Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung vom 13. Juli 1999

Das Eidgenössische Departement des Innern, gestützt auf Artikel 8 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19971 und in Ausführung der Artikel 22 und 30 Absatz 2 Buchstabe k der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 19982, erlässt folgende Weisungen:

Art. 1

Geltungsbereich

1

Diese Weisungen regeln die Aktenführung der Verwaltungseinheiten der zentralen Bundesverwaltung, der Formationen der Armee und der schweizerischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen im Ausland.

2

Über die Unterstellung der Aktenführung von Verwaltungseinheiten der dezentralen Bundesverwaltung sowie weiterer mit der Erfüllung von Bundesaufgaben betrauter Stellen oder Personen entscheidet das EDI im Einzelfall nach Massgabe seiner Aufsichtspflicht.

Art. 2

Zweck der Aktenführung

1

Die Aktenführung unterstützt die Geschäftsbearbeitung und sichert ein nachvollziehbares und transparentes Verwaltungshandeln.

2

Sie ermöglicht der Verwaltung, a.

in laufenden Geschäften die Übersicht zu wahren und die Koordination zu gewährleisten (Informations-Management);

b.

sich selbst und dem Bundesrat Rechenschaft abzulegen (Planung, Controlling, Aufsicht);

c.

Dritten (z.B. Akteneinsichtsrecht der Betroffenen) oder dem Parlament Rechenschaft über ihre geschäftlichen Aktivitäten abzulegen.

3

Die Aktenführung bildet die Voraussetzung für die rationelle Langzeitarchivierung von archivwürdigen Unterlagen des Bundes.

1 2

SR 172.010 SR 172.010.1

5428

1999-4605

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

Art. 3 1

Begriffe

Unterlagen

Unterlagen sind alle geschäftsrelevanten Informationen, unabhängig vom Informationsträger, welche bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Bundes erstellt oder empfangen werden. Dazu gehören auch alle Hilfsmittel und ergänzenden Daten (z.B.

Metainformationen, Historisierungsdaten), die für das Verständnis dieser Informationen und deren Nutzung notwendig sind.

2

Ordnungssystem

Das Ordnungssystem (z.B. Registraturplan, Aktenplan, Strukturplan) bildet alle Aufgaben einer Verwaltungseinheit ab und verschafft damit einen Überblick über deren Aufgabenbereiche. Es stellt die Grundlage dar für die Ablage der Unterlagen bzw. die Dossierbildung.

3

Geschäft

Die Bearbeitung der Amtsaufgaben erfolgt in Form von Geschäften. Das einzelne Geschäft umfasst den Geschäftsprozess (z.B. Steuerung, Bearbeitung) und die dazugehörenden Unterlagen sowie deren Eingliederung in das dafür vorgesehene Ordnungssystem.

4

Dossier

Als Dossier gilt die Gesamtheit (Kollektiv) der Unterlagen zu einem Geschäft.

Grundsätzlich entspricht ein Dossier einem Geschäft. Durch Zusammenfassen artverwandter Geschäfte bzw. durch Aufteilung von Dossiers in Unterdossiers kann diese Grundstruktur aber den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. Die Dossierbildung erfolgt auf der Grundlage des Ordnungssystems.

Art. 4

Grundsätze zur Aktenführung

1

Die Geschäftstätigkeit der Verwaltungseinheiten stützt sich unter anderem auf die ordnungsgemässe Aktenführung. Diese besteht aus der systematischen Aufzeichnung des Geschäftsprozesses (Aktenbildung) sowie der Verwaltung der dabei entstehenden Unterlagen.

2 Die Unterlagen müssen vollständig und verlässlich sein. Die Gesamtheit der während der Laufzeit eines Geschäfts registrierten Unterlagen und die Prozessinformationen erlauben es, die Geschäftstätigkeit zuverlässig nachzuweisen.

3

Alle mit der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben des Bundes betrauten Personen sind zur ordnungsgemässen Aktenführung verpflichtet.

5429

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

Art. 5 1

Organisation der Aktenführung

Die Aktenführung stützt sich auf ein umfassendes Ordnungssystem.

2

Die Leitung der Verwaltungseinheit ist verantwortlich für die Organisation der Aktenführung und den Erlass der dazu notwendigen internen Organisationsvorschriften.

3

Organisationsvorschriften regeln in jeder Verwaltungseinheit verbindlich Aufgaben, Zuständigkeiten, Verfahren und Mittel. Sie müssen sicherstellen, dass die in den Anhängen I und II definierten Mindestanforderungen erfüllt werden.

Art. 6

Informationsträger und technische Mittel

1

Die Erstellung der Unterlagen erfolgt mittels gebräuchlicher, archivtauglicher Aufzeichnungsmedien. Die Anforderungen dieser Weisungen sowie die spezialgesetzlichen Regelungen müssen mitberücksichtigt werden.

2

Die eingesetzten technischen Mittel müssen: a.

mit den technischen Standards der Bundesverwaltung konform sein, insbesondere im Bereich der Büroautomation;

b.

den gültigen Sicherheitsanforderungen genügen, insbesondere im Bereich der Informatiksicherheit und des Datenschutzes.

3

Bei der Einführung von neuen technischen Mitteln muss die Verwendung und Archivierung von Unterlagen aus den abgelösten Systemen gewährleistet bleiben.

4

Unterlagen, die mit Hilfe von kryptografischen Verfahren gesichert wurden, müssen innert nützlicher Frist und mit vertretbarem Aufwand verwendbar gemacht werden können.

Art. 7

Archivierung

Die nicht mehr ständig benötigten Unterlagen müssen dem Bundesarchiv angeboten werden. Die Anbietepflicht tritt spätestens dann ein, wenn in den letzten zehn Jahren kein Aktenzuwachs mehr erfolgt ist.

Die Bewertung, Übernahme und Archivierung der Unterlagen richtet sich nach den Bestimmungen der Archivgesetzgebung sowie den entsprechenden Ausführungserlassen.

5430

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

Art. 8 1

Schlussbestimmungen

Das Bundesarchiv berät die Verwaltungseinheiten bei der Aktenführung.

2

Das Bundesarchiv koordiniert und kontrolliert die Umsetzung dieser Weisungen im gesamten Geltungsbereich und ist befugt, den aktenführenden Stellen Auflagen zu machen, wenn diese zur Erfüllung der Aktenführungspflicht notwendig sind.

3

Diese Weisungen treten am 1. August 1999 in Kraft.

13. Juli 1999

Eidgenössisches Departement des Innern

Anhang I:

Funktionale Mindestanforderungen für die Aktenführung

Anhang II:

Objektbezogene Mindestanforderungen für die Aktenführung 5431

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

Anhang I

Funktionale Mindestanforderungen an die Aktenführung 1

Administration der Aktenführung

1.1

Organisationsvorschriften

Organisationsvorschriften müssen den Aufbau und den Ablauf der Aktenführung verbindlich regeln (Aufgaben, Zuständigkeiten, Verfahren und Mittel). Sie müssen von der zuständigen Fachstelle laufend nachgeführt und regelmässig auf ihre Einhaltung hin überprüft werden.

1.2

Zugriffs- und Bearbeitungsrechte

Die Zugriffs- und Bearbeitungsrechte müssen klar geregelt sein inbezug auf die Dossiers bzw. die Unterlagen und die Metainformationen. Als Metainformationen gelten die beschreibenden Merkmale zu Ordnungssystem, Dossiers und Unterlagen.

1.3

Schutz und Sicherheit der Unterlagen

Die Dossiers und Unterlagen müssen mit organisatorischen, technischen und baulichen Massnahmen vor unautorisierter und unprotokollierter Veränderung sowie Verlust geschützt werden.

1.4

Aufbewahrung der Unterlagen

Die Unterlagen müssen so aufbewahrt werden, dass sie während ihres gesamten Lebenszyklus jederzeit bei Bedarf zur Verfügung stehen. Der Lebenszyklus umfasst das Erstellen bzw. Empfangen, die Registrierung und Ablage sowie die Archivierung der Unterlagen.

Den konventionellen und elektronischen Dossiers sind eindeutige Ablagestandorte zuzuweisen. Abweichungen von diesen Standorten müssen nachgewiesen werden.

Ablagestandorte können sein: Zentral-, Abteilungs-, Sektions-, Gruppen- und Arbeitsplatzablagen.

1.5

Ordnungssystem

Das Ordnungssystem muss nach dem Aufgabenprinzip aufgebaut sein und alle Aufgaben der Verwaltungseinheit umfassen. Es muss angemessen detailliert und ausbaufähig sein sowie eine einheitliche Systematik aufweisen.

5432

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

1.6

Dossierbildung

Die Unterlagen (konventionell oder elektronisch) sind in Dossiers abzulegen. Alle Dossiers müssen dem übergeordneten Ordnungssystem eindeutig zugeordnet sein.

Bei Bedarf können die Dossiers weiter unterteilt werden (z.B. in Unterdossiers).

Organisatorische und technische Massnahmen müssen sicherstellen, dass die geschäftsrelevanten Unterlagen eindeutig zugeordnet und nur einmal registriert werden. Die Zuständigkeiten für die Eröffnung und den Abschluss der Dossiers müssen entsprechend klar geregelt werden.

Auch Geschäfte, für die sowohl konventionelle als auch elektronische Unterlagen bestehen (Mischablage), sind vollständig zu dokumentieren. Dies ist mit geeigneten, organisatorischen und technischen Massnahmen sicherzustellen (z.B. elektronische Inhaltsverzeichnisse, gegenseitige Querverweise).

2

Aktenbildung

Die Geschäftstätigkeit beruht auf dem Prinzip der Schriftlichkeit und findet ihren Niederschlag in der systematischen Aktenbildung. Die Aktenbildung basiert auf den Elementen: a.

Erstellen und Empfangen von Unterlagen;

b.

Registrieren der geschäftsrelevanten Unterlagen.

Die Aktenbildung unterstützt die Geschäftsbearbeitung und gewährleistet die Nachvollziehbarkeit der Geschäfte.

Die Aufzeichnung der Geschäftstätigkeit geschieht durch das Erstellen, Empfangen und Registrieren von Unterlagen.

2.1

Unterlagen erstellen und empfangen

Unterlagen erstellen heisst: a.

Aktivitäten in ihrem Handlungskontext aufzeichnen (z.B. Berichte, Protokolle und Verfügungen verfassen);

b.

den Dossiers Informationen beifügen (z.B. Anmerkungen);

c.

bestehende, registrierte Unterlagen bearbeiten (z.B. neue Versionen generieren).

Unterlagen empfangen heisst: Briefpost, Fax und E-Mail usw. in den Geschäftsprozess integrieren.

5433

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

2.2

Unterlagen registrieren

Die erstellten und empfangenen Unterlagen müssen registriert werden. Registrieren bedeutet: a.

Unterlagen einem Geschäft zuordnen (Aktenzeichen, Registraturdatum);

b.

Unterlagen mit weiteren Metainformationen versehen (z.B. Betreff, Absender und Empfänger der Unterlage);

c.

Unterlagen ins Ordnungssystem integrieren (Amtsablage).

Bei manuellen Aktenführungssystemen kann der Arbeitsschritt nach Buchstabe b bis zur Einführung eines elektronischen Aktenführungssystems entfallen.

Die Verwaltungseinheiten können Negativlisten erstellen für Unterlagen, die nicht registriert werden müssen, weil sie für den Nachweis der Verwaltungstätigkeit nicht relevant sind (z.B. Arbeitsdokumente, die weder intern noch extern kommuniziert werden; Unterlagen, die bereits von federführenden Stellen registriert werden). Dies erlaubt eine Konzentration aufs Wesentliche. Einerseits steigt die Qualität der Aktenführung durch die Reduktion des registrierten Aktenvolumens, anderseits sinkt der Registraturaufwand. Negativlisten müssen dem Bundesarchiv zur Beurteilung unterbreitet werden.

3

Unterlagen verwenden

Für die Geschäftsbearbeitung benötigte Unterlagen müssen für autorisierte Benutzerinnen und Benutzer rasch auffindbar und in ihrem Kontext einsehbar sein.

Die Bewegungen von Unterlagen inner- und ausserhalb der Verwaltungseinheit sind zu protokollieren. Dadurch kann jederzeit der Standort der Unterlagen nachgewiesen und der Zugriff kontrolliert werden.

5434

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

Anhang II

Objektbezogene Mindestanforderungen an die Aktenführung Die untenstehenden Tabellen enthalten die wesentlichen Merkmale, welche für eine systematische Aktenführung notwendig sind. Sie beziehen sich auf die Objekte Ordnungssystem, Dossier und Unterlagen. Die genannten Merkmale müssen zwingend vorhanden sein; die Verwaltungseinheiten können je nach Bedarf weitere anfügen.

Im Rahmen der GEVER3-Ausschreibungen werden diese Merkmale verifiziert und zu einem späteren Zeitpunkt vervollständigt. Dies betrifft insbesondere die Merkmale der Unterlagen. Die Vollständigkeit dieser Merkmale ist abhängig von der weiteren technischen Entwicklung sowie den nationalen und internationalen Normen und Standards.

1 Nr.

Merkmale des Objekts Ordnungssystem Merkmal

1.1 Position

Erläuterung

Element zur Gliederung eines Ordnungssystems. Positionen haben die Eigenschaft eines Gruppentitels oder einer Rubrik.

Sie bilden die Hierarchie des Ordnungssystems ab.

Die Gruppentitel dienen für die sachliche Gliederung der Rubriken. Unter den Gruppentiteln werden keine Dossiers gebildet.

Die Rubriken stellen die unterste Stufe im Ordnungssystem dar. Sie dienen zur Bildung von Sach- oder Seriendossiers.

Bei Sachdossiers ist nur ein offenes, bei Seriendossiers sind mehrere offene Dossiers zulässig.

1.2 Positionsnummer

Numerisches oder alphanumerisches Zeichen zur Identifikation der Position des Ordnungssystems.

1.3 Positionstitel

Bezeichnung des unter der Position geführten Aufgabenbereichs bzw. der Aufgabe.

3

Geschäftsverwaltung

5435

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

2

Merkmale der Objekte Ordnungssystem und / oder Dossier

Diese Merkmale können je nach betrieblichen Bedürfnissen dem Ordnungssystem oder dem Dossier zugewiesen werden (in der Regel dem Ordnungssystem).

Nr.

Merkmal

Erläuterung

2.1 Administrative Aufbewahrungsfrist

Administrative Aufbewahrungsfrist für Dossiers. Diese Fristen bezeichnen die Zeitspanne, bis zu deren Ablauf die Unterlagen aus rechtlichen oder administrativen Gründen aufbewahrt werden müssen.

2.2 Archivierungsvermerk

Vermerk für Positionen, die nicht archivwürdige Unterlagen enthalten. Diese Unterlagen müssen dem BAR nicht zur Übernahme angeboten werden.

2.3 Kassationsdatum

Datum der Vernichtung der nicht archivwürdigen Unterlagen.

2.4 Ablagestandort

Eindeutig identifizierbarer Standort der konventionellen oder elektronischen Dossiers.

2.5 Anbietezeitpunkt

Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Unterlagen dem BAR zu Archivierung angeboten werden.

2.6 Zugriffsrechte Organisationseinheiten oder Personen, die auf die Unterlagen zugreifen dürfen.

2.7 Federführende OrganisationsEinheit

5436

Organisationseinheit, die für das Geschäft oder Teilgeschäft federführend ist.

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

3 Nr.

Merkmale des Objekts Dossier Merkmal

Erläuterung

3.1 Aktenzeichen Numerisches oder alphanumerisches Zeichen zur eindeutigen Identifikation eines Dossiers oder einer Unterlage.

Das Aktenzeichen enthält die Positionsnummer des Ordnungssystems (Sachdossier) und kann noch eine Zusatzkomponente enthalten (Seriendossier).

Zusatzkomponenten können sein: Laufnummer, Jahreszahl, natürliche oder juristische Person, geographische Bezeichnung usw.

3.2 Titel

Konkreter Titel des Geschäfts oder Teilgeschäfts.

3.3 Datum der Eröffnung

Datum, an welchem das Geschäft oder Teilgeschäft initiiert oder an welchem die erste Unterlage registriert wurde.

3.4 Datum des Abschlusses

Datum, an welchem das Geschäft oder Teilgeschäft abgeschlossen oder an welchem die letzte Unterlage registriert wurde.

5437

Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung

4

Merkmale des Objekts Unterlagen

Nr.

Merkmal

Erläuterung

4.1

Aktenzeichen4

Erläuterungen siehe Merkmale Dossier.

4.2

Registraturdatum4

Datum, an welchem die Unterlage registriert wurde.

4.3

Betreff

Beschreibung des sachlichen Gegenstandes der Unterlage.

4.4

Dokumentennummer

Eindeutige Identifikation des Dokuments im Dossier.

4.5

Dokumentendatum

Datum, an welchem die Unterlage erstellt wurde.

4.6

Übermittlungsdatum

Datum, an welchem die Unterlage weitergeleitet wurde.

4.7

Unterlagentyp

Einteilung der Unterlagen in eingehende, ausgehende oder interne.

4.8

Empfänger/in Empfänger/in der Unterlage (intern / extern).

4.9

Absender/in

Absender/in der Unterlage (intern / extern).

4.10

Autor/in

Ersteller/in der Unterlage.

4.11

Verteiler

Organisationseinheiten / Personen, die mit einer Kopie der Unterlage bedient wurden.

4.12

Beilagen

Anzahl oder Liste der Beilagen, die der Unterlage beigefügt sind.

4.13

Datei-Format Spezifizierung des Dateiformats (*.doc, *.pdf, *.xtm usw).

5

4 5

Diese Merkmale bilden den Mindeststandard für manuelle Aktenführungssysteme.

5438