99.072 Botschaft zu der Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten" vom 8. September 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit die Botschaft zu der Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten". Wir beantragen Ihnen, die Initiative Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung zu unterbreiten.

Der Entwurf zum entsprechenden Beschluss liegt bei.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. September 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10600

Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-5203

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Übersicht Die Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten" zielt auf eine Änderung von Artikel 34bis Absatz 2 der geltenden Bundesverfassung mittels Neufassung des Absatzes.

Wie ihr Titel zeigt, wird die Reduktion der Spitalkosten in der Schweiz angestrebt.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird vorgeschlagen: ­

das Obligatorium in der Krankenversicherung auf die Deckung für Spitalaufenthalte zu beschränken

­

den Versicherten die Möglichkeit eines Versicherungsabschlusses für den Spitalaufenthalt im Rahmen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung oder, unabhängig von letzerem, bei dem VAG unterstellten privaten Versicherungseinrichtungen zu geben;

­

die Kantone zu verpflichten, notwendigenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, dafür zu sorgen, dass für die Kantonseinwohner die benötigte Bettenzahl in den drei Abteilungen: Allgemein, Halb-Privat und Privat zur Verfügung steht;

­

die Versicherten von der Kostenbeteiligung zu befreien;

­

dass die Kantone von der Krankenversicherung oder vom privaten Versicherer für den Aufenthalt des Versicherten in der Allgemeinen Abteilung des Spitals pro Tag und pro Person einen Betrag von Fr. 250.­, indexiert nach dem Index der Konsumentenpreise, erhalten. Dieser Betrag umfasst alle Leistungen des Spitals (wie Operationen, Arzneimittel, Röntgenaufnahmen, Transport des Patienten in das Spital);

­

dass, wenn die versicherte Person aus medizinischen Gründen die Dienste eines ausserhalb des Wohnsitzkantons befindlichen Spitals in Anspruch nehmen muss, der Wohnsitzkanton ebenfalls seitens des Versicherers die Entschädigung von Fr. 250.­ erhält, wobei es dem Wohnsitzkanton überlassen bleibt, mit dem entsprechenden Spital bzw. Kanton eine andere Abmachung zu treffen;

­

dass, wenn sich ein Versicherter in einem Privat-Spital aufhält, der Versicherer verpflichtet ist, diesem für die Kantone festgelegten Entschädigungen als Beitrag an die Kosten der Spitalaufenthalte auszurichten.

Der Bundesrat stimmt dem Ziel der Volksinitiative grundsätzlich zu, insoweit sie die Eindämmung der Gesundheitskosten anvisiert. Jedoch beurteilt er die von den Initianten vorgeschlagenen Massnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, aus sozialer und fiskalischer Sicht für absolut unangemessen und inakzeptabel. Er lehnt die Volksinitiative insbesondere aus folgenden Gründen ab: ­

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durch die Limitierung des Obligatoriums der Krankenversicherung auf den stationären Bereich hat die Initiative zur Folge, dass Personen, die keine umfassende Versicherungsdeckung für den ambulanten und teilstationären Bereich aufweisen, einen Anreiz haben, einen Spitalaufenthalt zu wählen,

mit der Folge, dass eine gewisse Anzahl von im ambulanten und teilstationären Bereich kostengünstigeren Interventionen in den teureren stationären Bereich verlagert wird; ­

durch die Möglichkeit der Versicherten, eine Versicherung für den Spitalaufenthalt bei einem Versicherer im Sinne des KVG oder einem Privatversicherer ausserhalb des KVG abzuschliessen, gefährdet die Initiative die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken. Insoweit der nicht dem KVG unterstellte Privatversicherer von jeder sozialen Verpflichtung befreit ist, ist es ihm nicht verboten, Risikoselektion zu betreiben oder unbeschränkte Vorbehalte anzubringen. Aus diesem Grund wären die Krankenversicherer weder konkurrenzfähig noch attraktiv; ihre einen sozialen Schutz beinhaltende Spitalversicherung würde schon innert kürzester Frist für sie und die Versicherten finanziell untragbar;

­

der Vorschlag der Initianten, die Beteiligung der Krankenversicherung auf den Spitalaufenthalt der Versicherten in der Allgemeinen Abteilung zu beschränken, keine Einsparung für das Gesundheitswesen mit sich bringt. Diese Massnahme führt einzig dazu, den Aufwand für den Spitalaufenthalt vom prämienzahlenden zum steuerzahlenden Versicherten zu verlagern.

Aus all diesen Gründen schlägt der Bundesrat vor, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

11

Formelles

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Wortlaut der Initiative

Am 10. September 1998 wurde von einem Initiativkomitee des Grossverteilers Denner AG die Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten" eingereicht. Die Initiative ist in die Form des ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet und lautet: I Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 34bis Abs. 2 2 Der Abschluss einer Krankenversicherung ist nicht obligatorisch, ausgenommen für Spitalaufenthalte.

Die Versicherung für Spitalaufenthalte kann im Rahmen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung und unabhängig vom Krankenversicherungsgesetz durch private Versicherungseinrichtungen, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz unterstehen, erfolgen. Mit dem Inkrafttreten der privaten Versicherung erlischt die Prämienzahlungsverpflichtung gegenüber der Krankenkasse.

Die Kantone sind verpflichtet, notwendigenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, dafür zu sorgen, dass für die Kantonseinwohner die benötigte Bettenzahl in den drei Abteilungen: Allgemein, Halb-Privat und Privat zur Verfügung steht.

Die Versicherten haben keinen Selbstbehalt zu bezahlen. Die Kantone erhalten von der Krankenversicherung oder vom privaten Versicherer für den Aufenthalt des Versicherten in der Allgemeinen Abteilung des Spitals pro Aufenthaltstag und pro Person mit Einschluss aller Leistungen des Spitals wie Operationen, Arzneimittel, Röntgenaufnahmen, Transport des Patienten in das Spital usw. indexiert nach dem Index der Konsumentenpreise Fr. 250.­.

Muss die versicherte Person aus medizinischen Gründen die Dienste eines ausserhalb des Wohnsitzkantons befindlichen Spitals in Anspruch nehmen, so erhält der Wohnsitzkanton die Entschädigung von Fr. 250.­ seitens des Versicherers, wobei es dem Wohnsitzkanton überlassen bleibt, mit dem entsprechenden Spital bzw. Kanton eine andere Abmachung zu treffen.

Soweit sich Versicherte in Privat-Spitälern aufhalten, sind die Versicherer verpflichtet, die für die Kantone festgelegten Entschädigungen als Beitrag an die Kosten der Spitalaufenthalte auszurichten.

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt: Art. 24 (neu) Gesetzliche oder Verordnungsbestimmungen, die im Widerspruch zu Artikel 34bis Absatz 2 stehen, sind aufgehoben.

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Zustandekommen

Die Bundeskanzlei hat mit Verfügung vom 14. Oktober 1998 das formelle Zustandekommen der am 10. September 1998 mit 106 776 gültigen Unterschriften eingereichten Initiative "für tiefere Spitalkosten" (BBl 1998 4959) festgestellt.

113

Behandlungsfrist

Botschaften des Bundesrates zu Volksinitiativen sind nach Artikel 29 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) spätestens ein Jahr nach Einreichen der Initiative der Bundesversammlung zu unterbreiten. Demnach läuft die Frist für den Bundesrat am 9. September 1999 ab.

Bei Initiativen, die auf Partialrevision der Bundesverfassung (BV; SR 101) lauten und in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs vorliegen, muss die Bundesversammlung nach Artikel 27 Absatz 1 des GVG innert 30 Monaten nach Einreichung der Initiative darüber beschliessen, ob sie der Initiative zustimmt oder nicht. Vorbehalten bleibt die Möglichkeit für die Bundesversammlung, die Frist um ein Jahr zu verlängern, wenn mindestens ein Rat über einen Gegenentwurf oder einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlass Beschluss gefasst hat (Art. 27 Abs. 5bis GVG).

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Folgen der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999

Nach der Annahme der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird die Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten" nicht mehr die bisherige Nummerierung (Art. 34bis Abs. 2) tragen können, sondern in die neue Bundesverfassung (Art. 117 Abs. 2) eingeordnet werden müssen. Der Text der Volksinitiative hingegen bedarf in casu keiner (nach Ziff. III der neuen Bundesverfassung im Rahmen des Gebotenen grundsätzlich möglichen) redaktionellen Anpassung.

12

Gültigkeit

121

Einheit der Form und der Materie

Nach Artikel 121 Absatz 4 BV kann eine Initiative entweder in Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht werden. Mischformen sind unzulässig (Art. 75 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte [BPR]; SR 161.1). Bei der vorliegenden Initiative ist die Einheit der Form gewahrt, da sie die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs aufweist.

Die Bestimmung von Artikel 121 Absatz 3 BV statuiert das Gebot der Einheit der Materie: Ein Initiativbegehren auf Partialrevision der Bundesverfassung darf jeweils nur eine Materie zum Gegenstand haben. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen eines Initiativbegehrens ein sachlicher Zusammenhang besteht (Art. 75 Abs. 2 BPR). Dies ist in der vorliegenden Initiative der Fall.

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122

Durchführbarkeit

Die offensichtliche faktische Undurchführbarkeit eines Initiativbegehrens gilt als einzige ungeschriebene materielle Schranke der Verfassungsrevision; weder die Bundesverfassung noch ein Bundesgesetz führen die Undurchführbarkeit einer Initiative als Ungültigkeitsgrund auf. Dennoch sind sich Lehre und Praxis darin einig, dass undurchführbare Aufgaben nicht in den Bereich staatlicher Tätigkeit fallen, weshalb darüber vernünftigerweise auch keine Volksabstimmung stattfinden könne.

Nach konstanter Praxis dürfen jedoch nur zweifelsfrei und faktisch unmöglich durchführbare Volksinitiativen der Volksabstimmung entzogen werden. Die Unmöglichkeit der Durchführung eines Initiativbegehrens in rechtlicher Hinsicht sowie praktische Schwierigkeiten bei dessen Verwirklichung reichen nicht aus, um dieses wegen Undurchführbarkeit für ungültig zu erklären.

Die vorliegende Volksinitiative weist keinen derartigen Hinderungsgrund auf.

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2

Besonderer Teil

21

Die Initiative im Verhältnis zur heutigen Ordnung

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Ziele der Initiative

Die Initiative sieht im Wesentlichen vor, die dem Bund gegenwärtig zustehende Kompetenz, die Krankenversicherung für alle oder bestimmte Bevölkerungsgruppen obligatorisch zu erklären, durch eine Verfassungsänderung auf die Deckung von Spitalaufenthalten zu beschränken. Die Initiative verpflichtet alle Versicherten, die Versicherung für Spitalaufenthalte entweder bei einer Krankenversicherung im Sinne des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG; SR 832.10) oder aber, unabhängig von letzterem, bei privaten Versicherungseinrichtungen abzuschliessen, die lediglich dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978 (VAG; SR 961.01) unterstehen. Ebenfalls in der Verfassung zu verankern ist gemäss der Initiative die Verpflichtung der Kantone, dafür zu sorgen, falls erforderlich in Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, dass für die Kantonsbevölkerung in der allgemeinen, der halbprivaten und der privaten Abteilung die für die Spitalaufenthalte benötigte Bettenzahl zur Verfügung steht. Im Falle eines Spitalaufenthalts will die Initiative im Übrigen die Versicherten von jeglicher Kostenbeteiligung entbinden. Ein weiteres Ziel der Initiative liegt in der Plafonierung der Vergütung für sämtliche in der allgemeinen Abteilung des Spitals erbrachten Leistungen. Dazu ist vorgesehen, dass die Kantone für den Aufenthalt einer versicherten Person in der allgemeinen Abteilung von der Krankenversicherung oder vom privaten Versicherer pro Tag und Person einen gemäss Landesindex für Konsumentenpreise indexierte Entschädigung von 250 Franken erhalten. Bei aus medizinischen Gründen erforderlichen Spitalaufenthalten einer versicherten Person in einer Einrichtung ausserhalb des Wohnsitzkantons sieht die Initiative vor, dass der Wohnsitzkanton ebenfalls eine Entschädigung von 250 Franken vom Versicherer erhält, wobei es dem Wohnsitzkanton überlassen bleibt, mit dem entsprechenden Spital oder Kanton eine andere Abmachung zu treffen. Bei einem Spitalaufenthalt in Privatspitälern hätten die Versicherer gemäss Initiative als Kostenbeteiligung die für die Kantone festgelegte Entschädigung zu entrichten.

212

Vergleich mit dem geltenden Bundesrecht

212.1

Vergleich mit dem geltenden Verfassungsartikel

In seiner geltenden Fassung gibt Artikel 34bis Absatz 1 BV dem Bund die Kompetenz und den Auftrag, sowohl die Kranken- wie die Unfallversicherung gesetzlich zu regeln. Gemäss Absatz 2 ist der Bundesgesetzgeber dazu berechtigt, den Abschluss dieser beiden Versicherungen für alle oder bestimmte Bevölkerungsgruppen obligatorisch zu erklären. Im Rahmen der Totalrevision der Krankenversicherung von 1994 machte der Gesetzgeber für die Krankenversicherung von dieser Möglichkeit Gebrauch und verfügte das Versicherungsobligatorium gegen Krankheit für alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Unfallversicherung wurde mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG: SR 832.20) 1984 obligatorisch für alle in der Schweiz tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Abgesehen von der gesetzlich geregelten Beziehung mit den bestehenden Krankenkassen hat der Gesetzgeber gemäss Artikel 34bis BV in der Ausgestaltung der beiden

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Versicherungen praktisch freie Hand. Dadurch ist das von der Initiative vorgesehene System mit dem geltenden Verfassungsrecht vereinbar. Durch eine entsprechende Anpassung der Gesetzgebung wäre es folglich möglich, die Ziele der Initiative umzusetzen. In Bezug auf die Unfallversicherung wird zwar im neuen Absatz 2 der Initiative die Möglichkeit des Gesetzgebers, die Unfallversicherung für obligatorisch zu erklären, nicht wieder aufgenommen, der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass dies keinen Einfluss auf das Obligatorium hat. Absatz 1 des Artikels 34bis BV, der von der Initiative nicht tangiert wird, stellt diesbezüglich eine ausreichende verfassungsrechtliche Basis dar, wonach der Gesetzgeber frei entscheiden kann, ob er für diese beiden Versicherungen ein Obligatorium errichten will.

Die Initiative sieht im Weiteren vor, dass die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung durch einen neuen Artikel 24 ergänzt werden, der verfügt, dass alle Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen, die im Widerspruch zu Artikel 34bis Absatz 2 BV stehen, aufzuheben sind. Einleitend möchten wir darauf hinweisen, dass die gegenwärtige Nummerierung des Initiativtexts (Art. 24) geändert werden müsste und dieser unter Artikel 197 nBV aufzuführen wäre. Der Grund liegt darin, dass Volk und Stände nach dem Einreichen der Initiative bei Volksabstimmungen bereits Artikeln mit den Nummern 24 und 25 zugestimmt und überdies am 18. April 1999 die neue Bundesverfassung gutgeheissen haben, in der die Nummerierung der geltenden BV vollständig überarbeitet wurde.

212.2

Vergleich auf Gesetzesebene

Die soziale Krankenversicherung wird durch das KVG geregelt. Dieses Gesetz trat am 1. Januar 1996 in Kraft und ersetzte das Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG). Das KVG umfasst die obligatorische Krankenpflegeversicherung sowie eine freiwillige Taggeldversicherung. Die soziale Krankenversicherung vergütet Leistungen im Fall von Krankheit, Unfall (soweit diese nicht von einer anderen Unfallversicherung übernommen werden) und Mutterschaft.

Die Initiative enthält verfassungsrechtliche Bestimmungen zu Aspekten, die gegenwärtig auf Gesetzesebene behandelt werden (Wahl des Versicherers, Kategorien von Versicherern, Entschädigungen für Spitalbehandlungen usw.). Diese sind daher im Rahmen eines Vergleichs mit den geltenden Bestimmungen des KVG zu beurteilen.

Eine Würdigung der nachfolgend aufgeführten Initiativbestimmungen ist unter Ziffer 23 der vorliegenden Botschaft zu finden.

Artikel 34bis Absatz 1. Abschnitt Die Initiative sieht vor, dass der Abschluss einer Krankenversicherung nur zur Deckung der im Zusammenhang mit einem Spitalaufenthalt entstehenden Kosten obligatorisch ist. Dies bedeutet, dass ambulante und teilstationäre Behandlungen gemäss der Initiative, im Gegensatz zum KVG, nicht unter die obligatorische Krankenversicherung fallen würden. Gegenwärtig übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Diese Leistungen umfassen insbesondere die Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär oder teilstationär oder in einem Pflegeheim von Ärzten und

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Ärztinnen, Chiropraktoren und Chiropraktorinnen oder Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen, durchgeführt werden, sowie ärztlich angeordnete Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel und Gegenstände und einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren. Übernommen werden auch die Kosten für den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Spitals oder in einer teilstationären Einrichtung (Art. 25 KVG).

Bezüglich der Umsetzung der Versicherungspflicht haben die Kantone für die Einhaltung dieser Pflicht zu sorgen und gegebenenfalls Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, einem Versicherer zuzuweisen (Art. 6 KVG). Weiter obliegt es den Kantonen, über Ausnahmegesuche zur Versicherungspflicht beim Vorliegen besonderer Gründe zu entscheiden (Art. 10 Abs. 2 der Verordnung über die Krankenversicherung; KVV SR 832.102, und erwähnte Bestimmungen). Bei der Annahme der Initiative hätten die Kantone lediglich noch den Abschluss einer Versicherung zur Deckung der Kosten von Spitalaufenthalten zu überprüfen.

Artikel 34bis Absatz 2 2. Abschnitt Gemäss dieser Bestimmung kann die Versicherung für Spitalaufenthalte im Rahmen des KVG oder, unabhängig vom Krankenversicherungsgesetz, bei einer privaten Versicherungseinrichtung, die dem VAG untersteht, abgeschlossen werden. Die Initiative führt weiter aus, dass die Prämienzahlungsverpflichtung gegenüber der Krankenkasse mit dem Inkrafttreten der privaten Versicherung erlischt.

Gegenwärtig können die versicherungspflichtigen Personen ihre Versicherung ausschliesslich bei den in Artikel 11 KVG genannten Versicherern abschliessen, d. h.

bei einer Krankenkasse im Sinne von Artikel 12 KVG oder bei einer dem VAG unterstehenden privaten Versicherungseinrichtung, die die Krankenversicherung durchführt und über eine Bewilligung nach Artikel 13 KVG (Art. 11 Bst. b KVG) verfügt. Laut geltendem Gesetz haben private Versicherungseinrichtungen, die dem VAG unterstehen, somit bereits heute die Möglichkeit, die obligatorische Krankenversicherung durchzuführen. Das im VAG festgelegte Aufsichtssystem sieht umfassende Kontroll- und Korrekturmassnahmen durch die Aufsichtsbehörde vor, nicht nur bei der Aufnahme, sondern auch während der laufenden
Geschäftstätigkeit der Versicherungseinrichtung. Die Bundesbehörde beschränkt somit diese grundsätzliche Freiheit und weicht damit vom verfassungsrechtlichen Grundsatz zur Handelsund Gewerbefreiheit (Art. 31 BV) ab, indem sie sich auf Artikel 34bis Absatz 2 BV stützt, der ihr die Kompetenz einräumt, Zulassungs- und Geschäftsbedingungen für die Tätigkeit im Versicherungsbereich festzulegen. Diese Zulassungs- und Geschäftsbedingungen umfassen Anforderungen juristischer, finanzieller, buchhalterischer und technischer Art und sind von den Einrichtungen zu erfüllen, die eine Bewilligung zur Durchführung bestimmter Versicherungszweige beantragen. Genügt eine Einrichtung diesen Erfordernissen, erhält sie die Bewilligung zur Durchführung einer Versicherung, wobei diese Tätigkeit wiederum einer staatlichen Kontrolle untersteht.

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Die im Rahmen des KVG tätigen Versicherer müssen überdies eine Reihe von Bedingungen erfüllen, die in einer offiziellen Bescheinigung bestätigt werden. Für die Krankenkassen handelt es sich dabei um die Anerkennung. Die übrigen Versicherer im Sinne von Artikel 11 Buchstabe b KVG, die bereits durch das VAG zugelassen sind, benötigen eine Durchführungsbewilligung. Diese bezieht sich ausschliesslich auf die soziale Krankenversicherung, da diese Versicherer bereits dazu berechtigt sind, Zusatzversicherungen durchzuführen. Allgemein müssen die Versicherungseinrichtungen sämtliche Anforderungen dieses Gesetzes erfüllen (Art. 13 Abs. 1 KVG). Sie müssen insbesondere die in Absatz 2 erwähnten Bedingungen einhalten.

Dazu gehört namentlich, dass sie die soziale Krankenversicherung nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit durchführen, die Gleichbehandlung der Versicherten gewährleisten, die Mittel der sozialen Krankenversicherung nur zu deren Zwecken verwenden sowie auch die Einzeltaggeldversicherung nach dem KVG durchführen.

Im Gegensatz zu den unter Artikel 11 Buchstabe b KVG fallenden privaten Versicherungseinrichtungen müssen die in der Initiative genannten Einrichtungen nicht über die in Artikel 13 KVG vorgesehene Bewilligung verfügen und sind damit nicht an die in Absatz 2 dieser Bestimmung aufgeführten Bedingungen gebunden. Die Initiative sieht nämlich vor, dass der Versicherungsvertrag für Spitalaufenthalte bei diesen Einrichtungen unabhängig vom KVG abgeschlossen werden kann. Somit kommen die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) zur Anwendung. Diese bilden die rechtliche Grundlage für Versicherungsverträge von privaten Versicherungseinrichtungen, die der Bundesaufsicht gemäss VAG unterstehen. Dieses Gesetz sieht jedoch im Gegensatz zum KVG keinerlei soziale Verpflichtungen vor.

Artikel 34bis Absatz 2 3. Abschnitt Gemäss dieser Bestimmung sind die Kantone dazu verpflichtet, falls erforderlich in Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, dafür zu sorgen, dass für die Kantonsbevölkerung in der allgemeinen, der halbprivaten und der privaten Abteilung die benötigte Bettenzahl zur Verfügung steht.

Gegenwärtig sind die Kantone verpflichtet, im Rahmen der Zulassung von Spitälern zur Tätigkeit zu Lasten der Krankenversicherung eine Liste der Spitäler und Pflegeheime
zu erstellen (Art. 39 KVG). Für die Zulassung müssen die Spitäler und andere in Artikel 39 KVG aufgeführte Einrichtungen eine ausreichende ärztliche Betreuung gewährleisten, über das erforderliche Fachpersonal sowie zweckentsprechende medizinische Einrichtungen verfügen und eine zweckentsprechende pharmazeutische Versorgung gewährleisten. Bei der Planung müssen die Kantone private Trägerschaften angemessen berücksichtigen. Die halbprivaten und privaten Abteilungen der öffentlichen oder privaten Spitäler sind entsprechend ihrem Beitrag zur angemessenen Grundversorgung der Bevölkerung ebenfalls zu berücksichtigen. Gemäss Gesetz haben die Kantone bei der Planung so vorzugehen, dass die erforderliche Betreuung der gesamten Bevölkerung im stationären Bereich sowie in Pflegeheimen gewährleistet ist, unabhängig von der Versicherungsdeckung der einzelnen Versicherten. Im Rahmen des KVG zielt die Spitalplanung darauf ab, Überkapazitäten sowohl in öffentlichen wie auch in privaten Spitälern abzubauen und somit in diesem Bereich zur Kosteneindämmung beizutragen und gleichzeitig eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Im KVG ist bereits auch eine kantonsübergreifende Spitalplanung vorgesehen (Art. 39 Abs. 1 Bst. d KVG).

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Artikel 34bis Absatz 2 4. Abschnitt Gemäss dem 1. Satz in Abschnitt 4 müssen sich die Versicherten nicht mehr an den Kosten (für Spitalaufenthalte) beteiligen.

Das geltende Recht sieht eine Beteiligung der Versicherten an den Kosten der für sie erbrachten Leistungen vor. Die Kostenbeteiligung besteht aus einem festen Jahresbetrag (Franchise) und 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten (Selbstbehalt) (Art. 64 Abs. 2 KVG). Der Betrag für die Franchise und der jährliche Höchstbetrag des Selbstbehalts werden vom Bundesrat festgelegt (Art. 64 Abs. 3 KVG). Bei Spitalaufenthalten leisten die Versicherten zudem einen nach der finanziellen Belastung der Familie abgestuften Beitrag an die Kosten des Aufenthalts.

Dieser Betrag wird wiederum vom Bundesrat bestimmt (Art. 64 Abs. 5 KVG). Die in Artikel 64 Absatz 2 Buchstabe a KVG vorgesehene Franchise beträgt pro Kalenderjahr 230 Franken, und der jährliche Höchstbetrag für den Selbstbehalt im Sinne von Artikel 64 Absatz 2 Buchstabe b KVG beläuft sich auf 600 Franken für Erwachsene und 300 Franken für Kinder (Art. 103 KVV). Die in Artikel 64 Absatz 5 KVG vorgesehene Beteiligung an den Kosten von Spitalaufenthalten beträgt pro Tag 10 Franken.

Im zweiten Teil der Bestimmung fordert die Initiative zudem, dass die Kantone von der Krankenversicherung oder vom privaten Versicherer für den Aufenthalt der Versicherten in der allgemeinen Abteilung des Spitals pro Tag und Person eine Entschädigung von 250 Franken erhalten. Diese Entschädigung wäre nach dem Landesindex für Konsumentenpreise zu indexieren und würde gemäss Wortlaut der Initiative sämtliche vom Spital erbrachten Leistungen wie namentlich Operationen, Arzneimittel, Röntgenaufnahmen und Transport des Patienten in das Spital umfassen. Gemäss Initiative soll mit dieser Massnahme die Beteiligung der Krankenversicherung an den Spitalkosten auf eine Entschädigung von 250 Franken pro Tag und Person beschränkt werden. Aus der Initiative geht implizit hervor, dass dieser Betrag für Spitalaufenthalte in der ganzen Schweiz und für alle Arten von Spitälern ­ öffentliche, öffentlich subventionierte und private Einrichtungen ­ einheitlich wäre.

Im Rahmen des KVG erstellen die Leistungserbringer ihre Rechnungen nach Tarifen oder Preisen (Art. 43 KVG). Der Tarif ist eine Grundlage für die Berechnung der
Vergütung. Er kann namentlich auf dem zur Leistungserbringung benötigten Zeitaufwand abstellen (Zeittarif), für die einzelnen Leistungen Taxpunkte festlegen und den Taxpunktwert bestimmen (Einzelleistungstarif) oder pauschale Vergütungen (Pauschaltarif) vorsehen. Tarife und Preise werden in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern vereinbart (Tarifvertrag) oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt. Dabei ist auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur der Tarifverträge zu achten. In Artikel 49 Absatz 1-4 KVG werden die Tarifverträge mit den Spitälern geregelt. Gemäss dieser Bestimmung haben die Vertragsparteien für die Vergütung der stationären Behandlung einschliesslich Aufenthalt in einem Spital Pauschalen festzulegen. Diese Pauschalen decken für die Kantonsbevölkerung bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten je Patient oder Patientin oder je Versichertengruppe in der allgemeinen Abteilung. Die anrechenbaren Kosten werden bei Vertragsabschluss ermittelt. Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass besondere diagnostische oder therapeutische Leistungen nicht in der Pauschale enthalten sind, sondern getrennt in Rechnung gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 KVG). Für diese Leistungen dürfen sie ebenfalls höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten berücksichtigen. Das gel9689

tende Gesetz führt zudem aus, dass sich die Vergütung bei Spitalaufenthalten nach dem Spitaltarif gemäss den Absätzen 1 und 2 von Artikel 49 richtet, solange der Patient oder die Patientin nach medizinischer Indikation der Behandlung und Pflege oder der medizinischen Rehabilitation im Spital bedarf und dass, wenn diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt ist, der Tarif für einen Aufenthalt in einem Pflegeheim nach Artikel 50 zur Anwendung kommt (Art. 49 Abs. 3 KVG).

Artikel 34bis Absatz 2 5. Abschnitt Die Initiative verlangt im Weiteren für den Fall eines aus medizinischen Gründen erforderlichen Spitalaufenthalts einer versicherten Person in einer Einrichtung ausserhalb des Wohnsitzkantons, dass der Wohnsitzkanton die Entschädigung von 250 Franken vom Versicherer erhält, wobei es dem Wohnsitzkanton überlassen bleibt, mit dem entsprechenden Spital bzw. Kanton eine andere Abmachung zu treffen.

Gegenwärtig steht es den Versicherten laut Artikel 41 Absatz 1 KVG zu, unter den zugelassenen und für die Behandlung ihrer Krankheit geeigneten Leistungserbringern frei zu wählen. Bei einer ambulanten Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt. Beanspruchen Versicherte aus medizinischen Gründen einen anderen Leistungserbringer, so sieht das KVG vor, dass sich die Kostenübernahme durch den Versicherer nach dem Tarif richtet, der für diesen Leistungserbringer gilt (Art. 41 Abs. 2 KVG). Medizinische Gründe liegen laut geltendem Gesetz bei einem Notfall vor, oder wenn die erforderlichen Leistungen am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung oder, bei stationärer oder teilstationärer Behandlung, im Wohnsitzkanton oder in den auf der Spitalliste des Wohnsitzkantons aufgeführten ausserkantonalen Spitälern nicht angeboten werden. Beansprucht die versicherte Person aus medizinischen Gründen die Dienste eines ausserhalb ihres Wohnsitzkantons befindlichen öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals, so übernimmt der Wohnsitzkanton die Differenz zwischen den in Rechnung gestellten Kosten und den Tarifen des betreffenden Spitals für die Kantonseinwohnerinnen und -einwohner (Art. 41 Abs. 3 KVG).

Artikel 34bis Absatz 2 6. Abschnitt Gemäss Initiative sind die Versicherer
verpflichtet, für Aufenthalte von Versicherten in Privatspitälern diesen als Beitrag an die Kosten die für die Kantone festgelegten Entschädigungen auszurichten. Im Gegensatz zum Initiativtext in den Abschnitten 4 und 5, welche sich unserer Ansicht nach auf Grund der Systematik der Initiative ausschliesslich auf die öffentlichen Spitäler beziehen, erhalten die Privatspitäler die Entschädigung des Versicherers direkt. Obwohl der Initiativtext nicht näher darauf eingeht, ist der Bundesrat der Ansicht, dass die von der Initiative vorgesehene Bestimmung sämtliche Privatspitäler, unabhängig davon, ob sich diese innerhalb oder ausserhalb des Wohnsitzkantons der Versicherten befinden, einschliesst. Im Übrigen ist angesichts der Tatsache, dass die Initiative keine Beteiligung der Kantone an der Finanzierung der Privatspitäler vorsieht, davon auszugehen, dass die Subventionierung von Privatspitälern durch die öffentliche Hand von den Initianten ausgeschlossen wird.

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Im Gegensatz zur Initiative unterscheidet die Struktur des KVG nicht zwischen öffentlichen und privaten Spitälern. Hingegen bezieht sich das KVG an mehreren Stellen auf die öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitäler (Art. 49 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 41 Abs. 3 KVG) als Gegensatz zu den übrigen Spitälern, d. h.

zu den nicht subventionierten Privatspitälern. Gegenwärtig haben die Kantone somit die Möglichkeit, Privatspitäler zu subventionieren. Für aus medizinischen Gründen erforderliche ausserkantonale Spitalaufenthalte sieht das KVG lediglich für öffentliche oder öffentlich subventionierte Spitäler, nicht aber für nicht subventionierte Spitäler besondere Regelungen vor (Art. 41 Abs. 3 KVG).

213

Vergleich mit dem kantonalen Recht

Mit der Einführung des KVG findet das kantonale Recht lediglich im Bereich der Kontrolle zur Einhaltung der Versicherungspflicht (Art. 6 KVG) und der Beiträge der öffentlichen Hand zur Prämienverbilligung für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Anwendung (Art. 65 und 66 KVG).

Im Bereich der Ausrichtung von Beiträgen durch die öffentliche Hand in Form von Prämienverbilligungen für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen fällt es gegenwärtig in den Kompetenzbereich der Kantone, den Kreis der Versicherten, die Anrecht auf solche Verbilligungen haben, sowie die Zusprachebedingungen festzulegen (Art. 65 KVG), wobei die Ausgaben zwischen Bund und Kantonen geteilt werden (Art. 66 KVG). Die Initiative geht nicht auf die Frage ein, ob Personen, die heute bei einem KVG-Versicherer versichert sind und deshalb Beiträge von Bund und Kanton beanspruchen können, weiterhin Anspruch auf eine Verbilligung hätten, falls sie unabhängig vom KVG einen Vertrag bei einer privaten Versicherungseinrichtung abschliessen würden.

Unter dem alten Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) räumte der Bundesgesetzgeber, gestützt auf den geltenden Artikel 34bis Absatz 2 BV, den Kantonen die Kompetenz ein, die Krankenversicherung obligatorisch zu erklären. Sechs Kantone (Tessin, Freiburg, Neuenburg, Basel-Stadt, Waadt und Genf) führten damals ein Versicherungsobligatorium für die gesamte Bevölkerung ein. In anderen Kantonen war die Krankenversicherung für bestimmte Kategorien von Personen obligatorisch, namentlich für solche mit bescheidenem Einkommen. Das System unter dem KUVG war deshalb uneinheitlich, da in gewissen Kantonen ein Versicherungsobligatorium bestand, der Abschluss einer Krankenversicherung in anderen Kantonen dagegen freiwillig war. Zu betonen ist in jedem Fall, dass durch den neuen, in der Initiative vorgesehenen Verfassungsartikel eine Rückkehr zur Situation unmittelbar vor der Einführung des KVG nicht möglich wäre. Mit diesem Artikel würde nämlich den Kantonen die unter dem alten Recht gewährte Kompetenz, auf ihrem Gebiet eine obligatorische Versicherung einzuführen, entzogen.

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22

Hängige Revisionen

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Übersicht

Hängig sind einerseits die beiden Etappen der ersten Teilrevision des KVG und andererseits die Volksinitiativen "für eine freie Arzt- und Spitalwahl" und "für tiefere Arzneimittelpreise" sowie die von der Sozialdemokratischen Partei lancierte Volksinitiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben" (Gesundheitsinitiative).

Die Initiative des Grossverteilers Denner AG "für tiefere Arzneimittelpreise" bezweckt eine Senkung der Medikamentenpreise in der Schweiz. Dies soll unter anderem durch einen direkten Zugang auf dem Schweizer Markt zu Medikamenten erfolgen, die in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich erhältlich und zum Verkauf zugelassen sind. Zudem fordert die Initiative, dass die soziale Krankenversicherung die Rückerstattung von Medikamenten auf die kostengünstigsten Präparate und, falls vorhanden, auf Generika beschränkt. In seiner Botschaft vom 12. Mai 1999 (BBl 1999 7541) zur Initiative empfiehlt der Bundesrat diese zur Ablehnung.

Zudem hat er dieser Initiative einen Gegenvorschlag in Form von Gegenvorschlägen auf Gesetzesstufe gegenübergestellt, die gegenwärtig im Parlament beraten werden.

Da diese Initiative keinen direkten Zusammenhang mit dem Inhalt der Initiative der vorliegenden Botschaft hat, ist sie nicht Gegenstand eines eigenen vertiefenden Kapitels. Die Initiative "für eine freie Arzt- und Spitalwahl" verlangt, dass die obligatorischen Grundversicherungen den Versicherten ein Anrecht auf freie Arzt- und Spitalwahl in der ganzen Schweiz sowie auf Kostendeckung gewährt.

Die erste Etappe der ersten Teilrevision des KVG enthält insbesondere Massnahmen zur Stärkung der Solidarität unter den versicherten Personen. Die Botschaft zu dieser ersten Etappe, die den Bundesbeschluss über Beiträge in der Krankenversicherung und die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betrifft, wurde vom Bundesrat am 21. September 1998 verabschiedet (BBl 1999 793). Sie wird derzeit vom Parlament beraten.

Der Bundesrat hat vom 8. März bis zum 23. April 1999 einen Entwurf für die zweite Etappe der ersten Teilrevision in Vernehmlassung gegeben, in dem er sich für eine einheitliche Finanzierung der Spitalbehandlungen ausspricht. Das Hauptziel der zweiten Etappe der Teilrevision des KVG liegt im Wesentlichen in der Ausarbeitung von Grundlagen zur Neuordnung der Spitalfinanzierung.
Die Initiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben" (Gesundheitsinitiative) will allen versicherten Personen den Zugang zu einer kostengünstigen, qualitativ hochstehenden und bedarfsgerechten medizinischen Versorgung gewährleisten. Die von den Initianten vorgeschlagene Einkommensabhängigkeit der Prämien würde insofern einen Umverteilungseffekt zeitigen, als wirtschaftlich stärkere Versicherte höhere Prämien als wirtschaftlich schwächere Versicherte zu entrichten hätten.

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222

Teilrevision des KVG im Bereich der Spitalfinanzierung

Zwischen Kantonen und Versicherern war seit Inkrafttreten des KVG umstritten, wie die Bestimmung des KVG bezüglich der Beitragsleistung an medizinisch indizierte ausserkantonale Spitalaufenthalte auszulegen sei (Art. 41 Abs. 3 KVG). Streitpunkt war die Frage, ob der Kanton seinen Beitrag an ausserkantonale Behandlungen unabhängig von der Art der Abteilung, in der die Behandlung durchgeführt wird, ausrichten muss.

In zwei Grundsatzurteilen vom 16. und 19. Dezember 1997 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG), gestützt auf Artikel 41 Absatz 3 KVG, entschieden, dass sich der Wohnsitzkanton der versicherten Person bei einem aus medizinischen Gründen erforderlichen ausserkantonalen Spitalaufenthalt in der (halb)privaten Abteilung eines öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals im gleichen Umfang an den Kosten zu beteiligen hat, wie wenn sich der Versicherte in der allgemeinen Abteilung aufgehalten hätte (BGE 123 V 290 ff., 310 ff.). Wenn ein Spital keine allgemeine Abteilung führt, kommen Referenztarife zum Zuge. Weil die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung nicht davon abhängt, ob sich eine versicherte Person tatsächlich in der allgemeinen Abteilung aufgehalten hat, gäbe es auch keinen Grund, die gleichartige Leistung des Kantons unter denselben Umständen im Falle eines subventionierten Spitals zu verweigern. Nicht ausgesprochen hat sich das EVG zur Frage, ob die Kantone auch einen Beitrag an die Spitalkosten zu entrichten haben, wenn die Versicherten in der (halb)privaten Abteilung öffentlicher oder öffentlich subventionierter Spitäler innerhalb des Wohnsitzkantons behandelt werden.

Diese Frage bildet einen Bestandteil der zweiten Etappe der ersten Teilrevision des KVG zur Spitalfinanzierung.

Abschnitt 5 des von der Initiative vorgeschlagenen Artikels 34 Absatz 2 BV sieht für den Fall eines aus medizinischen Gründen erforderlichen Spitalaufenthalts einer versicherten Person ausserhalb des Wohnsitzkantons vor, dass der Wohnsitzkanton die Entschädigung von 250 Franken vom Versicherer erhält, wobei es dem Wohnsitzkanton überlassen bleibt, mit dem entsprechenden Spital oder Kanton eine andere Abmachung zu treffen. Zudem wären die Übergangsbestimmungen der BV so zu ergänzen, dass alle Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen, die im Widerspruch zur von der Initiative
vorgesehenen Verfassungsbestimmung stehen, aufgehoben würden. Dies bedeutet, dass bei einer Annahme der Initiative "für tiefere Spitalkosten" allfällige im Rahmen einer zweiten Etappe der ersten Teilrevision vorgenommenen Änderungen nicht zur Anwendung kämen, weil sie mit der Initiative "für tiefere Spitalkosten" nicht vereinbar sind. Dies wäre insbesondere der Fall bei Artikel 41 KVG, der die Wahl des Leistungserbringers und die Kostenübernahme regelt, sowie bei Artikel 49 KVG über die Vergütung der Spitalbehandlungen.

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Verhältnis zur Volksinitiative "für eine freie Arztund Spitalwahl"

Die von einem Komitee aus Vertretern von Privatkliniken lancierte eidgenössische Volksinitiative "für eine freie Arzt- und Spitalwahl" wurde am 23. Juni 1997 eingereicht. Gemäss Verfügung der Bundeskanzlei vom 15. Dezember 1997 ist die Initiative zu Stande gekommen (BBl 1997 IV 1656). Die Initiative ist Gegenstand einer Botschaft des Bundesrates vom 14. Juni 1999, in der sie zur Ablehnung empfohlen wird.

Die Initiative fordert die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts auf eine freie Arzt- und Spitalwahl innerhalb der ganzen Schweiz bei Krankheit und Unfall sowie die Kostendeckung der im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung anerkannten Leistungen. Im Gegensatz zur Initiative "für tiefere Spitalkosten" wird bei der Initiative "für eine freie Arzt- und Spitalwahl" Artikel 34bis Absatz 2 BV nicht geändert und somit das Obligatorium der Krankenversicherung und auch das der Unfallversicherung nicht in Frage gestellt.

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Verhältnis zur Volksinitiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)"

Die von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) lancierte eidgenössische Volksinitiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben" (Gesundheitsinitiative) wurde am 9. Juni 1999 eingereicht. Gemäss Verfügung der Bundeskanzlei vom 4. August 1999 ist die Initiative zu Stande gekommen (BBl 1999 7308).

Die Initiative sieht vor, die heute geltenden Kopfprämien durch Beiträge zu ersetzen, die von den finanziellen Mitteln der versicherten Personen abhängig sind. Die Finanzierung hätte mindestens zur Hälfte durch Beiträge der Versicherten zu erfolgen, die im Verhältnis zum Einkommen und zum realen Vermögen festgelegt werden, was für Teile der Bevölkerung zu einer höheren Prämienbelastung führen könnte, zur anderen Hälfte durch eine Mehrwertsteuererhöhung. Zudem werden Bund und Kantone verpflichtet, für eine wirksame Kosteneindämmung zu sorgen.

Dem Bund wird insbesondere die Aufgabe übertragen, die Spitzenmedizin zu regeln, die Gesundheitsplanungen der Kantone zu koordinieren, die Maximalpreise der in der obligatorischen Krankenversicherung erbrachten Leistungen unter Einschluss der Medikamente zu bestimmen, Bestimmungen über die Zulassung von Leistungserbringern zu erlassen, für eine wirksame Qualitätskontrolle zu sorgen sowie bei der Erbringung übermässiger Leistungsmengen nach Sparten und Regionen zusätzliche Kosteneindämmungsmassnahmen zu ergreifen. Bei der vorgesehenen Ergänzung der Übergangsbestimmungen der BV spricht sich die Initiative im Übrigen mit Nachdruck gegen einen Leistungsabbau der öffentlichen Hand aus. Gemäss Initiativkomitee wären diese Massnahmen für 85 Prozent der versicherten Personen mit einer Reduktion der finanziellen Belastung verbunden.

Die Gesundheitsinitiative und die Initiative "für tiefere Spitalkosten" haben beide das Ziel, die steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu bremsen oder gar zu senken. Die dafür vorgesehenen Mittel sind jedoch grundsätzlich verschieden. So wird in der Gesundheitsinitiative im Gegensatz zur Initiative "für tiefere Spitalkosten" das Obligatorium für die Krankenversicherung sowohl für stationäre als auch für ambulante Behandlungen nicht in Frage gestellt. Auch hätten die Versicherten nicht 9694

die Möglichkeit, bei ihrem Vertragspartner zwischen einem Versicherer im Sinne des KVG und einem privaten Versicherer, der nicht dem KVG untersteht, zu wählen. Im Gegensatz zur Initiative der Denner AG überträgt die Initiative der SP dem Bund zusätzliche Kompetenzen. So überträgt sie ihm insbesondere die Aufgabe, die Gesundheitsplanungen der Kantone zu koordinieren und dadurch unnötige Infrastrukturen zur medizinischen Versorgung zu vermeiden, zum Beispiel für den Fall, dass sich zwei Kantone nicht einigen können. Diesbezüglich beschränkt sich die Initiative der Denner AG darauf, die Kantone zu verpflichten, falls erforderlich in Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, dafür zu sorgen, dass für die Kantonsbevölkerung in der allgemeinen, der halbprivaten und der privaten Abteilung die benötigte Bettenzahl zur Verfügung steht.

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Würdigung der Initiative

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Möglichkeit zum Vertragsabschluss mit einem privaten Versicherer unabhängig vom KVG

Die Initiative sieht vorab vor, dass der Abschluss einer Krankenversicherung ausschliesslich zur Deckung von Spitalaufenthalten obligatorisch ist. Im Falle einer Annahme der Initiative könnten somit Personen, die sich für den ambulanten und den teilstationären Bereich versichern möchten, einen Vertrag bei privaten, ausschliesslich dem VAG unterstellten Versicherungseinrichtungen abschliessen, womit das KVG, das von den Initianten gewollt ist, nicht mehr notwendigerweise anwendbar wäre. Die Initiative führt weiter aus, dass die Versicherung für Spitalaufenthalte im Rahmen des KVG oder, unabhängig davon, bei einer privaten, dem VAG unterstellten Versicherungseinrichtung abgeschlossen werden kann, und dass die Prämienzahlungsverpflichtung gegenüber dem Krankenversicherer mit dem Inkrafttreten der privaten Versicherung erlischt.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese in der Initiative geforderte Bestimmung zu einer Entsolidarisierung unter den Versicherten führen würde, insbesondere zwischen Gesunden und Kranken. Eine dem VVG unterstellte Versicherung parallel zur sozialen Krankenversicherung stellt ein unüberwindliches Hindernis dar, da keine Möglichkeit vorhanden wäre, den privaten Versicherungseinrichtungen die gleichzeitige Durchführung einer "Grundversicherung" für Spitalaufenthalte vorzuenthalten. Wenn die privaten Versicherer jedoch eine dem VVG unterstellte Versicherung für Spitalaufenthalte anbieten können, die mit keinerlei sozialer Verpflichtung verbunden ist und eine Risikoselektion oder die Einführung beliebiger Vorbehalte ermöglicht, wären Krankenversicherer im Sinne des KVG nicht mehr wettbewerbsfähig und attraktiv. Eine Versicherung für Spitalaufenthalte gemäss KVG, die einen sozialen Schutz vorsieht, wäre bereits sehr kurzfristig sowohl für die Versicherer als auch für die Versicherten finanziell nicht mehr tragbar. Mittel- oder langfristige Folge wäre ein Zusammenbruch der sozialen Krankenversicherung.

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Entsolidarisierung

Die Stärkung der Solidarität gehört zu den vordringlichen Zielen des neuen Krankenversicherungsrechts. Unter dem geltenden KVG wird eine echte Solidarität zwischen Kranken und Gesunden sowie zwischen Personen mit unterschiedlichem Einkommen im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung zur Deckung der stationären, teilstationären und ambulanten Gesundheitskosten gewährleistet. Diese Solidarität basiert einerseits auf der vollen Freizügigkeit und andererseits auf einer von finanzieller Situation, Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand der Versicherten unabhängigen Einheitsprämie sowie auf den zur Verringerung der Prämienlast von Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen bestimmten Beiträgen der öffentlichen Hand.

Mit einer freiwilligen Krankenversicherung für ambulante und teilstationäre Behandlungen, wie sie die Initianten fordern, würde die Solidarität zwischen den Versicherten untergraben, da sich nur noch Leute versichern würden ­ soweit ihnen dies auf Grund der Vorbehalte und Prämien möglich wäre ­ die krank sind, nicht aber Gesunde (siehe Ziff. 233).

Die in der Initiative festgehaltene Möglichkeit zum Abschluss einer Versicherung für Spitalaufenthalte im Rahmen des KVG oder, unabhängig von diesem, bei privaten, dem VAG unterstellten Versicherungseinrichtungen trägt ebenfalls zur Entsolidarisierung zwischen den Versicherten bei, insbesondere zwischen Gesunden und Kranken. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Kosten nicht nur von den objektiven Kosten der Leistungen (Region, medizinische Infrastruktur), sondern auch von der Länge der Spitalaufenthalte der Versicherten abhängen. Das geltende Recht verfügt mit der Solidarität, der Freizügigkeit und dem Risikoausgleich über effiziente Instrumente, um einen Zusammenhang zwischen Krankheitsrisiko und Versicherungsprämie auszuschliessen. Im Falle einer Annahme der Initiative wäre dies nicht mehr länger der Fall. Versicherer, deren Versicherte häufig stationäre Behandlungen in Anspruch nehmen, müssten im Vergleich mit Versicherern, deren Versicherte gesünder sind, pro versicherte Person eine höhere Anzahl Spitaltage übernehmen. Wird davon ausgegangen, dass die Versicherer für alle Versicherten eine Einheitsprämie verwenden, hätte dies eine Konzentration von gesunden Versicherten bei Versicherern, welche Risikoselektion
betreiben, zur Folge. Kranke oder ältere Menschen würden bei anderen Versicherern sehr hohe Prämien bezahlen.

Noch wahrscheinlicher wäre jedoch die Anwendung von nach individuellem Risiko, Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand abgestuften Prämien. Die heutigen Zusatzversicherungen wenden im Allgemeinen ein System an, das zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegt. Als Folge dieser Situation würden die Versicherungsprämien für Spitalaufenthalte vor allem für ältere Menschen und Kranke unerschwinglich. Somit wäre das von der Initiative vorgesehene Projekt einer obligatorischen Versicherung für den stationären Bereich nicht durchführbar (siehe Ziff. 311 und 313).

Die Solidarität zwischen Personen mit unterschiedlichem Einkommen wird gegenwärtig durch die Entrichtung von Beiträgen des Bundes und der Kantone zur Verringerung der Prämienlast von Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen sichergestellt (Art. 65 und 66 KVG). Mit der Einführung des KVG wurde das Prämienverbilligungssystem grundlegend revidiert, da gegenwärtig die Beiträge nicht mehr (wie unter dem KUVG) ohne klare Kriterien an die Kassen, sondern gezielt an Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgerichtet

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werden. Bei der Ausarbeitung der Initiative wurde wahrscheinlich den Auswirkungen des von ihr angestrebten Systems auf die Prämienhöhe nicht nur im ambulanten und teilstationären, sondern auch im stationären Bereich keine Beachtung geschenkt und deshalb nicht näher auf diese wichtige Frage eingegangen. Wenn man jedoch die wichtige soziale Bedeutung der Prämienverbilligungen im geltenden System der obligatorischen Krankenversicherung berücksichtigt, in dem für einen bestimmten Versicherer und eine bestimmte Region jedoch Einheitsprämien vorgeschrieben sind, die unabhängig von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand der Versicherten berechnet werden müssen, wird offensichtlich, dass eine Notwendigkeit für umfangreiche Beiträge oder ­ da die Initiative offenbar keine solchen vorsieht ­ andere Finanzierungsquellen besteht (siehe Ziff. 312 und 313).

In Betracht gezogen werden muss auch eine mögliche Auswirkung der Initiative auf die Unfalldeckung im Sinne des KVG. Soweit keine Unfallversicherung dafür aufkommt (Art. 1 Abs. 2 Bst. b KVG), übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten wie bei Krankheit. Fachpersonen äusserten sich bereits zur Bedeutung einer solchen subsidiären Unfallversicherung (vgl. Bericht und Entwurf der Expertenkommission vom 2. November. 1990). Sie hoben hervor, dass die unter dem KUVG herrschende Praxis, das Unfallrisiko nicht systematisch zu versichern, eine beträchtliche Lücke im System der sozialen Sicherheit darstellte. Heute gewährleistet die subsidiäre Unfallversicherung, dass Personengruppen wie Kinder, Hausfrauen, Betagte oder auch Personen "zwischen zwei Arbeitsstellen", die nicht durch eine berufliche Unfallversicherung geschützt sind, automatisch über eine ausreichende Deckung des Unfallrisikos verfügen. Auch diese Massnahme dient der Stärkung der Solidarität.

233

Keine Versicherungspflicht für teilstationäre und ambulante Behandlungen

a) Versicherungsschutz und Leistungen Eines der Hauptziele des KVG liegt in der Sicherstellung einer lückenlosen und für alle tragbaren Deckung der Krankheitskosten durch die Krankenpflegeversicherung. Mit dem KVG wurde deshalb der Leistungskatalog insbesondere im spitalexternen Bereich deutlich erweitert.

Die Initiative der Denner AG "für tiefere Spitalkosten" fordert eine Beschränkung des Obligatoriums für die Krankenversicherung auf die Deckung der Spitalaufenthalte. Somit wäre es nicht erforderlich, eine Krankenversicherung zur Übernahme der spitalexternen Versorgung, damit der ambulanten Pflegeleistungen abzuschliessen. Dasselbe würde für die teilstationäre Versorgung gelten. Es wäre jedoch weiterhin möglich, auch eine freiwillige Krankenversicherung zur Deckung ambulanter und teilstationärer Behandlungen abzuschliessen.

Eines der Hauptrisiken im Zusammenhang mit der Einführung einer nicht obligatorischen Krankenversicherung für die von Spitalaufenthalten unabhängigen Bereiche besteht darin, dass eine beträchtliche Zahl von Personen keine solche Versicherung abschliessen würde oder könnte, sei es aus finanziellen Gründen, weil sie ungenügend informiert sind oder weil sie von den Versicherern nicht oder nur mit Vorbehalten aufgenommen würden. Es gilt deshalb zu bedenken, dass bei einer Annahme der Initiative und ohne entsprechenden Versicherungsschutz die Leistungen im ambulanten und teilstationären Bereich aus der eigenen Tasche zu bezahlen wären. Da9697

zu gehören namentlich ambulant oder teilstationär durchgeführte chirurgische Eingriffe, Zentrumsdialysen (80 000 Franken pro Jahr und Patient), Interferon-Therapie bei MS-Patienten (20 000 Franken pro Jahr und Patient), Interferon-Therapie bei chronischer Hepatitis C (5000 Franken pro Jahr und Patient) oder auch die Pflege für Alzheimerpatienten in Pflegeheimen (25 000 Franken pro Jahr und Patient) (Quelle: Schweizerischer Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer SVK). Folge der Initiative wäre somit eine vollständige Abwesenheit von Solidarität gegenüber chronisch Kranken (Diabetes, Bluthochdruck, Rheumatismus usw.)

oder gegenüber von Personen, die eine Langzeitbehandlung benötigen. Genau diese Auswirkungen sollten mit dem geltenden Gesetz vermieden werden.

Offen lässt die Initiative alle Fragen im Zusammenhang mit den Leistungen im ambulanten und teilstationären Bereich sowie teilweise im stationären Bereich. Mit dem KVG wurde ein umfassender, aber sich entwickelnder Katalog von Leistungen geschaffen, die durch die Krankenversicherung übernommen werden. Die Initiative macht keine Angaben darüber, ob dieser im von der Initiative vorgeschlagenen System übernommen werden soll, insbesondere im Rahmen der obligatorischen Versicherung für Spitalaufenthalte (siehe Ziff. 234.3 a). Eine Annahme der Initiative hätte somit zur Folge, dass die Übernahme von gegenwärtig anerkannten Leistungen gemäss den Artikeln 25 ­ 31 KVG grundsätzlich in Frage gestellt würde. Diese Leistungen umfassen neben den Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär oder teilstationär oder in einem Pflegeheim erbracht werden, auch die ärztlich verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel und Gegenstände.

Was die Frage der Vergütung von Medikamenten betrifft, gilt es unbedingt darauf hinzuweisen, dass die obligatorische Versicherung im Falle einer Annahme der Initiative lediglich noch die im Rahmen von Spitalaufenthalten verabreichten Medikamente übernimmt. Dies bedeutet, dass den Versicherten die Kosten für Medikamente, die ihnen bei einem Arztbesuch verschrieben werden, nicht mehr von der obligatorischen Versicherung rückvergütet werden. Dasselbe gilt auch für das verrechnete ärztliche Honorar. Während diese Kosten gegenwärtig,
wenn sie ärztlich verschriebene Leistungen betreffen, unter Vorbehalt der gesetzlich festgelegten Abzüge (Franchise und Selbstbehalt) von der sozialen Krankenversicherung übernommen werden, hätten die Versicherten bei einer Annahme der Initiative sämtliche Kosten selbst zu übernehmen oder durch eine zu diesem Zweck abgeschlossene Versicherung zu decken.

Eine Annahme der Initiative hätte weiter zur Folge, dass Spitex-Leistungen und Behandlungen für Langzeitpatienten und ­patientinnen in Pflegeheimen nicht mehr von der obligatorischen Krankenversicherung rückvergütet würden. Dies hätte unweigerlich zwei Auswirkungen: Einerseits eine deutliche Zunahme von kassenpflichtigen Langzeitbehandlungen in Spitälern mit allen damit verbundenen Kosten für die Krankenversicherung und die Kantone (siehe Ziff.233 a und 234.1 c); andererseits die Unmöglichkeit, dem Patienten bzw. der Patientin die notwendige Pflege zukommen zu lassen, wenn ein Spitalaufenthalt oder eine Kostenübernahme durch die Betroffenen selbst nicht möglich wäre.

Auch die im Zusammenhang mit Mutterschaft erbrachten besonderen Leistungen fallen gegenwärtig gemäss den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 29 KVG) in den Leistungsbereich des KVG. Mit der Initiative und einer darin geforderten Beschränkung des Krankenversicherungsobligatoriums auf den stationären Bereich wären die im Zusammenhang mit Mutterschaft entstehenden Kosten, mit Ausnahme des ei9698

gentlichen Spitalaufenthaltes, nicht mehr obligatorisch gedeckt. Zudem macht die Initiative keinerlei Angaben zur Frage, wie die Kostenübernahme im Falle von Entbindungen zu Hause oder in einer Einrichtung der teilstationären Krankenpflege zu regeln wäre.

Das KVG sieht auch die Übernahme gewisser Präventionsmassnahmen durch die soziale Krankenversicherung vor. Darunter sind bestimmte Untersuchungen zur frühzeitigen Erkennung von Krankheiten sowie vorsorgliche Massnahmen zu Gunsten von Versicherten, die in erhöhtem Masse gefährdet sind, zu verstehen (Art. 26 KVG). Eine Annahme der Initiative hätte direkt zur Folge, dass all diese Untersuchungen, die in Artikel 12 der Krankenpflege-Leistungsverordnung vom 29. September 1995 (KLV; SR 832.112.31) abschliessend aufgeführt sind, nicht mehr von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen würden. Zu diesen Vorsorgemassnahmen gehören insbesondere, unter Vorbehalt bestimmter in der KLV genannter Bedingungen, Untersuchungen des Gesundheitszustandes und der normalen kindlichen Entwicklung bei Kindern im Vorschulalter, gynäkologische Untersuchungen, Impfungen und Auffrischungsimpfungen bei Kindern und Jugendlichen, Grippeund Hepatitis-B-Impfung, HIV-Test, Mammographie (Früherkennung von Brustkrebs). Gegenwärtig prüft der Gesetzgeber die Möglichkeit, im Hinblick auf eine erhöhte Wirksamkeit der Kampagnen zur Früherkennung von Krankheiten für gewisse Vorsorgemassnahmen wie zum Beispiel die Früherkennung von Brustkrebs auf eine Kostenbeteiligung der Versicherten ganz zu verzichten. Die von der Initiative verfolgte Stossrichtung hat genau den gegenteiligen Effekt, und eine allfällige Annahme würde die im Sinne einer verbesserten Prävention eingeleiteten Massnahmen jeglicher Wirkung berauben. Die von der Initiative angestrebten Sparbemühungen, insbesondere durch eine Streichung der Vorsorgemassnahmen, hätten nicht die gewünschte, sondern genau die gegenteilige Wirkung.

b) Tarife und Preise der Leistungen / Qualität der Leistungen Der Tarifvertrag bedarf der Genehmigung durch die zuständige Kantonsregierung oder, wenn er in der ganzen Schweiz gelten soll, durch den Bundesrat. Die Genehmigungsbehörde prüft, ob der Tarifvertrag mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang steht (Art. 46 Abs. 4 KVG). Dies bedeutet einerseits,
dass die Berechnung der Tarife grundsätzlich auf der Basis der Kosten zu erfolgen hat (Wirtschaftlichkeitsgebot), wobei darauf zu achten ist, dass eine zweckmässige und qualitativ hochstehende gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht wird (Art. 43 Abs. 6 KVG) und andererseits, dass ein Zusammenhang zwischen der bezogenen Leistung und dem vom Patienten oder der Patientin bezahlten Tarif bestehen muss (Gebot der Billigkeit).

Im Falle einer Annahme der Initiative wären diese Grundlagen nicht mehr zwingend anwendbar, nicht nur im ambulanten und teilstationären Bereich, sondern für Versicherte, die eine Krankenversicherung für Spitalaufenthalte unabhängig vom KVG abschliessen, auch im stationären Bereich. Dies bedeutet einerseits, dass Leistungserbringer im ambulanten und teilstationären Bereich höhere Tarife als heute verrechnen könnten, ohne dass eine Kontrollbehörde Mittel hätte, dies zu untersagen.

Die Druckmittel der Käufer auf die Preise der Leistungserbringer wären dagegen beschränkt, da Kranke grundsätzlich nicht auf eine Behandlung verzichten können und deshalb die verlangten Tarife bezahlten müssten, selbst wenn diese nicht auf Grund der Kosten berechnet wurden oder nicht in Zusammenhang mit der bezogenen Leistung stehen. Andererseits wären die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlich-

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keit und Qualität (Art. 32 und 58 KVG) der von ambulanten, teilstationären und stationären Leistungserbringern erbrachten Leistungen vermindert.

c) Beschränkung des Zugangs zu Leistungen im ambulanten und teilstationären Bereich Eine Annahme der Initiative hätte für einen Grossteil der Bevölkerung eine massive Beschränkung hinsichtlich des Zugangs zur Versorgung im ambulanten und teilstationären Bereich zur Folge. Der Grund dafür liegt in der Deregulierung, zu der eine Ausgliederung dieser Bereiche aus der obligatorischen Krankenversicherung führen würde, insbesondere bezüglich Tarife, Leistungen und Freizügigkeit. Die einzige Möglichkeit zum Schliessen der Lücken, die sich im von der Initiative vorgesehenen System ergäben, würde in umfangreichen staatlichen Massnahmen zur Unterstützung dieses Teils der Bevölkerung bestehen (siehe Ziff. 313). Dabei könnte der Staat sich nicht ausschliesslich auf die Entrichtung von Sozialhilfe beschränken, da viele Betroffene eine psychologische Hemmschwelle überwinden müssten, um zur Finanzierung medizinischer Leistungen staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zu diesem Bevölkerungsteil würden insbesondere Personen zählen, die normalerweise einer Erwerbsarbeit nachgehen und deshalb grundsätzlich keine finanziellen Probleme haben, die jedoch im Falle einer plötzlichen Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, die damit verbundenen Aufwendungen, insbesondere auf Grund der hohen Gesundheitskosten, zu tragen. Sie könnten dazu verleitet werden, auf Pflegemassnahmen zu verzichten. In einer solchen Situation ist es denkbar, dass die Gemeinden und Kantone ein zum freien Markt paralleles ambulantes und teilstationäres Angebot entwickeln, welches, weil es Subventionen erhält, die Leistungen zu geringeren Preisen anbietet, oder aber dass die Nutzung von gemeinsamen Infrastrukturen durch verschiedene Ärztinnen und Ärzte gefördert wird nach dem Modell der Polikliniken, wie es in verschiedenen Schweizer Städten schon besteht. Diese Situation ist bereits im weitgehend freien Markt der zahnmedizinischen Versorgung zu beobachten. So wurde festgestellt, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung auf Grund der hohen Kosten keinen Zugang zur Zahnmedizin hat. In gewissen Kantonen und Gemeinden wurden deshalb öffentliche Zahnkliniken eingeführt, die der Bevölkerung zu tieferen Preisen
als im freien Markt zur Verfügung stehen. Diese Problematik fand offensichtlich bei der Ausarbeitung der Initiative keine Berücksichtigung.

Bezüglich der in der Initiative vorgesehenen Anreize ist festzustellen, dass diese zur Umsetzung der verfolgten Ziele am falschen Ort ansetzen. Durch eine Beschränkung des Krankenversicherungsobligatoriums auf den stationären Bereich und die entsprechende Vergütung der Kosten würden Personen, die zur Deckung der Kosten ambulant oder teilstationär erbrachter Leistungen keine freiwillige Versicherung abgeschlossen haben, wahrscheinlich auch auf ärztliches Anraten, vermehrt selbst für kleinere Eingriffe, die problemlos ambulant oder teilstationär durchgeführt werden könnten, Spitalbehandlungen in Anspruch nehmen. Dabei ist insbesondere an Personen zu denken, die Langzeitbehandlungen benötigen und zu Hause oder in Pflegeheimen versorgt werden könnten. Als Folge der Situation wäre mit einer umfangreichen Verlagerung von Eingriffen aus dem kostengünstigeren ambulanten und teilstationären Bereich in den teureren stationären Bereich zu rechnen, gleichzeitig wäre die Existenz von Leistungserbringern im ambulanten und teilstationären Bereich gefährdet. Eine solche Tendenz würde gegenüber der Entwicklung der letzten Jahre, die dank Fortschritten in Medizin und Technik durch eine immer deutlichere Zunahme an ambulanten und teilstationären Behandlungen gekennzeichnet war, einen 9700

Rückschritt bedeuten und hätte darüber hinaus negative Auswirkungen auf die Gesundheitskosten. Der Grund dafür liegt darin, dass der ambulante und der teilstationäre Bereich im Vergleich zum stationären Bereich wesentlich kostengünstiger ist, da nach der Behandlung grundsätzlich weder eine Beaufsichtigung noch eine ständige Pflege erforderlich ist.

234

Versicherungsobligatorium für Spitalaufenthalte

234.1

Pflicht der Kantone, dafür zu sorgen, dass für die Kantonsbevölkerung die benötigte Bettenzahl zur Verfügung steht

a) Bereitstellung der benötigten Bettenzahl Die Ziele der Spitalplanung im Sinne des KVG liegen in einer optimalen Nutzung der Ressourcen sowie einer Kosteneindämmung. Dies wird sowohl in der Botschaft zur Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 (BBl 1992 I 166) als auch in einem Entscheid des Bundesrates vom 21. Oktober 1998 (RKUV 6/1998, KV 54, S. 540) festgehalten, in dem der Schwerpunkt auf eine Verringerung der Überkapazitäten im Bereich der Akutversorgung gelegt wird. Die durch Überkapazitäten entstehenden Kosten werden im Rahmen des KVG durch die Spitaltarife nicht vergütet (Art. 49 Abs. 1 KVG). Diese Massnahme zielt in die gleiche Richtung wie das Bestreben des Gesetzgebers, mit der Planung Überkapazitäten abzubauen und dadurch eine bedarfsgerechte Spitalversorgung zu gewährleisten (Art. 39 Abs. 1 Bst. d KVG). Obwohl die für die Kantone festgesetzte Frist für die Spitalplanung erst am 1. Januar 1998 abgelaufen war, zeigten diesbezügliche unter dem Druck des KVG eingeführte Massnahmen bereits Wirkung. In bestimmten Kantonen war eine beträchtliche Verringerung der Bettenzahl sowie eine bessere Koordination der Leistungserbringer festzustellen, was zu einer Kostenstabilisierung im stationären Bereich begetragen hat.

In Abschnitt 3 von Artikel 34bis Absatz 2 BV der Initiative wird lediglich ausgeführt, dass die Kantone verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass für ihre Kantonsbevölkerung in allen Abteilungen die benötigte Bettenzahl zur Verfügung steht. Gemäss Initiative wären die Kantone folglich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass zur Versorgung der Kantonsbevölkerung in allen Abteilungen eine Mindestzahl von Betten zur Verfügung steht. Die Kantone würden nicht dazu verpflichtet, das stationäre Angebot auf das für die Deckung der Bedürfnisse Notwendige zu beschränken.

Bei Annahme der Initiative bestände keine Verpflichtung zum Abbau der Überkapazitäten mehr, und die Kostenentwicklung würde entsprechend angekurbelt.

b) Bereitstellung der Betten pro Abteilungsart Im 3. Abschnitt der Initiative werden die spezifischen Begriffe allgemeine, halbprivate und private Abteilung verwendet. Im KVG wird hingegen ausschliesslich der Begriff allgemeine Abteilung verwendet, der sich auf die erbrachten Leistungen bezieht. Dies ergibt sich daraus, dass die in der "allgemeinen Abteilung"
erbrachten Leistungen einen Teil der Leistungen umfassen, die in der "halbprivaten" und "privaten" Abteilung erbracht werden. Der Begriff "allgemeine Abteilung" ist somit als eine Gesamtheit von Spitalleistungen zu verstehen, deren Kosten durch die obligatorische Krankenversicherung übernommen werden, und nicht als ein bestimmter geographischer Ort (BGE 123 V 290 ff., 310 ff.). Das KVG verpflichtet die Kantone 9701

gegenwärtig dazu, für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung der gesamten Kantonsbevölkerung zu sorgen, unabhängig von der Versicherungsdeckung der Einzelnen.

Dies bedeutet, dass die Planung nicht auf die allgemeinen Abteilungen der Spitäler beschränkt werden kann. Zur Vermeidung von Überkapazitäten muss jedoch zuerst der Bettenbedarf innerhalb des Kantons insgesamt festgelegt werden. Die Aufteilung der Spitalkapazitäten unter den verschiedenen Abteilungen wird in einem zweiten Schritt durch Angebot und Nachfrage beestimmt. Da sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Abteilungen heute oft auf Umfang und Auswahl der Leistungen sowie Komfort beziehen, ist die im KVG angeordnete Spitalplanung die einzige Möglichkeit zur Festlegung einer bedarfsgerechten Spitalversorgung. Sollte die Bestimmung der Initiative so zu verstehen sein, dass die Kantone dazu verpflichtet sind, für ihre Kantonsbevölkerung spezifisch in allen drei Abteilungen die benötigte Bettenzahl zur Verfügung zu stellen, würde dies die Flexibilität der Spitäler bei der Anpassung des Bettenangebots der verschiedenen Abteilungen an die Nachfrage beeinträchtigen.

c) Bereitstellung von Betten ausschliesslich für den stationären Bereich Gemäss geltendem Gesetz sind die Kantone verpflichtet, zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Spitalversorgung für die gesamte Kantonsbevölkerung eine Spitalplanung aufzustellen, gegebenenfalls gemeinsam mit anderen Kantonen (Art. 39 KVG), und dies unabhängig von der Versicherungsdeckung der Versicherten. Im Sinne von Artikel 39 Absatz 3 KVG erstellen die Kantone ausserdem auch eine Planung für die Pflegeheime. Im Gegensatz dazu beschränkt sich die aus dem Initiativtext hervorgehende Planungspflicht auf den Spitalbereich. Dies hätte zur Folge, dass die Kantone gesetzlich nicht mehr dazu verpflichtet wären, ihren Bedarf an Pflegeheimen zu planen und eine entsprechende Liste aufzustellen. Die Planung der Pflegeheime ist jedoch im Rahmen der Bereitstellung von Betreuungskapazitäten für Langzeitpflege von grosser Bedeutung. Durch die Planung soll vermieden werden, dass Personen, welche über eine lange Zeit einer Behandlung bedürfen, auf Grund einer ungenügenden Koordination zwischen der Spitalplanung und dem Angebot der Pflegeheime hospitalisiert werden. Andererseits muss das Angebot der Pflegeheime der
Entwicklung der Spitex-Dienste angepasst werden. Der Planung kommt heute bei der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle zu. Eine Annahme der Initiativbestimmung hätte eine Beschränkung der Planung auf den stationären Bereich zur Folge und würde möglicherweise zu einer häufigeren Betreuung von Langzeitpatienten und ­patientinnen in Spitälern führen. Diese Situation würde bei einem Mangel an Betten in Pflegeheimen eintreten, wo diese Patienten und Patientinnen normalerweise auf Grund der einfacheren Infrastruktur kostengünstiger betreut werden können.

d) Beschränkung der Planung auf die Bettenzahl In der Initiative wird die Frage der Spitalplanung ausschliesslich unter dem Blickwinkel der Bettenzahl behandelt. Im Rahmen des KVG wird mit der Spitalplanung hingegen eine bedarfsgerechte Spitalversorgung der Bevölkerung (Art. 39 Abs. 1 Bst. d KVG) und nicht die Bereitstellung einer bestimmten Bettenzahl bezweckt.

Erfahrungsgemäss ist die Bettenzahl nämlich nur einer von vielen Faktoren, der zudem mit Kosten verursachenden Elementen wie der Infrastruktur in Beziehung gebracht werden muss. Dieser Vergleich ist zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten, insbesondere im Bereich des Infrastrukturangebotes der Spitzenmedizin, von Bedeutung. In diesem Zusammenhang spielt die Vergabe von spezifischen Leistungs9702

aufträgen an die Spitäler eine wichtige Rolle. Eine isolierte Planung der Bettenzahl im Sinne der Initiative trägt weder zu einer optimalen Nutzung der Ressourcen und einer Kosteneindämmung bei, noch bedeutet sie für die Versicherten eine Garantie für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung gemäss Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe d KVG.

234.2

Aufhebung der Kostenbeteiligung der Versicherten für Spitalaufenthalte

Anlässlich der Totalrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung wurde am Grundsatz einer Kostenbeteiligung der Versicherten als weiteres Element neben den Prämien und den Beiträgen zur Prämienverbilligung als Beitrag zur Finanzierung der Krankenversicherung festgehalten (siehe Ziff.212.2). Die Gründe für diesen Entscheid wurden damals ausführlich erläutert (Botschaft zur Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 195). Hervorgehoben wurden dabei einerseits die Bedeutung einer Kostenbeteiligung als Finanzierungsquelle und andererseits die Förderung eines gewissen Kostenbewusstseins bei den Versicherten, wenn diese vor dem Entscheid stehen, eine bestimmte Leistung in Anspruch zu nehmen oder darauf zu verzichten. Die Bedeutung einer Kostenbeteiligung der Versicherten wurde vom Bundesrat vor kurzem anlässlich der ersten Teilrevision des KVG erneut betont (BBl 1999 828). Die Regierung hat bei dieser Gelegenheit beschlossen, die Versicherung der Kostenbeteiligung auf Grund der damit verbundenen Entsolidarisierungswirkung zu verbieten. Die geltende Kostenbeteiligung der Versicherten bedeutet eine relativ geringe finanzielle Belastung im Vergleich zu all dem, was die Versicherten im Falle einer Annahme der Initiative selbst zu bezahlen hätten. Zur Deckung der ambulanten, teilstationären und Spitalbehandlungen hätten insbesondere alte und/oder kranke Versicherte äusserst hohe Prämien zu bezahlen. Wenn keine Versicherung abgeschlossen worden ist, hätten sie entsprechend für die Pflegeleistungen selbst aufzukommen (siehe Ziff. 233).

234.3

Einheitliche Pauschalvergütung von 250 Franken für Spitalaufenthalte

a) Leistungen, die durch die einheitliche Pauschalvergütung von 250 Franken gedeckt sind Die Initiative sieht vor, dass die pauschale Entschädigung von 250 Franken sämtliche vom Spital erbrachten Leistungen wie namentlich Operationen, Arzneimittel, Röntgenaufnahmen und Transport der Patienten in das Spital abdeckt. Da das KVG für Versicherte, die eine Versicherung für Spitalaufenthalte mit einem privaten Versicherer unabhängig vom KVG abgeschlossen haben, nicht mehr zur Anwendung kommt, und im Initiativtext nicht festgelegt wird, ob der Katalog der Spitalleistungen des KVG in das von der Initiative vorgesehene System übernommen werden soll, wäre dessen Anwendung folglich bei einer Annahme der Initiative nicht mehr zwingend. Somit wäre es denkbar, dass Versicherungseinrichtungen, die nicht im Rahmen des KVG tätig sind, sämtliche von einem Spital angebotenen Leistungen übernehmen, umso mehr, als aus der Initiative hervorgeht, dass die Liste der in der Entschädigung enthaltenen Spitalleistungen nicht abschliessend ist.

9703

Hinsichtlich der Verpflichtung der Kantone, dafür zu sorgen, dass für die Kantonsbevölkerung die benötigte Bettenzahl zur Verfügung steht (3. Abschnitt der Initiative), wurde in der Initiative durch die Verwendung der spezifischen Begriffe allgemeine, halbprivate und private Abteilung eine abschliessende Aufzählung gewählt (siehe Ziff. 234.1 b). Keine abschliessende Formulierung wird dagegen im 4. Abschnitt zu den Tarifen verwendet, was Probleme bei der Auslegung zur Folge haben könnte. So wäre eine wörtliche Auslegung des Initiativtexts dahingehend aufzufassen, dass die Vergütung von 250 Franken lediglich für Versicherte entrichtet wird, die sich in der allgemeinen Abteilung eines Spitals aufhalten. Mit anderen Worten müsste die Krankenversicherung oder der private Versicherer den Kantonen diese Vergütung nicht entrichten, wenn die versicherte Person in der privaten oder halbprivaten Abteilung versorgt wird. Dieses Problem ergibt sich im KVG nicht, da ausschliesslich der Begriff "allgemeine Abteilung" verwendet wird. In der Rechtsprechung wurde diesbezüglich bereits präzisiert, dass unter "allgemeine Abteilung" die Gesamtheit aller durch die obligatorische Krankenversicherung gedeckten Spitalleistungen und nicht ein bestimmter geographischer Ort zu verstehen ist.

b) Kein Zusammenhang zwischen Tarifhöhe und erbrachten Leistungen Bei der Entschädigung von 250 Franken pro Tag und Patient, die für die ganze Schweiz und alle Spitalaufenthalte anzuwenden wäre, wird in der Initiative in keiner Weise berücksichtigt, dass die Lebenshaltungskosten in den verschiedenen Regionen unterschiedlich hoch sind und es bezüglich des Angebots der verschiedenen Spitalkategorien Unterschiede gibt. Im von der Initiative vorgeschlagenen System hätten die Tarifpartner nicht mehr die Möglichkeit, Tarife für Pflegeleistungen und Behandlungen im Spital auszuhandeln. Gegenwärtig müssen diese Verhandlungen auf der Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Bemessung und nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit geführt werden. So muss ein Zusammenhang zwischen den Kosten für die vom Spital erbrachten Leistungen und der Vergütung bestehen. Die Vertragspartner und die zuständigen Behörden sind verpflichtet, für zweckmässige und qualitativ hochstehende Leistungen zu möglichst günstigen Kosten zu sorgen. Der Initiativtext
macht keine Angaben zu den unter dem heutigen KVG geltenden Grundlagen, Regelungen und Zuständigkeiten (Art. 49 Abs. 6 und 7 KVG). Fragen bezüglich Einhaltung der Qualitätsbedingungen, des zweckmässigen Einsatzes, der Wirksamkeit und der Sparsamkeit der von den Leistungserbringern erbrachten Leistungen wären nicht mehr geregelt, was mit schwerwiegenden Folgen für das Angebot verbunden wäre (siehe Ziff. 233 b).

Beim Abschluss von Tarifverträgen oder, wenn keine solchen ausgehandelt werden, bei der Festsetzung der Tarife durch die Kantonsregierungen, wird zudem gegenwärtig dem Umstand Rechnung getragen, dass zum Beispiel in einem Universitätsspital höhere Kosten entstehen als in einem Regionalspital und die Tagespauschalen entsprechend zu berechnen sind. Die Gründe dafür liegen einerseits darin, dass die in Universitätsspitälern behandelten Fälle im Vergleich mit den Regionalspitälern im Allgemeinen komplexer sind und kostenintensivere Behandlungen erfordern, und andererseits, dass das Lohnniveau in den Städten gewöhnlich höher liegt als in ländlichen Gegenden. Mit der von der Initiative vorgesehenen Entschädigung von 250 Franken pro Tag ergäben sich für gewisse Spitäler ohne entsprechende Ausgleichsmassnahmen gegenüber heute tiefere, für andere dagegen höhere Einnahmen, und die gegenwärtig vorhandene Beziehung zwischen den Tarifen der Grundversicherung und den erbrachten Leistungen würde aufgehoben. Auf kantonaler Ebene würde dies im Allgemeinen bedeuten, dass in Kantonen mit höheren Preisen und 9704

Löhnen im Vergleich zu Kantonen mit einem tieferen Preis- und Lohnniveau durch die obligatorische Krankenversicherung ein geringerer Anteil der Spitalkosten gedeckt würde. Der Initiativtext geht auch in keiner Weise auf diese Fragen ein.

c) Anwendbare Tarifarten Nach Artikel 49 Absatz 2 KVG besteht die Möglichkeit, besondere diagnostische oder therapeutische Leistungen nicht in die Pauschale zu integrieren, sondern getrennt in Rechnung zu stellen. Mit dieser Möglichkeit bezweckt der Gesetzgeber, dass selten angewendete und besonders kostenintensive Leistungen wie zum Beispiel besonders komplizierte Massnahmen oder der Einsatz von Spitzentechnologie nicht in die Pauschalen integriert werden müssen. Dadurch haben die Tarifpartner die Möglichkeit, einerseits die Vorteile dieser Abrechnungsmethode mit dem System von Pauschalen zu kombinieren und andererseits allfällige Nachteile der beiden Methoden auszugleichen. Den Vertragsparteien stehen somit effiziente Instrumente für eine flexible und kostendämpfende Tarifgestaltung zur Verfügung. Diesen Handlungsspielraum haben sie in Übereinstimmung mit Artikel 43 Absatz 6 KVG zu nutzen (BBl 1992 I 172 f.). Dies wäre im Falle einer Annahme der Initiative nicht mehr der Fall. Der Initiativtext verfügt nämlich, dass die Vergütung "mit Einschluss aller Leistungen des Spitals" 250 Franken beträgt (4. Abschnitt) und scheint somit die Möglichkeit, besondere diagnostische oder therapeutische Leistungen getrennt in Rechnung zu stellen, auszuschliessen. Die in der Initiative vorgesehene Vergütung deckt schliesslich eine grössere Zahl von Leistungen als die geltenden Spitalpauschalen.

Hinzuzufügen ist weiter, dass gemäss KVG der Spitaltarif, insbesondere zur Deckung der Kosten für den Aufenthalt (Art. 49 Abs. 1 und 2 KVG), nur solange anwendbar ist, wie der Patient oder die Patientin nach medizinischer Indikation der Behandlung und Pflege oder der medizinischen Rehabilitation im Spital bedarf. Ist diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt, so kommt der Tarif für Pflegeheime nach Artikel 50 zur Anwendung (Art. 49 Abs. 3 KVG). Für Langzeitbehandlungen in Pflegeheimen oder Spitälern, bei denen diese Bedingung nicht erfüllt ist, übernimmt die Krankenversicherung die Hotelkosten nicht. Im Falle einer Annahme der Initiative wären die Versicherer verpflichtet, den Betrag von
250 Franken auch für hospitalisierte Versicherte zu bezahlen, die eine Langzeitbehandlung benötigen. Dies würde im Vergleich zur heutigen Situation unweigerlich Zusatzkosten für diese Patientenkategorie verursachen. Es wäre damit zu rechnen, dass die Spitäler ihr Angebot zur Betreuung dieses Patiententyps, die im Rahmen des KVG problemlos zu Hause oder in einem Pflegeheim betreut werden können, erweitern.

d) Anwendung des Tarifs pro Spitalkategorie Die in der Initiative vorgesehene Pauschalvergütung von 250 Franken würde im Falle einer Annahme der Initiative dem Gesamtbetrag entsprechen, den die Krankenversicherung pro Tag für Spitalaufenthalte zu übernehmen hätte. Die geltenden Spitalpauschalen schliessen hingegen eine Kostenbeteiligung der Versicherten mit ein, decken jedoch nicht besondere, getrennt in Rechnung gestellte diagnostische oder therapeutische Leistungen. In den folgenden Vergleichen werden diese unterschiedlichen Tarifdefinitionen nicht berücksichtigt.

9705

Wir haben bereits darauf hingewiesen (siehe Punkt b), dass die Vergütung von 250 Franken insbesondere im Fall von schwerwiegenden und damit kostenintensiven Spitalbehandlungen ungenügend wäre. Gemäss dem Durchschnitt einer Stichprobe von Einrichtungen, deren Tarife im Ordner "Tagestaxen in Heilanstalten" des Konkordats der Schweizerischen Krankenversicherer veröffentlicht wurden (1999), ist gegenwärtig der in den Universitätsspitälern und Allgemeinspitälern angewendete Durchschnittstarif pro Tag und Patient auf rund 330 Franken zu schätzen (für die Spitalkategorien 1­6 gemäss VESKA-Typologie). In diesen Spitälern werden aber zwei Drittel der Spitaltage in Rechnung gestellt. Im Falle einer Annahme der Initiative erhielten diese Spitäler von der obligatorischen Krankenversicherung pro Tag und Patient einen deutlich tieferen Betrag als heute. Eine solche Massnahme ginge in erster Linie auf Kosten der Qualität der Versorgung und, unter dem Aspekt der Spitalfinanzierung, der Kantonsfinanzen. Gemäss Definition im KVG gelten als Spitäler und andere Einrichtungen auch Anstalten oder deren Abteilungen, die der Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation oder psychiatrischer Behandlungen in stationärer Umgebung dienen (Art. 39 Abs. 1 KVG), in denen der restliche Drittel der Spitaltage in Rechnung gestellt wird. In diesen Anstalten liegt die Höhe der zu Lasten der Krankenversicherung verrechneten Tarifs gegenwärtig im Allgemeinen unter den in der Initiative vorgesehenen 250 Franken.

Auf Grund der in der erwähnten Quelle enthaltenen Angaben haben wir den gewichteten Mittelwert des Tarifs für die psychiatrischen Kliniken (Spitalkategorie 31, 32) auf weniger als 200 Fanken geschätzt, während jener für die Rehabilitationskliniken (Spitalkategorie 14, 16) zwischen jenem für psychiatrische Kliniken und demjenigen für Universitäts- resp. Allgemeinspitäler liegen dürfte.

e) Entwicklung der Spitalkosten und der Tarifsysteme Mit den Fortschritten in der Medizin ist die Lebenserwartung der Bevölkerung deutlich gestiegen. Dies hat zur Folge, dass der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung ständig steigt und das Leistungsangebot immer besser und teurer wird. So kam es zum Beispiel vor Jahrzehnten noch relativ selten vor, dass Personen mit koronarer Herzkrankheit operiert wurden. Heute werden
Operationen am offenen Herzen hingegen häufig vorgenommen und sind für einen wachsenden Patientenkreis indiziert. Diese Tendenz wird sich wahrscheinlich noch verstärken und auch in anderen Gebieten spürbar werden. Mit der Festlegung einer nach dem Landesindex für Konsumentenpreise indexierten Entschädigung von 250 Franken pro Tag und Person wird in der Initiative der Umstand ausser Acht gelassen, dass für die kommenden Jahre damit zu rechnen ist, dass die erbrachten Leistungen pro Spitalfall komplexer und teurer werden, was die Erhöhung von Lebensdauer und -qualität der Bevölkerung erlaubt.

Mit der in der Initiative vorgesehenen Entschädigung wird auch der Tatsache nicht Rechnung getragen, dass durch die medizinischen Fortschritte eine Verkürzung der Spitalaufenthalte möglich wird. Aus einem rein rechnerischen Blickwinkel hat diese verkürzte Aufenthaltsdauer zur Folge, dass die im Zusammenhang mit den Eintrittsuntersuchungen und Operationen anfallenden Kosten auf eine kleinere Anzahl Tage verteilt werden, was logischerweise zu einer Erhöhung der Spitalkosten für die einzelnen Tage führt. Durch die Festlegung einer nach dem Landesindex für Konsumentenpreise indexierten, nicht verhandelbaren Entschädigung von 250 Franken wird dieser Aspekt in der Initiative nicht berücksichtigt. Bei einer Annahme hätten die Spitäler somit einen geringeren Anreiz, die Dauer der Spitalaufenthalte zu verkürzen, als es auf Grund der medizinischen Fortschritte möglich wäre. Das durch die 9706

verkürzte Spitalaufenthaltsdauer entstehende Sparpotential für das Gesundheitswesen (hinsichtlich Pflege, Personal und Hotel), aber auch für die Wirtschaft (in Form von Absenzen am Arbeitsplatz), könnte somit nicht voll ausgeschöpft werden. Zudem würde die Initiative die von gewissen Tarifpartnern in den Verträgen eingeleiteten Bestrebungen, die Frage der Vergütung unabhängig von der Dauer des Spitalaufenthaltes zu regeln und somit keine finanziellen Anreize für eine Verlängerung des Aufenthalts im Spital zu schaffen, zunichte machen. Wir dedenken dabei an die Fall- oder die Abteilungspauschalen.

f) Plafonierung der Tarife und Finanzierung der verbleibenden Kosten Bei einer Annahme der Initiative würden sich nach unseren Schätzungen die durch die obligatorische Krankenversicherung gedeckten Kosten pro Aufenthaltstag für die Behandlung in einem Spital ­ gemäss der Definition des KVG (Art. 39 Abs. 1 KVG), also für die Akutpflege, die Rehabilitation und die Psychiatrie zusammen ­ vom geschätzten Mittelwert von 300 Franken auf den in der Initiative vorgeschlagenen Betrag verringern. Dies bedeutet eine Abnahme des von der obligatorischen Krankenversicherung übernommenen Anteils an der Finanzierung der Spitalkosten.

Diese Differenz dürfte im Falle einer Annahme der Initiative weiter zunehmen. Mit der Zeit entstände eine wachsende Kluft zwischen dem von der Kranken- oder dem Privatversicherer zu bezahlenden festen Entschädigungsbetrag von 250 Franken, der lediglich nach dem Schweizer Landesindex für Konsumentenpreise zu indexieren wäre, und den tatsächlichen Kosten, welche insbesondere wegen dem medizinischen Fortschritt ansteigen. Die Krankenversicherung hätte mit diesem System nicht unbedingt weniger Kosten zu tragen als heute, da die Zahl der Aufenthaltstage im Spital ansteigen dürfte. Für die öffentliche Hand würde dieses System unweigerlich stetig anwachsende Subventionsbeträge an die öffentlichen Spitäler bewirken, damit diese ihr Defizit decken und mithin ihr Überleben und ihre Aufgabe als öffentliche Einrichtung sichern können.

Die Initianten lassen im Übrigen die Frage unbeantwortet, wie die privaten Einrichtungen die fehlenden Einkünfte ausgleichen könnten, die aus der Differenz zwischen den effektiven Kosten der Leistungen und der bei einer Annahme der Initiative vorgesehenen Kostenbeteiligung
der Versicherer von 250 Franken resultieren. Möglicherweise könnten die Patienten und Patientinnen mit einer Spitalzusatzversicherung für die nicht mehr von der obligatorischen Versicherung übernommenen Kosten aufkommen und sich so den Zugang zu den privaten Spitälern sichern. Ausserdem haben die Initianten keine Finanzierung vorgesehen, die es erlauben würde, ein privates Spitalangebot für Versicherte, die lediglich über die obligatorische Versicherung verfügen, beizubehalten. Das KVG schafft die Voraussetzungen für dieses Angebot mit der garantierten Kostenübernahme von Spitalaufenthalten sogar in der allgemeinen Abteilung von nicht subventionierten Institutionen, indem es bestimmt, dass, wenn die entsprechenden Spitäler namentlich die Voraussetzungen in Bezug auf die Kostentransparenz erfüllen, die anrechenbaren Kosten vollumfänglich von der sozialen Krankenversicherung übernommen werden (siehe Ziff. 234.3 g).

g) Zugang zur Versorgung im Kanton 9707

Artikel 49 Absatz 1 2. Satz KVG, beschränkt die von der sozialen Krankenversicherung zu tragenden Kosten in den öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern auf 50 Prozent der anrechenbaren Kosten der allgemeinen Abteilung. Privatspitäler, die nicht durch die öffentliche Hand subventioniert werden, fallen nicht unter die 50%-Regel des erwähnten Artikels. In diesem Fall muss der Tarif, also die Kostenbeteiligung der obligatorischen Krankenversicherung, so angesetzt werden, dass sämtliche anrechenbaren Kosten in der allgemeinen Abteilung des betreffenden Privatspitals gedeckt sind, das heisst, dass neben den Betriebskosten auch die Kosten für Investitionen berücksichtigt werden, nicht aber die Auslagen für die Lehre und Forschung sowie die Überkapazitäten, für die das Spital selber aufkommen muss (Rechtsprechung publiziert in RKUV 4/1997, KV 8, S. 234 ff.). Die Finanzierung des Aufenthalts von Versicherten in der allgemeinen Abteilung ist somit in allen Spitaltypen gesichert, namentlich wenn Kostentransparenz besteht. Bei einer Annahme der Initiative wäre die Finanzierung der die 250 Franken pro Tag übersteigenden Kosten in Privatspitälern bei Patientinnen und Patienten, die einzig für die allgemeine Abteilung versichert sind, nicht mehr gesichert. Angenommen, ein Privatspital ist der einzige Spitalbetrieb in einer Randregion, könnte dieses im Rahmen der kantonalen Spitalplanung nicht mehr damit beauftragt werden, die Grundversorgung für den Bedarf an Spitalleistungen der einzig über den obligatorischen Krankenversicherungsschutz verfügenden Patienten und Patientinnen in der Region zu übernehmen. Dies könnte zu einer Ungleichbehandlung von Patienten und Patientinnen führen, da die Bevölkerung der Randregionen, die nur ein Privatspital in der Nähe hätten, gegenüber der Bevölkerung der Zentren mit einem nahegelegenen öffentlichen Spital benachteiligt wäre. Die Initiative verlangt einerseits von den Kantonen darauf zu achten, dass der Bevölkerung die notwendige Bettenzahl zur Verfügung steht (3. Abschnitt). Andererseits bietet sie keine Lösung an, die es den Kantonen erlauben würde, sich zwecks Bereitstellung von Betten für lediglich obligatorisch versicherte Patienten und Patientinnen an Privatspitäler zu wenden.

h) Zugang zur Versorgung ausserhalb des Kantons Viele Versicherte müssen sich
aus medizinischen Gründen ausserhalb ihres Wohnsitzkantons begeben, um sich in einem Universitätsspital oder in einem besser ausgerüsteten Spital eines anderen Kantons behandeln zu lassen. Im Vergleich zu den durchschnittlichen Pflegeleistungen, die in den Spitälern des Wohnsitzkantons erbracht werden, ist die Pflege dieser Patienten und Patientinnen komplizierter und kostenintensiver.

Für die Übernahme von Spitalaufenthalten der Versicherten ausserhalb ihres Wohnsitzkantons durch die Krankenversicherung sieht die Initiative eine Mittlerrolle des Wohnsitzkantons vor, der vom Versicherer eine Entschädigung von 250 Franken erhält, wobei es dem Wohnsitzkanton überlassen bleibt, mit dem entsprechenden Spital bzw. Kanton eine andere Abmachung zu treffen (5. Abschnitt). Der Initiativtext liefert keinerlei Hinweise über die anderslautende Abmachung, die der Wohnsitzkantons des Versicherten mit dem ausserhalb des Kantons gelegenen Spital oder mit dem Kanton, in dem sich das betreffenden Spital befindet, treffen könnte. Die Frage der Aufnahme des Patienten bzw. der Patientin in die allgemeine Abteilung stellt sich in dem Fall, in dem es dem Wohnsitzkanton des Patienten oder der Patientin nicht gelingt, eine Abmachung mit dem betreffenden Spital oder Kanton zur Finanzierung zusätzlichen zu den in der Initiative vorgesehenen 250 Franken entstehenden Kosten zu treffen. Die Spitalaufenthalte ausserhalb des Kantons sind gegenwärtig auf zwei Arten im KVG geregelt, einerseits durch einen anhand der Kosten des 9708

Spitals berechneten Tarifs (Art. 49 Abs. 1 KVG) und andererseits durch die klare Regelung, dass der Wohnsitzkanton die vom subventionierten Spital in Rechnung gestellten Kosten, die durch die soziale Krankenversicherung nicht gedeckt sind, zu übernehmen hat (Art. 41 Abs. 3 KVG).

Bei den Privatspitälern würde der Versicherer die von den Initianten vorgeschlagene Entschädigung von 250 Franken direkt an das behandelnde Spital ausrichten (siehe 6. Abschnitt) und der Kanton würde demnach keine Mittlerrolle mehr übernehmen.

Es ist offensichtlich, dass die Aufnahme von Patientinnen und Patienten in ausserkantonalen Spitälern stark gefährdet wäre, wenn die Kosten die in der Initiative vorgeschlagenen 250 Franken im Tag übersteigen und die Patientinnen resp. Patienten nicht über eine Spitalzusatzversicherung verfügen.

Im Rahmen des KVG ist, Kostentransparenz vorausgesetzt, die Kostendeckung für Aufenthalte aus medizinischen Gründen in nicht subventionierten Spitälern ausserhalb des Kantons für Patienten und Patientinnen, die einzig den obligatorischen Versicherungsschutz geniessen, vollumfänglich durch die soziale Krankenversicherung gewährleistet (Art. 49 Abs. 1 KVG). Bei Annahme der Initiative könnte der Wohnkanton des Patienten oder der Patientin eventuell, um den nicht mehr von der obligatorischen Versicherung finanzierten Pflegebedarf seiner Wohnbevölkerung zu decken, private Einrichtungen ausserhalb des Kantons nur dann berücksichtigen, wenn er ihnen Beiträge ausrichtet ­ was gegenwärtig nicht nötig ist. Im Falle einer Annahme der Initiative bestünde dafür keine Notwendigkeit mehr. Damit wäre der Weg frei für eine Begrenzung des Spielraums der Kantone, um bei der Bereitstellung von Betten für Patienten und Patientinnen mit lediglich obligatorischem Versicherungsschutz zusammenzuarbeiten. Auch in diesem Punkt gelangt der Bundesrat zur Feststellung, dass der Initiativtext, der im 3. Abschnitt diese Zusammenarbeit ausdrücklich erwähnt, nicht kohärent ist.

i) Anreiz für den Anstieg des Angebotes im Bereich der wenig komplexen Spitalbehandlungen Bezogen auf das Leistungsangebot für Patienten und Patientinnen, die einzig eine obligatorische Spitalversicherung abgeschlossen haben, bestünde für Privatspitäler ein Anreiz, ihre Tätigkeit in Bereiche zu verlagern, in denen die Kosten pro Tag geringer sind
(Rehabilitation, Psychiatrie, Grundversorgung) und die einfachere Fälle sowie Langzeitpflege betreffen, um so die möglichst beste Finanzierung der Kosten durch die Entschädigung von 250 Franken zu erreichen.

j) Besondere Versicherungsformen / Kosteneindämmung Das KVG (Art. 41 Abs. 4 und Art. 62 Abs. 1) ermöglicht im Rahmen der besonderen Versicherungsformen die Auswahl des Angebots auf Grund des Preises. Bei den HMO kann der Versicherer den Patienten und Patientinnen, die eine Einschränkung der freien Wahl der Leistungserbringer akzeptieren, eine Prämienreduktion anbieten.

Unter diesen Voraussetzungen kann der Versicherer Druck ausüben auf die Tarife der Spitäler, die zur Sicherung der Nachfrage gezwungen sind, zu konkurrenzieren, indem sie eine bessere Effizienz und/oder einen besseren Preis anbieten. Mit einem auf 250 Franken fixierten Tarif pro Pflegetag entzieht die Initiative dem Versicherten und der Krankenversicherung jegliche Möglichkeit, auf dem Markt der stationären Angebote Druck auszuüben.

9709

Bei einer Annahme der Initiative wären die im KVG vorgesehenen Massnahmen zur Kosteneindämmung nicht länger verbindlich. Die Wirksamkeit dieser Massnahmen schlägt sich in der Entwicklung der Kosten nieder, die im stationären Bereich gegenwärtig unter Kontrolle sind. So wurde im Jahre 1997 eine Kostenerhöhung von 1,3 Prozent verzeichnet, 1998 dagegen eine Rückgang der Kosten um 1,4 Prozent (Quelle: BSV, Statistik über die Krankenversicherung, provisorische Zahlen 1998) ­ namentlich dank der Einführung der Spitalplanung in den Kantonen.

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Auswirkungen der Initiative

31

Finanzielle und personelle Auswirkungen

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Auswirkungen für die Krankenversicherung

Das dank den Fortschritten auf dem medizinischen Gebiet realisierbare Sparpotential, das den Leistungserbringern zunehmend die Möglichkeit gibt, ihre Patienten und Patientinnen im ambulanten oder teilstationären Bereich zu behandeln, könnte bei einer Annahme der Initiative nicht genutzt werden. Für Patienten und Patientinnen mit einem unzureichenden Versicherungsschutz für teilstationäre und ambulante ­ Pflege zu Hause und im Pflegeheim eingeschlossen ­ Behandlungen würde ein Anreiz bestehen, im stationären Umfeld durchgeführte und somit unter die Leistungen der obligatorischen Versicherung fallende Leistungen zu wählen. Das hätte direkt eine Verschiebung eines Teils der kostengünstigeren teilstationären und ambulanten Behandlungen auf den generell kostenintensiveren stationären Bereich zur Folge. Und indirekt würde diese Verlagerung die Existenz der Leistungserbringer im ausserstationären Bereich gefährden.

Aus den von den Krankenversicherern gelieferten Daten geht hervor, dass vor allem Rehabilitationsspitäler und psychiatrische Kliniken Tarife unter den in der Initiative vorgeschlagenen 250 Franken pro Tag und Patient verrechnen. Für die Bereiche Rehabilitation und Psychiatrie würde sich somit eine erhöhte Finanzierung der Kosten mittels Versicherungsleistungen ergeben. Die Annahme der Initiative müsste auch insbesondere die Privatspitäler veranlassen, ihr Angebot auf jene Patientinnen und Patienten auszurichten, welche einzig eine obligatorische Spitalversicherung abgeschlossen haben ­ was eine Entwicklung in Richtung kostengünstiger Leistungen bedeutet, das heisst von Leistungen, für welche die Spitäler im Hinblick auf ihre Kosten mit den 250 Franken die günstigste Finanzierung erzielen können ­ mit all den Konsequenzen, die dies für die Qualität und den Umfang der erbrachten Leistungen haben könnte (siehe Ziff. 234.3 i).

Aus den oben erwähnten Gründen fällt es schwer zu entscheiden, ob die Annahme der Initiative in unmittelbarer Zukunft eine Verringerung oder Erhöhung der Krankenversicherungskosten im stationären Bereich bewirken würde. Einerseits liegt der von den Initianten vorgeschlagene Einheitstarif von 250 Franken pro Tag und pro Patient unter dem gegenwärtigen Durchschnittstarif der Spitalaufenthalte, den wir für alle Spitalkategorien zusammen auf ungefähr 300 Franken geschätzt
haben. Damit würde sich der von der Krankenversicherung zu tragende Anteil an den Spitalkosten verringern (Ziff. 234.3 f). Die Folge davon wäre hingegen eine Erhöhung jener Kosten, die über Steuern und Zusatzversicherungen finanziert werden müssen.

Andererseits dürfte die vorhersehbare Zunahme der Spitaltage als Folge der zu erwartenden Verlagerung der Patienten und Patientinnen in diesen durch die Kran9710

kenversicherung gedeckten Bereich logischerweise zu einer Erhöhung der Kosten zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung führen. Nach Ansicht des Bundesrates sollte der Stellenwert der Spitalkosten in der Bilanz der obligatorischen Krankenversicherung generell in zweierlei Hinsicht relativiert werden. Erstens in Bezug auf die nachteiligen Auswirkungen der Initiative auf die Spitalkosten insgesamt, namentlich auf Grund der zusätzlichen Kosten zu Lasten der Beitragspflichtigen (siehe Ziff. 313), und zweitens vor allem bezüglich den extrem schwerwiegenden Konsequenzen, welche die Annahme des Vorschlags der Initianten für den ambulanten und teilstationären Bereich hätte. Die Ausgaben für Spitalaufenthalte zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung beliefen sich 1996 auf etwa 38 Milliarden Franken, was rund 10 Prozent der Gesamtkosten des Schweizer Gesundheitswesens ausmacht (vgl. Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 1999, BSV, S. 120). Werden ausschliesslich die von der obligatorischen Krankenversicherung übernommenen Leistungen zum Vergleich herangezogen, beträgt der Anteil der Spitalkosten gegenwärtig ungefähr 25 Prozent des erwähnten Betrags (Statistik über die Krankenversicherung, provisorische Angaben 1998, BSV). Dies bedeutet, dass bei einer allfälligen Annahme der Initiative 75 Prozent der Gesamtausgaben zu Lasten der sozialen Krankenversicherung nicht mehr gedeckt wären.

Just in den Bereichen, wo die Kostenübernahme durch die soziale Krankenversicherung am wichtigsten ist, würde die Initiative eine grosse Unsicherheit bewirken.

Man kann ausserdem nicht von einer Kostenstabilität ausgehen, vor allem auf Grund der Deregulierung im Bereich der staatlichen Aufsicht über die Verträge (Ziff. 233 b), die eine Erhöhung der Preise und Tarife nach sich ziehen könnte. Zudem würde die Verlegung der ambulanten und teilstationären Bereiche in den fakultativen Rahmen eine Abschiebung des Risikos auf die Versicherten zur Folge haben, mit den bereits erwähnten Konsequenzen für die Kosten und den Zugang zur Pflege.

Für die Versicherer würde im Falle einer Annahme der Initiative die fehlende Solidarität und vor allem der Verlust der Freizügigkeit (siehe Ziff. 232) vermutlich zu einer Ballung von Versicherten mit vergleichbaren Krankheitsrisiken beim selben Versicherer führen ­ mit sehr
hohen Prämien bei Versicherern mit einer Ansammlung von schlechten Risiken. Oder, was noch wahrscheinlicher ist, es würden individuelle Prämien eingeführt, die entsprechend dem Risiko kalkuliert werden. Soweit unabhängig vom KVG Versicherungen mit einer privaten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen werden, wären die Versicherer in einem ähnlichen Markt tätig wie demjenigen der heutigen Zusatzversicherungen, sei es im Rahmen von fakultativen Versicherungen im ambulanten oder teilstationären Bereich oder im Rahmen der obligatorischen Spitalversicherung. In einem solchen Markt würde das Fehlen eines Leistungskatalogs insbesondere im ambulanten und teilstationären Bereich bewirken, dass das Leistungsangebot der einzelnen Versicherer sehr unterschiedlich wäre.

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Auswirkungen für den Bund

Gegenwärtig werden die den Kantonen auf Grund von Wohnbevölkerung, Finanzkraft und durchschnittlicher Prämie zugeteilten Bundesbeiträge zuerst an die Kantone überwiesen. Diese steuern dann ihren Anteil zu den Gesamtbeiträgen bei. Der von den Kantonen geleistete Gesamtbetrag muss mindestens der Hälfte der Bundesbeiträge entsprechen.

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Die Annahme der Initiative hätte sicherlich Auswirkungen auf das heutige Prämienverbilligungssystem der Krankenversicherung durch Beiträge der öffentlichen Hand, die ausschliesslich zur Verringerung der individuellen Kopfprämien der Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen bestimmt sind. In diesem Fall muss man sich fragen, ob das System überhaupt noch fortbestehen oder durch ein anderes ersetzt werden soll, da ja das KVG nicht mehr zwingend anwendbar wäre und folglich für den Bund und die Kantone nicht mehr die Verpflichtung bestände, für die gegenwärtig begünstigten Personen Gelder zur Verbilligung ihrer Prämien zur Verfügung zu stellen.

Die Initiative hätte besonders schwerwiegende Konsequenzen für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie für Angehörige von Risikogruppen, die auf Grund der sich aus der Initiative ergebenden Entsolidarisierung sehr hohe Prämien zu zahlen hätten, ohne dass der Bund und die Kantone noch verpflichtet wären, diesem Personenkreis Subventionen zur Verbilligung der Prämien auszurichten. Die Initiative streicht nämlich die rechtlichen Grundlagen dieser Verpflichtung und äussert sich in keiner Weise zur Frage, ob Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen überhaupt noch Subventionen gewährt werden sollen, insbesondere zur Verbilligung von Prämien für eine freiwillige Versicherung für ambulante oder teilstationäre Leistungen. Selbst wenn der Bund und die Kantone trotzdem bereit wären, Finanzmittel für Beiträge zur Verfügung zu stellen, ist mit einem höheren Verwaltungsaufwand zu rechnen, da für die Zuteilung der Beiträge neue Bestimmungen ausgearbeitet und angewendet werden müssten. Diese hätten den Besonderheiten eines Systems Rechnung zu tragen, in dem an Stelle einer einzigen obligatorischen Versicherung zwei Versicherungen ­ eine soziale und eine den Regeln der Marktwirtschaft unterstellte ­ nebeneinander bestehen würden.

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Auswirkungen für die Kantone

Die Abschaffung des Krankenversicherungsobligatoriums für den ambulanten und teilstationären Bereich könnte unter anderem dazu führen, dass sich Personen, die sich einer guten Gesundheit erfreuen und/oder über ein ansehnliches Einkommen verfügen, nicht mehr versichern, dass die Versicherer Versicherungsvorbehalte nach Massgabe des Gesundheitszustands einführen und dass die Kantonsbehörden nicht mehr für die Genehmigung der Tarifverträge zuständig wären. Letzteres könnte die Leistungserbringer verleiten, höhere Tarife als heute zu verlangen. Überhöhte Prämien von Versicherern, wo sich die Versicherten mit hohen Prämien sammeln, oder ­ was wahrscheinlicher ist ­ risikoabhängige individuelle Prämien würden zahlreiche Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen oder kranke Personen veranlassen, aus rein finanziellen Beweggründen auf die freiwillig gewordene Versicherung der ambulanten und teilstationären Behandlungen wie auch der mit Diagnose- oder Präventionsmassnahmen verbundenen Kosten zu verzichten. Diese Personen würden daher für Krankheiten, die keinen Spitalaufenthalt erfordern, nicht mehr über eine ausreichende Deckung verfügen. Aus den gleichen Gründen müssten sich die oben erwähnten Personen an die öffentliche Hand wenden, um die Prämien für die obligatorische Spitalversicherung bezahlen zu können.

Es wäre daher durchaus denkbar, dass eine Person ohne Versicherungsschutz für ambulante und teilstationäre Behandlungen keine andere Möglichkeit hat, als Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie eine kostspielige Behandlung benötigt.

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Dieselbe Situation könnte auch eintreten, wenn bei einer Krankheit ein Versicherungsvorbehalt im Rahmen der freiwilligen Versicherung besteht und die betroffene Person für die Behandlungskosten nicht selber aufkommen kann. Da der Anteil der betroffenen Bevölkerung, für die somit der Zugang zu Pflegeleistungen im Falle einer Annahme der Initiative erschwert würde, alles andere als unbedeutend wäre, ist es undenkbar, dass der Staat seine Rolle auf die Sozialhilfe beschränkt. Wahrscheinlich müsste er ein zum freien Markt paralleles Angebot an Gesundheitsdienstleistungen aufbauen, wie zum Beispiel Ambulatorien (siehe Ziff. 233 c).

Die Annahme der Initiative würde daher für die Kantone nicht nur neue und erhebliche finanzielle Verpflichtungen im ambulanten und teilstationären Bereich mit sich bringen, sondern darüber hinaus auch eine Erhöhung der Ausgaben im stationären Bereich bewirken. Da, wie schon gesagt, die Ärzte sowie die Patienten und Patientinnen aus Gründen der Versicherungsdeckung einem Spitalaufenthalt den Vorzug geben würden, müssten die Kantone Mehrkosten für die Investitionen und den Betrieb der Spitäler auf sich nehmen. Die Kantone müssten nämlich für zahlreiche Patienten und Patientinnen aufkommen, die bisher im ambulanten oder teilstationären Bereich behandelt wurden (siehe Ziff. 233 c).

Der Bund und die Kantone wären bei einer Annahme der Initiative nicht mehr unbedingt verpflichtet, Beiträge für die Prämienverbilligung zu Gunsten von Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen auszurichten. Es hat sich gezeigt, dass der Beitrag der öffentlichen Hand zur Sicherstellung eines Minimums an Pflegeleistungen für die Bevölkerung, die nicht über ausreichende Mittel für eine Behandlung verfügt, auf unterschiedliche Arten erfolgen kann (siehe Ziff. 233 c) und dass es notwendig wäre, die Prämien der Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie von solchen, die Risikogruppen angehören, durch Subventionen zu verbilligen.

Die Umsetzung der Bestimmungen der Initiative würde somit den Kantonen Mehrkosten verursachen, und zwar im Bereich der Sozialhilfe, bei der Finanzierung des Angebots an ambulanten oder teilstationären Leistungen oder durch eine stärkere finanzielle Beteiligung im stationären Bereich. Was nicht mehr mit den Prämien finanziert werden könnte,
hätten daher die Patienten und Patientinnen durch die direkte Bezahlung der bezogenenen medizinischen Leistungen und/oder die Steuerzahlenden via Besteuerung zu tragen. In Anbetracht der gegenwärtigen Finanzlage der Kantone und der beschränkten Möglichkeit einer zusätzlichen Belastung der Steuerzahlenden erscheint diese Situation besonders bedenklich. Bei einer Annahme der Initiative sind die durch eine Krankheit entstehenden Kosten auf jeden Fall vom Patienten und von der Patientin zu bezahlen, sei es als Selbstzahler, über Versicherungsbeiträge oder über die Steuern. Die Initiative würde folglich das Risiko und dessen Kostenübernahme weitgehend auf die Kranken überwälzen.

32

Verhältnis zum Finanzausgleich

Mit dem neuen Finanzausgleich sollen Aufgaben, Kompetenzen und Finanzströme zwischen Bund und Kantonen entflochten und die Verantwortlichkeiten der beiden Staatsebenen geklärt werden. Im Rahmen der Arbeiten zu einer Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen ist auch im Bereich der Sozialversicherung eine Aufgabenentflechtung vorgesehen. Geprüft wird unter anderem die rechtliche Verankerung einer gesamtschweizerischen Planung und Aufgabenteilung 9713

im Bereich der Spitzenmedizin. Im Schlussbericht der Projektgruppe Finanzausgleich wird im Wesentlichen die Schaffung einer rechtsetzenden, interkantonalen Vereinbarung vorgeschlagen. Eine solche Vereinbarung würde die Planung in gewisser Weise verstärken und das Leistungsspektrum der Spitäler im Bereich der Spitzenmedizin festschreiben. In seinem Beschluss vom 14. April 1999 hat der Bundesrat einen in diese Richtung gehenden Vernehmlassungsentwurf für den neuen Finanzausgleich verabschiedet. Die vorgesehene Regelung deckt sich insofern nicht mit der vorgeschlagenen Neuregelung der Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten", da diese keine Spitalplanung, wie sie im KVG umschrieben ist, vorsieht (siehe Ziff. 234.1).

4

Verhältnis zum europäischen Recht

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Das europäische Gemeinschaftsrecht

Artikel 2 des EG-Vertrages überträgt der Gemeinschaft die Aufgabe, ein hohes Mass an sozialem Schutz zu fördern. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist in Artikel 39 (bisher 48) dieses Vertrags verankert. Dieses Freizügigkeitsprinzip verlangt eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, wie dies in Artikel 42 (bisher 51) des EG-Vertrages festgelegt ist. Artikel 42 sieht weder die Errichtung eines europäischen Systems der sozialen Sicherheit noch die Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme vor. Festgelegt ist lediglich eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, die durch die Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie durch die entsprechende Durchführungsverordnung Nr. 574/72 geregelt wird (kodifiziert durch die Verordnung Nr. 118/97 des Rates, ABl EG Nr. L 28 vom 30. 1. 1997, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 307/1999 des Rates, ABl EG Nr. L 38 vom 12. 2. 1999, S. 1). Grundsätzlich bleiben die Staaten bei der Ausgestaltung und Anpassung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäss ihren Bedürfnissen frei. Das Koordinationssystem geht jedoch vom Grundsatz aus, dass alle Staaten eine Krankenversicherung mit einer Grunddeckung sowohl für die Leistungen bei Spitalaufenthalten als auch für die medizinische und pharmazeutische Versorgung gewährleisten. Die Schweiz wird diesem Koordinationssystem mit dem Inkrafttreten der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der Gemeinschaft beitreten (Botschaft des Bundesrates vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl 1999 3935).

In seiner Empfehlung vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und der Politiken im Bereich des sozialen Schutzes (ABl EG Nr. L 245 vom 26. 8. 1992, S. 49) forderte der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Mitgliedstaaten im Bereich Krankheit auf, für die rechtmässig in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Personen den Zugang zur notwendigen Gesundheitsversorgung sowie zu den Krankheitsvorsorgemassnahmen zu ermöglichen.

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Die Instrumente des Europarates

Was die wirtschaftlichen und sozialen Rechte anbelangt, stellt die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 das Pendant zur Europäischen Menschenrechtskonvention dar. In Artikel 12 ist das Recht auf soziale Sicherheit verankert: Die Vertragsparteien verpflichten sich, ein System der sozialen Sicherheit einzuführen oder beizubehalten, dieses auf einem befriedigenden Stand zu halten, sich zu bemühen, das System fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen und Massnahmen zu ergreifen, welche die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit ihren eigenen Staatsangehörigen gewährleisten. Die Schweiz hat die Charta am 6. Mai 1976 unterzeichnet; eine Ratifizierung wurde jedoch 1987 vom Parlament abgelehnt, sodass dieses Übereinkommen für unser Land nicht bindend ist.

Mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Das Recht auf soziale Sicherheit ist ebenfalls in Artikel 12 enthalten. Die revidierte Sozialcharta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 wurde am 16. September 1977 von der Schweiz ratifiziert (AS 1978 1491). Unser Land hat jedoch Teil II über die ärztliche Betreuung nicht angenommen. Jeder Staat, der den aus Teil II der Ordnung hervorgehenden Verpflichtungen nachkommen will, ist verpflichtet, den geschützten Personen ärztliche Betreuung bei Krankheit ohne Rücksicht auf ihre Ursache sowie bei Mutterschaft zu gewährleisten. Der Leistungsempfänger kann zur Beteiligung an den Kosten der bei Krankheit gewährten ärztlichen Betreuung verpflichtet werden, zudem kann eine Wartezeit vorgesehen und die Dauer der erbrachten Leistungen bei Krankheit für die einzelnen Fälle auf 26 Wochen beschränkt werden. Was die Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit anbelangt, sieht die Ordnung vor, dass die Aufwendungen für die Leistungen sowie die Verwaltungskosten kollektiv durch Beiträge oder Steuern oder aus beiden zusammen so zu bestreiten sind, dass Minderbemittelte nicht über Gebühr belastet werden und die wirtschaftliche Lage der Vertragspartei und der geschützten Personengruppen berücksichtigt wird (Art. 70 Abs. 1). Überdies darf die Summe der von den geschützten Arbeitnehmern aufzubringenden Versicherungsbeiträge
50 Prozent der Summe der für den Schutz der Arbeitnehmer und ihrer Ehefrauen und Kinder bestimmten Mittel nicht übersteigen (Art. 70 Abs. 2). Schliesslich, gemäss Artikel 71 Absatz 1, sollte die Verwaltung nicht von einer einem Parlament verantwortlichen Regierungsstelle wahrgenommen werden, so sind Vertreter der geschützten Personen nach vorgeschriebener Regelung an der Verwaltung zu beteiligen oder ihr in beratender Eigenschaft beizuordnen; die innerstaatlichen Rechtsvorschriften können auch die Beteiligung von Vertretern der Arbeitgeber und der Behörden vorsehen.

In der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990 werden die Normen der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit erweitert, namentlich durch die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsgebiets und die Verbesserung der Art und Höhe der Leistungen. Parallel wird eine grössere Flexibilität eingeführt, indem die Ratifizierungsbedingungen erleichtert und die Normen so formuliert wurden, dass den einzelstaatlichen Regelungen bestmöglich Rechnung getragen wird. Die revidierte Ordnung sieht analoge Bestimmungen wie Artikel 70 Absatz 1 und Artikel 71 Absatz 1 der Ordnung vor. Da die revidierte

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Ordnung bisher von keinem Staat ratifiziert wurde, ist sie noch nicht in Kraft getreten.

Von den Instrumenten des Europarats sind zudem die folgenden Empfehlungen des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zu erwähnen: ­

Empfehlung Nr. R (80) 15 vom 14. November 1980 über eine bessere Verteilung der medizinischen Versorgung innerhalb und ausserhalb der Spitäler;

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Empfehlung Nr. R (86) 5 vom 17. Februar 1986 über die allgemeine Verfügbarkeit der medizinischen Versorgung.

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Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Das KVG regelt die soziale Krankenversicherung; die Krankenpflegeversicherung ist für Pflegeleistungen im ambulanten, teilstationären und im stationären Bereich für die gesamte Bevölkerung obligatorisch. Indem das KVG im Rahmen der Krankenpflegeversicherung für die ganze Bevölkerung den Zugang zu den notwendigen Leistungen gewährleistet, hat das Gesetz zu einem höheren Mass an sozialer Sicherheit in der Schweiz beigetragen, was in Einklang mit den in den europäischen normativen Instrumenten statuierten Zielen steht.

Die Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten" will die obligatorische Krankenpflegeversicherung auf die Deckung der Spitalaufenthalte beschränken. Ambulante und teilstationäre Behandlungen wären gemäss der Initiative nicht mehr obligatorisch gedeckt, und Personen mit gesundheitlichen Problemen, die solche Behandlungen benötigten, hätten keine andere Möglichkeit, als die erbrachten Leistungen direkt zu bezahlen oder eine private Versicherung zur Deckung der Kosten abzuschliessen. In dem von der Initiative vorgesehenen obligatorischen Versicherungssystem würden deshalb die im KVG festgelegten Regeln zum sozialen Schutz nicht mehr gelten.

Für die weiterhin obligatorische Deckung der Spitalaufenthalte könnte die Versicherung gemäss Initiative im Rahmen des KVG oder bei einer Einrichtung, die private Versicherungen durchführt, erfolgen. Im Falle einer privaten Versicherung wäre der im KVG festgelegte Schutz nicht mehr gewährleistet. Eine solche "Krankenversicherung" wäre keine soziale Versicherung mehr im Sinne der internationalen normativen Instrumente der Europäischen Gemeinschaft oder des Europarates. Da eine solche Versicherung ausserhalb des Anwendungsgebietes dieser Instrumente fiele, wäre die Frage nach der Vereinbarkeit mit diesen Instrumenten gegenstandslos.

Der EG-Vertrag verfügt die Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit im Hinblick auf eine Umsetzung des freien Personenverkehrs, der ein Grundziel des Vertrags darstellt. Im Falle einer Beschränkung der Versicherungsdeckung liesse sich ein wirksamer Schutz der zu- und abwandernden Arbeitnehmer durch eine Koordination nicht mehr bewerkstelligen; deshalb kann die Initiative als Behinderung des freien Personenverkehrs betrachtet werden, womit sie den Grundsätzen des Europäischen Gemeinschaftsrechts widerspricht.

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Schlussfolgerung

Die in der Initiative enthaltenen Vorschläge stehen im Gegensatz zur sozialen Rolle des Staates, wie sie in der Bundesverfassung hochgehalten wird, eine Rolle, die im Übrigen in der vom Volk am 18. April 1999 angenommenen neuen Bundesverfassung noch verstärkt wird. Durch die in der Volksinitiative geforderte Beschränkung des Versicherungsobligatoriums auf die Deckung der Spitalaufenthalte steht dem im Rahmen des KVG eingeführten Gedanken der Gleichbehandlung von ambulanter und stationärer Behandlung entgegen. Die Initiative gefährdet die beiden bestimmenden Ziele dieses Gesetzes, nämlich die Verstärkung der Solidarität und die Kosteneindämmung. Die von der Initiative beabsichtigte Ausschliessung des ambulanten und des teilstationären Bereichs aus der obligatorischen Krankenversicherung bezeugt einen völlige Abwesenheit der Solidarität gegenüber den chronisch Kranken oder den Langzeitpatienten und -patientinnen, welche die von diesen beiden Sektoren erbrachten Leistungen besonders häufig in Anspruch nehmen. Bei privaten, nicht dem KVG unterstellten Versicherungseinrichtungen müssten diese Personen auf Grund ihres Gesundheitszustands mit Versicherungsvorbehalten rechnen oder sehr hohe Prämien zahlen. Damit wäre der Zugang zur Gesundheitsversorgung für viele Personen ganz klar nicht mehr gewährleistet. Im Rahmen der obligatorischen Spitalversicherung müssten alte und kranke Personen hohe Prämien zahlen. Die Annahme der Initiative würde so gesehen für die gegenwärtige Sozialpolitik, welche auf die Gewährleistung einer angemessenen Gesundheitsversorgung von hoher Qualität und auf die Deckung des Pflegebedarfs der gesamten Bevölkerung ausgerichtet ist, einen schweren Rückschlag bedeuten.

Überdies würde für Personen ohne Versicherungsschutz für alle Behandlungen, die im ambulanten oder teilstationären Bereich durchgeführt werden, der Anreiz für eine vermehrte Inanspruchnahme der stationären Behandlungen bestehen. Der stationäre Bereich ist jedoch unbestreitbar viel kostspieliger als der ambulante und teilstationäre Sektor. Somit würde die angestrebte Kosteneindämmung in der Krankenversicherung im Falle einer Annahme der Initiative ernsthaft aufs Spiel gesetzt. Die öffentlichen Haushalte ihrerseits hätten im Vergleich mit der heutigen Situation mit zusätzlichen Ausgaben zu rechnen.

Die von der Initiative
vorgeschlagene kategorische Beschränkung der Beteiligung der Krankenversicherung an den Spitalkosten auf 250 Franken pro Tag und Patient stellt ebenfalls kein geeignetes Instrument zur Kosteneindämmung im Gesundheitswesen dar. Hauptwirkung eines solchen Systems wäre eine Lastenverschiebung der Spitalkosten der Krankenversicherung einerseits zur öffentlichen Hand und damit zu den Steuerzahlenden und andererseits zu den Zusatzversicherten. Folglich wäre mit einer starken Erhöhung der Steuerbelastung zu rechnen, da dem Staat Mehrausgaben erwachsen würden, wenn er für die ungedeckten Gesundheitskosten wenig Bemittelter aufkommen müsste. Überdies muss man sich fragen, ob mit der Annahme der Initiative die Prämien für die Versicherten im stationären Bereich wirklich sinken würden, wenn man sich die zu erwartende Zunahme der Aufenthaltstage vor Augen führt.

Neben der Tatsache, dass die von der Initiative geforderte obligatorische Versicherung keine soziale Versicherung mehr ist, erweist sich die Initiative hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht als problematisch. Bezüglich der Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit kann die Initiative nämlich als Behinderung des freien Personenverkehrs betrachtet werden und widerspricht somit den

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Grundsätzen der Gemeinschaft. Eine Einhaltung des in Artikel 42 (bisher 51) des EG-Vertrages verankerten Koordinationssystems der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit durch die Schweiz würde nach dem Inkrafttreten der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft voll zum Tragen kommen.

Eine Infragestellung des vom KVG eingeführten Systems ist unter dem Blickwinkel der in der Initiative vorgesehenen Bestimmungen umso weniger gerechtfertigt, als mit der laufenden, in zwei Etappen unterteilten ersten Teilrevision des KVG das System gestärkt und gewisse der Umsetzung hinderliche Unklarheiten ausgeräumt werden sollen. Diese Revision entspricht den erforderlichen Anpassungen des Systems, das mit dem am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Krankenversicherungsgesetz errichtet wurde. Daher kann die Regierung eine völlige Umkrempelung der schweizerischen Krankenversicherung und das kategorische Zunichtemachen der im Laufe der Jahre erworbenen sozialen Errungenschaften, die anhand der gesammelten Erfahrungen oder gründlichen Untersuchungen im Zuge von Reformen und schliesslich der Totalrevision des Krankenversicherungsgesetzes laufend verbessert wurden, keinesfalls befürworten.

Aus all diesen Gründen empfiehlt der Bundesrat, die vorliegende Initiative abzulehnen, ohne einen Gegenvorschlag zu unterbreiten.

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