99.062 Botschaft über die Sanierung der Compagnie des Chemins de fer fribourgeois (GFM) vom 11. August 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit die Botschaft und die Entwürfe zum Bundesgesetz und einem Bundesbeschluss über die Sanierung der Freiburger Bahnen (Compagnie des Chemins de fer fribourgeois), mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. August 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-4616

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Übersicht Die Compagnie des Chemins de fer fribourgeois (GFM) sind finanziell sanierungsbedürftig; die Unternehmung bedarf einer Finanzspritze im Umfange von insgesamt 16,6 Millionen Franken. Die Ursache dieser finanziellen Schwierigkeiten liegen einerseits darin, dass in den letzten 15 Jahren verschiedentlich namhafte zukunftsbezogene, jedoch überhöhte und nicht der Marktrealität angemessene Investitionen getätigt wurden, ohne dass deren Tragbarkeit bzw. Rentabilität genügend abgeklärt wurden. Andererseits versagten Führungs- und Kontrollinstrumente. Bei Dritten (Banken, Pensionskassen) wurden Kredite aufgenommen, teils ohne die notwendige Ermächtigung der zuständigen Gesellschaftsorgane, teils ohne genügend klare Begründung und Rechtfertigung.

Der Bund ist zwar nicht zwingend verpflichtet, sich an einer Sanierung der GFM zu beteiligen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die finanzielle Beteiligung an einer Sanierung für den Bund ­ im Vergleich zu einem Konkursfall ­ die kostengünstigere Variante ist. So müsste beispielsweise bei einem Konkurs der Unternehmung eine Auffanggesellschaft gegründet werden, damit der Service public aufrechterhalten werden kann.

Auf Grund der Tatsache, dass im verantwortlichen Verwaltungsrat der GFM auch ein Bundesvertreter und ein Vertreter der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) Einsitz hatten, könnte der Bund nach Artikel 754 in Verbindung mit Artikel 762 Absatz 4 OR unter Umständen zur Rechenschaft gezogen und zu Schadenersatz verpflichtet werden. Der Bundesrat hat seinerseits entschieden, wegen des beträchtlichen Prozessrisikos und der zu erwartenden Prozessdauer auf Verantwortlichkeitsklagen bzw. auf Rückgriffe zu verzichten.

Der Bundesrat ist bereit, einen einmaligen Beitrag an die Sanierung der GFM zu beantragen. Er hat diese Bereitschaft jedoch von einer Anzahl Bedingungen abhängig gemacht, die eine effizientere Führung der Unternehmung sicherstellen sollen und die inzwischen erfüllt sind. Zudem sind die entsprechenden Lehren gezogen und eine deutliche Signalwirkung für die Geschäftsführung der Unternehmungen des öffentlichen Verkehrs erzielt worden. Mit der vorliegenden Botschaft wird ein Bundesbeitrag von 5,532 Millionen Franken an die Sanierung der GFM beantragt.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

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Ausgangslage

Damit die Schadenfälle eingeordnet werden können, ist es wichtig, gewisse rechtliche Merkmale der Transportunternehmung Compagnie des Chemins de fer fribourgeois (GFM) und deren wirtschaftliche und politische Bedeutung für den Kanton Freiburg zu kennen.

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Rechtliche Merkmale

Die GFM gingen 1942 aus der Fusion der drei Bahnunternehmen Chemins de fer électriques de la Gruyère (CEG), Bulle­Romont (BR) und Fribourg­Morat­Anet (FMA) als privatrechtliche Aktiengesellschaft im Sinne der Artikel 620 ff. OR hervor. Der Gesellschaftssitz befindet sich in Bulle. Das Aktienkapital der GFM beträgt heute 13,75 Millionen Franken. Im Rahmen von Subventionsvereinbarungen im Jahre 1943 beteiligte sich der Bund am Gesellschaftskapital mit 1,5 Millionen Franken und stockte seine Kapitalbeteiligung 1962 im Rahmen weiterer Vereinbarungen um 2,2 Millionen auf 3,7 Millionen Franken auf. Die Eigentumsverhältnisse, welche im vorliegenden Fall auch identisch sind mit den Stimmrechten, präsentieren sich wie folgt: ­ Kanton Freiburg 66,7 Prozent ­ Bund 26,9 Prozent ­ Private 6,4 Prozent Das Aktienkapital befindet sich somit zu mehr als 93 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand, wobei der Kanton Freiburg über eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit verfügt.

Der statutarische Zweck der Gesellschaft besteht im Bau und Betrieb von Eisenbahnlinien sowie im Betrieb von Autobuslinien (Statuten aus dem Jahr 1962). Im Jahr 1993 wurden die Statuten total revidiert. Als gleichberechtigter zweiter Hauptzweck wurde neu explizit das Engagement der Gesellschaft im Frachtbereich, bei den Zügeltransporten und in der Reisebranche aufgenommen (nicht subventionierte Nebengeschäfte). Ferner wurde neu festgehalten, dass die Gesellschaft auch alle Immobilientransaktionen tätigen kann, welche direkt oder indirekt mit den Gesellschaftszielen verbunden sind.

Bis Ende 1997 gab es nebst dem Verwaltungsrat noch einen Verwaltungsratsausschuss. Die Mitglieder des Verwaltungsrates wurden unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Regionen rekrutiert. Der Kanton Freiburg war im Verwaltungsrat und dessen Ausschuss mit zwei amtierenden Staatsräten (Regierungsräten) vertreten. Im fünfköpfigen Verwaltungsratsausschuss wirkte ein Vertreter des Bundes mit, dem Verwaltungsrat gehörte bis 1994 zudem ein Vertreter der SBB an.

Ende 1997 wurde der Verwaltungsrat fast vollständig erneuert und von 17 auf 9 Mitglieder reduziert. Ein Mitglied vertritt den Bund, zwei Mitglieder den Kanton

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Freiburg und eines die Personalverbände. Gleichzeitig wurde der Verwaltungsratsausschuss abgeschafft.

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Wirtschaftliche Bedeutung

Die GFM betreiben ein Netz von insgesamt 724 km Länge. Davon entfallen 43 km auf Normalspur (Fribourg­Ins; Bulle­Romont), 48 km auf Schmalspur (Palézieux­ Bulle­Montbovon; Bulle­Broc-Fabrique) und 633 km auf 62 Buslinien. Die GFM beschäftigen mehr als 400 Personen und verzeichneten im Jahre 1997, bei einer Bilanzsumme von 262,6 Millionen Franken, einen Gesamtaufwand von 62,8 Millionen Franken und einen Gesamtertrag von 63,3 Millionen Franken, wovon 17,4 Millionen Franken auf den Verkehrsertrag, 37,3 Millionen Franken auf die Abgeltung und 8,6 Millionen Franken auf Nebenerträge und Dienstleistungen für Dritte entfallen.

Die GFM nehmen bezüglich Abgeltung unter den öffentlichen Transportunternehmungen im Kanton Freiburg eine besondere Stellung ein: Von der gesamten Abgeltung gemäss Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101) für den regionalen Personenverkehr im Kanton Freiburg geht mehr als die Hälfte an die GFM, der Rest im Wesentlichen an die SBB. Die GFM sind dabei fast ausschliesslich im Kanton Freiburg tätig; nur rund 5 Prozent der Abgeltung entfallen auf Leistungen in den Kantonen Bern und Waadt.

Der kumulierte Bilanzverlust betrug 1997 rund 16 Millionen Franken (die Revisionsstelle hat im Revisionsbericht 1996 auf den eingetretenen Kapitalverlust bzw.

die Überschuldung gemäss OR Artikel 725 Absätze 1 und 2 aufmerksam gemacht).

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Politische Bedeutung

Die grosse wirtschaftliche Bedeutung der GFM und der Umstand, dass die Gesellschaft zu 66,7 Prozent dem Kanton Freiburg gehört, haben von Beginn weg dazu geführt, dass die GFM sehr eng in die politischen Strukturen des Kantons eingebunden waren. Dies geht vor allem auch aus den reglementarischen Bestimmungen für die Besetzung des Verwaltungsrates hervor. Die Regelung, dass zwei amtierende Staatsräte des Kantons nicht nur im Verwaltungsrat, sondern auch in dessen Ausschuss mitwirkten, zeigt, dass der Mehrheitsaktionär die GFM eng in die freiburgische Politik einbezieht.

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Gründe für den Sanierungsbedarf

Im Laufe der letzten Jahre gerieten die GFM in einen finanziellen Engpass. Die Ursachen dieser finanziellen Schwierigkeiten können in zwei untereinander verbundene Gruppen gegliedert werden: Zum einen lag dies daran, dass im Laufe der Jahre verschiedentlich zukunftsbezogene, jedoch überdimensionierte und nicht der Marktrealität angemessene Investitionen getätigt wurden, ohne deren Tragbarkeit bzw.

Rentabilität genügend abgeklärt zu haben. Zum anderen fehlten wichtige Führungsund Kontrollinstrumente.

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Probleme bei grösseren Projekten der GFM

In den letzten 15 Jahren wurden mehrere grössere Investitionen getätigt, die fast alle zu Problemen führten. Dabei handelte es sich um:

121.1

Kauf von Liegenschaften in Semsales und Grattavache

In den Jahren 1986 und 1990 erwarben die GFM Grundstücke für 0,7 Millionen Franken in den Landwirtschaftszonen von Semsales und Grattavache. Das Unternehmen ging davon aus, dass diese in nächster Zeit eingezont würden und darauf Industriezonen mit Bahnanschlüssen entstehen würden. Die Grundstücke wurden jedoch nicht eingezont. Ihr Kauf wurde seinerzeit mit Fremdmitteln finanziert, so dass die GFM seit dem Kauf eine Zinslast zu tragen haben. Sie könnten zurzeit nur mit Verlust verkauft werden.

121.2

Neubau Bahnhof Bulle

Zwischen 1989 und 1992 wurde der neue Bahnhof in Bulle für Bahn und Bus gebaut. Dabei wurde die in einer Investitionsvereinbarung und einem Nachtrag von Bund und Kanton Freiburg den GFM zugebilligte Investitionssumme von 34,5 Millionen Franken um rund 9,5 Millionen Franken überschritten. Diese Baukostenüberschreitung ist auf verschiedene Projektänderungen zurückzuführen. So wurde von den GFM unter anderem ein Restaurant, Büroräumlichkeiten und Läden erstellt, die in der Investitionsvereinbarung nicht vorgesehen waren.

121.3

Projekt Busbahnhof Estavayer-le-Lac

Da die Busstation in Estavayer-le-Lac zu klein ist, nahm die Direktion der GFM eine Erweiterung in Aussicht. 1987 wurde ein entsprechendes Terrain für 1,6 Millionen Franken gekauft. Im Jahr 1993 reichten die GFM dem Bundesamt für Verkehr (BAV) ein Projekt mit Gesamtkosten von 14,83 Millionen Franken (Beteiligung durch PTT, GFM, Private) ein. Angesichts der Tatsache, dass das Projekt nur drei GFM-Buslinien dienen soll, verlangte das BAV namhafte Abstriche am Projekt.

Dieses wurde in der Folge mehrmals überarbeitet. Nach Bekanntwerden der grossen finanziellen Schwierigkeiten der GFM wurde die weitere Verfolgung dieses Projektes 1996 sistiert. Die bis zu diesem Zeitpunkt für die GFM angefallenen Kosten betragen 2,7 Millionen Franken, die Beiträge der öffentlichen Hand belaufen sich auf 1,6 Millionen Franken.

121.4

Kauf und Umbau dreier Hallen in Givisiez

Im Januar 1988 beantragte die Direktion der GFM den vorgesetzten Behörden den Kauf zweier Hallen in Givisiez für einen Preis von 7 Millionen Franken. In diesen zwei Hallen sollte, bei gleichzeitigem Verkauf einer GFM-eigenen Halle für 6 Millionen Franken, eine Garage für die Autobusse der GFM eingerichtet werden.

Die notwendigen Anpassungskosten wurden auf 0,4 Millionen Franken geschätzt.

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Die Anpassungsarbeiten an diesen zwei Hallen für die Bedürfnisse der GFM beliefen sich im Verlaufe der Jahre indessen auf 6,5 Millionen Franken.

Im Jahr 1989 beschloss der Verwaltungsrat auf Antrag der Direktion den Kauf einer dritten, in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Halle zum Preis von 10,8 Millionen Franken. Diese wurde gekauft, um die verschiedenen Fahrzeuge für den privaten Geschäftsbereich abzustellen (Ausflüge, Umzüge, Lastwagentransporte, Zementlieferung). Eine kleine grobe Marktstudie bestätigte, dass für diese Halle genügend potenzielle Mieter vorhanden wären. Der Erwerb der insgesamt drei Hallen wurde mittels Darlehen fremdfinanziert. Die zwei ersten Hallen werden seither weitgehend für die Unterbringung von Autobussen der GFM genutzt. Trotz verschiedener Interessenten konnte die dritte Halle wegen den hohen Mietkosten nur in sehr beschränktem Umfang vermietet werden.

121.5

Busbahnhof Freiburg

Über der im Bau befindlichen unterirdischen Busbahnhof in Freiburg wurde ein privates Bürogebäude eingeplant. Es konnten jedoch keine Interessenten gefunden werden, sodass das Projekt redimensioniert werden musste. Die bis zu diesem Zeitpunkt für den ehemals «privaten» Teil getätigten und zu tilgenden Investitionen betragen rund 3,7 Millionen Franken.

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Mangelnde Führungs- und Kontrollinstrumente

Die Führungs- und Kontrollinstrumente der GFM waren für ein Unternehmen dieser Grösse nicht ausreichend. Die einzelnen leitenden Organe waren nicht in der Lage, exakte und vollständige Informationen über den finanziellen Zustand der Unternehmung zu erstellen und den anderen Organen zukommen zu lassen, damit diese ihre Pflichten in diesem Bereich ihrerseits erfüllen konnten.

Das teilweise Fehlen verlässlicher, vollständiger und transparenter Führungsinstrumente im finanziellen Bereich hatte unter anderem folgende Konsequenzen: ­

Die Zuständigkeitsordnung zwischen Direktion, Verwaltungsratsausschuss und Verwaltungsrat wurde häufig nicht eingehalten. Es wurde nur teilweise oder ungenau von unten nach oben im Rahmen der entsprechenden Zuständigkeit informiert.

­

Die durch den Bund nicht subventionierten Nebengeschäfte (Strassen-, Zügeltransporte, Reisebranche) wurden in der Buchhaltung als gewinnbringend ausgewiesen, obschon sie im Durchschnitt der Jahre defizitär waren. Das EBG erlaubt zwar, Überschüsse aus Nebengeschäften dem Bereich öffentlicher Verkehr gutzuschreiben; hingegen darf ein Verlust bei den Nebengeschäften nicht über den Bereich öffentlicher Verkehr gedeckt, d. h. subventioniert werden. Deshalb wurden vom BAV regelmässig Kosten nicht anerkannt, die zum Bereich Nebengeschäfte gehörten, was zu einer zusätzlichen Erhöhung des Passivsaldos der Unternehmung führte.

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Beurteilung durch Experten

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Aktienrechtliche Untersuchung durch eine externe Treuhandgesellschaft

Aufgrund des eingetretenen namhaften finanziellen Schadens hat sich das BAV 1996 dazu entschlossen, gemeinsam mit dem Kanton Freiburg die allfällige aktienrechtliche Verantwortlichkeit der Organe der GFM einer eingehenden Abklärung zu unterziehen. Die in Lausanne domizilierte Treuhandfirma KPMG Fides wurde mit den umfangreichen Abklärungen betraut. Dabei wurden fünf Bereiche für eine vertiefte Untersuchung ausgewählt: Neubau Bahnhof Bulle, Busbahnhof Estavayerle-Lac, Kauf und Umbau der Hallen in Givisiez, Finanzierung der Investitionen sowie die Qualität des finanziellen Reportings. Die Untersuchung umfasste die Verantwortlichkeit der leitenden Organe der GFM, nämlich des Verwaltungsrates, des Verwaltungsratsausschusses und der Direktion. Die KPMG Fides gelangte zu folgenden Schlüssen: ­

Bezüglich der fünf untersuchten Bereiche wurde der eingetretene Verlust auf 27­32 Millionen Franken geschätzt.

­

Die leitenden Organe der GFM sind ihren aktienrechtlichen Verpflichtungen nicht in ausreichendem Masse nachgekommen. Vor diesem Hintergrund bejahen die Gutachter die aktienrechtliche Verantwortlichkeit dieser Organe gemäss Artikel 754 OR.

­

Die Verantwortung trägt vorwiegend der Verwaltungsrat, in zweiter Linie der Direktor, in dritter Linie der Verwaltungsratsausschuss. Den Vertretern des Kantons Freiburg und des Bundes im Verwaltungsrat weist die KPMG Fides auf Grund deren besseren Informationsstandes eine gegenüber den andern Verwaltungsratsmitgliedern leicht erhöhte Verantwortlichkeit zu.

­

Im Unterschied zum Direktor kann den einzelnen Mitgliedern des Verwaltungsrates der genaue Umfang der Verantwortlichkeit, d. h. die Höhe des verursachten Schadens, nicht zugeordnet werden. Dies könnte nur der Richter im Rahmen einer Beurteilung allfälliger Zivilklagen.

­

Im Rahmen der Abklärungen fand die KPMG Fides keine Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten der Organe der GFM. Letzteren wird guter Glaube zugebilligt.

Die Gutachter sehen folgende Gründe für die sanierungsbedürftige Lage der GFM: ­

Vornahme von überhöhten, nicht realitätsbezogenen Investitionen, deren Tragbarkeit/Rentabilität nicht genügend abgeklärt wurde.

­

Zu grosser Verwaltungsrat.

­

Zusammensetzung des Verwaltungsrates nach überwiegend (regional-)politischen Kriterien. Managementfunktionen waren kaum gefragt.

­

Ungenügende Beaufsichtigung der Direktion durch den Verwaltungsrat und seinen Ausschuss.

­

Fehlen wichtiger Führungsinstrumente bzw. fehlende Transparenz vorhandener Führungsinstrumente.

­

Erhöhter Spardruck der öffentlichen Hand.

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Administrativuntersuchung durch das UVEK ­ Bericht Saxer

Das UVEK hat sich eingehend mit der Frage auseinander gesetzt, welche Umstände zum Sanierungsfall GFM geführt haben. Der in Muri bei Bern tätige Fürsprecher Hans-Rudolf Saxer wurde im April 1996 vom UVEK beauftragt, in einer Administrativuntersuchung die Verantwortung der Bundesstellen und -vertreter und die daraus für die Zukunft zu ziehenden Lehren aufzuzeigen. Der Bericht wurde am 11. Juni 1998 abgeliefert.

Im Wesentlichen decken sich die Aussagen des Berichtes von Herrn Fürsprecher Saxer mit denjenigen der Treuhandfirma KPMG Fides. Nachfolgend werden ergänzend wichtige Gründe für den Sanierungsbedarf beleuchtet.

a. Verwaltungsrat Die in den Statuten des Jahres 1962 festgelegte Zusammensetzung des Verwaltungsrates (9­20 Mitglieder, spezielle Berücksichtigung regionaler Interessen, Einsitznahme zweier amtierender freiburgischer Staatsräte) dürfte zu jenem Zeitpunkt in den Statuten vieler vergleichbarer gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften zu finden gewesen sein und dem damaligen Zeitgeist entsprochen haben. Dass diese Bestimmungen bei der Totalrevision der Statuten im Jahr 1993 unverändert übernommen worden sind, ist indessen problematisch: Ein derart grosses und schwergewichtig nach regionalpolitischen Gesichtspunkten zusammengesetztes Gremium dürfte kaum in der Lage sein, den Anforderungen des revidierten Aktienrechts (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991, in den wesentlichen Teilen in Kraft seit 1. Juli 1992, SR 220) zu genügen. Es wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf den neuen Artikel 716a OR verwiesen, welcher die unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates schärfer regelt. Dass der Verwaltungsrat der GFM diesen Aufgaben auch effektiv nicht in allen Teilen gewachsen war, haben die Abklärungen eindeutig ergeben.

Spätestens das revidierte Aktienrecht hätte für die GFM Anlass sein müssen, ihre organisatorischen Strukturen generell zu überprüfen und entsprechend anzupassen.

Auch im Fall der GFM hat sich zweifellos die Grösse des Verwaltungsrates negativ ausgewirkt. Eine Vielzahl von Mitgliedern führt fast zwangsweise dazu, dass sich das einzelne Verwaltungsratsmitglied nur beschränkt für die Leitung der Gesellschaft verantwortlich fühlt.

Wie bei vielen anderen Gesellschaften auch, versuchte man bei den GFM die Nachteile eines grossen Verwaltungsrates mit der Bildung eines fünfköpfigen
Ausschusses zu kompensieren. Die mit diesem Modell vorhandene Gefahr des «2-KlassenVerwaltungsrates» hat sich im Fall der GFM negativ ausgewirkt. Im Ausschuss tätige Verwaltungsräte hatten einen grossen Wissens- und Informationsvorsprung.

Auch bei den GFM hat sich bestätigt, dass das Risiko beträchtlich ist, dass nicht alle nach Artikel 716a OR notwendigen Informationen vom Ausschuss in den Verwaltungsrat getragen werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Grösse, die Struktur, die Arbeitsweise und die personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrates der GFM wesentlich zum eingetretenen Sanierungsbedarf beigetragen haben.

In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates und seines Ausschusses offensichtlich bestrebt waren, im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Es bestehen insbesondere auch keinerlei Anzeichen für ein strafrechtlich relevantes Verhalten.

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b. Direktion Die Abklärungen haben ferner ergeben, dass auch der damalige Direktor seine Führungsfunktion nicht in allen Teilen erfüllt hat. Der Ende 1996 zurückgetretene Direktor war eine dynamische Persönlichkeit und in Verkehrsfragen sehr gut ausgewiesen. Er hat es jedoch versäumt, in Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat rechtzeitig die nötigen Führungs- und Kontrollinstrumente im finanziellen Bereich aufzubauen. Zudem hat er in einzelnen Fällen die ihm zustehenden Kompetenzen überschritten. Bei der Verwirklichung seiner verkehrspolitischen Visionen hat er die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und die wirtschaftliche Entwicklung falsch eingeschätzt. Grosse Investitionsvorhaben wurden nicht in allen Fällen mit der nötigen Umsicht und Sorgfalt vorbereitet. Die Projektabwicklung inkl. Kostenkontrolle liess teilweise zu wünschen übrig. Selbst bei offensichtlichem Zutagetreten der finanziellen Schwierigkeiten hat er zu lange darauf vertraut, dass sich schon noch Finanzierungsmöglichkeiten, vor allem seitens der öffentlichen Hand, finden lassen. Die vom Direktor vertretene Unternehmungspolitik war teilweise von einem mangelnden Realitätsbezug geprägt. Die Anfang der 90er-Jahre eingetretene Rezession verschärfte die Probleme der GFM zusätzlich.

Es gilt jedoch festzuhalten, dass der Direktor offensichtlich nur das Beste im Interesse einer optimalen verkehrsmässigen Erschliessung des Kantons Freiburg zu unternehmen glaubte und sich in diesem Bereich auch grosse Verdienste erworben hat.

Auch hier bestehen keine Anzeichen für ein strafrechtlich relevantes Verhalten.

c. Führungs- und Kontrollinstrumente Die Führungs- und Kontrollinstrumente der GFM waren für ein Unternehmen dieser Grösse ungenügend. Die einzelnen leitenden Organe waren nicht in der Lage, exakte und vollständige Informationen über den finanziellen Zustand der Unternehmung zu erstellen und den anderen Organen zukommen zu lassen, damit diese ihre Verantwortung in diesem Bereich ihrerseits wahrnehmen konnten. Auch die Liquiditätsund Finanzplanung war ungenügend entwickelt.

d. Bundesamt für Verkehr Im Zusammenhang mit dem eingetretenen Sanierungsfall GFM ist es wichtig, die Rolle des BAV als Aufsichtsbehörde über die Transportunternehmungen anzusprechen. Es stellt sich insbesondere die Frage nach der Tragweite der Rechnungsprüfung
durch das BAV gemäss Artikel 70 des EBG. Gemäss dessen Absatz 2 prüft das BAV, ob die Rechnungen mit den gesetzlichen Vorschriften, den Bestimmungen der Konzession, den Statuten und Reglementen und den Vereinbarungen öffentlicher Körperschaften mit der Transportunternehmung über Beiträge und Darlehen übereinstimmen. Bei der Auslegung dieser Gesetzesbestimmung ist insbesondere festzuhalten, dass unter «gesetzlichen Vorschriften» das EBG samt seinen Ausführungsvorschriften gemeint ist und nicht etwa Prüfungshandlungen im Sinne einer aktienrechtlichen Revisionsstelle. Die Prüfung gemäss Artikel 70 EBG ist im Wesentlichen eine subventionsrechtliche Überprüfung. Sie umfasst zudem die Abklärung, ob die spezifischen Vorschriften über die Rechnungslegung gemäss Artikel 63 EBG eingehalten sind. Gemäss Artikel 72 EBG muss jede Transportunternehmung über eine eigene aktienrechtliche Revisionsstelle verfügen. Deren Aufgaben richten sich nach den Artikeln 727 ff. OR. Eine Doppelspurigkeit bei den Prüfungshandlungen gilt es unbedingt zu vermeiden.

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Die Rechnungsprüfung durch das BAV entbindet somit die leitenden Organe und die Revisionsgesellschaft in keiner Art und Weise von ihren Aufgaben und Verantwortlichkeiten nach OR. Dies umso weniger, als die Revision des EBG per 1. Januar 1996 die Eigenverantwortung der Transportunternehmungen zusätzlich namhaft gestärkt hat.

Im Fall der GFM ist das BAV nicht nur Aufsichtsbehörde im obgenannten Sinn, sondern auch Vertreterin des Bundes als GFM-Aktionär. Diese Doppelfunktion ist in der Praxis anspruchsvoll und bedingt einerseits eine strikte Funktionstrennung, andererseits aber auch eine intensive Kommunikation zwischen diesen Funktionsträgern.

14

Konsequenzen seitens der Behörden und der Unternehmung

141

Konsequenzen seitens der Bundesbehörden

141.1

Einleitung

Das UVEK und das Bundesamt für Verkehr (BAV) beschäftigen sich seit einiger Zeit eingehend mit Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Führung der Transportunternehmungen in einem tendenziell immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Umfeld stellen. Dabei sind auch die Erfahrungen aus der PTT-Reform in den Bereich des öffentlichen Verkehrs eingeflossen (klare Trennung der politischen und unternehmerischen Aufgaben; kleine, nach professionellen Kriterien zusammengesetzte Verwaltungsräte).

Die Bundesbehörden haben sich in regelmässigen Abständen an die Kantone und Transportunternehmungen gewandt. Die bei dieser Gelegenheit abgegebenen Weisungen und Empfehlungen dienten insbesondere dem Ziel, die wirtschaftliche Leistungserbringung der Transportunternehmungen zu verbessern und die Führungsstrukturen der Unternehmungen professioneller zu gestalten.

141.2

Generelle Lehren aus dem Fall GFM ­ Massnahmen für die Zukunft

Für den Erfolg oder Misserfolg einer Wirtschaftsunternehmung ist die personelle Zusammensetzung von Management und Verwaltungsrat von entscheidender Bedeutung. Dies gilt auch für die Transportunternehmungen. Bei diesen ist besonders zu beachten, dass sie seit der Revision des Eisenbahngesetzes per 1. Januar 1996 (und mit der Einführung der Bahnreform per 1. Januar 1999 im Fernverkehr) noch wesentlich stärker als früher dem Wettbewerb ausgesetzt sind. Im Hinblick auf die möglichst optimale Erbringung des öffentlichen Verkehrsangebotes und den Erfahrungen aus dem Sanierungsfall GFM müssen die Transportunternehmungen folgenden Anforderungen grösste Bedeutung beimessen: ­

Das Management (operative Führung) soll führungsstarken und fachkompetenten, aber auch kommunikationsfreudigen und selbstkritischen Persönlichkeiten anvertraut werden.

­

In einem Schreiben forderte das UVEK die Kantone und Transportunternehmungen 1997 auf, die Grösse der Verwaltungsräte an die neuen aktien-

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rechtlichen Erfordernisse anzupassen. Der Verwaltungsrat sollte in aller Regel höchstens 9 Mitglieder umfassen, was gleichzeitig den Verzicht auf einen Verwaltungsratsausschuss ermöglicht. Sollte vorübergehend an einem Ausschuss festgehalten werden, ist auf alle Fälle sicherzustellen, dass der Verwaltungsrat lückenlos informiert wird und über alle für seine Aufgabenerfüllung gemäss Artikel 716a OR notwendigen Grundlagen verfügt.

­

Bei der personellen Zusammensetzung des Verwaltungsrates ist darauf zu achten, dass der Verwaltungsrat als Organ über die nötige Kompetenz in den entscheidenden Bereichen (Führungserfahrung, Branchenkenntnisse, ökonomische und juristische Kenntnisse usw.) verfügt. Um den Transportunternehmungen die Neuwahl von Verwaltungsratsmitgliedern zu erleichtern, hat das BAV ein Anforderungsprofil für Verwaltungsräte erarbeitet.

­

Nebst den fachlichen Anforderungen, denen sie zu genügen haben, müssen Verwaltungsräte insbesondere über die nötige Unabhängigkeit, eine aktive, kritische Denk- und Handlungsweise sowie über genügend Zeit für die Mandatsausübung verfügen. Die Bundesvertreter in den Verwaltungsräten werden neu systematisch für ihr Mandat ausgebildet.

­

Die leitenden Organe einer Transportunternehmung müssen sich bei ihrer Arbeit nach betriebswirtschaftlichen Kriterien, unter besonderer Berücksichtigung der Marktverhältnisse, ausrichten und in allen Belangen hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden. Besondere Beachtung ist dem Aufbau wirksamer und transparenter Führungsinstrumente zu schenken. Die Anforderungen des Aktienrechts und des EBG samt seiner Ausführungserlasse und -bestimmungen müssen vollumfänglich erfüllt werden.

­

An die Besetzung der Revisionsstelle sind hohe fachliche Ansprüche zu stellen.

­

Anlässlich der Wiederwahl der Bundesvertreter in die Verwaltungsräte der Transportunternehmungen wurde überprüft, ob bundesseits noch ein Vertreter nötig ist. Das hatte zur Folge, dass die Vertretungen stark reduziert wurden.

­

Bezüglich der Doppelrolle des BAV als Aufsichtsbehörde und Vertreterin des Bundes im Verwaltungsrat von Privatbahnen wurden schon 1996 strikte Ausstandsregeln erlassen.

141.3

Konkrete Massnahmen im Fall GFM

Das BAV wurde im Laufe der Jahre auf Grund der vorgeschriebenen Rechnungsprüfungen gemäss EBG immer wieder aufmerksam auf Schwierigkeiten bzw. Unregelmässigkeiten. Diese wurden jeweils im Auftrage der Direktion BAV durch die verantwortlichen Sachbearbeiter bzw. Sektionschefs behandelt und soweit möglich und zulässig korrigiert. Dabei ist zu beachten, dass der Aufsichtstätigkeit Grenzen gesetzt sind und diese nicht in die operative Unternehmungsführung eingreifen darf.

Deshalb versuchten jeweils die Vertreter des BAV im Verwaltungsrat der GFM die Geschäfte ordnungsgemäss abwickeln zu lassen.

Von Seiten BAV und UVEK wurden unter anderem folgende Schritte und Massnahmen unternommen:

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­

Im Laufe des Jahres 1994 wurde klar, dass die GFM saniert werden müssen.

Der damalige Bundesvertreter im GFM-Verwaltungsrat informierte die BAV-Direktion. Der Direktor des BAV wandte sich hierauf mit einem ersten konkreten Vorschlag zur Sanierung der GFM an die Vertreter des Kantons Freiburg.

­

Vertreter des BAV und des Kantons Freiburg beschlossen am 12. Januar 1995 eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Diese hatte den Auftrag, die finanzielle Situation der GFM zu analysieren und Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Der Bericht der Arbeitsgruppe vom 26. September 1995 gelangte damals zum Schluss, dass die GFM einen Sanierungsbedarf von rund 30 Millionen Franken aufweisen.

­

Die Direktion BAV liess gemeinsam mit dem Kanton Freiburg von der Treuhandfirma KPMG Fides die aktienrechtliche Verantwortlichkeit der GFM-Organe abklären (siehe Ziff. 131). Zusätzlich beauftragte der Chef UVEK im April 1996 den Fürsprecher Hans-Rudolf Saxer in einer Administrativuntersuchung die Verantwortung der Bundesstellen und -vertreter festzustellen und die daraus für die Zukunft zu ziehenden Lehren aufzuzeigen (siehe Ziff. 132/Ziff. 141.2).

141.4

Bedingungen für eine Sanierungsbeteiligung des Bundes

Der Bundesrat ist nur bereit, einen Antrag auf Sanierung der GFM zu stellen, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden: ­

Der Verwaltungsrat der GFM muss von 17 auf 7­9 Mitglieder reduziert werden.

­

Alle Verwaltungsratsmitglieder, die bereits vor 1996 im Amt waren, treten zurück.

­

Für die Auswahl neuer Verwaltungsratsmitglieder wird ein strikt einzuhaltendes Anforderungsprofil erarbeitet, das das Schwergewicht auf die Tätigkeit in der Unternehmensführung legt. Der VR-Präsident darf nicht Mitglied des Regierungsrats des Kantons Freiburg sein. Vertreter des Kantons Freiburg im Verwaltungsrat dürfen keine Bestellerfunktion gemäss Verordnung über Abgeltung, Darlehen und Finanzhilfen nach Eisenbahngesetz vom 18. Dezember 1995 (ADFV; SR 742.101.1) ausüben.

­

Die GFM legen den Bestellern (Bund und Kanton Freiburg) eine ordnungsgemässe Planrechnung, ergänzt mit einer Kostenrechnung, vor. Die Unternehmensleitung legt zudem besonderes Gewicht auf eine strikte Liquiditätsplanung und überwacht die Fremdkapitalanlage in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftsorganen.

­

Der Bund anerkennt Kapitalkosten für Darlehen Dritter (Banken, Pensionskasse usw.) in der Rechnung der GFM nur dann, wenn die Bundesbehörden der Aufnahme solcher Darlehen im Voraus ausdrücklich zugestimmt haben.

Der Verwaltungsrat sorgt zudem dafür, dass die im Organisationsreglement vorgesehenen Entscheidungskompetenzen strikte eingehalten werden.

­

Das UVEK wird nach erfolgreicher Sanierung entscheiden, ob sich der Bund im Verwaltungsrat der GFM weiterhin vertreten lassen will; zudem wird im

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Rahmen der Sanierung entschieden, ob das Einschiessen von neuen Mitteln als Aktienkapital oder in anderer Form geschieht. Der Bund behält sich vor, allenfalls auch die bisherige Beteiligung aufzugeben.

­

Der Sanierungsanteil des Bundes beträgt maximal rund einen Drittel der Sanierungssumme; er erwartet vom Kanton Freiburg einen Beitrag von zwei Dritteln.

Wie im Folgenden dargelegt, sind diese Bedingungen inzwischen durch den Kanton Freiburg und die GFM erfüllt.

141.5

Verzicht auf Verantwortlichkeitsklagen

Die Überschuldung der GFM entstand im Wesentlichen zwischen 1988 und 1992 auf Grund von Investitionen, die nicht durch Investitionsvereinbarungen gedeckt waren. Die langandauernde Rezessionsphase verschlimmerte zweifellos die Finanzlage der GFM zusätzlich, da sich das Ergebnis der Nebengeschäfte noch verschlechterte und der überdimensionierte Immobilienbesitz dauernd an Wert verlor.

Gemäss den Erkenntnissen der Gutachter bestehen bei den verantwortlichen Organen keine Anzeichen für ein strafrechtlich relevantes Verhalten. Sowohl die Mitglieder des Verwaltungsrates und des Ausschusses als auch der Direktor waren offensichtlich bestrebt, im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Der Bundesrat hat aus folgenden Gründen von einer Verantwortlichkeitsklage gegen diese Personen abgesehen: Bei Klagen gegen andere Mitglieder der leitenden Organe bestünde ein erhebliches Prozessrisiko, es wäre mit einer langen Prozessdauer zu rechnen. Der Richter müsste in langwieriger Arbeit die Verantwortung auf die einzelnen Mitglieder des Verwaltungsrates zuscheiden. Zudem bestand das Risiko, dass umgehend von anderer Seite gegenüber den Bundesvertretern im Verwaltungsrat Verantwortlichkeitsklagen erhoben würden. Solche Klagen hätten letztlich grosse Kosten verursacht, viel Aufwand und finanziell trotzdem keine Vorteile gebracht.

Der Bund selbst haftet für den Schaden, den seine Vertreter im Verwaltungsrat durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursacht haben (Art. 754 in Verbindung mit Art. 762 Abs. 4 OR). Gemäss Artikel 7 des Verantwortlichkeitsgesetzes (SR 170.32) kann er auf die Vertreter nur Rückgriff nehmen, wenn diese vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt haben. Die Abklärungen durch die KPMG Fides hatten jedoch ergeben, dass den Vertretern im VR kaum Grobfahrlässigkeit vorgeworfen werden könnte.

Aus diesen Gründen verzichteten die Bundesbehörden auf die Einreichung von Verantwortlichkeitsklagen (vgl. aber zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit: letzter Absatz unter Ziff. 142).

141.6

Verzicht auf die Konkurseinleitung

Eine Möglichkeit zur Sanierung der GFM bestünde in der Auslösung eines Konkurses der Gesellschaft. Zur Aufrechterhaltung der Versorgung mit öffentlichem Verkehr hätte aber eine Auffanggesellschaft gegründet und mit genügend Kapital ausgestattet werden müssen. Dieser Weg hätte der Bonität der ÖV-Unternehmen geschadet und den Bund zur Aufrechterhaltung des Service public annähernd ebenso viel 9117

gekostet wie eine Sanierung ohne zusätzlichen Imageverlust. Weitere unabsehbare Kosten wären möglicherweise im politischen und sozialen Bereich angefallen. Deshalb sahen die Bundesstellen von dieser Möglichkeit ab.

142

Konsequenzen seitens des Kantons Freiburg

Der Kanton Freiburg hat mit dem Bund vereinbart, dass die GFM zuerst alle Massnahmen zur internen Bereinigung der Lage ergreifen müssen, bevor sie Bund und Kanton ein Gesuch um Sanierung einreichen.

Im Weiteren wurde vom Freiburger Staatsrat 1995 ein Audit in Auftrag gegeben, das die wirkliche Rentabilität und die Aussichten des Nebengeschäftsbereichs analysieren sollte.

Der Verwaltungsrat wurde von 17 auf 9 Mitglieder verkleinert und der Verwaltungsratsausschuss wurde abgeschafft. Nach der Sanierung der GFM dürfen im Verwaltungsrat keine Kantonsvertreter mehr Einsitz haben, die gleichzeitig eine Bestellerfunktion gemäss ADFV ausüben. Im Weiteren darf der VR-Präsident nicht Mitglied des Regierungsrats des Kantons Freiburg sein.

Der Grosse Rat des Kantons Freiburg hat an seiner Sitzung vom 27. November 1998 dem Sanierungsbeitrag diskussionslos zugestimmt.

Zudem hat der Kanton Freiburg ein Dossier beim Untersuchungsrichter eingereicht, der prüfen soll, ob eine strafrechtliche Verantwortlichkeit vorliegt. Der Bundesrat behält sich vor, in Kenntnis des Entscheids des freiburgischen Untersuchungsrichters seine Haltung betreffend einer Verantwortlichkeitsklage zu überprüfen.

143

Konsequenzen seitens der GFM seit 1996

Anfang 1996 wurde eine neue Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des Bundes, des Kantons Freiburg, den GFM und einer externen Beratungsfirma, eingesetzt, um einen Aktionsplan zur Rückbesinnung der GFM auf den öffentlichen Verkehr auszuarbeiten. Auf Grund der Vorarbeiten dieser Gruppe beschlossen die Organe der GFM, alle Nebentätigkeiten zu verkaufen, sodass sich das Unternehmen ab Ende Juni 1997 wieder auf den öffentlichen Verkehr konzentrieren konnte. Die Rückbesinnung aufs Kerngeschäft, zusammen mit einer Neuevaluation des ganzen mittelund langfristigen Immobilienbedarfs, war unabdingbar zur genauen Festlegung der Sanierungsbedingungen. Es handelte sich aber angesichts der Rezession und der Tatsache, dass man sich als Ziel gesetzt hatte, keine der 27 Personen zu entlassen, welche im betroffenen Bereich arbeiteten, um ein besonders heikles Vorhaben.

Im zweiten Halbjahr 1996 legte eine Auswahlkommission der Betriebsgemeinschaft GFM/Transport en commun de Fribourg (TF) das Anforderungsprofil für den neuen Direktor fest und schlug den Organen der beiden Unternehmen einen Kandidaten zur Wahl vor. Der neue Direktor nahm seine Tätigkeit Anfang 1997 auf.

Im ersten Halbjahr 1997 führten die Organe der GFM zusammen mit der neuen Leitung eine Gesamtanalyse der Rechnungslegung durch und erstellten auf Grund einer Neuschätzung gewisser Aktiva und Passiva für Ende 1996 eine berichtigte Bilanz. In diesem Rahmen zeigte sich, dass zur Deckung des technischen Defizits der Vorsorgestiftung Rückstellungen nötig waren. Später ergaben sehr intensive Ver9118

handlungen über die im Hinblick auf den Transfer der Vorsorgestiftung eingeholten Offerten, dass die Rückstellungen in der Jahresrechnung 1996 nicht gebraucht würden und aufgelöst werden könnten. So hat sich der angenommene Neufinanzierungsbedarf zur Sanierung und Kapitalerhöhung, der sowohl vom UVEK wie auch vom Staatsrat des Kantons Freiburg im September 1997 noch mit insgesamt 40 Millionen Franken beziffert wurde, als zu hoch erwiesen. Die Neufinanzierung wird sich darauf beschränken können, den korrigierten Verlustvortrag gemäss Revisionsbericht des BAV vom Oktober 1998 zu sanieren. Der Betrag wird mit 16 596 000 Franken beziffert.

Inzwischen haben die eingeleiteten Massnahmen seitens der GFM bereits erste positive Ergebnisse gezeigt. So konnte im Jahr 1998 im von Bund und Kanton bestellten Verkehr ein Gewinn von rund 1 Millionen Franken erzielt werden, der nach Artikel 64 Absatz 2 des EBG für zukünftige Risiken zurückgestellt werden muss. Der zu sanierende Bilanzverlust stammt aber nicht aus den direkten Tätigkeiten im öffentlichen Verkehr; deshalb wäre eine Verrechnung mit dieser Reserve nach Artikel 64 EBG gesetzeswidrig.

15

Rechtliche Beurteilung

151

Besteht eine Sanierungspflicht seitens des Bundes?

Weder das Eisenbahngesetz noch andere Rechtsquellen enthalten eine Verpflichtung des Bundes zur Sanierung von Transportunternehmungen in finanziellen Schwierigkeiten. Diese Erlasse enthalten aber auch keine Rechtsgrundlagen für eine allfällige Sanierung.

152

Nachträgliche Finanzierung von zusätzlichen Investitionen

Es stellt sich die weitere Frage, ob die zusätzlichen Investitionen, die zum Sanierungsbedarf geführt hatten, nicht über eine nachträgliche Subventionierung auf Grund von Artikel 56 EBG hätten finanziert werden können. Mindestens ein Teil der benötigten Sanierungsmittel hätte so gedeckt werden können.

Artikel 56 des EBG ermöglicht es dem Bund, Beiträge zu leisten für Anlagen, Einrichtungen oder Fahrzeuge einer Transportunternehmung, um die Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit oder Sicherheit des Betriebes wesentlich zu erhöhen. Dabei werden die Leistungsbedingungen in Vereinbarungen festgelegt. Diese werden zwischen Bund und Kanton als Besteller und der Unternehmung als Leistungserbringer unterzeichnet.

Für ein subventioniertes Projekt, dessen Kosten den Voranschlag übertreffen, kann grundsätzlich ein zusätzlicher Beitrag gewährt werden. Es können nur anrechenbare Kosten (Teuerung, wichtige Projektänderungen usw.) geltend gemacht werden.

Nach Artikel 26 Absatz 1 und Artikel 27 des Subventionsgesetz vom 5. Oktober 1990 (SuG; SR 616.1) müssen die Zusatzkosten von der zuständigen Behörde zwingend im Voraus genehmigt werden. Diese Bedingung ist namentlich im Fall des Projekts in Estavayer-le-Lac und beim Bau des Bahnhofs Bulle nicht erfüllt worden.

Ein nachträglicher Bundesbeitrag nach Artikel 56 EBG ist somit nicht zulässig.

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153

Öffentliche Interessen für einen Bundesbeitrag

Der Bund hat jedoch unbestreitbar ein öffentliches und politisches Interesse daran, den Konkurs der GFM durch eine Beteiligung an der Sanierung zu vermeiden (vgl.

Ziff. 141.5 und 141.6) und damit zusammen mit dem Kanton Freiburg den Service public einer Versorgung mit öffentlichem Verkehr sicherzustellen. Angesichts dieser Sachlage ist es gerechtfertigt, die Sanierung der GFM auf Grund einer besonderen Rechtsgrundlage zu unterstützen.

154

Form eines Bundesbeitrages

Die GFM verfügen über ein Aktienkapital von 13,75 Millionen Franken. Dieses beträgt 5,27 Prozent des Fremdkapitals (inkl. Investitionsbeiträge) von 260,9 Millionen Franken. Das Eigenkapital beläuft sich auf 1,75 Millionen Franken und beträgt 0,67 Prozent des Fremdkapitals.

Der kumulierte Verlustvortrag per Ende 1997 von 16 596 000 Franken kann durch einen A-fonds-perdu-Beitrag oder durch Aktienkapitalzeichnung eliminiert werden.

Damit sich bei letzterem die Besitzverhältnisse nicht verändern, muss das Aktienkapital (AK) im Ausmass der AK-Einzahlung abgeschrieben werden. Daraus ergeben sich folgende Varianten:

154.1

Darlehen

Die GFM sind verschuldet, und das Verhältnis Eigenkapital/Fremdkapital ist nicht sehr günstig. Eine Sanierung durch Gewährung von Darlehen ist somit nicht sinnvoll, weil dieses weder innert nützlicher Frist abgeschrieben noch zurückbezahlt werden kann. Das Darlehen würde zu einer weiteren Erhöhung des Fremdkapitals führen und somit nicht der Entschuldung dienen.

154.2

Aktienkapitalzeichnung

Eine Aktienkapitalzeichnung ist für den Bund denkbar. Dabei würden GFM-Aktien des Bundes im Betrage des Anteils des Bundes an der Sanierung abgeschrieben. Im Gegenzug würde der Bund neue GFM-Aktien im gleichen Betrage zeichnen und einzahlen. An den Eigentumsverhältnissen würde sich nichts ändern. Der Bund wäre nach wie vor im Besitz von 26,9 Prozent der GFM-Aktien. Diese Lösung weist allerdings den Nachteil auf, dass Aktienkapitalzeichnung besteuert werden und somit zusätzliche Kosten auftreten.

154.3

A fonds perdu-Beitrag

Schliesslich kann der kumulierte Verlustvortrag 1997 durch Zuzahlung (à fonds perdu) saniert werden. Diese Form ist weniger aufwendig und günstiger als die Aktienkapitalzeichnung. Günstiger ist sie deshalb, weil bei dieser Sanierungsform ­ im Gegensatz zur Aktienkapitalzeichnung ­ keine Steuern zu bezahlen sind. Der Bun9120

desrat schlägt deshalb vor, die Sanierung der GFM in Form eines A fonds perduBeitrages vor.

154.4

Form des Kantonsbeitrages

Der Kanton Freiburg wendet die Aktienkapitalzeichnung für den grössten Teil seiner Sanierungszahlung an. Dies geschieht vor allem aus Finanzhaushaltsgründen. Zudem ist eine schnelle Einzahlung der dringend benötigten Mittel durch den Kanton gesichert.

Die Aktienkapitalzeichnung des Kantons Freiburg hat auf die Eigentumsverhältnisse bei der GFM keine Auswirkungen, weil in der gleichen Grösse bestehendes Aktienkapital abgeschrieben wird. Weder für den Bund noch für den Kanton Freiburg ändern sich die Beteiligungverhältnisse am Aktienkapital.

Der Kanton Freiburg leistet den restlichen kleinen Teil seiner Sanierungszahlungen als A fonds perdu-Beitrag, der direkt das Jahresbudget belastet.

2

Besonderer Teil

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Beteiligung des Bundes an der Sanierung

Die Sanierung der GFM wurde auf die Deckung der kumulierten Verluste Ende 1997 beschränkt, der sich wie erwähnt auf 16 596 000 Franken beziffert.

Der Bundesrat ist bereit, einen einmaligen Beitrag an die Sanierung der GFM zu beantragen. Er hat diese Bereitschaft jedoch von einer Anzahl Bedingungen abhängig gemacht ( Ziff. 141.4), die inzwischen erfüllt sind.

Der Bundesrat hat beschlossen zu beantragen, dass sich der Bund zu einem Drittel am kumulierten Verlust per Ende 1997 beteiligt. Beantragt wird ein Bundesbeitrag von 5 532 000 Franken.

Der Kanton Freiburg übernimmt zwei Drittel des Sanierungsbetrages. Auf den Kanton Freiburg entfallen demzufolge Kosten in der Höhe von 11 064 000 Franken.

Der Grosse Rat des Kantons Freiburg hat an seiner Sitzung vom 27. November 1998 dem Sanierungsbeitrag diskussionslos zugestimmt.

Hingegen kamen Bund und Kanton Freiburg überein, auf eine Mitbeteiligung der privaten Aktionäre (rund 6% der Aktienstimmen) zu verzichten. Für Aktionäre besteht gemäss Aktienrecht keine Nachschusspflicht. Gemäss Untersuchung der KPMG Fides könnte deren Vertretern im Verwaltungsrat nur eine reduzierte Verantwortlichkeit zugerechnet werden. Die zwischen Bund und Kanton Freiburg vereinbarten Sanierungsanteile sind deshalb nicht auf Aktienanteile abgestützt. Vielmehr basieren sie auf einer groben einvernehmlichen Annäherung an mögliche Verantwortlichkeiten.

Allfällige Aufwendungen, die in diesem kumulierten Verlustvortrag nicht enthalten sind, werden in einer zweiten Sanierungsetappe berücksichtigt. Der Bund wird sich an dieser jedoch nicht beteiligen.

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22

Antrag

Mit dieser Botschaft beantragt Ihnen der Bundesrat, einen à fonds perdu-Beitrag von 5 532 000 Franken an die finanzielle Sanierung der GFM zu bewilligen.

3

Auswirkungen

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

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Auf den Bund

Die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Sanierung wird in den Ziffern 21 und 22 beschrieben. Der Sanierungsbeitrag ist im Voranschlag der Eidgenossenschaft nicht enthalten. Es ergeben sich keine personellen Konsequenzen (siehe auch Ziff. 141.5).

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Auf den Kanton Freiburg

Die finanzielle Beteiligung des Kantons Freiburg an der Sanierung wird in den Ziffern 21 und 22 beschrieben. Der Kanton Freiburg hat sein Dossier beim Untersuchungsrichter eingereicht, der die Frage einer strafrechtlichen Verantwortung prüfen und allfällige Massnahmen in die Wege leiten soll.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1995­1999 nicht angekündigt. Die Dringlichkeit der Vorlage über die Sanierung der GFM ist jedoch gegeben, da die betroffene Unternehmung in ihrer Existenz bedroht ist.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das europäische Recht ist für diese Vorlage nicht relevant.

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6

Rechtliche Grundlagen

Die Ausrichtung eines Beitrags an die Sanierung der GFM stützt sich auf Artikel 87 der neuen Bundesverfassung [nBV] vom 18. Dezember 1998 (26 BV), wonach die Gesetzgebung über Bau und Betrieb der Eisenbahnen Bundessache ist.

Nach dem auch für Finanzhilfen geltenden Legalitätsprinzip bedarf die Beteiligung an der Sanierung der GFM einer formellen gesetzlichen Grundlage. Weil es sich beim Sanierungsbeitrag um eine einmalige Massnahme handelt, ist der Erlass zu befristen. Nach Artikel 163 nBV ist hierfür die Rechtsform des befristeten Bundesgesetzes vorzusehen.

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