Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens vom 5. Oktober 1999

Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung hat an den Plenarsitzungen vom 20. Mai und vom 13. Juli 1999 gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0); Artikel 1, 3 Absatz 1, 9 Absatz 5, 10 und 11 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG, SR 235.154); in Sachen Kantonsspital Basel (Universitätskliniken) betreffend Gesuch vom 24. März 1998 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens verfügt:

1. Bewilligungsnehmer Dem Kantonsspital Basel wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 und Artikel 11 VOBG erteilt.

Der für das Kantonsspital Basel Verantwortliche in bezug auf eine einheitliche medizinische Versorgung ist der medizinische Koordinator Prof. Dr. med. Mihatsch.

Durch die Bewilligung wird dem mit betriebsinterner Forschung betrauten Personal des Kantonsspitals Basel sowie den Doktoranden und Doktorandinnen gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Daten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Datenanleger dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten Kantonsspitals Basel. Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten anderer Spitäler oder medizinische Institute angewiesen sein, oder soll externen Forschergruppen Einblick in nicht anonymisierte Daten des Kantonsspitals gewährt werden, ist der Kommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

2. Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, in den spitalinternen Datenbanken und Papierdateien die für betriebsinterne Forschungsprojekte relevanten Daten einzusehen.

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3. Bedingungen Wenn die Einwilligung der Patienten und Patientinnen zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne, dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, so dürfen die Daten nicht gestützt auf dieses Gesuch zu Forschungszwecken verwendet werden.

Es dürfen nur dann nicht anonymisierte Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Die Patienten und Patientinnen sind darüber aufzuklären, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Daten, deren Weitergabe untersagt wurde, dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.

Der verantwortliche ärztliche Koordinator hat den Schutz der Daten und die Befolgung allfällig erhobener Verwendungsverbote sicherzustellen.

4. Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten a.

Das Kantonsspital Basel ist befugt, folgende Datenbanken und Dateien für Forschungszwecke zu führen: Informatisierte Datenbanken: Patientenliste (Papier) über Datenbank der Memoryklinik (Geriatrie); Doppler Datenbank (Neurologie); Dermatologisches Bildarchiv (Dermatologie); ca. 15 Datenbanken (Pathologie); System ISO (Anästhesie); System Bols (Zentrallabor); AO-Dokumentation Chirurgie; Mac Database (Kardiologie); Bildarchiv Kardiologie (Kardiologie); SEMA 2000 (EKG-Netzwerk); KG-Archiv (Kardiologie); System Summimt (Kardiologie); System Diohis (Controlling); CAS (HNO); System Infekt (Direktion, Spitalhygiene); System Ris (Radiologie); Daten zur Familienstudie (Departement Forschung, Humangenetik), PSYCHODB (Psychosomatik); EDMUS (Neurologie); Datenbank HELLA (Hämatologie und Isolierstation); NASOR (Chirurgie, Frauenklinik); HNO-Datenkbank (HNO).

Papierdossiers: Krankengeschichten

b.

Zu Forschungszwecken dürfen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kantonsspitals Basel sowie die Doktorandinnen und Doktoranden mit Einwilligung des jeweiligen Chefarztes oder der jeweiligen Chefärztin oder eines leitenden Arztes oder einer leitenden Ärztin auf neues Datenmaterial Zugriff nehmen. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff die Einwilligung des Chefarztes oder der Chefärztin einzuholen.

5. Dauer der Datenaufbewahrung Eine Befristung der Aufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der Daten des Forschungsprojektes hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

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6. Massnahmen für die Anonymisierung Die den Dateien des Spitals entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

7. Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen eine Identifizierung der registrierten Personen nicht möglich ist.

8. Auflagen a.

Für jedes Forschungsprojekt hat der Gesuchsteller eine «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission einzuholen. Sie hat neben der ethischen auch die datenschutzmässige Konformität des jeweiligen Forschungsprojektes zu bestätigen. Die Unbedenklichkeitserklärung ist zusätzlich vom medizinischen Koordinator zu visieren. Wird diese Erklärung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die Klinikbewilligung durchgeführt werden; das Einholen einer Sonderbewilligung bleibt diesfalls aber vorbehalten.

b.

Personendaten müssen durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten geschützt werden. Der Bewilligungsnehmer richtet sich dabei an den vom Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten herausgegebenen Leitfaden zu den technischen und organisatorischen Massnahmen des Datenschutzes. Es ist insbesondere folgendes zu beachten: ­ Die nicht anonymisierten Personendaten, d.h. die EDV-Datensammlungen, die Krankengeschichten und die Patientenkarteien sind unter Verschluss zu halten; ­ der Zugriff auf die EDV-Datenbanken ist mit einem persönlichen Passwort zu sichern; ­ jede zugriffsberechtigte Person muss über ein Passwort verfügen, welches diese geheimzuhalten hat und ­ jeder Zugriff auf die personenbezogenen nicht anonymisierten Datenbanken auf den vernetzten EDV-Rechnern ist automatisch zu registrieren, es sei denn, es könnte auf andere Weise nachträglich festgestellt werden, ob Daten für denjenigen Zweck bearbeitet wurden, für den sie bekanntgegeben wurden.

c.

Die Krankengeschichten und die EDV-Datensammlungen müssen einen Vermerk über die allfällig erfolgte Weigerung der Datenverwendung zu Forschungszwecken enthalten.

d.

Das Kantonsspital Basel hat die einzelnen betriebsinternen Forschungsprojekte sofort zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Diese Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens;

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­ ­ ­ ­ e.

die (vermutete) Grösse des Kollektivs, die Einschlusskriterien und den Forschungszweck; den verantwortlichen Projektleiter; die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten nehmen dürfen; für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkom-mission gemäss litera a.

Das Kantonsspital Basel hat ein Zugriffsregelement zu erstellen und dieses dem Sekretariat zu Handen des Kommissionspräsidenten zuzustellen.

Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Forschungszwecken Zugriff auf die EDVDatensammlungen mit nicht anonymisierten, personenbezogenen Daten sowie auf die Krankengeschichten und Patientenkarteien für besondere Vorkommnisse haben. Personen, die Forschung betreiben, aber über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf die nicht anonymisierten Daten zu verweigern. Insbesondere dürfen anderen Spitälern, externen Instituten oder externen Forschergruppen nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

Diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche zugriffsberechtigt sind, haben die beiliegende Erklärung betreffend die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht zu unterzeichnen und zu Handen der Expertenkommission in der Klinik aufzubewahren.

9. Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft erteilt.

In folgenden Fällen muss vor Ablauf der Bewilligungsdauer ein neues, ergänzendes Gesuch gestellt werden: ­

Wechsel des ärztlichen Koordinators

­

Wechsel des Vorsitzenden der Ethikkommission

­

Wechsel des juristischen Beraters in der Ethikkommission

­

Änderung der Verwaltungs- oder Organisationsstruktur des Spitals

­

Änderung der Datenverwaltung

­

Änderung des Zugriffsreglements

­

Einführung neuer Datenbanken

10. Frist für Auflagenerfüllung Dem Kantonsspital Basel wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 8 Buchstaben b-e eine Frist von 6 Monaten seit Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

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11. Strafbarkeit Wer gemäss Artikel 321bis StGB ein Berufsgeheimnis unbefugterweise offenbart, das er durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens erfahren hat, wird nach Artikel 321 StGB bestraft.

12. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44ff. des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung resp. Publikation bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach 5951, 3001 Bern, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Eingabe ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten.

13. Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem Kantonsspital Basel und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt.

Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (031/322 94 94) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

5. Oktober 1999

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Prof. Dr. iur. Franz Werro

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