Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen Stellungnahme der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 8. Mai 2012 Stellungnahme des Bundesrates vom 4. Juli 2012

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zur Stellungnahme der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 8. Mai 2012 betreffend die Stellungnahme des Bundesrates vom 18. Januar 2012 zum Bericht «Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen» der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates äussern wir uns nachfolgend gemäss Artikel 158 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG; SR 171.10).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. Juli 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-1320

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Zusammenfassung Mit ihrem Bericht vom 21. Oktober 2011 «Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen» hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) dem Bundesrat drei Empfehlungen überwiesen und ein Postulat eingereicht. In seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2012 zu diesem Bericht hat der Bundesrat die Empfehlungen der GPK-N entgegengenommen und das Postulat zur Annahme empfohlen.

Am 8. Mai 2012 hat die GPK-N zur Antwort des Bundesrates Stellung genommen.

Sie begrüsste die Entgegennahme ihrer Empfehlungen durch den Bundesrat. Da jedoch gewisse Ausführungen des Bundesrates zum Bericht im Widerspruch zu den Feststellungen der GPK-N stünden, kam die Kommission zum Schluss, dass die Stellungnahme des Bundesrates nicht zufriedenstellend sei und den Erkenntnissen der GPK-N ungenügend Rechnung trage. Daher ersuchte sie den Bundesrat, bis zum 6. August 2012 eine angemessene und ausführliche Stellungnahme vorzulegen.

Der Bundesrat bestätigt mit der vorliegenden Stellungnahme, dass er die erforderlichen Massnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen und des Postulats der GPK-N bereits getroffen hat beziehungsweise zu treffen bestrebt ist.

Die bereits eingeleiteten oder geplanten Massnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen der GPK-N werden in dieser Stellungnahme im Einzelnen erläutert. Die Beschreibung dieser Massnahmen ergänzt jene in der Stellungnahme des Bundesrates vom 18. Januar 2012.

Die Massnahmen betreffen insbesondere: ­

Empfehlung 1:

Strategische und operative Steuerung

Verbesserungsmassnahmen sind insbesondere in den folgenden Bereichen geplant: 1) Bestimmung der wichtigsten Erfolgsfaktoren beim Vollzug der flankierenden Massnahmen. 2) Massnahmen zur Professionalisierung der paritätischen Kommissionen, die für den Vollzug der flankierenden Massnahmen zuständig sind in Branchen mit einem auf nationaler Ebene oder über zwei oder mehr Kantone allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag. 3) Verringerung der Unterschiede bei den Praktiken der tripartiten Kommissionen in der Arbeitsmarktbeobachtung in Branchen ohne allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge. 4) Verbesserung der Anreizsysteme für die Vollzugsorgane, insbesondere durch die Optimierung der Steuerungsindikatoren und des Finanzierungssystems (Erhöhung der Effizienz und der Wirksamkeit bei der Verwendung der verfügbaren Mittel).

5) Überprüfung und Anpassung der Indikatoren für die Steuerung des Vollzugs. 6) Optimierung der Erhebung und Auswertung der Daten zu den flankierenden Massnahmen.

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Empfehlung 2:

Harmonisierung der Prozesse

Die vom Bundesrat eingeleiteten Verbesserungsmassnahmen betreffen die beiden von der GPK-N aufgezeigten Hauptschwächen im Vollzug: So bestehen einerseits bei einigen paritätischen Kommissionen Mängel bei der Umsetzung der Kontrolltätigkeit sowie bei der Weiterleitung der Verstösse an die kantonalen Behörden zur Sanktionierung; andererseits fehlt es einigen tripartiten Kommissionen an Kriterien oder Methoden zur Feststellung von Lohnunterbietungen sowie an klaren Kriterien zur Definition einer wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung (siehe auch Empfehlung 1 oben).

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Empfehlung 3:

Kommunikation auf verlässlicher Datenbasis

Zur Verbesserung der Transparenz und der Qualität der Daten wird sich der Bund darum bemühen, die zum Vollzug der flankierenden Massnahmen erhobenen Daten zu ergänzen (siehe auch Empfehlung 1 oben).

Die wesentlichen der geplanten Verbesserungsmassnahmen wurden 2012 in Angriff genommen. Gemäss dem Beschluss des Bundesrates vom 18. Januar 2012 müssen dem Staatssekretariat für Wirtschaft zur Umsetzung der Empfehlungen der GPK-N vier neue Stellen zur Verfügung gestellt werden.

Im Rahmen der Gesamtschau Ressourcen vom 27. Juni hat der Bundesrat diese zusätzlichen personellen Ressourcen in das ordentliche Budget aufgenommen. Gewisse Verbesserungsmassnahmen, insbesondere jene zur Optimierung der Anreiz- und Finanzierungssysteme, der Indikatoren und der erhobenen Daten, können umgesetzt werden, sobald diese zusätzlichen personellen Ressourcen verfügbar sind.

Der Bundesrat hat zudem eine Gesetzesrevision vorgeschlagen, welche das Anliegen des Postulats der GPK-N aufnimmt. Das Parlament hat diese Revision am 15. Juni 2012 verabschiedet.

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Postulat Die GPK-N macht in ihrem Bericht vom 8. Mai 2012 geltend, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Möglichkeit zur Auferlegung einer Verwaltungssanktion, die eine Belastung durch einen Betrag bis zu 5000 Franken vorsieht, eine zu wenig abschreckende Wirkung hat. Mit dieser Möglichkeit soll die rechtliche Lücke bei der Sanktionierung von Schweizer Arbeitgebern, die gegen Normalarbeitsverträge mit zwingenden Mindestlöhnen im Sinne von Artikel 360a des Obligationenrechts (OR) verstossen, geschlossen werden.

Die GPK-N weist ausserdem darauf hin, dass der Bundesrat dem Aspekt der Wiedergutmachung des erlittenen Schadens nicht Rechnung trägt, also der Verpflichtung der Arbeitgeber, den geschädigten Arbeitnehmenden den Lohnunterschied zu bezahlen.

Der Bundesrat ist hingegen der folgenden Ansicht: 1) Dank der Beschränkung der Höhe der Belastung auf einen Betrag von 5000 Franken können auf der Grundlage von Artikel 7 des Bundesgesetzes über das Verwaltungs-

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strafrecht auch juristische Personen gebüsst werden. Zusätzlich können die zuständigen kantonalen Behörden Kontrollkosten erheben. Falls die in Artikel 12 des Entsendegesetzes aufgeführten Tatbestände, d.h. eine Verletzung der Auskunftspflicht oder die Widersetzung gegen eine Kontrolle, erfüllt sind, ist auch eine strafrechtliche Sanktion möglich. Der Bundesrat hat zudem eine Ergänzung von Artikel 12 vorgeschlagen (neuer Buchstabe), wonach mit einer Busse von bis zu 40 000 Franken bestraft wird, wer in der Schweiz angestellte Arbeitnehmende beschäftigt und dabei systematisch und in gewinnsüchtiger Absicht gegen Normalarbeitsverträge mit zwingenden Mindestlöhnen verstösst. Das Parlament hat diesen Gesetzesartikel am 15. Juni verabschiedet. 2) Die Ansprüche der Arbeitnehmenden aus dem Arbeitsvertrag sind Gegenstand des Zivilrechts. Daher müssen die geschädigten Arbeitnehmenden ihre Ansprüche einzeln bei den zuständigen Gerichten geltend machen. Es besteht ausserdem die Möglichkeit, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände nach Artikel 360e OR eine Klage auf gerichtliche Feststellung, ob ein Arbeitgeber den Normalarbeitsvertrag nach Artikel 360a OR einhält, einreichen.

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Abkürzungsverzeichnis BBl BFS EDA EJPD EntsG

EntsV EU EVD FZA

GAV GPK-N NAV OR PK PVK SECO TPK VEP

VStrR

Bundesblatt Bundesamt für Statistik Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und flankierende Massnahmen (Bundesgesetz über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, SR 823.20) Verordnung vom 21. Mai 2003 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (SR 823.201) Europäische Union Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681) Gesamtarbeitsvertrag Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Normalarbeitsvertrag Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, SR 220) Paritätische Kommission Parlamentarische Verwaltungskontrolle Staatssekretariat für Wirtschaft Tripartite Kommission Verordnung vom 22. Mai 2002 über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs, SR 142.203) Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (SR 313.0)

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Zwischen Juni 2010 und April 2011 hat die GPK-N eine Evaluation der Anwendung und der Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen zum Freizügigkeitsabkommen (FZA; SR 0.142.112.681) vorgenommen. Sie hatte damit die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) beauftragt. Die Evaluation konzentrierte sich auf die Rolle des Bundes im Rahmen der flankierenden Massnahmen. Um die Anwendung der flankierenden Massnahmen und die Steuerung durch den Bund zu beurteilen, wurden Informationen über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen durch die Kantone und die paritätischen Kommissionen (PK) verwendet. Die Gründe für die unterschiedlichen Praktiken der Vollzugsorgane waren nicht Gegenstand der Evaluation. Auch das FZA wurde von der PVK nicht evaluiert.

Die Ergebnisse der Evaluation wurden im Schlussbericht der GPK-N vom 21. Oktober 2011 «Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen» festgehalten. In diesem Bericht formulierte die GPK-N drei Empfehlungen und ein Postulat.

In seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2012 zum genannten Bericht nahm der Bundesrat die Empfehlungen der GPK-N entgegen und empfahl das Postulat zur Annahme. Er kommentierte auch die Ergebnisse der Evaluation der GPK-N in mehreren Punkten und hielt fest, wo seine Auffassungen zur Umsetzung der flankierenden Massnahmen von den Feststellungen der GPK-N möglicherweise abweichen.

In Beantwortung der Stellungnahme des Bundesrates hat die GPK-N am 8. Mai 2012 dem Bundesrat einen Bericht unterbreitet. Sie kommt darin zum Schluss, die Stellungnahme des Bundesrates sei nicht zufriedenstellend. Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, bis zum 6. August 2012 eine angemessene und ausführliche Stellungnahme zu ihren Schlussfolgerungen vorzulegen.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Einleitung

Der Bundesrat dankt der GPK-N für ihre Evaluation der Umsetzung der flankierenden Massnahmen und für ihren ergänzenden Bericht vom 8. Mai 2012. Die Berichte der GPK-N und der PVK sind sowohl für den Bundesrat als auch für das Amt, das die Aufsicht über den Vollzug innehat, eine wertvolle Grundlage zur Verbesserung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen. Der Bundesrat teilt die Schlussfolgerungen der GPK-N im Wesentlichen und hat daher ihre Empfehlungen sowie ihr Postulat vollständig entgegengenommen bzw. zur Annahme empfohlen. Laut dem Bericht der GPK-N lassen die abweichenden Auffassungen zwischen dem Bundesrat und der GPK-N in Bezug auf gewisse Elemente des Vollzugs «Zweifel darüber aufkommen [...], ob der Bundesrat gewillt ist, die Empfehlungen der GPK-N tatsächlich umzusetzen» (Bericht der GPK-N vom 8. Mai 2012, S. 4). Der Bundesrat hält dazu fest, dass er, wie in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2012 festgehalten, die geeigneten Massnahmen zur Umsetzung der drei Empfehlungen und des

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Postulats der GPK-N bereits getroffen hat beziehungsweise diese innert nützlicher Frist treffen will.

In ihrer Stellungnahme vom 8. Mai 2012 äusserte die GPK-N ausserdem Zweifel darüber, ob der Bundesrat für seine Stellungnahme vom 18. Januar 2012 die endgültige Version des Berichts der GPK-N herangezogen habe. Der Bundesrat bestätigt, dass er sich auf die endgültige Version gestützt hat. Zu Empfehlung 2 der GPK-N gab die Antwort des Bundesrates in der französischen Fassung indes effektiv den alten Wortlaut der Empfehlung der GPK-N («La CdG-N est convaincue que [une ligne de conduite, une méthode et des critères en matière de sous-enchères abusives et répétées doivent] permettre une application plus homogène des mesures d'accompagnement») anstelle des definitiven Wortlauts («La CdG-N est convaincue que cela doit permettre de réduire les écarts de mise en oeuvre des mesures d'accompagnement») wieder. Nach Ansicht des Bundesrates hatte dieser Fehler jedoch keine Auswirkung auf seine Antwort.

Zu den Bemerkungen der GPK-N in ihrer Stellungnahme vom 8. Mai 2012 präzisiert der Bundesrat die folgenden Punkte: Rolle des Bundesrates und des für die Aufsicht zuständigen Amtes bei der Verbesserung der flankierenden Massnahmen Artikel 14 des Bundesgesetzes über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (EntsG; SR 823.20) regelt die Aufsicht über den Vollzug der flankierenden Massnahmen und weist diese dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zu. Die Umsetzung der Empfehlungen der GPK-N ist daher im Wesentlichen Aufgabe des SECO sowie des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes (EVD).

Die Gesamtverantwortung für das Dossier Personenfreizügigkeit und insbesondere für die flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) nimmt der Bundesrat wahr. Angesichts der intensivierten Debatte über die Auswirkungen der Zuwanderung im Frühjahr 2011 hatte der Bundesrat am 4. Mai 2011 eine Arbeitsgruppe zu den Themen Personenfreizügigkeit und Zuwanderung eingesetzt. Die Arbeitsgruppe unter Co-Leitung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), des EVD und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) war beauftragt worden, dem Bundesrat bis im Herbst 2011 ein Aussprachepapier zu den Fragen im
Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit und der Zuwanderung vorzulegen. Gestützt auf diese erste Analyse hat der Bundesrat die Arbeitsgruppe am 24. Oktober 2011 beauftragt, ihm einen umfassenden Bericht zu unterbreiten, der sämtliche offenen parlamentarischen Vorstösse im Bereich der Personenfreizügigkeit und der Zuwanderung beantwortet. Der Bundesrat hat diesen Bericht am 4. Juli 2012 gutgeheissen. Er sieht diesen interdepartementalen Bericht als Beitrag für eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der aktuellen Zuwanderung in unserem Land und als Grundlage für die politische Entscheidungsfindung.

Lohndruck Gestützt auf eine von der PVK in Auftrag gegebene und von der Universität St. Gallen durchgeführte Studie kam die GPK-N zum Schluss, dass in der Schweiz seit 2004 Lohndruck besteht: «Die Ergebnisse der PVK zeigen, dass die Öffnung des 7359

Arbeitsmarktes bereits ab 2004 einen Lohndruck zur Folge hatte. Dieser Lohndruck liess sich sowohl in konjunkturell guten Jahren (2006) als auch in wirtschaftlich schwierigen Jahren (2008) feststellen. Die Auswirkungen waren zunächst in den Grenzregionen zu beobachten und breiteten sich in der Folge landesweit aus. Als Erste bekamen ausländische Arbeitnehmende die Auswirkungen zu spüren. Doch mit der Zeit griff der Lohndruck auch auf Arbeitnehmende mit Schweizer Nationalität über. Am stärksten betroffen sind die Arbeitnehmenden mit niedrigem Bildungsniveau. Der Lohndruck tritt nicht nur in den klassischen Risikobranchen auf» (Bericht der GPK-N vom 21. Oktober 2011, BBl 2012 1210). Nach Ansicht des Bundesrates muss sich eine fundierte Schlussfolgerung zu einer so zentralen Frage wie die der Lohnentwicklung in der Schweiz und insbesondere dazu, ob ein Lohndruck besteht oder nicht, auf mehrere Studien mit übereinstimmenden Ergebnissen stützen können. Aus diesem Grund und weil andere Studien zum gleichen Thema zu anderen Ergebnissen als die Studie der Universität St. Gallen gekommen sind, erscheint es sinnvoll, eine zusätzliche Studie zur Lohnentwicklung durchzuführen.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass mittlerweile die neue Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) verfügbar ist (Lohnstrukturerhebung 2010).

Vor diesem Hintergrund hat das SECO die Universität Genf beauftragt, eine neue Studie unter ähnlichen Vorgaben, wie sie für die Universität St. Gallen galten, zu erstellen und sich dabei auf die Daten der Lohnstrukturerhebung des BFS von 2004 bis 2010 abzustützen. Wie dies in der wissenschaftlichen Forschung üblich ist, dürfte die Universität Genf die von der Universität St. Gallen angewandten Methoden vertiefen und einer kritischen Prüfung unterziehen sowie gegebenenfalls gewisse Anpassungen vornehmen. Der Schlussbericht der Universität Genf wird für Ende August 2012 erwartet; er wird der GPK-N dann zur Verfügung gestellt werden.

Arbeitsmarktaufsicht Wie auch die PVK bei ihrer Evaluation der flankierenden Massnahmen hat die GPK-N in ihrem Schlussbericht vom 21. Oktober 2011 und in ihrem Bericht vom 8. Mai 2012 festgehalten, dass ihr die in Bezug auf die Beobachtung des Arbeitsmarktes gesetzten Prioritäten nicht angemessen scheinen. 2011 beinhalteten die Kontrollvorgaben die
Kontrolle der Arbeitsbedingungen bei 2 Prozent der Schweizer Arbeitgeber, bei 3 Prozent der Schweizer Arbeitgeber in sensiblen Branchen (Fokusbranchen) sowie bei 50 Prozent der entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Laut dem jährlichen Bericht des SECO zum Vollzug der flankierenden Massnahmen wurden 2011 in der Schweiz rund 5 Prozent der Schweizer Unternehmen und 45 Prozent der entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kontrolliert (Bericht vom 27. April 2012 zur Umsetzung der flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr Schweiz ­ EU, 1. Januar bis 31. Dezember 2011). In seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2012 hat der Bundesrat die Gründe angegeben, warum prozentual gesehen mehr entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Schweizer Arbeitgeber kontrolliert wurden. Rechnung getragen wird so insbesondere dem höheren Risiko einer Lohnunterbietung bei Entsendungen sowie der Möglichkeit, bei der Kontrolle von Schweizer Arbeitgebern die bezahlten Löhne rückwirkend über mehrere Jahre hinweg zu überprüfen. Demgegenüber können entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur für den jeweiligen Zeitraum der Entsendung kontrolliert werden. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass seit Inkrafttreten der flankierenden Massnahmen durch die jährliche Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen bei mindestens 2 Prozent der Schweizer Arbeitgeber ein bedeutender Anteil der Schweizer Arbeitgeber einer solchen Kontrolle unterzogen wurde.

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Die Artikel 7 und 7a Absatz 3 EntsG sowie die Artikel 9 und 16d der Verordnung über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (EntsV; SR 823.201) regeln die Bundesfinanzierung der Arbeitsmarktbeobachtung durch die Kantone und der Kontrolltätigkeit bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die Kantone und die PK. Die Kontrolltätigkeit der PK im Rahmen des Vollzugs der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge (GAV) bei Schweizer Unternehmen gehört nicht zu den vom Bund nach EntsG mitfinanzierten Tätigkeiten. Eine Ausnahme bilden die nicht gedeckten Kosten, die den PK beim Vollzug des GAV aus den Kontrollen von meldepflichtigen Stellenantritten von kurzer Dauer (bis 90 Tage) in der Schweiz nach Artikel 9 Absatz 1bis der Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP; SR 142.203) entstehen. Der grosse Anteil der vom Bund für die Kontrolle der entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verwendeten Finanzierungsmittel, auf den die GPK-N hinweist, widerspiegelt die Aufteilung der Finanzierungskompetenzen und nicht die Aufteilung der durchgeführten Kontrollen.

Die quantitativen Kontrollziele sind in Artikel 16e EntsV festgelegt: Die mit dem Vollzug von GAV betrauten paritätischen Organe und die mit der Inspektionstätigkeit nach Artikel 7a EntsG beauftragten tripartiten Kommissionen (TPK) müssen jährlich insgesamt 27 000 Kontrollen durchführen. Diese Ziele werden gesamtschweizerisch von der TPK des Bundes koordiniert, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Kantone und der Sozialpartner zusammensetzt. Insbesondere werden die Fokusbranchen durch die TPK des Bundes bestimmt. Die TPK der Kantone können ausserdem spezifische Kontrollziele für ihren Kanton festlegen, zum Beispiel zusätzliche Fokusbranchen oder die Beobachtung der Löhne der Grenzgängerinnen und Grenzgänger.

Nach Ansicht des Bundesrates sind die TPK für die Beobachtung des Arbeitsmarktes in den von Artikel 360a Absatz 1 OR (SR 220) betroffenen Branchen zuständig, d.h. in den Branchen ohne allgemeinverbindlich erklärte GAV. Die Arbeitsmarktbeobachtung durch die TPK im Sinne von Artikel 360b Absatz 3 OR dient dazu, allfällige wiederholte missbräuchliche Lohnunterbietungen zu erkennen und die notwendigen Korrekturmassnahmen zu ergreifen. In den Branchen mit
einem allgemeinverbindlich erklärten GAV obliegt die Kontrolle der Arbeitsbedingungen hingegen der durch den Vertrag eingesetzten PK. Das Ziel der Kontrolle ist in diesen Fällen nicht die Beobachtung des Arbeitsmarktes und die Erkennung einer allfälligen wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung, sondern die Einhaltung der im allgemeinverbindlich erklärten GAV festgelegten Löhne. Die Kompetenzen der PK zur Kontrolle der Branchen mit einem allgemeinverbindlich erklärten GAV bestanden schon vor der Einführung der flankierenden Massnahmen und wurden durch deren Inkraftsetzung nicht geändert: Einerseits wurde die Zuständigkeit für die Kontrolltätigkeit im Rahmen des EntsG den TPK und den PK unter Berücksichtigung der bestehenden Kompetenzen der PK in diesem Bereich übertragen; andererseits wurden den TPK in Branchen mit einem allgemeinverbindlich erklärten GAV weder Aufgaben zur Arbeitsmarktbeobachtung noch eine Aufsichtsfunktion über die PK und deren Kontrolltätigkeit in Branchen mit einem allgemeinverbindlich erklärten GAV übertragen.

Die Arbeitsmarktbeobachtung im engeren Sinn, d.h. im juristischen Wortverständnis, unterliegt der oben beschriebenen Aufgabenaufteilung. Diese Aufgaben werden auf Bundes- und auf Kantonsebene zwischen den TPK und den PK koordiniert. Die TPK des Bundes legt die allgemeinen Prioritäten der Arbeitsmarktbeobachtung für 7361

sämtliche Branchen fest und bestimmt insbesondere die Fokusbranchen, in denen eine verstärkte Beobachtung erfolgt. Gegebenenfalls ergänzen die TPK der Kantone diese Prioritäten. Die tripartite Zusammensetzung der TPK sorgt ausserdem für eine direkte Verbindung mit den Sozialpartnern, welche die Träger der PK sind.

Die Arbeitsmarktbeobachtung im weiteren Sinne beinhaltet die allgemeine Beobachtung der Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere durch umfassende oder sektorielle Untersuchungen (z.B. zur Lohnentwicklung nach Branche oder Region, zu Veränderungen bei den erwerbstätigen Grenzgängerinnen und Grenzgängern usw.). Diese erweiterte Arbeitsmarktbeobachtung obliegt laut der GPK-N den TPK.

Wie die GPK-N unter Verweis auf das SECO festhält, können die TPK in diesem Rahmen «ganz allgemein die Auswirkungen der Entsendungen auf die Wirtschaft des Kantons oder der Region beobachten. [...] Es handelt sich dabei aber nicht um eigentliche Kontrollaufgaben» (Bericht der GPK-N vom 8. Mai 2012, S. 7, Zitat aus: Kommentar Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit, SECO, Oktober 2008, S. 73).

Der Bundesrat verfügt über keine Erkenntnisse, aufgrund derer die aktuelle Kompetenzaufteilung bei der Arbeitsmarktbeobachtung und der Kontrolltätigkeit in Frage gestellt werden müsste. Die Schlussfolgerungen der PVK und die Empfehlungen der GPK-N werden der TPK des Bundes bei der Festlegung der Prioritäten für die Arbeitsmarktbeobachtung ab dem Jahr 2013 unterbreitet und auch den TPK der Kantone vorgelegt, damit sie diese zukünftig bei der Festlegung ihrer Prioritäten berücksichtigen.

Um den Vollzug im Rahmen der oben beschriebenen Kompetenzaufteilung zu verbessern, wurde das EVD (SECO) zudem beauftragt, die Steuerung sowohl der TPK bei der Arbeitsmarktbeobachtung als auch der PK bei der Kontrolle der Unternehmen im Rahmen der flankierenden Massnahmen zu verstärken. Die Aktivitäten in diesem Bereich werden in der nächsten Ziffer (Empfehlung 1) ausführlicher beschrieben.

Kommunikation Den von der GPK-N angebrachten Hinweis zu den Daten des SECO, die die PVK im Rahmen der Evaluation analysiert hat, hat der Bundesrat zur Kenntnis genommen. Was den Inhalt der Kommunikation anbelangt, werden die laufenden und geplanten Verbesserungsmassnahmen in der folgenden Ziffer erörtert (Empfehlung 3).

Nachfolgend nimmt der Bundesrat Stellung zu den laufenden und geplanten Verbesserungen beim Vollzug der flankierenden Massnahmen.

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2.2

Zu den Empfehlungen und zum Postulat

Zu Empfehlung 1 Empfehlung 1

Strategische und operative Steuerung

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, sich für die rasche Umsetzung einer klaren Steuerungsstrategie einzusetzen, die auf objektiven, den gesamten Schweizer Arbeitsmarkt berücksichtigenden Indikatoren beruht. Dabei ist sowohl sämtlichen Feststellungen der PVK als auch allen Empfehlungen der GPK-N Rechnung zu tragen. Insbesondere ist der Problematik der neu eingestellten Arbeitnehmenden besondere Beachtung zu schenken.

Die Schlussfolgerungen des Berichts der GPK-N vom 8. Mai 2012 zur Festlegung der Prioritäten bei der Arbeitsmarktbeobachtung und bei der Lohnentwicklung bei neu eingestellten Arbeitnehmenden wurden teilweise in Ziffer 2.1 behandelt.

Der Bundesrat hat Empfehlung 1 der GPK-N entgegengenommen. Zu deren Umsetzung hat der Bundesrat die folgenden Verbesserungsmassnahmen getroffen beziehungsweise geplant: 1. Prioritäten bei der Arbeitsmarktbeobachtung Wie in Ziffer 2.1 erwähnt, legen die TPK des Bundes und die TPK der Kantone die Prioritäten bei der Arbeitsmarktbeobachtung fest. Die Feststellungen der PVK und die Empfehlungen der GPK-N werden diesen Organen unterbreitet, damit sie diese bei der Festlegung der Prioritäten 2013 für die Arbeitsmarktbeobachtung berücksichtigen.

2. Steuerungsstrategie und Stärkung der Steuerungsinstrumente Der Bund hat 2010 eine umfassende Steuerungsstrategie für die flankierenden Massnahmen eingeführt. Die strategische Steuerung wird ebenfalls von der TPK des Bundes gewährleistet. Diese legt die wesentliche Ausrichtung der Arbeitsmarktbeobachtung fest.

Bei den Empfehlungen der GPK-N handelt es sich mehrheitlich um Empfehlungen zur operativen Steuerung (Entwicklung von Indikatoren, Harmonisierung der Praktiken der Vollzugsorgane usw.). Um die entsprechenden Empfehlungen der GPK-N zu berücksichtigen, hat das SECO folgende Schwerpunkte festgelegt: a)

Erfolgsfaktoren beim Vollzug. Die Evaluation der flankierenden Massnahmen durch die PVK konzentrierte sich auf die Steuerung der flankierenden Massnahmen durch den Bund. Die Analyse der Erfolgsfaktoren beim Vollzug der flankierenden Massnahmen durch die Vollzugsorgane war hingegen nicht Teil ihres Auftrags. Wie die GPK-N festhält, wird die Gesetzgebung heute nicht einheitlich umgesetzt. Zur schrittweisen Verringerung der Unterschiede beim Vollzug sollen Lehren aus den wirksamsten aktuellen Praktiken gezogen werden, damit alle Vollzugsorgane diese anwenden (unter Wahrung des vom Gesetzgeber gewollten dezentralen Vollzugs). Das SECO ist zurzeit dabei, die Erfolgsfaktoren beim Vollzug der flankierenden Mass-

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nahmen zu identifizieren, um auf dieser Grundlage gemeinsame Anforderungen und Standards für die Vollzugsorgane festzulegen.

b)

Massnahmen zur Professionalisierung der PK. In diesem Bereich wurden verschiedene Massnahmen eingeleitet mit dem Ziel, die Verfahren und Abläufe in gewissen zentralen Punkten zu harmonisieren. Es geht namentlich darum, Mängel zu beheben, die gewisse PK bei der Umsetzung der Kontrollen von Verstössen und ihrer Weiterleitung an die kantonalen Behörden aufweisen. Diese Verbesserungsmassnahmen sollen unter Berücksichtigung der beim Vollzug identifizierten Erfolgsfaktoren nach und nach ergänzt werden.

c)

Verbesserungen bei der Beobachtung des Arbeitsmarktes. Der Bundesrat ist bestrebt, unter Wahrung der den TPK der Kantone zugewiesenen Kompetenzen die Unterschiede bei der Arbeitsmarktbeobachtung zu verringern.

Insbesondere soll gewährleistet sein, dass die TPK den Begriff «üblicher Lohn» definieren und dass sie über transparente Kriterien und Methoden zur Feststellung von Lohnunterbietungen sowie über klare Kriterien zur Definition von «wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietungen» verfügen.

Ausserdem nimmt das SECO zurzeit eine Bestandesaufnahme der Praktiken vor, die bei der Beobachtung von Einstiegslöhnen bei Grenzgängerinnen und Grenzgängern in ausgewählten Grenzkantonen angewendet werden.

d)

Audits der Vollzugsorgane. Das SECO führt schrittweise Audits bei den Vollzugsorganen ein. Die Audits umfassen sämtliche Aktivitäten im Vollzug der flankierenden Massnahmen.

e)

Verbesserung der Anreizsysteme für die Vollzugsorgane. Sobald die Erfolgsfaktoren beim Vollzug der flankierenden Massnahmen (z.B. Best Practices bei der Kontrolle, den Einigungsverfahren oder der Sanktionierung von fehlbaren Unternehmen) im Detail bestimmt wurden, wird das SECO die Anreize für die Vollzugsorgane überprüfen und gegebenenfalls optimieren, damit die Vollzugsorgane diese beste Praxis anwenden. Einerseits sollen dafür bei Bedarf die Steuerungsindikatoren verbessert und andererseits soll das Finanzierungssystem überprüft werden, um die Effizienz und Wirksamkeit bei der Verwendung der verfügbaren Finanzmittel durch die Vollzugsorgane zu erhöhen.

f)

Entwicklung der Indikatoren für die Steuerung des Vollzugs. Die heutige Steuerung basiert auf einem Indikator zur Anzahl der Kontrollen. Die den Vollzugsorganen vorgegebenen Ziele stützen sich auf diesen Indikator und legen die Gesamtzahl der jährlich durchzuführenden Kontrollen sowie deren Aufteilung fest. Das aktuelle Steuerungssystem basiert auf der Anzahl Kontrollen, weil es nur begrenzt unerwünschte Nebeneffekte mit sich bringt.

Dieses System soll im Laufe der Zeit erneut überprüft und gegebenenfalls mit weiteren Indikatoren ergänzt werden.

g)

Optimierung der erhobenen und ausgewerteten Daten zu den flankierenden Massnahmen. In ihrer Empfehlung 3 hat die GPK-N den Bundesrat und das SECO aufgefordert, sicherzustellen, dass die Daten zu den flankierenden Massnahmen aussagekräftig, vollständig, verlässlich und objektiv sind. Die Konsolidierung der erhobenen Daten zu den flankierenden Massnahmen sowie die Verbesserung ihrer Qualität sind ebenfalls Teil der geplanten Massnahmen zur Stärkung der Steuerungsinstrumente (siehe auch Emp-

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fehlung 3 unten). Für sämtliche Bereiche der Arbeitsmarktbeobachtung und -kontrolle sollten die erhobenen Daten vervollständigt werden. Es wird ausserdem eine Verbesserung der Qualität dieser Daten angestrebt.

h)

Allgemeine Stärkung der Steuerung und der Weisungen. Die verschiedenen oben beschriebenen Punkte setzen eine allgemeine Stärkung der Steuerung und der Weisungen an die Vollzugsorgane voraus.

3. Problematik der neu eingestellten Arbeitnehmenden Wie in Ziffer 2.1 erwähnt, wird die Entwicklung der Löhne der Arbeitnehmenden und insbesondere der neu eingestellten Arbeitnehmenden in einer Studie der Universität Genf untersucht.

Zu Empfehlung 2 Empfehlung 2

Harmonisierung der Prozesse

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, die verschiedenen Umsetzungsakteure der flankierenden Massnahmen zu unterstützen, den Dialog mit ihnen zu suchen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um eine Richtlinie, eine Feststellungsmethode bzw. Kriterien zwecks Präzisierung der wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung festzulegen. Die GPK-N ist überzeugt, dass man auf diese Weise die Unterschiede in der Anwendung der flankierenden Massnahmen verringern kann und so der Absicht des Gesetzgebers besser Rechnung trägt.

Der Bundesrat teilt die Auffassung der GPK-N, dass die vom Gesetzgeber gewollte Dezentralisierung beim Vollzug der flankierenden Massnahmen Hand in Hand geht mit der Befolgung von Leitlinien durch die Vollzugsorgane. Dadurch werden die Einhaltung von Qualitätsstandards und die Verringerung der Unterschiede bei der Umsetzung ermöglicht.

Wie aus den Erörterungen zu Empfehlung 1 hervorgeht, betreffen die Anstrengungen des Bundes die beiden von der GPK-N aufgezeigten Hauptschwächen im Vollzug. Einerseits bestehen bei einigen PK Umsetzungsmängel bei der Kontrolle der Verstösse und ihrer Weiterleitung an die kantonalen Behörden; andererseits fehlt es bei einigen TPK an Kriterien oder Methoden zur Feststellung von Lohnunterbietungen sowie an klaren Kriterien zur Definition einer wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung. Weitere Massnahmen zur Stärkung der Aufsicht, namentlich die Einführung von Audits, dürften ebenfalls den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren fördern und zu einer schrittweisen Vereinheitlichung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen beitragen.

Zu Empfehlung 3 Empfehlung 3

Kommunikation auf verlässlicher Datenbasis

Die GPK-N lädt den Bundesrat und das SECO ein, sich bei ihrer Kommunikation und ihren Schlussfolgerungen auf aussagekräftige, vollständige, verlässliche und objektive Daten zu stützen, um mehr Transparenz zu schaffen.

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Der Bundesrat und das SECO haben die Empfehlung der GPK-N entgegengenommen und sind bestrebt, die Qualität der für die Kommunikation und die Evaluation der Auswirkungen der flankierenden Massnahmen erhobenen Daten zu verbessern.

Der Bundesrat und das SECO stützen sich gegenwärtig für ihre Schlussfolgerungen und ihre Kommunikation auf einen Teil der ihnen zur Verfügung stehenden Daten.

Gewisse Daten werden nicht veröffentlicht, da ihre Qualität ungenügend ist. (Im Rahmen der Arbeitsmarktbeobachtung durch die TPK des Bundes werden die erhobenen Daten allerdings eingehend analysiert, unter anderem zur Festlegung der Fokusbranchen.) Mit anderen Worten: Die Schlussfolgerungen und die Kommunikation des Bundes stützen sich heute auf Daten, die so verlässlich und objektiv wie möglich sind, aber nicht auf sämtliche verfügbaren Daten.

Die von der PVK aufgezeigten Qualitätsprobleme bei gewissen vom Bundesrat und vom SECO nicht veröffentlichten Daten sind in erster Linie auf die unterschiedlichen Praktiken der Vollzugsorgane zurückzuführen. Wie von der GPK-N erwähnt, veröffentlichen der Bundesrat und das SECO keine vertieften Analysen zur Aufteilung und zur Struktur der Kontrollen, da aufgrund der Unterschiede beim Vollzug heute ein Vergleich der Daten nicht möglich ist. (So ist etwa bei Vollzugsorganen, die Kontrollen bei Verdacht auf Verstösse durchführen, in der Regel eine höhere Verstossquote zu beobachten als bei Vollzugsorganen, die die Arbeitgeber nach dem Zufallsprinzip kontrollieren.)

Im Hinblick auf eine bessere Transparenz und Qualität der Daten will der Bund die zum Vollzug der flankierenden Massnahmen erhobenen Daten ergänzen, insbesondere die von den PK erhobenen Daten. Ausserdem sollte eine zunehmende Harmonisierung der Praxis der Vollzugsorgane ebenfalls zu einer grösseren Homogenität der Daten führen.

Zum Postulat Postulat

Prüfung einer gesetzlichen Lösung

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, den gesetzlichen Handlungsbedarf im Bereich der Normalarbeitsverträge sowie betreffend die Problematik der Subunternehmerketten vertieft abzuklären.

Der Bundesrat hat das Postulat der GPK-N zur Annahme empfohlen. Er hat dem Parlament Anfang März 2012 Vorschläge für eine Gesetzesänderung (Revision des EntsG) unterbreitet, die insbesondere die Sanktionierung von Schweizer Arbeitgebern betreffen, die gegen die Bestimmungen von Normalarbeitsverträgen (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen verstossen. Das Parlament hat die Revision des EntsG am 15. Juni 2012 gutgeheissen. Es hat sich auch mit der Einführung einer Solidarhaftung der Unternehmen im Falle von bei Subunternehmerketten festgestellten Missbräuchen befasst und hat entschieden, diese Frage im Herbst 2012 zu behandeln.

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Gesetzesänderungen wurden in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2012 beschrieben. In der vorliegenden Stellungnahme äussert sich der Bundesrat ausschliesslich zu den von der GPK-N in ihrer Stellungnahme vom 8. Mai 2012 hervorgehobenen Punkten.

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In ihrem Bericht vom 8. Mai 2012 macht die GPK-N geltend, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Möglichkeit zur Auferlegung einer Verwaltungssanktion, die eine Belastung durch einen Betrag bis 5000 Franken vorsieht, eine zu wenig abschreckende Wirkung hat. Mit dieser Möglichkeit soll die rechtliche Lücke bei der Sanktionierung von Schweizer Arbeitgebern, die gegen Normalarbeitsverträge (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen im Sinne von Artikel 360a OR verstossen, geschlossen werden.

Die Höhe der Belastung wurde auf den Betrag von 5000 Franken beschränkt (dies gilt heute übrigens bereits gegenüber ausländischen Unternehmen), weil so auf der Grundlage von Artikel 7 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) auch juristische Personen sanktioniert werden können. Zusätzlich können die zuständigen kantonalen Behörden auch Kontrollkosten erheben.

Das Parlament hat in seinen Beratungen im Juni 2012 die Möglichkeit geprüft, die Verwaltungssanktion auf über 5000 Franken anzuheben. Es hat diese Option letztendlich aber verworfen.

Falls die in Artikel 12 EntsG aufgeführten Tatbestände, d.h. eine Verletzung der Auskunftspflicht oder die Widersetzung gegen eine Kontrolle, erfüllt sind, ist auch eine strafrechtliche Sanktion möglich. Der Bundesrat hat zudem eine Ergänzung von Artikel 12 vorgeschlagen (neuer Buchstabe), wonach mit einer Busse von bis zu 40 000 Franken bestraft wird, wer in der Schweiz angestellte Arbeitnehmende beschäftigt und dabei systematisch und in gewinnsüchtiger Absicht gegen die NAV mit zwingenden Mindestlöhnen verstösst. Das Parlament hat die entsprechende Gesetzesbestimmung am 15. Juni 2012 verabschiedet.

Die GPK-N weist darauf hin, dass der Bundesrat dem Aspekt der Wiedergutmachung des erlittenen Schadens nicht Rechnung trägt, also der Verpflichtung der Arbeitgeber, den geschädigten Arbeitnehmenden den Lohnunterschied zu bezahlen.

Die Ansprüche der Arbeitnehmenden aus dem Arbeitsvertrag sind allerdings Gegenstand des Zivilrechts. Daher müssen die geschädigten Arbeitnehmenden ihre Ansprüche einzeln bei den zuständigen Gerichten geltend machen. Es besteht ausserdem die Möglichkeit, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände nach Artikel 360e OR eine Klage auf gerichtliche Feststellung, ob ein Arbeitgeber den Normalarbeitsvertrag nach Artikel 360a OR einhält,
einreichen. Im Übrigen hat sich der Bundesrat in einem anderen Kontext für eine «Prüfung von Instituten der kollektiven Rechtsdurchsetzung» in allgemeiner und sehr breit angelegter Form ausgesprochen, dies insbesondere auch im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen im Arbeitsrecht (Stellungnahme des Bundesrates vom 30. November 2011 zur Motion 11.3977 Birrer Heimo «Erleichterung der Rechtsdurchsetzung in kollektiven Verfahren»).

2.3

Zeitplan

Der Zeitplan sieht wie folgt aus: ­

Revision EntsG. Der Bundesrat hat dem Parlament Anfang März 2012 die Botschaft zur Revision des EntsG unterbreitet. Diese Revision sieht insbesondere die Sanktionierung von Schweizer Arbeitgebern vor, die gegen die Bestimmungen von Normalarbeitsverträgen mit zwingenden Mindestlöhnen verstossen. Sie wurde vom Parlament am 15. Juni 2012 gutgeheissen. Die 7367

Räte haben ausserdem beschlossen, die allfällige Einführung einer Solidarhaftung von Erstunternehmern bei Verstössen gegen die Lohn- und Arbeitsbedingungen durch ihre Subunternehmer separat zu behandeln.

­

Erfolgsfaktoren beim Vollzug. Die Erfolgsfaktoren sollen 2012 vertieft analysiert werden. Diese Analyse wird als kontinuierlicher Optimierungsprozess für den Vollzug in den nächsten Jahren fortgesetzt.

­

Massnahmen zur Professionalisierung der PK. Die Gesamtkonzeption des Projekts sowie eine Analyse der Risiken und der Erfolgsfaktoren beim Vollzug wurden im ersten Halbjahr 2012 realisiert. Ein erstes Paket von Verbesserungsmassnahmen wird zurzeit festgelegt und soll ab dem zweiten Halbjahr 2012 und im Jahr 2013 in den PK schrittweise umgesetzt werden. Ein zweites Paket von Verbesserungsmassnahmen wird 2013 definiert und nach und nach umgesetzt.

­

Verbesserung der Aktivitäten im Rahmen der Arbeitsmarktbeobachtung. Das SECO erarbeitet zurzeit ein Konzept für die Arbeitsmarktbeobachtung, um die TPK bei ihren entsprechenden Tätigkeiten zu unterstützen und die Einhaltung von Mindeststandards in diesem Bereich zu gewährleisten. Ab Ende 2012 sollte dieses Konzept schrittweise umgesetzt werden.

­

Audits. Die Konzipierung der Audits wurde im Frühjahr 2012 abgeschlossen. Das Konzept wurde anschliessend bei den Vollzugsorganen getestet, um eventuelle Anpassungen vornehmen zu können. Die Testphase der Audits läuft noch bis Ende 2012. Ab Anfang 2013 werden die Audits definitiv eingeführt.

­

Verbesserung der Anreizsysteme. Die Verbesserung der Anreizsysteme sowie eine allfällige Revision des Finanzierungssystems, um die Effizienz und die Wirksamkeit bei der Verwendung der verfügbaren Mittel zu erhöhen, hängen vor allem von den Ergebnissen der Analysen zu den Erfolgsfaktoren beim Vollzug ab. Die entsprechenden Arbeiten werden 2013 in Angriff genommen.

­

Indikatoren für die Steuerung des Vollzugs. Die Überprüfung der Steuerungsindikatoren ist unter anderem von den im Anreizsystem für die Vollzugsorgane eingeführten Verbesserungen abhängig. Mit der Überprüfung der Indikatoren sollte daher 2014 begonnen werden.

­

Verbesserung der erhobenen Daten und des Controllings. Punktuelle Verbesserungen sollten im Rahmen der Professionalisierung der PK eingeführt werden. Eine Revision der erhobenen Daten und des Indikatorensystems für das Controlling hängt, wie bei den Indikatoren für die Steuerung, von den im Anreizsystem eingeführten Verbesserungen ab und wird voraussichtlich 2014 in Angriff genommen.

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Tabelle Der Zeitplan im Überblick Botschaft BR

Revision EntsG

Entscheid Parlament

Referendumsfrist

Umsetzung

Umsetzungsvorbereitung

Erfolgsfaktoren beim Vollzug

Analyse und Empfehlungen Gesamtkonzept

Massnahmen zur Professionalisierung der PK

Kontinuierlicher Prozess

Verb.-massnahmen I Umsetzung Verbesserungsmassnahmen I durch PK Verbesserungsmassnahmen II

Verbesserung der Arbeitsmarktbeobachtung

Konzept und Konsultation TPK

Audits

Konzept

Umsetzung II

Umsetzung durch TPK

Testphase

Umsetzung bei PK/TPK Konzept (Anreize, Finanzierung)

Verbesserung der Anreizsysteme

Umsetzung Konzept

Indikatoren für die Steuerung Verbesserung Daten/Controlling Allg. Verbesserung der Steuerung 2012

Umsetzung punktueller Verbesserungen

Konzept

Kontinuierlicher Prozess 2013

2014

Gemäss dem Beschluss des Bundesrates vom 18. Januar 2012, müssen dem SECO zur Umsetzung der Empfehlungen der GPK-N vier neue Stellen zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen der Gesamtschau Ressourcen vom 27. Juni 2012 hat der Bundesrat diese zusätzlichen personellen Ressourcen in das ordentliche Budget aufgenommen. Sobald ab 2013 die zusätzlichen personellen Ressourcen verfügbar sind, werden folgende Verbesserungsmassnahmen konkretisiert und die Fristen zu deren Umsetzung genau festgelegt: Verbesserung der Anreizsysteme, Entwicklung der Indikatoren für die Steuerung, Verbesserung der erhobenen Daten und des Controllings.

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