99.074 Botschaft über das Zusatzprotokoll Nr. 5 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 8. September 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft die Entwürfe zu einem Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung des Zusatzprotokolls Nr. 5 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte sowie zu einem Bundesgesetz über die Durchführung von Auflagen für die Inbetriebnahme von Rheinschiffen und von Massnahmen zur Förderung des Rheinschiffsverkehrs.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. September 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-5218

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Übersicht Die Europäische Union (EU) und die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) führen seit 1989 Massnahmen zur Strukturbereinigung in der Binnenschifffahrt durch. Die Massnahmen umfassen einerseits die Förderung der Verschrottung von Schiffen durch Prämienzahlungen («Abwrackaktion») und andererseits Auflagen für die Inbetriebnahme neuer Schiffe («Alt-für-Neu-Regelung»: die Schiffseigner müssen alten Schiffsraum verschrotten, wenn sie neuen in Betrieb nehmen, oder stattdessen einen «Sonderbeitrag» an die Abwrackkasse entrichten).

Die Schweiz ist via ZKR an den Massnahmen beteiligt. Völkerrechtliche Basis ist das Zusatzprotokoll Nr. 4 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte. Ende 1999 läuft dieses Zusatzprotokoll aus. Ein Teil der Strukturbereinigungsmassnahmen, nämlich die Alt-für-Neu-Regelung, soll aber als Auslaufmassnahme noch bis 2003 weitergeführt werden. Das macht ein neues, fünftes Zusatzprotokoll zur Rheinschifffahrtsakte nötig. Es wurde am 28. April 1999 von den fünf Mitgliedstaaten der ZKR unterzeichnet.

Mit der Alt-für-Neu-Auslaufregelung übernimmt die ZKR entsprechende Beschlüsse der EU. Nicht übernommen hat die ZKR dagegen den im EU-Recht ebenfalls enthaltenen unbefristeten Mechanismus zur Reaktivierung von Strukturbereinigungsmassnahmen im Falle von schweren Störungen des Binnenschifffahrtsmarkts («Krisenmechanismus»).

Die Alt-für-Neu-Auslaufmassnahmen werden von der Europäischen Kommission koordiniert. An der Aktion beteiligt sind Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Österreich und die Schweiz. Im Gegensatz zur Strukturbereinigung 1989­1999 sieht die neue Regelung keine staatlichen Beiträge vor. Die Staaten müssen aber einen Binnenschifffahrtsfonds einrichten und verwalten. Gespeist wird der Fonds aus den Alt-für-Neu-Sonderbeiträgen der Unternehmer. Die Fondsmittel können auf Antrag der Binnenschifffahrtsverbände im Rahmen von Aktionen auf Gemeinschafts- und Rheinschifffahrtsebene für Fördermassnahmen im Sozial- und Ausbildungsbereich verwendet werden.

Die sich aus dem Zusatzprotokoll Nr. 5 ergebenden konkreten Verpflichtungen sind in einer Verordnung der ZKR in Übereinstimmung mit dem EU-Recht festgelegt. Da nicht alle Vorschriften direkt anwendbar sind, bedarf es zusätzlicher nationaler Regelungen, namentlich betreffend den schweizerischen Binnenschifffahrtsfonds.

Das Zusatzprotokoll ist bereits ab dem 1. Januar 2000 anwendbar. Das Bundesgesetz über die Durchführung der Massnahmen ist deshalb dringlich.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

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Die schweizerische Rheinschifffahrt

Die internationale Rheinflotte der Schweiz umfasst rund 75 Güterschiffe. Die durchschnittliche Transportkapazität pro Schiff beträgt etwa 2000 t, was deutlich über dem Mittel in den anderen Staaten liegt. Der schweizerische Anteil an der gesamten Rheinflotte liegt bei 2 Prozent.

Fast 15 Prozent der gesamten Aussenhandelsmenge der Schweiz werden via Rhein befördert, vor allem Erdölerzeugnisse. Diese beachtliche Leistung im Dienste unserer Aussenwirtschaft wird leider verschiedentlich nur ungenügend zur Kenntnis genommen. Dies ist umso bedauerlicher, als es sich bei der Rheinschifffahrt um einen Verkehrsträger mit einer sehr geringen Umweltbelastung und relativ bescheidenen Infrastrukturbedürfnissen handelt.

Die völkerrechtliche Ordnung der Rheinschifffahrt beruht auf der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (Mannheimer Akte) vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 (SR 0.747.224.10). Die Akte enthält als wichtigste Grundprinzipien die Schifffahrtsfreiheit (einschliesslich der Freiheit von Abgaben, die lediglich auf der Beschiffung gründen) sowie die Einheit des Rheinregimes.

Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR), eine internationale Organisation mit Sitz in Strassburg, wacht über die Einhaltung der Prinzipien der Mannheimer Akte und über die Weiterentwicklung des Rheinregimes. Sie erlässt polizeiliche und technische Vorschriften, die der Sicherheit der Rheinschifffahrt dienen.

Mitgliedstaaten sind Deutschland, Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz. Mit Ausnahme der Schweiz gehören somit alle ZKR-Mitglieder der EU an.

Dank dem Einstimmigkeitsprinzip in der ZKR kann die Schweiz in dieser ältesten heute tätigen europäischen Organisation gleichberechtigt mitentscheiden. Das Interesse der Schweiz an einer einflussreichen ZKR ist augenfällig.

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Schifffahrtsrechte der Schweiz

Auf Grund der Mannheimer Akte geniessen die unter Schweizer Flagge fahrenden Binnenschiffe auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen die vollen Verkehrsrechte.

Für die übrigen mit dem Rhein verbundenen Schifffahrtsstrassen gewährt die Mannheimer Akte keine derartigen Freiheiten. 1996 forderte die ZKR aber ihre der EU angehörenden Mitgliedstaaten auf, «die notwendigen Initiativen zu ergreifen, damit sichergestellt wird, dass den zur Rheinschifffahrt gehörigen Schiffen, die im Besitz der Rheinschifffahrts-Zugehörigkeitsurkunde sind und an den Sanierungsmassnahmen und deren Finanzierung teilnehmen, auf sämtlichen mit dem Rhein verbundenen Schifffahrtsstrassen der Mitgliedstaaten in jeder Hinsicht die nationale Behandlung nach Artikel 4 letzter Absatz der Mannheimer Akte eingeräumt wird» (Resolution l996-I-10).

Ausgehend davon erhielt die Schweiz 1998 im Rahmen der ZKR zusätzliche Schifffahrtsrechte. Diese basieren auf Erklärungen der deutschen und der französischen Delegation in der ZKR, die Aufnahme in die Resolutionen 1998-I-7, 1998-I9091

11 und 1998-II-12 der ZKR fanden. Die schweizerischen Rheinschiffe dürfen nun bewilligungsfrei Transporte auf den deutschen Wasserstrassen ausführen (ausser Drittlandverkehr mit einem Nicht-ZKR-Staat). In Frankreich gilt die Bewilligungsfreiheit auf den mit dem Rhein verbundenen Grossschifffahrtsstrassen. Nach wie vor eine Bewilligung brauchen schweizerische Schiffe in Österreich, da dieses Land der ZKR nicht angehört.

Damit ist heute der langjährige schweizerische Wunsch nach Gleichbehandlung bei den Schifffahrtsrechten in pragmatischer Weise ­ allerdings ohne formelle Einräumung der Gleichbehandlung ­ weitgehend erfüllt. Die Niederlande gewährten der Schweiz die fraglichen Rechte nämlich schon seit langem (niederländisches Binnenschifffahrtstransportgesetz; Staatsblatt des Königreichs der Niederlande, Jahrgang 1991, 711), und auch in Belgien geniessen die zur Rheinflotte gehörenden schweizerischen Schiffe Verkehrsrechte.

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Strukturbereinigung 1989­1999

Die Binnenschifffahrt leidet europaweit seit mehreren Jahrzehnten unter Überkapazitäten. Zu deren Beseitigung führen EU1 und ZKR seit 1989 Strukturbereinigungsmassnahmen durch. Beteiligt an dieser internationalen Aktion sind die Niederlande, Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich und die Schweiz. Die Massnahmen umfassen die Förderung der Verschrottung von Schiffen («Abwrackaktion») sowie Auflagen für die Inbetriebnahme von neuem Schiffsraum («Alt-für-NeuRegelung»):

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Abwrackaktion: Jeder beteiligte Staat gründete eine «Abwrackkasse». Unternehmer, die ein Güterschiff abwrackten (den Schiffsrumpf verschrotteten), erhielten von der Kasse eine Abwrackprämie, beispielsweise 1 Million Franken für ein Tankschiff mit einer Tragfähigkeit von 2200 t. Im Gegenzug mussten alle Schiffseigner zur Finanzierung der Aktion jährlich einen Beitrag an die Kasse leisten (rund 10 000 Fr. für das oben genannte Tankschiff).

Ab 1995 leisteten auch die EU und die Staaten Beiträge an die Kassen, da die Finanzierung durch die Unternehmer nicht ausreichte. Die Kassen der einzelnen Staaten sind untereinander finanziell solidarisch. Die Koordination erfolgt durch die Europäische Kommission. Im April 1999 wurde die Abwrackaktion abgeschlossen. Sie hatte zu einer Reduktion der Flottenkapazität um etwa 19 Prozent bei den Tankschiffen und um etwa 18 Prozent bei den Trockengüterschiffen geführt. Die Gesamtkosten der internationalen Aktion beliefen sich auf rund 338 Millionen Euro (540 Mio. Fr.). Die Unternehmer trugen hierzu 157 Millionen Euro bei, die EU 25 Millionen Euro und die Staaten 156 Millionen Euro.

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Alt-für-Neu-Regelung: Die Unternehmer müssen alten Schiffsraum verschrotten, wenn sie neuen in Betrieb nehmen. Es steht ihnen jedoch die Alternative offen, stattdessen einen so genannten Sonderbeitrag an die Abwrackkasse zu entrichten. Da der Alt-für-Neu-Sonderbeitrag den Kauf eines neuen Schiffs erheblich verteuert (je nach Schiffskatagorie und -grösse um In dieser Botschaft wird der Ausdruck "Europäische Union" (EU) im umgangssprachlichen und nicht im juristischen Sinn verwendet. In Wirklichkeit handelt es sich bei den hier behandelten Massnahmen um solche der Europäischen Gemeinschaften (EG).

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teilweise mehr als 20%), wird er in der Praxis «Neubau-Busse» oder «Pönale» genannt. Die Pönalen sollen verhindern, dass die Wirkung der Abwrackaktionen durch den Kauf neuer Schiffe zunichte gemacht wird. Bis April 1999 diente die Alt-für-Neu-Regelung denn auch lediglich als Begleitmassnahme zur Abwrackaktion. Seither bildet sie aber eine eigenständige Massnahme (vgl. unten zur Auslaufregelung).

Die Rechtsgrundlagen für die Strukturbereinigung 1989­1999 waren von der EU geschaffen und dann von der ZKR ins Rheinregime übernommen worden, und zwar durch das Zusatzprotokoll Nr. 4 zur Mannheimer Akte vom 25. April 1989 (SR 0.747.224.101.4) sowie durch eine ausführende Verordnung der ZKR vom 19. Mai 1989 (SR 747.224.010.2). Am 15. Dezember 1989 nahm die Bundesversammlung den Bundesbeschluss über die Durchführung der Massnahmen zur Strukturbereinigung in der Rheinschifffahrt an (SR 747.224.010; Botschaft BBl 1989 III 330). Gestützt hierauf erliess der Bundesrat die nötigen innerstaatlichen Verordnungen (SR 747.224.010.1, 747.224.010.21, 747.224.010.3). Auf dieser Grundlage ist die Schweiz vollumfänglich in die internationalen Massnahmen eingebunden.

Die schweizerische Abwrackkasse ist dem Schweizerischen Seeschifffahrtsamt angegliedert. Sie führt die Massnahmen in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft (SVS) durch. Seit 1989 zahlte die Kasse Prämien für 25 abgewrackte Schiffe im Betrag von insgesamt rund 12 Millionen Franken. Die schweizerischen Schifffahrtsunternehmer entrichteteten Beiträge in der Höhe von rund 10 Millionen Franken an die Kasse (Jahresbeiträge und Alt-für-Neu-Beiträge). Auf Grund des dringlichen Bundesbeschlusses vom 19. Dezember 1997 (AS 1997 3020; Botschaft: BBl 1997 IV 593) leistete der Bund 1998 und 1999 einen Beitrag von insgesamt 2 Millionen Euro (rund 3,2 Mio. Fr.).

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Auslaufregelung bis 2003

Ende März 1999 beschloss der EU-Rat die Weiterführung der Alt-für-Neu-Regelung bis 2003 als Auslaufmassnahme für die Strukturbereinigung 1989­1999. Die EUKommission verabschiedete die dazu gehörige Ausführungsverordnung. Gleichzeitig schuf die EU einen unbefristeten Mechanismus («Krisenmechanismus»), mit dem die Europäische Kommission im Falle einer schweren Störung des Binnenschifffahrtsmarktes auf Antrag eines Mitgliedstaates die Strukturbereinigungsmassnahmen reaktivieren kann (Verordnung EG Nr. 718/1999 des Rates der Europäischen Union vom 29. März 1999 über kapazitätsbezogene Massnahmen für die Binnenschifffahrtsflotten der Gemeinschaft zur Förderung des Binnenschiffsverkehrs, ABl. L 90 vom 2. April 1999, S. 1; Verordnung EG Nr. 805/1999 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 16. April 1999 zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung EG Nr. 718/1999, ABl. L 102 vom 17. April 1999, S.

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Ziel der Auslaufmassnahmen ist eine schrittweise Beendigung der Strukturbereinigung. Die befristete Weiterführung der Alt-für-Neu-Regel soll verhindern, dass die in den vergangenen zehn Jahren erreichte Kapazitätsverringerung zunichte gemacht wird, indem der Wegfall der «Neubau-Bussen» neue Schiffe massiv verbilligt und damit zu einer unerwünschten Kapazitätszunahme führt.

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Die ZKR beschloss am 28. April 1999, die Vorschriften der EU betreffend die Altfür-Neu-Auslaufregelung ins Rheinregime zu übernehmen. Nicht übernommen hat sie dagegen den Krisenmechanismus. Dieser Kompromiss ist das Resultat eingehender Verhandlungen, bei denen alle Parteien der Erhaltung der Einheit des Rheinregimes einen hohen Stellenwert beimassen. An sich hätte es die Schweiz vorgezogen, die Strukturbereinigung Ende 1999 unwiderruflich zu beenden und die Kapazitätsregulierung künftig dem Markt zu überlassen. Die Teilnahme der Schweiz an den Auslaufmassnahmen ermöglicht es, die auch im schweizerischen Interesse liegende, über hundert Jahre bewährte Einheit des Rheinregimes zu wahren. Die Auslaufregelung kann nur dann wirksam sein, wenn sie in allen Rheinanliegerstaaten gleichermassen gilt. Würde sich die Schweiz nicht beteiligen, so könnten die Unternehmer aus den anderen Staaten die Alt-für-Neu-Regelung via die Einflaggung ihrer Schiffe in der Schweiz umgehen. Die schweizerische Beteiligung ist deshalb Ausdruck einer solidarischen europäischen Binnenschifffahrtspolitik. Andererseits kommt der Verzicht auf die Übernahme des Krisenmechanismus der EU den schweizerischen Interessen entgegen. Vor allem aus wirtschaftspolitischen Erwägungen wollte die Schweiz sich nicht an diesem Mechanismus beteiligen, der mit einer unbefristeten Verankerung von kapazitätsregulierenden Massnahmen verbunden gewesen wäre und dessen Inhalt zudem noch nicht genau bekannt war.

Seit Ende April 1999 befindet sich die Strukturbereinigung somit in der Auslaufphase. Bis Ende 1999 basiert die Auslaufregelung auf dem Rhein noch auf dem Zusatzprotokoll Nr. 4 zur Mannheimer Akte. Da dieses Zusatzprotokoll aber am 31. Dezember 1999 ausläuft, braucht es für die Zeit danach eine neue Rechtsgrundlage in Form eines weiteren, fünften Zusatzprotokolls.

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Ergebnis des Vorverfahrens

Die Schweizerische Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft (SVS), welche die Interessen der Binnenschifffahrtsunternehmer vertritt, befürwortet aus Gründen der europäischen Solidarität die bis April 2003 beschränkte Alt-für-NeuAuslaufregelung, auch im Sinne einer Gegenleistung für die 1998 eingeräumten Schifffahrtsrechte.

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Besonderer Teil: Das Zusatzprotokoll Nr. 5 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte

Das Zusatzprotokoll Nr. 5 wurde am 28. April 1999 in Strassburg unterzeichnet.

Vertragsstaaten sind die Mitgliedstaaten der ZKR, also Deutschland, Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz.

Die vier einleitenden Erwägungen des Zusatzprotokolls machen deutlich, dass es sich bei den zu ergreifenden Massnahmen um eine Folgeregelung für die Strukturbereinigung 1989­1999 handelt. Gemäss der dritten Erwägung ist es notwendig, einen Teil der Massnahmen zu verlängern, nämlich die Auflagen für die Inbetriebnahme neuen Schiffsraums (Alt-für-Neu-Regelung), damit die Wirkungen der bisherigen Strukturbereinigung nicht beeinträchtigt werden. Die vierte Erwägung enthält das Prinzip der Einheit des Rheinregimes.

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Das Zusatzprotokoll Nr. 5 stellt die Vereinbarkeit zwischen der Alt-für-NeuRegelung und der Mannheimer Akte her. Ohne Zusatzprotokoll widerspräche die Alt-für-Neu-Regelung der Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein und wäre damit völkerrechtswidrig. Die Vereinbarkeit wird durch Artikel I des Zusatzprotokolls erreicht, der festhält, dass unbeschadet der allgemeinen Grundsätze der Mannheimer Akte die Inbetriebnahme von zusätzlichem Schiffsraum bis Ende April 2003 an Auflagen geknüpft werden darf, wobei diese Auflagen die Verpflichtung der Eigentümer beinhalten können, gleichwertigen Schiffsraum abzuwracken oder einen Sonderbeitrag an den Binnenschifffahrtsfonds zu leisten. Diese Formulierung in Artikel I wurde aus dem Zusatzprotokoll Nr. 4 übernommen, wobei an die Stelle der bishrigen Abwrackkasse neu der Binnenschifffahrtsfonds tritt.

Gemäss Artikel II sind die zu ergreifenden Massnahmen von der ZKR zu beschliessen. Das Zusatzprotokoll legt die Massnahmen also nicht fest. Dennoch sind sie implizit definiert: Zum einen verlangt die Einheit des Rheinregimes, dass die Massnahmen in allen Vertragsstaaten gleich sind. Zum anderen sind die Massnahmen ja von der EU bereits beschlossen worden. Daraus folgt ­ auch wenn das, anders als noch im Zusatzprotokoll Nr. 4, nicht explizit erwähnt ist ­, dass die Beschlüsse der ZKR mit den Verordnungen der EU übereinstimmen müssen (zu den Verordnungen der EU von Ende März und Mitte April 1999 vgl. Ziff. 14). Später wird auch jede Änderung der Verordnungen der EU ins Rheinregime zu übernehmen sein, soweit sie die Alt-für-Neu-Auslaufregelung betrifft.

Die Schlussbestimmungen machen das Inkrafttreten des Zusatzprotokolls Nr. 5 von der Ratifikation durch alle Signatarstaaten abhängig. In einer Erklärung willigten die Unterzeichnerstaaten aber in die provisorische Anwendung vom 1. Januar 2000 an ein. Damit ist ein nahtloser Übergang vom Zusatzprotokoll Nr. 4 zum Zusatzprotokoll Nr. 5 gewährleistet.

Die konkreten Verpflichtungen, die sich aus Artikel I in Verbindung mit Artikel II des Zusatzprotokolls Nr. 5 ergeben, sind in der Verordnung der ZKR über Auflagen für die Inbetriebnahme von Rheinschiffen und Massnahmen zur Förderung des Rheinschiffsverkehrs (Resolution 1999-I-5 vom 28. April 1999) festgelegt.

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Nach dieser Verordnung muss jeder Vertragsstaat einen «Binnenschifffahrtsfonds» mit drei getrennten Konten (für Tankschiffe, Trockenladungsschiffe und für Schubboote) einrichten. Die heutigen Abwrackkassen bleiben bestehen, bis die neuen Fonds eingerichtet sind. In den Fonds ist der vom Gewerbe finanzierte Anteil des Überschusses aus den Massnahmen 1989­1999 einzulegen. Danach wird der Fonds von den Alt-für-NeuSonderbeiträgen der Unternehmer gespeist. Die Fonds der beteiligten Staaten sind via ein Finanzausgleichssystem untereinander finanziell solidarisch.

Als Koordinationsinstanz der Fonds («gemeinsame Institution») fungiert, wie das bisher schon bei den Abwrackkassen der Fall war, die Europäische Kommission (dies ist in einer separaten Resolution der ZKR festgelegt; Resolution l999-I-7 vom 28. April 1999). Die Fondsmittel können, falls alle repräsentativen Binnenschifffahrtsverbände das beantragen und falls die Massnahmen Gegenstand einer gemeinsamen Aktion auf Gemeinschaftsund Rheinschifffahrtsebene sind, für Massnahmen verwendet werden, die Folgendes bezwecken: ­ Binnenschifffahrtsunternehmern, die sich aus dem Gewerbe zurückziehen, die Erlangung einer vorgezogenen Altersrente oder die Umschulung auf eine andere Erwerbstätigkeit zu erleichtern; 9095

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für Arbeitnehmer, die aus diesem Gewerbe ausscheiden, Berufsbildungs- und Umschulungsmassnahmen durchzuführen; den Zusammenschluss von Partikulieren in Binnenschifffahrtsverbänden zu fördern; die technische Anpassung der Schiffe im Hinblick auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der sicherheitstechnischen Anforderungen zu fördern; die berufliche Qualifikation der Binnenschiffer zu verbessern, um die Entwicklung des Berufsstands zu sichern.

Die Verordnung der ZKR enthält zudem die Vorschriften betreffend die Altfür-Neu-Auslaufregelung: Die Schiffseigner müssen weiterhin alten Schiffsraum verschrotten, wenn sie neuen Schiffsraum in Betrieb nehmen, bzw. einen Sonderbeitrag an den Binnenschifffahrtsfonds entrichten. Dies gilt sowohl für Schiffsneubauten als auch für die Verlängerung bestehender Schiffe. Die Alt-für-Neu-Verhältnisse (Verhältnis zwischen der zu verschrottenden alten und der neuen Tonnage, getrennt festgelegt für die drei Schiffskategorien Tankschiffe, Trockengüterschiffe und Schubboote) müssen aber schrittweise sinken und spätestens Ende April 2003 null betragen.

Die Alt-für-Neu-Verhältnisse werden von der Europäischen Kommission festgelegt. (Gegenwärtig beträgt das Verhältnis für Tankschiffe 1,3:1. Pro t neuer Ladekapazität sind also 1,3 t alter Kapazität abzuwracken. Der ersatzweise zu leistende Sonderbeitrag beläuft sich für ein mittelgrosses Tankschiff im Wert von etwa 4­5 Mio. Fr. auf rund 1 Mio. Fr.)

In der genannten Verordnung der ZKR musste die Geltungsdauer der Alt-für-NeuRegelung zunächst bis zum 31. Dezember 1999 beschränkt werden, da sich die Verordnung auf das Ende 1999 auslaufende Zusatzprotokoll Nr. 4 stützt. Mit einer zweiten Verordnung, welche am 1. Januar 2000 in Kraft tritt und auf dem Zusatzprotokoll Nr. 5 basiert, verlängert die ZKR jedoch die Geltungsdauer der entsprechenden Bestimmung bis zum 29. April 2003 (Resolution 1999-I-6 vom 28. April 1999).

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die neuen Massnahmen bewirken keine Ausgaben des Bundes mit Ausnahme des Aufwandes für die Einrichtung und die Verwaltung des schweizerischen Binnenschifffahrtsfonds.

Der von den Unternehmern finanzierte Anteil am Schlussaldo der Abwrackkasse ist auf den neu einzurichtenden Binnenschifffahrtsfonds zu übertragen. Danach wird der Fonds ausschliesslich aus den Alt-für-Neu-Sonderbeiträgen der Schiffseigner gespeist. In welchem Umfang dem Fonds Gelder zufliessen werden, ist nicht absehbar, da dies von unternehmerischen Entscheiden abhängt (Entscheide über die Inbetriebnahme von neuem Schiffsraum sowie Wahl zwischen der Abwrackung einer Ausgleichstonnage oder der Entrichtung eines Sonderbeitrags an den Fonds).

Die Verwendung der Fondsmittel ist durch die Verordnung der ZKR vom 28. April 1999 geregelt (vgl. Ziff. 2). Die dort erwähnten Massnahmen zur Förderung des Rheinschiffsverkehrs können nur dann durch Fondsmittel finanziert werden, falls alle repräsentativen Binnenschifffahrtsverbände das beantragen. Zudem müssen 9096

sowohl die Europäische Kommission als auch die ZKR den Massnahmen zustimmen.

Als rechtliche Form für den Binnenschifffahrtsfonds sehen wir einen unselbstständigen Fonds vor, der entsprechend Artikel 12 des Finanzhaushaltgesetzes (SR 611.0) zu verwalten ist. Einnahmen und Ausgaben des Fonds sind so nicht mehr ­ wie das noch bei der Abwrackkasse der Fall war ­ über die Finanzrechnung des Bundes zu verbuchen. Diese Lösung wird dem Sinn der internationalen Aktion und dem Umstand der fehlenden Vorhersehbarkeit der Fondseinnahmen am ehesten gerecht.

Zudem ermöglicht sie die angemessene Verzinsung der Fondsmittel.

Es ist vorgesehen, das Schweizerische Seeschifffahrtsamt in Basel, das seit 1989 die Abwrackkasse betreut, mit der Fondsverwaltung zu beauftragen. Gemäss der Verordnung der ZKR vom 28. April 1999 sind die Binnenschifffahrtsverbände an der Fondsverwaltung zu beteiligen. Somit ist die Schweizerische Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft (SVS), der einzige schweizerische Binnenschifffahrtsverband, miteinzubeziehen. Der Aufwand für die Verwaltung des Binnenschifffahrtsfonds (Erlass von Verfügungen betreffend die Alt-für-NeuSonderbeiträge, Übermittlung der nötigen statistischen Daten an die gemeinsame Institution, Abwicklung der finanziellen Solidarität zwischen den Fonds der beteiligten Staaten usw.) dürfte im Rahmen des bisherigen Aufwandes für die Abwrackkasse bleiben.

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Legislaturplanung

Die Botschaft zum vorliegenden Übereinkommen ist im Bericht über die Legislaturplanung nicht vorgesehen. Diese internationalen Massnahmen wurden von der EU und von der ZKR erst 1999 beschlossen.

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Verhältnis zum europäischen Recht

Die Alt-für-Neu-Auslaufregelung wird von EU und ZKR gemeinsam durchgeführt und von der Europäischen Kommission koordiniert. Die schweizerische Beteiligung erfolgt im Sinne einer einheitlichen und wettbewerbsneutralen Durchführung der Massnahmen.

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Rechtliche Grundlagen

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Bundesbeschluss betreffend das Zusatzprotokoll Nr. 5 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte

Nach Artikel 24ter der Bundesverfassung (Art. 87 nBV) ist der Bund zur Gesetzgebung auf dem Gebiet der Schifffahrt ermächtigt. Nach Artikel 8 (Art. 54 Abs. 1 nBV) der Bundesverfassung steht ihm das Recht zu, Verträge mit dem Ausland abzuschliessen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung (Art. 166 Abs. 2 nBV).

Das Ihnen zur Genehmigung unterbreitete Zusatzprotokoll Nr. 5 ist nicht befristet und es ist nicht kündbar. Es erfüllt damit die Bedingungen von Artikel 89 Ziffer 3 9097

Buchstabe a der Bundesverfassung (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 1 nBV) und unterliegt dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

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Bundesgesetz über die Durchführung von Auflagen für die Inbetriebnahme von Rheinschiffen und von Massnahmen zur Förderung des Rheinschiffsverkehrs

Die im Zusatzprotokoll Nr. 5 und in der Verordnung der ZKR enthaltenen Vorschriften sind nur zum Teil direkt anwendbar. Deshalb bedarf es, wie schon bei den Massnahmen 1989­1999, zusätzlicher innerstaatlicher Regelungen, namentlich betreffend den schweizerischen Binnenschifffahrtsfonds, die Bedingungen für die Aufnahme von Rheinschiffen ins Schifffahrtsregister sowie die Anwendbarkeit der Verordnung der ZKR auch auf die nicht unmittelbar dem internationalen Rheinregime unterstehende Rheinstrecke Basel­Rheinfelden. Es sind deshalb die wesentlichen Grundsätze der schweizerischen Beteiligung an den internationalen Massnahmen zu beschliessen, und der Bundesrat ist zum Erlass der nötigen Ausführungsregelungen zu ermächtigen. Nach Artikel 164 der neuen Bundesverfassung (nBV) sind diese rechtsetzenden Normen in die Form eines Bundesgesetzes zu kleiden.

Da das Zusatzprotokoll Nr. 5 ab dem 1. Januar 2000 provisorisch anwendbar ist, sind die innerstaatlichen Regelungen auf diesen Zeitpunkt hin in Kraft zu setzen.

Wir beantragen Ihnen daher, das Bundesgesetz gestützt auf Artikel 165 Absatz 1 nBV als dringlich zu erklären.

Das Bundesgesetz stützt sich neben Artikel 87 nBV auch auf die aussenpolitische Kompetenz des Bundes, damit im Rahmen der völkerrechtlich verbindlichen Regelung von der Wirtschaftsfreiheit abgewichen werden kann. Dabei stützt es sich auf das Zusatzprotokoll Nr. 5 und die Ausführungsverordnung der ZKR vom 28. April 1999, welche die konkreten Auflagen für die Inbetriebnahme von Rheinschiffen (Alt-für-Neu-Regelung) und die möglichen Fördermassnahmen durch den von den Schiffseignern zu finanzierenden Binnenschifffahrtsfonds enthält. Diese Verordnung der ZKR wurde mit einer weiteren Verordnung der ZKR vom 28. April 1999 insofern abgeändert, als die zeitliche Geltungsdauer der Alt-für-Neu-Regelung bis zum 29. April 2003 verlängert wurde (vgl. Ziff. 2).

Der wesentlichste Teil des Inhalts des Zusatzprotokolls Nr. 5, die Auslaufregelung für die Strukturbereinigung, gilt bis zum 29. April 2003. Über dieses Datum hinaus ergeben sich aber noch insofern Rechtswirkungen, als die Staaten den durch die Schiffseigner in der Zeit vor dem 29. April 2003 finanzierten Binnenschifffahrtsfonds noch weiter im Sinne des von der Verordnung der ZKR vom 28. April 1999 definierten Verwendungszwecks verwalten müssen,
falls noch Gelder vorhanden sind. Wir beantragen Ihnen daher, das Bundesgesetz bis zur Erschöpfung der Fondsmittel zu befristen, längstens aber bis zum 31. Dezember 2005.

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