99.437 Parlamentarische Initiative des Büros.

Präsidium des Ständerates.

Anpassung des Geschäftsreglementes Bericht des Büros des Ständerates vom 3. September 1999

Sehr geehrte Damen und Herren, Gestützt auf Artikel 21ter Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) unterbreiten wir Ihnen den vorliegenden Bericht über die Schaffung des Amtes eines zweiten Vizepräsidenten oder einer zweiten Vizepräsidentin gemäss Artikel 152 der Bundesverfassung vom 18. April 1999. Ausserdem schlagen wir vor, den Zeitpunkt der Einreichung von Vorstössen im Reglement ausdrücklich zu regeln.

Gleichzeitig stellen wir den Bericht dem Bundesrat zur Kenntnis zu.

Das Büro beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

3. September 1999

Im Namen des Büros

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Der Präsident: Rhinow

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1999-5617

Bericht 1

Ausgangslage

Gemäss Artikel 82 Absatz 1 der geltenden Bundesverfassung (BV) wählt der Ständerat für jede ordentliche oder ausserordentliche Sitzung einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten. Die am 18. April 1999 von Volk und Ständen angenommene Bundesverfassung (nBV) bestimmt in Artikel 152, dass erstens die Ratspräsidien für die Dauer eines Jahres gewählt werden ­ was eine Anpassung an die bereits seit Anfang des Bundesstaates geübte Praxis darstellt und auch auf reglementarischer Ebene so geregelt ist. Zweitens sieht Artikel 152 der neuen Bundesverfassung neu die Wahl eines zweiten Vizepräsidenten oder einer zweiten Vizepräsidentin vor.

Weiter wurde die Regelung gestrichen, wonach der Präsident oder die Präsidentin sowie der Vizepräsident und die Vizepräsidentin nicht aus dem gleichen Kanton sein dürfen wie der Präsident oder die Präsidentin des vorangehenden Amtsjahres.

Weiter wurde auf die Bestimmung verzichtet, dass das Amt des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin nicht in zwei aufeinanderfolgenden Jahren von Ratsmitgliedern aus dem gleichen Kanton bekleidet werden darf (Artikel 82 Absatz 2 und 3 BV; sog. Kantonsklausel).

Es geht nun darum, die entsprechenden Ausführungsbestimmungen zu erlassen, d. h.

das Reglement des Ständerates vom 24. September 1986 (GRS) muss entsprechend angepasst werden.

Das Büro benützt den Anlass einer Reglementsrevision, um den Zeitpunkt für die Einreichung von persönlichen Vorstössen gemäss der bisherigen Praxis ausdrücklich im Geschäftsreglement zu verankern.

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Frühere Diskussionen

Die Verstärkung des Ratspräsidiums entweder durch eine Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten oder der Präsidentin oder durch die Erweiterung des Präsidiums wurde wiederholt zur Diskussion gestellt, so auch in der Arbeitsgruppe Wahlen im Jahre 1973. Ein längeres, kontinuierliches Ratspräsidium wurde mit dem Argument abgelehnt, dass sich im schweizerischen Milizparlament kaum Leute finden würden, die ein solches Amt für eine längere Zeit übernehmen könnten (Schlussbericht der Arbeitsgruppe für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung, Bd, IV, Bern, 1973, S. 487).

Die Frage wurde auch im Rahmen der Parlamentsreform erneut aufgenommen, als es darum ging, nach den Revisionen des Geschäftsverkehrsgesetzes und der Ratsreglemente in den vergangenen Jahren auch noch die notwendigen Verfassungsänderungen vorzuschlagen. Mit einer parlamentarischen Initiative hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrates am 21. Oktober 1994 eine Revision der Bestimmungen der Bundesverfassung von 1874 vorgeschlagen, die sich auf die Bundesversammlung beziehen (Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates [SPK N], BBl 1995 I 1133).

Ausgehend von der Tatsache, dass die Aufgaben der Ratspräsidien sowohl im Bereich der Ratsführung wie auch im Bereich der Repräsentation und vor allem der 9621

Beziehungen zu ausländischen Parlamenten zahlreicher und anspruchsvoller geworden sind, beantragte die Mehrheit der SPK N die Schaffung eines zweiten Vizepräsidenten oder einer zweiten Vizepräsidentin. Dadurch können «die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt und eine Stärkung in der Kontinuität der Ratsführung erreicht werden» (Bericht der SPK N, BBl 1995 I 1152).

Die Vorschläge der SPK N wurden im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung diskutiert und weitgehend in die neue Verfassung aufgenommen.

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Erläuterung einzelner Bestimmungen

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Zusammensetzung des Büros und Amtsdauer (Art. 5 Abs. 1 und 1bis)

Das Büro bekräftigt nach Prüfung von anderen Modellen die bereits in der Debatte über die Bundesverfassung vertretene Ansicht, dass sich mit der Einführung eines zweiten Vizepräsidenten oder einer zweiten Vizepräsidentin im Ständerat praktisch nichts ändert, weil hier gewohnheitsrechtlich der erste Stimmenzähler oder die erste Stimmenzählerin de facto schon zweiter Vizepräsident oder zweite Vizepräsidentin ist. Dies hat zur Folge, dass an Stelle des ersten Stimmenzählers oder der ersten Stimmenzählerin der zweite Vizepräsident oder die zweite Vizepräsidentin gewählt wird und die geltende zahlenmässige Zusammensetzung des Büros unverändert bleibt.

In Absatz 1bis werden die von der Verfassung festgelegte einjährige Amtsdauer und der Ausschluss der Wiederwahl in dasselbe Amt für das folgende Jahr wiederholt.

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Ausgestaltung der neuen Funktion des zweiten Vizepräsidenten oder der zweiten Vizepräsidentin (Art. 8 Abs. 1, Abs. 1bis und Abs. 2)

Während die Aufgaben des Präsidenten oder der Präsidentin in Artikel 7 GRS detailliert umschrieben sind, kommt dem Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin eine allgemein umschriebene Unterstützungsaufgabe zu. Artikel 8 Absatz 1 des geltenden GRS bestimmt, dass der Vizepräsident den Präsidenten vertritt, wenn dieser verhindert ist oder sich an den Beratungen beteiligen will.

Die Frage stellt sich, inwieweit ein zusätzlicher Vizepräsident oder eine zusätzliche Vizepräsidentin die Stellung der bisherigen Mitglieder des Ratspräsidiums beeinflusst. Das Büro ist der Meinung, dass die Stellung des Präsidenten oder der Präsidentin keiner Änderung bedarf. Es soll nach wie vor Aufgabe des Präsidenten oder der Präsidentin sein, die Verhandlungen des Rates und des Büros zu leiten, für den Geschäftsgang zwischen den Sessionen zu sorgen sowie die Vertretung des Rates gegenüber dem Bundesrat, gegen aussen und die Koordination mit dem Nationalrat wahrzunehmen.

Das Büro hat beschlossen, die Aufgaben der beiden Vizepräsidenten allgemein zu umschreiben, sodass sich der Präsident oder die Präsidentin dort entlasten kann, wo er oder sie es für notwendig erachtet. Diese Regelung entspricht dem status quo, mit der Ausnahme, dass für die Leitung der Verhandlungen im Rat der ehemalige Präsident oder die ehemalige Präsidentin erst beigezogen wird, wenn auch der zweite Vi9622

zepräsident oder die zweite Vizepräsidentin verhindert ist (vgl. Art. 8 Abs. 2). In Absatz 1bis wird klargestellt, dass der zweite Vizepräsident oder die zweite Vizepräsidentin auch die Funktion eines Stimmenzählers oder einer Stimmenzählerin übernimmt.

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Streichung der «Kantonsklausel» (Art. 5 Abs. 3 und 4)

Gemäss der geltenden Verfassung dürfen weder der Präsident oder die Präsidentin noch der Vizepräsident oder die Vizepräsidentin aus demselben Kanton stammen wie der vorherige Ratspräsident oder die vorherige Ratspräsidentin (vgl. Art. 82 Abs. 2 BV). Zudem dürfen Ratsmitglieder aus dem gleichen Kanton nicht in zwei aufeinanderfolgenden Jahren Vizepräsident oder Vizepräsidentin werden (vgl.

Art. 82 Abs. 3 BV). Hinter dieser Bestimmung stand die Absicht, einer allzu grossen Machtkonzentration auf einen einzelnen Kanton vorzubeugen. Diese Regelung, wonach der gleiche Kanton erst nach einem Unterbruch von zwei Jahren wieder den Präsidenten oder die Präsidentin stellen darf, wurde im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung gestrichen, weil die Berücksichtigung verschiedener Kantone bei der Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin und des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin im Ständerat nie zu Diskussionen Anlass gegeben hat. Eine Analyse der Kantonszugehörigkeit der Ständeratspräsidenten zeigt, dass in den letzten dreissig Jahren frühestens nach fünf Jahren wieder ein Vertreter oder eine Vertreterin aus demselben Kanton gewählt wurde. Auch ohne verfassungsrechtlichen Zwang wird also dem Gedanken der Abwechslung Rechnung getragen.

Die Absätze 3 und 4 von Artikel 5 GRS wiederholen die geltende Regelung, die im Rahmen der Verfassungsrevision aufgehoben wurde, und müssen daher gestrichen werden.

Falls die Aufnahme einer «Kantonsklausel» erwünscht sein sollte, müsste dies nach dem Gesetzesbegriff der neuen Bundesverfassung (Art. 164) auf Gesetzesebene erfolgen und könnte nicht im Rahmen dieser Reglementsrevision geschehen.

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Zeitpunkt der Einreichung von Vorstössen (Art. 26, Abs. 1)

In der Sommersession 1999 hat sich die Frage gestellt, bis zu welchem Zeitpunkt eine dringliche Interpellation eingereicht werden kann, bis zum Schluss der Sitzung des zweiten Sessionstages oder bis um 24 Uhr des zweiten Sessionstages. Das Büro hat gemäss der langen Praxis im Ständerat entschieden, dass dringliche Interpellationen wie alle Vorstösse während der Sitzung eingereicht werden müssen. Es hat aber festgestellt, dass dies im Geschäftsreglement im Gegensatz zum nationalrätlichen Reglement nicht ausdrücklich festgehalten ist. Deshalb benützt es die vorliegende Reglementsrevision, um dem Ständerat zu beantragen, in Artikel 26 Absatz 1 den Zeitpunkt noch klarer zu definieren, in dem Vorstösse eingereicht werden können.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentinnen der beiden Räte erhalten gemäss Artikel 11 des Entschädigungsgesetzes vom 18. März 1988 eine jährliche Zulage (5000 Franken). Das Büro schlägt vor, auch den zweiten Vizepräsidenten oder die zweite Vizepräsidentin mit 5000 Franken zu entschädigen. Eine Anpassung des Entschädigungsgesetzes sowie des Bundesbeschlusses zum Entschädigungsgesetz ist nicht nötig.

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Inkrafttreten

Gemäss Artikel 5 GRS wählt der Rat zu Beginn der Wintersession das Büro. Die Wintersession beginnt am 6. Dezember 1999. Die neue Bundesverfassung, verfassungsrechtliche Grundlage für den zweiten Vizepräsidenten oder die zweite Vizepräsidentin, tritt aber voraussichtlich erst am 1. Januar 2000 in Kraft.

Deshalb soll der Ständerat zu Beginn der Wintersession die Mitglieder des Büros in ihren gegenwärtigen Amtsbezeichnungen wählen. Nach Inkrafttreten der Bundesverfassung und dieser Reglementsrevision wird der 1. Stimmenzähler zum 2. Vizepräsidenten.

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