ch/d/dokumentation/berichte/berichte-aufsichtskommissionen/ geschaeftspruefungskommission-GPK/berichte-2011/Documents/ bericht-gpk-n-flank-massnahmen-2011-10-21-d.pdf.

Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen, Bericht der PVK vom 16. Juni 2011 ­ www.parlament.ch/d/ organe-mitglieder/kommissionen/parlamentarische-verwaltungskontrolle/ veroeffentlichungen/berichte-2011-2012/Documents/bericht-pvk-flank-massnahmen2011-06-16-d.pdf und Evaluation de la surveillance et des effets des mesures d'accompagnement à la libre circulation des personnes ­ Rapport explicatif du CPA du 16 juin 2011 (nur in französischer Sprache) ­ www.parlament.ch/f/ organe-mitglieder/kommissionen/parlamentarische-verwaltungskontrolle/ veroeffentlichungen/berichte-2011-2012/Documents/bericht-pvk-exp-flank-massnahmen2011-06-16-f.pdf. Vgl. Anhang: Jahresbericht 2011 der PVK, Ziff. 2.2.3.

6805

Bundesrat mit einer weiteren Empfehlung ein, die Prozesse zu harmonisieren, indem u.a. eine Richtlinie sowie eine Feststellungsmethode und Kriterien für die «wiederholte missbräuchliche Lohnunterbietung» bestimmt werden.

Die politische Steuerung der flankierenden Massnahmen erfolgte ohne zuverlässige Erkenntnisse über deren Wirksamkeit, sie hing vielmehr von politischen Überlegungen ab. Nach Meinung der GPK-N müsste sie aber ­ wie die Zielfestlegung auch ­ auf objektiven Indikatoren und bezüglich ihrer Wirksamkeit verlässlichen Datengrundlagen beruhen.

Die Evaluation der PVK zeigte im Weiteren, dass keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen gemacht werden können. Die Kommission betonte, dass der Bundesrat wie auch das SECO, die wiederholt zum Schluss gekommen waren, die flankierenden Massnahmen seien wirksam und die Personenfreizügigkeit hätte keinen Lohndruck zur Folge gehabt, dabei nicht von aussagekräftigen, vollständigen, verlässlichen und objektiven Daten ausgegangen waren. Deshalb forderte die Kommission den Bundesrat mit ihrer dritten Empfehlung im Bericht auf, seine Kommunikation auf eine verlässliche Datenbasis zu stützen.

Ferner lud die GPK-N den Bundesrat mit einem Postulat ein, den gesetzlichen Handlungsbedarf im Bereich der Normalarbeitsverträge zu prüfen und die Problematik der Subunternehmerketten eingehend zu untersuchen. In diesem Zusammenhang betonte die Kommission allerdings auch, dass die im September 2011 vom Bundesrat in Konsultation gegebenen Massnahmen in die richtige Richtung gehen. Dennoch bleibt die GPK-N überzeugt, dass ihr Bericht und die Evaluation der PVK dem Bundesrat zusätzliche, konkrete Anhaltspunkte zur Optimierung seiner künftigen Analysen und Arbeiten geben können.

Die GPK-N zeigte sich in ihrem Bericht zwar sehr kritisch, anerkannte aber auch, dass die Steuerung der flankierenden Massnahmen unter Einbezug zahlreicher Umsetzungsakteure im bestehenden Vollzugsföderalismus ein komplexes Unterfangen darstellt. Schließlich ersuchte die GPK-N den Bundesrat, sich bis Ende Januar 2012 zu ihren Feststellungen und zur Evaluation der PVK zu äussern und in dieser Stellungnahme aufzuzeigen, wie und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

3.1.3

Meldepflichtverletzungen gemäss Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel

Die Offenlegungsstelle (OLS) der SIX Swiss Exchange AG brachte in ihrem Jahresbericht 200928 in Bezug auf die Behandlung von Meldepflichtverletzungen gemäss Börsengesetz (BEHG)29 zahlreiche Einwände gegen die FINMA und das EFD vor.

Das EFD wurde diesbezüglich auch in einem Entscheid von 2010 des BStGer30 mehrmals kritisiert. Dazu kommt, dass in einigen besonders medienresonanten Fällen die Verfahren eingestellt wurden, nachdem die Beschuldigten eine Wieder28 29 30

Jahresbericht 2009 der Offenlegungsstelle der SIX Swiss Exchange AG vom 9. Juni 2010.

Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (SR 954.1).

Entscheid vom 21. Sept. 2010 und vom 20. Okt. 2010 der Strafkammer des Bundesstrafgerichts (SK 2010.4).

6806

gutmachung bezahlt hatten. Aus diesen Gründen hatten die GPK beschlossen, diese Angelegenheit im Rahmen des Jahresprogramms 2011 zu untersuchen. Mit der Untersuchung wurde die GPK-N beauftragt.

Artikel 20 BEHG sieht vor, dass der Erwerb oder die Veräusserung von Wertpapieren einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise in der Schweiz kotiert sind, gemeldet werden muss, wenn dadurch ein bestimmter Stimmrechtsanteil überschritten wird. Verletzungen dieser Meldepflicht sind gemäss Artikel 41 BEHG strafbar. Dies gilt auch für fahrlässige Meldepflichtverletzungen.

Die OLS wies in ihrer Medienmitteilung vom 10. Juni 201031 u.a. darauf hin, dass im Jahr 2009 106 Meldepflichtverletzungsanzeigen an die FINMA überwiesen wurden, was rund 10 Prozent aller eingegangenen Offenlegungsmeldungen entsprach. Von diesen 106 Anzeigen wurde nur in einem Fall Strafanzeige an das EFD erstattet. Das EFD verhängte 2009 keine Sanktionen.

Die Untersuchung der GPK-N erfolgte in verschiedenen Etappen, die im Folgenden kurz beschrieben werden.

In einer ersten Phase forderte die GPK-N die FINMA auf, zu ganz bestimmten Fragen betreffend die Bearbeitung von Meldepflichtverletzungen Stellung zu nehmen.

In ihrem entsprechenden Bericht32 gibt die FINMA einen klaren Überblick über den historischen und juristischen Hintergrund, welcher zu einer explosionsartigen Zunahme von Anzeigen der OLS geführt hat.

Gemäss der Aufsichtsbehörde lässt sich dieser markante Anstieg der Anzeigen vor allem auf das Tempo zurückführen, mit dem Änderungen des BEHG und der entsprechenden Ausführungsvorschriften vorgenommen worden sind. Die Anleger hätten offenbar nicht genug Zeit gehabt, von den neuen Anforderungen Kenntnis zu nehmen oder diese zu berücksichtigen. Diese Anpassungsschwierigkeiten hätten sämtliche Anlegerkategorien betroffen, so dass es zu Gesetzesverstössen aus Fahrlässigkeit habe kommen können.

Für die professionellen Marktteilnehmer sei das rasche Inkrafttreten der neuen Vorschriften insofern problematisch gewesen, als sie kurzfristig ihre IT-Systeme anpassen, neue interne Kontrollprozesse einführen und ihr Personal mit den neuen Regelungen vertraut machen mussten. Überdies seien gewisse Übergangsbestimmungen der vormaligen EBK von den nicht qualifizierten oder nicht professionellen Anlegern
offenbar nicht zur Kenntnis genommen worden. Die FINMA resümierte, der rasante Anstieg der Anzeigen in der Berichtsperiode sei namentlich auf die Unkenntnis der rasch aufeinanderfolgenden Änderungen und auf die fehlende Zeit für Anpassungen zurückzuführen.

Die FINMA behandelte deshalb zum damaligen Zeitpunkt sämtliche bei ihr eingegangenen Anzeigen nach dem Opportunitätsprinzip und nutzte den gemäss ihrer Auslegung des gesetzlichen Auftrags bestehenden Ermessensspielraum. Das heisst, wenn sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln den rechtmässigen Zustand 31 32

«Weiterhin nur mangelhafte Durchsetzung der Offenlegungspflichten», Medienmitteilung der SIX Exchange Regulation vom 10. Juni 2010.

Praxis und Tätigkeit der FINMA im Bereich Offenlegung von Beteiligungen (Art. 20 BEHG) ­ Bericht zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 11. April 2011.

6807

wiederherstellen und jegliche Rückfälle verhindern konnte, verzichtete sie in der Regel auf eine Anzeige an die Strafverfolgungsbehörde (EFD). Den Grossteil ihrer Personalressourcen setzte die FINMA in dieser Phase für mutmasslich schwere Verstösse ein, welche die schwerwiegendsten Reputations- und Wirtschaftsrisiken für den Finanzplatz Schweiz darstellten.

Aufgrund der Entwicklung bei der Finanzmarktregulierung stiess die Aufsichtsbehörde mit ihren Ressourcen in der Folge aber an gewisse Grenzen, so dass sie ihre bisherige Praxis einer Prüfung unterzog.

Die FINMA und das EFD nahmen in diesem Bereich eine neue Lagebeurteilung vor.

Die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Rechtsdienst des EFD (RD EFD) wurden in einem Memorandum of Understanding (MoU)33 formalisiert, welches den Rahmen für die künftige Zusammenarbeit bildet.

In Anwendung ihrer neuen Anzeigepolitik und des MoU zeigt die Aufsichtsbehörde seit dem 1. Januar 2011 sämtliche fahrlässigen und vorsätzlichen Meldepflichtverletzungen systematisch beim RD EFD an.

Im Weiteren hörte die GPK-N Vertreter des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sowie verschiedene Kaderleute der FINMA an. Mit ihren Erklärungen und ihren Beiträgen zur Umstrukturierung des Aufsichtsprozederes konnte die FINMA die ursprünglich festgestellten Lücken schliessen.

In einer zweiten Phase stellte die GPK-N im Rahmen der Prüfung des Geschäftsberichts 2010 des Bundesrats durch die beiden GPK der Vorsteherin des EFD verschiedene Fragen zum RD EFD und zu den Meldepflichtverletzungen gemäss BEHG.

Die GPK-N kam darauf zum Schluss, dass zu diesem Thema noch vertiefter Abklärungsbedarf bestand. Sie hörte deshalb die Verantwortlichen des RD EFD an, die seit Ende 2010 im Amt sind. Diese stellten der Kommission vorgängig eine Notiz34 zu, mit der die offenen Fragen der GPK-N weitgehend beantwortet wurden.

Die GPK-N interessierte sich u.a. für die gestützt auf eine Wiedergutmachung nach Artikel 53 des Strafgesetzbuches (StGB)35 erfolgten Verfahrenseinstellungen durch den RD EFD. In der Tat wurde in verschiedenen durch die Medien bekannt gewordenen Fällen das Strafverfahren eingestellt, nachdem die einer Meldepflichtverletzung Beschuldigten eine Wiedergutmachung geleistet hatten. Gemäss dem RD EFD wird die Einstellung von Strafverfahren aufgrund
von Wiedergutmachungen zurückhaltend und nur auf Initiative der Beschuldigten angewendet. Die Leistung einer Zahlung sei denn auch nur eine von mehreren Komponenten der Wiedergutmachung. So sei die Publikation der Namen der Beschuldigten aufgrund ihrer pönalisierenden Wirkung (naming and shaming) ein weiteres wichtiges Element der Wiedergutmachungsleistung.

Der RD EFD wurde unter der neuen Leitung reorganisiert und personell ausgebaut.

Er wurde mit einem Spezialistenteam besetzt, das über das fachspezifische Knowhow verfügt, das für die Analyse und Nachverfolgung dieser komplexen Finanzmarktdossiers nötig ist. Zudem wurden die internen Abläufe des RD EFD optimiert 33 34 35

MoU betreffend die Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 38 FINMAG) zwischen der FINMA und dem RD EFD vom 2. Febr. 2011.

Notiz des RD EFD zuhanden der GPK-N vom 25. Aug. 2011.

SR 311.0

6808

und standardisiert. Wie oben bereits erwähnt, arbeitet dieser Dienst eng mit der FINMA zusammen, und es wurde im Februar 2011 ein entsprechendes MoU zwischen den beiden Parteien vereinbart und unterzeichnet. Zudem wurde auch die Zusammenarbeit mit der Schweizer Börse durch gemeinsame Sitzungen verbessert.36 Die Kommission beurteilte es als positiv, dass diese Reorganisation vorgenommen wurde. Sie zeigte sich aber erstaunt darüber, dass offenbar im März 2010 Personalressourcen des ohnehin unterdotierten RD EFD in den Rechtsdienst des neu geschaffenen SIF verschoben worden waren. Inzwischen ist der Rechtsdienst des SIF (Regulierung) in den RD EFD integriert worden.

Wie die GPK-N bei ihrer Untersuchung feststellen konnte, ist der RD EFD auf die Kritik der OLS und des BstGer eingegangen. Er wurde entsprechend umorganisiert und wird ab Anfang 2012 optimal funktionieren. Ausserdem schlägt der Bundesrat mit seiner Botschaft vom 31. August 201137 und der entsprechenden Gesetzesvorlage38 Änderungen des BEHG vor, mit denen die Kompetenzen des RD EFD und der FINMA im Bereich der Meldepflichtverletzungen konsolidiert und gestärkt werden.

Den verschiedenen im Rahmen der Untersuchung der GPK-N festgestellten Problemen begegneten die zuständigen Behörden inzwischen mit Massnahmen. Die Kommission zeigte sich mit den vielversprechenden Änderungen, die von der FINMA und dem RD EFD eingeleitet worden sind, im Rahmen der Wahrnehmung der Oberaufsicht zufrieden. Sie sah deshalb vorderhand keinen weiteren Handlungsbedarf und beschloss, diese Inspektion abzuschliessen und zu einem späteren Zeitpunkt in einer Nachkontrolle darauf zurückzukommen.

3.1.4

Eidgenössische Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement

Die GPK-S hatte die PVK 2009 beauftragt, eine umfassende Evaluation der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) durchzuführen und dabei die strategische Führung sowie das Aufgaben- und Ressourcenmanagement der EZV zu überprüfen. Insbesondere sollte die Untersuchung die Zweckmässigkeit der normativen Grundlagen und der Steuerungselemente bewerten sowie die Zusammenarbeit der EZV mit den Kantonen beschreiben und beurteilen. Auf der Grundlage des PVK-Berichts und nach Anhörung des Vorstehers des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) sowie des Oberzolldirektors legte die GPK-S am 12. Oktober 2010 einen Bericht39

36 37 38 39

Trilaterale Sitzungen mit der OLS, der FINMA und dem RD EFD oder bilaterale Sitzungen mit der OLS und dem RD EFD.

Botschaft des Bundesrats zur Änderung des Börsengesetzes (Börsendelikte und Marktmissbrauch) vom 31. Aug. 2011 (BBl 2011 6873).

Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Entwurf) (BBl 2011 6915).

Evaluation der Eidgenössischen Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement, Bericht der GPK-S vom 12.Okt. 2010 (BBl 2011 1911).

6809

mit sechs Empfehlungen und einem Postulat vor.40 Der Bundesrat nahm zu diesem Bericht am 26. Januar 2011 Stellung.41 In ihrer Antwort an den Bundesrat vom 8. November 2011 hielt die GPK-S fest, dass sie die Inspektion zur EZV als abgeschlossen erachtet. Die Kommission wird ihrer Praxis entsprechend in rund zwei Jahren in einer Nachkontrolle die Umsetzung ihrer Empfehlungen überprüfen.

Gewisse Fragen sind allerdings noch offen und sollen im Rahmen von Gesetzesrevisionen geklärt werden. So sind nach Meinung der GPK-S die Bestimmungen des Zollgesetzes als Grundlage für die Wahrnehmung von sicherheitspolizeilichen Aufgaben und Kompetenzen durch das Grenzwachtkorps (GWK) unzureichend.

Deshalb wurde der Bundesrat mit der Empfehlung 5 aufgefordert, diese Angelegenheit zu klären. Der Bundesrat seinerseits teilte darauf mit, diese Klärung im Rahmen des künftigen Bundesgesetzes über die polizeilichen Aufgaben des Bundes (PolAG) vorzunehmen. Die Kommission stellte jedoch fest, dass der vom Bundesrat verabschiedete Vernehmlassungsentwurf zum PolAG keine solchen Bestimmungen vorsieht. Dafür kündigte der Bundesrat einen Bericht zum Postulat «Innere Sicherheit.

Klärung der Kompetenzen» vom 3. März 2010 (10.3045) an, der die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen im Bereich der inneren Sicherheit klären soll.42 Die GPK-S ersuchte den Bundesrat, ihr diesen Bericht nach Fertigstellung zur Prüfung zukommen zu lassen.

Das Postulat «Prüfung der Aufhebung des Mindestbestandes des GWK im Schengen-Bundesbeschluss» vom 12. Oktober 2010 (10.3888) wurde vom Bundesrat insofern positiv beantwortet, als dass dieser sich bereit erklärte, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten. Die GPK-S wird im Rahmen eines Mitberichts an die zuständige Kommission zu dieser Vorlage Stellung nehmen.

Ferner kündigte der Bundesrat in seiner Stellungnahme an, dem Parlament keine Verlängerung des Einsatzes der Armee zur Verstärkung des GWK über Ende 2012 hinaus zu beantragen. Die GPK-S erachtet es jedoch als fraglich, ob es sinnvoll ist, dem GWK angesichts seiner zunehmenden Belastung und der neuen Situation aufgrund des Beitritts zum Schengen/Dublin-Abkommen die bisher bewährte Unterstützung durch die Armee zu verwehren. Deshalb erwartet die GPK-S vom Bundesrat zumindest, dass er mit seinem Antrag an das Parlament nachweist, dass das GWK mit anderen Massnahmen kostengünstiger und effizienter verstärkt werden kann.

40 41

42

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011, Ziff. 3.1.3 (BBl 2011 4076).

Evaluation der Eidgenössischen Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement, Stellungnahme des Bundesrats vom 26. Jan. 2010 (BBl 2011 1989).

Die GPK-S hatte sich bereits im Zusammenhang mit ihrer Untersuchung zur Einsatzgruppe «Tigris» der Bundeskriminalpolizei (BKP) mit dieser Frage befasst, vgl.: Überprüfung der Einsatzgruppe «Tigris», Bericht der GPK-S vom 26. Nov. 2009 (BBl 2010 2391).

6810

3.2

Soziale Sicherheit und Gesundheit

3.2.1

Neufestsetzung der Labortarife

Am 28. Januar 2009 genehmigte das EDI die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) neu erstellte Analyseliste gemäss Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG)43 und bestimmte als Inkraftsetzungszeitpunkt den 1. Juli 2009. Aufgrund der durch diese Entscheide bei weiten Teilen der Ärzteschaft ausgelösten Empörung und der Ergebnisse erst kürzlich abgeschlossener Untersuchungen der GPK-N im Bereich der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP)44 beschloss die Kommission, die Rechtmässigkeit und Angemessenheit des Verfahrens bei der Neufestsetzung der Labortarife gemäss KVG zu untersuchen.

Mit Schreiben vom 5. Juni 200945 teilte die GPK-N dem Bundesrat mit, dass ihrer Ansicht nach das Verfahren bei der Neufestsetzung der Labortarife grundsätzlich korrekt durchgeführt worden war. Da die Kommission aber auf einige Schwachstellen gestossen war, formulierte sie dennoch sieben Empfehlungen an den Bundesrat.

Per 30. März 2010 schloss die Kommission die Untersuchung ab und kündigte eine Nachkontrolle zur Umsetzung der Empfehlungen in rund zwei Jahren an.

Die Inspektion hatte in der Kommission allerdings Zweifel darüber geweckt, ob die neuen Tarife im Sinne des KVG betriebswirtschaftlichen Ansprüchen genügen.

Deshalb beschloss sie, das vom Bundesrat angekündigte Monitoring in Zukunft eng zu begleiten. Die Kommission lud den Bundesrat ein, ihr bis Ende Juli 2010 einen ersten Zwischenbericht zu den Resultaten des Monitorings und den Auswirkungen der neuen Analyseliste zukommen zu lassen.

Der erste Zwischenbericht des BAG zum Monitoring der Analyseliste lag schlussendlich am 2. Februar 2011 vor, ein zweiter Zwischenbericht am 6. Juni 2011.

Zudem wurden der Subkommission EDI/UVEK der GPK-N in der Sitzung vom 5. September 2011 von einer Vertreterin des BAG die neuesten Ergebnisse des Monitorings präsentiert, welches per Ende 2011 mit einem definitiven Schlussbericht abgeschlossen werden soll.

Die vom BAG präsentierten Resultate zeigten, dass insgesamt die Zahl der Analysen deutlich gestiegen war, insbesondere bei den Privat- und Spitallabors. Dagegen war ein Rückgang bei den Praxislabors zu verzeichnen. Es war zu einer deutlichen Umsatzeinbusse bei den Grundversorgern gekommen, hingegen zu einer leichten Zunahme des Umsatzes bei den Privat- und
Spitallabors. Ausserdem stellte das BAG fest, dass keine wesentlichen Veränderungen in der Laborlandschaft und bei der Behandlungsqualität ersichtlich seien.

Den Ausführungen des BAG konnte zwar entnommen werden, dass sich die Datengrundlage, welche zu Anfang des Monitorings von der Subkommission noch stark bemängelt worden war, in der Zwischenzeit etwas verbessert hat. Dennoch kam die Subkommission zum Schluss, dass aufgrund der vorliegenden Ergebnisse noch keine abschliessende Beurteilung der Auswirkungen der Neufestsetzung der Labortarife vorgenommen werden könne. In ihrem Schreiben vom 19. Oktober 2011 an 43 44 45

Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10).

Jahresbericht 2008 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 23. Jan. 2009, Ziff. 3.2.6 und Ziff. 3.2.8 (BBL 2009 2598 und 2600).

Schreiben der GPK-N an den Bundesrat vom 5. Juni 2009 (BBl 2009 7779).

6811

den Vorsteher des EDI regte sie deshalb dringend an, das Monitoring über das Ende des Jahres 2011 hinaus weiterzuführen. Zusätzlich wünschte die Subkommission Informationen darüber, was für Konsequenzen das EDI ziehe, falls das erklärte Ziel ­ die in Aussicht gestellten Einsparungen ­ nicht erreicht werde und ob das EDI in diesem Fall in Betracht ziehe, die Verordnungsänderung rückgängig zu machen. Sie forderte das EDI dazu auf, für eine bessere Datengrundlage zu sorgen und im Rahmen des Monitorings zusätzlich zu untersuchen, ob sich die Behandlungsqualität verändert hat und ob sich die Neufestsetzung der Labortarife auf die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in Bezug auf die Laborleistungen auswirkt.

Die Subkommission ersuchte das EDI um Zustellung des nächsten Berichts des BAG zum Monitoring der Analyseliste und um eine Stellungnahme bis zum 1. Februar 2012. Sie kündete dem EDI ausserdem eine erneute Anhörung des BAG im September 2012 zu diesem Dossier an.

3.2.2

Plakatkampagne der Invalidenversicherung: «Behinderte integrieren statt ihnen mit Vorurteilen begegnen»

Im Frühjahr 2008 startete die Invalidenversicherung (IV) über das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) eine mehrjährige Kampagne zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Vorurteile, mit denen sich Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt konfrontiert sehen. Im Juni 2009 wurde eine zweite Kampagne zur Sensibilisierung der Arbeitgeber lanciert.

Die Öffentlichkeitskampagne umfasste insbesondere eine Plakataktion Anfang November 2009 mit provokanten Slogans wie «Behinderte liegen uns nur auf der Tasche» oder «Behinderte arbeiten nie 100 %». In einer zweiten Phase wurden diese Slogans mit positiven Aussagen ergänzt, wodurch die typischen Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung hinterfragt werden sollten. Obwohl mit dieser «Teaser»-Kampagne die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt werden sollte, löste sie auch heftige Reaktionen bei einigen Behindertenorganisationen aus, welche diese Aussagen als verletzend und diskriminierend empfanden. Eine dieser Organisationen reichte im November 2009 eine Eingabe an die GPK ein.

Die Subkommission EDI/UVEK der GPK-N beschloss deshalb, sich beim BSV über die Ziele und die Wirksamkeit der fraglichen Kampagne zu informieren sowie darüber, ob die Verwendung der öffentlichen Gelder zweckmässig war. In seiner Antwort vom 10. August 2010 teilte das BSV mit, die Kampagne sei überdurchschnittlich erfolgreich gewesen und das Konzept sei in der Öffentlichkeit insgesamt gut angekommen. Aufgrund der Vorbehalte der Menschen mit Behinderungen beschloss das BSV jedoch bereits im November 2009, die fragliche Kampagne endgültig einzustellen sowie jene zur Sensibilisierung der Arbeitgeber auszusetzen und im Hinblick auf die IV-Revision 6a neu auszurichten.

In seinen auf Ersuchen der Subkommission erstellten Zusatzberichten vom 30. November 2010 und vom 5. Juli 2011 erklärte das BSV, es arbeite ein Konzept für einen stärkeren Einbezug der Arbeitgeber und der IV-Stellen in die Kampagne zur Revision 6a aus. Das Bundesamt teilte ausserdem mit, es wolle bis spätestens Ende 2011 prüfen, ob es sinnvoll ist, ein nationales Qualitätslabel für integrationsfreundliche Unternehmen zu schaffen.

6812

Die Subkommission kam an ihrer Sitzung vom 5. September 2011 zum Schluss, dass das BSV die Problematik der beanstandeten Sensibilisierungskampagnen erkannt hat, da es die Öffentlichkeitskampagne von sich aus zügig gestoppt und beschlossen hat, die Arbeitgeberkampagne zu überarbeiten. Die Subkommission beschloss deshalb, die 2009 auf der Basis der Eingabe einer Behindertenorganisation eingeleiteten Abklärungen zu beenden.

Auf Antrag der Subkommission empfahl die GPK-N jedoch dem Vorsteher des EDI und dem zuständigen Bundesamt mit Schreiben vom 7. September 2011, bei neuen Kampagnen verstärkt auf die Sensibilität der betroffenen Personen zu achten und die Dachorganisationen der Menschen mit Behinderungen bereits in der Konzeptphase einzubeziehen.

Da gemäss BSV Ende 2011 wichtige Entscheide in dieser Sache anstehen, wird die Subkommission das weitere Vorgehen bei der Arbeitgeberkampagne weiterhin aufmerksam verfolgen.

3.2.3

Krankenversicherungsgesetz: Bessere Umsetzung der Qualitätssicherung

Die GPK-S beauftragte die PVK im Februar 2007 mit einer Evaluation zu den Aufgaben und der Aufgabenwahrnehmung des Bundes im Rahmen der Qualitätssicherung gemäss KVG, die das Ziel verfolgt, eine qualitativ hochstehende medizinische Versorgung sicherzustellen. Gestützt auf den Evaluationsbericht der PVK teilte die GPK-S im November 2007 dem Bundesrat ihre Folgerungen mit und gab 12 Empfehlungen zur besseren Umsetzung der Qualitätssicherung im Schweizer Gesundheitssystem ab.46 Der Bundesrat nahm zum Bericht der PVK und zu den Empfehlungen der GPK-S im Juni 2008 Stellung.47 Er zeigte sich bereit, eine klare und verbindliche Strategie zu erarbeiten, welche den Qualitätssicherungsauftrag des Bundes definiert (Empfehlung 1), und die übrigen Empfehlungen der GPK-S dabei zu berücksichtigen. Die GPK-S begrüsste dieses Vorgehen und beschloss, diesen Prozess weiterhin eng zu begleiten.48 Am 9. Oktober 2009 erhielt die GPK-S den Bericht über die Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen. Die GPK-S stellte gestützt darauf fest, dass zwar wichtige Schritte in die von ihr gewünschte Richtung vorgenommen worden waren, die vorgesehenen Massnahmen jedoch noch konkretisiert und umgesetzt werden müssten.49 Sie bat deshalb den Bundesrat um einen weiteren Bericht über den Umsetzungsstand ihrer Empfehlungen bis Ende Mai 2011.

46 47 48 49

Evaluation über die Rolle des Bundes bei der Qualitätssicherung nach KVG, Bericht der GPK-S vom 13. Nov. 2007 (BBl 2008 7793).

Evaluation über die Rolle des Bundes bei der Qualitätssicherung nach KVG, Stellungnahme des Bundesrats vom 18. Juni 2008 (BBl 2008 7889).

Jahresbericht 2008 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 23. Jan. 2009 (BBl 2009 2596).

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2010 (BBl 2011 4079).

6813

Am 25. Mai 2011 erhielt die GPK-S vom Bundesrat den Bericht des BAG zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen, welcher gleichentags vom Bundesrat genehmigt wurde. Die zuständige Subkommission stellte ergänzend dazu dem Vorsteher des EDI einige Fragen zu den Ressourcen, welche das EDI für die Umsetzung der Strategie bereitzustellen gedenkt, und zu den Umsetzungsfristen der Massnahmen. Die Fragen wurden mit Schreiben vom 21. September 2011 beantwortet.

Die GPK-S setzte sich am 8. November 2011 eingehend mit den Antworten des Bundesrats und des EDI auseinander und teilte dem Bundesrat in ihrem Schreiben vom selben Tag mit, sie würdige die grossen Anstrengungen, welche er im Bereich der Qualitätssicherung unternommen habe. Sie begrüsste insbesondere, dass der Bundesrat eine klare Strategie entwickelt habe, welche Massnahmen, Verantwortlichkeiten und Fristen für die Umsetzung des Qualitätssicherungsauftrags des Bundes definiert. Ebenso begrüsste sie, dass der Bundesrat Prioritäten betreffend die Konkretisierung dieser Strategie während der vorgesehenen Übergangsphase 2011­2014 gesetzt hat.

Im Weiteren begrüsste die Kommission die Schritte, welche der Bundesrat unternommen hat, um ein Monitoring über den Umsetzungsstand der Qualitätssicherung in allen Leistungsbereichen durchzuführen und die Daten, welche aufgrund bestehender Erhebungen vorliegen, im Hinblick auf die Qualität medizinischer Leistungen auszuwerten. Ebenfalls positiv beurteilte die GPK-S den Vorschlag, ein nationales Qualitätsinstitut und eine nationale Qualitätsplattform zu schaffen.

Die GPK-S machte den Bundesrat aber auch darauf aufmerksam, dass zu einigen ihrer Empfehlungen nur sehr allgemein Stellung genommen worden war. So z.B. zur Empfehlung, der Bundesrat solle bei den Tarifpartnern eine umfassende Berichterstattung über die Durchführung der Qualitätssicherung einfordern und Mindestanforderungen an Inhalte von Qualitätsverträgen definieren. Dasselbe gilt für die Kontrolle des Abschlusses von Vereinbarungen zur Qualitätssicherung innert Frist durch den Bundesrat und die Überprüfung der Einhaltung der vertraglichen Pflichten durch das BAG, sowie für die Empfehlung, der Bundesrat solle die Schaffung von rechtlichen Grundlagen ins Auge fassen, falls sich die vertraglichen Regulierungen
dafür als zu schwach erweisen. Die Kommission legte dem Bundesrat insbesondere nahe, weiter abzuklären, wie die Leistungserbringer zur Offenlegung von Daten verpflichtet werden können.

Angesichts der grossen Herausforderung, welche dieses Dossier für das Gesundheitswesen und in finanzieller Hinsicht darstellt, betonte die GPK-S, der Bundesrat solle sicherstellen, dass genügend Mittel bereitgestellt werden, damit sich die Qualitätsstrategie richtig und rasch umsetzen lässt.

Obwohl der Bundesrat seine Führungsfunktion im Bereich der Qualitätssicherung gemäss KVG verstärkt wahrzunehmen scheint, müssen nach Ansicht der GPK-S noch wesentliche Schritte zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie gemacht werden. Die GPK-S hat deshalb beschlossen, das Dossier vorläufig abzuschliessen, sich jedoch in spätestens ein bis zwei Jahren beim Bundesrat erneut über den Stand der Arbeiten im Bereich der Qualitätssicherung nach KVG zu informieren.

6814

3.2.4

Abklärung einzelner Aspekte der Organisation der Bekämpfung der Grippepandemie

Der Umgang der Behörden mit der Grippepandemie A(H1N1) führte in der Schweiz wie auch im Ausland zu Kontroversen. Vor diesem Hintergrund beschloss die GPK-S an ihrer Sitzung vom 26. November 2009, einzelne Aspekte der Organisation der Grippepandemiebekämpfung abzuklären, insbesondere die Organisation und Zulassung der Impfstoffe, die Koordination mit den europäischen Behörden in Bezug auf die Impfstoffzulassung, die Organisation der Verteilung der Impfstoffe, die Koordination mit den Kantonen sowie allenfalls weitere Aspekte der Pandemiebekämpfung.

In Absprache mit der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) beauftragte das EDI im Januar 2010 ein externes Unternehmen, in Zusammenarbeit mit einer internationalen Expertengruppe u.a. die Impfstrategie und ihre Umsetzung umfassend zu evaluieren. Die GPK-S beschloss aufgrund der vom EDI getroffenen Massnahmen, keine Parallelarbeiten durchzuführen und den Bericht der externen Evaluation abzuwarten, bat das EDI jedoch um einige zusätzliche Informationen.50 Die GPK-S erhielt am 26. Mai 2010 die externe Evaluation zur schweizerischen H1N1 Strategie sowie eine Antwort vom Bundesrat auf ihre Fragen. Zur vertieften Untersuchung einzelner Aspekte der Pandemiebekämpfung forderte sie den Bundesrat auf, ihr bis Ende 2010 einen Zusatzbericht zu unterbreiten und zu den Empfehlungen der externen Evaluation, zum Bericht der Kommission für Soziales, Gesundheit und Familienangelegenheiten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 7. Juni 2010 und zu den Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Evaluation der internen Abläufe im BAG Stellung zu nehmen.

Am 3. Dezember 2010 erhielt die GPK-S den Zusatzbericht und die gewünschte Stellungnahme des Bundesrats. In der Sitzung vom 28. März 2011 konnte die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S zudem ergänzende Fragen mit dem Direktor des BAG und dem Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten diskutieren.

In der Folge ersuchte die Subkommission den Vorsteher des EDI darum, ihr einen weiteren Bericht vorzulegen, welcher am 28. September 2011 bei der GPK-S einging. Dieser enthielt namentlich einen Überblick über die Massnahmen, welche seit Herbst 2009 getroffen wurden, die bis dahin vorliegenden Ergebnisse der Überarbeitung des nationalen Pandemieplans und der Krisenbücher des BAG, den
Schlussbericht der Evaluation der H1N1-Pandemiebewältigung seitens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Beantwortung einiger Zusatzfragen, u.a. in Bezug auf die Unabhängigkeit externer Experten gegenüber der Pharmaindustrie und die Offenlegung der Interessenbindungen der Mitglieder ausserparlamentarischer Kommissionen.

Die zuständige Subkommission nahm diese Informationen am 7. November 2011 zur Kenntnis und diskutierte sie. Sie wird sich auch im Jahr 2012 mit diesem Dossier beschäftigen. Insbesondere plant sie, im ersten Quartal 2012 der Plenarkommission einen Bericht darüber zu unterbreiten.

50

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2010 (BBl 2011 4080).

6815

3.2.5

Mutmassliche Verwendung von Unterstützungsbeiträgen für Lobbyingarbeit (Pro Audito)

Nach einschlägigen Pressemeldungen leitete die GPK-S im April 2010 eine Untersuchung ein, um abzuklären, ob und gegebenenfalls inwieweit Unterstützungsbeiträge des BSV an den Hörbehindertenverband Pro Audito für Lobbyingaktivitäten im Parlament verwendet worden waren. In diesem Zusammenhang holte sie beim Vorsteher des EDI mehrmals Informationen und Unterlagen ein.

Nach der Prüfung der ihr zugestellten Dokumente kam die GPK-S zum Schluss, dass die Aussage des EDI, Pro Audito habe keine Bundesgelder für Lobbyingaktivitäten verwendet, glaubwürdig ist und dass das EDI die notwendigen Kontrollen vornimmt. Die GPK-S fand in den Dokumenten des EDI keine konkreten Hinweise, die vermuten lassen, ein Teil der Unterstützungsbeiträge des BSV sei für Lobbyingarbeit im Parlament verwendet worden.

Die GPK-S teilte dem Vorsteher des EDI ihre Schlussfolgerungen mit Schreiben vom 21. Juni 2011 mit. Sie hielt darin fest, dass in dieser Angelegenheit für die parlamentarische Oberaufsicht über die Geschäftsführung kein Handlungsbedarf bestehe. Sie betonte in ihrem Schreiben auch, dass die Zuteilung von Bundesbeiträgen an Verbände unter strengen Bedingungen und in einem klar definierten und transparenten Rahmen erfolgen müsse, dies vor allem dann, wenn die besagten Organisationen zu Lobbyingaktivitäten neigen könnten. Deshalb sei es wichtig, dass das EDI bei seinen regelmässigen Kontrollen über die Verwendung der an Organisationen wie Pro Audito vergebenen Bundesgelder sein besonderes Augenmerk systematisch auf heikle Aspekte wie das Lobbying richte.

Die GPK-S konzentrierte sich bei ihrer Untersuchung gemäss ihren gesetzlichen Zuständigkeiten auf gewisse Aspekte der Geschäftsprüfungsaufsicht; nicht untersucht wurden hingegen die Geldflüsse und deren Kontrolle durch das EDI. Da Letzteres in die Zuständigkeit der Oberaufsicht über den Finanzhaushalt fällt, übermittelte die GPK-S ebenfalls am 21. Juni 2011 die Unterlagen des EDI an die FinDel, um ihr die Möglichkeit zu geben, über die Zweckmässigkeit einer solchen Prüfung bzw. eines diesbezüglichen Auftrags an die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) zu entscheiden.

In seiner Antwort vom 5. Juli 2011 versicherte der Vorsteher des EDI der GPK-S, dass das BSV die Vergabe und die Verwendung von Bundessubventionen weiterhin im Sinne der klaren und eindeutigen Vorgaben
der GPK-S überprüfen werde. Die FinDel ihrerseits informierte die GPK-S mit Schreiben vom 19. September 2011 darüber, dass sie nach der Präsentation des Dossiers und anschliessender Diskussion beschlossen habe, diese Angelegenheit nicht weiterzuverfolgen, weil kein Handlungsbedarf bestünde.

Nach Kenntnisnahme dieser Antworten von EDI und FinDel erachtet die GPK-S ihre Untersuchung über die angebliche Verwendung von Unterstützungsbeiträgen des BSV für Lobbyingarbeit durch Pro Audito als abgeschlossen.

6816

3.3

Internationale Beziehungen und Aussenhandel

3.3.1

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen

Am 3. Dezember 2010 veröffentlichte die GPK-S ihren Bericht51 über das Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen.52 Dieser Bericht enthielt 14 Empfehlungen, welche u.a. darauf abzielten, die Übertragung eines Mandats durch den Bundesrat an die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten in Zukunft klarer zu regeln und die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Bundesbehörden und den Behörden des Kantons Genf zu verbessern. Die GPK-S hatte bei diesem Dossier eng mit der GPDel zusammengearbeitet, die für die Kapitel über die Planung der Exfiltration der beiden in Libyen zurückgehaltenen Schweizer zuständig war.

Ende August 2011 nahm die GPK-S Kenntnis von der Stellungnahme des Bundesrats vom 20. April 201153 zu ihrem Bericht vom 3. Dezember 2010. Sie stellte mit Genugtuung fest, dass der Bundesrat zur Umsetzung der Empfehlungen bereit ist und dass deshalb vorderhand kein Handlungsbedarf besteht.

In ihrem diesbezüglichen Schreiben vom 26. August 2011 kritisierte die GPK-S allerdings auch gewisse Ausführungen in der Stellungnahme des Bundesrats.

So bedauerte der Bundesrat, «dass die GPK nur einzelne ausgewählte Fragen untersucht hat und kein Gesamtbild der Auseinandersetzungen mit Libyen ­ insbesondere auch die erfolgreiche Diplomatie, die zur Freilassung der beiden festgehaltenen Schweizer führte ­ präsentiert hat»54.

Hierzu hielt die GPK-S fest, sie habe in ihrem Bericht ausdrücklich präzisiert, dass sich ihre Untersuchung «auf gewisse Schlüsselfragen bezüglich der Funktionsweise der Bundesbehörden und namentlich des Bundesrats unter dem Gesichtspunkt der Oberaufsicht» konzentriert und «weder eine globale Beurteilung der Handhabung dieser Krise noch der Verhandlungsstrategie der Schweizer Diplomatie» bezweckt habe.55 Zudem sei es Sache der parlamentarischen Oberaufsicht und nicht des beaufsichtigten Organs, den Untersuchungsauftrag festzulegen.

Zudem hat die GPK-S nie behauptet, die Schweizer Diplomatie habe bei diesen Verhandlungen keine Erfolge verzeichnen können. Am Schluss ihres Berichts vom 3. Dezember 2010 dankte sie denn auch allen involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesverwaltung und insbesondere den Vertreterinnen und Vertretern des diplomatischen Korps in Bern und Tripolis ausdrücklich für ihren Einsatz unter diesen besonders schwierigen und belastenden Umständen.

51 52 53 54 55

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen, Bericht der GPK-S vom 3. Dez. 2010 (BBl 2011 4215).

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2010 (BBl 2011 4084).

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen, Stellungnahme des Bundesrats vom 20. April 2011 (BBl 2011 4369).

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen, Stellungnahme des Bundesrats vom 20. April 2011 (BBl 2011 4372).

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen, Bericht der GPK-S vom 3. Dez. 2010 (BBl 2011 4234).

6817

Ausserdem erklärte der Bundesrat in seiner einleitenden Zusammenfassung, dass er «im Sinne einer zukunftsgerichteten Herangehensweise [...] bezüglich der Kommentierung und Präzisierung der im Bericht der GPK-S angeführten Darstellung der Abläufe und Vorkommnisse [Zurückhaltung übt]», was nicht bedeute, «dass der Bundesrat mit der Darstellung der GPK-S vollumfänglich einverstanden ist»56.

Diesbezüglich hielt die GPK-S fest, dass sie den Bundesrat vor der Veröffentlichung ihres Berichts vom 3. Dezember 2010 zur Richtigkeit der darin dargestellten Sachverhalte konsultiert habe und dass alle vom Bundesrat in diesem Rahmen in seiner Stellungnahme vom 24. November 2010 verlangten Korrekturen berücksichtigt worden seien.

Ferner liess die GPK-S den Bundesrat wissen, sie halte es für zumindest fragwürdig, dass er öffentlich erklärt habe, mit den von der GPK-S dargestellten Sachverhalten nicht vollumfänglich einverstanden zu sein, ohne dabei im Geringsten zu erwähnen, in welchen Punkten er nicht mit ihr übereinstimme.

Da auch die GPK-S ihren Blick in die Zukunft richtet, verzichtete sie in dieser Angelegenheit allerdings darauf, zusätzliche Erklärungen des Bundesrats einzuholen und konzentrierte sich auf die angekündigten Verbesserungsmassnahmen.

In diesem Zusammenhang begrüssten die GPK-S wie auch die GPDel die Bereitschaft des Bundesrats, ihre Empfehlungen umzusetzen. Gemäss ihrer Praxis werden sie deren Umsetzung in einem bis zwei Jahren im Rahmen einer Nachkontrolle überprüfen.

Schliesslich dankte die GPK-S dem Staatsrat des Kantons Genf für seine Stellungnahme vom 20. April 2011 zu ihrem Bericht vom 3. Dezember 2010. Sie zeigte sich erfreut, dass der Genfer Staatsrat die Empfehlungen dieses Berichts vollumfänglich unterstützt, insbesondere die Empfehlung 4 betreffend Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes und die Empfehlung 5 betreffend die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrat und dem Genfer Staatsrat. Diese Unterstützung ist denn auch unerlässlich für die Umsetzung dieser Empfehlungen, namentlich für die in den Augen der GPK-S äusserst wichtige Verbesserung der Modalitäten der Zusammenarbeit in Krisenfällen.

3.3.2

Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates

Die GPK hatten am 23. Januar 2009 beschlossen, auf Antrag der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (ERD) die PVK mit einer Evaluation des Schweizer Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates zu beauftragen.57

56 57

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen, Stellungnahme des Bundesrats vom 20. April 2011 (BBl 2011 4370).

Die Schweiz hatte vom 18. Nov. 2009 bis zum 11. Mai 2010 den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates inne. Der Vorsitz im Ministerkomitee, dem Entscheidungsorgan des Europarates, wird alle sechs Monate weitergegeben.

6818

In ihrem auf den Ergebnissen der PVK-Evaluation58 basierenden Bericht vom 29. März 201159 hielt die GPK-S fest, dass sie über die insgesamt positive Bilanz des Schweizer Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates erfreut ist.

Die Kommission stellte fest, dass der Schweizer Vorsitz hinsichtlich der Ziele des Europarates als Erfolg gewertet werden kann. Der Schweizer Vorsitz brachte den Europarat namentlich mit der Interlakener Erklärung bei seiner wichtigsten Herausforderung, der Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, einen grossen Schritt weiter.

Die Evaluation hielt diesbezüglich fest, dass der Schweizer Vorsitz seine Funktionen geschickt wahrgenommen hatte, indem er diese Reform zuoberst auf seine Prioritätenliste setzte, den Prozess der Erarbeitung einer gemeinsamen Erklärung der Mitgliedstaaten sehr bewusst und eigenständig gestaltete, die relevanten Stellen des Europarates in die Vorbereitungen einbezog und im Verhandungsprozess bewusst die Führungsrolle übernahm. Zudem funktionierte die Zusammenarbeit zwischen dem EDA und dem EJPD gut, und die beiden Departementsvorsteherinnen setzten sich bei ausländischen Regierungsmitgliedern persönlich für diese Erklärung ein.

Als Stärken des Schweizer Vorsitzes nannte die Evaluation auch das gute Kosten/Leistungs-Verhältnis des Vorsitzes und das grosse Engagement der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesverwaltung. Bezüglich der Sitzungsleitung im Ministerkomitee schliesslich wurde dem Schweizer Vorsitz eine effiziente, ergebnisorientierte und sachkundige Führung des Gremiums attestiert.

Die Evaluation der PVK ortete indessen auch gewisse Schwächen, aus denen im Hinblick auf künftige ähnliche Funktionen der Schweiz in anderen internationalen Organisationen die Lehren gezogen werden sollten.

Obwohl der Vorsitz jeder internationalen Organisation andere Eigenheiten aufweist, namentlich hinsichtlich des Handlungsspielraums des Vorsitzstaates, ist die GPK-S der Ansicht, dass gewisse in der PVK-Evaluation aufgezeigte Schwächen auf allgemeinere Problemfelder hinweisen und deshalb auch in einem anderen Umfeld zu Schwierigkeiten führen können.

In diesem Zusammenhang forderte die GPK-S den Bundesrat auf, gewissen Bereichen mit Optimierungspotenzial die erforderliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Die Kommission hielt
vor allem fest, dass das von einer strikten Abwicklung des Vorsitzes in der Linienorganisation ausgehende Organigramm unzulänglich war und Entscheide verzögert sowie die Zusammenarbeit zwischen den Bundesstellen erschwert hatte. Sie teilte dem Bundesrat mit, dass es nach ihrer Ansicht wünschenswert sei, wenn in Zukunft die Projektorganisation jeweils den konkreten Erfordernissen angepasst würde.

Die GPK-S nahm am 11. Oktober 2011 Kenntnis von der Stellungnahme des Bundesrats vom 31. August 2011.60 Darin hielt dieser fest, dass eine eigene Projektorganisation nur mit zusätzlichen Personaleinheiten möglich gewesen wäre. Der Bundesrat räumte zwar ein, dass die Bewältigung des Vorsitzes unter den beschriebenen 58 59 60

Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates, Bericht der PVK zuhanden der GPK-S vom 3. März 2011 (BBl 2011 7221).

Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates, Bericht der GPK-S vom 29. März 2011 (BBl 2011 7217).

Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarats, Stellungnahme des Bundesrats vom 31. Aug. 2011 (BBl 2011 7255).

6819

Vorzeichen gewisse Einschränkungen mit sich gebracht und die bestehende Linienorganisation an ihre Grenzen geführt haben mochte, wofür die von der GPK-S erwähnte Problematik ungenügend geklärter Schnittstellen sicherlich ein Indiz gewesen sei. Er hielt jedoch die in Anbetracht der Aufgabenstellung gewählte Organisation insbesondere aus Gründen der Kosteneffizienz auch im Nachhinein für vertretbar.

Die GPK-S konnte die Argumentation des Bundesrats nachvollziehen. Das Wesentliche in ihren Augen war die Erkenntnis des Bundesrats, dass anspruchsvollere Aufgaben ohne eine massgeschneiderte Projektorganisation und entsprechende personelle Ressourcen kaum zu bewältigen sind.

Angesichts der insgesamt positiven Bilanz des Vorsitzes der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates beschloss die GPK-S am 11. Oktober 2011, ihre Arbeiten zur Evaluation des besagten Vorsitzes abzuschliessen. Sollte der Schweiz in einer internationalen Organisation erneut ein Amt von dieser oder noch grösserer Tragweite übertragen werden, wird sich die GPK-S zu gegebener Zeit nötigenfalls darüber informieren, welche Massnahmen der Bundesrat ergriffen hat, um zu gewährleisten, dass die Schweiz in der Lage ist, diese Aufgabe bestmöglich zu erfüllen.

3.3.3

Humanitäre Hilfe der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit auf Sri Lanka nach dem Tsunami

Am 24. Oktober 2008 veröffentlichte die GPK-S ihren Bericht über die humanitäre Hilfe auf Sri Lanka nach dem Tsunami61/62 und stellte diesen dem Bundesrat zu.

Die GPK-S hatte in ihrer Untersuchung in dieser Sache keine Hinweise dafür gefunden, dass das EDA bei der Führung der beiden in der Kritik stehenden humanitären Hilfsprogramme schwerwiegende oder systematische Mängel begangen hatte. In den Augen der GPK-S bestand allerdings in mehreren Bereichen Verbesserungspotenzial, namentlich bei den Führungsstrukturen und in der Kommunikation. Deshalb empfahl die GPK-S dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass alle nötigen Massnahmen ergriffen werden, damit bei der Umsetzung solcher Projekte die Führungsstrukturen und die Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Strukturebenen von Anfang an klar sind und allen Akteuren in angemessener Weise mitgeteilt werden.

Gemäss ihrer Praxis führte die GPK-S im Jahr 2011 eine Nachkontrolle zu ihrer Ende 2008 abgeschlossenen Untersuchung durch. Sie ersuchte den Bundesrat, ihr über die Umsetzung ihrer Empfehlung einen Bericht vorzulegen, der namentlich eine Schlussbilanz der humanitären Hilfe der DEZA auf Sri Lanka nach dem Tsunami enthält.

Nach der Prüfung des entsprechenden Berichts des Bundesrats vom 12. Oktober 2011 hielt die GPK-S fest, dass das Programm der DEZA für den Wiederaufbau von Schulen und Gesundheitseinrichtungen auf Sri Lanka nach dem Tsunami abgeschlossen werden konnte und dass seit der Veröffentlichung ihres Berichts im Jahr 2008 mehrere Verbesserungsmassnahmen getroffen worden sind, um eine klare 61 62

Humanitäre Hilfe der DEZA auf Sri Lanka nach dem Tsunami. Feststellungen und Empfehlung der GPK-S, Bericht der GPK-S vom 24. Okt. 2008 (BBl 2009 2251).

Jahresbericht 2008 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 23. Jan. 2009 (BBl 2009 2604).

6820

Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Strukturebenen der DEZA sowie zwischen der DEZA und ihren Partnern zu gewährleisten.

Von diesen Massnahmen begrüsste die GPK-S namentlich die im Herbst 2009 zwischen der Humanitären Hilfe der DEZA und dem Schweizerischen Roten Kreuz unterzeichnete Vereinbarung, welche die Zusammenarbeit im Krisen- oder Katastrophenfall regelt, sowie die im Rahmen der Reorganisation der DEZA getroffenen Massnahmen zur Regelung der Aufgaben, Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen der Zentrale in Bern und den Kooperations- bzw. Programmbüros vor Ort.

Vor diesem Hintergrund beschloss die GPK-S, ihre Arbeiten zur humanitären Hilfe der DEZA auf Sri Lanka nach dem Tsunami abzuschliessen.

3.3.4

Reorganisation der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit: Dienststellenbesuch

Die GPK-N hatte bei der Festlegung ihres Jahresprogramms 2011 beschlossen, die Subkommission EDA/VBS mit der Durchführung eines Dienststellenbesuchs bei der DEZA zu beauftragen, um abzuklären, ob für die parlamentarische Oberaufsicht in Bezug auf die 2008 begonnene Reorganisation der Direktion ein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2011 teilte die Subkommission der DEZA mit, dass sie bei diesem Besuch namentlich über die Reorganisation der DEZA im Allgemeinen (Zielsetzungen, Strategie, Etappen usw.), die Personalpolitik und das interne Kontrollsystem informiert werden möchte.

Nach diesem Besuch zeigte sich die Subkommission insgesamt zufrieden mit den erhaltenen Antworten. Gegenstand der Gespräche waren u.a. die Ziele der Reorganisation, deren personalpolitische Auswirkungen und die Änderungen in den Beziehungen der DEZA zu den anderen Dienststellen des EDA sowie zwischen der Zentrale in Bern und den Kooperationsbüros vor Ort.

Die GPK-N nahm Kenntnis von der Absicht der DEZA-Direktion, demnächst die Auswirkungen der departementsinternen Verschiebung mehrerer Bereiche, für welche es in der DEZA bisher eigene Einheiten gab (insbesondere in den Bereichen Kommunikation und Personalwesen), evaluieren zu lassen. Die GPK-N begrüsst diese Evaluation, die ihr angesichts des [von Teilen des Personals] erhobenen Widerstands notwendig erscheint63. Ihrer Meinung nach ist es unabdingbar, über konkrete Daten zu den Vor- und Nachteilen dieser Umstrukturierung zu verfügen.

Vor diesem Hintergrund kam die GPK-N zum Schluss, dass derzeit für die parlamentarische Oberaufsicht kein Handlungsbedarf besteht. Sie wird sich nötigenfalls zu gegebener Zeit ­ voraussichtlich nach der zweiten Reorganisationsphase, d.h.

Ende 2012 bzw. Anfang 2013 ­ über den Stand der Arbeiten informieren. In diesem Zusammenhang hat die GPK-N die DEZA bereits ersucht, ihr den Schlussbericht der KPMG zuzustellen, sobald dieser vorliegt.

63

Vgl. Brief der zuständigen Subkommission vom 25. Nov. 2011.

6821

3.4

Staat und Verwaltung

3.4.1

Die strategische politische Steuerung des Bundesrats

Die GPK-N hatte im Rahmen ihres Jahresprogramms 2008 beschlossen, die strategische politische Steuerung des Bundesrats vertieft zu untersuchen. Die von der PVK in ihrem Evaluationsbericht vom 15. Oktober 200964 formulierte Kritik wurde mit einem Begleitkommentar an den Bundesrat weitergeleitet. In seiner Antwort verwies der Bundesrat insbesondere auf seine im Oktober 2010 verabschiedete Zusatzbotschaft zur Regierungsreform65, welche Vorschläge zur Beseitigung gewisser von der PVK festgestellter Mängel enthalte.

Von den Vorschlägen des Bundesrats enttäuscht, beschlossen die GPK ­ auch aufgrund ihrer Untersuchung des Behördenverhaltens in der Finanzkrise und bei der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA66 ­ zuhanden der für die Vorprüfung der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform zuständigen SPK einen Mitbericht zu diesem Geschäft zu verfassen (vgl. Ziff. 3.4.2). Zudem beschlossen sie, eine Delegation des Bundesrats zu einer Aussprache über die grosse Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Kommissionen und den vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen einzuladen.67 Die Subkommissionen EJPD/BK trafen sich mit dieser Delegation am 28. März 2011 unter der Leitung der Präsidentin der GPK-N und des Präsidenten der GPK-S.

Die aus der Vizepräsidentin des Bundesrats, der Vorsteherin des EJPD sowie der Bundeskanzlerin zusammengesetzte Delegation erklärte, wie der Bundesrat den Untersuchungsergebnissen der PVK in seinen Arbeiten Rechnung getragen hatte.

Gewisse Neuerungen waren in bestehende Gesetzesgrundlagen aufgenommen worden, so die Änderung des Systems der Ausschüsse, die Verlängerung der Bundesratssitzungen oder die Reorganisation des Perspektivstabs. Die Delegation betonte allerdings, eine gute Zusammenarbeit hänge vor allen Dingen vom Vertrauen zwischen den Regierungsmitgliedern ab; Indiskretionen würden dieses Vertrauen vergiften.

Nach dieser Aussprache beschlossen die GPK, die Beratungsergebnisse der mit diesem Geschäft betrauten SPK-N abzuwarten und diese nötigenfalls in ihrer Arbeit zu unterstützen.

3.4.2

Zusatzbotschaft zur Regierungsreform: Mitbericht der Geschäftsprüfungskommissionen zuhanden der Staatspolitischen Kommissionen

Die GPK führten im Rahmen ihrer parlamentarischen Oberaufsicht in den letzten Jahren verschiedene grössere Untersuchungen durch, die gewisse zentrale Funktionsmängel im Bundesrat zum Vorschein brachten. Sie erachteten es deshalb als 64 65 66 67

Die strategische politische Steuerung des Bundesrats, Bericht der PVK vom 15. Okt. 2009 zuhanden der GPK-N (BBl 2010 3083).

Zu 01.080. Zusatzbotschaft vom 13. Okt. 2010 zur Regierungsreform (BBl 2010 7811).

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA, Bericht der GPK-N/S vom 30. Mai 2010 (BBl 2011 3099).

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011, Ziff. 3.5.2 (BBl 2011 4045).

6822

wichtig, dass die SPK bei ihren Beratungen der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform (01.080) den Erkenntnissen Rechnung tragen, welche die GPK aus ihren Untersuchungen über die Geschäftsführung des Bundesrats gewonnen hatten. Die GPK liessen deshalb am 21. Januar 2011 den SPK einen Mitbericht zu dieser Botschaft zukommen.68 Im Bericht über die Untersuchung des Behördenverhaltens in der Finanzkrise und bei der Herausgabe der UBS-Kundendaten an die Vereinigten Staaten wurde das Krisenmanagement der Schweizer Behörden verschiedentlich kritisiert.69 Zudem untersuchte die PVK die Führungsinformation des Bundesrats und die Rolle der BK.70 Diese Untersuchungsergebnisse sowie die festgestellten Mängel der Geschäftsführung des Bundesrats bildeten die Grundlage für den Mitbericht der GPK. Letzterer stellt indes keine umfassende Beurteilung der Zusatzbotschaft dar.

Diese obliegt vielmehr den SPK und dem Parlament.

Die GPK nahm in ihrem Mitbericht wie folgt Stellung: Die Verlängerung des Bundespräsidiums auf zwei Jahre könnte geeignet sein, die kollektive Führungsverantwortung des Gesamtbundesrats zu stärken; diese Massnahme greift allerdings nur, wenn weitere Vorkehrungen getroffen werden. Solange die Präsidialfunktion nicht mit Zusatzkompetenzen versehen wird, wäre ein eigenständiges Präsidialdepartement nicht sinnvoll, da es in der Praxis zu wenig Gewicht hätte. Ebenfalls keinen Mehrwert bringen dürfte die Schaffung eines Stabs für die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten. Auch die Einführung einer gesetzlichen Informationspflicht der Bundesratsmitglieder gegenüber dem Kollegium würde wenig Sinn machen, ergibt sich doch diese Informationspflicht bereits aus den Artikeln 174 und 177 BV, die beide dem Kollegialprinzip den Vorrang vor dem Departementalprinzip geben. Was die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Informationsaufträge des Kollegiums an einzelne Mitglieder des Bundesrats anbelangt, ergibt sich diese Möglichkeit bereits heute aus der BV, da diese dem Kollegialprinzip einen normativen Vorrang vor dem Departementalprinzip gibt.

Den Vorschlag zum Stellvertretungssystem, wonach die Bundesratsmitglieder gesetzlich verpflichtet werden sollen, ihre Departemente so zu organisieren, dass ihre Stellvertretung gewährleistet ist, erachten die GPK als ungenügend. Dies zum einen deshalb, weil
der Bundesrat nicht vorsieht, dass die Stellvertretung in normalen Zeiten in die wichtigsten Geschäfte einbezogen wird, was in den Augen der GPK aber notwendig wäre, und zum andern deshalb, weil der Bundesrat es den Mitgliedern offen lässt, wie die Stellvertretung sichergestellt werden soll. Des Weiteren wäre zu prüfen, ob anstelle des stellvertretenden Departementsvorstehers nicht besser sein Generalsekretär über die wichtigsten Geschäfte des andern Departements informiert werden sollte (und zwar durch den Generalsekretär des andern Departements).

68 69

70

Vgl. www.parlament.ch/d/dokumentation/berichte/berichte-aufsichtskommissionen/ geschaeftspruefungskommission-gpk/berichte-2011/seiten/default.aspx.

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBSKundendaten an die USA, Bericht der GPK-N/S vom 30. Mai 2010, Ziff. 3.1.1 (BBl 2011 3099).

Die strategische politische Steuerung des Bundesrats, Bericht der PVK zuhanden der GPK-N vom 15. Okt. 2009 (BBI 2010 3083).

6823

Was die Ausschüsse betrifft, ist der Bundesrat bereit, deren Rolle zu stärken, was die GPK positiv beurteilen, obschon sie gewisse in diesem Zusammenhang vorgeschlagene Massnahmen kritisch hinterfragen. So sollten ihrer Auffassung nach die Sekretariate der Ausschüsse nicht im federführenden Departement, sondern in der BK angesiedelt sein, da es sich bei den Ausschüssen um Entscheidvorbereitungsorgane des Gesamtbundesrats handelt. Zum andern sollte der Gesamtbundesrat nach jeder Ausschusssitzung informiert und die Protokolle auch denjenigen Mitgliedern des Bundesrats zur Verfügung gestellt werden, die dem Ausschuss nicht angehören.

Zudem sollten gewisse externe Personen mit Schlüsselpositionen in die Ausschusssitzungen einbezogen werden.

Die Vorschläge des Bundesrats zur Stärkung der BK (verstärkter Einbezug der BK in die Entscheidvorbereitung des Bundesrats, Verbesserung der Geschäftskontrolle und Optimierung der Protokollführung, gesetzliche Verankerung der Zuständigkeit der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers für die Ausfertigung der Bundesratsbeschlüsse) werden von den GPK zwar begrüsst, aber als ungenügend erachtet. Um die BK als Stabsstelle des Bundesrats zu stärken, müssten die SPK einerseits insbesondere die Verankerung von weitergehenden Rechten der BK im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG)71 prüfen. Andererseits trüge die Übernahme von Unterstützungsmassnahmen zugunsten der Departemente durch die BK nicht direkt zu deren Stärkung als Stabsstelle des Bundesrats bei. Dies könnte zur Folge haben, dass ihr Ressourcen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben fehlen.

Mit der Schaffung zusätzlicher Staatssekretärenstellen könnten die Bundesratsmitglieder entlastet werden, wodurch sie mehr Zeit für die Wahrnehmung ihrer kollektiven Führungsaufgaben im Bundesrat hätten. Allerdings hinge dies weitgehend davon ab, welche Aufgaben und Kompetenzen delegiert werden könnten.

Die GPK begrüssen die Massnahmen, die darauf abzielen, den Bundesrat von Routinegeschäften zu entlasten, wichtige oder umstrittene Geschäfte mindestens zweimal im Gesamtbundesrat zu behandeln, die bundesrätlichen Klausursitzungen aufzuwerten und die präventiven Rechtsorgane systematisch zu konsultieren. Allerdings sollte die systematische Information des Bundesrats durch ein präventives Rechtsorgan bei allen
wichtigen ­ und nicht nur bei umstrittenen ­ Rechtsfragen erfolgen.

Was die GPK in der Revisionsvorlage und der zugehörigen Zusatzbotschaft zur Regierungsreform vor allem vermissen, das ist die Vision des Bundesrats, wie das schweizerische Regierungssystem weiterentwickelt werden soll, um den wachsenden Ansprüchen an die Regierung unter Wahrung der Verfassungsvorgaben nachhaltig gerecht zu werden.

Doch selbst wenn die Revisionsvorlage des Bundesrats keine umfassende und zukunftsgerichtete Regierungsreform darstellt, enthält sie aus Sicht der GPK wichtige Elemente, um die Funktionsfähigkeit des Gesamtbundesrats zu verbessern. Die GPK sind deshalb der Ansicht, dass die Teile der Revisionsvorlage, welche eine Verbesserung der Situation herbeiführen dürften, losgelöst vom weiteren Schicksal der Regierungsreform weiterverfolgt und umgesetzt werden sollten.72

71 72

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010).

Die SPK-N hat diesen Ausführungen der GPK teilweise bereits Rechnung getragen. Eine ihrer Subkommmissionen prüft weitere grundlegende Reformvorschläge. Vgl. Medienmitteilung der SPK-N: www.parlament.ch/d/mm/2011/seiten/mm-spk-n-2011-09-09.aspx.

6824

3.4.3

Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes

Die GPK beschlossen im Januar 2010 im Rahmen ihres Jahresprogramms, die PVK mit einer Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes zu beauftragen. Dabei sollten vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren von den konsultierten Kreisen wiederholt geäusserten Kritik ­ zu kurze Fristen, fehlende Transparenz bei der Adressatenauswahl und bei der Verwertung der Stellungnahmen ­ die Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis auf ihre Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit hin untersucht werden. Da mit der Inkraftsetzung des Vernehmlassungsgesetzes (VlG)73 2005 eine Unterscheidung zwischen Vernehmlassungen und Anhörungen eingeführt wurde, legte die zuständige Subkommission EJPD/BK der GPK-N ihren Fokus auf die Praxis bei Letzteren, da die Verwaltung diesbezüglich über mehr Handlungsspielraum verfügt.

Die Subkommission nahm im Juni 2011 vom entsprechenden Evaluationsbericht der PVK74 Kenntnis und formulierte ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen in einem Bericht, den die GPK-N am 7. September 2011 verabschiedete.75 Die GPK-N stellte in ihrem Bericht mit Genugtuung fest, dass die Evaluation der PVK punkto Akzeptanz dieses Instruments keine grösseren Probleme zutage gefördert hat. Offenbar erachten sowohl die verfahrensführenden Bundesstellen als auch die Adressaten das Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren im Grossen und Ganzen als sinnvoll und nützlich. Letztere schätzen es, an der Entscheidungsfindung des Bundes teilhaben und ihr Fachwissen in den politischen Prozess einbringen zu können.

Die GPK-N stellte jedoch fest, dass in verschiedenen Bereichen des Anhörungs- und Vernehmlassungsverfahrens Optimierungspotenzial besteht. Dementsprechend formulierte sie dazu vier Empfehlungen, worin sie den Bundesrat aufforderte, die Koordinationsrolle der BK klar zu definieren und deren Kompetenzen zu erweitern, die Transparenz bei der Ergebniskommunikation zu verbessern, das konferenzielle Verfahren abzuschaffen und bei aus Dringlichkeitsgründen verkürzten Fristen eine Begründungspflicht einzuführen.

Auf der Basis der Ergebnisse der Evaluation der PVK hält die GPK-N darüber hinaus die mit dem VlG im Jahre 2005 eingeführte Unterscheidung zwischen Anhörung und Vernehmlassung für problematisch. Das Hauptziel des Gesetzgebers bestand nämlich darin, das Verfahren zu straffen und zu verwesentlichen,
indem unterschieden wird zwischen Vernehmlassungen, die nur der Bundesrat oder parlamentarische Kommissionen bei wichtigen Vorhaben eröffnen können, und Anhörungen, die bei weniger wichtigen Vorhaben von der BK oder einem Departement eröffnet werden können. Wie die PVK feststellte, wurde dieses Ziel nicht erreicht, insbesondere deshalb, weil diese Unterscheidung ungenügend geregelt und den Adressaten weitgehend unbekannt ist.

73 74 75

Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (SR 172.061).

Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes, Evaluation der PVK zuhanden der GPK-N vom 9. Juni 2011 (BBl 2012 2361).

Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes, Bericht der GPK-N vom 7. Sept. 2011 (BBl 2012 2351).

6825

Die GPK-N forderte deshalb den Bundesrat in einer fünften Empfehlung auf, zu prüfen, inwiefern es zweckmässig ist, an zwei verschiedenen Verfahren festzuhalten.

Sollte der Bundesrat die Unterscheidung zwischen Vernehmlassung und Anhörung beibehalten wollen, müsste er nach Auffassung der GPK-N die Rahmenbedingungen für das Anhörungsverfahren näher definieren und die Kommunikation gegenüber den Adressaten verbessern. Sie ersuchte deshalb den Bundesrat in einer Zusatzempfehlung, gewisse Bestimmungen des VlG und der zugehörigen Verordnung zu ändern oder zu präzisieren.

Die Kommission erwartet vom Bundesrat bis Ende Februar 2012 eine Stellungnahme zu ihrem Bericht und ihren Empfehlungen.

3.4.4

Bundespersonalgesetz: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung

In ihrem Bericht vom 23. Oktober 2009 über die Inspektion zum Bundespersonalgesetz (BPG)76: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung77 gab die GPK-N sechs Empfehlungen an den Bundesrat ab. Dieser nahm am 21. April 2010 Stellung zu diesem Bericht und den Empfehlungen. Daraufhin beschloss die GPK-N aufgrund der damals laufenden Arbeiten und Entwicklungen im Bereich der Bundespersonalpolitik, im Jahr 2011 eine Nachkontrolle zu dieser Inspektion durchzuführen, um u.a. den Umsetzungsstand der Empfehlungen zu überprüfen.

Im Rahmen dieser Nachkontrolle gelangte die GPK-N zu folgenden Feststellungen: In Bezug auf Empfehlung 1 (Strategie des Bundesrats zur Umsetzung des BPG) führte sie aus, die Festlegung einer Strategie durch den Bundesrat sei eine wichtige Massnahme, dem Grundanliegen dieser Empfehlung könne aber nur mit einer konkreteren Ausgestaltung des dazugehörigen Umsetzungskonzepts gebührend Rechnung getragen werden. Zur Empfehlung 2 (Einbettung der Personalstrategie in eine Gesamtstrategie des Bundesrats) hielt sie fest, dass zwar erste Massnahmen zur Umsetzung dieser Empfehlung getroffen worden seien, dass aber die Verknüpfung zwischen Aufgabenerfüllung und Personalressourcen auf der strategischen Ebene noch verstärkt werden müsse. Zur Empfehlung 5 (Prozess- und Leistungsanalyse/ Stärkung der zentralen Steuerung der Bundespersonalpolitik) stellte sie fest, dass die diesbezüglich festgestellten Mängel noch nicht behoben sind, obschon der Bundesrat in seiner Stellungnahme versichert hatte, die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten im Personalbereich seien im Rahmen der Bundesverwaltungsreform 05/07 geklärt worden. Positiv beurteilte die Kommission hingegen die Umsetzung der Empfehlungen 3, 4 und 6.

Bei dieser Nachkontrolle prüfte die GPK-N auch zwei besondere Aspekte der Bundespersonalpolitik: das Modell der Vertrauensarbeitszeit (VAZ) und die Vertretung der Interessen des Kaders in der Bundesverwaltung.

Die VAZ in ihrer heutigen Form wird seit dem 1. Januar 2009 angewendet. Sie ist für das höhere Kader (ab Lohnklasse 30) obligatorisch, während Angehörige des mittleren Kaders (Lohnklassen 24­29) dieses Modell fakultativ mit ihren Vorgesetz76 77

Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (SR 172.220.1).

Bundespersonalgesetz: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung, Bericht der GPK-N vom 23. Okt. 2009 (BBl 2010 2875); Synthesebericht der PVK über die Evaluation der Steuerung der Bundespersonalpolitik vom 17. Juni 2009 (BBl 2010 2889).

6826

ten vereinbaren können. Das VAZ-Modell ist in Artikel 64a der Bundespersonalverordnung78 explizit geregelt. Darin wird festgehalten, dass Angestellte mit VAZ von der Erfassung der Arbeitszeit befreit sind und keine Mehrarbeit, Überzeit und Gleitzeit kompensieren können. Im Gegenzug erhalten diese Kaderangehörigen eine jährliche Pauschalentschädigung in Form einer Barvergütung von fünf Prozent des Jahreslohnes. Obwohl die VAZ als zeitgemässes Arbeitszeitmodell wahrgenommen werden kann, wurde es in erster Linie eingeführt, um die finanziellen Risiken des Arbeitgebers Bund zu verringern, welche die teils beträchtlichen Zeitguthaben von Kaderleuten (nicht bezogene Ferien/Überzeit) mit sich bringen.

Aufgrund der beschränkten Regulierung der VAZ sowie der Bestrebungen des Bundesrats, das Personalrecht des Bundes an die privatrechtlichen Bestimmungen anzugleichen, beauftragte die GPK-N einen Arbeitsrechtsexperten, erstens abzuklären, ob das VAZ-Modell des Bundes den gleichen Arbeitnehmerschutz wie das Privatrecht (insbesondere das Arbeitsgesetz [ArG]79) bietet und zweitens, wie das VAZ-Modell vor dem Hintergrund von Artikel 17 BPG zu beurteilen ist. Bezüglich der ersten Frage kam der Rechtsexperte zum Schluss, dass die rechtlichen Regelungen zum Arbeitnehmerschutz in der Bundesverwaltung namentlich punkto Normalund Höchstarbeitszeiten nicht das gleiche Schutzniveau wie die für die Privatwirtschaft geltenden Gesetzesvorschriften gewährleistet. So enthält das BPG nur sehr allgemeine Bestimmungen, und die Höchstarbeitszeit ist nur auf Verordnungsstufe geregelt. Zudem ist im Bundespersonalrecht nicht geregelt, wie die Einhaltung der Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz zu kontrollieren ist, und das Gesetz verpflichtet die Bundesverwaltung in keiner Weise, als Arbeitgeber für die Einhaltung dieser Bestimmungen zu sorgen. Was die zweite Frage betrifft, bestätigt das Rechtsgutachten die Konformität der Regelung zur VAZ mit Artikel 17 BPG.

Im August 2011 hörte die Kommission die Direktorin des EPA sowie die Personalverantwortlichen der Departemente und der BK an, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie die rechtlichen Vorgaben zur VAZ in der Praxis umgesetzt werden. Bei diesen Anhörungen stellte sich heraus, dass das VAZ-Modell von Departement zu Departement recht unterschiedlich angewendet wird und
diese unterschiedliche Anwendung namentlich in Bezug auf die Höchstarbeitszeiten mit gewissen Bestimmungen des BPG und des ArG teilweise nicht konform ist. Aufgrund dieser Feststellungen gab die GPK-N sieben Empfehlungen an den Bundesrat ab. Diese zielen insbesondere darauf ab, das Konzept der VAZ zu verbessern und die Konformität dieses Modells mit den geltenden Bestimmungen herzustellen. Der Bericht und die Empfehlungen80 wurden an der Plenarsitzung vom 25. November 2011 verabschiedet. Die GPK-N beschloss ebenfalls, die Prüfung der Verankerung der Soll- und Höchstarbeitszeit der Bundesverwaltung im BPG im Rahmen der laufenden Revision desselben bei der zuständigen Fachkommission zu beantragen, um damit ­ gleich wie in der Privatwirtschaft ­ diese Bestimmungen auf Gesetzesstufe anzusiedeln.

78 79 80

Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 (SR 172.220.111.3).

Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (SR 822.11).

Nachkontrolle zur Inspektion «Bundespersonalgesetz: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung», Bericht der GPK-N vom 25. Nov. 2011 (www.parlament.ch/d/dokumentation/berichte/berichte-aufsichtskommissionen/ geschaeftspruefungskommission-gpk/berichte-2011/seiten/default.aspx).

6827

Zum zweiten zusätzlichen Aspekt, der im Rahmen dieser Nachkontrolle ebenfalls geprüft wurde, der Vertretung der Interessen des Kaders in der Bundesverwaltung, hielt die GPK-N fest, dass die aktuelle Situation des Kaders zwar grundsätzlich zufriedenstellend sei, dass der Bundesrat und das EPA die Interessen des Kaders aber auch in Zukunft gebührend zu berücksichtigen haben.

3.4.5

Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen

Am 21. August 2009 veröffentlichte die GPK-S ihren Bericht über die Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs)81/82. Als Grundlage für diesen Bericht mit fünf Empfehlungen diente eine vertiefte Evaluation der PVK83 über die Steuerung dieser Zusammenarbeit durch die Bundesverwaltung.

Gemäss ihrer Praxis führte die GPK-S im Jahr 2011 eine Nachkontrolle zur Umsetzung ihrer Empfehlungen durch und ersuchte den Bundesrat um einen entsprechenden Bericht.

Nach der Prüfung dieses Berichts hielt die GPK-S fest, dass wichtige Schritte in die von der Kommission gewünschte Richtung unternommen worden sind, namentlich in Bezug auf die vermehrte Anwendung wettbewerblicher Vergabeverfahren, die Verbesserung der Kontrollmechanismen zur Verhinderung von Zweckentfremdungen von an NGOs vergebenen Mitteln sowie die grössere Transparenz der Kriterien der DEZA bei der Wahl der zu unterstützenden NGO-Programme und bei der Festlegung der Höhe der Finanzhilfen.

In ihrem Schreiben vom 8. November 2011 an den Bundesrat begrüsste die GPK-S insbesondere die überarbeitete DEZA-Weisung über Aufträge und Beschaffung, die Schritte des Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zur Überprüfung der Zweckmässigkeit der derzeit bestehenden Monopolstellung von AGRIDEA, die von der DEZA Anfang 2010 in allen Verträgen mit ihren Partnerorganisationen eingeführten Bestimmungen zur Verbesserung der Kontrollmechanismen bei der Mittelverwendung sowie die Massnahmen der DEZA zur Schaffung transparenterer Kriterien bei der Wahl der zu unterstützenden NGO-Programme und der Festlegung der Höhe der Finanzhilfen.

Die GPK-S stellte allerdings auch fest, dass es nach wie vor Optimierungspotenzial bei den Kriterien gibt, nach denen entschieden wird, welche NGO welchen Beitrag erhält. Deshalb forderte sie die DEZA auf, ihre diesbezüglichen Überlegungen weiterzuführen.

In Bezug auf die Massnahmen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) hielt die GPK-S fest, die Weisung über die Auftragsausschreibung ermutige die betroffenen Dienste nicht dazu, wettbewerbliche Vergabeverfahren auch über die rechtlichen Vorgaben hinaus durchzuführen. Es würde allerdings nichts dagegen sprechen, sich auch in 81 82 83

Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit NGOs, Bericht der GPK-S vom 21. Aug. 2009 (BBl 2010 1367).

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 22. Jan. 2010 (BBl 2010 2718).

Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit NGOs, Synthesebericht der PVK zuhanden der GPK-S vom 11. Juni 2009 (BBl 2010 1373).

6828

Fällen, in denen das wettbewerbliche Verfahren nicht zwingend ist, die Frage zu stellen, welches das angemessenste Verfahren ist, und gegebenenfalls das Wettbewerbsprinzip anzuwenden. Die GPK-S betonte in ihrem Schreiben an den Bundesrat, sie erwarte vom BAFU, dass dieses seine Absicht, die Auftragsvergabeverfahren und die Kontrollmechanismen zu optimieren, noch besser in die Tat umsetzt.

Trotz der insgesamt positiven Erkenntnisse teilte die GPK-S dem Bundesrat mit, es bedürfe ihrer Meinung nach zusätzlicher Anstrengungen, um dauerhafte Verbesserungen herbeizuführen. Zudem könne die Wirkung verschiedener Massnahmen (wie z.B. die vermehrte Anwendung von Wettbewerbsverfahren) erst mittel- oder langfristig beurteilt werden.

Vor diesem Hintergrund beschloss die GPK-S, ihre Untersuchung zur Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit NGOs vorläufig abzuschliessen und sich in einem oder zwei Jahren noch einmal über den Stand der Arbeiten zu informieren.

3.4.6

Reorganisation des Bundesamts für Migration

Die GPK beschlossen am 27. Januar 2011 auf Antrag von Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler, eine Untersuchung der in jüngerer Zeit vorgenommenen, zahlreichen Reorganisationen des Bundesamts für Migration (BFM) einzuleiten und dabei den Schwerpunkt auf die letzte Reorganisation zu legen, die am 1. September 2010 abgeschlossen worden war. Bereits am 25. Februar 2011 kamen sie jedoch auf ihren Entscheid zurück und sprachen sich nach einer eingehenden Analyse gegen die Durchführung einer solchen Untersuchung aus, weil sie befürchteten, dass eine Inspektion über eine erst vor kurzem abgeschlossene Reorganisation nur zu einem beschränkten Erkenntnisgewinn führen würde. Zu diesem Entscheid der GPK trugen auch die damaligen Entwicklungen in Nordafrika und ihre für das BFM unabsehbaren Folgen bei. Die Kommissionen nahmen dabei den Beschluss der zuständigen Subkommission EJPD/BK der GPK-N, die Entwicklung der Personalsituation und den Umsetzungsstand der ursprünglichen Reorganisationsziele weiterzuverfolgen, wohlwollend zur Kenntnis.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2011 ersuchte die Subkommission das EJPD, ihr bis zum 5. August 2011 einen Bericht über die 2010 abgeschlossene Reorganisation des BFM zukommen zu lassen. Dieser sollte Auskunft geben über die aktuelle Situation im Bundesamt, die Reorganisationsziele und deren Erreichungsgrad, die (direkten und indirekten) Kosten der Reorganisation und deren Auswirkungen auf das Personal. Zudem bat sie das EJPD um Zustellung der Ergebnisse der jüngsten Personalumfrage im BFM.

Am 4. August 2011 stellte das EJPD den Bericht sowie die Ergebnisse der Personalbefragung im BFM der zuständigen Subkommission zu. An der Sitzung vom 30. August 2011, an der auch der Direktor des BFM zugegen war, nahm die Departementsvorsteherin zur Personalsituation und zum Umsetzungsstand der Reorganisation Stellung. Sie erklärte, sie habe aufgrund der Ergebnisse der BFM-internen Evaluation eine zusatzliche externe Evaluation in Auftrag gegeben.

An einer Medienkonferenz am 31. August 2011 gab die EJPD-Vorsteherin bekannt, sie werde sich auf Ende Oktober vom Direktor des BFM trennen und habe eine externe Evaluation zur Reorganisation des Amts in Auftrag gegeben.

6829

In Anbetracht dieses Wechsels an der Spitze des BFM und der ihr neu zur Verfügung stehenden Informationen beschloss die GPK-N, die Reorganisation des BFM in ihr Jahresprogramm 2012 aufzunehmen, um deren Auswirkungen, namentlich auf die Personalsituation, eingehend zu untersuchen. Dabei wird sie sich auf die Erkenntnisse der vom EJPD in Auftrag gegebenen externen Evaluation stützen, die voraussichtlich Anfang 2012 vorliegen wird.

3.4.7

Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen: Probleme bei der Personalführung

Nachdem die GPK-N auf schwerwiegende Probleme aufmerksam gemacht worden war, die seit 2008 bei der Führung des Stabspersonals des Rates der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Rat) bestehen sollen ­ erhöhte Personalfluktuation, gehäufte Krankheitsabwesenheiten und Beizug externer Unterstützung (medizinischer, psychologischer oder juristischer Natur) durch verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ­ beschloss sie im März 2010, diese Situation zu untersuchen.

Die Subkommission EDI/UVEK der GPK-N kam bei ihren Abklärungen zum Schluss, dass innerhalb des Stabs des ETH-Rates tatsächlich ernsthafte Probleme beim Personal bestanden, dass der Ratspräsident sich der Probleme aber bewusst war und Verbesserungsmassnahmen in Vorbereitung waren. Die GPK-N empfahl dem ETH-Rat mit Schreiben vom 12. November 2010, dafür zu sorgen, dass der Veränderungsprozess mit professioneller externer Unterstützung weitergeführt, für die noch immer akuten Einzelfälle ausgewogene Lösungen gefunden und die Stellung und Funktion sowie die Instrumente der Meldestelle des ETH-Bereichs genau überprüft würden. Die Kommission verlangte zudem vom EDI, dass es seine Aufsichtsfunktion wahrnimmt und die GPK regelmässig über die Umsetzung ihrer Empfehlungen informiert.84 An ihrer Sitzung vom 7. September 2011 prüfte die Subkommission die Unterlagen, die sie vom EDI und vom ETH-Rat zur Umsetzung der Empfehlungen erhalten hatte. Der Präsident des ETH-Rates hielt in seinen Statusberichten fest, dass sich die allgemeine Arbeitsatmosphäre verbessert habe und dass weder er noch die Meldestelle Kenntnis von neuen Problemfällen hätten. Sämtliche seinerzeit an den Präsidenten des ETH-Rates herangetragenen Personalfälle seien mittlerweile sozialverträglich gelöst worden. Zudem sei 2011 eine interne Schulung zum Umgang mit Konfliktsituationen durchgeführt und ein Internetportal konzipiert worden. Darauf würden allen Stabsmitarbeitenden sämtliche massgebenden Grundsätze, Dokumente und Informationen über die Personalführungsprozesse und -instrumente des Stabs des ETH-Rates zugänglich gemacht. Schliesslich habe der Präsident die Stellung, die Funktion und die Instrumente der Meldestelle überprüft und sei zum Schluss gekommen, dass die Weisungen vollständig seien und keiner Anpassung bedürften.

Aufgrund dieser Informationen zeigte sich die
Subkommission davon überzeugt, dass sich die Situation weiter verbessert hat. Allerdings konnte die Subkommission nicht beurteilen, inwieweit die einzelnen Empfehlungen umgesetzt und die Instru-

84

Die vollständige Darstellung der Ereignisse 2009 und 2010 findet sich in Ziff. 3.5.4 des Jahresberichts 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011 (BBl 2011 4045 hier 4102).

6830

mente der Meldestelle verbessert worden sind. Die Subkommission hörte deshalb am 19. Oktober 2011 den Präsidenten des ETH-Rates erneut an.

Die Subkommission nahm dabei einmal mehr erstaunt zur Kenntnis, dass der ETHRat es nicht als notwendig erachtet, die Weisungen betreffend die Meldestelle zu präzisieren. Sie beschloss deshalb, diese Angelegenheit noch nicht abzuschliessen und im Rahmen der üblichen Berichterstattungen des EDI an die GPK weiterzuverfolgen. Die Subkommission behält sich vor, je nach den Informationen, die sie erhalten wird, zusätzliche Berichte über die Umsetzung ihrer Empfehlungen zu verlangen.

3.4.8

Reformen im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten: VEKTOR und VEKTORplus

Das EDA lancierte 2006 im Rahmen der Bundesverwaltungsreform das Pilotprojekt VEKTOR, das eine strategische Steuerung des Netzes der Schweizer Auslandsvertretungen herbeiführen sollte. Ziel war es, ein integriertes Steuerungsmodell für das Aussennetz zu entwickeln, in dem die Auslandsvertretungen unter Vorgabe klarer Ziele und Richtlinien grössere Kompetenzen und mehr Verantwortung erhalten und die Akteure für die Bedeutung des Ressourcenmanagements sensibilisiert werden. In der Praxis führte die Reform zur Übertragung von Budgetkompetenzen von der Zentrale an die einzelnen Auslandsvertretungen sowie zur Einführung von Leistungskatalogen und einem Controllingsystem. 2008 beschloss das EDA, das Steuerungsmodell von VEKTOR im Rahmen des Projekts VEKTORplus auf das gesamte Departement anzuwenden.

Die GPK-N befasste sich erstmals im November 2009 mit den beiden Projekten.85 In diesem Zusammenhang hörte ihre Subkommission EDA/VBS die Vorsteherin des EDA und die Direktorin der Direktion für Ressourcen an und beschloss daraufhin namentlich angesichts der von einem Teil des Personals geäusserten Bedenken, sich zu einem späteren Zeitpunkt über den Stand und die Ergebnisse der beiden Projekte zu informieren. In einem auf Ersuchen der Subkommission erstellten Bericht von Juni 2011 legte das EDA die jüngsten Ergebnisse dar und kam zum Schluss, die Reformprojekte seien letztlich ein Erfolg. Zudem begrüsste es den tiefgreifenden Kulturwandel innerhalb des Departements.

Dieser Bericht bildete die Grundlage für ein weiteres Gespräch mit der Leiterin der Direktion für Ressourcen, das die Subkommission an ihrer Sitzung vom 30. Juni 2011 führte. Bei dieser Gelegenheit kamen neben den positiven Aspekten auch die Schwierigkeiten zur Sprache, so u.a. die Bestimmung von Indikatoren zur Beurteilung der in den Botschaften geleisteten Arbeit zur Interessenwahrnehmung, die noch laufende Sensibilisierung der Botschafter für Budgetfragen sowie die von einem Teil des Personals geäusserten Bedenken.

85

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 22. Jan. 2010 (BBl 2010 2710).

6831

Die GPK-N kam an ihrer Sitzung vom 7. September 2011 zum Schluss, dass für die parlamentarische Oberaufsicht vorläufig kein dringender Handlungsbedarf besteht.

Sie beschloss indes, die Entwicklung dieser Projekte aufmerksam weiterzuverfolgen und sich nötigenfalls zu einem späteren Zeitpunkt über deren Stand zu informieren.

Ausserdem teilte die Kommission der Vorsteherin des EDA mit Schreiben vom 7. September 2011 mit, dass sie die Anstrengungen, die das EDA unternommen hat, um seine Führungsinstrumente zu modernisieren und Effizienzgewinne zu realisieren, begrüsst, es für sie aber auch wichtig ist, dass das Departement für eine frühzeitige und gebührende Einbindung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Konzeption und Umsetzung solcher Projekte sorgt und es die Anliegen des Personals angemessen berücksichtigt.

3.4.9

Beizug von externen Experten in der Bundesverwaltung

Der von der GPK-S am 13. Oktober 2006 verabschiedete Bericht zum Expertenbeizug in der Bundesverwaltung86 zeigte, dass der Beizug von externen Experten des Bundes ein erhebliches Ausmass angenommen hat. Nach einer Evaluation der PVK gab die Bundesverwaltung im Jahr 2004 für über 6 100 Expertenmandate rund 490 Millionen Franken aus. Nach konservativer Schätzung der PVK dürfte die Bundesverwaltung (ohne FLAG-Ämter; FLAG = Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget) im Jahr 2004 insgesamt 600­700 Millionen Franken für Expertenmandate ausgegeben haben.

Die GPK-S hatte in ihrem Bericht festgestellt, dass allein für Mandate im Bereich der politischen Beratung und Forschung 144 Millionen Franken ausgegeben wurden.

Dazu äusserte sie die Ansicht, es könne sich eine gewisse Problematik dadurch ergeben, dass allfällige externe Politikberater, die regelmässig massgeblichen Einfluss auf die Politikgestaltung ausüben, im Gegensatz zu Amtsdirektoren und Bundesstellen weder einer parlamentarischen Kontrolle unterstehen, noch einer durch die Medien hergestellten Öffentlichkeit unterliegen. Die GPK-S verlangte deshalb vom Bundesrat in einer Empfehlung, dass er über externe Politikberater, die direkten und massgeblichen Einfluss auf politische Entscheidungen und Ausrichtungen der Departemente und Ämter ausüben, sowie über ihre Mandate Transparenz herstellt (Empfehlung 1). In seiner Stellungnahme vom 14. Februar 200787 erklärte sich der Bundesrat bereit, die Empfehlung entgegen zu nehmen, und verwies zu deren Umsetzung insbesondere auf das Informationssystem über das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz (simap.ch), das eine geeignete Plattform zur Förderung der Transparenz im gesamten Bereich der öffentlichen Beschaffung darstelle. Die GPK-S begrüsste den Ausbau des Internetportals, bezweifelte jedoch, dass dieses umfangreiche Internetnetzwerk der besonders bei externen Politikberatungen im engeren Sinn geforderten Transparenz genüge. Sie ersuchte den Bundesrat zu prüfen, ob ihre Forderung im Rahmen des «Strategischen Beschaffungs-Controllings» (Antwort auf Empfehlung 10) erfüllt werden könnte, indem die Beratungsmandate

86 87

Umfang, Wettbewerbsorientierung und Steuerung des Expertenbeizugs in der Bundesverwaltung, Bericht der GPK-S vom 13. Okt. 2006 (BBl 2007 1661).

Umfang, Wettbewerbsorientierung und Steuerung des Expertenbeizugs in der Bundesverwaltung, Stellungnahme des Bundesrats vom 14. Febr. 2007 (BBl 2007 1649).

6832

thematisch kategorisiert würden und somit ein Überblick über die externen Politikberatungen im engeren Sinn ohne grösseren Aufwand ermöglicht würde.

Die GPK-S kündigte dem Bundesrat im Weiteren an, in ca. zwei Jahren in einer Nachkontrolle die Umsetzung ihrer Empfehlungen durch den Bundesrat zu überprüfen.

Die GPK-S ersuchte den Bundesrat am 26. Juni 2009 und am 4. April 2011 um Berichte über den Stand der Umsetzung ihrer zehn Empfehlungen. Der Bundesrat erstattete mit Schreiben vom 14. Oktober 2009 und vom 18. Mai 2011 Bericht.

Die zuständige Subkommission der GPK-S prüfte die Berichte und kam zum Schluss, dass sie einzelne Punkte vertiefen möchte. Sie liess mit Schreiben vom 4. Juli 2011 dem in diesem Dossier federführenden Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) eine Reihe von Fragen zukommen, die das Departement mit Bericht vom 18. Oktober 2011 ausführlich beantwortete.

In ihrem Schreiben vom 30. November 2011 dankte die GPK-S dem Bundesrat und dem EFD für ihre Stellungnahmen und die bisher unternommenen Anstrengungen zur Umsetzung ihrer Empfehlungen. Grundsätzlich stellte die GPK-S fest, dass der Bundesrat in den letzten Jahren einige Anstrengungen unternommen hat, um den Wettbewerb zu stärken, externe Dienstleister gezielt und sparsam einzusetzen sowie Instrumente für das Reporting und die Steuerung des Beschaffungswesens zu schaffen. Allerdings sind nach Meinung der GPK-S hauptsächlich in zwei Bereichen weitere Verbesserungen nötig: Das Instrument der Statistik der Beschaffungszahlen weist noch grössere Defizite auf. Die Statistik ist ein Controlling-Instrument, mit dem festgestellt werden soll, in welchem Bereich wie viele Zahlungen getätigt wurden. Knapp 10 Prozent der Ausgaben, bei gewissen Ämtern jedoch bis zu 94 Prozent, können keiner Kategorie klar zugeordnet werden. Zwar können mit dem Beschaffungscontrolling die Gesamtzahlungen der einzelnen Ämter ausgewiesen werden, nicht aber die Vergaben, die Art der Beschaffungsverfahren und die abgeschlossenen Verträge.

Bei einer Reihe von Empfehlungen der GPK-S verwies der Bundesrat auf die Schaffung eines Vertragsmanagements, das eine umfassende Transparenz und Vereinfachungen bringen soll. Einzelne Departemente werden dieses Vertragsmanagement einführen. Eine Verpflichtung aller Departemente ist nicht vorgesehen, doch ist eine flächendeckende
Einführung des Vertragsmanagements die Voraussetzung für die Schaffung umfassender Transparenz. Die GPK-S äusserte deshalb die Meinung, dass der Bundesrat bereits heute eine flächendeckende, für alle Departemente verbindliche Einführung ins Auge fassen sollte. Im Hinblick darauf ist ein Wildwuchs verschiedener Systeme in den Departementen zu vermeiden.

Mit diesen Hinweisen an den Bundesrat erachtet die GPK-S diese erste Nachkontrolle als abgeschlossen. Sie kündigte jedoch an, in ca. zwei Jahren in einer zweiten Nachkontrolle den Stand der Umsetzung ihrer Empfehlungen und die weitere Entwicklung des Beschaffungscontrollings sowie des Vertragsmanagements erneut zu überprüfen.

6833

3.5

Justizwesen

3.5.1

Begleitende Kontrolle der Umsetzung von «EffVor2» der Strafverfolgungsbehörden des Bundes

Die GPK-N hatte von 2002­2007 den Ausbau der Strafverfolgungsbehörden des Bundes (Bundesanwaltschaft [BA], Eidgenössisches Untersuchungsrichteramt [URA], Bundeskriminalpolizei [BKP]) begleitend kontrolliert. Ihr Interesse galt vor allem der Umsetzung der Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und zur Sicherstellung der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung. Diese Massnahmen wurden im Rahmen des Projekts «EffVor2» konkretisiert und vom Bundesrat am 4. Juli 2007 gutgeheissen.

Am 5. September 2007 überwies die GPK-N dem Bundesrat ihren Bericht zur Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes88. In diesem Bericht unterstützte sie insbesondere die Stossrichtung der mit EffVor2 eingeleiteten Massnahmen, gab dazu allerdings zwei Empfehlungen an den Bundesrat ab. Zum einen forderte sie ihn auf, dafür zu sorgen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Umsetzung der Effizienzvorlage und insbesondere die Ressourcenzuteilung in den Bereichen der zwingenden Bundeskompetenzen mit der erforderlichen Sorgfalt angehen.

Zum andern hielt sie den Bundesrat an, die Zweckmässigkeit einer im Rahmen der Neuausrichtung der Effizienzvorlage einzuführenden bundesrätlichen Kriminalpolitikstrategie zu prüfen ­ gegebenenfalls unter Einbezug des Parlaments oder hierfür geeigneter parlamentarischer Gremien. Die GPK-N betonte dabei, eine solche Strategie könne nicht an die Stelle der gesetzlich vorgesehenen zwingenden Bundeskompetenzen treten, sondern nur der Konkretisierung bestehender Ermessensspielräume der Strafverfolgungsbehörden dienen.

Die Kommission verfolgte darauf diese Umsetzung aufmerksam. So hörte sie zwischen August 2008 und März 2011 insgesamt 17 Vertreter verschiedener Behörden und Stellen an. Am 25. November 2008 führten verschiedene Delegationen der Subkommission EJPD/BK Dienststellenbesuche bei der BA, der BKP und dem URA durch. Zudem nahm die Subkommission Einsicht in zahlreiche Dokumente.

Angesichts dessen, dass sich mit dem Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung und des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesbehörden die Ausgangslage stark verändert hatte (Verselbständigung der BA und Auflösung des URA), beschloss die GPK-N am 1. Juli 2011, die begleitende Kontrolle der Umsetzung von EffVor2 mit Fokus auf die Umsetzung ihrer beiden Empfehlungen abzuschliessen.
In Bezug auf die Ressourcensituation bei den Strafverfolgungsbehörden des Bundes musste die GPK-N allerdings feststellen, dass es den zuständigen Stellen bis dahin nicht möglich war, den tatsächlichen Ressourcenbedarf der Strafverfolgungsbehörden nachvollziehbar darzulegen, was sie als inakzeptabel erachtete. Sie verlangte deshalb vom Bundesrat und von der neuen Aufsichtsbehörde über die BA (AB-BA), dafür zu sorgen, dass Kennzahlen erarbeitet werden, anhand derer sich allfällige Anträge um zusätzliche Stellen bei den Strafverfolgungsbehörden des Bundes seriös beurteilen lassen.

88

Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes, Bericht der GPK-N vom 5. Sept. 2007 (BBl 2008 1979).

6834

Was die Priorisierung der Strafverfolgung des Bundes anbelangt, rief die GPK-N in Erinnerung, dass mit der Festlegung einer Strategie nicht der geltende Rechtsrahmen ersetzt werden könne, sondern dass damit lediglich die Ermessensspielräume der betreffenden Behörden zu konkretisieren seien. Obschon die GPK-N noch nicht abschliessend klärte, ob die aktuelle Kriminalpolitikstrategie des Bundes diese Anforderungen erfüllt, forderte sie den Bundesrat auf, seine Strategie, die dieses Jahr ohnehin neu definiert werden muss, anzupassen oder die gesetzliche Zuständigkeitsordnung zu prüfen.

3.5.2

Staatshaftungsklage von alt Bundesrat Christoph Blocher gegen die Eidgenossenschaft mit Vergleich beigelegt

Im Zusammenhang mit der Medienorientierung der GPK-N vom 5. September 2007 zu den Holenweger-Papieren (Flipcharts/H-Plan) hatte Altbundesrat Christoph Blocher am 4. September 2008 beim EFD ein Genugtuungsbegehren wegen Verletzung der Persönlichkeit eingereicht. Der Bundesrat lehnte das Begehren am 12. November 2008 ab. Am 15. Mai 2009 machte Altbundesrat Blocher seine Genugtuungsforderung gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft klageweise beim Bundesgericht geltend.89 Die GPK-N gewährte dem Bundesgericht Einsicht in vertrauliche Akten der GPK-N.

Am 8. März 2011 kam es im Rahmen einer Vorbereitungsverhandlung am Bundesgericht zu einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits durch einen Vergleich zwischen dem Kläger und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch das EFD.

Der Vergleich lautete wie folgt: «La Confédération Suisse déclare qu'il n'a jamais été dans l'intention des représentants de la CdG-N, de la sous-commission DFJP/ChF ou du Ministère public de la Confédération d'accuser le Conseiller fédéral de l'époque, M. le Dr Christoph Blocher, de complot visant à déstabiliser le Ministère public de la Confédération par l'information aux médias qui a eu lieu le 5 septembre 2007 à propos des documents- (Flipcharts/H-Plan). Si le public devait avoir eu une autre impression, la Confédération Suisse le regretterait.

Au vu de cette déclaration, M. le Dr Blocher retire sa plainte.» Die GPK-N nahm an ihrer Sitzung vom 17. März 2011 vom Vergleich Kenntnis. Das Bundesgericht veröffentlichte den Vergleich am 25. März 2011 in einer Medienmitteilung.

89

Siehe Jahresberichte 2008 und 2009 der GPK und der GPDel der eidgenössischen Räte vom 23.1.2009, Ziff. 3.7.4 (BBl 2009 2616 ff.), und vom 22.1.2010, Ziff. 3.7.8 (BBl 2010 2729 f.).

6835

3.6

Sicherheit

3.6.1

Rüstungsbeschaffung im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

Im November 2007 veröffentlichte die GPK-N ihren Bericht zur Rüstungsbeschaffung im VBS90/91. Dieser enthielt acht Empfehlungen, die insbesondere folgende Punkte umfassten: Ausarbeitung einer Beschaffungsstrategie, die festlegt, wie die aussen- und sicherheitspolitischen Interessen zu berücksichtigen sind; Verbesserung des Rechtsschutzes der Anbieter; bessere Transparenz und stärkere Berücksichtigung der Kostendimension.

Gemäss ihrer Praxis führte die GPK-N im Jahr 2011 eine Nachkontrolle zur Umsetzung ihrer Empfehlungen im Bericht von November 2007 durch.

Anhand des diesbezüglichen Berichts des Bundesrats vom 18. Mai 2011 hielt die GPK-N fest, dass die getroffenen Massnahmen, namentlich die am 31. März 2010 verabschiedete «Beschaffungsstrategie des Bundesrats für das VBS», einen Schritt in die richtige Richtung darstellen. Ebenso anerkannte sie, dass im Statistikbereich sowie im Rahmen der Studie «Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB)» erste relevante Fortschritte erzielt worden sind.

Verschiedene Arbeiten waren allerdings noch nicht abgeschlossen. So gab es zwar bereits Statistiken zu den Beschaffungszahlungen, solche über die Vertragsart und das Vergabeverfahren lagen hingegen noch nicht vor. Zudem konnte die GPK-N anhand der ihr zur Verfügung stehenden Informationen noch nicht beurteilen, inwiefern die Verbesserungen auch wirklich die erhofften Wirkungen gehabt haben.

Deshalb ersuchte die GPK-N den Bundesrat mit Schreiben vom 7. September 2011, ihr bis Ende September 2013 einen Evaluationsbericht über die Auswirkungen der zur Verbesserung der Rüstungsbeschaffung im VBS getroffenen Massnahmen vorzulegen. Die GPK-N will u.a. über die Auswirkungen dieser Massnahmen auf den Wettbewerb und die Wirtschaftlichkeit informiert werden.

Ferner betonte die GPK-N, dass sie der Verbesserung des Rechtsschutzes der Anbieter grosse Bedeutung beimesse. Da die Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)92 erheblich in Verzug geraten ist, ersuchte sie den Bundesrat, eine vorgezogene Teilrevision dieses Gesetzes ernsthaft in Erwägung zu ziehen, um diese Angelegenheit so rasch wie möglich zu regeln.

Schliesslich wies die GPK-N darauf hin, dass sie die regelmässigen Gespräche zwischen armasuisse und den für die Aussen- bzw. Aussenwirtschaftspolitik
zuständigen Staatssekretariaten zwar begrüsse, diese aber nicht für ausreichend erachte.

Deshalb beschloss sie, an der Empfehlung 1 ihres Berichts von November 2007 festzuhalten, wonach der Bundesrat eine Strategie ausarbeiten soll, die genau festlegt, wie die aussenpolitischen Interessen bei der Rüstungsbeschaffung zu berück-

90 91 92

Rüstungsbeschaffung im VBS, Bericht der GPK-N vom 23. Nov. 2007 (BBl 2008 3569).

Jahresbericht 2007 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 25. Jan. 2008 (BBl 2008 5139).

Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 172.056.1).

6836

sichtigen sind. Wie sie bereits in ihrem Schreiben vom 8. September 201093 betont hatte, verlangt sie nicht eine Liste mit Importverboten für spezifische Länder, wie es sie für die Exporte gibt, sondern einen klaren und kohärenten strategischen Rahmen, an dem sich die Beschaffungsorgane bei ihren Entscheiden orientieren können, wobei diese Organe weiterhin über den zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Handlungsspielraum verfügen.

Deshalb ersuchte die GPK-N den Bundesrat, in dem Ende September 2013 vorzulegenden Evaluationsbericht auch zu erläutern, welche zusätzlichen Verbesserungsmassnahmen in dieser Sache getroffen worden sind.

3.6.2

Einsatzgruppe «Tigris» des Bundesamts für Polizei

Im März 2009 veröffentlichte die «Weltwoche» einen Artikel über die Einsatzgruppe «Tigris» des Bundesamts für Polizei (fedpol), in welchem diese u.a. bezichtigt wurde, eine geheime Einheit ohne politischen Auftrag zu sein. Da dieser Artikel für Aufsehen sorgte, leitete die GPK-S eine Untersuchung zu «Tigris» ein und legte am 26. November 2009 einen Bericht mit ihren Schlussfolgerungen und zwei Empfehlungen an den Bundesrat vor. Zum einen empfahl die GPK-S dem EJPD, die Informationspolitik im Bereich der Strafverfolgungsbehörden einer Prüfung zu unterziehen und zur Chefsache zu erklären. Zum anderen forderte sie den Bundesrat auf, die Ausarbeitung eines Entwurfs für ein Polizeigesetz des Bundes prioritär zu behandeln und darin insbesondere zu klären, wie weit die Kompetenzen der BKP im Rahmen der gerichtspolizeilichen Verfahren des Bundes gehen sollen. In seiner Stellungnahme vom 24. März 2010 erklärte sich der Bundesrat mit den beiden Empfehlungen einverstanden, präzisierte aber, die Vorsteherin des EJPD habe Massnahmen zur Optimierung der Informationspolitik der Strafverfolgungsbehörden ergriffen. Zudem betonte er, dass er der Empfehlung 2 bereits nachgekommen sei, indem er das Bundesgesetz über die PolAG vom 27. November 2009 bis zum 15. März 2010 in die Vernehmlassung gegeben habe.

Nachdem die GPK-S von der Stellungnahme des Bundesrats Kenntnis genommen hatte, ersuchte sie die Vorsteherin des EJPD mit Schreiben vom 28. März 2011 um nähere Angaben zur Aufteilung der Kompetenzen im Bereich der Informationspolitik zwischen dem EJPD, dem fedpol bzw. der BKP, der BA und der Aufsichtsbehörde über die BA (AB-BA). Auch wollte sie über die Koordination der Tätigkeiten dieser Behörden orientiert werden. Ferner erkundigte sich die GPK-S nach den Ergebnissen der Vernehmlassung zum Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die PolAG und nach der Veröffentlichung des dazugehörigen Berichts. Am 20. Mai 2011 erhielt die GPK-S von der Vorsteherin des EJPD nähere schriftliche Informationen über den Stand der Umsetzung ihrer beiden Empfehlungen. Da die Antworten der Vorsteherin des EJPD für die GPK-S zufriedenstellend ausfielen und sich der Bundesrat mit den beiden Empfehlungen einverstanden erklärte, teilte die Kommission dem Bundesrat mit Schreiben vom 21. Juni 2011 ihren Beschluss mit, die Untersuchung zu «Tigris» abzuschliessen.

93

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011 (BBl 2011 4109).

6837

3.7

Forschung, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft

3.7.1

Eidgenössische Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau

Am 7. April 2006 überwies die GPK-S dem Bundesrat ihren Bericht «Aspekte der Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau»94 mit vier Empfehlungen und einer Motion.

Gemäss ihrer Praxis nahm die GPK-S im Jahr 2009 die Nachkontrolle zur Umsetzung ihrer Empfehlungen und ihrer Motion auf.95 Die GPK-S hatte dem Bundesrat bereits mit Schreiben vom 24. August 2009 mitgeteilt, dass sie die Antworten zu den Empfehlungen 1 und 4 (Umgang mit beteiligten Parteien und Zukünftige Behandlung des Dossiers der Rau'schen Stiftungen) als zufriedenstellend erachte.

Im gleichen Schreiben wies die GPK-S darauf hin, dass sie den in ihrer Motion «Verlegung der Stiftungsaufsicht» (06.3177) enthaltenen Prüfungsauftrag nach Kenntnisnahme des Berichts des Bundesrats vom 19. Dezember 2008 als erfüllt betrachte. Die GPK-S stellte fest, dass der Bundesrat eine Verlegung der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht (ESA) weiterhin nicht für angezeigt hält. Die GPK-S konnte diesen Entscheid, der im Übrigen in der Organisationskompetenz des Bundesrats liegt, nachvollziehen.

Zu den Empfehlungen 2 und 3 (Ressourcen der ESA und Systematische Überprüfung der Stiftungsaufsicht) hingegen hielt die GPK-S fest, der Bundesrat habe zwar Massnahmen zu deren Umsetzung eingeleitet, doch seien angesichts der zahlreichen noch laufenden Arbeiten verschiedene Punkte noch offen.

Die GPK-S verlangte deshalb, über den Stand dieser Arbeiten informiert zu werden.

Der Bundesrat kam dieser Aufforderung mit seinen Berichten vom 17. Februar 2010 und vom 23. Februar 2011 nach.

Nach Prüfung des Berichts vom 23. Februar 2011 kam die GPK-S zum Schluss, dass ihre Empfehlungen im Bericht vom 7. April 2006 insgesamt zufriedenstellend umgesetzt worden waren.

Zur Umsetzung der Empfehlung 2 (Ressourcen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht) waren Massnahmen getroffen worden, um der ständigen Zunahme der Zahl der unter Bundesaufsicht stehenden Stiftungen Rechnung zu tragen. So wurde im Herbst 2009 eine erste und Ende 2010 eine zweite zusätzliche Juristenstelle geschaffen. Die GPK-S nahm Kenntnis von der Zusicherung des Bundesrats, dass er die Entwicklung im Auge behalten und die nötigen Massnahmen treffen werde.

Im Zusammenhang mit der Empfehlung 3 (Systematische Überprüfung der Stiftungsaufsicht) nahm die GPK-S Kenntnis von den Prüfungsaufträgen
des Bundesrats. So hatte dieser das EJPD beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EDI ( ESA) und unter Einbezug der kantonalen Aufsichtsbehörden zur beruflichen Vorsorge und Stiftungsaufsichtsbehörden zu prüfen, wie die Rechtsgrundlagen im Bereich der Stiftungsaufsicht im Gesetz zu präzisieren sind. Im Weiteren hatte er das EDI (ESA) 94 95

Aspekte der Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau, Bericht der GPK-S vom 7. April 2006 (BBl 2006 7707).

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 22. Jan. 2010, Ziff. 3.3.1 (BBl 2010 2704).

6838

beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EFD (EFV) und unter Einbezug der kantonalen Aufsichtsbehörden zur beruflichen Vorsorge und Stiftungsaufsichtsbehörden zu prüfen, ob die bisherige Direktaufsicht durch Bund und Kantone durch ein Modell der Oberaufsicht ersetzt werden soll. Es ist vorgesehen, dass das EJPD und das EDI dem Bundesrat gestützt auf die Ergebnisse dieser vertieften Prüfungen bis Ende 2012 Bericht erstatten und Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreiten.

Angesichts dieser Aufträge sowie der zuvor bereits durchgeführten Arbeiten gelangte die GPK-S zur Auffassung, dass der Bundesrat der Empfehlung 3, das heutige System der Stiftungsaufsicht einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, nachgekommen war.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2011 hielt die GPK-S allerdings auch fest, dass sie die für diese Prüfungen auf Ende 2012 angesetzte Frist als zu lang erachte und deshalb vom Bundesrat erwarte, dass er rasch das Nötige veranlasse, um die Berichterstattungen des EJPD und des EDI sowie gegebenenfalls die entsprechenden Botschaften des Bundesrats zu beschleunigen.

Vor diesem Hintergrund beschloss die GPK-S, ihre Arbeiten zu «Aspekten der Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau» abzuschliessen.

Nötigenfalls wird sie sich zu gegebener Zeit im Rahmen ihrer ordentlichen Oberaufsichtstätigkeit über den Stand der Dinge, insbesondere in Bezug auf die Ressourcen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht, erkundigen.

3.7.2

Steuerung der Ressortforschung des Bundes

Aufgrund der Kritik, die am Konzept und an der Steuerung der Ressortforschung immer wieder geübt worden war, führte die GPK-N im Jahr 2005 eine Inspektion zu diesem Thema durch. In ihrem dazu veröffentlichten Bericht96 vom 23. August 2006, der auf einer im Auftrag der PVK durchgeführten Evaluation97 beruhte, richtete sie fünf Empfehlungen an den Bundesrat mit dem Ziel, die Ressortforschung in ein umfassenderes und effizienteres Steuerungssystem einzubinden.

Nachdem die GPK-N die mangelnde Bereitschaft des Bundesrats zur Einführung eines solchen Systems festgestellt hatte, kündigte sie im Jahr 2009 eine Nachkontrolle an und forderte den Bundesrat auf, ihr über die Umsetzung der Empfehlungen Bericht zu erstatten. Der Bundesrat kam dieser Aufforderung am 3. Februar 2010 mit einem entsprechenden Bericht an die Subkommission EDI/UVEK der GPK-N nach.

Am 28. Januar 2011 beschloss die GPK-N nach eingehender Prüfung der Stellungnahme des Bundesrats vom 3. Februar 2010 sowie der der Kommission im Sommer 2010 zur Verfügung gestellten Evaluation zur Umsetzung der Qualitätsrichtlinien

96 97

Steuerung der Ressortforschung des Bundes, Bericht der GPK-N vom 23. Aug. 2006 (BBl 2007 771).

Ressortforschung des Bundes: Evaluation der Behördenarrangements sowie der Forschungskonzepte und deren Umsetzung, Expertenbericht von Landert Farago und Partner im Auftrag der PVK (BBl 2007 783).

6839

und zur Nutzung der Forschungsergebnisse in der Ressortforschung98 (inklusive Anhörungen) durch ihre Subkommission, die Nachkontrolle zu dieser Inspektion abzuschliessen. In einem Schreiben an den Bundesrat teilte die Kommission dem Bundesrat ihre Schlussfolgerungen mit und gab ihrem Bedauern Ausdruck, dass sich der Bundesrat ungeachtet der im Bereich der Ressortforschung festgestellten Gesetzeslücken noch immer weigere, eine departementsübergreifende Steuerung der Ressourcen der Ressortforschung einzuführen, ein Rahmengesetz für die Ressortforschung auszuarbeiten und das von ihm geschaffene Steuerungsorgan, den Steuerungsausschuss für Bildung, Forschung und Technologie (BFT), mit mehr Steuerungskompetenzen auszustatten. Die Kommission begrüsste jedoch, dass der BunBundesrat im Entwurf zur Totalrevision des Forschungsgesetzes (Vorlage zu einem neuen Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz [FIFG]) immerhin diverse Klärungen in Bezug auf die Rollen und Aufgaben der verschiedenen Akteure in der Ressortforschung vorgeschlagen hatte. Ebenso begrüsste sie die Verankerung der Forschungskonzepte als eigentliche Planungsinstrumente in der FIFG-Vorlage.

Da es der Bundesrat ablehnte, den Forderungen in den Empfehlungen 1 und 2 ihres Berichts nachzukommen, beschloss die GPK-N ebenfalls am 28. Januar 2011, sich mit den entsprechenden Anliegen in einem Mitbericht zum neuen FIFG an die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) zu wenden.

In seiner Antwort vom 17. Februar 2011 an die GPK-N hielt das EDI fest, seiner Auffassung nach sei eine departementsübergreifende Steuerung der finanziellen Ressourcen in der Ressortforschung nicht machbar, weil die Ressortforschung eng mit den Aufgaben der Ämter verbunden sei und demzufolge die Mittelzuteilung nicht an übergeordnete Instanzen delegiert werden könne. Im Gegenteil müsse die Steuerung im Rahmen der Mittelzusagen für die mit der Ressortforschung betrauten Ämter direkt vom Parlament vorgenommen werden.

4

Staatsschutz und Nachrichtendienste

4.1

Aufgaben, Rechte und Organisation der Geschäftsprüfungsdelegation

Die GPDel überwacht im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht die Aktivitäten des Bundes im Bereich des zivilen und militärischen Nachrichtendienstes. Konkret beaufsichtigt die GPDel den zivilen Nachrichtendienst des Bundes (NDB), welcher für den Inlandnachrichtendienst (Staatsschutz) und den Auslandnachrichtendienst zuständig ist. Die GPDel überwacht auch die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der Armee, insbesondere diejenigen des Militärischen Nachrichtendiensts (MND). Die gerichtspolizeilichen Verfahren der BA im Bereich des Staatsschutzes sind ebenfalls Gegenstand der Oberaufsicht durch die GPDel.

98

Ressortforschung der schweizerischen Bundesverwaltung: Externe Evaluation der Qualitätssicherung und der Resultatnutzung durch den Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat (SWTR), Bericht an das Präsidium des Steuerungsausschusses Bildung Forschung Technologie [BFT], Nov. 2009; vgl. auch Evaluation der Umsetzung der Qualitätsrichtlinien und der Nutzung der Forschungsergebnisse in der Ressortforschung, Abschlussbericht des Steuerungsausschusses BFT, April 2010.

6840

Die GPDel ist ein ständiger Ausschuss der beiden GPK der eidgenössischen Räte, in dem auch eine Nichtregierungspartei vertreten ist. Sie setzt sich aus je drei Mitgliedern der beiden Kommissionen zusammen. Die GPDel konstituiert sich selbst (Art. 53 Abs. 1 ParlG) und wählt ihr Präsidium in der Regel für zwei Jahre.

Die GPDel verfügt zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben über besonders weitreichende Informationsrechte (Art. 169 Abs. 2 BV; Art. 154 ParlG). In den letzten Jahren hatte verschiedentlich eine restriktive Auslegung dieser Informationsrechte durch den Bundesrat dazu geführt, dass die GPDel wichtige Unterlagen zur Entscheidfindung des Bundesrats nur noch bei der BK einsehen konnte. Mit der Revision des ParlG vom 17. Juni 2011 steht nun explizit im Gesetz, dass die GPDel auch ein Recht auf Herausgabe einer Kopie dieser Unterlagen und Protokolle hat (vgl. Ziff. 2.1.4).

Mit der jüngsten Revision des ParlG wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, dass die GPDel in den letzten Jahren die Oberaufsicht über staatliche Geheimbereiche wahrgenommen hatte, die nicht nur die Nachrichtendienste betrafen (Fall Tinner, Exfiltrationspläne der Armee für die in Libyen festgehaltenen Schweizer). Mit der Anpassung von Artikel 53 Absatz 2 ParlG fällt nun generell alles staatliche Handeln in den Bereichen, die geheim gehalten werden, weil deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen einen schweren Schaden zufügen kann, unter die Oberaufsicht der GPDel.

Ebenso wie die GPK legt auch die GPDel den Schwerpunkt ihrer Kontrolltätigkeit auf die Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit. Ihre Oberaufsicht versteht die GPDel in erster Linie als Kontrolle darüber, wie die Exekutive ihre Aufsicht wahrnimmt. Der Bundesrat und nicht das Parlament trägt letztlich die Verantwortung für die Tätigkeit der Nachrichtendienste. So prüft die Delegation insbesondere, ob der Bundesrat und das zuständige Departement ihre gesetzlich vorgeschriebene Führungs- und Aufsichtsfunktion korrekt wahrnehmen.

Das Gesetz sieht gemäss Artikel 8 des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG)99, respektive Artikel 99 Absatz 5 Militärgesetz (MG)100 vor, dass das VBS eine Verwaltungskontrolle über den zivilen und den militärischen Nachrichtendienst einrichtet und dafür
jährlich einen Kontrollplan erlässt. Dieser Kontrollplan ist mit der Tätigkeit der GPDel abzustimmen. Die GPDel nimmt jeweils die Inspektionsberichte zur Kenntnis und kontrolliert allgemein, wie der Vorsteher des VBS dieses Kontrollorgan einsetzt.

Jährlich prüft die GPDel den Rechenschaftsbericht der interdepartemental zusammengesetzten und unabhängigen Kontrollinstanz (UKI), welche nach Artikel 15 der Verordnung über die elektronische Kriegführung (VEKF)101 die Rechtmässigkeit der Funkaufklärung kontrolliert. Im Bericht für das Jahr 2010 lieferte die UKI eine Zusammenstellung der 18 Empfehlungen, die sie bisher an die verantwortlichen Departementsvorsteher abgegeben hatte. Die GPDel konnte dazu feststellen, dass einzelne Empfehlungen immer noch der Umsetzung harrten, inbesondere die wiederholte Forderung der UKI, dass die Aufbewahrungsdauer der erfassten Aufklärungsresultate auf Verordnungsstufe geregelt wird. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen für die Funkaufklärung, welche die GPDel im Rahmen der BWIS-II99

Bundesgesetz vom 3. Okt. 2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (SR 121).

100 Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung vom 3. Febr. 1995 (SR 510.10).

101 Verordnung über die elektronische Kriegführung vom 15. Okt. 2003 (VEKF; SR 510.292).

6841

Revision eingebracht hat, erteilen nun dem Bundesrat dafür einen expliziten Regelungsauftrag (vgl. Ziff. 4.5).

Am 24. Juni 2011 trafen sich die GPDel und eine Abordnung der neuen AB-BA. Die AB-BA und die GPDel beschlossen, sich in der Regel einmal jährlich zu treffen. Für die jährlichen Treffen wird die AB-BA einen separaten Bericht für die GPDel mit besonderen Feststellungen zum Staatsschutzbereich und zu Schnittstellen zwischen dem Nachrichtendienst und den Strafverfolgungsbehörden verfassen. Umgekehrt wird die GPDel die AB-BA informieren, wenn sie die BA zu einer Anhörung einlädt.

Die GPDel kontrolliert überdies, wie die Exekutive ihre direkten Führungsaufgaben gegenüber dem Nachrichtendienst erfüllt. So erteilt der Bundesrat nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung über den NDB (V-NDB)102 mindestens alle vier Jahre dem NDB einen neuen Grundauftrag. Seinen ersten Grundauftrag erhielt der NDB am 12. Januar 2011. Dieses Dokument besprach die GPDel daraufhin im März 2011 mit dem Vorsteher des VBS.

Nach Massgabe des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS)103 hat der Bundesrat jährlich die Beobachtungsliste zu genehmigen (Art. 11 Abs. 3 BWIS) und die Aufnahme von regelmässigen Kontakten mit ausländischen Nachrichtendiensten zu bewilligen (Art. 8 ZNDG und Art. 99 Abs. 3 Bst. c MG).

Aufgrund von Artikel 27 Absatz 3 V-NDB, nach welchem alle vier Jahre die Beobachtungsliste in ihrer Gesamtheit neu zu beurteilen ist, legte das VBS am 23. September 2011 dem Bundesrat eine revidierte Beobachtungsliste vor, welche die GPDel nach dem Entscheid des Bundesrats im Oktober 2011 zur Kenntnis nahm.

Aufgrund der vorgeschriebenen Gesamtbeurteilung hatte der NDB mehr als die Hälfte der bisher aufgeführten Organisationen von der Liste gestrichen. Insbesondere Organisationen und Gruppierungen, die ausschliesslich im Ausland Aktivitäten entwickeln, nahm der NDB von der Liste, weil der zivile Nachrichtendienst diese Aktivitäten, falls sie von sicherheitspolitischer Bedeutung sind, auch auf der Grundlage von Artikel 1 Buchstabe a ZNDG bearbeiten kann. Die Auflagen des BWIS kommen demnach bei der Beschaffung und Bearbeitung von Informationen über solche Aktivitäten nicht zum Tragen. Es entfällt somit die rechtliche Notwendigkeit, die so bearbeiteten Organisationen auf der Beobachtungsliste
zu führen, und es konnten beispielsweise Gruppen gestrichen werden, die sich auch auf der Liste der Europäischen Union (EU) im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus finden.

4.2

Revision der Zusammenarbeitsvereinbarung mit der Finanzdelegation

Auch vor der Revision des ParlG vom 17. Juni 2011 (vgl. Ziff. 2.1.4) hatten die FinDel und die GPDel grundsätzlich die gleichen Informationsrechte, die sich für beide Delegationen von Artikel 169 Absatz 2 BV ableiten lassen. Die Zustellung der 102 103

Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes vom 4. Dez. 2009 (SR 121.1).

Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit vom 21. März 1997 (BWIS; SR 120).

6842

Unterlagen, die der direkten Entscheidfindung des Bundesrats dienen, war im ParlG jedoch unterschiedlich geregelt. Die FinDel erhielt laufend und regelmässig sämtliche Beschlüsse des Bundesrats einschliesslich der Mitberichte, während die GPDel diese Unterlagen im Bedarfsfall jeweils einverlangen musste.

Nach dem revidierten Artikel 154 Absatz 3 ParlG erhalten nun beide Delegationen laufend sämtliche Beschlüsse des Bundesrats, einschliesslich der Anträge und der Mitberichte. Gleichzeitig verlangt das Gesetz, dass sie gemeinsam die Einzelheiten der Zustellung, der Einsichtnahme und der Aufbewahrung dieser Dokumente regeln.

Am 28. September 2011 beschlossen die FinDel und die GPDel, diese Regelung in ihre Zusammenarbeitsvereinbarung aus dem Jahr 2006 aufzunehmen. Die getroffene Regelung stellt sicher, dass nun auch die GPDel direkt und rechtzeitig über geheime Bundesratsbeschlüsse, inklusive Anträge und Mitberichte, informiert wird. Diesem Anliegen der GPDel, das aus ihrer Inspektion zum Fall Tinner stammte, hatte der Bundesrat bereits in Bezug auf die Beschlussdispositive ­ aber nicht die anderen Unterlagen ­ im Jahr 2010 entsprochen (vgl. Ziff. 3.8.3 im Jahresbericht 2010).104 Bei der Regelung war es beiden Delegationen ein Anliegen, den Aufwand für die BK, welche die Unterlagen zu übermitteln hat, in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Alle Unterlagen, die wegen ihrer Klassifizierung nicht nummeriert sind, stellt die BK allein dem Sekretariat der FinDel zu. Die Modalitäten für die gegenseitige Einsichtnahme in die erhaltenen Unterlagen regeln die beiden Delegationen über ihre Sekretariate.

Die revidierte Zusammenarbeitsvereinbarung wurde dem Bundesrat auf den 26. Oktober 2011 zur Kenntnis gebracht. Damit wurde die BK rechtzeitig über die neue Regelung informiert, die sie ab Inkrafttreten des revidierten Artikel 154 Absatz 3 ParlG am 1. November 2011 anzuwenden hatte.

4.3

Nachkontrolle zum ISIS-Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation

4.3.1

Empfehlungen der Geschäftsprüfungsdelegation

Die GPDel hatte mit ihrem Bericht zum informatisiertem Staatsschutz-Informationssystem (ISIS) vom 21. Juni 2010 insgesamt 17 Empfehlungen abgegeben, um die im Rahmen der Inspektion festgestellten Probleme zu beheben.105 Am 20. Oktober 2010 akzeptierte der Bundesrat mit einer Ausnahme alle Empfehlungen vollständig oder zumindest grundsätzlich im Sinne der GPDel.106 Anlässlich einer ersten Aussprache über die Umsetzung der Empfehlungen mit dem Vorsteher des VBS am 25. November 2010 würdigte die GPDel die Stellungnahme des Bundesrats als Zeichen dafür, dass die Delegation und der Bundesrat die gleichen Probleme erkannt hatten und lösen wollten.

104

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011 (BBl 2011 4045 4118).

105 Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 (BBl 2010 7665 hier 7738).

106 Stellungnahme des Bundesrats vom 20. Okt. 2010 zum ISIS-Bericht der GPDel (BBl 2010 7739 hier 7758).

6843

Der GPDel war es aber auch bewusst, dass die Umsetzung der Empfehlungen teilweise mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde. Gleichwohl wollte sich die Delegation darüber Gewissheit verschaffen, dass der NDB die notwendigen Arbeiten innert nützlicher Frist und mit den richtigen Prioritäten aufnehmen würde. Der Umsetzungsstand verschiedener Empfehlungen des ISIS-Berichts war deshalb Gegenstand der Aussprachen der GPDel mit dem Vorsteher des VBS am 21. März 2011 und 26. August 2011. Wichtige Schwerpunkte der Nachkontrolle waren die Einsetzung und die Tätigkeit des ISIS-Datenschutzbeauftragten, der Abbau der festgestellten Pendenzen bei der Qualitätssicherung, die Definition, Aussagekraft und Zuverlässigkeit der Kennzahlen zur Datenqualität in ISIS sowie die Umsetzung der Empfehlungen bezüglich des präventiven Fahndungsprogramms Fotopasskontrolle.

Der Untersuchungsbericht der GPDel sprach vom «Informatisierten Staatsschutzinformationssystem ISIS», das unter dieser Bezeichnung bis Ende 2009 vom Dienst für Analyse und Prävention (DAP) betrieben worden war. Anlässlich der Schaffung des NDB Anfang 2010 wurde das gleiche System mit der neuen Verordnung über die Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (ISV-NDB)107 zum «Informationssystem Innere Sicherheit» umbenannt.

4.3.2

Reduktion des ISIS-Datenbestands und der Pendenzen in der Qualitätssicherung

Die Zahl der in ISIS registrierten Personen, die der GPDel-Bericht für Ende 2009 noch bei rund 200 000 angesetzt hatte, wuchs bis im Herbst 2010 auf den Höchststand von 212 000 (120 000 Personen und 92 000 Drittpersonen) an. Dieser Anstieg ging vor allem auf das Konto der Fotopassdaten, die in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 ungebremst weiter erfasst wurden.

Mit einem automatisierten Löschprogramm senkte der NDB im Dezember 2010 den ISIS-Bestand auf 48 000 Personen und 35 000 Drittpersonen. Gelöscht wurden dabei auch alle Drittpersonen, die ausschliesslich aufgrund des Fotopassprogramms erfasst worden waren, wie es die GPDel in Empfehlung 2 ihres Berichts angeregt hatte (vgl.

Ziff. 4.3.4).

Bis Mitte 2011 führte eine verstärkte Qualitätskontrolle zu einer weiteren Senkung der Registrierungen auf 46 000 Personen und 17 000 Drittpersonen. Ende des dritten Quartals 2011 sank die Zahl der Drittpersonen auf knapp 14 000, während sich die Anzahl der Personen bei rund 45 000 stabilisierte. Die Zahl der Institutionen mit oder ohne direkter Staatsschutzrelevanz sank hingegen seit der Durchführung der automatischen Löschungen nur geringfügig auf rund 16 000.

In ihrem Bericht hatte die GPDel festgestellt, dass der DAP bereits vor der Einführung des neuen ISIS im Jahr 2005 grössere Rückstände bei den periodischen Gesamtbeurteilungen hatte, die erstmals fünf Jahre nach der Registrierung einer Person und danach alle drei Jahre bis zur Löschung vorgeschrieben sind. Wie die GPDel herausfand, waren diese Kontrollen wegen anhaltender Schwierigkeiten mit der Migration der Daten aus dem alten ISIS bis Ende 2008 ganz ausgesetzt worden.

107

Verordnung vom 4. Dez. 2009 über die Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (SR 121.2).

6844

Im Frühjahr 2010 waren nach Berechnungen des NDB rund 114 000 periodische Gesamtbeurteilungen ausstehend, und es war absehbar, dass die Pendenzen mit den bestehenden personellen Ressourcen nicht abgebaut werden könnten.

Ab Herbst 2010 konnte der NDB das Personal für die Qualitätssicherung sukzessive aufstocken. Dank den automatisierten Löschungen sank bis Ende 2010 die Zahl der unerledigten Kontrollen auf 48 000. Die personell verstärkte Qualitätssicherung reduzierte die Pendenzen bis Mitte 2011 weiter auf rund 36 000, respektive auf 25 000 ausstehende Überprüfungen per Ende Oktober 2011.

Der NDB plant, bis Ende 2012 alle heutigen Pendenzen abgebaut zu haben und auch die bis dahin zusätzlich fällig werdenden Gesamtbeurteilungen termingerecht durchzuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Qualitätssicherung des NDB monatlich rund 2 500 Gesamtbeurteilungen vornehmen. Dies entspricht den aktuellen personellen Kapazitäten und sollte somit machbar sein.

4.3.3

Tätigkeit des ISIS-Datenschutzbeauftragten

In ihrem ISIS-Bericht hatte die GPDel empfohlen, alle ISIS-Daten, die vor fünf Jahren oder früher erfasst worden waren und seither nicht der vorgeschriebenen Gesamtbeurteilung unterzogen wurden, bis zum Vollzug der Kontrolle für die weitere Verwendung zu sperren. Nach vollzogener Kontrolle sollte ein externer Datenschutzbeauftragter darüber entscheiden, ob die kontrollierten Daten zu löschen wären oder freigegeben werden könnten.

In seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 2010 zum Bericht der GPDel übernahm der Bundesrat die Forderung nach einem externen ISIS-Datenschutzbeauftragten.

Auch hielt der Bundesrat die provisorische Sperrung von nicht vorschriftsgemäss kontrollierten Daten für notwendig. Eine absolute Sperrung der Daten auf technischer Ebene hielt der Bundesrat jedoch angesichts des nicht verhältnismässigen Aufwands für nicht praktikabel.

Am 23. Dezember 2010 regelte der Direktor des NDB die Verwendungssperre in einer Weisung: Werden die mit der Sperre belegten Daten abgefragt, erscheint auf dem Bildschirm eine Meldung mit dem Hinweis, dass für die registrierte Person eine Gesamtbeurteilung ausstehend ist. Die betreffenden ISIS-Daten können auf dem Bildschirm eingesehen und auch ausgedruckt werden. Eine Verwendung dieser Informationen, beispielsweise in einem Analysebericht oder ihre externe Weiterleitung, verbietet die Weisung hingegen.

Anlässlich ihres Besuchs vom 6. April 2011 beim NDB erfuhr die GPDel ausserdem, dass eine allfällige Sperrung nur dann auf dem Bildschirm angezeigt wird, wenn die Abfrage auf eine ganz bestimmte Art und Weise erfolgt. Wird für den Suchbefehl eine der anderen Eingabemöglichkeiten benutzt, so kann das System die Sperrung nicht kenntlich machen.

Für den Fall, dass Mitarbeitende des NDB die ISIS-Daten zu einer gesperrten Person für ihre nachrichtendienstliche Arbeit benötigen, können sie die Freigabe dieser Information beantragen. Nach Prüfung des Antrags gelangt die Qualitätssicherung an den externen Datenschutzbeauftragten, der endgültig über die Freigabe oder Löschung des Eintrags der fraglichen Person in ISIS entscheidet.

6845

Für die Aufgabe des ISIS-Datenschutzbeauftragten konnte das VBS alt Ständerat Hansruedi Stadler gewinnen, der seine Aufgabe Anfang 2011 aufnahm. Im März 2011 konnte er anlässlich seiner Anhörung die GPDel darüber informieren, dass sich das Freigabeverfahren verlässlich eingespielt hatte. Laut dem ersten Halbjahresbericht des Beauftragten, den die GPDel am 9. November 2011 mit diesem besprach, wurde das Verfahren für knapp 200 Fälle in Anspruch genommen. In 20 Fällen verweigerte der Datenschutzbeauftragte die Freigabe und verfügte deren Löschung.

Im Übrigen hatte sich der ISIS-Beauftragte in seinem Vertrag mit dem VBS darauf geeinigt, dass der NDB ihn systematisch über den Pendenzenabbau bei den Gesamtbeurteilungen informiert. Seither beurteilt der Beauftragte regelmässig vor Ort den Stand der Gesamtüberprüfungen, die Prioritäten bei der Bereinigung, die Datenqualität und die Aussagekraft der Daten. Ein Mittel dazu ist die stichprobenweise Nachkontrolle der von der Qualitätssicherung vorgenommenen Gesamtbeurteilungen. Damit hilft der ISIS-Beauftragte zu gewährleisten, dass der NDB die ausstehenden Kontrollen nicht einfach pro forma, sondern mit ausreichenden Ressourcen und der notwendigen Sorgfalt nachholt.

4.3.4

Neuauflage des präventiven Fahndungsprogramms «Fotopass»

Das präventive Fahndungsprogramm Fotopasskontrolle war in der Zeit des «Kalten Krieges» als Mittel der Spionageabwehr eingeführt worden und diente u.a. der Überwachung von Schweizer Bürgern, die nach Osteuropa reisten. Nach der «Fichen-Affäre» wurde es auf Angehörige ausgewählter ausländischer Staaten eingeschränkt, die beim Übertritt an der Schweizer Grenze erfasst wurden.

Laut dem ISIS-Bericht der GPDel hatten diese Kontrollen allein den Eintrag von 52 000 Personen in ISIS zur Folge. Die betreffenden Personen wurden ohne jegliche Beurteilung, ob eine konkrete Gefährdung von ihnen ausgehen konnte, automatisch als Drittpersonen in ISIS registriert. Die GPDel äusserte deshalb Bedenken bezüglich der Rechtmässigkeit der Bearbeitung dieser Drittpersonen108 und empfahl dem VBS, alle Drittpersonen, die ausschliesslich aufgrund des präventiven Fahndungsprogramms Fotopasskontrolle in ISIS erfasst worden waren, zu löschen. Im Dezember 2010 wurden diese Daten mittels eines automatisierten Löschprogramms aus ISIS entfernt (vgl. Ziff. 4.3.2).

Aufgrund ihrer ISIS-Inspektion hatte die GPDel ausserdem festgestellt, dass die erfassten Grenzübertritte mit dem verfügbaren Personal nicht innert nützlicher Zeit verarbeitet werden konnten und die Inkraftsetzung des Schengen-Abkommens die Möglichkeiten reduziert hatte, Reisebewegungen an der Grenze systematisch zu erfassen. Angesichts der Tatsache, dass beispielsweise für die gesetzlich vorgeschriebenen ISIS-Qualitätskontrollen das notwendige Personal fehlte, stellte die Delegation in ihrem Bericht die Frage, ob ein ausreichend vorteilhaftes Verhältnis zwischen dem Aufwand für die Erhebung der Daten und ihrem Nutzen die für «Fotopass» eingesetzten Ressourcen rechtfertigen konnte.109 108

Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 (BBl 2010 7665 hier 7723).

109 Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 (BBl 2010 7665 hier 7726).

6846

In ihrem ISIS-Bericht empfahl die GPDel deshalb dem Bundesrat, das präventive Fahndungsprogramm Fotopasskontrolle einzustellen. Andernfalls sollte der Bundesrat die Weiterführung des Programms in einem Bericht begründen. In seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 2010 stimmte der Bundesrat der Einstellung von «Fotopass» in der bisherigen Form zu und stellte in Aussicht, dass der NDB das bestehende Instrumentarium (Gerätschaften an der Grenze) in einem Nachfolgeprojekt einsetzen werde. Die thematische Ausrichtung sollte überprüft und die Datenbearbeitung restriktiver gehandhabt werden. Dazu verfasste das VBS am 31. März 2011 zuhanden der GPDel einen Bericht.

Am 6. April 2011 liess sich die GPDel vom NDB über die Arbeiten am Nachfolgeprojekt informieren. Die Fotopassdaten sollen zukünftig in einer speziell dafür zu entwickelnden Datenbank abgelegt werden. In Zukunft wird der NDB die betroffenen Personen nach einem Grenzübertritt nicht mehr automatisch in ISIS erfassen, sondern nur dann, wenn sie bereits aus anderen Gründen dort registriert sind.

Zugang zur neuen Datenbank sollen nur die Mitarbeitenden der Fachgruppe «Fotopass» erhalten. Sie werden zuständig für die Beantwortung von Anfragen seitens anderer Mitarbeiter des NDB sein.

Die Neuauflage des Fahndungsprogramms «Fotopass» sollte zur Folge haben, dass in Zukunft weniger Personen in ISIS erfasst werden, die später wegen fehlender Staatsschutzrelevanz wieder gelöscht werden müssen. Dies wird auch den Kontrollaufwand für die ISIS-Qualitätssicherung reduzieren.

Die Daten in der neuen Datenbank sollen fünf Jahre nach ihrer Erfassung gelöscht werden. Damit wird die Löschung auf den Zeitpunkt erfolgen, in dem für ISISDaten die erste Gesamtbeurteilung vorgeschrieben ist (Art. 32 Abs. 1 ISV-NDB).

Mit fünf Jahren liegt die Aufbewahrungsdauer substanziell unter den 20 Jahren, die sonst für Daten aus präventiven Fahndungsprogrammen gelten (Art. 33 Abs. 1 Bst. b ISV-NDB).

Die Datenbank soll dem direkten Auskunftsrecht nach Artikel 8 und 9 des Datenschutzgesetzes (DSG)110 unterstellt werden und ist beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) anzumelden. Ausländische Personen werden somit erfahren können, ob sie bei ihrer Einreise in der Schweiz erfasst wurden. Solche Personen müssen allerdings sowieso davon ausgehen, dass
ihre Angaben und ihr Foto den Schweizer Behörden bekannt sind. Eine Visumspflicht besteht nämlich für nahezu alle Angehörigen der Staaten, die vom neuen Fotopassprogramm betroffen sind. Einzig Inhaber von Diplomatenpässen können für kurze Aufenthalte111 ohne Visum in die Schweiz einreisen. Diese Ausnahmeregelung gilt wiederum nur für knapp einen Drittel der Staaten, die aufgrund des Programms kontrolliert werden.

Der Zweck des bisherigen Fotopassprogramms war es, über alle in Artikel 2 Absatz 1 und 2 BWIS genannten Gefährdungen Informationen zu sammeln. Aufgrund der von der GPDel verlangten Überprüfung beschloss der NDB, das Programm künftig nur noch für einen Teil der BWIS-Aufgaben zu nutzen. Infolgedessen wurden acht Staaten von der Länderliste, anhand derer an der Grenze über die Erfassung eines Passes entschieden wird, gestrichen. Auf der Liste verbleiben 17 Staaten. Nach 110 111

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1).

Vgl. Webseite des BFM: www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/dokumentation/ rechtsgrundlagen/weisungen_und_kreisschreiben/visa/liste1_staatsangehoerigkeit.html.

6847

dem geltenden Recht liegt es in der Kompetenz des NDB, die Liste weiter einzuschränken oder wieder zu erweitern. Dem Vorsteher des VBS ist jährlich Bericht zu erstatten, ob die Weiterführung eines Fahndungsprogramms angemessen ist (Art. 24 Abs. 5 V-NDB).

In seiner letztjährigen Berichterstattung an den Vorsteher des VBS geht der NDB davon aus, dass der Aufwand für die Bewirtschaftung der Daten des Programms nicht abnehmen, sondern wachsen wird. Unter diesen Umständen würde es dem NDB auch mit der Neuauflage des Programms nicht gelingen, die Daten des Grenzübertritts innert nützlicher Frist zu bearbeiten und für Staatsschutzaufgaben zur Verfügung zu stellen.

Eine Analyse der Zahlen für die erfassten Grenzübertritte in den Jahren 2009 und 2010 zeigt, dass davon nur 11, respektive 23 Prozent auf Personen aus Staaten fielen, die nun von den Kontrollen ausgenommen werden. Entscheidende Auswirkungen auf den Aufwand, den der NDB für das Programm leisten muss, dürfte die vorgenommene Reduktion der zu kontrollierenden Staaten deshalb nicht haben.

Gleichzeitig lässt die bisherige Entwicklung ein stetig wachsendes Reiseaufkommen für die Zukunft erwarten. So war zwischen 2000 und 2010 ausgehend von 30 000 im Jahr 2000 bis zum vorläufigen Höhepunkt von knapp 100 000 im Jahr 2009 ein eindeutiger Wachstumstrend bei den erfassten Grenzübertritten festzustellen.

Die Neuauflage des Programms reduziert den Aufwand für die Bearbeitung einer an der Grenze erfassten Person nicht grundsätzlich. Anstatt in ISIS werden die Daten in die neue Datenbank eingegeben. Zudem wird der Aufwand für den weiterhin notwendigen Abgleich mit ISIS nicht dadurch beeinflusst, dass die Fotopassdaten danach nur noch für einen Teil der BWIS-Aufgaben genutzt werden sollen. Eignet sich die Fotopasskontrolle nur für einen Teil der BWIS-Aufgaben, verschlechtert sich jedoch das Verhältnis zwischen dem zu tätigenden Aufwand und dem potenziellen Ertrag für die Sicherheit der Schweiz.

Wie von der GPDel verlangt, äusserte sich der Bericht des VBS vom 31. März 2011 auch zur Kompatibilität der Neuauflage des Fotopassprogramms mit den Abkommen von Schengen und Dublin. In Bezug auf die Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der beiden Abkommen wurden keine möglichen Konflikte erkannt. Wie bereits der ISIS-Bericht der GPDel kam auch das VBS zum Schluss,
dass das Programm aufgrund fehlender Passkontrollen beim Grenzübertritt von oder nach Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens keine Wirkung mehr entfalten kann.

Das bisherige Fotopassprogramm lieferte dem Schweizer Nachrichtendienst systematische Informationen über die Reisedokumente von Personen, welche die Schweizer Grenze passierten. Dies bezweckt auch die Neuauflage des Programms.

Seit 11. Oktober 2011 erhalten nun verschiedene Schweizer Behörden Zugriff auf die Daten aller Personen, die ein Gesuch für ein Schengen-Visa gestellt haben, inklusive ihres Passbilds. An diesem Tag trat nämlich die neue Verordnung über das zentrale Visa-Informationssystem (VISV)112 in Kraft.

Nach Artikel 17 VISV können bestimmte Abteilungen und Bereiche des NDB auf begründete Anfrage hin über das EJPD Daten aus dem Schengener Visa-Informationssystem erhalten. Da sich das Fotopassprogramm nur gegen Angehörige von Staaten richtet, die für die Einreise in die Schweiz ein Schengen-Visum benötigen, kann der NDB somit auch Daten über solche Personen, inklusive deren Passbilder, 112

Verordnung vom 6. Juni 2011 über das zentrale Visa-Informationssystem (SR 142.512).

6848

dank diesem System erhalten. Allerdings geht aus den Daten des Visa-Informationssystems nicht hervor, ob eine Person in den sechs Monaten, während derer das Visum gültig ist, effektiv in die Schweiz einreiste.

4.3.5

Auskunftserteilung an A. L.

In ihrem ISIS-Bericht hatte die GPDel verschiedene Probleme beschrieben, die bei der Bearbeitung von Daten über A. L. und bei der Behandlung ihres Auskunftsgesuchs aufgetaucht waren.113 Die Behandlung des Auskunftsgesuchs hatte ergeben, dass die Informationen zu A. L. keine Staatsschutzrelevanz hatten. Sie wurden deshalb nach Artikel 18 Absatz 5 BWIS gelöscht. Weil damit auch alle Geheimhaltungsinteressen entfielen, die einer Auskunft an A. L. entgegenstanden, berechtigte Artikel 18 Absatz 6 BWIS A. L. zu einer Auskunft nach Massgabe des DSG.

Nach Artikel 8 DSG erhält jede Person Auskunft über die in der Datensammlung vorhandenen Daten einschliesslich der verfügbaren Angaben über die Herkunft der Daten. Eine Einschränkung des Auskunftsrechts ist nach Artikel 9 DSG jedoch möglich, wenn es insbesondere im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit notwendig ist oder überwiegende Interessen Dritter dies erfordern.

In ihrem Bericht hatte die GPDel festgestellt, dass A. L. nur in geraffter Form über den Inhalt ihrer ISIS-Daten informiert worden war. Nach dem Gesetz hätte sie jedoch eine Kopie der sie betreffenden Daten und Meldungen erhalten sollen (vgl.

Art. 8 Abs. 5 DSG), wobei Artikel 9 DSG allenfalls erlaubt hätte, einzelne Passagen unkenntlich zu machen. Da die Auskunft nicht vollständig erteilt worden war, empfahl die GPDel A. L. am 25. Juni 2010, gestützt auf Artikel 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG)114 in Verbindung mit Artikel 25 DSG, vom NDB eine beschwerdefähige Verfügung zu verlangen.

In der Folge stellte A. L. beim NDB ein weiteres Einsichtsgesuch, das der Direktor des NDB am 21. Oktober 2010 in einer Verfügung ablehnte. Laut dem NDB war eine nachträgliche Benachrichtigung gemäss Artikel 18 Absatz 6 BWIS nicht mehr möglich, da die fraglichen Daten bereits gelöscht worden seien. Folglich erweise sich das Gesuch als gegenstandslos. A. L. gelangte daraufhin mit einer Beschwerde ans BVGer.

Das BVGer stellte am 14. Juni 2011 fest, dass der NDB den Eintrag von A. L. zwar in ISIS gelöscht, zuvor aber eine Kopie ihrer Daten für das Bundesarchiv (BAR) erstellt hatte. Technische Gründe hätten gemäss NDB seither eine Ablieferung ans BAR jedoch verhindert.

Unabhängig davon, ob die Daten von A. L. bereits dem BAR übermittelt wurden oder ob sie nach wie vor, d. h. bis zur definitiven
Ablieferung ans BAR, beim NDB auf einer Sicherungsdatei gespeichert waren, wäre laut BVGer der NDB «entweder als Inhaber der Datensammlung oder als abliefernde Stelle ans Bundesarchiv gehalten gewesen, auf die zwar im ISIS gelöschten Daten von A. L. Zugriff zu nehmen, indem er abgeklärt hätte, wo sich diese zur Zeit befanden auf einer Sicherungs113

Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010, Ziff. 2.9.6 (BBl 2010 7665 hier 7692).

114 Bundesgesetz vom 20. Dez. 1968 über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021).

6849

kopie beim NDB selber oder bereits beim Bundesarchiv»115. Auch während der Schutzfrist könne nämlich die abliefernde Stelle, so das BVGer, in die von ihr abgelieferten Personendaten im BAR Einsicht nehmen, wenn sie diese für einen Entscheid über die Gewährung des Auskunftsrechts der betroffenen Person benötige (Art. 14 Abs. 2 Bst. d Archivierungsgesetz)116.

Laut BVGer hätte der NDB nach Durchsicht der Daten entscheiden müssen, ob A. L. darin vollständig oder nur eingeschränkt Einsicht erhalte. Dies sei vom NDB nachzuholen. Somit hob das BVGer die angefochtene Verfügung vom 21. Oktober 2010 auf und wies die Angelegenheit an den NDB zurück. Der NDB musste zudem A. L. eine Parteientschädigung entrichten.

Das technische Verfahren der Löschung und Archivierung von ISIS-Daten war bereits im ISIS-Bericht der GPDel beschrieben worden. So sollten die gelöschten Daten mittels eines Informatikmoduls von ISIS elektronisch ins BAR überführt werden. Die Realisierung des Programms hatte sich aber seit der Inbetriebnahme von ISIS im Jahr 2005 immer wieder verzögert. Laut dem Bericht der GPDel sammelten sich derweilen die gelöschten Daten in einem elektronischen «Papierkorb» an, wobei «der DAP jedoch die entsprechenden [Zugriffs-] Berechtigungen weiterhin verwalten würde»117. Wie aus dem Inspektionsbericht der nachrichtendienstlichen Aufsicht des VBS (ND-Aufsicht) hervorging, den die GPDel für ihre Untersuchung beigezogen hatte, konnten aufgrund der vom DAP (und später vom NDB) verwalteten Rechte «die elektronisch gelöschten Daten im Papierkorb vollumfänglich wieder hergestellt werden»118.

Nach dem Entscheid des BVGer liess der NDB die A. L. betreffenden Unterlagen in ISIS wieder herstellen und stellte ihr diese in Form von Kopien am 19. August 2011 zu. Je ein Satz dieser Unterlagen ging zudem an den EDÖB und die GPDel.

In der begleitenden Verfügung teilte der NDB A. L. mit, die Auskunft sei in dem Sinne eingeschränkt worden, als dass Personalien von Mitarbeitenden des NDB, des kantonalen Staatsschutzes sowie von Dritten anonymisiert worden seien. Weiter habe der NDB operative und taktische Informationen, welche die innere und äussere Sicherheit der Schweiz betreffen, eingeschwärzt.

Als die GPDel die Unterlagen mit der ursprünglichen «Fiche» von A. L. verglich, bemerkte sie, dass verschiedene Aussagen
eingeschwärzt worden waren, die Personen und Organisationen aus dem Umfeld von A. L. betrafen. Es wurde aber nicht ersichtlich, welches überwiegende Interesse diese Drittpersonen daran haben sollten, dass der NDB diese Informationen vor A. L. geheim halten müsste. So war auch die Aussage des baselstädtischen Staatsschutzes vom 23. Juni 1998 eingeschwärzt worden, wonach A. L. mit ihrem Gatten eine äusserst lockere Ehe führe. Diese behördliche Einschätzung war bereits im ISIS-Bericht der GPDel mit dem Einverständnis von A. L. publik gemacht worden.119 Auch war der von der GPDel kriti-

115 116 117

Urteil A-8457/2010 des BVGer vom 14. Juni 2011, E. 3.4.2.

Bundesgesetz über die Archivierung vom 26. Juni 1998 (SR 152.1).

Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 (BBl 2010 7665 hier 7700).

118 Inspektionsbericht der ND-Aufsicht des VBS über die Prüfung der Rechtmässigkeit der Datenbearbeitung im System ISIS-NT «Staatsschutz» des DAP vom 22. Febr. 2010, S. 25.

119 Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 (BBl 2010 7665 hier 7693).

6850

sierte Eintrag in den Stammdaten von A. L., sie gehöre dem Schwarzen Block an, eingeschwärzt worden.

Als die GPDel am 26. August 2011 mit dem Vorsteher des VBS eine Aussprache führte, thematisierte sie mit ihm und dem Direktor des NDB die Auskunftserteilung an A. L., die seitens der GPDel als ungenügend bezeichnet wurde. Am 1. September 2011 erhielt A. L. vom NDB eine korrigierte Auskunft, welche nun den rechtlichen Vorgaben entsprach.

In ihrem ISIS-Bericht hatte die GPDel empfohlen, das indirekte Einsichtsrecht von Artikel 18 BWIS durch ein aufgeschobenes Auskunftsrecht nach den Modalitäten von Artikel 8 des Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme (BPI)120 zu ersetzen. In der BWIS-II-Zusatzbotschaft vom 27. Oktober 2010 schlug der Bundesrat eine für die Gesuchsteller noch weitergehende Regelung vor, nämlich das Auskunftsrecht nach Artikel 8 und 9 DSG.

Nachdem der Ständerat in der Sommersession 2011 dem Bundesrat gefolgt war, wollte der Nationalrat in der Herbstsession an der bisherigen Form des Auskunftsrechts festhalten. Als der Ständerat als Kompromiss ein Auskunftsrecht nach Artikel 8 BPI vorschlug, entschied sich in der Wintersession auch der Nationalrat auf Antrag seiner Rechtskommission für diese Lösung. Damit wurde die Empfehlung der GPDel vollumfänglich umgesetzt.

4.3.6

Staatsschutz in den Kantonen

Am 25. August 2011 besuchte die GPDel den Staatsschutz des Kantons BaselLandschaft. Der Besuch diente der Nachkontrolle zur ISIS-Inspektion der GPDel, anlässlich welcher die Delegation im Jahr 2009 bereits die Staatsschutzorgane der Kantone Basel-Stadt, Genf und Bern besucht hatte. Der Besuch vom 25. August 2011 erfolgte in Anwesenheit des zuständigen Regierungsrats und der kantonalen Datenschutzbeauftragten.

Die kantonale Staatsschutzorganisation gehört zur Kantonspolizei und ist dem Leiter der Hauptabteilung Kriminalitätsbekämpfung direkt unterstellt. Der Kommandant der Kantonspolizei kontrolliert und visiert alle Meldungen, die der kantonale Staatsschutz an den NDB schickt. Eine Subkommission der GPK des basellandschaftlichen Landrates erhält jedes Jahr allgemeine Auskünfte zur Anzahl und Art der Abklärungen.

Der kantonale Staatsschutz betreibt eine eigene elektronische Datenablage. Die notwendige Betriebsordnung wurde im Mai 2011 vom VBS genehmigt (vgl. Art. 16 Abs. 2 BWIS). Die Betriebsordnung regelt die Aufbewahrungsdauer (5 Jahre) und das Verfahren für die Löschung der Daten. Auf kantonale Berichte, welche der NDB ins ISIS übernommen hat, kann dort jedoch noch bis zu 15 Jahre lang zugegriffen werden. Auf ISIS haben alle Mitarbeitenden des Staatsschutzes des Kantons BaselLandschaft Zugriff.

Während im Jahr 2010 beim Staatsschutz des Kantons Basel-Landschaft 37 Aufträge des NDB eingingen, waren es in den ersten acht Monaten des Jahres 2011 nur noch deren 14. Dies wurde damit erklärt, dass die Folgen der Zusammenlegung des 120

Bundesgesetz vom 13. Juni 2008 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (SR 361).

6851

DAP und des Strategischen Nachrichtendienstes (SND) immer noch Kapazitäten des NDB in Anspruch nehmen würden.

Die GPDel erfuhr auch, dass der NDB ihren ISIS-Bericht zum Anlass genommen hatte, die Auftragserteilung an die kantonalen Staatsschutzstellen zu verbessern. So verfasste der NDB bereits im August 2010 eine Liste von Kriterien, anhand derer die kantonalen Staatsschützer entscheiden konnten, ob eine Meldung im Sinne des BWIS als staatsschutzrelevant an den Bund weitergeleitet werden soll. Im Kanton Basel-Landschaft besteht der Eindruck, dass der NDB die zugestellten Meldungen jeweils unter die Lupe nimmt und im Bedarfsfall eine Rückmeldung erfolgt.

Eine Vereinheitlichung der Berichtsformulare und der Abläufe erlaubt den Kantonen eine bessere Geschäftskontrolle. Aus Sicht des Staatsschutzes des Kantons BaselLandschaft würde es einer lückenlosen Geschäftskontrolle dienen, wenn jeweils Klarheit darüber bestehen würde, ob der NDB bei Rundschreiben, die an alle Kantone gerichtet sind, auch eine Rückmeldung erwartet oder nicht. Dieses Anliegen brachte die GPDel dem NDB zur Kenntnis.

Ihren Besuch im Kanton Basel-Landschaft nutzte die GPDel auch für ein Treffen mit dem Präsidenten und einer Abordnung der GPK des Landrats des Kantons Basel-Landschaft. Der Meinungsaustausch betraf verschiedene Fragen zur Aufsicht über die Staatsschutztätigkeit in den Kantonen. Am 25. August 2011 publizierte überdies die Oberaufsichtskommission (OAK) des Grossen Rates des Kantons Bern ein umfangreiches Gutachten von Prof. Markus Müller zur kantonalen Aufsicht über die Staatsschutztätigkeit.121 Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des BWIS im Einklang mit der BV stehen. Die Ausführungsverordnung des Bundesrats schränkt nach Prof. Müller jedoch die Dateneinsichtsrechte der kantonalen Aufsichtsbehörden stärker ein, als es nach dem BWIS zulässig ist. Konkret geht es um die Auflage an die kantonale Aufsicht, dass der NDB die Einsicht in Daten, die der Kanton im Auftrag des Bundes bearbeitet, genehmigen muss (Art. 35a V-NDB).

Laut dem Gutachten fehlt überdies eine gesetzliche Grundlage für die Vorschrift, wonach den Bundesbehörden Aufsichtsrechte über die kantonalen Vollzugsstellen eingeräumt werden (Art. 33 V-NDB). Konkret ist damit die VBS-interne Nachrichtendienstliche Aufsicht gemeint, welche für die Verwaltungskontrolle nach Artikel 8 ZNDG zuständig ist.

4.4

Rechtmässigkeit des Pilotversuchs mit dem Informationssystem Äussere Sicherheit

Seit dem Jahr 2009 verfolgt die GPDel im Sinne einer begleitenden Oberaufsicht, ob das Ausführungsrecht für den neuen zivilen Nachrichtendienst, der aufgrund einer parlamentarischen Initiative der GPDel (Pa.Iv. 07.404) geschaffen wurde, gesetzeskonform ausgestaltet wird. Die Aufmerksamkeit der GPDel gilt vor allem der Regelung der Datenbearbeitung im NDB, wobei bereits im Jahr 2010 die neue Datenbank ISAS (Informationssystem Äussere Sicherheit) ein Schwerpunkt der Oberaufsicht bildete.

121

Kantonale Aufsicht über die Staatsschutztätigkeit, Markus Müller und Christoph Jenni, Universität Bern, 28. März 2011.

6852

Seit dem 21. Juni 2010 betreibt der NDB das System ISAS nach Artikel 17 Absatz 1 ISV-NDB gestützt auf eine Sonderbestimmung des DSG als befristeten Pilotversuch (Art. 17a DSG). Ein Pilotversuch darf allein dazu durchgeführt werden, um Erfahrungen für die Erarbeitung der notwendigen gesetzlichen Bestimmungen für ein neues Informationssystem zu sammeln. Weil die gesetzlichen Grundlagen für die Datenbearbeitung noch fehlen, müssen Persönlichkeitsverletzungen während eines Pilotversuchs auf das notwendige Minimum beschränkt werden. Den entsprechenden Auflagen muss der EDÖB vorgängig zustimmen.

Seit dem Entscheid des NDB, ISAS als Pilotversuch zu betreiben, sah sich die GPDel wiederholt veranlasst, das VBS an diese Auflagen zu erinnern. So wies die GPDel am 29. Juni 2010 darauf hin, dass für den ISAS-Pilotversuch mehr Daten bearbeitet würden, als für den gesetzlich erlaubten Zweck, nämlich Erfahrungen für die Erarbeitung der notwendigen gesetzlichen Bestimmungen zu sammeln, notwendig sei.

Weiter machte die GPDel am 25. Oktober 2010 den Vorsteher des VBS darauf aufmerksam, dass die am 27. September 2010 erlassene Verordnung des VBS zu den Datenfeldern von ISIS und ISAS122 entgegen ihren eigenen Bestimmungen die Datenfelder von ISAS nicht regelte. Vielmehr stellte die GPDel nach weiteren Abklärungen fest, dass nicht nur jegliche Vorgaben des Departements für die im Pilotversuch verwendbaren Datenfelder fehlten, sondern dass die Mitarbeitenden des NDB nach Bedarf uneingeschränkt neue Datenfelder im System definieren konnten.

In ihrem Jahresbericht 2010 wies die GPDel deshalb ausführlich auf die rechtlichen Probleme mit dem Pilotversuch ISAS hin.123 Am 17. Februar 2011 erhielt der EDÖB vom NDB einen ersten Bericht über den Pilotversuch ISAS. Dieses Papier diente als Zwischenbericht für den Evaluationsbericht, den der NDB nach Artikel 17a Absatz 4 DSG spätestens zwei Jahre nach Inbetriebnahme des Pilotsystems, d.h. im Juni 2012, dem Bundesrat vorlegen muss.

Anlässlich der jährlichen Aussprache mit dem EDÖB am 22. Februar 2011 informierte dieser die GPDel über seine vorläufigen Schlussfolgerungen zum Pilotversuch ISAS. Aufgrund des Zwischenberichts und einem Augenschein vor Ort hatte der EDÖB festgestellt, dass der Pilotversuch mit ISAS diversen Auflagen nicht entsprach. Bei den Datenfeldern habe das VBS
die notwendige Definition immer noch nicht vorgenommen. Vielmehr würden die Mitarbeiter des NDB diese Datenfelder erst nach und nach im System selber festlegen. Weiter war dem EDÖB aufgefallen, dass ISAS technisch als eine einzige Datenbank aufgebaut war, während laut Artikel 18 ISV-NDB das System ISAS aus neun verschiedenen Datenbanken bestehen sollte.

Wie der EDÖB gegenüber der GPDel erklärte, sind es gerade die präzisen Auflagen und ihre uneingeschränkte Einhaltung, welche die Voraussetzungen bilden, damit eine Datenbank als Pilotversuch nach Artikel 17a DSG betrieben werden darf.

Zunächst müsse eine Übungsanlage definiert und danach geschaut werden, ob diese funktioniere oder nicht. Daraus könne sich die Notwendigkeit von gesetzlichen Ergänzungen oder Anpassungen ergeben. Ein Pilotversuch könne aber nicht offen gestaltet werden. Im Rahmen eines Pilotversuchs könne der NDB somit nicht allerlei 122

Verordnung des VBS über die Datenfelder und die Abfrageberechtigungen in den Informationssystemen ISAS und ISIS vom 27. Sept. 2010 (SR 121.22).

123 Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011, Ziff. 3.8.7 (BBl 2011 4047 hier 4128).

6853

zweckmässig Erscheinendes ausprobieren, sondern müsse sich an die vorgegebene Versuchsanordnung halten. Diese müsse wegen den fehlenden formellgesetzlichen Grundlagen zwangsmässig restriktiver ausfallen als der spätere Betrieb nach Vorliegen der endgültigen Rechtsgrundlagen.

In seiner Stellungnahme vom 21. März 2011 forderte der EDÖB den NDB auf, eine vollständige Liste der Datenfelder von ISAS zu erarbeiten und diese Liste im Anhang der Verordnung des VBS über die Datenfelder ISAS und ISIS festzuhalten.

Da ISAS technisch als eine einzige Datenbank und nicht, wie in der Verordnung vorgeschrieben, aus neun verschiedenen Datenbanken bestand, verlangte der EDÖB, dass die technische Konzeption des ISAS-Pilotversuchs anzupassen sei, um der technischen Auslegung der Verordnung zu entsprechen. Ansonsten seien Artikel 18 und andere Bestimmungen der ISV-NDB, die von mehreren Datenbanken im System ISAS sprechen, zu revidieren.

Die GPDel teilte dem Vorsteher des VBS am 12. Mai 2011 schriftlich mit, der NDB müsse den Forderungen des EDÖB vom 21. März 2011 nachkommen, falls das Departement Wert darauf lege, den Pilotversuch ISAS rechtlich einwandfrei durchzuführen. Nach weiteren Briefwechseln und einem Besuch des EDÖB beim NDB einigten sich beide Seiten darauf, dass der NDB sowohl die ISV-NDB als auch die Verordnung des VBS über die Datenfelder von ISIS und ISAS revidieren würde, um sie an die Praxis des laufenden Pilotversuchs anzupassen. Diese revidierten Vorgaben für den Pilotversuch sollten Ende 2011 in Kraft treten.

Anlässlich einer Aussprache mit der GPDel am 26. August 2011 bestätigte der Direktor des NDB in Anwesenheit des Vorstehers des VBS, dass die Empfehlungen des EDÖB wie mit diesem vereinbart umgesetzt würden.

Zur notwendigen Anpassung der ISV-NDB und der VBS-Verordnung führte der NDB vorgängig am 19. Oktober 2011 eine Ämterkonsultation durch. Die Revisionsvorschläge des NDB, die auch zur Kenntnis an die GPDel gegangen waren, widersprachen jedoch in einem wesentlichen Punkt den Auflagen des EDÖB.

So sollte nicht mehr das VBS, sondern der NDB selber die Datenfelder für ISIS und ISAS festlegen können. Eine solche Rechtsetzungskompetenz darf der Bundesrat laut Artikel 48 Absatz 2 RVOG124 jedoch nur dann einem Amt unter Übergehung des vorgesetzten Departements übertragen, wenn ein Gesetz dies
explizit vorsieht.

Während das ZNDG keine solche Rechtsetzungsdelegation vorsieht, verlangt das BWIS sogar explizit, dass der Bundesrat selber die verschiedenen Datenkategorien bezeichnet (Art. 15 Abs. 5 BWIS). Damit stellt das Gesetz sicher, dass der Bundesrat sich selber und den Vorsteher des VBS nicht aus der Verantwortung für die Regelung der Daten, die der NDB bearbeiten darf, entlassen kann.

Anlässlich einer Aussprache am 9. November 2011 erklärte der Präsident der GPDel dem Direktor des NDB, dass sich die GPDel als Organ der Legislative nicht formell im Rahmen einer Ämterkonsultation der Verwaltung zu äussern gedenke.

Aus Sicht der GPDel würde der Vorschlag des NDB allerdings nicht den Vorgaben des DSG für Pilotversuche entsprechen. Dem NDB wurde ausserdem empfohlen, seine gewünschte Kompetenz, die Datenfelder von ISAS und ISIS selber bestimmen zu können, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen zu lassen. Wie die GPDel später

124

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010).

6854

erfuhr, hatten das Bundesamt für Justiz (BJ) und der EDÖB diese Delegationsnorm im Rahmen der Ämterkonsultation kritisiert.

In der Folge verzichtete der NDB auf eine Revision der bisherigen Bestimmungen der ISV-NDB bezüglich der Datenfelder von ISAS und ISIS, die weiterhin auf Stufe VBS zu regeln sind. Mit der Revision der ISV-NDB vom 9. Dezember 2011 passte der Bundesrat aber die Bestimmungen von Artikel 18 ISV-NDB so an, dass sie der effektiven Struktur des Pilotsystems ISAS entsprechen. Gleichzeitig erliess der Vorsteher des VBS einen neuen Anhang zur Departementsverordnung vom 27. September 2010, in welchem nun alle Arten von Datenobjekten in ISAS mit ihren möglichen Attributen aufgelistet werden. Der Anhang wird nicht in den Rechtssammlungen des Bundes publiziert, kann aber vom VBS bezogen werden.

4.5

Gesetzliche Grundlagen für die Funkaufklärung

Bereits in ihrem Bericht vom 10. November 2003 über das System zur Aufklärung von Satellitenkommunikationsverbindungen ONYX125 empfahl die GPDel dem Bundesrat, die Funkaufklärung explizit auf Gesetzesstufe zu verankern. Aus den geforderten gesetzlichen Bestimmungen sollte für den Bürger auch ersichtlich sein, welche Kommunikationen unter welchen Bedingungen aufgeklärt werden dürfen.126 In ihrem Nachfolgebericht zu ONYX vom 9. November 2007 begrüsste die GPDel die Bestimmungen zur Funkaufklärung, die der Bundesrat in seiner Botschaft zur BWIS-II-Revision vom 15. Juni 2007 vorgeschlagen hatte.127 Diese BWIS-II-Vorlage wurde jedoch von den eidgenössischen Räten in der Sommersession 2009 an den Bundesrat zurückgewiesen.

Daraufhin beschloss der Bundesrat, das ursprüngliche Revisionsvorhaben auf die inhaltlich unbestrittenen Punkte zu reduzieren. Zum Regelungsgegenstand der neuen BWIS-II-Zusatzbotschaft sollte laut Beschluss des Bundesrats vom 24. November 2009 auch die Funkaufklärung gehören. Mit Überraschung stellte die GPDel aber bei der Publikation der Zusatzbotschaft am 27. Oktober 2010 fest, dass die Funkaufklärung nicht mehr Teil des Revisionspakets war.

Gemäss Artikel 36 Absatz 1 BV müssen schwerwiegende Einschränkungen der Grundrechte im Gesetz selbst vorgesehen sein, und gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Für die GPDel wurde es deshalb zunehmend problematisch, ein kostenintensives Funkaufklärungssystem wie ONYX, das zwangsläufig substanzielle Eingriffe in die nach Artikel 13 BV geschützte Privatsphäre nach sich zieht, ohne ausreichende gesetzliche Grundlage zu betreiben. Auch konnte die Erarbeitung von gesetzlichen Grundlagen nicht weiter auf unbestimmte Zeit verschoben werden, weil laut Zusatzbotschaft Erfahrungswerte fehlten und die aufzuklärenden Kommunikati-

125

Satellitenaufklärungssystem des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Projekt Onyx), Bericht der GPDel vom 10. Nov. 2003 (BBl 2004 1499).

126 Satellitenaufklärungssystem des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Projekt Onyx), Bericht der GPDel vom 10. Nov. 2003 (BBl 2004 1499 hier 1523).

127 Rechtmässigkeit und Wirksamkeit des Funkaufklärungssystems Onyx, Bericht der GPDel vom 9. Nov. 2007 (BBl 2008 2545 hier 2558).

6855

onswege sich heute im ständigen Fluss befinden würden.128 Diese Argumentation stellte nicht nur das Legalitätsprinzip auf den Kopf, sondern wurde auch vorgebracht, nachdem ONYX bereits zehn Jahren ohne ausreichende gesetzliche Grundlagen im Dauerbetrieb gestanden hatte.

Die GPDel beschloss deshalb, der vorberatenden Rechtskommission des Ständerats (RK-S) in einem Mitbericht einen Entwurf für eine mögliche gesetzliche Regelung für die Funkaufklärung vorzulegen. Für die Erarbeitung der notwendigen Bestimmungen konnte sie Prof. Giovanni Biaggini von der Universität Zürich gewinnen. Er hatte bereits im Jahr 2009 das verfassungsrechtliche Gutachten129 zur BWIS-IIVorlage erstellt, welches das VBS auf Wunsch der Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) eingeholt hatte.

Der GPDel-Vorschlag zur Regelung der Funkaufklärung orientierte sich an den Entwürfen des Bundesrats aus der BWIS-II-Vorlage130 vom 15. Juni 2007 und aus seiner Stellungnahme131 zum ZNDG vom 23. April 2008. Die ursprünglichen Vorschläge des Bundesrats wurden ergänzt, um insbesondere der verfassungsrechtlichen Kritik aus dem Gutachten von Prof. Biaggini vom Juni 2009 Rechnung zu tragen.

Der Vorschlag der GPDel enthielt einen Artikel für die Funkaufklärung und einen Artikel für ihre Kontrolle, die beide ins ZNDG aufgenommen werden sollten. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Funkaufklärung im Auftrag des zivilen Nachrichtendienstes wurden für das ZNDG so verfasst, dass mit einer Verweisung auf diese Bestimmungen in Artikel 99 MG die Funkaufklärung durch den militärischen Nachrichtendienst ebenfalls geregelt werden konnte.

Die Regelung der Funkaufklärung (Art. 4a ZNDG) erfolgte im Unterschied zu den bisherigen Entwürfen des Bundesrats weniger aus der Perspektive des Nachrichtendienstes als Auftraggeber für die Funkaufklärung, denn aus Sicht des Dienstes, der die dafür notwendigen technischen Mittel betreibt. Heute ist dies die Aufgabe des Zentrums für Elektronische Operationen (ZEO) der Armee. Gesetzestechnisch erleichterte dieser Ansatz die Regelung der für den Grundrechtsschutz wichtigen Aspekte der Triage und der Weiterleitung der Informationen, die aus den erfassten elektromagnetischen Ausstrahlungen ausländischer Telekommunikationssysteme gewonnen werden.

Die Trennung zwischen dem Dienst, der die Funkaufklärung betreibt, vom
Auftrag gebenden Nachrichtendienst erlaubte es, eine vorschriftsgemässe Triage der Informationen vor ihrer Weiterleitung an den Auftraggeber organisatorisch abzusichern.

Diese organisatorische Trennung sollte auch die Kontrollmöglichkeiten der Kontrollinstanz (Art. 4b ZNDG) verbessern, indem sie auf Gesetzesstufe vordefinierte Schnittstellen im Informationsfluss schaffte.

128

Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS II reduziert) vom 27. Okt. 2010 (BBl 2010 7841 hier 7860).

129 Gutachten von Prof. Giovanni Biaggini vom Juni 2009 «Verfassungsrechtliche Abklärung betreffend die Teilrevision des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit» VPB 2009.14 (S. 238­330).

130 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) (Besondere Mittel der Informationsbeschaffung) vom 15. Juni 2007 (BBl 2007 5037).

131 Pa.Iv. Übertragung der Aufgaben der zivilen Nachrichtendienste an ein Departement, Stellungnahme des Bundesrats vom 23. April 2008 (BBl 2008 4035 hier 4042).

6856

Mit dem Artikel über eine unabhängige Kontrollinstanz sorgt das Gesetz für die notwendige rechtsstaatlich-demokratische Kontrolle. Ihre Ausgestaltung entspricht im Wesentlichen der verwaltungsinternen, unabhängigen Kontrolle, wie sie heute durch die UKI (vgl. Art. 15­18 VEKF) vorgenommen wird.

Nachdem die RK-S die beiden Artikel zur Funkaufklärung und ihrer Kontrolle mit kleinen redaktionellen Änderungen angenommen hatte, stimmte der Ständerat am 31. Mai 2011 dem Antrag der RK-S zu. Als Berichterstatter der RK-S machte der Präsident der GPDel während der Debatte verschiedene erläuternde Ausführungen.132 Am 14. September 2011 übernahm der Nationalrat diskussionslos eine geringfügige redaktionelle Änderung seiner vorberatenden Kommission und stimmte sonst dem Text des Ständerates zu. Diese Änderung akzeptierte wiederum der Ständerat am 20. September 2011. Wegen anhaltenden Differenzen bezüglich der Revision des Auskunftsrechts in Artikel 18 BWIS konnte die BWIS-II-Vorlage in ihrer Gesamtheit erst in der Wintersession 2011 verabschiedet werden.

4.6

Vorgehen des Diensts für Analyse und Prävention im Fall des sogenannten «Rütli-Bombers»

4.6.1

Vorgeschichte

Am 1. August 2007 explodierte am Schluss der Feier auf dem Rütli ein Sprengsatz.

Die BA eröffnete deshalb am 8. August 2007 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verstoss gegen Artikel 224 Absatz 1 StGB133 (Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht).

Am 7. September 2007 wandte sich eine Person an die Kantonspolizei des Kantons Aargau (Kantonspolizei AG) mit Hinweisen zur Identität des möglichen Verursachers der Explosion auf dem Rütli. Auf ausdrücklichen Wunsch dieser (freiwilligen) Auskunftsperson erwähnte der diensthabende Polizeikorporal des Fahndungsdienstes ihren Namen im Einvernahmeprotokoll nicht.

In der Folge kontaktierte die Kantonspolizei AG den DAP. Bei diesem war die beschuldigte Person aufgrund eines früheren Einbürgerungsgesuchs, das abgelehnt worden war, bekannt. Am 8. September 2007 wurde die Auskunftsperson ein zweites Mal in Anwesenheit eines Vertreters des DAP bei der Kantonspolizei AG befragt. Beide Stellen einigten sich darauf, das Einvernahmeprotokoll und eine zur zweiten Befragung erstellte Aktennotiz dem DAP zu überlassen.

Am 10. September 2007 übermittelte der DAP der BKP einen gerichtsverwertbaren Amtsbericht, der Informationen aus den Unterlagen der Kantonspolizei AG und Angaben aus den früher vom DAP eingeholten Auskünften enthielt. Zu keiner der Informationen wurde eine Quellenangabe gemacht. Auf Ersuchen der BKP teilte der DAP ihr am 8. November 2007 noch mit, die im Amtsbericht übermittelten Informationen stammten aus einer «nachrichtendienstlichen, schutzwürdigen Quelle».

132 133

AB 2011 S III 343, S. 371­374.

Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dez. 1937 (StGB; SR 311.0).

6857

Aufgrund der Informationen des DAP nahm die BKP Ermittlungen auf, die im Januar 2008 zur Verhaftung der von der Auskunftsperson gegenüber der Kantonspolizei AG genannten Person führten. Der Beschuldigte verbrachte danach fast ein Jahr in Untersuchungshaft.

Im Mai 2008 bemühte sich der zuständige Staatsanwalt des Bundes um eine Befragung der Quelle der Informationen, die der DAP mit dem Bericht vom 10. September 2007 der BKP übermittelt hatte. Mit Verweis auf den Quellenschutz verweigerte der DAP jedoch jede Auskunft. Dem Staatsanwalt wollte der DAP auch keine Auskunft auf die Frage erteilen, welche Gefahr für die Quelle entstehen würde, falls ihre Aussagen im Rahmen des Strafverfahrens dem Beschuldigten bekannt würden.

Am 23. September 2009 verfügte der Eidgenössische Untersuchungsrichter (UR) die Herausgabe der Unterlagen, die der DAP von der Kantonspolizei AG erhalten hatte.

Auch dies lehnte der DAP ab und liess eine Kopie des Schreibens dem BStGer im Sinne einer allfälligen Beschwerde gegen die Verfügung zukommen. In seinem Entscheid134 vom 14. Januar 2010 trat das BStGer nicht auf die Beschwerde des DAP ein. Gleichzeitig stellte das BStGer fest, dass die Herausgabe der Unterlagen als Rechtshilfeersuchen zwischen Amtsstellen zu behandeln sei, wie es im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 (BStP, seit 1. Januar 2011 nicht mehr in Kraft) geregelt war. Gemäss dem BStrGer war Artikel 27 Absatz 5 BStP so auszulegen, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Instanzen des Bundes ­ im vorliegenden Fall der UR und der NDB ­ der Bundesrat zu entscheiden haben.135 Am 12. Februar 2010 ersuchte der UR im Sinne des Entscheids des BStGer den NDB als Nachfolgeorganisation des DAP um Zustellung sämtlicher Akten, die im Zusammenhang mit dem Anschlag auf dem Rütli von der Kantonspolizei AG dem DAP ausgehändigt worden waren. Gegen die ablehnende Verfügung des NDB vom 23. Februar 2010 reichte das URA beim Bundesrat Beschwerde ein.

Am 22. Dezember 2010 entschied der Bundesrat, dass der NDB die fraglichen Akten nicht an den UR herausgeben müsse. Der Entscheid erfolgte gestützt auf Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe a BStP, nach welchem die Rechtshilfe verweigert werden kann, wenn wesentliche öffentliche Interessen oder offensichtlich schutzwürdige Interessen einer betroffenen Person es
verlangen. In seiner Begründung schrieb der Bundesrat, dass die Auskunftsperson, die sich an die Kantonspolizei AG gewandt hatte, gegenüber dem Beschuldigten geschützt werden müsse. Nachdem der Bundesrat ein offensichtlich schutzwürdiges Interesse der privaten Person bejahte, verzichtete er auf die weitere Überprüfung, ob ein allgemeines öffentliches Interesse am Schutz nachrichtendienstlicher Quellen für sich eine Verweigerung der Rechtshilfe gerechtfertigt hätte. Der Entscheid des Bundesrats in dieser Angelegenheit erfolgte letztinstanzlich.

Am 11. Oktober 2011 stellte die BA ihr Verfahren zum Anschlag auf dem Rütli ohne Anklageerhebung ein.

134 135

Urteil der I. Beschwerdekammer des BStGer vom 14. Jan. 2010 (BB.2009.82).

Die Botschaft des Bundesrats über die Datenbearbeitung auf dem Gebiet der Strafverfolgung vom 16. Okt. 1990, mit welcher der Wortlaut von Art. 27 Abs. 5 ins BStP eingefügt worden war, äusserte sich auch zu jenen seltenen Fälle, wo sich gerichtliche Instanzen und Verwaltungsbehörden des Bundes über das Bestehen einer Rechtshilfepflicht uneins sein können. Für solche Fälle, die nicht von der Bestimmung erfasst wurden, sah die Botschaft eine Lösung auf dem Wege eines Meinungsaustausches zwischen Bundesrat und BGer vor. (BBl 1990 III 1128).

6858

4.6.2

Aufsichtseingaben

Am 10. Februar 2011 gelangte der Anwalt des Beschuldigten mit einer Aufsichtseingabe an die GPDel. Er bat die Delegation, die Verweigerung der Aktenherausgabe an die Strafverfolgungsbehörden durch den DAP, den NDB und später den Bundesrat zu untersuchen. Er warf zudem die Frage auf, ob die fraglichen Akten dem Strafverfahren vorenthalten würden, um die Verstrickung von staatlichen Stellen in den Anschlag auf dem Rütli zu vertuschen. Weiter erfuhr die GPDel von einer zweiten Eingabe, die an verschiedene Bundesparlamentarier ergangen war; darin wurde ein staatlicher «agent provocateur» hinter dem Anschlag auf dem Rütli vermutet.

An der Sitzung vom 22. Februar 2011 beschloss die GPDel, auf die beiden Eingaben einzutreten und sie zusammen mit einer früheren Eingabe des Anwalts zu behandeln. Deren Behandlung hatte die Delegation aufgeschoben, bis in der Frage der Amtshilfe an das URA der Rechtsweg ausgeschöpft war.

Am 22. Februar 2011 informierte die GPDel die beiden Aufsichtseingeber per eingeschriebenen Brief, dass die Delegation ihre Abklärungen auf das Verhalten des DAP konzentrieren werde. Eine Information über das Resultat der Abklärungen stellte die Delegation zu gegebener Zeit in Aussicht.

Der NDB hatte der GPDel bereits Anfang 2010 alle relevanten Unterlagen des DAP zum Fall zugestellt. Die GPDel war auch im Besitz des Entscheids des Bundesrats vom 22. Dezember 2010, den sie nach einer Aussprache mit der Vorsteherin des EJPD erhalten hatte. Weitere Akten erhielt die GPDel vom Anwalt des Beschuldigten.

Die Delegation befragte den Mitarbeiter des DAP, der gegenüber der Kantonspolizei AG den Fall des sogenannten «Rütli-Bombers» betreut hatte. Ebenfalls hörte die Delegation den Direktor des fedpol an, dem der DAP im Jahr 2007 unterstellt war.

4.6.3

Kompetenzen von Staatsschutz und Strafverfolgung in einem laufenden Strafverfahren

Anstatt sich an die BA oder die BKP zu wenden, hatte die Kantonspolizei AG nach der Einvernahme der Auskunftsperson den DAP kontaktiert. Dieser behändigte die Unterlagen in der Absicht, der BKP einen Hinweis auf den mutmasslichen Täter liefern zu können. Die Personalien der Auskunftsperson sollten dabei nicht offen gelegt werden, da die Auskunftsperson ihre Aussagen an die Bedingung geknüpft hatte, dass sie im Strafverfahren anonym bleiben würde.

Um «über den BWIS-Weg den Quellenschutz gewährleisten zu können»136, behandelte der DAP die Auskunftsperson wie einen inländischen Informanten. Artikel 14 VWIS137 (heute Art. 24 V-NDB) erlaubte dem DAP nämlich, im Rahmen von präventiven Operationen Personen als Quellen zu führen, um Informationen für den präventiven Staatsschutz zu beschaffen.

136 137

Brief des NDB an die GPDel vom 25. Jan. 2010.

Verordnung vom 27. Juni 2001 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (AS 2001 1829).

6859

Es ist unbestritten, dass der DAP befugt gewesen wäre, die Auskunftsperson im Nachgang zum Treffen bei der Kantonspolizei AG als neuen Informanten für eine präventive Operation im Sinne von Artikel 14 VWIS zu führen. Zu beantworten ist aber die Frage, ob der Staatsschutz berechtigt war, eine präventive Operation einzuleiten, um Informationen über den mutmasslichen Täter einer bereits begangenen Straftat zu sammeln. Da der Anschlag auf dem Rütli bereits erfolgt war und auch die BA ein gerichtspolizeiliches Verfahren eröffnet hatte, gab es für den Staatsschutz jedoch keinen Raum mehr, vorbeugende Massnahmen im Sinne des BWIS gegen den mutmasslichen Täter des bereits erfolgten Anschlags zu treffen. Die Aufklärung des Anschlags fiel vollumfänglich in die Verantwortung der Strafverfolgung, die dafür auch über die notwendigen Kompetenzen, inklusive aller strafprozessualen Zwangsmassnahmen, verfügte.

Bei dieser Sachlage ist offensichtlich, dass der DAP gar nicht in den Besitz der Unterlagen der Kantonspolizei AG hätte gelangen dürfen. Unter anderen Umständen hätten sich allerdings berechtigte Fragen zur Handhabung des nachrichtendienstlichen Quellenschutzes gegenüber den Strafverfolgungsbehörden stellen können.

4.6.4

Rechtliche Möglichkeiten für den Quellenschutz

Der Quellenschutz gegenüber den Strafverfolgungsbehörden wäre dann von Bedeutung gewesen, wenn der DAP bereits vor der Tat einen Informanten geführt hätte, der bereits vor dem Anschlag oder allenfalls sogar danach Angaben über den Täter lieferte. Falls der DAP den Informanten weiterhin für die Informationsbeschaffung über zukünftige Gefährdungen benötigt hätte, wäre auch ein öffentliches Interesse vorhanden gewesen, dessen Identität zu schützen. Ebenso hätte der Informant ein schutzwürdiges Interesse gehabt, dass seine bisherige Tätigkeit zugunsten des DAP nicht im Rahmen eines gerichtspolizeilichen Verfahrens aufgedeckt worden wäre.

Bei Vorliegen wesentlicher öffentlicher Interessen oder offensichtlich schutzwürdiger Interessen einer betroffenen Person konnte nach Artikel 27 Absatz 2 BStP die Rechtshilfe an die Strafverfolgungsbehörden verweigert oder eingeschränkt werden.

Diese Bestimmungen über die Rechtshilfe, die der Staatsschutz anderen Stellen zu gewähren hat, galten nämlich nach Artikel 17 Absatz 5 BWIS, wenn Personendaten im Besitz des Nachrichtendienstes in einem Verfahren benötigt werden. Im Rahmen der Voraussetzungen von Artikel 27 Absatz 2 BStP war es dem DAP somit möglich, die Identität eines inländischen Informanten zu schützen.

Einen absoluten Quellenschutz, der in jedem Fall greift, sah das BWIS hingegen nur für ausländische Partnerdienste vor (Art. 17 Abs. 7 BWIS, seit dem 1. Januar 2010 nicht mehr in Kraft). Diese Regelung wurde im Rahmen der parlamentarischen Behandlung der Vorlage im Jahr 1995 eingefügt. In Bezug auf den Schutz der anderen Quellen, insbesondere inländischer Informanten, verzichtete der Gesetzgeber hingegen auf einen gesetzlichen Quellenschutz. Er folgte damit dem Vorschlag des Bundesrats, der sich in der Botschaft vom 7. März 1994 gegen eine Regelung des Quellenschutzes ausgesprochen hatte, weil dessen Handhabung dem Bundesrat und dem zuständigen Departement überlassen werden sollte.138 Gleichzeitig ging der 138

Botschaft zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit und zur Volksinitiative «S.O.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei» vom 7. März 1994 (BBl 1994 II 1127 hier 1184).

6860

Bundesrat explizit davon aus, dass Informanten im Inland nicht immer die strikte Vertraulichkeit zugesichert werden konnte, beispielsweise dann nicht, wenn sich die Gewährsperson selber strafbar gemacht hatte.

In der Folge wurde der Schutz inländischer Quellen nicht auf Stufe Gesetz, sondern lediglich auf Verordnungsstufe festgeschrieben. Die entsprechenden Bestimmungen traten am 1. Januar 2006 in Kraft (Art. 20a VWIS, heute Art. 29 V-NDB). Massgebend für die Weitergabe von Informationen ­ inklusive solcher über die Identität von Quellen ­ an die Strafverfolgungsbehörden blieb jedoch Artikel 17 Absatz 5 BWIS.

Am 1. Februar 2006 erliess der Direktor des fedpol eine Weisung zum Quellenschutz, die vorsah, dass der DAP die Identität einer Inlandquelle den Strafverfolgungsbehörden bekannt zu geben habe, wenn die Quelle selbst einer von Amtes wegen zu verfolgenden Straftat verdächtigt werde oder wenn die Bekanntgabe unerlässlich sei, um ein Verbrechen gegen Leib oder Leben oder von ähnlicher Bedeutung aufzuklären. Laut Weisung musste der DAP inländische operative Quellen auf die mögliche Einschränkung des Quellenschutzes hinweisen.

Nach der Weisung des Direktors des fedpol wäre der DAP gehalten gewesen, die Identität der Auskunftsperson den Strafverfolgungsbehörden bekannt zu geben.

Vorrang hatte jedoch wegen Artikel 17 Absatz 5 BWIS die «kann»-Bestimmung von Artikel 27 Absatz 2 BStP, welche den Entscheid, ob der DAP die Rechtshilfe an die Strafverfolgungsbehörden gewähren oder diese allenfalls einschränken oder verweigern sollte, von einer zwingenden Güterabwägung im Einzelfall abhängig machte.

Die Vorgabe der Weisung des Direktors des fedpol, dass der DAP seine Inlandquellen auf die mögliche Einschränkung des Quellenschutzes hinzuweisen hatte, blieb jedoch in jedem Fall anwendbar. Die Mitarbeitenden des DAP unterliessen dies gegenüber der Auskunftsperson nicht nur, sondern sicherten ihr vielmehr vollständigen Quellenschutz zu.

4.6.5

Konkretisierung des gesetzlichen Quellenschutzes auf Antrag der Geschäftsprüfungsdelegation

Zur gleichen Zeit als sich die GPDel mit den Aufsichtseingaben zum «RütliBomber» zu befassen begann, arbeitete die Delegation an einem Mitbericht zur BWIS-II-Revision, zu welcher der Bundesrat am 27. Oktober 2010 eine Zusatzbotschaft verabschiedet hatte (vgl. Ziff. 4.5). Laut dieser Botschaft wollte der Bundesrat mit einer Änderung von Artikel 17 Absatz 5 BWIS abschliessend klären, «ob bei Rechtshilfeverfahren (vgl. z.B. Art. 27 [...] BStP) der nachrichtendienstliche Quellenschutz weiter [gelte] oder ob er zugunsten eines von Straforganen vermittelbaren Schutzes weichen [müsse]»139. Als Grund für die Revision nannte der Bundesrat eine in jüngerer Vergangenheit erkannte Frage, ohne allerdings den Fall des «RütliBombers» namentlich zu nennen.

Aus Sicht der GPDel ist der nachrichtendienstliche Quellenschutz ein grundsätzlich legitimes Anliegen, das gewichtige öffentliche Interessen, zum Beispiel die Gewährleistung der Informationsbeschaffung, aber auch den Schutz von Leib und Leben der 139

Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS II reduziert) (BBl 2010 7841 hier 7887).

6861

Quelle, verkörpert. Dem Quellenschutz können aber andere Interessen entgegenstehen, so insbesondere das Interesse an der Verfolgung von Straftaten, wenn für deren Aufklärung die ermittelnden Behörden auf die Bekanntgabe einer Quelle angewiesen sind. Dieses Interesse kann ebenfalls sehr gewichtig sein, namentlich wenn es um schwerwiegende Straftaten geht.

Der Vorschlag des Bundesrats hätte jedoch dazu geführt, dass in jedem Fall die Interessen des Quellenschutzes Vorrang vor den Interessen der Strafverfolgung erhalten würden. Nach Ansicht der GPDel sollte indes der Gesetzgeber den Staatsschutz nicht vollständig davon entbinden, bei der Handhabung des Quellenschutzes gegenüber den Strafverfolgungsbehörden die verschiedenen betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen. Vielmehr erschien es aufgrund der Abklärungen zum Fall des «Rütli-Bombers» zweckmässig, im Gesetz die Kriterien für die Güterabwägung zu konkretisieren und einen Rechtsweg für den Streitfall vorzusehen.

Die GPDel beschloss deshalb, in ihrem Mitbericht zu der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderung von Artikel 17 Absatz 5 BWIS eine Alternative vorzuschlagen. Dafür sollte die Regelung betreffend die Weitergabe von strafverfolgungsrelevanten Informationen aus der Weisung des Direktors des fedpol vom 1. Februar 2006 als Ausgangspunkt dienen.

Nach dem Vorschlag der GPDel, der von Prof. Biaggini (vgl. Ziff. 4.5) erarbeitet wurde, ist grundsätzlich der nachrichtendienstliche Quellenschutz auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu wahren. Unter bestimmten Umständen kann jedoch die Identität einer Inlandquelle schweizerischen Strafverfolgungsbehörden bekannt gegeben werden. Diese Möglichkeit besteht namentlich dann, wenn diese Person selbst einer von Amtes wegen zu verfolgenden Straftat verdächtigt wird oder die Bekanntgabe unerlässlich ist, um eine schwere Straftat aufzuklären. Mit der «kann»-Formulierung gewährleistet die Bestimmung eine vorgängige Güterabwägung zwischen den Interessen der Quelle, des Staatsschutzes und der Strafverfolgung. Die Möglichkeit, diese Güterabwägung durch das BStGer überprüfen zu lassen, sollte dazu beitragen, dass die Beurteilung mit der notwendigen Sorgfalt erfolgt.

Die vorbereitenden Kommissionen und beide Räte übernahmen den Vorschlag der GPDel ohne Änderung während der Beratungen in der Sommer- und
Herbstsession 2011. Mit der restlichen BWIS-II-Vorlage wurde die neue Regelung des Quellenschutzes zwischen Nachrichtendienst und Strafverfolgungsbehörden in der Wintersession 2011 verabschiedet.

4.6.6

Zur These des «Rütli-Bombers» als «agent provocateur»

Die GPDel stellt fest, dass die ihr vorliegenden Informationen und insbesondere die Unterlagen der Kantonspolizei AG, die den Strafverfolgungsbehörden vorenthalten blieben, keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Anschlag auf dem Rütli in staatlichem Auftrag oder mit Beteiligung staatlicher Stellen durchgeführt worden ist. Die GPDel geht auch davon aus, dass der DAP die Auskunftsperson, die sich bei der Kantonspolizei AG gemeldet hatte, vorher nicht kannte. Es ist anzunehmen, dass ohne die Meldung auf dem Aargauer Polizeiposten der DAP nie eine Rolle im gerichtspolizeilichen Verfahren zum Anschlag auf dem Rütli gespielt hätte.

6862

4.7

Nachfolgeuntersuchung zu den sogenannten «Holenweger-Papieren»

Die GPDel hatte die Weiterführung der von der GPK-N am 5. September 2007 beschlossenen Untersuchung zu den sogenannten «Holenweger-Papieren» am 24. Juni 2008 im Auftrag der GPK-N übernommen, weil die Abklärungen der zuständigen Subkommission der GPK-N durch wiederholte Indiskretionen beeinträchtigt worden waren.140 Bei den sogenannten «Holenweger-Papieren» handelt es sich um einen H-Plan und Flipcharts von Oskar Holenweger, gegen den zu diesem Zeitpunkt ein Strafverfahren beim URA hängig war. Die BA hatte die GPK-N im August 2007 auf die Existenz dieser Papiere aufmerksam gemacht. Die am 5. September 2007 beschlossene Untersuchung ging der Frage nach, ob ein Plan zur Absetzung oder Destabilisierung des damaligen Bundesanwalts Valentin Roschacher unter Mitwirkung von Vertretern der Bundesbehörden existiert hatte.141 Der Einsatz und die Führung der Vertrauensperson Ramos durch die BKP im Rahmen der polizeilichen Vorabklärungen war hingegen nicht Gegenstand der Untersuchung.142 Seit der Übernahme der Abklärungen zu den sogenannten «Holenweger-Papieren» durch die GPDel hat sich diese an zahlreichen Sitzungen mit diesem Dossier befasst.

Sie hörte Personen an und forderte alle relevanten Dokumente ein. Die GPDel war insbesondere im Besitz aller Dokumente, die durch die deutsche Polizei bei der Festnahme von Oskar Holenweger im März 2007 sichergestellt wurden. Für ihre Abklärungen standen der GPDel ebenfalls der am 28. November 2007 veröffentlichte Zwischenbericht143 der in einer Anfangsphase mit der Untersuchung beauftragten Subkommission zur Verfügung, sowie deren Abklärungen im Jahr 2008, insbesondere das Protokoll der Anhörung des früheren Vorstehers des EJPD, alt Bundesrat Christoph Blocher. Wegen personellen Engpässen und der daraus resultierenden neuen Priorisierung der GPDel-Geschäfte wurden die Arbeiten der GPDel in diesem Dossier im Jahr 2010 verzögert.

Trotz Anfrage der GPDel war der damalige Bundesanwalt Valentin Roschacher nicht bereit, an einer Anhörung der GPDel teilzunehmen. Oskar Holenweger stand der GPDel während dem laufenden Strafverfahren ebenfalls nicht für eine Anhörung zur Verfügung. Da die GPDel seine Anhörung als wichtig erachtete, lud sie Oskar Holenweger im Oktober 2011 erneut ein, nachdem bekannt wurde, dass die BA auf einen Weiterzug des Freispruchs von Oskar Holenweger an
das BGer verzichtete.

Oskar Holenweger war nicht bereit, vor der GPDel zu erscheinen, und verwies auf seine Medienmitteilung vom 11. September 2007.

Die GPDel hat, wie auch schon die Subkommission EJPD/BK der GPK-N, durch ihre Abklärungen die Hypothese der Existenz eines Plans zur Absetzung oder Destabilisierung des damaligen Bundesanwalts Valentin Roschacher unter Mitwirkung von Vertretern der Bundesbehörden nicht erhärten können. Oskar Holenweger hatte 140

Jahresbericht 2008 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 23. Jan. 2009, Ziffer 3.7.3 (BBl 2009 2614).

141 Jahresbericht 2007 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 25. Jan. 2008, Ziffer 3.7.7 (BBl 2008 5134).

142 Vgl. dazu auch Jahresbericht 2007 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 25. Jan. 2008, Ziff. 3.7.6 (BBl 2008 5129).

143 Nachfolgeuntersuchung der GPK-N zur Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes, Zwischenstand der Subkommission EJPD/BK der GPK-N vom 28. Nov. 2007.

6863

in seiner Medienmitteilung vom 11. September 2007 seine Papiere bloss als persönliche Orientierungshilfen bezeichnet.

Zur Frage des Informationsgehalts der sogenannten «Holenweger-Papiere» hält die GPDel fest, dass dieser nicht zwingend oder nicht bloss aus Indiskretionen von Vertretern der Bundesbehörden im Rahmen eines Plans stammen muss. Einerseits lassen die Beschriftungen der Papiere Interpretationsspielraum zu. Andererseits ergaben die Abklärungen der GPDel, dass Oskar Holenweger über die Akteneinsicht seiner Anwälte beim URA und der dabei erfolgten Pannen Zugang zu Informationen erlangte, welche den «Holenweger-Papieren» zugrunde liegen könnten. In diesem Zusammenhang ist auch relevant, dass alle Verfahren i.S. Amtsgeheimnisverletzungen, welche im weiteren Sinn den Untersuchungsgegenstand betrafen, mangels Beweisen durch die BA eingestellt wurden. Es ist auch nicht auszuschliessen, dass Oskar Holenweger ebenfalls über Kontakte zu den Medien in den Besitz gewisser Informationen gelangte.

Die GPDel ging im Rahmen ihrer Abklärungen auch der Frage nach, ob den Vertretern der BA im Nachgang zu ihrer Information der GPK-N im August/September 2007 Nachteile erwuchsen. Hierzu musste die GPDel feststellen, dass tatsächlich Druck auf die beiden stellvertretenden Bundesanwälte ausgeübt wurde, was zumindest in einem Spannungsverhältnis zu Artikel 156 Absatz 3 ParlG stand. Allerdings muss ebenfalls festgehalten werden, dass die Information der GPK-N durch die BA zumindest in Teilen missverständlich war ­ wie dies schon die Subkommission EJPD/BK in ihrem Zwischenbericht schrieb ­ und auch blosse Mutmassungen der BA beinhaltete, welche nicht explizit als solche deklariert wurden und zum Teil auch nicht Gegenstand von vorgängigen Abklärungen der Strafverfolgungsbehörden gewesen waren. Die GPDel hat in der Folge auf eine Vertiefung dieser Sachverhalte verzichtet, da die betroffenen Personen unterdessen nicht mehr den Bundesbehörden angehören.

Da die GPDel die Hypothese eines Plans unter Einbezug von Vertretern der Bundesbehörden nicht erhärten konnte und sie der Ansicht ist, dass weitere Abklärungen mit grösster Wahrscheinlichkeit keine weiteren relevanten Erkenntnisse hervorbringen würden, hat sie die Untersuchung per 9. November 2011 eingestellt. Sie kommunizierte die Einstellung der Abklärungen am 25. November 2011 per Medienmitteilung.

4.8

Auslandkontakte Geschäftsprüfungsdelegation

Am 27. und 28. Oktober 2011 fand in Berlin das siebte Treffen der parlamentarischen Aufsichtsorgane über die Nachrichten- und Sicherheitsdienste aus den Staaten der Europäischen Union (EU) statt. Die GPDel, die bei der Konferenz Beobachterstatus hat, nahm mit ihrem Präsidenten und Vizepräsidenten teil.

Bereits an der letztjährigen Konferenz in Brüssel hatten die Teilnehmer die Idee einer elektronischen Informationsplattform für die parlamentarischen Aufsichtsorgane unterstützt.144 In Berlin konnten sie nun zur Kenntnis nehmen, dass in der Zwischenzeit auf Initiative Belgiens unter der Bezeichnung ENNIR (European 144

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011 (BBl 2011 4122).

6864

Network of National Intelligence Reviewers) ein Netzwerk zum Betrieb einer gemeinsamen elektronischen Informationsplattform geschaffen worden war.

Der Ständige Kontrollausschuss für die Nachrichten- und Sicherheitsdienste (Comité R), der zuhanden der zuständigen Aufsichtskommission des belgischen Senates145 arbeitet, betreibt die Webseite, die den Informationsaustausch unter den Kontrollgremien verbessern soll. Diese Plattform soll den Austausch von Fachwissen und Erfahrungen unter den angeschlossenen Kontrollorganen erleichtern. Sie dient jedoch nicht dazu, sich gegenseitig vertrauliche Informationen zugänglich zu machen oder gemeinsam Kontrollen durch zu führen.

Da ENNIR auch für Konferenzmitglieder mit Beobachterstatus offensteht, beschloss die GPDel, sich ebenfalls daran zu beteiligen. Nach Erfüllung der Anschlussbedingungen (Zahlung einer einmaligen Gebühr, Bestimmung einer nationalen Kontaktperson, etc.) wird die GPDel den anderen Kontrollorganen aktuelle Informationen über die Rechtsgrundlagen und die Organisation der Nachrichtendienste und ihrer Aufsichtsorgane in der Schweiz verfügbar machen.

Die GPDel pflegt auch regelmässig bilaterale Kontakte mit vergleichbaren Aufsichtsorganen anderer Parlamente. So hatte die Delegation bereits im Jahr 2005 die Niederlande und Deutschland besucht.146 Eine weitere Informationsreise hatte die Delegation im Jahr 2007 nach Belgien geführt. Am 28. und 29. November 2011 traf sich nun die GPDel in Bratislava mit den beiden Kommissionen des slowakischen Parlaments, welche die Oberaufsicht über den zivilen, respektive den militärischen Nachrichtendienst innehaben.

5

Geschäftsberichte 2010 und weitere Berichte

5.1

Geschäftsbericht 2010 des Bundesrats

Im Rahmen der Prüfung des Geschäftsberichts 2010 des Bundesrats hörten die GPK an gemeinsamen Sitzungen im Mai 2011 das vollzählige Regierungskollegium und die Bundeskanzlerin an. Gemäss Artikel 144 ParlG unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung den Bericht über seine Geschäftsführung des vorhergehenden Jahres. Aufgabe der GPK ist es, die Umsetzung der vom Bundesrat festgelegten Jahresziele zu überprüfen und die Geschäftsführung des Bundesrats in der Berichtsperiode allgemein zu beurteilen. Dabei handelt es sich um eine Kernaufgabe der parlamentarischen Oberaufsicht.

145

Commission du Sénat belge chargée du suivi parlementaire du Comité permanent de contrôle des services de renseignements et de sécurité.

146 Jahresbericht 2005 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 20. Jan. 2006 (BBl 2006 4374).

6865

Von den 17 Zielen, die der Bundesrat gemäss Legislaturplanung 2007­2011 für das Jahr 2010 festgelegt hatte, wurden zwei realisiert147, fünf überwiegend realisiert148 und zehn teilweise realisiert149. Die GPK waren insgesamt zufrieden mit den präsentierten Ergebnissen und beantragten ihren Räten einstimmig, den Geschäftsbericht des Bundesrats zu genehmigen. Die eidgenössischen Räte folgten diesem Antrag in der Sommersession 2011.

Die Anhörung der Bundesratsmitglieder durch die beiden GPK wurde 2011 erstmals nach den neuen Modalitäten durchgeführt: Jede Departementsvorsteherin und jeder Departementsvorsteher verfügte über eine halbe Stunde, um zwei oder drei in ihren Augen besonders wichtige Themen zu erörtern; darauf stellten die Präsidentinnen und Präsidenten der zuständigen Subkommissionen Fragen zu selbst gewählten Themen und schliesslich folgte die allgemeine Diskussion mit den Mitgliedern der beiden Kommissionen. Zudem hatten die Bundesratsmitglieder und die Bundeskanzlerin Stellung zu nehmen zu zwei von den GPK ausgewählten Querschnittsthemen: die Unité de doctrine bei der Legislaturplanung und bei der Strategie im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von im Parlament mehrheitsfähigen Vorlagen. Nachfolgend werden einige Schwerpunkte der Diskussionen mit den Departementsvorsteherinnen und -vorstehern erwähnt.

­

EDI. Der Vorsteher des EDI legte die Gesundheitsstrategie des Bundesrats dar. Deren drei Hauptpfeiler sind die Verstärkung der Aufsicht über die Krankenversicherung, kurzfristige Sparmassnahmen sowie längerfristige Reformen zur Qualitätsverbesserung und Kostensenkung. Betreffend Sozialwerke hob der Departementsvorsteher die gute finanzielle Verfassung der AHV und den Erfolg der letzten IV-Reformen hervor. Im Mittelpunkt der Diskussion mit den Kommissionsmitgliedern standen gesundheitspolitische Themen, so u.a. Fragen zur Neuordnung der Spitalfinanzierung, zu den Sparmassnahmen und zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen.

­

EVD. Der Vorsteher des EVD äusserte sich zur Stellung der Schweiz in der globalisierten Welt und wies dabei auf die Kernthemen der Aussenwirtschaftspolitik hin: die derzeit stockende Doha-Runde, die Verdichtung des Freihandelsabkommensnetzes zwischen der Schweiz und Nicht-EU-Staaten, die Festigung der bilateralen Beziehungen mit der EU und der Ausbau der öffentlichen Entwicklungshilfe. In der anschliessenden Diskussion zeigten sich die Kommissionsmitglieder besorgt über die Zukunft des Schweizer Wirtschaftsstandorts und liessen sich vom Departementsvorsteher über die Massnahmen des Bundesrats im Zusammenhang mit der Frankenstärke und mit der Schuldenkrise in Europa informieren.

147

Internationale Zusammenarbeit im Justiz- und Polizeibereich verstärken; Sicherheitspolitik umsetzen.

148 Handlungsfähigkeit des Staates und Attraktivität des Steuersystems stärken; Leistungsfähigkeit und Nutzung der Infrastruktur optimieren; der Gewaltanwendung und der Kriminalität vorbeugen und diese bekämpfen; multilaterales Regelwerk gestalten; Armut reduzieren (internationale Hilfe).

149 Wettbewerb im Binnenmarkt verstärken; Bildung, Forschung und Innovation fördern; kohärente Familienpolitik entwickeln; Sozialwerke sanieren und sichern; Gesundheitskosten eindämmen; gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern; Energieversorgung sicherstellen; mit natürlichen Ressourcen schonend umgehen; Beziehungen zur EU konsolidieren; Friedensförderung und Konfliktprävention.

6866

­

EDA. Die Vorsteherin des EDA erinnerte daran, dass der Bundesrat 2011 beschlossen hatte, den von der Schweiz und der EU eingeschlagenen bilateralen Weg gemeinsam und koordiniert weiterzuverfolgen. Kern der Verhandlungen bilde die institutionelle Frage, vor allem die Übernahme des Acquis communautaire. Die EDA-Vorsteherin wies mit Genugtuung darauf hin, dass die öffentliche Entwicklungshilfe auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) erhöht wurde, womit die Schweiz ihre multilateralen Verpflichtungen einhalten und in weitere Programme investieren könne. Im Mittelpunkt der Diskussion mit den GPK-Mitgliedern standen die institutionellen Beziehungen mit der EU und die Position der Schweiz gegenüber den Aufständen im arabischen Raum.

­

VBS. Der Vorsteher des VBS zeigte sich erfreut darüber, dass mit dem neuen Sicherheitsverbund Schweiz die sicherheitspolitische Kooperation zwischen Bund und Kantonen intensiviert und verbessert werden kann. Weiter wies er auf den ersten Armeebericht hin, der das Grundmodell für die Armee der kommenden Jahre skizziert. Die Mitglieder der GPK erkundigten sich nach den Spar- und Optimierungsmassnahmen in der Armee, dies vor allem im Informatik- und im Logistikbereich. Des Weiteren liessen sie sich über das Tiger-Teilersatz-Projekt informieren.

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EFD. Die Vorsteherin des EFD erinnerte zunächst an die Herausforderung, welche die Umsetzung des UBS-Amtshilfeabkommens mit den USA gestellt hatte. 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren über ein Jahr lang beschäftigt gewesen, um das Gesuch der Vereinigten Staaten so rasch wie möglich zu bearbeiten. Die Vorsteherin des EFD zeigte sich erfreut, dass diese Angelegenheit inzwischen erledigt ist. Auf Ersuchen der Kommission kam die Vorsteherin des EFD auf den Entscheidungsprozess bei der Unternehmenssteuerreform II zurück und informierte über den Stand des dritten Teils dieser Steuerreform. Die GPK erkundigten sich im Weiteren über die Revision des Personalgesetzes. Dieses sollte demnächst auf der Grundlage der Personalstrategie des Bundes 2011­2015 überarbeitet werden.

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UVEK. Ein zentrales Thema des UVEK ist die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Die Departementsvorsteherin wies auf die verschiedenen Vorlagen hin, die 2011 in die Vernehmlassung gegeben wurden: Schaffung eines Infrastrukturfonds für Bau und Unterhalt des Schienennetzes; Strategisches Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur (STEP), das bis 2040 Investitionen in Höhe von 40 Millionen Franken vorsieht; Preiserhöhung bei der Autobahnvignette. Die Mitglieder der GPK erkundigten sich bei der Departementsvorsteherin u.a. über die Fortsetzung der Verlagerungspolitik, den Aktionsplan zur Energieeffizienz und die Zukunft der Atomenergie.

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EJPD. Die Vorsteherin des EJPD zeigte sich erfreut über die Migrationspartnerschaften, die in den vergangenen Jahren mit Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Nigeria eingegangen wurden, um die Rückkehr der Migrantinnen und Migranten zu vereinfachen und die illegale Einwanderung einzudämmen. Die Departementsvorsteherin erörterte anhand von Fragen der Kommissionsmitglieder die Situation in den arabischen Ländern und betonte, dass aus Nordafrika in erster Linie tunesische Wirtschaftsflüchtlinge kämen, die nicht schutzberechtigt seien. Ausserdem sprach die Vorsteherin des EJPD über die 2011 abgeschlossene Reorganisation des Bundesamts für Migration.

6867

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BK. Die Bundeskanzlerin sprach über die Regierungsreformen, die der Bundesrat aufgrund des GPK-Berichts zur Finanzkrise150 bereits umgesetzt hat: die Informationspflicht gegenüber dem Kollegium, die Protokollierungspflicht und die bessere Organisation der Bundesratssitzungen. Weiterführende Reformen wie die Verlängerung der Präsidialzeit werden derzeit ausgearbeitet. Die Mitglieder der GPK erkundigten sich auch über allfällige Vorhaben zur Modernisierung des Föderalismus. Die Bundeskanzlerin erkannte zwar Reformbedarf, konnte aber noch keine genaueren Angaben machen.151

Bei den beiden von den GPK ausgewählten Querschnittsthemen waren die Erläuterungen der Bundesratsmitglieder aufschlussreich. Auf die Frage, wie die Unité de doctrine im Rahmen des Legislaturprogramms gestärkt werden könne, antwortete die Bundespräsidentin, sie habe 2011 ein neues Prozedere eingeführt. Die kurz- und mittelfristigen Ziele habe der Bundesrat selbst anhand der Vorschläge der einzelnen Departemente festgelegt. Die BK habe dann die politischen Absichtserklärungen in ein Legislaturprogramm umgesetzt. Gemäss der Bundespräsidentin konnten die Prioritäten der einzelnen Departemente dank diesem Vorgehen besser miteinander in Einklang gebracht werden. Ausserdem versicherten alle Departementsvorsteherinnen und -vorsteher, dass sie sich in Zukunft verstärkt darum bemühen werden, Departementsprojekte besser auf die Legislaturziele abzustimmen.

Auf das Problem der im Parlament nicht mehrheitsfähigen Vorlagen angesprochen, meinten die Bundesrätinnen und -räte, dies habe verschiedene Ursachen. Zum einen sei es aufgrund der Geschäftslast schwierig, die Dossiers anderer Departemente im Detail zu kennen, zum anderen sei die Kommunikation zwischen den Departementen und mit den politischen Fraktionen und parlamentarischen Kommissionen manchmal unzureichend. Dennoch ist der Bundesrat der Auffassung, dass er u.a. mit internen wie externen Konsultationen bereits einen erheblichen Aufwand betreibt, um mehrheitsfähige Vorlagen zu unterbreiten. In den Augen des Bundesratskollegiums liegt demnach die Verantwortung dafür, eine Mehrheit für eine Vorlage zu finden, in erster Linie beim Parlament selbst.

5.2

Geschäftsbericht 2010 des Bundesgerichts

Am 6. April 2011 prüften die Subkommissionen Gerichte/BA der GPK ­ erstmals zusammen mit den für die Gerichte zuständigen Subkommissionen der FK ­ den Geschäftsbericht und die Staatsrechnung 2010 des BGer und erörterten mit dessen Verwaltungskommission die Schwerpunkte der Geschäftsführung des Gerichts. Zur Geschäftsführung und zur Staatsrechnung der erstinstanzlichen Gerichte hörten sie zudem die Präsidenten des BStGer und des BVGer an. Die Subkommissionen Gerichte/BA der GPK vertieften zudem am 5. April 2011 am Sitz des BGer in Lausanne mit den Gerichten weitere Themen.

150

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA, Bericht der GPK-N/S der eidg. Räte vom 30. Mai 2010 (BBl 2011 3099).

151 Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA, Bericht der GPK-N/S der eidg. Räte vom 30. Mai 2010, Ziff. 3.4.2 (BBl 2011 3296).

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Aus den Diskussionen seien hier nur zwei Themen herausgegriffen: ­

Geschäftslast des BGer: Die Eingänge entwickelten sich zum zweiten Mal in Folge leicht nach oben. Trotzdem konnte das BGer die Pendenzen geringfügig abbauen und die durchschnittliche Prozessdauer leicht senken. Tendenziell erwartet das BGer aufgrund der neuen Zivilprozessordnung und der neuen Strafprozessordnung sowie weiterer gesetzgeberischer Tätigkeiten des Parlaments in Zukunft eine zusätzliche Steigerung der Geschäftslast.

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Controlling am BGer: Das BGer hat nun die für das Controlling erforderlichen Statistikprogramme erstellt. Die Statistiken zeigen z.B., dass jeder Bundesrichter im Durchschnitt für 190 Referate bzw. Urteilsentwürfe pro Jahr verantwortlich ist und im Weiteren durchschnittlich in 490 Fällen mitwirkt. Die Subkommissionen Gerichte/BA erhielten einen vertieften Einblick in die richterspezifischen Erledigungszahlen aller drei Gerichte, wobei sie nur eine anonymisierte Darstellung der Daten verlangten. Die Diskussion mit den Gerichten zeigte, dass eine rein zahlenmässige Erfassung der Erledigungsstatistik zu wenig aussagekräftig ist. Diese Controllingdaten dienen deshalb vor allem den Gerichten selbst als Steuerungsinstrumente und werden nicht veröffentlicht.

Im Weiteren hörten die beiden GPK im Mai 2011 im Rahmen ihrer viertägigen Sitzung zu den Geschäftsberichten der Bundesbehörden den Bundesgerichtspräsidenten an. Die GPK beantragten ihrem jeweiligen Rat einstimmig, den Geschäftsbeicht 2010 des BGer zu genehmigen. In der Sommersession folgten die eidgenössischen Räte dem Antrag der GPK.

Die ersten Erfahrungen der gemeinsamen Prüfung von Geschäftsbericht und Rechnung zusammen mit den zuständigen Subkommissionen der FK vermochten beide Aufsichtskommissionen nicht ganz zu befriedigen. In der Folge entschieden die vier Aufsichtskommissionen (beide GPK und beide FK) auf Antrag der Arbeitsgruppe «Oberaufsicht über die Gerichte», die Zusammenarbeit der Subkommissionen von GPK und FK weiter zu verwesentlichen, indem nur die Präsidien der zuständigen Subkommissionen an den Sitzungen der Subkommissionen der anderen Aufsichtskommission zu Geschäftsbericht bzw. zu Rechnung und Voranschlag teilnehmen.152

5.3

Weitere von den Geschäftsprüfungskommissionen behandelte Berichte

Wie jedes Jahr behandelten die GPK auch 2011 eine grosse Anzahl von Berichten, sei dies im Rahmen des Geschäftsberichts des Bundesrats oder unabhängig davon.

Folgende Berichte wurden geprüft: BK ­

152

Bericht des Bundesrats über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2010 (teilweise)

Jahresbericht 2010 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 27. Jan. 2011 (BBl 2011 4107).

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EDI ­

Rechenschaftsbericht 2010 zum Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH)

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Reporting im Personalwesen von ETH und Swissmedic nach Artikel 5 BPG

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Jahresbericht 2010 über die Sozialversicherungen gemäss Artikel 76 ATSG

EJPD ­

Standbericht 2010 zur Umsetzung von Schengen/Dublin

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Jahresbericht 2010 der Eidgenössischen Spielbankenkommission

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Rechenschaftsbericht 2010 des IGE

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Personalreporting des IGE nach Artikel 5 BPG

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Tätigkeitsbericht 2010 der eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde

VBS ­

Bericht zur Eignerstrategie des Bundesrats für die Rüstungsunternehmen des Bundes 2010

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Geschäftsbericht und Finanzbericht 2010 der RUAG

EFD ­

Jahresbericht 2010 der FINMA

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Geschäftsbericht 2010 der Publica

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Jahresbericht 2010 des EPA zur Umsetzung des BPG

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Evaluationsbericht über die Personalbefragung 2010 (Bundesverwaltung)

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Personalreporting 2010 der Publica nach Artikel 5 BPG

EVD ­

Bericht des Bundesrats über die Einzelheiten der Kriegsmaterialausfuhr im Jahr 2010

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Bericht 2010 über die Erreichung der strategischen Ziele durch die SERV

UVEK ­

Berichte 2010 über die Erreichung der strategischen Ziele von SBB AG, Post und Swisscom

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Geschäftsbericht 2010 der SBB

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Geschäftsbericht 2010 der Post

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Geschäftsbericht 2010 der Swisscom

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Geschäftsbericht 2010 der Skyguide

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Controlling-Bericht 2010 zur Bahn 2000

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Standberichte 2010 der Neat

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Standbericht 2010 über den Anschluss der Ost- und der Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz gemäss Artikel 10 HGV-Anschluss-Gesetz

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Standbericht 2010 über den Stand der Einführung des European Train Control System (ETCS) in der Schweiz

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Personalreporting 2010 der SBB, Post, Swisscom und Skyguide nach Artikel 5 BPG

Verschiedene ­

Rechenschaftsbericht 2010 der Schweizerischen Nationalbank

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Bericht der Bundesanwaltschaft über ihre Tätigkeit im Jahr 2010

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