99.043 Botschaft zur Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» vom 12. Mai 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit der vorliegenden Botschaft beantragen wir Ihnen, die Eidgenössische Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Verwerfung und ohne Gegenentwurf zur Abstimmung zu unterbreiten.

Der Entwurf zu einem entsprechenden Bundesbeschluss liegt bei.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 1998 P

97.3309

Einsparungspotential im Medikamentenbereich (N 28.9.98, Gysin Remo)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. Mai 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-4508

7541

Übersicht Die Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» strebt eine Senkung des Preisniveaus für die in der Schweiz erhältlichen Arzneimittel an. Die Initiative will dieses Ziel mit folgenden Massnahmen erreichen: ­

Arzneimittel, die in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich zugelassen und erhältlich sind, sollen auch in der Schweiz ohne zusätzliches Zulassungsverfahren auf den Markt gelangen können.

­

Beim Arzneimittelverkauf dürfen zu Lasten der sozialen Krankenversicherung, soweit vorhanden, nur Generika abgegeben werden. Sind mehrere Präparate vorhanden, muss immer das preisgünstigste Präparat abgegeben werden.

Der Bundesrat teilt zwar grundsätzlich die Zielsetzung der Volksinitiative. Er ist aber der Ansicht, dass die Massnahmen zur Erreichung dieser Ziele zu weit gehen.

Er lehnt die Volksinitiative aus folgenden Gründen ab: ­

Eine einseitige Anerkennung der Zulassung von Arzneimitteln aus den Nachbarstaaten der Schweiz könnte schwerwiegende Auswirkungen auf die Arzneimittel- und damit die Patientinnen- und Patientensicherheit haben.

­

Die bewilligungsfreie Zulassung führt nur bedingt zu einer Senkung der Schweizer Arzneimittelpreise. Sie ermöglicht zur Hauptsache Importgewinne für den Zwischenhandel, die nicht zwingend an das Publikum weitergegeben werden müssen.

­

Der Zwang zur Abgabe von Generika (Substitutionszwang) stellt zudem einen schweren Eingriff in die Therapiefreiheit und -verantwortung der Ärztinnen und Ärzte und in ihr Verhältnis zu den Patientinnen und Patienten dar.

Der Bundesrat hat dem Parlament bereits einen Entwurf für eine Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes zugeleitet (BBl 1999 793). Darin unterbreitet er u. a.

einen Vorschlag für eine erleichterte Abgabe von Generika an Stelle von Originalpräparaten. Apothekerinnen und Apotheker sollen die Befugnis erhalten, ein verschriebenes Originalpräparat durch ein Generikum zu ersetzen, sofern nicht ausdrücklich die Abgabe des Originalpräparates angeordnet wird (Substitutionsrecht).

In seiner Botschaft für ein neues Heilmittelgesetz wird zudem auch auf die Möglichkeit zum Abschluss von Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen hingewiesen. Mit der Regelung von Arzneimitteln auf Bundesebene wird der Bundesrat auch eine entsprechende Kompetenz zum Abschluss solcher Abkommen erhalten. Im Weiteren ist vorgesehen, dass auch ohne Abkommen künftig im Rahmen der schweizerischen Zulassung vermehrt ausländische Prüfergebnisse aus Staaten mit gleichwertigen Zulassungen mit berücksichtigt werden, was das Verfahren in der Schweiz weiter beschleunigen und verbilligen wird.

7542

Schliesslich soll mit dem neuen Heilmittelgesetz auch der Parallelimport von Arzneimitteln unter gewissen Bedingungen ermöglicht werden.

Der Bundesrat stellt die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes und das neue Heilmittelgesetz der Volksinitiative als indirekten Gegenvorschlag gegenüber und beantragt, Volk und Ständen die Ablehnung der Initiative zu empfehlen.

7543

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

11

Formelles

Die am 12. August 1997 lancierte eidgenössische Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» wurde am 12. Dezember 1997 bei der Bundeskanzlei eingereicht.

Die Initiative ist in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs abgefasst (BBl 1997 III 1408).

111

Wortlaut der Initiative

Die Initiative lautet: I Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: Art. 34bis Abs. 3 (neu) * 3

Die in den Nachbarstaaten Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich mit Rezept oder rezeptfrei zum Verkauf bei Ärzten, Apotheken, Spitälern, Drogerien oder anderen Geschäften zugelassenen Medikamente als Originalpräparate oder Generika sind in gleicher Weise mit Rezept oder rezeptfrei auch bei Ärzten, Apotheken, Spitälern, Drogerien oder anderen Geschäften in der Schweiz zugelassen, ohne dass es für die Schweiz einer besonderen Bewilligung bedarf.

Soweit rezeptpflichtige oder rezeptfreie Medikamente zum Verkauf gelangen, sind Generika abzugeben, sofern solche vorhanden sind oder sofern der Patient das Präparat nicht selbst bezahlt.

Soweit Originalpräparate und Generika durch die Krankenkassen zu bezahlen sind, sind an die Patienten die preisgünstigsten Produkte abzugeben, entsprechend der jedes Jahr veröffentlichten Liste der vom Bund anerkannten Krankenversicherer.

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt:

Art. 24 (neu) * 1.Übergangsbestimmung zu Art 117 (Kranken- und Unfallversicherung) Gesetzliche oder Verordnungsbestimmungen, die im Widerspruch zu Artikel 117 Absatz 3 stehen, sind aufgehoben.

*

Diese Artikel werden infolge Annahme der Volksabstimmung vom 18. April 1999 der neuen Bundesverfassung Artikel 117 und 197.

7544

112

Zustandekommen

Die Bundeskanzlei hat mit Verfügung vom 12. Februar 1998 das formelle Zustandekommen der am 12. Dezember 1997 mit 127 085 gültigen Unterschriften eingereichten Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» festgestellt (BBl 1998 737).

113

Behandlungsfrist

Der Bundesrat unterbreitet mit dem Entwurf zum Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG, noch nicht im Bundesblatt veröffentlicht) sowie mit dem Entwurf zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (BBl 1999 793) einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative. Gemäss Artikel 29 Absatz 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG, SR 171.11) muss die Botschaft zur Volksinitiative, welche einen direkten oder indirekten Gegenentwurf beinhaltet, den Räten spätestens 18 Monate nach Einreichung der Initiative vorgelegt werden.

Da die Initiative auf Teilrevision der Bundesverfassung (BV, SR 101) lautet und in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs vorliegt, hat die Bundesversammlung innert 30 Monaten nach deren Einreichung darüber Beschluss zu fassen, ob sie der Initiative, so wie sie lautet, zustimmt oder nicht (Art. 27 Abs. 1 GVG).

114

Gültigkeit

114.1

Einheit der Form und der Materie

Eine Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung kann gemäss Artikel 121 Absatz 4 BV entweder in der Form der allgemeinen Anregung oder in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht werden. Mischformen sind unzulässig (Art. 75 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte, BPR, SR 161.1).

Die vorliegende Initiative ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf abgefasst. Die Einheit der Form ist somit gewahrt.

Das Gebot der Einheit der Materie (Art. 121 Abs. 3 BV) soll gewährleisten, dass mit einem Initiativbegehren nicht mehrere, sachlich nicht zusammenhängende Fragen zur Abstimmung gelangen, damit eine unverfälschte Willensbildung und -kundgabe der Stimmberechtigten erfolgen kann. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen der Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht (Art. 75 Abs. 2 BPR). Der neu vorgeschlagene Absatz 3 von Artikel 34bis BV besteht aus drei Unterabsätzen. Der erste Unterabsatz sieht die Einfuhr ohne erneute Bewilligung von in den Nachbarstaaten Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich zugelassenen Arzneimitteln vor. Im zweiten Unterabsatz wird die obligatorische Abgabe von Generika, sofern vorhanden, festgelegt, wenn Patientinnen und Patienten das Präparat nicht selber bezahlen. Der dritte Unterabsatz bestimmt, dass zu Lasten des Krankenversicherers das preisgünstigste Arzneimittel abgegeben werden muss. Die in Artikel 34bis Absatz 3 BV festgelegten Massnahmen stehen in einem sachlichen Zusammenhang, da sie die Arzneimittelabgabe zu tieferen Preisen bezwecken. Der Grundsatz der Einheit der Materie ist somit gewahrt.

7545

114.2

Durchführbarkeit der Initiative

Eine Volksinitiative darf keinen undurchführbaren Inhalt enthalten. Ziel der vorliegenden Initiative ist eine Senkung der Schweizer Arzneimittelpreise. Um dies zu erreichen, fordert sie die automatische und einseitige Anerkennung von in den direkten Nachbarstaaten, mit Ausnahme des Fürstentums Liechtenstein, zugelassenen Arzneimitteln, die Substitutionspflicht für Generika sowie die Abgabe und Kostenvergütung des jeweils billigsten Arzneimittels, sofern die vom Bund anerkannten Krankenversicherer die Kostenträger sind. Die in Artikel 34bis Absatz 3 BV geforderten Massnahmen werfen Probleme auf in Bezug auf Arzneimittelqualität und -sicherheit und dadurch in Bezug auf die Patientensicherheit. Als undurchführbar darf die Initiative deswegen allerdings nicht betrachtet werden.

115

Folgen der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999

Nach der Annahme der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird die Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» nicht mehr die bisherige Nummerierung (Art. 34bis Abs. 3) tragen können, sondern als Artikel 117 Absatz 3 in die neue Bundesverfassung eingeordnet werden müssen. Der Text der Volksinitiative bedarf in den Übergangsbestimmungen, Artikel 24, einer (nach Ziff. III der neuen Bundesverfassung im Rahmen des Gebotenen grundsätzlich möglichen) redaktionellen Anpassung. Überdies ist in Anpassung an die neue Bundesverfassung von «Patientinnen und Patienten» und von «Ärztinnen und Ärzten» zu reden (nur deutscher Text) und auf die Gliederung in Unterabsätze zu verzichten.

2

Besonderer Teil

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Ziel und Zweck

Die Volksinitiative will in der Schweiz massiv billigere Arzneimittelpreise realisieren und damit die Gesamtkosten des Gesundheitswesens generell und die Krankenkassenprämien im Besonderen senken. Dieses Ziel soll im Wesentlichen durch zwei Massnahmen erreicht werden. Zum einen sollen die in den Nachbarstaaten Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich zugelassenen Arzneimittel in der Schweiz bewilligungsfrei zugelassen werden. Zum andern sollen Apotheker verpflichtet werden, an Stelle der Originalpräparate Generika abzugeben (sogenannter Substitutionszwang).

22

Inhalt der Volksinitiative

221

Anerkennung der Arzneimittelzulassungen von Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich

Gemäss der Volksinitiative sollen alle in Deutschland, Frankreich, Italien oder Österreich zugelassenen Originalpräparate und Generika «ohne besondere Bewilligung» auch in der Schweiz als zugelassen gelten. Das bedeutet, dass es in der Schweiz zu keinem erneuten Zulassungsverfahren mehr kommt. Da diese Länder aber ihrerseits dem Recht der Europäischen Union (EU) unterstehen, müssten mit 7546

Annahme der Volksinitiative auch alle Arzneimittel in der Schweiz in Verkehr gebracht werden, welche im zentralisierten Verfahren von der Europäischen Kommission gemeinschaftsweit zugelassen wurden. Dasselbe gilt für diejenigen Arzneimittel, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen wurden und im Gemeinschaftsverfahren der gegenseitigen Anerkennung in einem der vier Staaten anerkannt wurden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich die Volksinitiative nicht auf die Arzneimittel aus den Nachbarstaaten der Schweiz beschränkt, sondern auf alle in der EU zugelassenen Arzneimittel Anwendung findet, sofern sie aus einem der vier Nachbarstaaten importiert werden.

Auch wenn in der Schweiz nach Annahme der Volksinitiative für aus den erwähnten Ländern importierte Arzneimittel kein besonderes Zulassungsverfahren mehr statthaft wäre, wäre eine Meldepflicht zulässig. Eine solche Meldepflicht wäre Voraussetzung für eine Marktüberwachung und aus Sicherheitsgründen absolut notwendig.

Nicht tangiert von der Initiative ist auch, dass der importierende Betrieb über eine entsprechende Bewilligung verfügen muss. Diese Betriebsbewilligung stellt sicher, dass der Importeur die für die Arzneimittelsicherheit notwendigen fachlichen und betrieblichen Anforderungen erfüllt ­ wie sie auch von Importeuren von in der Schweiz zugelassenen Arzneimitteln erfüllt werden müssen. Zudem wird damit gewährleistet, dass die schweizerische Behörde bei der nachträglichen Marktüberwachung (bspw. Rückzug von Arzneimitteln, Pflicht zur Meldung von unerwünschten Wirkungen) auf eine verantwortliche Person zugreifen kann. Diese Bewilligung ist unabhängig von der Produktezulassung. Die Initiative verlangt nur eine Anerkennung der ausländischen Arzneimittelzulassungen, regelt aber nicht die Voraussetzungen für Personen, die Arzneimittel einführen oder damit handeln.

Die Initiative verlangt, dass Arzneimittel mit Rezept oder rezeptfrei zum Verkauf bei Ärzten, Apotheken, Spitälern, Drogerien oder in anderen Geschäften in der Schweiz «in gleicher Weise» in den Handel gebracht werden können. Durch diese Formulierung soll sichergestellt werden, dass die eingeführten Präparate in der Schweiz in die gleiche Kategorie, also rezeptfrei oder rezeptpflichtig, eingeteilt werden, wie dies im Exportland der Fall ist. Ein in Deutschland rezeptfrei erhältliches
Produkt müsste also in der Schweiz in gleicher Weise rezeptfrei erhältlich sein. Die Formulierung «in gleicher Weise» bezieht sich aber auch auf die Abgabekanäle, also die Orte, an denen man die entsprechenden Produkte beziehen kann. Ist ein Präparat im Exportland auch ausserhalb der Apotheke, z. B. in einem Supermarkt erhältlich, so hat dies auch in der Schweiz so zu sein. Nicht ausgeschlossen ist hingegen, dass die Packungsbeilage eines Arzneimittels in alle drei Amtssprachen übersetzt werden muss.

Der Geltungsbereich der Initiative bezieht sich auf «Medikamente». Im heute geltenden IKV-Regulativ1 findet sich keine Definition des Begriffes «Medikament».

Auch in der Botschaft zum neuen HMG (noch nicht im Bundesblatt veröffentlicht) wird dieser Begriff nicht gebraucht. Die schweizerische Gesetzgebung verwendet durchwegs den Begriff «Arzneimittel». Aus den Erläuterungen der Initianten ist jedoch ersichtlich, dass der Begriff «Medikament» als Synonym zum in der schweizerischen Gesetzgebung verwendeten Begriff «Arzneimittel» verstanden werden soll2.

Somit fallen in den Geltungsbereich der Volksinitiative alle Arzneimittel, d. h. Originalpräparate und Generika sowie krankenkassenpflichtige und nicht krankenkas1 2

Regulativ über die Ausführung der interkantonalen Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel vom 25. Mai 1972 (Systematische Erlassesammlung der IKV/IKS 110.1) Der Hinweis auf diese verschiedenen Begriffe ist nur für die deutsche Sprache relevant.

7547

senpflichtige Präparate. Auch Betäubungsmittel werden darunter subsumiert (vgl.

dazu aber Ziff. 222 und 524).

Nicht gemeint sind dagegen Transplantate und Medizinprodukte (z. B. Prothesen), die weder in der EU noch im HMG unter den Begriff der Arzneimittel subsumiert werden und in der Volksinitiative auch nicht eigens aufgeführt werden.

Ebenso sind Rohstoffe ausgenommen, da es sich dabei nicht um verwendungsfertige Arzneimittel handelt, sondern um Produkte, deren Herstellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Bulkware, die noch abgepackt (konfektioniert) werden muss ­ wie beispielsweise fertig gepresste, aber unverpackte Tabletten in Grossmengen ­, dürfte ebenfalls nicht unter den Begriff fallen.

Auch Blut und labile Blutprodukte sind nicht gemeint, da sie nicht zugelassen werden müssen. Ein spezieller Aspekt sind die behördlichen Chargenkontrollen, das heisst eine Kontrolle jeder Produktionsserie durch die Zulassungsbehörde. Diese werden bei den stabilen Blutprodukten und immunbiologischen Erzeugnissen (wie Sera und Impfstoffe) aus Sicherheitsgründen vorgenommen und sind Teil des Zulassungsverfahrens. Innerhalb der EG werden diese Kontrollen, die von einem Staat durchgeführt wurden, von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt. Ist eine Charge in einem Land zugleich für die Verwendung im Inland und für den Export hergestellt worden, muss die Charge von der betreffenden Behörde freigegeben werden. Somit kann auch in der Schweiz davon ausgegangen werden, dass die Sicherheitsanforderungen erfüllt sind. Wurde das Produkt hingegen nur für die Ausfuhr hergestellt, nimmt die Behörde des betreffenden Staates keine Chargenfreigabe vor, diese muss von der Schweizer Behörde erfolgen. Bei einer Annahme der Initiative kann dasselbe Präparat somit einmal direkt auf den Markt gebracht werden, das andere Mal muss zuerst die Chargenfreigabe von der Behörde vorgenommen werden.

Die Platzierung der Volksinitiative in den Artikel 34bis BV, welcher in Absatz 1 die Kranken- und Unfallversicherung und in Absatz 2 die entsprechenden Beitrittsbestimmungen regelt, legt nahe, dass bei der Verwendung des Begriffes «Medikament» Tierarzneimittel nicht einbezogen sind, da diese nicht in den Geltungsbereich des betreffenden Artikels der BV fallen.

222

Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe

Ein Problem der besonderen Art stellen Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe dar. Da sie unter die Definition der Arzneimittel fallen und als verwendungsfertige Arzneimittel einer Zulassung bedürfen, werden sie von der Volksinitiative erfasst.

Die Schweiz hat verschiedene internationale Betäubungsmittelabkommen ratifiziert (vgl. Ziff. 524) und ihre Vorgaben in das heute geltende Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG, SR 812.121) aufgenommen. Das BetmG sieht für jede Einfuhr von Betäubungsmitteln, die der Kontrolle unterliegen, eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) vor (Art. 5 Abs. 1 BetmG). Diese betäubungsmittelrechtlich begründete Einzeleinfuhrbewilligung zielt auf die Kontrolle des Warenflusses von Betäubungsmitteln ab, um damit den illegalen Drogenhandel eindämmen zu können. Dabei wird nicht geprüft, ob die eingeführten Betäubungsmittel den arzneimittelrechtlichen Kriterien der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit genügen.

Die Einzeleinfuhrbewilligung für Betäubungsmittel und die Zulassung von Arznei7548

mitteln sind deshalb zwei voneinander unabhängige Instrumente der staatlichen Marktüberwachung, welche unterschiedliche Zwecke verfolgen. Soweit deshalb Betäubungsmittel eine Arzneimittelzulassung haben, ist eine besondere schweizerische Arzneimittelzulassung nicht mehr nötig. Hingegen ist wegen der betäubungsmittelrechtlichen Warenflusskontrolle für diese Arzneimittel weiterhin eine Einzeleinfuhrbewilligung gestützt auf das BetmG notwendig.

223

Substitutionszwang

Nach dem zweiten Unterabsatz des vorgeschlagenen Artikels 34bis Absatz 3 BV muss ein Generikum abgegeben werden, sofern der Patient nicht bereit ist, das entsprechende Originalpräparat selbst zu bezahlen.

Ein Generikum ist ein Arzneimittel, das sich bezüglich des Wirkstoffes, der Darreichungsform und der Dosierung an das Originalpräparat anlehnt; es kommt erst nach Patentablauf des Originalpräparates auf den Markt. Generika sind in der Regel billiger als das Originalpräparat.

Eine zusätzliche Verschärfung findet sich im Unterabsatz 3 des vorgeschlagenen Artikels 34bis Absatz 3 BV. Diese Bestimmung sieht vor, dass bei kassenpflichtigen Originalpräparaten (die nur abgegeben werden dürfen, sofern kein Generikum vorhanden ist) und Generika immer das preisgünstigste Produkt abzugeben ist. Massgebend dafür soll eine Liste sein, die von den vom Bund anerkannten Krankenversicherern veröffentlicht werden soll.

224

Übergangsbestimmung der Volksinitiative

Mit Annahme der Volksinitiative werden durch Artikel 24 der Übergangsbestimmungen zur BV sämtliche dem neuen Artikel 34bis Absatz 3 BV widersprechenden gesetzlichen und auf Verordnungsebene erlassenen Bestimmungen aufgehoben.

Betroffen von dieser Übergangsbestimmung wären das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG, SR 818.101) sowie das BetmG, soweit in diesen Erlassen immunbiologische Erzeugnisse und der Verkehr mit Betäubungsmitteln geregelt werden. Anpassungen wären auch im Entwurf zum neuen HMG nötig.

Artikel 24 der Übergangsbestimmungen zur BV würde sich aber auch auf die Kantone auswirken. Die bis zur Inkraftsetzung des neuen Heilmittelgesetzes geltenden Erlasse der Interkantonalen Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel (IKV) und der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) bestehen aus Richtlinien und Reglementen, welche die Kantone gemäss Konkordat in ihre Gesetzgebung überführen müssen. Die Kantone verfügen über eigene Heilmittelgesetzgebungen.

Auf Grund der derogatorischen Wirkung des Bundesrechts würden auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Volksinitiative alle kantonalen Bestimmungen, die in Widerspruch zur neuen Verfassungsbestimmung stünden, mit Annahme der Volksinitiative hinfällig.

7549

23

Heutiger Stand der Zulassungsverfahren

Arzneimittel dürfen in der Schweiz nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie von der IKS registriert sind. Ausgenommen sind immunbiologische Erzeugnisse und Impfstoffe, deren Registrierung dem BAG obliegt. Bereits vor Beginn des Registrierungsverfahrens überprüft die IKS, ob bei der Durchführung von klinischen Versuchen mit Arzneimitteln die Regeln der «Guten Praxis der klinischen Versuche» (good clinical practice) eingehalten werden und damit insbesondere der Schutz der Versuchspersonen, Patientinnen und Patienten gewährleistet ist. Im Rahmen des Registrierungsverfahrens beurteilt die IKS die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit der angemeldeten Arzneimittel anhand der vom Antragsteller eingereichten umfassenden wissenschaftlichen Dokumentation und durch eigene Untersuchungen im analytischen Labor (Musterprüfung). Ein positiv begutachtetes Arzneimittel wird registriert und damit zum Vertrieb in der Schweiz freigegeben. Die mittlere Registrierungsdauer für ein Arzneimittel beträgt derzeit sieben Monate. Im Jahre 1997 waren bei der IKS 7780 Humanheilmittel registriert. Diese Heilmittel, die unter einem registrierten Markennamen verkauft werden, sind in verschiedenen Darreichungsformen, Dosierungen und Packungsgrössen erhältlich. So zählte man im gleichen Jahr 16 869 verschiedene Verkaufseinheiten3.

Nicht alle registrierten Arzneimittel werden in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von den Krankenversicherern vergütet. Die vergütungspflichtigen Arzneimittel mit Preisen sind in der sogenannten Spezialitätenliste (SL), auch als «Positivliste» bezeichnet, des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) aufgeführt. 1997 umfasste die SL 2465 Arzneimittel, also etwa 30 Prozent der IKSregistrierten Humanarzneimittel in 6060 Packungseinheiten4, was rund 36 Prozent der Gesamtverkaufseinheiten entspricht.

Zur SL-Aufnahme muss ein Arzneimittel wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Das BSV verfügt auf Antrag der beratenden Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) die Aufnahme bzw. Nichtaufnahme eines Arzneimittels in die SL. Dank seit 1998 angehobener Sitzungsfrequenz der EAK konnte die durchschnittliche Dauer des SL-Aufnahmeverfahrens eines Arzneimittels von neun auf sechs Monate herabgesetzt werden. Während die IKS anlässlich der Marktzulassung das Risiko-Nutzen-Verhältnis eines Arzneimittels
beurteilt, prüft das BSV im Rahmen des SL-Aufnahmeverfahrens die Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels auf Grund eines Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Dabei muss auch der Preis des Arzneimittels im Ausland berücksichtigt werden.

Neue in die SL aufgenommene Arzneimittel weisen in der Schweiz des Öfteren einen tieferen Preis auf als in vergleichbaren Industriestaaten. Ältere in der SL aufgeführte Arzneimittel sind hingegen oft in der Schweiz teurer als im benachbarten Ausland. In der Krankenpflege-Leistungsverordnung vom 29. September 1995 (KLV, SR 832.112.31) zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG, SR 832.10) ist die Überprüfung dieser Arzneimittelpreise vorgesehen. So sind die Preise der seit mehr als 15 Jahren in der SL eingetragenen Arzneimittel mit den Durchschnittspreisen in drei Ländern mit wirtschaftlich vergleichbaren Strukturen im Pharmabereich zu vergleichen und gegebenenfalls zu senken. Derzeit werden Deutschland, Holland und Dänemark zu diesem Preisvergleich herangezogen. Im Rahmen dieser Überprüfung nach 15-jährigem SL-Eintrag 3 4

Pharma-Markt Schweiz / Pharma-Information 1998, Basel Pharma-Markt Schweiz / Pharma-Information 1998, Basel

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konnte mit der Pharmaindustrie am 1. Oktober 1998 eine Vereinbarung über Preissenkungen von in der SL aufgeführten Arzneimitteln abgeschlossen werden. Diese per 1. Januar 1999 in Kraft getretene Vereinbarung ermöglicht jährliche Einsparungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von rund 200 Millionen Franken, indem die Preise für etwa 1000 Arzneimittel mit abgelaufenem Patent im Vergleich zu den alten rechtsgültigen Preisen um durchschnittlich 18 Prozent gesenkt wurden. Mit diesen Preissenkungen vermindern sich die Preisunterschiede zwischen den betroffenen Originalpräparaten und den entsprechenden Generika deutlich. Die bereits in Kraft gesetzten Preissenkungen für die Originalpräparate führen dazu, dass diese Generika heute nur noch unwesentlich (im Durchschnitt 5­10%) billiger sind als das Originalpräparat.

Die Bestrebungen, für rückvergütungspflichtige Arzneimittel tiefere Preise festzusetzen, sind somit für diejenigen Präparate, die vor mindestens 15 Jahren in die SL aufgenommen worden sind (Aufnahmejahre 1955­1984), realisiert worden. Artikel 37 KLV sieht vor, dass weiterhin die Preise der über 15 Jahre in der SL aufgeführten Arzneimittel nach Ablauf dieser Frist jeweils überprüft und angepasst werden.

24

Auswirkungen der Volksinitiative

241

Auswirkungen des Wegfalls des Zulassungsverfahrens

In der Schweiz gelangen heute nur jene Arzneimittel auf den Markt, die zuvor von der IKS oder dem BAG begutachtet und registriert worden sind. Ziel ist es, den Patientinnen und Patienten die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit eines Arzneimittels zu gewährleisten.

IKS und BAG haben bei der Begutachtung jedes Arzneimittel, das in ihren Bereich fällt, in eine Verkaufsart einzureihen5. Die Anwendungssicherheit und die therapeutische Indikation sind ausschlaggebend dafür, ob das Arzneimittel auf Rezept oder zur Selbstmedikation abgegeben wird. Eine einheitliche Praxis auf internationaler Ebene gibt es nicht. So kann es vorkommen, dass ein Arzneimittel in einem Land rezeptpflichtig ist, in einem anderen aber zur Selbstmedikation freigegeben wurde.

Die Initiative «für tiefere Arzneimittelpreise» hätte die Einführung verschiedener Verkaufsarten für ein und dasselbe Arzneimittel zur Folge. In der Schweiz würde dies dazu führen, dass sich die niederschwelligste Verkaufsart des jeweiligen Arzneimittels durchsetzen würde.

Für die Registrierung von Arzneimitteln durch die IKS haben die Unternehmen zudem auch Textentwürfe zur Information der Patienten (Packungsbeilage) und der Gesundheitsfachleute abzugeben. Die Packungsbeilagen müssen in den drei Amtssprachen abgefasst werden. Die Fachinformation wird in Deutsch und Französisch im Arzneimittel-Kompendium der Schweiz veröffentlicht.

Nach ihrem Vertrieb sind die registrierten Arzneimittel einer ständigen Kontrolle unterstellt, welche folgende Vorgänge umfasst: ­

5

Arzneimittelüberwachung (Pharmacovigilance): IKS und BAG führen Buch über unerwünschte Wirkungen, hervorgerufen durch bereits registrierte ArzDie beim BAG zugelassenen immunbiologischen Erzeugnisse sind ausnahmslos verschreibungspflichtig.

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neimittel. Die Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, den zuständigen Stellen diese Nebenwirkungen bekannt zu geben.

­

Revisionen: Die IKS überprüft ein oder mehrere Arzneimittel einer Gruppe, um festzustellen, ob ihre Registrierung immer noch dem neusten wissenschaftlichen, technischen und ethischen Stand entspricht.

­

Nachkontrollen: Auf dem Markt zugelassene Arzneimittel werden auf die Einhaltung der Qualitätskriterien und der bei der Registrierung festgehaltenen allgemeinen Bestimmungen geprüft.

­

Chargenfreigabe: Das BAG und in einzelnen Fällen auch die IKS führen bei jeder Charge bestimmter Arzneimittel, deren Herstellung für die Garantie der Sicherheit Spezialmassnahmen erfordert, Qualitätskontrollen durch. Bevor diese Chargen auf den Markt gebracht werden dürfen, braucht es diese Kontrolle. Betroffen sind in erster Linie Blutderivate oder menschliches Plasma und immunbiologische Erzeugnisse.

Diese vier Massnahmen garantieren eine sichere Verwendung der Arzneimittel. Ist diese Sicherheit gefährdet, können BAG und IKS Präventiv- oder Korrekturmassnahmen anordnen. Bei Qualitätsmängeln können eine oder mehrere Chargen aus dem Verkehr gezogen werden. Massnahmen wie etwa die Überarbeitung der Arzneidosierung, der Ausschluss gewisser Patientenkategorien oder die Einführung zusätzlicher Vorsichtsmassnahmen sind Interventionsmöglichkeiten bei Gefährdung der Arzneimittelsicherheit. In ganz krassen Fällen können BAG und IKS einen definitiven Rückzug des Arzneimittels oder die Annullierung der Registrierung veranlassen.

Die Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» verlangt, Arzneimittel, die in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich verkauft werden, ohne zusätzliches Zulassungsverfahren auf den Schweizer Markt zu bringen.

Eine solche Vorgehensweise könnte gravierende Folgen haben, wenn im Herkunftsland Qualitätsmängel oder Nebenwirkungen festgestellt werden und das BAG und die IKS entgegen entsprechenden Abmachungen nicht informiert würden. So könnte es sich für die Schweiz als sehr schwierig erweisen, dringende Massnahmen zu ergreifen.

Im Fall einer Annahme der Initiative müsste deshalb verlangt werden, dass jede Charge, die ohne Zulassung in die Schweiz eingeführt wird, den Behörden gemeldet wird, damit diese im Notfall Massnahmen ergreifen können. Ausserdem müssen die Angaben auf der Packung sowie die Packungsbeilage in die drei Amtssprachen übersetzt werden. Die Kontrolle, ob das auch richtig erfolgt, könnte aber nur stichprobenweise im Nachhinein vorgenommen werden. Gemäss Wortlaut der Initiative könnten auch keine spezifischen materiellen Anforderungen (wie spezielle Warnhinweise) gestellt werden, die in den Exportstaaten nicht verlangt werden.

242

Generikasubstitution

Mit der Einführung des Substitutionszwanges würde die heutige Therapie- und Verschreibungsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte eingeschränkt. Das ärztliche Rezept enthält das Präparat mit Markennamen, Dosierung und Packungsgrösse, mit dem die Ärztin/der Arzt therapieren will. Damit entscheidet heute die Ärztin oder der Arzt,

7552

ob ein Originalpräparat oder ein Generikum abgegeben wird. Nach Annahme der Initiative dürfen ärztlich verschriebene Originalpräparate von den Krankenversicherern nur noch vergütet werden, falls kein entsprechendes Generikum erhältlich ist.

Selbst wenn dies nicht der Fall ist, darf die Apotheke nicht in jedem Fall auch das Originalpräparat (oder das ärztlich verschriebene Generikum) abgeben. Sie hat sich vorerst zu vergewissern, dass dieses Präparat auch das gemäss der Liste der Krankenversicherer preisgünstigste Präparat ist. Apothekerinnen und Apotheker sowie die entsprechenden Listen erhalten damit einen beträchtlichen Einfluss auf die Therapie und das Verhältnis zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient.

243

Wirtschaftliche Auswirkungen

Mit Annahme der Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» würde die Schweiz gezwungen, einseitig Zulassungen unserer Nachbarstaaten anzuerkennen. Ein Hersteller wird den Aufwand für eine Registrierung, welche mit Kosten und einer Wartefrist verbunden ist, kaum mehr in der Schweiz betreiben, schliesslich kann er sein Produkt in diesem Fall auch in einem Nachbarstaat registrieren lassen ­ und verfügt damit gleichzeitig über die Zulassung in der Schweiz. Umgekehrt aber wäre eine Schweizer Registrierung in keinem unserer Nachbarstaaten gültig. Wer seine Produkte in der Schweiz bereits zugelassen hat, muss also dieses Verfahren in den Nachbarländern wiederholen, seine ausländischen Konkurrenten dagegen nicht. Der schweizerische Arzneimittelmarkt würde für die ausländischen Hersteller praktisch unkontrolliert zugänglich, ohne dabei der schweizerischen Pharmaindustrie Gegenrecht zu gewähren.

Als Folge der uneingeschränkten Importe aus den vier umliegenden EU-Staaten geht ein weiterer Standortvorteil der Schweizer forschenden Pharmaindustrie verloren.

Die Schweiz hat 1998 für 18,4 Milliarden Franken Arzneimittel exportiert, was rund 16 Prozent der gesamten schweizerischen Exporte ausmachte. Rund 60 Prozent der Schweizer Pharmaexporte gehen in den EU-Raum. Dies entspricht einem Exportvolumen von rund 10 Milliarden Franken. Die Schweiz hat daher ein grosses Interesse, nach dem Zustandekommen des bilateralen Abkommens mit der Europäischen Union Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen aufzunehmen und in die Prozesse der EU mit der zentralen und der dezentralen Zulassung einbezogen zu werden. Die Position der Schweiz würde entscheidend geschwächt, wenn sie einseitig entsprechende Vorleistungen gewähren würde.

Mit der Annahme der Initiative wäre auch ein Verlust des Zulassungs-Know-hows verbunden. Da die Schweizer Behörde gezwungen würde, einseitig Zulassungen unserer Nachbarstaaten anzuerkennen, ist abzusehen, dass bei Annahme der Initiative ein beträchtlicher Teil der Arzneimittel nur noch über eines unserer Nachbarländer auf den schweizerischen Markt gebracht würde. Damit könnte sich die Pharmaindustrie das sonst für die Schweiz vorgesehene Zulassungsverfahren ersparen. Einer Schweizer Zulassung bedürften praktisch nur noch inländische Arzneimittel, die nicht exportiert werden.
Ausländische Staaten ohne eigene Zulassung, welche bisher die Zulassung in der Schweiz autonom akzeptieren, könnten infolge dieses Know-how-Verlustes der Schweizer Behörden künftig von dieser Praxis abweichen. Dies hätte zusätzliche nachteilige Konsequenzen für die Schweizer Arzneimittelexporte in diese Länder, indem eine weitere Zulassung in einem Drittstaat beantragt werden müsste, die dann 7553

wiederum von den betreffenden ausländischen Staaten ohne eigene Zulassung anerkannt werden müsste. Davon wären ca. zehn Prozent sämtlicher Pharmaexporte der Schweiz betroffen.

Im Weiteren würden mit Annahme der Initiative die Gewinne des Zwischenhandels für die Arzneimittel der SL ansteigen. Derzeit werden in der SL Höchstpreise aufgeführt, welche unterschritten werden können, doch hat sich in der Praxis gezeigt, dass mehrheitlich diese Preise den Krankenversicherern verrechnet werden. Mit Annahme der Initiative ist demzufolge davon auszugehen, dass diese Höchstpreise weiterhin verrechnet würden.

25

Würdigung der Volksinitiative

251

Einseitige Anerkennung der Arzneimittelzulassungen aus Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich

Das Ziel der Initiative, das schweizerische Preisniveau bei den Arzneimittelpreisen dem europäischen Niveau anzupassen, wird auch vom Bundesrat geteilt. Wie unter Ziffer 23 dargelegt, bedürfen insbesondere ältere, zu Lasten der sozialen Krankenversicherung verrechnete Arzneimittel einer solchen Preisanpassung. Entsprechende Massnahmen hierfür sind in Artikel 37 KLV vorgesehen. Allerdings darf eine solche Preissenkung nicht auf Kosten der Arzneimittelsicherheit und damit der Sicherheit der Patientinnen und Patienten gehen.

Wird heute ein Arzneimittel zum Zulassungsverfahren angemeldet, so hat der Gesuchsteller zu belegen, dass das Arzneimittel qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist.

In der Schweiz wie auch in der EU unterstehen die mit der Zulassung beauftragten Personen der Schweigepflicht. Es ist ihnen untersagt, Unterlagen, die ihnen im Rahmen des Zulassungsverfahrens bekannt gemacht werden, weiterzugeben. Wird ein Arzneimittel in einem anderen Land zugelassen und dieses Verfahren in der Schweiz nicht wiederholt, fehlen auf Grund dieser Schweigepflicht der schweizerischen Zulassungsbehörde die eingereichten Arzneimittelinformationen. Sie kann sich diese Angaben auch nicht auf dem Wege zwischenstaatlicher Verwaltungshilfe beschaffen. Gefahren, die in Verbindung mit dem Präparat auftreten können, sind somit in der Schweiz nicht immer bekannt.

Ebenso wenig kann die schweizerische Kontrollbehörde bei der Einteilung der Arzneimittel in die verschiedenen Verkaufsarten Einfluss nehmen. Selbst in den Mitgliedstaaten der EU ist diese Kategorisierung nicht vereinheitlicht. Man könnte also in einer schweizerischen Apotheke vor dem Problem stehen, ein in der Schweiz nicht zugelassenes Arzneimittel aus Deutschland zu einem bestimmten Preis ohne, aus Italien zu einem anderen Preis nur mit Rezept erhalten zu können.

Schliesslich sei auch hingewiesen auf die mit der zwangsweisen Abgabe der preisgünstigsten (importierten) Arzneimittel verbundenen unterschiedlichen Konfektionen und Packungsgrössen, die je nach Land variieren können. Oft sind auch je nach Staat verschiedene Dosierungen im Handel. Durch die verschiedenartigen Verpackungen, die unterschiedlichen Packungsgrössen, die variierenden Wirkstoffanteile und Dosierungen, aber auch durch die unterschiedliche Färbung der Arzneimittel besteht die erhöhte Gefahr, ein falsches Arzneimittel oder ein richtiges Arzneimittel in der falschen Dosierung einzunehmen.

7554

Für den Bundesrat sind diese Beeinträchtigungen der Patientensicherheit wichtige Argumente gegen die vorgeschlagene einseitige Arzneimittelzulassung aus den vier Nachbarstaaten.

252

Beeinträchtigung der Therapiefreiheit durch Substitutionszwang

Auch der mit der Initiative vorgeschlagene Substitutionszwang geht von einem an und für sich richtigen Ansatz aus.

In der Schweiz ist das Einsparungspotential, das Generika bieten können, im Gegensatz zu anderen Ländern bei weitem nicht ausgeschöpft. Der Marktanteil der Generika am schweizerischen Medikamentenmarkt betrug 1997 ungefähr 3 Prozent. Nach Ansicht der Generika-Hersteller könnte derselbe jedoch verfünffacht werden. Deshalb ist die Forderung der Initianten nach einer neuen Regelung der Abgabe von Generika an Stelle der Originalpräparate zur Einsparung von Arzneimittelkosten sicher gerechtfertigt. Es trifft auch zu, dass derzeit die Verschreibungspraxis der Ärzteschaft nicht auf eine vermehrte Abgabe der Generika ausgerichtet ist. Die Ärzteschaft in der allgemeinen Praxis ohne Selbstdispensation kennt von ihrer Ausbildung her vorwiegend die Wirkung und auch das Nebenwirkungspotential der Originalpräparate. Wegen der bisher bestehenden starren Margenordnung der Sanphar (bis 1997: Reglementation) für Arzneimittel mit fixen, nach oben prozentual degressiven Margen für den Gross- und Detailhandel lässt sich nicht von der Hand weisen, dass sowohl selbstdispensierende Ärzte und Ärztinnen wie Apothekerinnen und Apotheker eher zu den teureren Originalpräparaten als zu den billigeren Generika gegriffen haben, da bis jetzt ein Anreizsystem via Vergütung für die Abgabe von Generika (wie z. B. in Holland) fehlt. Eine im Jahre 1998 unter 9230 Ärzten und Apothekern durchgeführte Umfrage ergab, dass lediglich «öfters» Generika verschrieben werden.

Mit der Annahme der Initiative würde die Apothekerin/der Apotheker verpflichtet, immer das Generikum anstelle des verschriebenen Originalpräparates abzugeben und dies ohne Zustimmung des verschreibenden Arztes/der verschreibenden Ärztin.

Mit diesem Substitutionszwang besteht die Gefahr, dass eine auf den Patienten abgestimmte, individuelle Arzneimitteltherapie gefährdet oder teilweise vereitelt werden könnte. Beim Substitutionszwang könnte zudem nicht Rücksicht genommen werden auf die psychologische und emotionale Situation der Patienten (z. B. Verunsicherung durch zu ändernde Einnahmegewohnheiten, die nicht mehr gewährleistete Sicherstellung der bisherigen Verträglichkeit und allenfalls des Umgangs mit Nebenwirkungen). Den Patienten könnte zusammenfassend
nicht in jedem Fall das für die Behandlung hinsichtlich Preis und Wirkung optimale Präparat abgegeben werden6.

Mit der postulierten Substitutionspflicht würde das bis anhin hochgehaltene Prinzip der ärztlichen Behandlungsfreiheit verletzt, zu der auch die Auswahl unter den zur Behandlung von Krankheiten möglichen Arzneimitteln der SL gehört.

Die Pflicht zur Verschreibung bzw. Abgabe des kostengünstigsten SL-Präparates durch den Arzt/die Ärztin im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Apotheke6

Vgl. dazu IKS-Artikel über die Anforderungen an die Dokumentation für Generika (Bulletin des Bundesamtes für Gesundheit, 1998, Nr. 9, S. 16­17)

7555

rin/des Apothekers, dieses Präparat abzugeben, war bereits bei der Ausarbeitung des KVG Gegenstand parlamentarischer Beratungen. Es blieb jedoch auch in der neuen Rechtsordnung bei der Therapie- bzw. Verschreibungsfreiheit des Arztes/der Ärztin und damit beim bestehenden Arztrecht. Hingegen wollte das Parlament die Generika-Abgabe fördern. Deswegen wurde in Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe b KVG ausdrücklich der Passus aufgenommen, dass die SL auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten habe. Diese Bestimmung wurde in Teil II der SL «Generikaliste (GL)» umgesetzt.

253

Zusammenfassende Würdigung

Der Bundesrat teilt die Zielsetzung der Initiative, nämlich die Verbilligung der Arzneimittel, weitgehend. Er erachtet die vorgeschlagenen Massnahmen jedoch als ungeeignet, weil sie weit über das Ziel hinausschiessen und mit schwer wiegenden Nachteilen verbunden sind. Er lehnt deshalb die Initiative ab. Der Bundesrat hat indessen wichtige Anliegen der Volksinitiative in seiner Botschaft vom 21. September 1998 über den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung und die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (BBl 1999 793) und in seiner Botschaft vom 1. März 1999 über ein neues Heilmittelgesetz (noch nicht im Bundesblatt veröffentlicht) aufgenommen.

3

Teilrevision KVG und neues HMG als indirekter Gegenvorschlag

31

Teilrevision KVG

Die bereits erwähnte Botschaft des Bundesrates zur Teilrevision des KVG enthält einen neuen Artikel 52a KVG, welcher zwar nicht einen Substitutionszwang, wohl aber ein Substitutionsrecht vorsieht (BBl 1999 793). Heute besteht keine rechtliche Möglichkeit, welche es Apothekerinnen und Apothekern ermöglicht, von einer ärztlichen Verschreibung abzuweichen. Mit dem neu vorgesehenen Substitutionsrecht überlässt es die verschreibende Ärztin bzw. der verschreibende Arzt der Apothekerin oder dem Apotheker, das für die Patientin oder den Patienten unter Berücksichtigung der verschiedenen Faktoren (Preis, Compliance, Komfort, verfügbare Dosierung, galenische Formen oder Qualität der Dokumentation) am besten geeignete Generikum abzugeben. Lediglich in den Fällen, in welchen auf der ärztlichen Verschreibung ausdrücklich die Abgabe des Originalpräparates verlangt wird, ist die Apotheke verpflichtet, sich genau an die Verschreibung zu halten.

Die neue gesetzliche Regelung soll zudem durch ein neues Abgeltungssystem für die Apothekerschaft ergänzt werden. Die heutige Margenordnung der privatrechtlich organisierten Sanphar soll durch ein leistungsabhängiges Abgeltungssystem für die Apothekerschaft und die selbstdispensierende Ärzteschaft abgelöst werden. Das bedeutet ein Abgehen von den heute geltenden Berechnungsregeln für die Publikumspreise der SL-Arzneimittel. Diese sehen derzeit eine feste Marge für Apothekerschaft und selbstdispensierende Ärztinnen und Ärzte vor, die nach oben hin prozentual degressiv ist, die aber aus wettbewerbsrechtlicher Sicht als kartellrechtliche Absprache beanstandet werden könnte. Mit einem leistungsabhängigen Abgeltungssystem würde für die Abgabeberechtigten der finanzielle Anreiz wegfallen, das teu7556

rere Originalpräparat an Stelle des billigeren Generikums abzugeben. Die Arbeiten zur Konkretisierung dieses leistungsabhängigen Abgeltungssystems sind im Gange.

32

Schaffung eines Bundesgesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG)

321

Botschaft für ein eidgenössisches HMG

Der Bundesrat hat am 1. März 1999 die Botschaft für ein Heilmittelgesetz verabschiedet (noch nicht im Bundesblatt veröffentlicht). Die grundlegende Änderung, die mit dem HMG vollzogen werden soll, ist die Übertragung bisheriger kantonaler Kompetenzen an den Bund. Es soll das Schweizerische Heilmittelinstitut (SHI) geschaffen werden, das überall dort zuständig werden soll, wo es um Bereiche geht, die das internationale Umfeld berühren oder die Kantonsgrenzen überschreiten. Der Bundesrat schlägt weiter eine gesamtschweizerisch einheitliche Einfuhrregelung für Arzneimittel vor. Eine Bewilligungspflicht für Importeure ermöglicht es, einen Überblick über die Personen zu gewinnen, welche Arzneimittel importieren. Dies ist insbesondere bei Fragen des Rückrufes von Arzneimitteln von Bedeutung.

322

Vereinfachung des Zulassungsverfahrens für ausländische Arzneimittel

Der Entwurf zum HMG sieht in Artikel 14 für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, vorbehaltlich der Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit sowie internationaler Verpflichtungen der Schweiz. Vorbehalten bleiben ebenfalls die Regelungen des Wettbewerbs und des Immaterialgüterrechts.

Das SHI wird zudem angehalten, für Arzneimittel oder Verfahren, die in einem anderen Land mit vergleichbaren Arzneimittelkontrollen bereits zugelassen sind, ausländische Prüfungsergebnisse im Rahmen seines Zulassungsverfahrens zu berücksichtigen. Dies hat eine erhebliche Vereinfachung des Zulassungsverfahrens sowie eine Verringerung des Aufwandes für den Antragsteller zur Folge. Er muss in der Schweiz keine neuen Versuche mehr durchführen. Dies verkleinert den Aufwand des Zulassungsverfahrens insgesamt, was sich wiederum auf dessen Kosten positiv auswirkt.

Der Entwurf des HMG sieht ferner vor, dass eine Zulassung vom SHI nicht erforderlich ist, wenn der Bundesrat internationale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen abgeschlossen hat. Der Bundesrat verfügt gemäss den Artikeln 14 und 15 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (THG, SR 946.51) bereits über die generelle Kompetenz zur Aushandlung solcher Abkommen sowie zum Erlass der nötigen Ausführungsbestimmungen. Nach Verabschiedung des HMG ist diese Kompetenz automatisch auch auf Arzneimittel anwendbar.

7557

323

Ermöglichung von Parallelimporten

Parallelimporte sollen dazu dienen, den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten billigere ausländische Arzneimittel anzubieten. Beim Parallelimport ist das importierte Präparat sowohl in der Schweiz als auch im betreffenden Exportland zugelassen.

Die Möglichkeit von Parallelimporten besteht heute ausschliesslich innerhalb des EU-Binnenmarktes. Dieser schafft die Grundlage für Parallelimporte. Ein Anreiz zu Parallelimporten zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten besteht insbesondere deswegen, weil diese im Rahmen der Preisfestlegung für die Vergütung der Arzneimittel durch die Sozialversicherungen verschieden hohe Preise fixieren. Mit der Zulassung von Parallelimporten wird somit die Preispolitik (im Bereich der Sozialversicherung) eines anderen Landes importiert. Parallelimporte sind im EU-Raum nicht frei, sondern unterliegen der Kontrolle der Mitgliedstaaten. In allen andern Ländern, wie insbesondere den USA, sind Parallelimporte nicht möglich bzw. ausdrücklich untersagt.

In der Schweiz waren Parallelimporte bis anhin aus Gründen der Wahrnehmung der sanitätspolizeilichen Verantwortung unter Verweis auf den Grundsatz «ein Präparat ­ eine Vertriebsfirma» untersagt. Eine gewisse Lockerung dieses Verbots erscheint vertretbar. Zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit und des Patientenschutzes müssen dem Parallelimport jedoch klare gesetzliche Rahmenbedingungen auferlegt werden. Im HMG (Art. 14) soll daher grundsätzlich die Möglichkeit vorgesehen werden, Parallelimporte im Rahmen eines vereinfachten Zulassungsverfahrens zu bewilligen. Der Inverkehrbringer muss jedoch nachweisen, dass das betreffende Arzneimittel in der Schweiz sowie in einem Land mit gleichwertiger Arzneimittelkontrolle zugelassen, die beiden identisch sind und dass die für die Schweiz relevanten Sicherheits- und Qualitätsbestimmungen sowie Anforderungen an die Kennzeichnung und Arzneimittelinformation (z. B. Packungsprospekte in drei Amtssprachen) eingehalten sind.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

41

Finanzielle Auswirkungen

411

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Das Ausmass der finanziellen Konsequenzen einer Annahme der Volksinitiative hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Heilmittelkontrolle in der Schweiz zum Zeitpunkt der Umsetzung der Initiative eine Bundesaufgabe ist oder weiterhin vorwiegend eine kantonale Kompetenz bleibt.

Das mit dem neuen HMG vorgesehene SHI soll im Wesentlichen durch die Gebühren für die Arzneimittelzulassungen finanziert werden. Fallen nun einerseits diese Zulassungsverfahren mindestens teilweise weg, sollen aber andererseits die Marktüberwachung in der gleichen Grössenordnung beibehalten und die Qualität der Arzneimittel sichergestellt werden, fallen zusätzliche Kosten beim SHI an, weil vermehrte Marktkontrollen notwendig sind. Geht man davon aus, dass die von der Volksinitiative postulierte Änderung der Bundesverfassung nach dem neuen HMG in Kraft treten würde, so ergäben sich für den Bund als Träger des SHI Mehrkosten zwischen fünf bis zehn Millionen Franken.

7558

412

Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone

Falls das neue HMG nach der neuen Verfassungsbestimmung in Kraft treten würde, hätte die Initiative die folgenden finanziellen Auswirkungen auf die Kantone: 45 Prozent (11 Mio. Fr.) der IKS-Mittel stammen heute von Vignettengebühren.

Diese Vignetten bringt die IKS an jeder Verpackung der von ihr registrierten Arzneimittel an. Es bräuchte somit neue Vignetten für Importprodukte, die ohne vorherige Registrierung auf den Markt kommen. Die Vignettenpflicht könnte nur im Nachhinein geprüft werden (Marktkontrollen), sodass die Einnahmen der IKS vor allem davon abhängen würden, wie ernst die Unternehmen diese Pflicht nehmen.

Auf die Eintragungsgebühr für neue Arzneimittel entfallen 20 Prozent (5 Mio. Fr.)

der IKS-Geldmittel. Mit der Annahme der Initiative würde dieser Eintragungsvorgang wegfallen, sodass auch hier Einbussen zu verzeichnen wären.

Den Einnahmerückgang der IKS in Prozenten oder absoluten Zahlen zu beziffern, ist schwierig, da dieser von den Marktpartnern abhängt: d. h. davon, ob die Unternehmen gewillt sind, ihre Arzneimittel registrieren zu lassen oder ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Es ist wohl mit einem massiven Rückgang zu rechnen, geht man von der Tatsache aus, dass 67 Prozent der in der Schweiz verkauften Arzneimittel Importprodukte sind.7 Die Auslagen der IKS werden hingegen ansteigen. Denn an die Stelle der Präventivkontrolle (heutige Registrierung) müsste eine umfassende Repressivkontrolle treten, wenn die Arzneimittelsicherheit auch weiterhin garantiert werden soll. Dies bedingt zusätzliche Auslagen für eine den geänderten Bedürfnissen der Kontrollbehörde entsprechende Infrastruktur.

Vom Bund erhält die IKS keine Subventionszahlungen. Die Kantone finanzieren die IKS zu 20 Prozent (5 Mio. Fr.). Bei einem Rückgang der IKS-eigenen Geldmittel (Vignetten- und Registrierungsgebühren) müssten diese Beiträge mindestens entsprechend erhöht werden.

413

Finanzielle Auswirkungen auf die Krankenversicherung

Die von den Initianten geforderte bewilligungsfreie Arzneimittelzulassung soll dazu führen, das Arzneimittelpreisniveau der vier Nachbarstaaten in die Schweiz einzuführen, um damit eine Senkung des Schweizer Arzneimittelpreisniveaus zu bewirken. Eine gewisse Absenkung der Schweizer Arzneimittelpreise an die Preissituation dieser Nachbarstaaten ist denkbar. Es ist jedoch nicht ausser Acht zu lassen, dass durch anfallende Importkosten, die Grösse des Schweizer Pharma-Marktes sowie die Grösse des spezifischen Marktes des einzelnen Arzneimittels die angestrebten finanziellen Auswirkungen nicht voll zum Tragen kommen werden. Bezüglich der Generikasubstitution dürften Schätzungen von potentiellen Einsparungen von bis zu einer Milliarde Franken, selbst bei einer möglichen Verfünffachung des Generika-Anteils am gesamten Arzneimittelmarkt, und damit einem Marktanteil von 15 Prozent, jedoch massiv überhöht sein. Im Jahr 1997 betrug der Anteil der Arzneimittel an den Gesundheitskosten von total 38 Milliarden Franken8 11,2 Prozent, also etwa 7 8

«Pharma-Markt Schweiz», PharmaInformation, Basel 1998 Schätzung einer Kostenzunahme von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr

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4,2 Milliarden Franken. Im selben Jahr betrug der Anteil der Arzneimittel an den Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von total 13,1 Milliarden Franken 18,9 Prozent, also etwa 2,4 Milliarden Franken. Damit sind zwar mit Generika-Substitutionen zweifellos Einsparungen möglich; diese dürften angesichts der genannten Grössenordnungen aber eher im Bereich von 100 bis 250 Millionen Franken liegen, was etwa 1 bis maximal 2 Prämienprozenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entspricht. Es muss zudem betont werden, dass die Initiative nicht garantiert, dass allfällige Preisverbilligungen den Endverbraucherinnen und -verbrauchern weitergegeben werden und nicht allein zu Gewinnsteigerungen der Zwischenhandelsstufen führen.

42

Personelle Auswirkungen

421

Personelle Auswirkungen auf den Bund

Auch hier hängen die Konsequenzen im Wesentlichen davon ab, ob die Heilmittelkontrolle in der Schweiz zum Zeitpunkt der Umsetzung der Initiative eine Bundesaufgabe ist oder ob sich Bund und Kantone die Verantwortung noch teilen, wie dies heute der Fall ist.

422

Personelle Auswirkungen auf die Kantone

Sollte die Volksinitiative angenommen werden, ist in jedem Fall mit einem Rückgang der schweizerischen Zulassungen zu rechnen. Im Gegenzug muss die Marktüberwachung verstärkt werden, um die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität der Arzneimittel weiterhin gewährleisten zu können. Der Rückgang der den Zulassungen vorangehenden Kontrollen durch die IKS und das BAG bzw. durch das neue SHI sowie das Fehlen von Kontrollen am Zoll steigern die Wahrscheinlichkeit von Schmuggel und die Einfuhr von Produkten ungenügender und gesundheitsgefährdender Qualität in die Schweiz.

So gesehen müssen die Kantonsapotheker einseitig vermehrte Massnahmen für die Kontrolle an den Abgabestellen treffen und müssen die IKS und das BAG respektive das SHI die Marktüberwachung verstärken. Zunächst wären die analytischen Kontrollen zur Prüfung der effektiven Qualität der Arzneimittel zu verstärken. Diese Kontrollen werden natürlich durch das Fehlen der Nachweisdokumentation erschwert, welche die analytischen Spezifikationen der kontrollierten Arzneimittel enthält. Die Verfügbarkeiten für die Arzneimittelüberwachung müssten zudem erhöht werden, da das Nebenwirkungs- und Unfallrisiko, auf Grund der Arzneimittelund Verpackungsvielfalt für jedes einzelne Präparat, stark zunimmt. Der durch die verstärkte Marktüberwachung nötige Personalbedarf kann durch die wegfallenden Stellenprozente bei den Registrierungen ­ hier ist mit weniger Zulassungsgesuchen zu rechnen ­ ganz oder zumindest teilweise ausgeglichen werden.

Der personelle Mehrbedarf der IKS und des BAG sowie des künftigen SHI kann nicht genau abgeschätzt werden. Fest steht indes schon heute, dass die Zahl der wissenschaftlichen und medizinischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleich bleiben wird oder etwas ansteigen muss. Denn es wären beispielsweise nicht mehr rund

7560

7000 Arzneimittel zu kontrollieren, welche die IKS heute registriert, sondern mehrere zehntausend: Deutschland allein zählt über 50 000 registrierte Arzneimittel, die auf den Schweizer Markt kommen könnten.

5

Verhältnis zum europäischen Recht und zu internationalen Abkommen

51

Vorschriften der EU

511

Zulassungsbewilligung

In der Europäischen Gemeinschaft gibt es verschiedene Zulassungsverfahren, welche die Harmonisierung des Arzneimittelmarktes zum Zweck haben.

Für Arzneimittel, die mit bestimmten biotechnologischen Verfahren hergestellt werden, ist das sogenannte zentrale Verfahren vorgeschrieben. Fakultativ kann dieses Verfahren für andere biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und für solche mit innovativen Wirkstoffen, Indikationen oder galenischen Formen beansprucht werden. Die im zentralen Verfahren erteilte Zulassung für ein Arzneimittel gilt als gemeinschaftsweite Zulassung in allen Mitgliedstaaten.

Beim «dezentralen Verfahren» wird die Zulassung wie bis anhin von einer nationalen Behörde erteilt. Zulassungen in weiteren EU-Mitgliedstaaten erfolgen grundsätzlich nur noch auf dem Weg der gegenseitigen Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten. Der Zugang zum Gemeinschaftsmarkt erfolgt hier also über die gegenseitige Anerkennung.

Ausschliesslich nationale Zulassungsverfahren sind nur noch für Arzneimittel möglich, deren Vermarktung auf einen Mitgliedstaat beschränkt ist.

Innerhalb der EU sind Parallelimporte möglich. Die EU verlangt jedoch von den Parallelimporteuren, dass sie gewisse Voraussetzungen erfüllen. Diese sind in einer Kommissionsmitteilung festgehalten9. Der Importeur muss bei der Arzneimittelregistrierungsbehörde des Einfuhrlandes die zur Feststellung der Identität des Einfuhrproduktes mit dem Originalpräparat und des Qualitätsnachweises notwendigen Dokumente einreichen. Jede Medikamentenpackung hat eine Packungsbeilage in den Nationalsprachen des Importlandes zu enthalten.

Mit der geforderten einseitigen bewilligungsfreien Zulassung würden die Chancen der Schweiz an einer Mitwirkung an der EU Agency for the Evaluation of Medicinal Products (EMEA) kompromittiert. Bei der Annahme der Initiative wäre somit das bekundete Interesse der Schweiz mit der EU Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen aufzunehmen und in die Prozesse der EU mit der zentralen und dezentralen Zulassung einbezogen zu werden, aussichtslos.

9

Communication de la Commission sur les importations parallèles de spécialités pharmaceutiques dont la mise sur le marché a déjà été autorisée (JO No C 115 du 6.5.82) und Mitteilung der Kommission über die gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel (ABl. 98/C229/03)

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512

Generikasubstitution

Die EU-Regelwerke enthalten keine Bestimmungen bezüglich des Substitutionsrechts für Apothekerinnen und Apotheker.

52

Vereinbarkeit der Initiative mit internationalen Abkommen

521

Vereinbarkeit des Initiativtextes mit den Bestimmungen des GATT 94

Die Volksinitiative steht in einem Konfliktverhältnis zu internationalen Abkommen, welche von der Schweiz unterzeichnet worden sind. Nach den WTO-Bestimmungen (GATT 94) müssen Handelsvorteile, welche ein Staat einem andern Staat einräumt (Meistbegünstigungsklausel), auch allen anderen WTO-Mitgliedern gewährt werden. Derartige Handelsvorteile wären zweifellos in der automatischen Zulassung von Arzneimitteln aus den Nachbarstaaten gegeben. Dies hat zwar keine Auswirkungen auf die Durchführbarkeit, bedeutet aber, dass sich die automatische Zulassung zum schweizerischen Arzneimittelmarkt nicht auf Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich beschränken dürfte, was sonst einer klaren Verletzung der WTO-Meistbegünstigungsklausel gleich käme, sondern dass sie auf sämtliche WTOMitglieder, welche eine mit den Schweizer Vorschriften gleichwertige Zulassung für Arzneimittel kennen, ausgedehnt werden müsste.

522

Vereinbarkeit des Initiativtextes mit dem TRIPS-Abkommen

Die Initiative tangiert die immateriellen Rechte im Bereich des geistigen Eigentums in verschiedener Hinsicht. Vor allem hat sie Auswirkungen auf den Erstanmelderschutz, wie er im TRIPS-Abkommen vorgesehen ist. Beim Erstanmelderschutz geht es darum, vertrauliche Daten, welche der Erstanmelder im Rahmen eines Zulassungsverfahrens vorzulegen hat und welche oft unter erheblichen Investitionen erstellt worden sind, vor unlauterer gewerblicher Verwendung zu schützen. D. h., der Antrag des Zweitanmelders darf sich nur mit Einverständnis des Erstanmelders oder, je nach Produkt, nach Ablauf einer gewissen Zeitdauer auf die Daten des Erstanmelders stützen. Nach schweizerischer Praxis darf die Behörde bei der Registrierung eines Generikums bis zehn Jahre nach der Zulassung des Originalpräparates (jene der Erstanmeldung) nicht gestatten, dass Daten eines Erstanmelders für die Registrierung eines Generikums verwendet werden10. Eine Umgehung des Erstanmelderschutzes nach schweizerischem Recht wäre allenfalls in Fällen denkbar, in denen der Schutz des Originalpräparats im Ausland entweder seinem Umfang oder der Zeitdauer nach ein anderer ist als in der Schweiz und folglich andere Voraussetzungen für die Zulassung des Generikums im Ausland vorliegen, als dies bei einer Zulassung des Generikums in der Schweiz der Fall wäre. In diesen Fällen könnte in der 10

Wurden für das Originalpräparat neue Indikationen, neue Applikationswege, neue Darreichungsformen oder neue Dosierungen zugelassen, so kann sich das Gesuch des Zweitanmelders nach Ablauf von fünf Jahren seit deren Registrierung auf die betreffenden Untersuchungsergebnisse stützen. In begründeten Fällen kann die IKS diese Frist angemessen herabsetzen (vgl. Art. 10 Abs. 3 des IKV-Regulativs gemäss revidiertem Text vom 14. Mai 1998).

7562

Tat mit einer bedingungslosen Zulassung ausländischer Generika der Erstanmelderschutz nach schweizerischem Recht unterlaufen werden. Dies trifft auch auf Situationen zu, in denen der Patentschutz in der Schweiz zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wurde als im Ausland.

Zudem ist nicht auszuschliessen, dass die zwingende Abgabe eines generischen Arzneimittels an Stelle des Originalpräparates, welches die Marke trägt, Artikel 2011 TRIPS-Abkommen verletzt. Die Initiative sieht für Originalpräparate zwar kein Markenbenutzungsverbot vor. Originalpräparate wären weiter im Handel erhältlich, müssten aber von der kranken Person selber bezahlt werden. In der Praxis würde sich letztere jedoch für ein Generikum entscheiden, damit der Krankenversicherer das Arzneimittel übernimmt. Der Zwang zur Abgabe von Generika könnte somit folgende Auswirkungen haben: (1) das Originalpräparat gerät in Vergessenheit oder wird ignoriert, (2) der Markeninhaber des Originalpräparats kann de facto im Handelsverkehr daran gehindert werden, seine Marke zu benutzen (der Markeninhaber hat kein Interesse mehr daran, seine Marke zu verwenden, wenn der kranken Person vom Kauf seines Produktes abgeraten wird), (3) das Originalpräparat kann de facto vom Markt ausgeschlossen werden. Wird die Initiative angenommen, so würden «besondere Erfordernisse» gelten, die eine «Erschwerung» der Benutzung der Marke des Originalpräparates zur Folge hätten. Der Beweis für den «ungerechtfertigten» Charakter dieser Benutzung wäre allerdings noch zu erbringen. Um das Problem der Arzneimittelpreise zu lösen, stehen schon heute andere Mittel zur Verfügung. Zwar könnte nur ein WTO-Panel abschliessend entscheiden. Die Tatsache, dass ein WTOMitglied Artikel 20 TRIPS gegen die Schweiz anrufen könnte, gibt zu einigen Bedenken Anlass.

Würde die Verletzung einer dieser WTO/TRIPS-Bestimmungen durch die Schweiz von einem WTO-Mitglied geltend gemacht, müsste ein sogenanntes Panel auf Grund der Vereinbarung über Regeln und Verfahren für die Streitbeilegung (Anhang 2 des TRIPS-Abkommens) prüfen, ob Bestimmungen der WTO verletzt werden. Gegebenenfalls würde der Schweiz eine Frist zur Anpassung ihrer Rechtsordnung eingeräumt. Würde sie dies unterlassen, könnte das WTO-Streitbeilegungsorgan auf Gesuch eines WTO-Mitgliedes, zu dessen Gunsten zuvor ein Panel entschieden hat, Retorsionsmassnahmen gegen die Schweiz gutheissen.

523

Freihandelsabkommen mit der EG

Die von der Initiative vorgesehene einseitige Anerkennung der Zulassung von Arzneimitteln aus den vier Nachbarstaaten der Schweiz läuft dem Freihandelsabkommen-Grundprinzip der Nichtdiskriminierung zuwider. Die eingeräumten Handelsvorteile können sich nicht auf diese vier Staaten beschränken, da gemäss Freihandelsabkommen sämtliche «Begünstigungen», welche die Schweiz der EG zugesteht, 11

Artikel 20 TRIPS-Abkommen: «Die Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr darf nicht ungerechtfertigt durch besondere Erfordernisse erschwert werden, wie etwa die gleichzeitige Benutzung mit einer anderen Marke, die Benutzung in einer besonderen Form oder die Benutzung auf eine Weise, die ihre Kraft zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen beeinträchtigt. Dies schliesst nicht das Erfordernis aus, die Marke, welche das die Waren oder Dienstleistungen herstellende Unternehmen kennzeichnet, zusammen, aber ohne Verbindung mit der Marke zu benutzen, welche die betreffenden besonderen Waren oder Dienstleistungen dieses Unternehmens unterscheidet.»

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auf alle andern EG-Mitgliedstaaten Anwendung finden müssen. Die einseitige Anerkennung der Zulassungen wie auch der Substitutionszwang müssen zudem im Hinblick auf die Bestimmungen in Artikel 13 des Freihandelsabkommens geprüft werden. Dieser verbietet unter anderem Massnahmen gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im zwischenstaatlichen Handel. Die Massnahmen der Initiative könnten sich auf die Struktur der Importprodukte auswirken und somit in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.

524

Vereinbarkeit der Initiative mit den internationalen Betäubungsmittelabkommen

Soweit Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe als verwendungsfertige Arzneimittel einer Zulassung bedürfen, werden sie vom Geltungsbereich der Volksinitiative erfasst (vgl. Ziff. 222). Die Schweiz hat das Einheits-Übereinkommen von 196112 über die Betäubungsmittel, das Übereinkommen vom 21. Februar 197113 über psychotrope Stoffe und das Protokoll vom 25. März 197214 zur Änderung des EinheitsÜbereinkommens von 1961 über die Betäubungsmittel ratifiziert. Das Übereinkommen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen hat die Schweiz noch nicht ratifiziert15. Das durch die genannten Konventionen eingeführte Kontrollsystem ist so konzipiert, dass der Händler des Ausfuhrstaates nur dann von der zuständigen Behörde eine Ausfuhrbewilligung erhält, wenn er ihr eine Einfuhrbewilligung der zuständigen Behörde des Einfuhrstaates vorweisen kann. Wie bereits unter Ziffer 222 ausgeführt, schafft die Volksinitiative die nach schweizerischem Betäubungsmittelrecht verlangte Einzeleinfuhrbewilligung für Betäubungsmittel nicht ab. Deshalb ist die Volksinitiative mit den internationalen Betäubungsmittelübereinkommen vereinbar.

6

Schlussfolgerung

Die Initiative hat schwer wiegende Auswirkungen auf die Qualität der Arzneimittel sowie auf die Patienten- und Patientinnensicherheit. Sie greift in die Therapiefreiheit und -verantwortung der Ärztinnen und Ärzte ein. Für Bund und gegebenenfalls Kantone kann sie zu beträchtlichen Mehrkosten führen. Probleme mit der Initiative stellen sich ebenfalls betreffend die Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen (namentlich Verstoss gegen die Meistbegünstigungsklausel und das Verbot mengenmässiger Beschränkungen des GATT, Verletzung von TRIPS-Bestimmungen sowie Verletzung des Verbots mengenmässiger Beschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung im Rahmen des Freihandelsabkommens mit der EG). Aus diesen Gründen wird die Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» zur Ablehnung empfohlen.

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12 13 14 15

SR 0.812.121.0; AS 1970 802 SR 0.812.121.02; AS 1996 1752 SR 0.812.121.01; AS 1996 1941 Botschaft vom 29. November 1995; BBl 1996 609

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