99.047 Botschaft zur Besteuerung bei der Liquidation von Mieter-Aktiengesellschaften und zur Änderung der Besteuerung von Immobilien-Anlagefonds mit direktem Grundbesitz vom 12. Mai 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer sowie des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer, mit dem Antrag auf Zustimmung. Ziel der Vorlage ist es, die Teilliquidation von Mieter-Aktiengesellschaften zu ermöglichen und die Besteuerung von Immobilien-Anlagefonds mit direktem Grundbesitz zu regeln.

Gleichzeitig beantragen wir, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 1997 M 96.3336 Liquidation von Immobiliengesellschaften mit Mieteraktionären (S 19. 3. 97, Saudan; N 19. 12. 97) Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. Mai 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

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1999-4333

Übersicht Im Jahre 1995 ist das neue Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat mit diesem Gesetz besondere Massnahmen ergriffen, um die Liquidation der von Anlagefonds oder von anderen Personen beherrschten Immobiliengesellschaften für eine beschränkte Zeitspanne fiskalisch zu privilegieren. Einige Kantone haben ebenfalls entsprechende Massnahmen beschlossen. Seitdem wurde der Bundesrat durch eine Motion beauftragt, die Steuerentlastungen auch Immobiliengesellschaften von Mieteraktionären zu gewähren. Zudem behindert die hohe Steuerbelastung den direkten Grundbesitz der Anlagefonds. In seiner Antwort zu einem parlamentarischen Vorstoss hat der Bundesrat zugesichert, diesen Punkt zu prüfen. Mit der vorliegenden Botschaft beantragt der Bundesrat eine Änderung der Steuerordnung mit folgenden vier Zielen: ­

Die Überführung von Wohnungen von Mieteraktiengesellschaften auf die Inhaber ihrer Beteiligungsrechte soll steuerlich gefördert werden;

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die Frist zur steuerlich begünstigten Liquidation der von Immobilienanlagefonds beherrschten Immobiliengesellschaften soll um zwei Jahre verlängert werden. Diese Massnahme hat auch für die anderen Immobiliengesellschaften Geltung;

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die Anlagefonds mit direktem Grundbesitz sollen neu dem Gewinnsteuertarif für Vereine, Stiftungen und übrige juristische Personen unterstellt werden;

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die Bestimmungen im Bereich der direkten Steuern und der Verrechnungssteuer sollen, indem die Belastung der Ausschüttung des Ertrages des Anlagefonds aus direktem Grundbesitz nicht mit der Verrechnungssteuer belastet wird, wieder kohärent werden.

Zu diesen vorgeschlagenen Massnahmen haben die Kantone und die interessierten Kreise positiv Stellung genommen. Ihre Einführung im Jahre 2000 gewährleistet die Kontinuität der im Jahre 1995 eingeführten Massnahmen.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

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Ausgangslage

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Besteuerung der Immobilienanlagefonds

Ein Anlagefonds ist ein Anlageinstrument, dessen gesetzliche Struktur im Anlagefondsgesetz vom 18. März 1994 (AFG; SR 951.31) festgelegt ist. Der Anlagefonds ist ein Vermögen, das durch Einlagen von den Anlegern auf Grund öffentlicher Werbung zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage aufgebracht wird. Der Anlagefonds wird von einer Fondsleitung, in der Regel nach dem Grundsatz der Risikoverteilung, für Rechnung der Anleger verwaltet. Als Immobilienanlagefonds werden Fonds bezeichnet, die ihre Mittel in Immobilienwerten anlegen. Als Immobilienwerte gelten einerseits Grundstücke im direkten Grundbesitz und andererseits Beteiligungen an sowie Forderungen gegenüber Immobiliengesellschaften (indirekter Grundbesitz).

Im Steuerrecht sind Anlagefonds grundsätzlich nicht selbst steuerpflichtig. Die Besteuerung des Fondsvermögens und des daraus fliessenden Ertrags erfolgt bei den Anlegern als Vermögen und Einkommen aus beweglichem Vermögen. Die im Jahre 1990 verabschiedeten Bundesgesetze über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) und über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) sehen jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Demnach sind die direkten Steuern im Zusammenhang mit Grundstücken im direkten Besitz von Anlagefonds vom Anlagefonds selbst geschuldet (Art. 49 Abs. 2 DBG und Art. 26 Abs. 3 StHG). Um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden, sind Einkünfte aus Anteilen an Anlagefonds beim Anleger steuerbar, soweit die Gesamterträge des Anlagefonds die Erträge aus direktem Grundbesitz übersteigen (Art. 20 Abs. 1 Bst. e DBG und Art. 7 Abs. 3 StHG). Als Vermögen ist die Wertdifferenz zwischen den Gesamtaktiven des Anlagefonds und dessen direktem Grundbesitz steuerbar (Art. 13 Abs. 3 StHG).

Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR 642.21) bestimmt, dass die in einem Anlagefonds erzielten Kapitalgewinne nicht der Verrechnungssteuer unterstellt sind, sofern sie über einen gesonderten Coupon ausgerichtet werden. Diese Kapitalgewinne wären, wenn sie von privaten Investoren realisiert worden wären, keine steuerbaren Einkünfte. Aus diesem Grund rechtfertigte es sich einerseits nicht, diese Ausschüttungen der Verrechnungssteuer zu unterstellen. Andererseits ist der Ertrag aus direktem Grundbesitz
des Anlagefonds nach geltendem Recht der Verrechnungssteuer unterstellt. Auf Grund der Bestimmungen im DBG und StHG, wonach der Ertrag aus direktem Grundbesitz des Anlagefonds am Ort der gelegenen Sache zu besteuern ist, wurde diese Unterstellung obsolet.

Mit den Besteuerungsregeln über den direkten Grundbesitz der Anlagefonds im DBG und im StHG wollte der Gesetzgeber die Überführung der über Beteiligungen an Immobiliengesellschaften gehaltenen Immobilien in den direkten Grundbesitz fördern. Zu diesem Zweck sieht Artikel 207 DBG im Übergangsrecht eine Steuerermässigung bei der Liquidation von Immobiliengesellschaften vor.

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Die Steuerermässigung bei der Liquidation von Immobiliengesellschaften

112.1

Bestimmungen im Recht der direkten Bundessteuer

Anlässlich der Überführung von Immobilien an den Aktionär realisiert die Gesellschaft die vorhandenen stillen Reserven in Form eines Kapitalgewinnes (Differenz zwischen Verkehrswert und Buchwert). Dieser Kapitalgewinn wird mit der Gewinnsteuer erfasst. Die steuerlich privilegierte Überführung der Liegenschaften besteht darin, dass in Artikel 207 DBG eine Steuerermässigung statuiert wurde, die als Übergangsbestimmung noch bis zum 31. Dezember 1999 Geltung hat. Demnach wird bei der Gesellschaft der Steuerbetrag auf dem Kapitalgewinn um 75 Prozent gekürzt. Die Steuer auf dem Liquidationsergebnis, das dem Aktionär zufliesst, wird im gleichen Verhältnis reduziert. Damit die direkte Bundessteuer auf dem Kapitalgewinn der Immobiliengesellschaft und auf dem Liquidationsergebnis der Aktionäre um je 75 Prozent gekürzt werden kann, muss die Gesellschaft liquidiert und im Handelsregister gelöscht werden. Im Weiteren muss die Liegenschaft auf die Aktionäre überführt, d. h. im Grundbuch auf ihren Namen eingetragen werden. Alle diese Vorkehren sind bis zum 31. Dezember 1999 zu treffen. Ferner gilt die Bestimmung nur für Immobiliengesellschaften, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, d. h. vor dem 1. Januar 1995, gegründet worden sind.

Die hier umschriebenen Steuerermässigungen beschränken sich nicht auf Gesellschaften, die von Anlagefonds gehalten werden, sondern gelten für alle Immobiliengesellschaften und deren Aktionäre.

112.2

Bestimmungen im Recht der kantonalen Steuergesetze

Anlässlich der Beratung des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden befand die Mehrheit der Kantone, dass es keiner Bestimmung bedürfe, um die Liquidation von Immobiliengesellschaften steuerlich zu fördern. Die Auffassung der Kantone fusste vor allem auf der Tatsache, dass es nur wenig Immobilienanlagefonds gab. Die Kantone widersetzten sich auch einer zwingenden Bestimmung, wonach allgemein die Liquidation von Immobiliengesellschaften steuerlich entlastet werden sollte. Die Kantone konnten demnach selbst bestimmen, ob sie eine dem Artikel 207 DBG analoge Bestimmung übernehmen wollten. In der Folge haben elf Kantone (BE, FR, GE, GR, LU, NE, NW, OW, SZ, VD, VS) von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht und gewähren Steuererleichterungen bei der Übernahme der Grundstücke von Immobiliengesellschaften durch die Aktionäre. Die Gewährung einer Steuererleichterung verfolgt zwei Ziele: Einerseits soll der direkte Grundbesitz der Immobilienanlagefonds mit der Möglichkeit, die Grundstücke am Ort der gelegenen Sache zu besteuern, gefördert werden. Andererseits soll der direkte Grundbesitz gefördert werden, indem die Auflösung von Immobiliengesellschaften, deren Bestehen wirtschaftlich und rechtlich keinen Grund mehr hat, erleichtert wird. Als zusätzlichen Anreiz ermässigen ­ in unterschiedlichem Ausmass ­ gewisse Kantone ihre Handänderungsabgaben.

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112.3

Die Folgen der Förderung des direkten Grundbesitzes der Immobilienanlagefonds

Seitens der Immobilienanlagefonds zeitigte die seit 1966 bestehende Möglichkeit des direkten Grundbesitzes wenig Erfolg. Ein direkter Grundbesitz kam nur in Frage, wenn sich eine diesbezügliche Kaufgelegenheit bot. Neue und alte Beteiligungen an Immobiliengesellschaften wurden kaum in direkten Grundbesitz umgewandelt.

Hinderlich hiezu waren in erster Linie die direkten Steuern auf der Ebene der Gesellschaft (Liquidationsgewinne) und die indirekten Steuern (u. a. Handänderungssteuern). Die Liquidation einer Immobiliengesellschaft löst bei den direkten Steuern von Bund und Kanton die Liquidationssteuer aus. Über die zum Teil sehr hohen stillen Reserven auf Immobilien ist steuerlich abzurechnen. Die Kantone (z. T. die Gemeinden) erheben zudem beim Handwechsel von Immobilien Handänderungsabgaben. Obwohl der direkte Grundbesitz steuerlich grundsätzlich günstiger war, konnte der Mittelabfluss an direkten und indirekten Steuern anlässlich der Liquidation später kaum innert nützlicher Zeit über eine höhere Rendite der Objekte aufgefangen werden.

Seit dem Inkrafttreten des DBG wird der steuerbare Gewinn der Anlagefonds mit direktem Grundbesitz mit dem Steuertarif für natürliche Personen erfasst. Diese hohe Steuerbelastung hindert die Immobilienanlagefonds, ihre Immobilien in direkten Grundbesitz zu überführen. Dementsprechend zeitigte die vom Gesetzgeber beschlossene Förderung der Liquidation von Immobiliengesellschaften im Bereich der Anlagefonds keinen Erfolg. Im Gegenteil, die Immobilienanlagefonds weichen der steuerlichen Belastung aus, indem sie ihre bis anhin im direkten Besitz gehaltenen Immobilien auf Immobiliengesellschaften übertragen.

112.4

Die Folgen der Förderung der Liquidation der Immobiliengesellschaften

Mehrere Kantone haben die von der Eidgenossenschaft erlassenen Regeln zur Förderung von Liquidationen der Immobiliengesellschaften unterstützt, indem sie analoge Herabsetzungen der kantonalen und kommunalen Steuerbelastungen vorsehen.

Diese zeitlich meist beschränkten Regeln haben zum Ziel, die Anzahl Immobiliengesellschaften, welche ihre Grundstücke in der Regel einer beschränkten Anzahl Aktionäre zur Verfügung stellen, zu vermindern und gleichzeitig auch den Direktbesitz an Wohneigentum zu fördern. Diese Kantone haben die Bedingungen zur Steuerermässigung bei den Gesellschaften und ihren Aktionären den Bedingungen angepasst, welche für die direkte Bundessteuer Geltung haben.

Die Statistiken einzelner Kantone erlauben die Feststellung, dass die Massnahmen zur erleichterten Liquidation von Immobiliengesellschaften einen beachtlichen Erfolg verzeichnet haben. Ende des Jahres 1998 waren in den Kantonen Genf und Waadt ungefähr 1300 Immobiliengesellschaften bereits liquidiert; für mehr als 1500 Gesellschaften ist die Liquidation im Gang, und 2500 Fälle sind durch die Steuerbehörden geprüft worden.

Die Eigenart der Mieter-Aktiengesellschaften besteht darin, dass mit dem Anteil am Aktienkapital ein entsprechender Nutzen an einer bestimmten Wohnung statutarisch verbrieft ist. Diese Form des indirekten Eigentums an einer Wohnung wurde vor al-

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lem in der französischsprachigen Schweiz vor der Wiedereinführung des Stockwerkeigentums im Zivilgesetzbuch (ZGB; SR 210) im Jahre 1965 entwickelt.

Die Bedingung der totalen Liquidation der Immobiliengesellschaft, um in den Genuss der Artikel 207 DBG und der analogen kantonalen Bestimmungen zu gelangen, und die offensichtliche Schwierigkeit, die nötige Stimmenmehrheit zu erlangen, verunmöglichten in vielen Fällen die Liquidation von Mieter-Aktiengesellschaften.

Die betroffenen Vertreter und die Steuerbehörden suchten vergeblich nach technischen Möglichkeiten. Viele Mieter-Aktionäre müssen gezwungenermassen ihre jetzige Form des indirekten Grundbesitzes beibehalten. Die in der Folge noch erläuterte Motion Saudan verlangt ausdrücklich, dass dieser Zustand behoben werden soll.

12

Parlamentarische Vorstösse

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Parlamentarischer Vorstoss «Immobilienfonds und Direkte Bundessteuer»

Am 18. März 1996 reichte die Liberale Fraktion eine Interpellation (96.3079) «Immobilienfonds und Direkte Bundessteuer» ein. Die Interpellantin stellte dem Bundesrat verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Besteuerung von Anlagefonds mit direktem Grundbesitz. Sie sprach konkret von einer Gefährdung dieser Fonds in ihrer Existenz. Sie kritisierte die zu hohe Steuerbelastung von 11,5 Prozent nach dem Tarif der natürlichen Personen. Folge davon sei, dass das Prinzip der Steuerprogression nach der Höhe des Einkommens durchbrochen werde. Natürliche Personen mit bescheidenem Einkommen würden als Anteilseigner besonders schwer betroffen. Für juristische Personen übersteige die Belastung von 11,5 Prozent den festgelegten Steuersatz. In seiner Antwort hielt der Bundesrat fest, dass auf Grund der in der Zwischenzeit gemachten Erfahrungen abzuklären sei, ob es allenfalls sachgerechter wäre, die Gewinnsteuer der Anlagefonds mit direktem Grundbesitz nicht nach dem Tarif der Einkommenssteuer, sondern nach dem Tarif für die «übrigen juristischen Personen» zu bemessen. Die Interpellantin war von der Antwort des Bundesrats befriedigt.

122

Motion Saudan «Liquidation von Immobiliengesellschaften mit Mieteraktionären» (96.3336)

122.1

Inhalt

Frau Ständerätin Saudan reichte am 20. Juni 1996 eine Motion «Liquidation von Immobiliengesellschaften mit Mieter-Aktionären» ein.

Die Vorschrift von Artikel 207 DBG sei durch eine zusätzliche Bestimmung zu erweitern, die Folgendes vorsieht: Die Übertragung einer Wohnung von einer Immobiliengesellschaft auf einen Mieter-Aktionär oder eine Mieter-Aktionärin ist einer Teilliquidation gleichzustellen. Die Steuerermässigungen nach diesem Artikel gelten ebenfalls.

Wie bereits dargelegt, macht Artikel 207 DBG die Steuerermässigung aber davon abhängig, dass die fragliche Immobiliengesellschaft liquidiert und im Handelsregister gelöscht wird. Die Motion zielt darauf ab, diese Gesetzesbestimmung zu 5971

Gunsten von Mieter-Aktiengesellschaften und ihren kaufwilligen Aktionären zu erweitern. Danach sollen auch blosse Teilliquidationen von Immobiliengesellschaften steuerlich privilegiert werden. Namentlich soll die Steuerermässigung selbst dann gewährt werden, wenn eine Immobiliengesellschaft nur einzelne Stockwerkeinheiten an ihre (Mieter-)Aktionäre verkauft und mit dem Restbestand an Stockwerkeinheiten weiter besteht.

122.2

Begründung des Begehrens

Die zeitlich befristete Steuerermässigung nach Artikel 207 DBG gilt für alle Immobiliengesellschaften. Im Zuge dieser Förderung haben auch personenbezogene Immobiliengesellschaften diesen Vorteil in Anspruch genommen. Die Motionärin erwähnt die Statistik des Kantons Genf per 31. März 1996. Danach hatte die kantonale Steuerbehörde bereits 580 Bewilligungen zur Löschung von Immobiliengesellschaften erteilt. Der Übernahmewert der betroffenen Immobilien entspricht einem Preis von rund 2,5 Milliarden Franken. Darunter befanden sich keine MieterAktiengesellschaften. Grund für diese massive Liquidationswelle von personenbezogenen Immobiliengesellschaften ist einzig die Steuerermässigung. Diese erlaubt es den Aktionären, ihre über eine juristische Person gehaltenen Grundstücke mit einer massiv reduzierten Steuerbelastung in ihr Privat- oder Geschäftsvermögen zu überführen. Bei den liquidierten personenbezogenen Immobiliengesellschaften machen jene, die lediglich ein Einfamilienhaus oder ein einzelnes Stockwerkeigentum als Eigentum haben, den weitaus grössten Anteil aus. Einerseits entledigen sich die Aktionäre des Nachteils der wirtschaftlichen Doppelbelastung und andererseits entlasten sie sich von unnötigen finanziellen und administrativen Aufwendungen, die mit einer Aktiengesellschaft einhergehen. Störend wirkt aus der Sicht der Motionärin, dass Aktionäre einer Immobiliengesellschaft mit einem Mehrfamilienhaus, in welchem ihnen ein Recht auf eine Wohnung zusteht, ihre Wohnung nicht als Stockwerkeinheit übernehmen können. Dieses Begehren der Aktionäre scheitert am Umstand, dass sich Immobiliengesellschaften mit einer Vielzahl von Mieter-Aktionären aus aktienrechtlichen und aus statutarischen Gründen kaum liquidieren lassen, weil nach wie vor eine Minderheit von Aktionären dies zu verhindern vermag. Die Motionärin möchte den kaufwilligen Aktionären die Möglichkeit geben, ihre «Mietwohnung» als Stockwerkeinheit zu besitzen. Aus finanziellen Gründen seien diese Überführungen nur mit einer Steuerermässigung, wie sie in Artikel 207 DBG vorgesehen ist, möglich.

122.3

Beratungen im Parlament

Der Ständerat (Erstrat) hat am 19. März 1997 die Motion Saudan (96.3336) angenommen (AB 1997 S 304). Der Nationalrat hat die Motion am 19. Dezember 1997 (AB N 2815) ebenfalls überwiesen. Das Parlament gab dem Antrag des Bundesrates, die Motion in ein Postulat umzuwandeln, keine Folge. Frau Ständerätin Saudan erklärte in ihrer Stellungnahme im Ständerat, dass es für die Mittelklasse des Kantons Genf in der Zeit, in der das ZGB das Stockwerkeigentum nicht kannte, kaum eine andere Möglichkeit gab, als Aktien einer Mieter-Aktiengesellschaft zu kaufen, um in den Besitz einer Wohnung zu gelangen. Zudem sei es nun an der Zeit, nicht nur den von institutionellen Anlegern und von Anlagefonds beherrschten Immobiliengesell5972

schaften eine Steuerermässigung für die Liquidation einzuräumen, sondern auch den Tausenden von Mieter-Aktionären, damit diese ihre Wohnung als Stockwerkeigentümer übernehmen können.

122.4

Abschreibung des parlamentarischen Vorstosses

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen tragen den parlamentarischen Begehren Rechnung, da sie einerseits die Teil- oder Totalliquidation von MieterAktiengesellschaften erleichtern und andererseits eine vorteilhaftere Besteuerung von Anlagefonds mit direktem Grundbesitz vorsehen.

13

Vernehmlassungsverfahren

Die grosse Mehrheit der Kantone unterstützen die zur Förderung und Erleichterung der Teil- oder Totalliquidation von Mieter-Aktiengesellschaften vorgeschlagenen Massnahmen, auch wenn nur wenige von ihnen (vor allem die Kantone Waadt und Genf) mit Artikel 207 DBG vergleichbare Bestimmungen im kantonalen Recht vorsehen wollen. Während die Zustimmung zu den revidierten Vorschriften betreffend die direkte Besteuerung der Anlagefonds beinahe einstimmig ist, begrüssen sämtliche Kantone die Änderung des Verrechnungssteuergesetzes.

Die Immobilienkreise sowie die Vertreter der Anlagefonds unterstützen die vorgeschlagenen Massnahmen ohne Vorbehalt.

2

Besonderer Teil

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Übersicht der Änderungsvorhaben

Der Bundesrat legt die vier folgenden Änderungen der steuerlichen Gesetzgebung vor: 1.

In Befolgung der Motion Saudan soll die steuerliche Begünstigung auch für die Überführung von Wohnungen von Mieter-Aktiengesellschaften auf ihre Aktionäre Geltung haben. Zu diesem Zweck ist die Ermässigung, wie sie bereits in Artikel 207 DBG festgehalten ist, zu gewähren. Die Steuerermässigung kann jedoch nicht an die Bedingung der Liquidation und der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister gebunden werden. Die Steuerermässigung soll zeitlich ebenfalls befristet sein. Zu diesem Zweck soll die Frist, innerhalb welcher die Steuerbegünstigung gewährt wird, auf zwei Jahre festgesetzt werden.

2.

Mit der zweiten Änderung soll die Frist zur steuerlich begünstigten Liquidation von Immobiliengesellschaften im Besitz von Immobilienanlagefonds um zwei Jahre verlängert werden. Wie bisher, hat diese Massnahme auch für die anderen Immobiliengesellschaften Geltung.

3.

Die dritte Änderung besteht darin, die Anlagefonds mit direktem Grundbesitz neu dem Gewinnsteuertarif von 4,25 Prozent zu unterstellen. Dieser Tarif entspricht demjenigen der Vereine, Stiftungen und übrigen juristischen Personen.

5973

4.

Mit der vierten Änderung soll die Kohärenz zwischen den Bestimmungen im Bereich der direkten Steuern und der Verrechnungssteuer hergestellt werden. Die Belastung des Ertrages aus direktem Grundbesitz des Anlagefonds mit der Verrechnungssteuer hat insofern keine Berechtigung mehr, als dieser Ertrag aus unbeweglichem Vermögen, dem Grundsatz der interkantonalen und internationalen Verhältnisse folgend, am Ort der gelegenen Sache besteuert wird.

22

Kommentar zu den geänderten gesetzlichen Bestimmungen

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Kommentar zu den Artikeln 49 Absatz 2, 72 und 207 Absatz 3 DBG sowie Artikel 5 VStG

Die Änderung des zweiten Absatzes des Artikels 49 Absatz 2 DBG ist rein formeller Natur.

Die Reingewinne aus Grundstücken im direkten Grundbesitz führen bei den Anlagefonds unter Anwendung des Tarifs für natürliche Personen (Art. 72 DBG) zu einer höheren Steuerbelastung, als dies bei Anwendung des Grundsatzes der Transparenz der Fall wäre. Zudem muss auch der mit der Unternehmenssteuerreform 1997 eingeführte neue Steuertarif für juristische Personen mit berücksichtigt werden. Die heutigen Bestimmungen halten die Immobilienanlagefonds davon ab, ihre Grundstücke im direkten Grundbesitz zu halten. Der Gesetzesentwurf sieht deshalb vor, diese unbefriedigende Situation zu korrigieren, indem für den Gewinn von Immobilienanlagefonds der für Vereine, Stiftungen und übrige juristische Personen geltende Gewinnsteuersatz Anwendung finden soll. Der Reingewinn aus Grundstücken im direkten Grundbesitz würde demnach vom maximalen Steuersatz von 11,5 Prozent (progressiver Einkommenssteuersatz) auf 4,25 Prozent (proportionaler Gewinnsteuersatz) herabgesetzt. Das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden wurde, infolge der Tariffreiheit der Kantone, in diesem Punkt nicht revidiert.

Diese tarifarische Massnahme wird jedoch nur Erfolg haben, wenn die den Anlagefonds gewährte Frist, um ihre zurzeit noch über Immobiliengesellschaften gehaltenen Immobilien in den direkten Grundbesitz zu überführen, verlängert wird. Es wird vorgeschlagen, die Frist in Artikel 207 Absatz 3 DBG um zwei Jahre zu verlängern.

Wie bis anhin wird es Sache der betroffenen Kantone sein, für ihre Steuergesetze die Zweckmässigkeit der Verlängerung der Frist einer steuerbegünstigten Liquidation von Immobiliengesellschaften von Anlagefonds zu überprüfen.

Die Ablieferung der Verrechnungssteuer rechtfertigt sich nur auf dem Teil der Ausschüttung, der den Ertrag aus direktem Grundbesitz übersteigt. Diesbezüglich geht es darum, zwischen den direkten Steuern des Bundes und der Kantone und der Verrechnungssteuer die Konkordanz sicherzustellen. In diesem Sinne soll Artikel 5 VStG geändert werden.

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Kommentar zum neuen Artikel 207 Absatz 4 DBG

Der vorgeschlagene Gesetzeswortlaut der Motion von Frau Ständerätin Saudan spricht vom Übertrag einer «Wohnung» auf die Aktionärin oder den Aktionär. Dem 5974

Sinn der Motion entsprechend sollen die Mieter-Aktionäre ihre Wohnungen als Stockwerkeinheit erwerben können. Der Vorstoss der Motionärin vertritt unverkennbar den sozialpolitischen Standpunkt, den Mieter-Aktionären nun die Gelegenheit zu geben, zu finanziell tragbaren Kosten ihr bisheriges wirtschaftliches Grundeigentum als rechtlich selbstständiges Grundstück besitzen zu können.

Die den Mieter-Aktiengesellschaften gewährte steuerliche Begünstigung für eine erleichterte Liquidation muss zeitlich begrenzt sein. Wie oben dargelegt, soll die Frist des Artikels 207 Absatz 3 DBG um zwei Jahre verlängert werden, indem die Frist neu Ende Dezember 2001 endet. Im Sinne der Gleichbehandlung soll die Frist für die steuerbegünstigte Liquidation von Mieter-Aktiengesellschaften am selben Tag enden. Die Liquidation von Mieter-Aktiengesellschaften betrifft eine grosse Anzahl von Mieter-Aktionären. Dementsprechend muss ihnen genügend Zeit zur Verfügung stehen.

Wie bereits weiter vorne erläutert, soll für Mieter-Aktiengesellschaften nicht die Liquidation der Gesellschaft als Bedingung für eine Steuerermässigung gelten. Bei der Mieter-Aktiengesellschaft müssen, indem den besonderen Umständen Rechnung getragen wird, zwei Bedingungen erfüllt werden: Einerseits muss die Gesellschaft die Beteiligungsrechte, die Anrecht auf eine Wohnung vermitteln, zurücknehmen und andererseits muss der Aktionär die von ihm bewohnte Wohnung als Stockwerkeinheit zu Eigentum übernehmen.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die beantragte Gesetzesänderung führt in der vorgesehenen Übergangsfrist einerseist mit Sicherheit zu Steuereinnahmen. Auf Grund der 75-prozentigen Ermässigung wird aber andererseits auf ein potentielles Steuersubstrat endgültig verzichtet.

Da dessen Umfang aus heutiger Sicht nicht abschätzbar ist, lassen sich auch die mittel- und längerfristigen Steuerausfälle nicht schätzen. Der Kanton Genf hat per Ende 1998, im Rahmen der Liquidation von Immobiliengesellschaften, 37 Millionen Franken an direkter Bundessteuer vereinnahmt.

Die durch Artikel 207 Absatz 4 DBG und durch die Verlängerung der Frist verursachte Mehrarbeit fällt in erster Linie bei den kantonalen Steuerverwaltungen an.

Die besonders betroffenen Kantone Genf und Waadt unterstützen die beantragte Vorlage. Diese Kantone haben bereits seit 1995 die nötigen Strukturen für die Bewältigung der Gesuche geschaffen. Seitens der Eidgenössischen Steuerverwaltung ist mit einer Zunahme der Arbeit im Bereich der Verrechnungssteuer zu rechnen.

Die Erhebung wird in den meisten Fällen mit dem nach Artikel 20 VStG vorgesehenen Meldeverfahren erledigt werden können. Die bereits eingespielte gute Zusammenarbeit und die vorgenommene Arbeitsteilung zwischen den Kantonen und der Eidgenössischen Steuerverwaltung (insb. die Bewertung der Gebäude) wird den zusätzlichen Aufwand in verkraftbaren Grenzen halten.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1995­1999 nicht angekündigt. Ihre sofortige Annahme erlaubt die Fortführung der im Jahre 1995 für fünf Jahre getroffenen Massnahmen.

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Verhältnis zum europäischen Recht

Die vorgeschlagene Änderung ist im Hinblick auf das Verhältnis zum europäischen Recht unbedenklich.

6

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 41ter BV, der dem Bund die Befugnis zur Erhebung einer direkten Bundessteuer gibt.

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