zu 93.082 Vollzugsprobleme im Tierschutz Bericht des Bundesrates an die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 8. September 1999

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Ausgangslage

In ihrem Bericht «Vollzugsprobleme im Tierschutz»1 fordert die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK SR) den Bundesrat auf, über die gestützt auf die Empfehlungen der GPK SR getroffenen Massnahmen zu berichten.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 1994 2 erklärt, er unterstütze die Stossrichtung des erwähnten Berichts und halte Verbesserungen im Tierschutzbereich ebenfalls für notwendig. Er hat sich bereit erklärt, die Empfehlungen der Kommission anlässlich einer bevorstehenden Revision der Tierschutzverordnung (TSchV)3 in die Gesetzgebung überzuführen. Der Bundesrat hat der GPK SR einen Bericht über die getroffenen Massnahmen in Aussicht gestellt.

Die Vernehmlassung zu dieser umfassenden Verordnungsrevision wurde am 1. September 1995 eröffnet. Die Revisionsvorschläge betrafen die allgemeinen Tierhaltungsvorschriften, die allgemeinen Vorschriften für Haustiere, den Einsatz von Tierpflegern, das Halten von Rindvieh, Schweinen und Hausgeflügel, das Bewilligungsverfahren für den Verkauf von Stalleinrichtungen, das Halten und Abrichten von Hunden, das Halten von Katzen sowie von Meerschweinchen, Hamstern, Ratten und Mäusen, den Handel mit Tieren, die Tiertransporte, die Eingriffe ohne Schmerzausschaltung und die verbotenen Handlungen an Tieren. Neu vorgeschlagen wurden Bestimmungen über das Halten von Schafen, Ziegen, Truten und Pferden, über das Schlachten, allgemeine Regelungen über das Halten von Heimtieren, spezielle Vorschriften über das Halten einzelner Wildtiere als Heimtiere, das Führen von Tierheimen und gewerbsmässigen Tierzuchten sowie die Aus- und Weiterbildung des bei Tierversuchen eingesetzten Personals.

Im Juni 1996 veröffentlichte das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) den Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung über die revidierte Verordnung. Die über 250 eingegangenen Stellungnahmen ergaben ein kontroverses Bild; einerseits wurde dem Entwurf vorgeworfen, er enthalte zu einschneidende und zu umfangreiche Regelungen, andererseits wurde ihm vorgehalten, er sei tierschützerisch ungenügend und zu wenig weit gehend, während er beispielsweise von der Geflügelwirtschaft positiv beurteilt wurde. Nach Verhandlungen mit direkt interessierten Kreisen arbeitete das BVET einen neuen Entwurf aus, der jedoch vor dem Entscheid des Bundesrates zurückgezogen wurde. Ausschlaggebend für den Abbruch der Arbeiten 1 2 3

BBl 1994 I 618 BBl 1994 I 646 SR 455.1

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war, dass das schweizerische Tierschutzrecht einer umfassenden Neuorientierung bedürfe statt einer zwar umfangreichen, aber punktuellen Anpassung einzelner Regelungen auf Verordnungsebene.

Am 14. Mai 1997 beschloss der Bundesrat eine Teilrevision der TSchV4, mit welcher die aktuellen internationalen Standards (Europarat, EU) in die Verordnung übergeführt und unaufschiebbare neue Bestimmungen über die Nutztierhaltung und die Tiertransporte aufgenommen wurden. Der Bundesrat beauftragte das BVET, unter Beizug der massgebenden Organisationen der Landwirtschaft, der Tierhaltung und des Tierschutzes sowie weiterer betroffener Kreise und der Kantone Vorschläge für eine Neuausrichtung des schweizerischen Tierschutzrechts zu erarbeiten.

Das BVET setzte zu diesem Zweck eine verwaltungsexterne Arbeitsgruppe unter der Leitung von Frau Nationalrätin Christiane Langenberger-Jaeger («Arbeitsgruppe Langenberger») ein. Der Bericht der Arbeitsgruppe wurde am 1. Oktober 1998 den interessierten Kreisen und den Medien abgegeben. Seine Vorschläge wurden in den vorliegenden Bericht integriert.

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Entwicklung der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung

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Die Entwicklung in der Schweiz

Die Schweiz verfügt über «eines der besten und fortschrittlichsten Tierschutzgesetze der Welt»5. Dieses steht am vorläufigen Ende einer kontinuierlichen Rechtsentwicklung, die gleichzeitig den Wandel der Einstellung des Menschen gegenüber dem Tier widerspiegelt.

1893 nahm das Schweizervolk ­ gegen den Antrag von Bundesrat und Parlament ­ ein Schächtverbot in die Bundesverfassung (BV) auf. Bis 1973 blieb dies die einzige Verfassungsbestimmung im Bereich des Tierschutzes. Auf Gesetzesebene regelte der Bund aber schon früh einzelne Tierschutzfragen, so mit der Bestimmung über die Tierquälerei im Artikel 264 des Strafgesetzbuches (heute in das Tierschutzgesetz integriert) und mit Einzelbestimmungen im Strassenverkehrsrecht und in der ehemaligen Eidg. Fleischschauverordnung. Daneben blieb der Tierschutz jedoch Sache der Kantone; Zürich, Freiburg, Waadt und Genf verfügten schon vor der Schaffung eines schweizerischen Tierschutzrechts über eigene Tierschutzgesetze.

Mit dem 1973 in die BV eingefügten Tierschutzartikel 25bis wurde die verfassungsrechtliche Kompetenz für eine gesetzliche Regelung des Tierschutzes auf Bundesebene geschaffen6. Gestützt darauf erliessen die eidgenössischen Räte am 9. März 1978 das Tierschutzgesetz (TSchG)7, das ­ nach einer Referendumsabstimmung ­ am 1. Juli 1981 in Kraft trat. Auf das gleiche Datum setzte der Bundesrat die Tierschutzverordnung in Kraft. 1991 wurde das Gesetz ein erstes Mal revidiert, die Verordnung 1986, 1991, 1997 und 1998. Eine weitere Teilrevision ist für das kommende Jahr vorgesehen.

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AS 1997 1121 Zitat aus: Brigitta Rebsamen-Albisser, Der Vollzug des Tierschutzrechts durch Bund und Kantone, Diss., 1993 (Verlag Haupt, Bern/Stuttgart/Wien, 1994), S. 1 Die neue Bundesverfassung vom Juni 1999 regelt den Tierschutz in Artikel 80. Inhaltlich stimmt die neue Regelung mit der alten Bestimmung überein. Geändert hat einzig die Reihenfolge der Regelungsbereiche in Absatz 2.

SR 455

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Wie die GPK SR in ihrem Bericht festhält, setze das TSchG als Rahmengesetz vor allem Ziele. Es enthalte aber eine Reihe von Bestimmungen, die dem Gesetz polizeilichen Charakter verliehen, so etwa die Liste der verbotenen Handlungen an Tieren (Art. 22)8. Die TSchV ihrerseits setze die Ziele des Gesetzes vor allem in ihren Anhängen weitgehend in polizeiliche Massnahmen um. Solche sind auch in den technischen Ausführungsvorschriften enthalten, zu deren Erlass das BVET gemäss Artikel 33 TSchG und Artikel 71 TSchV ermächtigt ist.

Die Charakterisierung des schweizerischen Tierschutzrechts als Polizeirecht ist somit sicher grundsätzlich zulässig. Andere Massnahmen als polizeiliche standen bei der Schaffung von Gesetz und Verordnung noch nicht im Vordergrund. Allerdings geht schon das bestehende Gesetz in einzelnen Bereichen über diese Charakterisierung hinaus. Es enthält seit 1991 eine Bestimmung über die Förderung der Forschung (Art. 23), verpflichtet das BVET, eine Dokumentationsstelle für Tierversuche und Alternativmethoden zu betreiben (Art. 19a) und gibt dem Amt das Behördenbeschwerderecht gegen kantonale Tierversuchsbewilligungen (Art. 26a).

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Die Tierschutzgesetzgebung im Ausland

Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Bericht kann ein Blick auf die Tierschutzgesetzgebung ausländischer Staaten nur summarisch sein. Ein Vergleich zeigt immerhin, dass die Schweiz recht lange zuwartete, bis sie umfassende Tierschutzregelungen schuf. Als erstes europäisches Land hat Grossbritannien, das allgemein als Wiege des organisierten und des staatlichen Tierschutzes gelten darf, schon 1911 ein nationales Tierschutzgesetz erhalten, gefolgt von Italien (1913).

Die meisten europäischen Staaten haben seither eigenständige gesetzliche Lösungen erarbeitet; Österreich hat die Regelung des Tierschutzes den Bundesländern überlassen. Generell gilt, dass diese Gesetzeswerke zwar punktuell gleich streng oder sogar noch strenger sind als das schweizerische TSchG, es kann aber festgestellt werden, dass das schweizerische Recht die Ansprüche der Tiere auf einem international sehr beachtenswerten Niveau regelt9.

Der Europarat hat verschiedene Übereinkommen über die folgenden Tierschutzbereiche ausgearbeitet: ­

Tiertransporte (1968)

­

Nutztiere (1976)

­

Schlachttiere (1979)

­

Tierversuche (1986)

­

Heimtiere (1987)

Die Schweiz hat alle ratifiziert und in die nationale Gesetzgebung überführt. Diese Übereinkommen werden fortlaufend den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst.

8 9

Die gemischte Konzeption des TSchG war schon in der Vernehmlassung von 1975 kritisiert worden; vgl. BBl 1977 I 1080 f.

vgl. Steiger Andreas, «Tierschutz in der Nutztierhaltung im internationalen Vergleich», in SWISS VET 7/1990 Nr. 9

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Die EU erachtet den Tierschutz nicht als vordringliches Harmonisierungsziel. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass alle Mitgliedsstaaten über ausgebaute nationale Tierschutzregelungen verfügen und der Wettbewerb durch die noch bestehenden Unterschiede nicht erheblich behindert wird. Immerhin hat das Europäische Parlament im Januar 1994 eine «Entschliessung zu dem Wohlergehen und dem Status von Tieren in der Gemeinschaft»10 verabschiedet. Es gibt EU-Richtlinien und -Verordnungen in den folgenden Bereichen des Tierschutzes: ­

Schlachtvieh (1974)

­

Tiertransporte (1977 und 1981)

­

Nutztiere (Legehennen 1986 und 1988, Mastkälber 1991, Schweine 1991)

­

Tierversuche (1986)

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Stand des Vollzugs der Tierschutzgesetzgebung

Es ist unbestritten, dass das schweizerische Tierschutzrecht dank der Anstrengungen der Vollzugsorgane positive Wirkungen gezeitigt hat. In allen Bereichen seiner Anwendbarkeit sind grosse Fortschritte zu Gunsten der Tiere zu verzeichnen. Am augenfälligsten gilt dies für das Verbot der Batteriehaltung von Legehennen auf den 1. Januar 1992 und für die Tierversuche, über welche das BVET seit 1983 eine jährliche Statistik publiziert: bis 1997 ist die Zahl der in bewilligungspflichtigen Versuchen verwendeten Tiere um 75 Prozent zurückgegangen (von 1,99 Mio. auf 0,49 Mio.).

Wo das Gesetz es nicht ausdrücklich anders bestimmt, obliegt der Vollzug der Tierschutzgesetzgebung den Kantonen (Art. 25bis Abs. 3 BV; Art. 33 TSchG). Diese sind verpflichtet, entsprechende kantonale Vorschriften aufzustellen, die vom Bund genehmigt werden müssen (Art. 36 TSchG). Bis 1987 hatten alle Kantone ihre diesbezügliche Gesetzgebung erlassen.

Die Übergangsfristen des Artikels 73 TSchV und der Schlussbestimmungen der TSchV-Änderungen von 1991 und 1997 setzten (bzw. setzen) den Kantonen Fristen für die Durchsetzung bestimmter Regelungen. So trat Ende 1986 das Verbot der Halsanbindehaltung von Schweinen in Kraft (Art. 22 Abs. 3 TSchV), bis Ende 1986 musste die Besatzdichte der Legehennenkäfige reduziert werden, seit dem 1. Juli 1998 muss auf allen gewerbsmässig für den Tiertransport verwendeten Fahrzeugen vorne und hinten die Aufschrift «Lebende Tiere» angebracht sein. Die letzte Übergangsfrist läuft am 30. Juni 2007 ab; sie betrifft die Kastenstände für Sauen.

Bei verschiedenen Gelegenheiten musste festgestellt werden, dass vor allem im Bereich der Nutztierhaltungen, beispielsweise beim Milchvieh, Vollzugsdefizite bestanden und bestehen. In ihrem Bericht «Vollzugsprobleme im Tierschutz» geht die GPK SR eingehend darauf ein. Diese Mängel betreffen nicht alle Kantone gleichmässig; es muss im Gegenteil vermerkt werden, dass eine beträchtliche Anzahl Kantone frühzeitig achtenswerte personelle und finanzielle Mittel eingesetzt haben, um den Anforderungen der Tierschutzgesetzgebung zu genügen.

Es hat sich gezeigt, dass die dem Bund zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um die Tierschutzgesetzgebung im ganzen Land einheitlich und strikte durch10

Abl. EG Nr. C 44 S. 206 vom 14.2.1994

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zusetzen. Die Instrumente der Oberaufsicht stiessen gelegentlich auf den Widerstand von Mitgliedern von Kantonsregierungen, die sich aus verschiedenen, vor allem finanziellen Gründen nicht in der Lage sahen, effiziente Vollzugsstrukturen zu schaffen. Die Bundesressourcen, die für Information und Motivation der Tierhalterinnen und Tierhalter zur Verfügung stehen, erwiesen sich nicht nur in der ersten Phase der Gesetzesumsetzung, sondern bis heute als ungenügend. Dadurch konnte ein gewisses Ungleichgewicht beim kantonalen Vollzug entstehen, das im Hinblick auf eine rechtsgleiche Anwendung des Tierschutzrechts nicht geduldet werden darf.

Der Bundesrat schliesst sich der Analyse der GPK SR bezüglich des Standes des Vollzugs an. Er stellt aber fest, dass in den letzten Jahren auf Grund eines zunehmenden Drucks aus Öffentlichkeit, Parlament und Tierschutzorganisationen, aber auch dank der Anstrengungen der verantwortlichen kantonalen und eidgenössischen Behörden ein Umdenken zu verzeichnen ist. Durch die Bindung der Direktzahlungen an die Tierhaltungsvorschriften des Gesetzes (Art. 70 Abs. 2 Bst. a sowie Abs. 4 des Landwirtschaftsgesetzes11) und mit der Einführung von Ökobeiträgen für besonders tierfreundliche Produktionsformen (Art. 70 Abs. 3 und Art. 76 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes) dürfte dieses noch beschleunigt werden.

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Stellungnahme zu den Empfehlungen der GPK SR

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Allgemeine Bemerkung

Der Bericht der GPK SR ist zweigeteilt. Zunächst äussert sich die Kommission zum Charakter der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung und gibt dazu allgemeine Empfehlungen ab. In einem zweiten Teil führt sie 22 Empfehlungen zu einzelnen tierschützerischen und vollzugstechnischen Problemen auf. Der Bundesrat äussert sich in Ziffer 4.4 in allgemeiner Form zu dieser Zweiteilung des Kommissionsberichts.

Die Vorschläge der Arbeitsgruppe Langenberger betreffen zum grossen Teil die von der GPK SR aufgegriffenen 22 Empfehlungen; auf die Übereinstimmung bzw. Diskrepanz der Meinungsäusserungen wird bei den einzelnen Empfehlungen (Ziff. 4.3) eingegangen.

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Empfehlungen zur allgemeinen Ausrichtung der Gesetzgebung

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Neue Tierethik

Die GPK SR geht von einer neuen Tierethik aus, die bereits im TSchG ihren Ausdruck gefunden hat. Die Tiere sind nicht mehr nur um des Menschen willen geschützt (anthropozentrischer Tierschutz), sondern um ihrer selbst willen. Diese Grundhaltung des Gesetzes war der erste Schritt in die Richtung eines ethischen Tierschutzes, welcher der Tierwelt und dem einzelnen Tier eine eigenständige Existenzberechtigung zugesteht.

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LwG; vom 29. April 1998; AS 1998 3033

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Die eidgenössischen Räte haben diese Linie mit ihrer Zustimmung zu den parlamentarischen Initiativen Loeb (92.437; «Tier keine Sache») und Sandoz (94.459; «Wirbeltiere. Gesetzliche Bestimmungen») erneut anerkannt und verstärkt. Im Jahr 1998 wurden die von der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates ausgearbeiteten Gesetzesänderungen, mit denen die beiden Initiativen umgesetzt werden sollen, in die Vernehmlassung gegeben. Es wird davon ausgegangen, dass sich die eidgenössischen Räte im Jahr 1999 mit der entsprechenden Vorlage befassen können. Die beiden Initiativen und die darauf abgestützten Gesetzesänderungen haben keinen direkten Einfluss auf das Tierschutzrecht. Sie sind aber wie dieses ein Zeichen dafür, dass der schweizerische Gesetzgeber das Tier «als Mitgeschöpf anerkennt, dessen Achtung und Wertschätzung für den durch seinen Geist überlegenen Menschen ein moralisches Postulat darstellt»12.

Ein direkter Einfluss auf das TSchG muss aus Artikel 24novies Abs. 3 BV13 abgeleitet werden. Zwar engt dieser den Anwendungsbereich der Würde der Kreatur auf den Umgang mit Keim- und Erbgut ein. Im Hinblick auf die bevorstehende Revision des TSchG wurde aber schon im Vorentwurf der Gen-Lex-Vorlage eine Umsetzung des Begriffs gewählt, die den gesamten Umgang mit Tieren umfasst, also einen Einschluss der Würde-Maxime in die allgemeinen Grundsätze von Artikel 2 Absatz 3 TSchG14. In der Vernehmlassung über die Gen-Lex-Vorlage fand der Änderungsvorschlag des TSchG weitgehend Zustimmung. Die Botschaft befindet sich in Vorbereitung.

Die GPK SR stellt zu Recht fest, dass der Grundsatz eines ethischen Tierschutzes zwar heute weitgehend unbestritten ist, in der Praxis aber oft nicht umgesetzt wird.

Neben psychologisch erklärbaren Gründen in der Heimtierhaltung treffe dies vor allem in der Landwirtschaft zu, wo ein instrumentelles Verhältnis zum Tier, am besten erfassbar mit dem Begriff der «Tierproduktion», noch anzutreffen sei. Das Spannungsfeld zwischen den wirtschaftlichen Anforderungen an die landwirtschaftliche Tierhaltung und den tierschützerischen Leitplanken habe die Gesetzgebung beeinflusst. Diese sei als Kompromiss zwischen Nutzungs- und Schutzbestrebungen einzustufen.

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Die Instrumente der Tierschutzgesetzgebung

Der Gesetzgeber ging offenbar ursprünglich von der Absicht aus, das TSchG als Rahmen- und Organisationsgesetz zu formulieren, das die Ziele des staatlichen Tierschutzes vorgibt und die Instrumente zum Erreichen dieser Ziele bezeichnet. Hauptsächliches Ziel ist das Wohlbefinden der Tiere, bzw. die Abwesenheit von Schmerzen, Leiden, Schäden, Angstzuständen sowie (neu vorgeschlagen) von Beeinträchtigungen der Würde des Tieres. Zur Erreichung dieser Ziele nennt das Gesetz die für den Vollzug zuständigen Stellen, es stellt gewisse Bewilligungspflichten auf und delegiert dem Bundesrat sowie dem BVET die Kompetenz, Vollzugsvorschriften zu

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14

BGE 115 IV 248 ff., 254 «Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.» vgl. «Stand der Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie», Bericht des Bundesrates vom 15. Dezember 1997 an die eidgenössischen Räte, BBl 1998 II 1664 ff.

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erlassen. Die vom TSchG gesetzten Ziele werden in der TSchV zunächst näher umschrieben, bevor sie in detaillierte Handlungsanweisungen und Mindestanforderungen bezüglich Ausmasse, Gestaltung und Beleuchtung der Haltung verschiedener Tierarten umgesetzt werden. Diese Mindestanforderungen werden in Richtlinien und Informationen des BVET noch verfeinert. Mit solchen Anweisungen wird einerseits ein einheitlicher Vollzug der Tierschutzvorschriften in allen Kantonen angestrebt. Andererseits musste sich die schweizerische Tierschutzgesetzgebung schon den Vorwurf gefallen lassen, sie betone den baulichen Aspekt über Gebühr, sie sei zu einem «Tierschutz in Zentimetern» (Zitat aus dem Bericht der GPK SR, Seite 8) verkommen und verliere dabei das eigentliche Ziel des Tierschutzrechts, nämlich das Wohlergehen des Tieres, aus den Augen.

Dieses Urteil ist einseitig. Dort, wo die TSchV unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet (beispielsweise «zeitweilig» oder «artgemäss»), führen die Richtlinien des BVET weiter, indem sie die Begriffe auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in messbare (und kontrollierbare) Anweisungen umsetzen. Auf diese Weise werden die kantonalen Vollzugsorgane in die Lage versetzt, die Tierschutzregelungen rechtsgleich anzuwenden. Unbestreitbar ist zwar, dass dadurch der Eindruck erweckt wird, das schweizerische Tierschutzrecht bestehe vorwiegend aus baulichen Anordnungen mit entsprechenden finanziellen Auswirkungen.

Daneben tritt das vielfältige weitere Instrumentarium des Gesetzes und der Verordnung etwas in den Schatten: Zu nennen sind die Anforderungen an die Ausübung des Tierpflegerberufs, die Einschränkungen des gewerbsmässigen Tierhandels, die Regelung der Tiertransporte, die Schutzmassnahmen bei der Schlachtung. Die Tierversuche bilden den am eingehendst regulierten Bereich des gesetzlichen Tierschutzes. In ihm ist auch der Vollzug am konsequentesten ­ in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Forschungsstellen ­ durchgesetzt worden.

Ein grundsätzlicher Einwand, der auch von der GPK SR vorgebracht wird, lässt sich mit einer detaillierten Aufzählung des Instrumentariums des schweizerischen Tierschutzrechts nicht widerlegen: Die messbare Erfüllung von Mindestvorschriften ist zwar eine Grundvoraussetzung, aber keine Garantie für das tatsächliche Wohlbefinden
der Tiere. Der Tierschutz ist ein staatliches Ziel, das nur über Leistungen Privater, der Tierhalterinnen und Tierhalter nämlich, erreicht werden kann. Wo diese Privaten nicht ausreichend informiert und motiviert sind, kann den Tieren kein Wohlbefinden garantiert werden. Das BVET hat auf Grund dieser Erkenntnis seine Anstrengungen im Bereich Information und Schulung in den letzten Jahren verstärkt.

Es stützte sich dabei auf Artikel 70 der TSchV15, der sich aber nur bedingt dazu eignet, ein wirksames Informationsinstrumentarium aufzubauen.

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Neue Vollzugsinstrumente

Die GPK SR legt ein Hauptgewicht ihrer Kritik auf die Ausgestaltung des schweizerischen Tierschutzrechts als Polizeirecht, räumt aber ein, dass offenbar seinerzeit die Meinung vorgeherrscht hätte, die qualitativen Ziele des Tierschutzes wären durch

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«1 Das Bundesamt sorgt für eine einheitliche Anwendung des Gesetzes und der Verordnung durch die Kantone.

2 Es kann Ausbildungskurse für die kantonalen Vollzugsorgane veranstalten. Die Teilnehmer werden vom Bund nicht entschädigt.»

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quantitative Vorschriften sowie Gebote und Verbote erreichbar. Tatsächlich wurden vor 20 Jahren in der Gesetzgebung allgemein kaum andere gesetzgeberische Instrumente diskutiert und in schweizerische Erlasse aufgenommen. Trotz aller festgestellten Mängel hat sich die Tierschutzgesetzgebung seither grundsätzlich bewährt; ihre Ziele sind zum grossen Teil erreicht worden. Lücken im Anwendungsbereich (beispielsweise bei den Heimtieren) sind erkannt und könnten geschlossen werden.

Die GPK SR empfiehlt für die künftige Tierschutzgesetzgebung den Einbezug moderner Vollzugsinstrumente, wie etwa die Zielvereinbarung zwischen Verwaltung und interessierten Privaten, die Förderung der Eigenverantwortung der Tierhalterinnen und Tierhalter, die intensive Zusammenarbeit zwischen Behörden und Betroffenen, den Einbezug der landwirtschaftlichen Organisationen, der landwirtschaftlichen Schulen, der landwirtschaftlichen Beratungsstellen, von Amtsstellen mit verwandten Aufgaben und der Tierschutzorganisationen. «Die Behörden sollen in erster Linie informieren, motivieren und unterstützen und erst in letzter Linie Vorschriften durchsetzen.» (S. 9 des Berichts).

Der allgemeinen Empfehlung der GPK SR ist zu entnehmen, dass damit dem qualitativen Aspekt des Tierschutzes, also den Aspekten Information, Motivation und Eigenverantwortung mehr Gewicht zu Lasten von Zwangsvorschriften und polizeilichen Massnahmen verliehen werden soll. Dazu ist Folgendes anzumerken: Der Vollzug unbestimmter Rechtsbegriffe, zu denen das «Wohlbefinden der Tiere» gehört, durch eine einzige Stelle im ganzen Land würde eine einheitliche Anwendung des Tierschutzrechts sicherstellen. Eine Zentralisierung des Tierschutz-Vollzugs ist aber durch Artikel 25bis Abs. 3 BV16 ausgeschlossen; sie würde dem Sinn der Verfassungsbestimmung widersprechen17. Tatsächlich hat der Gesetzgeber dem Bund nur sehr zurückhaltend eigene Vollzugskompetenzen im Tierschutz eingeräumt, so für die Bewilligung von Aufstallungssystemen und Stalleinrichtungen (Art. 5 TSchG), den internationalen Handel (Art. 9 TSchG), die Dokumentation und Statistik der Tierversuche (Art. 19a TSchG), die Förderung der Tierschutzforschung (Art. 23 TSchG), die Behördenbeschwerde des BVET gegen kantonale Entscheide betreffend Tierversuchsbewilligungen (Art. 26a TSchG). Nur in diesen Teilbereichen
ist dank des zentralen Vollzugs eine einheitliche Praxis sichergestellt. Tatsächlich ist der Vollzug sonst gänzlich den Kantonen überlassen, die von der Möglichkeit, sich interkantonal zu organisieren, bisher nur beschränkt Gebrauch gemacht haben18.

Sofern die von der GPK SR empfohlenen neuen Vollzugsinstrumente nicht zusätzlich geschaffen werden, sondern an die Stelle bisheriger polizeilicher Massnahmen treten sollen, so hätten sie ohne Zweifel eine Lockerung der Regelungsdichte zur Folge. Es muss hier angeführt werden, dass dies den Zielen der Tierschutzverbände diametral entgegenliefe. Diese setzen sich vielmehr für eine Verschärfung des polizeilichen Vollzugs ein. Zu ihren Postulaten gehört das Verbandsbeschwerde- und -klagerecht von Tierschutzorganisationen, die Schaffung eines Rechtsanwalts für 16 17

18

«Der Vollzug der Bundesvorschriften obliegt den Kantonen, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält.» «Der Gesetzgeber sollte von der Vollzugsmöglichkeit des Bundes aber nur Gebrauch machen, wo dies absolut unerlässlich ist, wie z. B. im Bereich des Importes und Exportes von Tieren bzw. tierischen Erzeugnissen, im Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschule oder in der Ausbildung der Tierpfleger.» ( Th. Fleiner-Gerster in Kommentar BV, Art. 25bis, Rz 48) Gemeinsame Tierversuchskommission der Kantone der Nordwestschweiz, gemeinsames Veterinäramt der Halbkantone Appenzell-Ausserrhoden und ­Innerrhoden.

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Tierschutz in Strafsachen, das Beschwerderecht von Behörden, von Kommissionen oder anderen Sachwaltern19. Es muss hier auch angemerkt werden, dass der Vollzug bestimmter Regelungen im Landwirtschaftsrecht20 auf den polizeilichen Vorschriften des Tierschutzrechts beruht.

Kritik würden wahrscheinlich auch die Vollzugsbehörden der Kantone anmelden, weil sie ein Interesse an direkt umsetzbaren Vorgaben haben, mit denen sie eine rechtsgleiche Anwendung der Tierschutzvorschriften garantieren können. Die GPK SR vertritt demgegenüber die Ansicht, dass sich auch mit neuen Zielvorgaben des Gesetzes «klare Vollzugsaufträge an die Kantone formulieren» liessen21.

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Empfehlungen zu Teilfragen des Vollzugs

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Allgemeine Bemerkung

Die 22 Empfehlungen der GPK SR zu Teilfragen des Vollzugs stellen ein Kompendium der Vollzugsmängel dar, das auf sorgfältiger Beobachtung und eingehender Diskussion mit Fachleuten aus den Vollzugsbehörden beruht. Die Umsetzung dieser Empfehlungen betrifft nur in wenigen Fällen das Gesetz, sondern meistens den delegierten Rechtsetzungsbereich, also die Verordnung und in Einzelfällen die Richtlinien des Bundesamtes. Dazu kommen die allgemeinen Empfehlungen der GPK SR, die sie im Kapitel 3 ihres Berichts abgibt, und die das gesetzgeberische Konzept des Tierschutzrechts und die Instrumente seiner Umsetzung betreffen.

Der Bundesrat hat bereits in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 1994 auf die Zweiteilung des Inspektionsberichts in einen grundsätzlichen Teil mit Überlegungen zum Verhältnis Bund­Kantone und zur Mensch-Tier-Beziehung einerseits und in einen spezifizierten Teil mit detaillierten Empfehlungen zu Teilbereichen des Vollzugs aufmerksam gemacht und die Hinweise auf die Vielschichtigkeit und Vernetzung der Vollzugsprobleme beim Tierschutz begrüsst. Er hat betont, dass auf präzise gesetzliche Regelungen und auf Mindestanforderungen sowie Kontrollen nicht gänzlich verzichtet werden kann. Gleichzeitig hat er darauf aufmerksam gemacht, dass alle neu einzuführenden Massnahmen einen Mehraufwand in finanzieller und personeller Hinsicht nach sich ziehen und demzufolge vom politischen Willen der zuständigen Parlamente und Vollzugsbehörden getragen werden müssen. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme vor allem zu den 22 Empfehlungen der Kommission geäussert, und das zuständige Bundesamt hat anschliessend eine grössere Revision der TSchV in die Wege geleitet, die aber den Anforderungen des Inspektionsberichts nicht gänzlich zu genügen vermochte, indem sie die grundsätzlichen Überlegungen der Kommission nicht umsetzen konnte.

Diese Verteilung der Empfehlungen macht es unmöglich, sie als eine Einheit zu betrachten. Der Bundesrat nimmt im vorliegenden Kapitel zu den 22 Detailempfehlungen Stellung und bezieht die allgemeinen Empfehlungen in seine Absichtserklärung (nachfolgendes Kapitel 5) ein.

19 20

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Diese Postulate werden einzeln erläutert in «Recht und Tierschutz. Hintergründe ­ Aussichten», Antoine F. Goetschel (Hrsg.), (Verlag Haupt, Bern/Stuttgart/Wien, 1993) Verordnung des EVD vom 7. Dezember 1998 über besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS-Verordnung); Verordnung des EVD vom 7. Dezember 1998 über den regelmässigen Auslauf von Nutztieren im Freien (RAUS-Verordnung) Seite 9 des Berichts

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Die einzelnen Empfehlungen

Die Empfehlungen der GPK SR sind im Wortlaut (kursiv) aufgeführt; anschliessend folgt die Stellungnahme des Bundesrates.

432.1

Empfehlung 1 (Nachkontrolle)

Die Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 26. August 1992 (BBl 1993 II 31022) werden bestätigt (Prüfungsaufträge in Bezug auf das Verbot von Kastenständen und Brustgurtenanbindung für Sauen, das Verbot des Schnäbelcoupierens bei Küken, der Ersatz des Schwanzcoupierens bei Ferkeln auf der Grundlage neuer Forschungsbemühungen für eine tiergerechte Haltung von Ferkeln, der restriktive Verzicht auf Tageslicht bei der Hühnerhaltung, das Verbot der Einzelhaltung von über drei Wochen alten Kälbern ­ mit Ausnahme der Anbindehaltung in kleinen Betrieben des Berggebiets ­, die Beschäftigung von Schweinen, ein tiergerechtes Haltungssystem für Wachteln, die rasche Entscheidung über noch nicht bewilligte Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen nach Abschluss der laufenden Revision der Tierschutzverordnung, der strengere Gebrauch der Mittel der Oberaufsicht und die Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe im Rahmen der hängigen Revision der Tierschutzverordnung). Diese Empfehlungen betreffen grossteils die laufende Revision der Tierschutzverordnung und sind bis anhin noch nicht erfüllt.

Die hier aufgeführten Empfehlungen der GPK des Nationalrates beruhen auf einer (von den Petitions- und Gewährleistungskommissionen nicht weiterverfolgten) Strafanzeige und verschiedenen weiteren Eingaben eines «Vereins gegen Tierfabriken». Die Kommission kommt zum Schluss, dass die Anliegen des Vereins teilweise berechtigt sind, und fordert den Bundesrat auf, eine Revision der TSchV voranzutreiben. Die Empfehlungen sind als Prüfungsaufträge im Hinblick auf diese Revision formuliert.

Soweit sich das BVET den Empfehlungen anschliessen konnte, hat es sie in den Revisionsentwurf der TSchV integriert, der 1997 zu Gunsten einer generellen Überprüfung des schweizerischen Tierschutzrechts zurückgestellt worden ist. Bei der Revision vom 14. Mai 1997 der TSchV (vgl. oben Ziff. 2) wurde ein Verbot von Kastenständen und der Brustgurtenanbindung von Sauen sowie das Verbot der Einzelhaltung von über drei Wochen alten Kälbern als dringlich (allerdings unter Einräumung angemessener Übergangsfristen) erachtet. Diese Verbote wurden in die TSchV integriert. Die diesbezüglichen Empfehlungen können als erfüllt betrachtet werden. Auf Grund der revidierten TSchV hat das BVET über eine Reihe von Aufstallungssystemen und
Stalleinrichtungen für Nutztiere entschieden. Ende 1998 waren von den insgesamt seit 1981 eingereichten 2124 Bewilligungsgesuchen für Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen noch 218 hängig; 1128 waren bewilligt (51 davon befristet), 778 zurückgezogen. Der diesbezüglichen Empfehlung der GPK des Nationalrates wurde damit im Wesentlichen entsprochen.

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insbesondere S. 336­344

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Die Konkretisierung anderer, auf Verordnungsstufe zu regelnder Empfehlungen wurde zurückgestellt, um kein Präjudiz für die bevorstehenden Arbeiten für eine Revision des Tierschutzrechts zu schaffen.

432.2

Empfehlung 2

Das Tier ist keine Sache. Falls der Parlamentarischen Initiative Loeb im Nationalrat keine Folge gegeben wird, sollte der Bundesrat prüfen, wie den Grundsätzen der Tierethik (...) rechtliche Gestalt verliehen werden kann.

Wie in Ziffer 4.2.1 dargelegt, liegt bereits ein Gesetzesentwurf vor, der die parlamentarischen Initiativen Loeb und Sandoz umsetzt. Die Empfehlung kann daher abgeschrieben werden.

Es muss hier angemerkt werden, dass das TSchG seit seiner Schaffung hauptsächlicher Ausdruck der Tierethik ist. Es regelt den respektvollen Umgang des Menschen mit dem Tier und gibt Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Verletzung dieses Respekts. Während das TSchG die direkte Einwirkung des Menschen auf das Tier regelt, hat die Mehrheit der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats die Anliegen der beiden parlamentarischen Initiative vor allem durch eine Änderung des Zivilgesetzbuches (ZGB)23 umgesetzt. Die Achtung vor dem Tier ist in einem neuen Grundsatzartikel festgehalten (Art. 713a ZGB); danach sollen Tiere nur so weit als Sachen gehandelt werden als keine abweichenden Vorschriften bestehen. Im ZGB sind Änderungen im Erbrecht (Art. 482), im Sachenrecht (Art. 720), bei der Übertragung von Eigentum und Besitz am Tier (Art. 722, 728, 934) sowie bei der richterlichen Zusprechung von Tieren (Art. 729a) vorgesehen, im Obligationenrecht eine Schadenersatzpflicht für Heilungskosten bei Verletzung des Tieres (Art. 42), im Strafgesetzbuch24 (Art. 110) soll der Unterscheidung zwischen Tieren und Sachen im Gesetz Rechnung getragen werden. Schliesslich soll mit der Aufnahme eines ausdrücklichen Pfändungsverbots für Tiere im häuslichen Bereich eine klare Situation im Vollstreckungsrecht geschaffen werden (Art. 92 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs25).

Wie in Ziffer 4.2.1 erwähnt, soll im weiteren die Maxime «Würde der Kreatur» in das Tierschutzgesetz aufgenommen werden. Diese soll gemäss Gen-Lex-Vorlage in Artikel 2 Absatz 3 TSchG26 verankert werden. Zur dauernden Überprüfung der Gesetzgebung, die mit der «Würde der Kreatur» im Bereich der ausserhumanen Gentechnologie in Zusammenhang steht, hat der Bundesrat am 27. April 1998 eine Ethikkommission eingesetzt.

Ausdruck einer erweiterten Tierethik ist sodann auch der ebenfalls in der Gen-LexVorlage enthaltene Vorschlag, die gestalterische
Freiheit des Menschen am Tier einzuschränken. Es ist vorgesehen, die Tierzucht durch einen neuen Artikel 7a TSchG in den Geltungsbereich des Gesetzes einzuschliessen. Damit sollen züchterische Exzesse, wie beispielsweise physiologisch nicht mehr vertretbare Leistungen des Tieres oder ästhetische Spielereien mit Heimtierrassen, verhindert werden.

23 24 25 26

SR 210 SR 311 SR 281.1 «Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise in seiner Würde missachten.»

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432.3

Empfehlung 3

Die Massstäbe des Tierschutzgesetzes und der Tierschutzverordnung sind besser aufeinander abzustimmen. Einerseits sind dort, wo im Vollzug Unklarheiten aufgetreten sind, einzelne Verordnungsvorschriften zu präzisieren. Ebenso ist die Verordnung in gewissen Bereichen zu ergänzen (Schweinehaltung) und auf andere auszudehnen (Pferdehaltung, Schlachtung). Grundsätzlich sollten aber Gesetz und Verordnung in gleicher Weise vor allem qualitative Ziele vorgeben. Für die konkrete Verwirklichung dieser Ziele sind Verfahren der Mitwirkung für Betroffene und Fachorganisationen zu schaffen, ergänzt durch die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der so ausgehandelten Ergebnisse (Verfahrensrechte anerkannter Verbände und Organisationen).

Grundsätzlich ist das Gesetz der Massstab der Verordnung. Der Bundesrat hat sich immer bemüht, die Vorgaben des TSchG so getreulich als möglich in die Verordnung umzusetzen. Dabei war es unerlässlich, die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzes in der Verordnung in vollziehbare Anordnungen umzusetzen. Der dichte Regelungsgrad der Verordnung (sowie der vom BVET erlassenen technischen Ausführungsbestimmungen) lässt den Eindruck aufkommen, dass für Gesetz und Verordnung verschiedene Massstäbe gälten. Dies trifft aber ebenso für andere Gesetze zu, die den Charakter von Rahmengesetzen haben und erst auf Verordnungsstufe direkt vollziehbar ausgestaltet werden. Verstärkt wird dieser Eindruck durch zahlreiche Eingaben interessierter Tierschutzorganisationen, die einerseits Verschärfungen der Verordnungsbestimmungen fordern, andererseits aber auch von der Annahme ausgehen, die Grundsätze von Artikel 2 TSchG seien direkt anwendbar und mittels Einzelverfügungen durchzusetzen.

Die Arbeitsgruppe Langenberger weist in ihrem Bericht darauf hin, dass zwischen der Forderung nach einer umfassenden Neuausrichtung des Gesetzes mittels qualitativer Zielvorgaben und jener nach weiteren Verordnungsbestimmungen über Detailfragen eine gewisse Diskrepanz bestehe. Qualitative Vorgaben seien in der Regel allgemein gefasst und liessen viel Spielraum für Interpretationen. Präzise Vorschriften hingegen erhöhten die Regelungsdichte. Die qualitativen Ziele sollten primär im Gesetz festgelegt werden; die Verordnung solle die detaillierten Ausführungsbestimmungen enthalten. Der Kohärenz zwischen Gesetz
und Verordnung komme eine grosse Bedeutung zu; allenfalls sollte die Regelungsdichte der Mindestanforderungen mit Hilfe von Expertengruppen überprüft werden (Vorschlag 17).

Gleichzeitig ortet die Arbeitsgruppe Gesetzeslücken und fordert die Schaffung neuer Mindestanforderungen für die Haltung von Schafen, Pferden, Ziegen und Heimtieren, eine neue Bewilligungspflicht für Reitschulen und die Pflicht zur Anstellung eines eidgenössisch diplomierten Reitlehrers in solchen Schulen (Vorschlag 18) sowie die Überarbeitung bez. Ergänzung der Mindestanforderungen für Wildtiere (Vorschlag 19).

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass weiterhin zuerst die Massstäbe des Gesetzes durch das Parlament zu überprüfen sind. Erst nach dieser Standortbestimmung müsste die Verordnung an neue gesetzliche Bestimmungen angepasst werden. Der Bundesrat behält sich aber vor, in unaufschiebbaren Fällen die Verordnung noch vor der Revision des Gesetzes anzupassen.

9495

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432.4

Empfehlung 4

Die Aufsichtskompetenzen der Bundesbehörden sind klarer zu formulieren und konsequenter zu handhaben. Insbesondere benötigt das Bundesamt für Veterinärwesen ein Inspektionsrecht im Schlachtbereich. Seine Befugnis, dem Bundesanwalt das Ergreifen eines kantonalen Rechtsmittels gegen Strafurteile im Tierschutzbereich zu beantragen, ist vermehrt zu nutzen.

Die Ausgestaltung der Oberaufsicht über die Kantone ist seit dem Erlass des schweizerischen Tierschutzrechts ein umstrittener Bereich. Einerseits pocht ein Teil der Kantone auf eine möglichst umfassende Autonomie bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Vorschriften, andererseits verlangen Tierschutzorganisationen eine Verstärkung der Bundeskompetenzen bis hin zum Ersatzvollzug. Das Instrumentarium der Oberaufsicht ist im Gesetz wie folgt aufgeführt: ­

Kompetenz des BVET zum Erlass verbindlicher Ausführungsvorschriften technischer Art (Art. 33 Abs. 1 TSchG);

­

Verpflichtung der Kantone, ergänzendes kantonales Recht zu schaffen (Art. 36 Abs. 1 TSchG);

­

Genehmigung kantonaler Ausführungsvorschriften durch den Bund (Art. 36 Abs. 2 TSchG);

­

Amtsklagerecht des BVET im Rahmen der Verfolgung und Beurteilung strafbarer Handlungen durch die Kantone (Art. 32 TSchG);

­

Behördenbeschwerderecht des BVET gegen Verfügungen kantonaler Behörden betr. Tierversuchsbewilligungen (Art. 26a TschG);

Ziel der Oberaufsicht ist es, einen einheitlichen und rechtsgleichen Vollzug der Tierschutzvorschriften im ganzen Land sicherzustellen. Im Hinblick auf dieses Ziel hat das BVET in den vergangenen Jahren vor allem die Instrumente der Information und Ausbildung eingesetzt. Wo in einzelnen Kantonen Renitenz gegen den Vollzug von Bundesrecht im Tierschutzbereich zu verzeichnen war, hat das Amt jeweils im direkten Kontakt mit der Kantonsregierung nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht. Das von der GPK SR empfohlene Mittel, der Bundesanwaltschaft das Ergreifen eines kantonalen Rechtsmittels gegen Strafurteile im Tierschutzbereich (Amtsklage) zu beantragen, ist problematisch. Die Bundesanwaltschaft und das BVET sind im Strafverfahren nicht beteiligt und geniessen keine Parteistellung; sie kennen zwar die kantonale Strafe, nicht aber den genauen Sachverhalt.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine Verstärkung der Oberaufsicht durch eine Ausweitung der Bundeskompetenzen bis hin zum direkten Eingriff trotz einer möglichen Belastung der Vollzugsautonomie der Kantone ein denkbares Mittel darstellt, um eine rechtsgleiche Anwendung sicherzustellen. Er glaubt aber, mit einer Verstärkung des kantonalen Vollzugs, beispielsweise durch die Einführung einer kantonsinternen Kontrolle im Strafrecht, wie sie von einem Kanton27 bereits praktiziert wird, den berechtigten Anliegen der Tiere eine Stimme zu verschaffen. Die Arbeitsgruppe Langenberger fordert die Schaffung der Funktion eines Anwalts der Tiere im Strafrecht auf Kantonsebene in ihrem Vorschlag 10. Der Bundesrat wird diese Anregungen im Hinblick auf eine Revision des TSchG prüfen.

27

Der Kanton Zürich hat in § 17 seines Tierschutzgesetzes die Funktion eines kantonalen Anwalts für die Tiere im Strafverfahren geschaffen.

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Im Schlachtbereich, der dem Lebensmittelrecht untersteht, verfügt das BVET über das Recht und die Pflicht, die Pläne für die Errichtung oder Veränderung von Grossschlachtanlagen zu prüfen und zu genehmigen28. Damit unterstehen die baulichen Vorkehrungen, die dem Zuführen und Töten der Schlachttiere dienen, einer Bundeskontrolle.

Die Arbeitsgruppe Langenberger schlägt vor, eine enge Zusammenarbeit der Landwirtschafts- und der Tierschutzbehörden auf Bundes- und Kantonsebene zu institutionalisieren, um einen gewissen Kontrolldruck auf die landwirtschaftlichen Tierhaltungen aufrechtzuerhalten. Diese Anregung scheint dem Bundesrat wertvoll. Auf Bundesebene besteht sektorweise eine enge Zusammenarbeit zwischen den für die Landwirtschaft und für den Tierschutz zuständigen Bundesämtern, die beide dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement angehören, seit langem. Auf der Stufe Bund-Kanton wurde im Bereich «Tierschutz im ökologischen Leistungsausgleich» eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche einen Bericht zuhanden der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz verfasst hat. Sie schlägt u. a. vor, die Tierschutzkontrolle mit der Kontrolle des ökologischen Leistungsnachweises zusammenzulegen. Ziel ist es nun, dass alle Kantone die vorgeschlagenen Massnahmen für den Vollzug verbindlich erklären, was zu einer rechtsgleichen Durchsetzung des Tierschutzes in diesem Bereich in der ganzen Schweiz führt.

432.5

Empfehlung 5

Dem Bundesamt für Veterinärwesen sind zur Erfüllung seiner Aufgaben im Bereich der Oberaufsicht, der Information und der Ausbildung das nötige Personal und die erforderlichen Finanzen zuzuteilen. Einen Zusatzaufwand erfordert insbesondere die Erfüllung der Aufklärungsarbeit, die in Zukunft vermehrt zu leisten sein wird, wenn die hier vorgeschlagene Vollzugskonzeption verwirklicht werden soll (im Übrigen ist die Prüfstelle für Stalleinrichtungen für Rindvieh und Schweine an der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Tänikon wieder in die Lage zu versetzen, ihre Stammfunktion der Prüfung und Entwicklung von Stalleinrichtungen voll wahrzunehmen). Die benötigten Stellen sind innerhalb des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes zu verschieben.

Heute befassen sich folgende volle Etatstellen im BVET mit den Aufgaben des Tierschutzes: ­ Bereich Beratung und Ausbildung 2 Stellen ­ Zentrum für tiergerechte Haltung Tänikon 3 Stellen ­ Zentrum für tiergerechte Haltung Zollikofen 2 Stellen ­ andere Bereiche des Amtes 2 Stellen Mit diesem Bestand, der im Zuge einer Reorganisierung des BVET gestrafft wurde, lassen sich nur ganz knapp die Aufgaben bewältigen, die das Gesetz dem Amt zuweist (Prüfung und Anpassung der gesetzlichen Regelungen, Oberaufsicht über den kantonalen Vollzug, Gesetzesvollzug an der Zollgrenze, Bewilligung von Stalleinrichtungen und Aufstallungssystemen, Prüfung sämtlicher Tierversuchsbewilligungen im Hinblick auf die Ergreifung von Rechtsmitteln, Sekretariat der Eidgenössischen Tierversuchskommission und der Kommission für Stalleinrichtungen, Betrei28

Art. 17 Abs. 3 des Lebensmittelgesetzes (LMG) vom 9. Oktober 1992 (SR 817.0)

9497

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ben der Dokumentationsstelle für Tierversuche und Alternativmethoden, Erstellen der Tierversuchs-Jahresstatistik, Forschungsförderung). Für eine Intensivierung der Aktivitäten in den Bereichen Information und Ausbildung stehen die Ressourcen heute nicht zur Verfügung. Es ist indessen damit zu rechnen, dass der Beratungsbedarf rasch ansteigt, nachdem das neue Landwirtschaftsrecht die Ausrichtung von Direktzahlungen an die Bedingung einer tiergerechten Haltung knüpft.

Über seine eigenen Organe hinaus hat das BVET die Finanzierung einer Abteilung Tierhaltung und Tierschutz an der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Bern sichergestellt.

Eine Überprüfung des Tierschutzrechts schliesst immer auch Überlegungen zum sinnvollen Einsatz der personellen und finanziellen Mittel ein. Bevor diese aufgestockt werden, muss die Frage nach der Notwendigkeit bisher erbrachter Leistungen beantwortet werden

432.6

Empfehlung 6

Der Vollzug des Tierschutzes ist vermehrt über die Mittel der Information und der Ausbildung bei den Tierhaltern und in der Öffentlichkeit zu fördern. Bund und Kantone haben hier zusammenzuwirken. Die Kürzung im Budget des Bundesamtes für Veterinärwesen für 1994 und in der anschliessenden Finanzplanung zum Bereich der Information und Öffentlichkeitsarbeit ist daher rückgängig zu machen (Kompensation innerhalb des Departementes). Eine wichtige Aufgabe haben auch die landwirtschaftlichen Beratungsstellen. Schliesslich sind die Schulen im Hinblick auf den Naturkundeunterricht durch geeignete Informationsmittel für den Tierschutz zu sensibilisieren.

Für sämtliche Tierhalter ist eine angemessene Ausbildung vorzusehen. Dies gilt für sämtliche Nutztierhalter und gewerbliche Heimtierhalter (Handel und Tierheime), aber auch für private Heimtierhalter je nach Tierart und nach Grösse des von ihnen betreuten Tierbestandes. Die Ausbildung ist im Bereiche der Landwirtschaft vor allem durch die landwirtschaftlichen Schulen zu vermitteln, kann aber auch durch Tierzuchtverbände und andere Fachorganisationen angeboten werden.

Information und Ausbildung sind zwei moderne gesetzgeberische Instrumente, die bei der Schaffung des Tierschutzgesetzes (1978) noch nicht im Vordergrund standen, deren Notwendigkeit sich aber im Verlauf der Umsetzung des Tierschutzrechts immer stärker zeigte. Das BVET hat diese beiden Instrumente zu zentralen Anliegen erklärt. Obschon ein expliziter gesetzlicher Auftrag fehlt, bemüht sich das Amt im Rahmen seiner Möglichkeiten, Information über den staatlichen Tierschutz in die Öffentlichkeit zu tragen. Es hat beispielsweise 1991 die Schrift «Tierschutz ­ Ein Lehrmittel»29 publiziert und wiederholt mit einem eigenen Stand an landwirtschaftlichen Ausstellungen teilgenommen. Diesen Aktivitäten sind heute enge personelle und finanzielle Grenzen gesetzt.

Die Ausbildung der Personen, die mit Tieren umgehen, ist ein wichtiges Anliegen der bestehenden gesetzlichen Regelungen. Artikel 7 TSchG gibt dem Bundesrat die Kompetenz, für die Ausübung des Tierpflegerberufs (ausserhalb der landwirtschaft29

Das Lehrmittel wird in deutscher und französischer Sprache von der EDMZ, 3000 Bern, vertrieben.

9498

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lichen Tierhaltung) einen Fähigkeitsausweis zu verlangen. Er hat diese Kompetenz in einem eigenen Kapitel (Art. 8­11) der TSchV umgesetzt. Gegenwärtig laufen die Vorarbeiten zur Einstufung des Tierpflegerberufs als BBT-Beruf. Darüber hinaus hat der Bundesrat den Artikel 15 Absatz 2 TSchG30 als Aufforderung interpretiert, die Ausbildung des Fachpersonals zu regeln. Er hat 1997 die Artikel 59d­59f über die «Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals» in die TSchV eingefügt. Das BVET hat die dortigen Vorschriften am 12. Oktober 1998 in einer eigenen Verordnung über die Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals für Tierversuche31 verdeutlicht. Weiter gehende Kompetenzen für die Ausbildung von Tierhaltenden, insbesondere in der Landwirtschaft, fehlen im Gesetz.

Die Arbeitsgruppe Langenberger erachtet die obligatorische Aus- und Weiterbildung der mit dem Vollzug beauftragten Personen als ein zentrales Anliegen. Dieses sei im Tierseuchen- und im Fleischhygienerecht realisiert, nicht aber im Tierschutzrecht.

Die Arbeitsgruppe verlangt eine entsprechende Anpassung der Gesetzgebung. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, dass das BVET verpflichtet wird, Informationen zum Thema Tierschutz einzuholen, zu verarbeiten und die kantonalen Behörden, die Tierhalterinnen und -halter sowie die Öffentlichkeit zu informieren. Diese Information soll primär vollzugsbegleitend, d. h. komplementär zu den Vorschriften, erfolgen.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass dort, wo polizeiliche Massnahmen ihre Grenze erreichen, ein Hauptgewicht der staatlichen Einwirkung auf Motivation, Information und Ausbildung gelegt werden muss. Dies gilt nicht nur für den Tierschutz, sondern ebenso für andere Bereiche, in denen die staatlichen Ziele in erster Linie durch Leistungen Privater erreicht werden. Er ist bereit, der Empfehlung durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen nachzukommen.

432.7

Empfehlung 7

Für den Tierschutz ist ein klares Vollzugskonzept zu entwickeln, das einen Leistungsauftrag an die Kantone formuliert. Die Anforderungen an den Vollzug sind einheitlicher zu gestalten, als dies heute der Fall ist. Beispielsweise sollten periodische Erhebungen zum Stand des Tierschutzes in allen Nutztierhaltungen und gewerblichen Heimtierhaltungen vorgesehen werden.

Grundsätzlich geht die schweizerische Tierschutzgesetzgebung davon aus, dass das Gesetz die qualitativen Ziele vorgibt, die in der Verordnung durch quantitative Vorgaben, Gebote und Verbote durchsetzbar ausgestaltet werden. Diese an sich sinnvolle und stufengerechte Aufteilung wurde aber schon bei der Schaffung des Gesetzes durchbrochen, indem das Parlament Detailfragen regelte, die heute kaum mehr diese hohe gesetzgeberische Stufe erreichen würden. So verbietet das Gesetz beispielsweise das Amputieren der Krallen von Katzen (Art. 22 Abs. 2 Bst. g TSchG) und schreibt (in Art. 16 Abs. 3bis) vor, dass Versuchstiere «sorgfältig an die Versuchsbedingungen zu gewöhnen» sind. Dasselbe gilt aber auch für die Verordnung, die in gewissen Bereichen einen Detaillierungsgrad erreicht, der kaum mehr der

30

31

«Die Tierversuche dürfen nur unter der Leitung eines erfahrenen Fachmannes von Personen durchgeführt werden, die über die hiefür notwendigen Fachkenntnisse und die erforderliche praktische Ausbildung verfügen.» AS 1998 2716

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Stufe Landesregierung, sondern eher dem Fachamt zugestanden wird. So bestimmt der Bundesrat, dass angebundenen Hunden gemäss Artikel 31 Absatz 2 TSchV wenigstens 20 m2 Bewegungsfläche zur Verfügung stehen muss und Kastenstände für Galtsauen nur während der Deckzeit maximal 10 Tage lang verwendet werden dürfen (Art. 22 Abs. 2).

Die Berechtigung der angeführten Regelungen wird nicht bestritten; einzig die Stufengerechtheit der Vorschriften wird in Frage gestellt. Der Bundesrat nimmt die Empfehlung ernst und wird eine klare Trennung zwischen Zielen und Mitteln im Tierschutzrecht anstreben.

Das Mittel des Leistungsauftrags stand als gesetzgeberisches Instrument bei der Schaffung des TSchG noch nicht zur Verfügung. Es scheint der GPK SR aber geeignet, das Tierschutzrecht modern auszugestalten und die Zuständigkeit für den Vollzug des Rechts auf Bund, Kantone, private Organisationen und Tierhaltende zu verteilen. Der Bundesrat wird prüfen, inwieweit er den Leistungsauftrag in Zukunft sinnvoll als Instrument des Tierschutzrechts einsetzen kann, wenn ihm der Gesetzgeber in diese Richtung zu folgen gewillt ist.

432.8

Empfehlung 8

In organisatorischer Hinsicht sind die Kantone zu verpflichten, eine gewisse Konzentration der Vollzugsorgane auf eine Stelle pro Kanton vorzunehmen. Erforderlich ist zumindest eine zentrale Koordinationsinstanz als Fachstelle für Tierschutz sowie eine geeignete Vollzugsstruktur. Zusätzlich zu den praktizierenden Tierärzten sind Kontrollinstanzen in unabhängiger Stellung zu schaffen. Eine jährliche Konferenz der kantonalen Direktoren, die für den Tierschutz zuständig sind, soll dem Eidg. Volkswirtschaftsdepartement gestatten, das Gespräch zum Tierschutz auf Regierungsebene zu führen und den Kantonen dabei helfen, ihre Vollzugsstrategien zu harmonisieren.

Die Arbeitsgruppe Langenberger hat eingehend über die Organisation der kantonalen Vollzugsstrukturen diskutiert. Sie regt an (in Vorschlag 1), die Kantone durch die Tierschutzgesetzgebung zu verpflichten, bei den kantonalen Veterinärämtern eine zentrale Vollzugsstelle für das Tierschutzrecht einzurichten. Die Arbeitsgruppe möchte weiter (Vorschlag 5), dass nur als Kantonstierärztin oder -tierarzt wählbar sein solle, wer «über eine vertiefte Fachausbildung verfügt». Im Weiteren müsse das BVET mit den Kantonen für die Aus- und Weiterbildung der Kantonstierärztinnen und -tierärzte, der amtlichen Tierärztinnen und Tierärzte sowie der tierärztlichen und nichttierärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Veterinärämter sorgen. Alle diese Personen müssten «zur Teilnahme an den vom Bundesamt veranstalteten Ausbildungs- und Weiterbildungskursen verpflichtet werden» (Vorschlag 5).

Einen weiteren Eingriff in die kantonale Organisation regt die Arbeitsgruppe in Vorschlag 10 an, wo sie eine bundesrechtliche Bestimmung verlangt, mit der die «Funktion eines Anwalts für die Tiere im Strafrecht auf Kantonsebene (...), der die Rechte der Tiere bei den Behörden und den Gerichten vertritt», geschaffen werden soll. Im Weiteren schlägt die Arbeitsgruppe ein Inspektionsrecht des BVET über den kantonalen Vollzug vor.

Zum selben Themenkreis meint die Arbeitsgruppe allerdings, es sei «nicht machbar, dass in der Tierschutzgesetzgebung Vorgaben zum Personalbestand und zu den 9500

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Finanzen gemacht werden». Vielmehr solle das BVET «in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte Empfehlungen zu Personalbestand und Finanzen für den gesamten Vollzug abgeben» (Vorschlag 2).

Gleichzeitig «sollen die Kantone durch eine Änderung der Gesetzgebung die Möglichkeit erhalten, allenfalls Aufgaben an Organisationen in Form von Leistungsaufträgen delegieren oder mit Organisationen Zielvereinbarungen treffen zu können.

Darunter fällt ebenfalls die Privatisierung von Kontrollen durch zertifizierte Organisationen» (Vorschlag 4).

Der Bundesrat äussert sich wie folgt: Mit dem bestehenden Gesetz und der Verordnung haben die Kantone ein Instrumentarium in der Hand, das ihnen einen wirkungsvollen Vollzug gestattet. Die Kantone haben damit Eindrückliches geleistet, viele umfassend und rasch, einige zögernd, aber im Ganzen ebenfalls erfolgreich. Kein Bereich des Gesetzes ist nicht vollzogen worden, aber einzelne, beispielsweise in der Milchviehhaltung, nur unvollständig. Es drängt sich deswegen aber nicht auf, den kantonalen Vollzug neu zu gruppieren. Wenn heute noch von Vollzugslücken gesprochen wird, dann handelt es sich um einen kleinen Anteil der Tierhaltungen, die nicht korrekt geführt bzw. gebaut sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fälle, die mit den bisherigen gesetzlichen Instrumenten nicht zu bewältigen sind, ungeachtet ob die kantonalen Vollzugskompetenzen auf eine oder auf mehrere Stellen pro Kanton verteilt sind.

Grundsätzlich ist an der Organisationshoheit der Kantone festzuhalten. Der Bundesrat ist zwar bereit, fachliche Qualifikationen zu nennen, denen die Leiterinnen und Leiter der kantonalen Vollzugsstellen genügen müssen. Darüber hinaus will er prüfen, in welchem Mass den Kantonen vorgeschrieben werden darf, welche oder wie viele Stellen den Vollzug zu leiten haben.

Die praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte erfüllen keine amtliche Funktion im Tierschutz. Sie sind nicht verpflichtet, Verletzungen des Tierschutzrechts anzuzeigen. Es ist fraglich, ob sich für ihren Einsatz als Kontrollinstanz des Tierschutzrechts Zustimmung fände. Viele praktizierende Tierärztinnen und Tierärzte kämen dadurch in einen Interessenskonflikt. Es ist auch fraglich, ob die Kantone heute in der Lage wären, «Kontrollinstanzen in unabhängiger Stellung zu
schaffen». Die grosse Zahl der zu kontrollierenden Anlagen (Landwirtschaftsbetriebe, Wildtierhaltungen, Versuchstierhaltungen, Tierheime) überschreitet die Möglichkeiten einer hundertprozentigen staatlichen Kontrolle. Andererseits ist die Zusammenfassung aller Kontroll-Leistungen in einer einzigen Funktion ein Ziel, das anzustreben ist. Dazu gehören neben den Tierschutzaspekten unter anderem die Gesundheitskontrollen in der Milchproduktion und die Tiermarkierung gemäss Tierseuchenrecht.

In diesem Bereich können sich jedoch wiederum die Instrumente des Leistungsauftrags und der Zielvereinbarung anbieten. Da die meisten hauptberuflich tätigen Tierhaltenden Fachorganisationen angehören, scheint es logisch, diese in den Vollzug der Tierschutzvorschriften einzubeziehen. Der Bundesrat wird entsprechende Vorschläge vorlegen (vgl. Ziff. 5.2.2.3).

432.9

Empfehlung 9

Die Möglichkeit der Vernetzung des Tierschutzes mit anderen Politikbereichen gemäss Ziffer 4 dieses Berichts sind besser zu nutzen. In allen Verfahren um Erteilung 9501

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von Bewilligungen oder um Gewährung von Subventionen ­ einschliesslich der Direktzahlungen ­, die geeignet sind, den Tierschutz zu berühren, sind die kantonalen Tierschutzbehörden beizuziehen. Ökologisch begründete Direktzahlungen nach Artikel 31b des Landwirtschaftsgesetzes sind nur auf Grund einer Überprüfung der Tierschutzmassnahmen des Gesuchstellers durch die kantonalen Tierschutzbehörden zu gewähren.

Wie in Ziffer 3 dargelegt, hat das neue Landwirtschaftsgesetz (LwG) die Ausrichtung von Direktzahlungen an die Bedingung gebunden, dass die Tierhaltungsvorschriften des Gesetzes eingehalten sind. Mit der Kontrolle, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, beauftragt das LwG die Kantone32. Das LwG äussert sich nicht dazu, welche Stelle in den Kantonen für welche Kontrolle zuständig ist. Ob die Kantone ihre eigenen Landwirtschaftsbehörden in Zusammenarbeit mit den Tierschutzbehörden beiziehen, oder ob sie Firmen und Organisationen beauftragen33, liegt in ihrem eigenen Ermessen. Allerdings ist zu vermerken, dass die fachliche Kompetenz dazu eindeutig bei den kantonalen Tierschutzbehörden vorhanden ist, nicht bei den Landwirtschaftsämtern.

Baubewilligungen für Nutztierhaltungen stehen insofern in einem Zusammenhang mit Bundesrecht, im Speziellen mit dem Tierschutzrecht, als alle Investitionshilfen an die Bedingung geknüpft werden, dass der Betrieb nach der Investition den ökologischen Leistungsausweis34 erfüllt35. Damit ist gewährleistet, dass die tierschutzrechtlichen Anforderungen in allen Anlagen, für welche Bundesbeiträge ausgerichtet werden, erfüllt sind. Auch in diesem Bereich stellt das LwG keine Vorschriften auf, welche den Kanton verpflichten, die eigene Tierschutzbehörde beizuziehen, um die Erfüllung dieser Bedingung zu überprüfen.

Zu den anderen Tierhaltungen, d. h. ausserhalb der Landwirtschaft, ist Folgendes auszuführen: Tierheime und Heimtierzuchtbetriebe sind gemäss Artikel 34b TSchV meldepflichtig. Betriebe, die gewerbsmässig mit Tieren handeln, bedürfen nach Artikel 8 Absatz 1 TSchG einer kantonalen Bewilligung. Eine solche ist auch Voraussetzung für das gewerbsmässige Halten von Wildtieren (etwa in zoologischen Gärten oder Zirkussen) und für das (private) Halten besonders anspruchsvoller Wildtiere (Art. 6 TSchG). Versuchstierzuchten bedürfen seit 1997 einer kantonalen Anerkennung
(Art. 59b TSchV). In diesen Bereichen der Tierhaltung erübrigt sich eine Vernetzung mit anderen Politikbereichen, da sie heute schon der Kontrolle durch die Tierschutzbehörden unterstehen. Die Empfehlung der Kommission kann als erfüllt betrachtet werden.

Eine Vernetzung ist nicht zwingend an die Stufe des Vollzugs gebunden. Immerhin schlägt die Arbeitsgruppe «Tierschutz im ökologischen Leistungsausgleich» in ihrem Bericht an die Landwirtschaftsdirektorenkonferenz eine Massnahme vor, die Synergien schaffen kann, nämlich die Zusammenlegung der Tierschutzkontrolle mit derjenigen des ökologischen Ausgleichs. Es ist auch denkbar, dass ein verwaltungsunabhängiges Koordinationsinstrument Positives bewirken kann. In diesem Sinn schlägt die Arbeitsgruppe Langenberger die Schaffung einer eidgenössischen Tierschutzkommission vor (Vorschlag 23).

32 33 34 35

Art. 178 in Verbindung mit Art. 181 LwG Art. 180 LwG Art. 70 Abs. 2 LwG Art. 89 Abs. 1 Bst. c LwG

9502

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432.10

Empfehlung 10

Die bisherigen Bemühungen um den Tierschutz in der Nutztierhaltung sind fortzusetzen. Das Schwergewicht in der Vollzugsstrategie ist dabei aber von den Investitionen auf die Betriebsfragen und auf das Verhältnis von Mensch und Tier zu verschieben. Priorität verdienen die drei «B»-Forderungen: Beleuchtung mit Tageslicht, Bewegung, Beschäftigung. Neue bauliche Anforderungen sind nur für Neubauten und Umbauten mit erheblichem Bezug zu den Stalleinrichtungen vorzusehen.

Der Bundesrat ist bestrebt, das hohe Schutzniveau in der Nutztierhaltung, das sich im internationalen Vergleich sehen lassen darf, zu halten. Er teilt die Meinung der Kommission, dass Tierschutz viel mehr enthält als das Aufstellen bzw. Einhalten baulicher Vorschriften. Die Einstellung der Tierhalterin und des Tierhalters dem Tier gegenüber bildet das zentrale Element für die Weiterentwicklung des Tierschutzrechts. Zur Entwicklung dieser Einstellung sind neue gesetzliche Instrumente notwendig, über die sich der Bundesrat in Ziffer 5.2.2 äussert.

Im Rahmen der neuen Agrargesetzgebung wurde mit der Ausrichtung von Beiträgen für besonders tierfreundliche Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, der über die Anforderungen des Tierschutzgesetzes hinausgeht.

Die Einzelheiten sind in zwei Verordnungen des EVD36 festgehalten, die sich ihrerseits auf die Direktzahlungsverordnung stützen. Zudem wird bei der Errichtung besonders tierfreundlicher Stallhaltungssysteme ein Zuschlag von 20 Prozent gewährt37.

432.11

Empfehlung 11

Die Abkehr von der Konzeption des Tierschutzes als Polizeiaufgabe und die Hinwendung zu Information, Aufklärung und Ausbildung verlangt, dass der bisherige Verzicht auf finanzielle Beiträge an Tierschutzmassnahmen überdacht wird. Zumindest ist der indirekte Weg über bestehende Instrumente der Finanzierungshilfe flexibler zu nutzen als bis anhin. Beispielsweise ist zu prüfen, ob für kleinere Sanierungen unterhalb der Sanierungsgrenze durch Investitionskredite auch Kleinbeiträge als Motivationshilfe gewährt werden können. Grundsätzlich ist am Prinzip der Eigenverantwortung der Tierhalter für die Erfüllung des Tierschutzes festzuhalten.

Die Bereitschaft zu Tierschutzaufwendungen ist jedoch durch eine bessere Organisation der kantonalen Unterstützung und Beratung zu heben; dabei ist auch dafür zu sorgen, dass Subventionen nicht nur für teure Anlagen gewährt werden, damit kostengünstige Varianten nicht benachteiligt sind.

Die schweizerische Tierschutzgesetzgebung sieht grundsätzlich keine staatlichen Subventionen für Tierschutzmassnahmen vor. Die Verantwortung des Menschen für das Wohlbefinden der ihm anvertrauten Tiere wird als ethische Pflicht, nicht als wirtschaftliche Leistung angesehen. Der Staat verlangt von den Tierhalterinnen und Tierhaltern eine Leistung, die sich einzig aus den natürlichen Ansprüchen der Tiere ergibt. Der Bundesrat will diese Haltung weiterführen. Er ist der Überzeugung, dass 36

37

Verordnung vom 7.12.1998 über besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTSVerordnung; SR 910.132.4), Verordnung vom 7.12.1998 über den regelmässigen Auslauf von Nutztieren im Freien (RAUS-Verordnung; SR 910.132.5) Art. 46 Abs. 4 Verordnung vom 7.12.1998 über die Strukturverbesserungen in der Landwirtschaft (SVV; SR 913.1)

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es auch ohne Subventionen gelingt, das Gedankengut des Tierschutzes bei Tierhalterinnen und Tierhaltern zu verankern. Er zählt dabei auf die Mitwirkung der privaten Tierschutzorganisationen, der landwirtschaftlichen Verbände und auf einen weiterhin steigenden öffentlichen Druck zu Gunsten einer tiergerechten landwirtschaftlichen Produktion.

Tierschutz ist nicht ausschliesslich an baulichen Investitionen messbar. Gerade auch in einer Zeit, die von einer gewissen wirtschaftlichen Unsicherheit der Landwirtschaft geprägt ist, scheint es sinnvoll, die von finanziellen Aufwendungen unabhängigen Wege zu einem sinnvollen Tierschutz zu kräftigen. Dazu zählen die Information, die Motivierung und die Ausbildung der Tierhalterinnen und Tierhalter. Eine Verstärkung dieses Instrumentariums bedingt aber, dass bei Bund und Kantonen entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden, um die Aufgabe seriös zu erfüllen.

Dem Anliegen der Kommission, dass Subventionen nicht nur für teure Anlagen gewährt werden sollen, ist mit der Ausrichtung von Pauschalen für Ökonomiegebäude, wie sie die Strukturverbesserungsverordnung vorsieht, bereits Rechnung getragen.

432.12

Empfehlung 12

Auslaufbetriebe, das heisst solche, die in absehbarer Zeit aufgelöst werden müssen, weil für den Tierhalter keine Nachfolge in Sicht ist, sollten in Bezug auf den Tierschutz anders behandelt werden, als Familienbetriebe, die voraussichtlich weiterbestehen werden. Für Auslaufbetriebe sind pragmatische Lösungen zu suchen.

Der Bundesrat teilt die Meinung der Kommission, dass eine pragmatische Haltung einer starren Durchsetzung der Tierschutzvorschriften gelegentlich vorzuziehen ist.

Jedes Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben geht aber zu Lasten der Tiere. Die Vorschriften sind nicht in erster Linie auf die Bedürfnisse der Betriebe ausgerichtet, sondern auf jene der Tiere. Im Sinne eines Kompromisses hat es der Gesetzgeber bisher vorgezogen, lange Übergangsfristen (bis zu 10 Jahren) zu gewähren statt für einzelne Betriebskategorien Ausnahmeregelungen zu schaffen. Der Bundesrat hält diese Lösung nach wie vor als gangbar. Er hat jedoch in seiner Antwort auf die Motion 98.3676, die in ein Postulat umgewandelt wurde, klar eine flexible Handhabung der geltenden Regelungen für auslaufende Betriebe befürwortet.

432.13

Empfehlung 13

Meldepflichten über festgestellte Verletzungen der Tierschutzvorschriften sind generell für alle Tierärzte, alle Betriebsberater und Milchinspektoren vorzusehen. Die Meldungen sollen primär keine polizeiliche Funktion erfüllen, sondern Anstoss für Beratung, Ausbildung und Motivationsbemühungen der Tierschutzbehörden bilden.

Der Bundesrat hat grundsätzliche Bedenken, Personengruppen zur Denunzierung zu verpflichten, die nicht Bestandteil des Vollzugsapparates des Tierschutzrechts sind.

Die Anregung, dass deren Meldungen nicht Auslöser polizeilicher Sanktionen sein sollten, sondern Anlass zu Beratung, Ausbildung und Motivationsbemühungen, widerspricht einem rechtspolitischen Gundsatz: Trifft nämlich eine gemeldete Zuwiderhandlung gegen das Tierschutzgesetz tatsächlich zu, so muss die Vollzugsbehörde eingreifen, ungeachtet der Herkunft ihrer Information.

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Hingegen will der Bundesrat die Anregung, die genannten Berufsgruppen beim Vollzug des Tierschutzgesetzes einzubeziehen, aufnehmen. Eine breite Abstützung des Vollzugs, vor allem dann, wenn dieser nicht mehr nur aus polizeilichen Massnahmen besteht, scheint sinnvoll und dem Ziel dienlich.

432.14

Empfehlung 14

Der Bund sollte seinen Einfluss auf die Lehrpläne der landwirtschaftlichen Schulen dahingehend geltend machen, dass Tierschutz überall unterrichtet wird.

Die landwirtschaftlichen Schulen unterrichten die Nutztierhalterinnen und -halter von morgen. Es ist wichtig, dass diese auch im Tierschutz alles lernen, das ihnen den tiergerechten Umgang mit den ihnen anvertrauten Tieren ermöglicht. In diesem Zusammenhang darf wieder auf den direkten Zusammenhang zwischen den Direktzahlungen und der Einhaltung der gesetzlichen Tierschutzvorschriften hingewiesen werden. Nur wer diese Vorschriften und die Gründe, die zu ihnen geführt haben, kennt bzw. an der landwirtschaftlichen Schule gelernt hat, ist in der Lage, seine Tierhaltung entsprechend zu gestalten und in seinem Betrieb die Voraussetzungen zum Empfang von Direktzahlungen zu schaffen.

Der Bundesrat prüft, welche Wege zur Realisierung dieser Empfehlung offen stehen (siehe auch die Ausführungen zur Empfehlung 15).

432.15

Empfehlung 15

Der Bund sollte darauf hinwirken, dass grundsätzlich sämtliche Bauern die landwirtschaftlichen Schulen besuchen oder eine gleichwertige Ausbildung machen, die jedem Tierhalter die erforderlichen Tierhalterkenntnisse vermitteln.

Dieses wertvolle Ziel wird auf dem richtigen Weg angestrebt. Diesen schlägt auch die Arbeitsgruppe Langenberger vor (Vorschläge 12­16), fasst ihn aber weiter als die GPK. Sie verlangt, dass «alle gewerbsmässigen Tierhaltenden und alle Landwirte, die eine noch zu bestimmende Anzahl Tiere betreuen», dazu auch das Schlachthofpersonal und gewerbsmässige Tiertransporteure eine Tierschutzausbildung absolvieren müssen. Dazu sollen in der Lehrerausbildung für die Primar- und Sekundarstufen Tierschutzkenntnisse vermittelt werden.

Der Bundesrat beabsichtigt, die Information und die Ausbildung in Tierschutzfragen als Schwergewichte des Tierschutzvollzugs einzusetzen. Es muss aber gründlich abgeklärt werden, ob eine Vorschrift in der Tierschutzgesetzgebung ausreicht, um das Ziel zu erreichen. Dazu ist nämlich das Zusammenwirken verschiedenster Instanzen beim Bund, bei den Kantonen und den privaten Organisationen notwendig. Unbestritten ist, dass die beiden Instrumente der Information und der Ausbildung ausgebaut und attraktiv gestaltet werden sollen. Nur so wird es gelingen, allen Tierhalterinnen und Tierhaltern die Bedeutung einer umfassenden Ausbildung im Bereich der tierschützerischen Regeln klar zu machen.

9505

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432.16

Empfehlung 16

Für importiertes Fleisch und Fleischwaren ist eine Deklarationspflicht einzuführen.

Auch die Arbeitsgruppe Langenberger verlangt (in Vorschlag 24) eine Ergänzung der Lebensmittelgesetzgebung, wonach «die Deklarationspflicht betreffend Produktionsmethoden der Tiere eingeführt wird und diejenige über die Herkunft der Tiere konsequent vollzogen wird».

Die Deklaration von Lebensmitteln ist ein Instrument des Gesundheits- und des Täuschungsschutzes. Das Lebensmittelrecht kennt denn auch keine Unterscheidung zwischen der Deklarationspflicht für inländische und ausländische Erzeugnisse.

Über die Herkunft (Produktionsland) von Lebensmitteln muss nur «auf Verlangen» informiert werden38. Die Herkunftsdeklaration hat nichts mit dem Gesundheitsschutz zu tun, sondern mit dem Täuschungsschutz. Der Gesundheitsschutz fällt hier ausser Betracht, weil Artikel 13 Absatz 1 des Lebensmittelgesetzes39 Nahrungsmittel, welche die Gesundheit gefährden, generell und ungeachtet ihrer Herkunft verbietet.

Das Landwirtschaftsgesetz (Art. 18 Abs. 1) ermöglicht es dem Bundesrat neuerdings, Deklarationsvorschriften zu erlassen für importierte «Erzeugnisse, die nach Methoden produziert werden, die in der Schweiz verboten sind». Darunter fallen Lebensmittel, die im Ausland nicht nach den Regeln der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung erzeugt worden sind. Beispielsweise wäre das Stopfen von Gänsen und Enten zur Herstellung von Stopflebern oder das Halten von Legehennen in Käfigbatterien sowie das Mästen von Rindern mit antibiotikahaltigem Futter oder mit Hormonen in der Schweiz verboten, in anderen Staaten aber nicht. Für derartige Fälle sind Deklarationsvorschriften in Vorbereitung. Diese haben aber ebenfalls nicht mit dem Gesundheitsschutz zu tun und werden auch keine Auswirkungen auf den Tierschutz in der Schweiz haben. Fleisch und Fleischwaren aus dem Ausland haben nämlich nicht notwendigerweise Eigenschaften, welche die Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer gefährden oder sie täuschen; diese Waren sind auch nicht notwendigerweise mit Methoden hergestellt, die in der Schweiz verboten sind.

Der Bundesrat hat die erforderlichen Grundlagen zur Angabe der Herkunft von Lebensmitteln mit der Lebensmittelverordnung40 geschaffen. Diese Bestimmungen basieren aber auf dem Täuschungsschutz und nicht auf tierschutzrechtlichen Anliegen.

432.17

Empfehlung 17

Das Bundesamt für Veterinärwesen sollte in Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden ein Schlachthofkonzept entwickeln, welches für den Tierschutz einen einheitlichen Massstab an alle Betriebe anlegt und geeignete Kontrollen vorsieht sowie die Stellung und die Ausbildung des Schlachthofpersonals fördert. Gestützt darauf ist die Schlachtung in der Tierschutzverordnung zu regeln. Ebenfalls regelungsbedürftig sind die Tiertransporte, insbesondere jene zu den Schlachthöfen. Schliess-

38 39 40

Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände vom 9. Oktober 1992 (SR 817.0) Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände vom 9. Oktober 1992; SR 817.0 SR 817.02, Art. 22a, insbesondere Abs. 4 und 5

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lich ist durch geeignete Massnahmen der Verdrängungswettbewerb unter den Schlachthöfen in der Schweiz einzudämmen.

Die Vorschriften bezüglich Schlachtanlagen41 stützen sich auf das Lebensmittelgesetz ab. Schlachtanlagen haben demnach in erster Linie den Anforderungen an den Gesundheitsschutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zu genügen. Das TSchG enthält seinerseits zwei Artikel (20 und 21), die das Betäuben der Schlachttiere (nur Säugetiere) vor dem Schlachten regeln. Die TSchV ihrerseits regelt seit 1997 detailliert die tierschutzrelevanten Aspekte des ganzen Schlachtvorgangs, von der Anlieferung (Art. 64c) über die Unterbringung (Art. 64d), das Treiben (Art. 64e), das Betäuben (Art. 64f und 64g) bis zum Entbluten (Art. 64h) und gibt den Kantonen die Kompetenz, die tierschutzrechtlichen Aufgaben der Fleischkontrolleure zu regeln (Art. 64i). Die Bewilligungspflicht für Schlachtanlagen42 in Verbindung mit diesen neuen Vorschriften der TSchV gewährleisten einen schonenden Umgang mit den Schlachttieren. Das erste Anliegen dieser Empfehlung darf nach der TSchVRevision von 1997 als erfüllt eingestuft werden.

Bezüglich Tiertransporte (nicht nur zu Schlachtanlagen) hat der Bundesrat 1997 die bestehenden Vorschriften der TSchV ergänzt43. Die Anregung der Kommission wurde damit ebenfalls realisiert. Es kann in diesem Zusammenhang auf die Republik Österreich verwiesen werden, welche die maximale Transportdauer für Schlachttiere auf vier Stunden beschränkt hat, nun aber unter dem Druck des Gemeinschaftsrechts von dieser Regelung wieder abweichen wird.

Die letzte Anregung dieser Empfehlung entzieht sich der Einflussnahme des Bundesrates. Die Schlachtanlagen sind im freien Markt tätig. Das Lebensmittelrecht enthält keine Kompetenz, den freien Wettbewerb unter den Schlachtanlagen einzuschränken. Der Betrieb von Schlachtanlagen bedarf zwar einer kantonalen lebensmittelpolizeilichen Bewilligung, nicht aber ihre Schliessung. Der Bundesrat erachtet es als nicht opportun, eine entsprechende Änderung des Gesetzes im Rahmen einer Neuausrichtung des Tierschutzrechts vorzuschlagen.

432.18

Empfehlung 18

Vorschriften über die Schlachtung haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Betäubungsanlagen verbessert werden und die Zuführung zur Schlachtanlage tiergerechter gestaltet wird.

Diese Empfehlung wurde mit den bereits erwähnten neuen Artikeln 64e, 64f und 64g TSchV erfüllt. Durch die Bewilligungspflicht für Schlachtanlagen ist sichergestellt, dass bauliche und betriebliche Einrichtungen, die den Anforderungen der TSchV nicht entsprechen, nicht mehr vorhanden sind.

41 42 43

Art. 5­11 der Fleischhygieneverordnung vom 1. März 1995 (FhyV; SR 817.190) Art. 16 und 17 Abs. 3 des Lebensmittelgesetzes vom 9. Oktober 1992 (LMG; SR 817.0), Art. 8 ff. FHyV Art. 52 Abs. 2 und 3, Art. 53, Art. 54 Abs. 1 Bst. c, g, und h, Abs. 3, Art.55 Abs. 1 Bst. f TSchV

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432.19

Empfehlung 19

Mit einer obligatorischen Schlachttieruntersuchung ist dafür zu sorgen, dass die Tierkontrolle vor dem Schlachten systematisch genutzt wird, um Mängel in der Nutztierhaltung in den Herkunftsbetrieben zu beheben.

Das Lebensmittelgesetz sieht keine obligatorische Schlachttieruntersuchung (d. h.

eine Untersuchung der Tiere vor dem Schlachten) aller Tiere vor. Der Bundesrat hat aber in der Fleischhygieneverordnung (Art. 27) vorgeschrieben, dass in jeder Schlachtanlage eine Person für den Empfang der Tiere verantwortlich ist. Die Kontrollkompetenzen dieser Person beschränken sich auf lebensmittelpolizeiliche Aspekte. Die TSchV sieht ebenfalls regelmässige Anlieferungskontrollen vor (Art. 64c), die durch eine von der zuständigen Behörde bezeichneten Person durchzuführen ist. Das Lebensmittelgesetz enthält in seinem Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe a die Vorschrift, wonach für die lebensmittelrechtlichen Untersuchungen bei Schlachttieren Gebühren erhoben werden; tierschutzrechtliche Kontrollen sind hingegen ausdrücklich gebührenfrei (Art. 64i Abs. 2 TSchV).

Der Bundesrat hat am 8. Juni 1998 bestimmt44, dass die Schlachttieruntersuchung obligatorisch ist für Tiere der Rindergattung (ab 6 Monaten) sowie für Schafe und Ziegen (ab 12 Monaten), also für Tiere, die unter Umständen an der Traberkrankheit oder an BSE erkranken können. Alle anderen Schlachttiere sind stichprobenweise zu untersuchen. Auch diese Untersuchung erstreckt sich nicht auf die Belange des Tierschutzes, sondern auf solche des Tierseuchenrechts.

Die TSchV gibt in Artikel 64i den Kantonen die Kompetenz, die Aufgaben und Befugnisse der Fleischkontrolleure im Bereich des Tierschutzes zu regeln, und schreibt vor, dass die Fleischkontrolleure bei der Anlieferung regelmässig Stichprobenkontrollen betreffend Tierschutz durchführen. Gemäss Artikel 50 Absatz 1 der Fleischhygieneverordnung sind die Fleischkontrolleure u. a. für die Schlachttieruntersuchung zuständig. Diese findet aber ­ wie oben erwähnt ­ meist in der Form einer Stichprobe statt. Nach Artikel 53 FhyV sind die Kontrolleure verpflichtet, der zuständigen Behörde Verstösse zu melden.

Schlachttieruntersuchungen lassen Rückschlüsse auf eine tiergerechte Haltung zu.

Verschmutzung, Verletzungen oder Verhaltensstörungen können zwar auch bei tiergerecht gehaltenen Schlachttieren auftreten. Eine
systematische Kontrolle könnte zweifellos noch einige bisher nicht erkannte Tierschutzmängel in Tierhaltungen aufdecken. Auch wegen der generalpräventiven Wirkung erachtet der Bundesrat solche Untersuchungen an sich als wünschbar. Er wird prüfen, auf welcher Basis ein Obligatorium eingeführt und finanziert werden könnte.

432.20

Empfehlung 20

Gestützt auf das europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren sollte der Bundesrat die Qualzucht näher definieren und verbieten.

Ein Verbot von Zuchtzielen, die dem Tier tierschutzrelevante Leiden oder Schäden zufügen, bildet Gegenstand der Gen-Lex-Vorlage, welche den eidgenössischen

44

Art. 31 Abs. 1 FHyV

9508

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Räten im Laufe des Jahres 1999 zugeleitet werden soll. Die Empfehlung ist damit erfüllt.

432.21

Empfehlung 21

Im Bereich der Heimtierhaltung sind besondere Anstrengungen zur Information und Motivation der Öffentlichkeit über Belange des Tierschutzes notwendig.

Die gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Haltung von Heimtieren sind bis heute nicht sehr detailliert. Entsprechend dem Grundcharakter der Tierschutzgesetzgebung ging der Bundesrat davon aus, dass nur geregelt werden sollte, was auch kontrolliert und durchgesetzt werden kann. Es ist den kantonalen Vollzugsbehörden nicht zuzumuten, hunderttausende Heimtierhaltungen zu kontrollieren; der Aufwand für die behördliche Kontrolle von Haushaltungen, in denen einzelne Wellensittiche oder Katzen gehalten werden, wäre niemals verhältnismässig.

Aus der Überlegung heraus, dass die allgemeinen Tierhaltungsregeln des TSchG auch für Heimtiere gelten, hat der Bundesrat denn auch keine neuen spezifischen Haltungsvorschriften für Heimtiere erlassen. Er hat hingegen 1997 in Artikel 51a TSchV eine untere Altersgrenze (16 Jahre) für Käuferinnen und Käufer von Tieren eingeführt.

Die Kommission stellt richtigerweise fest, dass die Heimtierhaltung nicht über weitere Gebote und Verbote zu regeln ist, sondern über Information und Motivation.

Dieses Anliegen musste bisher wegen mangelnder staatlicher Ressourcen hintangestellt werden. Immerhin darf hier festgehalten werden, dass die privaten Tierschutzorganisationen und die Zuchtverbände für Heimtiere seit langem grossen Einsatz zeigen, um die Tierhalterinnen und Tierhalter von einem tiergerechten Verhalten zu überzeugen. Eine Verstärkung der Information und Motivation in diesem Bereich kann auf dieser Arbeit aufbauen. Die Heimtierhaltung ist ein Beispiel dafür, dass private Trägerschaften geeignet sind, bisher staatliche Aufgaben wahrzunehmen, wenn ihnen entsprechende Leistungsaufträge und Zielvereinbarungen zugeteilt werden.

432.22

Empfehlung 22

Für den Handel und die Werbung mit Tieren sind nicht nur geeignete Räume, Gehege und Einrichtungen zu verlangen, sondern neben der entsprechenden Ausbildung der Gewerbetreibenden auch deren Pflicht zur Information und Beratung der Käufer in Belangen des Tierschutzes.

Diese Empfehlung zielt in die gleiche Richtung wie die vorhergehende: Wer ein Tier kauft, muss wissen, dass sie oder er sich damit eine Verantwortung auflädt. Dieses Wissen kann auch durch die Verkäuferin oder den Verkäufer des Tieres vermittelt werden. Allerdings ist zu beachten, dass das Tierschutzrecht bisher nur den gewerbsmässigen Tierhandel regelt. In Artikel 48 Absatz 1 TSchV ist heute schon vorgeschrieben, dass die Bewilligung des Tierhandels an die Bedingung geknüpft werden kann, einen oder mehrere Tierpfleger mit Fähigkeitsausweis zu beschäftigen.

Der gelegentliche Tierhandel, bespielsweise aus Hunde- oder Katzenzuchten, entzieht sich heute der Bewilligungspflicht und damit gesetzlichen Auflagen.

9509

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Das Anliegen, an gewerbsmässige Tierhändlerinnen und -händler besondere Ansprüche zu stellen, ist berechtigt. Der Bundesrat wird dem Anliegen auf geeignete Art entsprechen.

44

Analyse des Inspektionsberichts

Die Kommission hat ihre Empfehlungen in zwei Abschnitte unterteilt, die sich deutlich unterscheiden.

Im ersten Abschnitt wird eine fundamentale Kritik am Vollzugskonzept formuliert.

In verschiedenen Empfehlungen wird eine Neuausrichtung des Tierschutzrechts verlangt. An die Stelle des polizeilichen Instrumentariums mit Mindestanforderungen, Kontrollen und Sanktionen soll ein modernes Tierschutzgesetz die Instrumente der Information, Motivation, Ausbildung, Zielvereinbarung und des Leistungsauftrags setzen.

Im zweiten Abschnitt empfiehlt die Kommission 22 Massnahmen, die Änderungen und Ergänzungen im geltenden Recht verlangen. Diese Massnahmen betreffen nur teilweise das Gesetz, sondern weitgehend das Verordnungsrecht.

Der Bundesrat schliesst aus dieser Zweiteilung, dass die Kommission einerseits der Ansicht ist, dass das bisherige Tierschutzrecht zwar seine Ziele zum grossen Teil erreicht hat, aber nun durch ein modernes Instrumentarium ergänzt werden soll, dass die Kommission andererseits aber die Regelungsdichte der geltenden Gesetzgebung durch zahlreiche Detailverbesserungen noch vergrössern möchte.

In einer ersten Phase hat das federführende BVET die Aufgabe als vordringlich erachtet, die 22 Empfehlungen zur geltenden Gesetzgebung umzusetzen. Es hat eine Revision der TSchV vorbereitet, die in der Vernehmlassung auf grosses Interesse stiess. Im Februar 1997 zog der Vorsteher des EVD jedoch das Projekt zurück, um eine grundsätzliche Überprüfung des schweizerischen Tierschutzrechts einzuleiten.

Diese Prüfung ­ ablesbar an den Vorschlägen der Arbeitsgruppe Langenberger ­ hat ein teilweise widersprüchliches Ergebnis erbracht, das aber in seinen Grundzügen der oben skizzierten Zweiteilung des Kommissionsberichts entspricht. Die Arbeitsgruppe hat keinen Weg zu einer grundlegenden Reform der Tierschutzgesetzgebung gefunden. Der Schluss ist zulässig, dass diese Widersprüchlichkeit fundamentale Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppierungen sichtbar macht. Wer von der Tierhaltung lebt, strebt nach möglichst liberalen Tierschutzregelungen; den natürlichen Bedürfnissen der Tiere soll ­ überspitzt ausgedrückt ­ nur so weit entgegengekommen werden, als die Tiere noch ihre volle wirtschaftliche Leistung erbringen.

Dem widersprechen die Tierschutzorganisationen, die sich für Regelungen einsetzen,
die sich ausschliesslich an den natürlichen Verhaltensmustern der Tiere orientieren; die ethologischen45 Erkenntnisse sollen möglichst im Massstab eins zu eins in die Gesetzgebung umgesetzt werden.

Beide Richtungen können auf Unterstützung zählen: Die landwirtschaftlichen Tierhalterinnen und Tierhalter können darauf verweisen, dass sie in verstärktem Mass dem internationalen Wettbewerb standhalten müssen, obschon die schweizerischen Tierschutzregelungen strenger sind als diejenigen der meisten Nachbarstaaten. Die Tierschutzorganisationen zählen auf einen wachsenden öffentlichen Druck, der sich 45

Ethologie = Verhaltenswissenschaft

9510

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in einer zunehmenden Neigung der Konsumentinnen und Konsumenten zu tiergerecht produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen manifestiere.

5

Vorgehen des Bundesrates

51

Wertung

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Ziele des TSchG mit aller Kraft zu verfolgen sind, dass es aber nie gelingen wird, sie hundertprozentig in die Realität zu überführen.

Der Bundesrat teilt die negative Beurteilung der Arbeit der Vollzugsorgane nur teilweise. Er stellt fest, dass das Tierschutzgesetz seit seinem Inkrafttreten am 1. Juli 1981 erhebliche Verbesserungen für die Tiere in unserem Land gebracht hat. Dies ist nur gelungen, weil sich die mit dem Vollzug und der Oberaufsicht beauftragten Behörden, unterstützt von privaten Organisationen der Tierhaltung und des Tierschutzes, mit grossem Einsatz um die Verwirklichung der gesetzlichen Ziele gekümmert haben.

Gewisse Bereiche des Gesetzes sind heute so weit umgesetzt, dass sie in der Öffentlichkeit kaum mehr wahrgenommen werden. Zu nennen ist vorab der Bereich der Tierversuche, der längere Zeit die öffentliche Diskussion beherrschte und zu drei Volksinitiativen Anlass gab. Auch die Wildtierhaltungen, in erster Linie in den zoologischen Gärten, wurden in enger Zusammenarbeit zwischen Vollzugsorganen und Tierhaltern erheblich verbessert.

Es ist aber nicht abzustreiten, dass die Umsetzung gewisser Tierschutzvorschriften auf Widerstand stiess und immer noch stösst. Trotz sehr langer Übergangsfristen besteht in der Milchviehhaltung nach wie vor ein punktueller Vollzugsbedarf. Der Widerstand kam und kommt vor allem aus den Kreisen der Tierhalterinnen und Tierhalter selber, denen sich die Vollzugsbehörden einzelner Kantone mit einer gelegentlich schleppenden Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen anschlossen.

Trotzdem sind gerade in diesem Bereich aber in den vergangenen Jahren beachtliche Fortschritte erzielt worden, die den Schluss zulassen, dass ein sehr grosser Prozentsatz der Nutztierhalterinnen und -halter mittels der bestehenden Gesetzgebung in Verbindung mit zunehmendem Druck aus der Öffentlichkeit zu einem Verhalten gebracht werden kann, das im Einklang mit der Tierschutzgesetzgebung ist. Von der Koppelung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen an die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Mindestvorschriften darf man sich einen weiteren Vollzugsschub versprechen. Dies insbesondere auf Grund von Artikel 66 Absatz 4 der Direktzahlungsverordnung46, der im Beitragsjahr eine Kontrolle vorschreibt

46

­

auf allen Betrieben, welche die entsprechenden Beiträge zum ersten Mal beanspruchen

­

auf allen Betrieben, in welchen bei den Kontrollen im Vorjahr Mängel festgestellt wurden

­

auf mindestens 30 Prozent der nach dem Zufallsprinzip ausgewählten übrigen Betriebe.

Verordnung vom 7.12.1998 über die Direktzahlungen in der Landwirtschaft (DZV; SR 910.13)

9511

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Dadurch wird die Kontrollintensität in vielen Kantonen stark erhöht und auf hohem Niveau standardisiert.

Es scheint heute, dass ein kleiner Teil der Tierhaltenden auch mit detaillierten Haltevorschriften und einem beeindruckenden Sanktionenkatalog nicht zu einem Verhalten gebracht werden kann, das den Tieren gerecht wird. Hier liegt der Ansatz, an dem gemäss den Vorstellungen der GPK und der Arbeitsgruppe Langenberger weiter gearbeitet werden soll. Die Vollzugsorgane jeder Stufe sollen in die Lage versetzt werden, mit neuen Instrumenten das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Tiere in der Öffentlichkeit und vor allem bei den Tierhalterinnen und -haltern zu verankern.

52

Revision des Tierschutzrechts

Das TSchG in seiner heutigen Ausgestaltung hat Wertvolles bewirkt. Es ist aber zur Erreichung seines Ziels heute nur noch bedingt geeignet. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat deshalb die Arbeiten an einer Revision des Gesetzes aufgenommen.

Bevor diese Arbeiten abgeschlossen sind, soll grundsätzlich von Teilrevisionen des Tierschutzrechts, insbesondere der TSchV, abgesehen werden. Eine Ausnahme bilden die Anhänge der TSchV, die sich mit der Wildtierhaltung befassen. Diese sollen den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden. Von dieser Revision im Kompetenzbereich des Bundesrates sind die zoologischen Gärten, die Wildtierparks und private Wildtierhalter betroffen. Eine weitere Ausnahme soll für die Prüfund Bewilligungsverfahren für Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen gemacht werden, wo ein flexibleres Verfahren sofort eingeführt werden soll. Diese Arbeiten wirken sich nicht präjudizierend auf die Gesetzesrevision aus.

Die Frage, ob eine punktuelle Revision des TSchG nicht ausreiche, um die hauptsächlichen Empfehlungen der GPK SR und der Arbeitsgruppe Langenberger umzusetzen, wurde geprüft. Es zeigte sich indessen, dass der Grundcharakter des Gesetzes eine Erweiterung mit neuen Vollzugsinstrumenten nicht im wünschbaren Mass zulässt; das Gesetz baut heute weitgehend auf der Maxime «Zielvorgabe ­ Mindestanforderung ­ Kontrolle ­ Sanktion» auf. «In der Praxis hat dies zur Folge, dass der Tierschutz in der Schweiz im Wesentlichen als Polizeiaufgabe konzipiert ist.»47 Die davon abweichenden Gesetzesbestimmungen bilden die Ausnahmen. Von dieser Haltung soll der Revisionsentwurf wegkommen.

47

Bericht der GPK SR, S. 8

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521

Stufengerechte Regelung

Die materiellen Grundsätze der Tierschutzgesetzgebung sind nicht Gegenstand der Bundesverfassung. Diese enthält in Artikel 25bis48 eine reine Kompetenzvorschrift, die den Bund ermächtigt, über bestimmte Bereiche Vorschriften zu erlassen, die von den Kantonen zu vollziehen sind. Qualitative Zielvorgaben sind in dieser Verfassungsbestimmung nicht enthalten.

Solche Vorgaben finden sich in Artikel 2 TSchG. Diese Bestimmung enthält alle Ziele und Anweisungen, die in den nachfolgenden Artikeln verfeinert werden. Zahlreiche Eingaben von Tierschutzorganisationen stützten sich in den vergangenen Jahren auf diesen Artikel. Er ist jedoch nicht direkt anwendbar, sondern bedarf der Umsetzung in konkrete Handlungsanweisungen. Erst der Verstoss gegen diese kann zu Sanktionen führen. Wie oben bereits dargelegt, enthält das Gesetz eine grosse Zahl solcher Anweisungen, von Bewilligungspflichten über Verbote bis zu Kompetenzzuweisungen an den Bundesrat. Der Detaillierungsgrad dieser Bestimmungen geht sehr weit. Es stellt sich die Frage, ob es tatsächlich Aufgabe des Parlaments ist, das Amputieren der Krallen von Katzen zu verbieten (Art. 22 Abs. 2 Bst. g TSchG) und vorzuschreiben, dass Versuchstiere «sorgfältig an die Versuchsbedingungen zu gewöhnen und vor, während und nach dem Versuch fachgerecht zu betreuen» sind, oder ob die Regelung solcher Details nicht eher zu den Aufgaben der Regierung oder gar des Fachamtes gehört.

Die Revision des TSchG will eine stufengerechte Regelung aufstellen. Das Gesetz soll grundsätzlich nur die Grundzüge des Tierschutzes regeln und die Kompetenzzuweisungen enthalten, für welche eine Grundlage in einem Gesetz geschaffen werden muss. Das Gesetz wird so der Spiegel der ethischen Haltung des Menschen gegenüber dem Tier. Damit wird nichts Neues geschaffen. Schon in seiner Botschaft vom 9. Februar 1977 über ein Tierschutzgesetz49 hat der Bundesrat geschrieben: «Das Bundesgesetz soll (...) nur die Grundzüge des Tierschutzes enthalten; die Einzelheiten sind in Ausführungserlassen auf Verordnungsstufe zu regeln.» Mit der Umsetzung dieser Grundzüge soll der Bundesrat beauftragt werden. Wo Mindestanforderungen aufgestellt werden (oder bleiben) müssen, soll diese Aufgabe an das Departement delegiert werden.

Die Kompetenzverteilung im Vollzug kann nicht verändert werden. Nach wie vor werden
die Kantone mit dem Vollzug beauftragt, wie es dem Verfassungsauftrag entspricht. Neu ist vorgesehen, dass die Kantone und der Bund in die Lage versetzt werden sollen, weitere staatliche und nichtstaatliche Trägerschaften in den Vollzug einzubeziehen.

48

49

Der Artikel lautet: «1 Die Gesetzgebung über den Tierschutz ist Sache des Bundes.

2 Die Bundesgesetzgebung stellt insbesondere Vorschriften auf über: a. das Halten und die Pflege von Tieren; b. die Verwendung von und den Handel mit Tieren; c. die Tiertransporte; d. die Eingriffe und Versuche am lebenden Tier; e. das Schlachten und anderweitige Töten von Tieren; f. die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen.

3 Der Vollzug der Bundesvorschriften obliegt den Kantonen, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält.» BBl 1977 I 1085

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522

Neues Instrumentarium

522.1

Allgemeines

Als das heutige TSchG vorbereitet wurde, standen zur Durchsetzung hoheitlicher Aufgaben kaum andere als die Zwangsmittel der Tierhalteverbote, der Ersatzvornahme und der Strafverfolgung zur Diskussion. In der Zwischenzeit wurden neue Instrumente entwickelt, die sich in verschiedenen Erlassen auf Bundes- und Kantonsebene bereits bewährt haben. Mit ihnen gelingt es, die Selbstverantwortung der Rechtsunterworfenen (im speziellen Fall: der Tierhaltenden) zu stärken und zur Erfüllung der Vollzugsaufgaben jene Organisationen einzubinden, bei denen das Fachwissen vorhanden ist.

Diese Instrumente gliedern sich in zwei Gruppen: Information, Ausbildung und Motivation einerseits, Leistungsauftrag und Zielvereinbarung andererseits.

522.2

Information, Ausbildung und Motivation

Auf der einen Seite soll das Instrumentarium der Information, der Ausbildung und der Motivation verstärkt werden. Wie bereits erläutert, ist die Erkenntnis, dass eine Verstärkung der Informationsbemühungen den Vollzug des Tierschutzrechts erleichtert, nicht neu. So hat das Bundesamt für Veterinärwesen schon 1991 ein Lehrmittel zum Tierschutz herausgegeben. Dahinter stand die Idee, dass vermehrtes Wissen im Tierschutzbereich zu einem gesellschaftlichen Druck im Hinblick auf eine tiergerechte Tierhaltung führt. Die Umsetzung scheiterte aber bisher an den mangelnden Ressourcen. Mit einem gesetzlichen Auftrag könnten solche geschaffen werden.

Es wird nicht nur Aufgabe der Bundesbehörden sein, aktiv Information zu betreiben.

Zur Vermittlung von Wissen an die Bevölkerung, insbesondere an die Tierhalterinnen und Tierhalter, stehen Organe bereit, die dazu besser geeignet sind als eine Behörde. So können landwirtschaftliche Schulen verpflichtet werden, Tierschutzfragen in den Lehrplan aufzunehmen, und Tierhalterorganisationen müssten dazu gebracht werden, ihren Mitgliedern eine tierschützerische Spezialausbildung zu offerieren.

Die Umsetzung der so gewonnenen Information lässt sich beschleunigen, indem zusätzliche Anreize geschaffen werden. Darunter ist der gesellschaftliche Druck sehr hoch zu bewerten. Konsumentinnen und Konsumenten bestimmen mit ihrem Konsumverhalten über das Niveau des Tierschutzes in Nutztierhaltungen mit. Das Landwirtschaftsgesetz hat in Artikel 70 die Auszahlung von Direktzahlungen an den ökologischen Leistungsnachweis gebunden, der unter anderem den Nachweis der tiergerechten Haltung der Nutztiere einschliesst. Der finanzielle Anreiz, verbunden mit einem Druck des Marktes, ist sicher die stärkste Motivation zur Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften.

522.3

Leistungsauftrag und Zielvereinbarung

Die Verfassung nennt in Artikel 25bis Absatz 3 nur die Kantone und den Bund als Vollzugsbefugte. Andere als staatliche Stellen kamen zur Zeit, als der Tierschutzartikel formuliert wurde, nicht in Betracht.

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Die beiden Instrumente Leistungsauftrag und Zielvereinbarung sind noch nicht lange in der schweizerischen Gesetzgebung verankert50. Sie ermöglichen es, die staatlichen Ziele durch andere als ausschliesslich staatliche Organe zu erreichen. Der Tierschutz ist ein Beispiel dafür, dass der Staat zwar die Ziele setzt, die aber ausschliesslich durch das Verhalten Privater erreicht werden können. Neben der Zielsetzung nimmt deshalb der Staat heute vor allem Kontrollfunktionen wahr.

Unbestritten und durch die Verfassung vorgegeben ist, dass die eigentlichen hoheitlichen Aufgaben im Tierschutz durch den Bund und die Kantone wahrgenommen werden müssen. Dazu ist in erster Linie das Aufstellen gesetzlicher Normen (Ziele) zu rechnen, dann auch das Sanktionieren derjenigen Tierhalterinnen und Tierhalter, welche diese Normen nicht einhalten. Zwischen den beiden Tätigkeiten befindet sich die Kontrolle. Es gibt keine zwingenden Gründe, weshalb ausschliesslich staatliche Organe diese Kontrollfunktionen ausüben müssten. Ein Bericht einer Arbeitsgruppe «Tierschutz im ökologischen Leistungsnachweis», der zuhanden der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz erarbeitet wurde, sieht denn auch vor, dass Organisationen des privaten Rechts Tierschutzkontrollen durchführen können.

Die landwirtschaftliche Tierhaltung ist weitgehend durchorganisiert. Die diesbezüglichen Organisationen verfügen über ein umfassendes Fachwissen und über Strukturen, die für die Zwecke des Tierschutzes, insbesondere für die Information und Ausbildung, genutzt werden können. Sie dürfen zudem auf eine erhöhte Akzeptanz bei den Tierhalterinnen und Tierhaltern zählen. Auch die Bereiche ausserhalb der Landwirtschaft werden heute schon von breit abgestützten Fachorganisationen betreut, die in der Lage sind, bisher von staatlichen Organen wahrgenommene Aufgaben zu übernehmen. Es ist dabei an die grossen Tierschutzverbände zu denken, die heute schon mit Information und Beratung massgebend zur Verbreitung des Tierschutzgedankens beitragen.

Mit solchen Organisationen können Leistungsvereinbarungen abgeschlossen werden, die sie verpflichten, in einzelnen Bereichen der Tierhaltung die tierschutzrechtlichen Vorschriften durchzusetzen.

Die Übertragung von Kontrollaufgaben an privatrechtliche Trägerschaften bedingt, dass diese einem Anerkennungsverfahren unterworfen
werden, ähnlich wie es heute schon beispielsweise für diagnostische Laboratorien gilt. Derart akkreditierte Auftragnehmer sind nicht frei in der Wahl ihrer Mittel; so steht es ihnen nicht an, Sanktionen zu verhängen. Der mögliche Umfang und die Grenzen der Tätigkeiten privatrechtlicher Organisationen im Vollzug des Tierschutzrechts müssen deshalb zunächst abgeklärt werden, bevor eine Umsetzung in Gesetz und Verordnung erfolgen kann.

Die Zielvereinbarung ist eine Erweiterung des bisherigen einseitigen Vollzugsauftrags des Gesetzes an die Kantone. Mit den Instrumenten der Oberaufsicht ist es bekanntlich nicht gelungen, einen vollständigen und einheitlichen Vollzug des Tierschutzrechts herbeizuführen. Einige damit beauftragte kantonale Organe setzten bisher teilweise andere Prioritäten als die Bundesbehörden, teilweise fehlten ihnen die Ressourcen dazu. Mit der Zielvereinbarung verpflichten sich die kantonalen Regierungen, gewisse Teilziele des Tierschutzgesetzes in einer bestimmten Zeit zu erreichen. Das bedingt, dass sie die dazu notwendigen Mittel bereitstellen und dem Ver-

50

vgl. LwG Art. 180

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einbarungspartner, also dem Bundesrat, regelmässig über den Stand des Vollzugs berichten.

Die Zielvereinbarung ist nichts grundlegend Neues; sie erlaubt es aber, die Tierschutzthematik zu fokussieren und dort Gewichte zu setzen, wo ein Vollzugsdefizit besteht. Der Bundesrat wird prüfen, inwieweit sich dieses Instrument gezielt für die Ziele des Tierschutzes einsetzen lässt.

53

Umsetzung

Das Tierschutzgesetz hat seine Ziele bekanntlich nicht ganz erreicht, auch wenn es das Los der Tiere in unserem Land erheblich verbessert hat. Theoretisch könnte versucht werden, mit punktuellen Anpassungen und einer Verstärkung der Vollzugsanstrengungen die Umsetzung zu verbessern. Die von der GPK vorgeschlagenen Massnahmen bedingen aber erhebliche grundlegende Veränderungen des Tierschutzrechts, die mit einer kleinen Revision von Gesetz und Verordnung nicht zu realisieren sind.

Der Bundesrat hat deshalb das EVD beauftragt, eine grössere Revision des Tierschutzgesetzes vorzubereiten. Diese soll sich an den vorgängig erläuterten Grundsätzen und am angeführten Instrumentarium orientieren. Der Inspektionsbericht der GPK und die wertvollen Anregungen im Bericht der Arbeitsgruppe Langenberger sollen soweit tunlich berücksichtigt werden. Die Aufgaben des Bundes im Tierschutz sollen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben neu überdacht werden.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass jegliche Änderungen am Grundgehalt des Tierschutzrechts zu lebhaften Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit führen werden. Schon die Schaffung des Gesetzes selber wurde von Tierversuchsgegnern mit einem Referendum bekämpft51. Drei Volksinitiativen beabsichtigten seither, die Tierversuchsbestimmungen der Verfassung zu ändern. Alle wurden abgelehnt52.

Es ist aber festzuhalten, dass eine Überarbeitung des Tierschutzgesetzes das Schutzniveau der Tiere in der Schweiz nicht herabsetzen soll und darf. Auf der anderen Seite scheint es kaum denkbar, das heutige gesetzliche Schutzniveau ­ vor allem im Bereich der Nutztierhaltung ­ kurzfristig anzuheben, da die schweizerische Landwirtschaft im internationalen Vergleich bereits gute und sinnvolle Schutzmassnahmen durchführt. Diese Haltung wird durch die Antwort des Bundesrates auf die Motion 99.3122, die in ein Postulat umgewandelt wurde, bestätigt.

Bis zum Vorliegen eines Botschaftsentwurfes wird von Teilrevisionen an Gesetz und Verordnung abgesehen. Die beiden Ausnahmen sollen die Mindestanforderungen für die Wildtierhaltung, die im Anhang 2 der TSchV geregelt sind, und die Prüfund Bewilligungsverfahren für Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen bilden.

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Das Gesetz wurde in der Volksabstimmung vom 3. Dezember 1978 mit 1 339 252 Ja gegen 300 045 Nein angenommen (BBl 1979 I 209) Die Volksinitiative «Für die Abschaffung der Tierversuche» wurde am 1. Dezember 1985 mit 1 099 122 Nein gegen 459 358 Ja verworfen (BBl 1986 I 685); die Volksinitiative «zur drastischen und schrittweisen Einschränkung der Tierversuche (Weg vom Tierversuch!)» wurde am 16. Februar 1992 mit 1 117 236 Nein gegen 864 898 Ja verworfen (BBl 1992 III 723), die Volksinitiative «zur Abschaffung der Tierversuche» wurde am 7. März 1993 mit 1 651 333 Nein zu 634 758 Ja verworfen (BBl 1993 I 1587).

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1999-5015

Falls die GPK diesem Bericht zustimmt, können die Arbeiten an der Revision weitergeführt werden. Es kann damit gerechnet werden, dass der Entwurf im kommenden Jahr in die Vernehmlassung geht.

8. September 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

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