zu 99.420 Parlamentarische Initiative Konkursprivileg und Sozialversicherungen Bericht vom 26. März 1999 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 27. September 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 26. März 1999 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates betreffend Konkursprivileg und Sozialversicherungen nehmen wir nach Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. September 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-5297

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Stellungnahme 1

Übereinstimmung mit den Zielen des Bundesrates

Mit der Straffung der Konkursprivilegien im Rahmen der Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes ist das Ziel verfolgt worden, natürliche Personen in ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnissen effizienter zu schützen. Ausserdem sollten im Hinblick auf den Ausbau des Nachlassvertrags zu einem eigentlichen Sanierungsverfahren möglichst viel freie Aktiven erhalten werden. Unter diesem Blickwinkel hat der Bundesrat bis anhin die Auffassung vertreten, das Konkursprivileg für die Beitragsforderungen der Sozialversicherungen solle nicht wiedereingeführt werden.

Zwischenzeitlich hat die auf den 1. Januar 1997 eingeführte neue Privilegienordnung begonnen, sich auf den Sozialversicherungshaushalt auszuwirken. Wie Ziffer 14 des Berichts der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates zeigt, sind trotz straffen Inkassos die Beitragsverluste stark angestiegen. Für die SUVA sind eben erst die Zahlen für 1998 veröffentlicht worden. Noch einmal ist eine erhebliche Zunahme der Prämienverluste auf zirka 13 Millionen Franken zu verzeichnen. Diese ersten Erfahrungen machen deutlich, dass die Sozialversicherung eine wesentlich schwächere Gläubigerstellung innehat als bisher angenommen.

Diese Entwicklung hat den Bundesrat dazu bewogen, die besondere Schutzbedürftigkeit der Sozialversicherung anzuerkennen und ihre Absicherung zu fördern. Er begrüsst daher die Bestrebungen der Kommission, das Privileg wiederherzustellen, obwohl die Wiedereinführung der Privilegien neueren Tendenzen im Konkursrecht widerspricht (vgl. z. B. das neue deutsche Insolvenzrecht, welches keine Privilegien mehr kennt).

Im Rahmen der 11. AHV-Revision wird der Bundesrat im Übrigen den Eidgenössischen Räten einen praktisch gleich lautenden Vorschlag unterbreiten.

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Materielle Anträge

Das Konkursprivileg sollte u. E. den Krankenversicherern nicht allgemein, sondern bloss für die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung zukommen.

Weiter würden wir den Entwurf des Gesetzestextes mit einer Schlussbestimmung ergänzen, so wie dies bei der Änderung des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 16. Dezember 1994 geschehen ist (vgl. Art. 2 Abs. 3 der Schlussbestimmungen der Gesetzesänderung vom 16. Dezember 1994) und es im Rahmen der 11. AHVRevision der Fall ist. Damit wird Klarheit und Rechtssicherheit in Bezug auf den Übergang zur neuen Privilegienordnung geschaffen (vgl. dazu auch BGE 125 III 154).

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Zu I

Antrag: Ersetzen durch folgende Fassung: «...

c.

(neu) Die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung.

... » Begründung: Der vorgeschlagene Text basiert grundsätzlich auf der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung von Artikel 219 Absatz 4 SchKG. Da die vom Bund anerkannten Krankenversicherer aber seit dem 1. Januar 1996 auch Versicherungen nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) durchführen können, ist das Konkursprivileg in der Krankenversicherung nicht mehr generell für die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der vom Bund anerkannten Krankenversicherer zu gewähren, sondern auf die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung zu beschränken.

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Zu II

Antrag: Ersetzen durch folgende Fassung: «Schlussbestimmung der Änderung vom Art. 1

Übergangsbestimmung

Die im bisherigen Recht enthaltenen Privilegien (Art. 146 und 219) gelten weiter, wenn vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes der Konkurs eröffnet, die Pfändung vollzogen oder die Nachlassstundung bewilligt worden ist.» Begründung: Nach Artikel 2 Absatz 3 der Schlussbestimmungen zur Änderung des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 16. Dezember 1994 hängt die Anwendung der alten oder neuen Privilegienordnung im Konkurs vom Zeitpunkt der Konkurseröffnung und bei Pfändung vom Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs ab. Beim Nachlassvertrag hat die Rechtsprechung den Zeitpunkt der Bewilligung der Nachlassstundung für massgebend erklärt (BGE 125 III 154).

Diese Übergangsregelung soll auch für die vorliegende Gesetzesänderung gelten.

(Die bisherige Ziff. II wird Ziff. III.)

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Begehren des Sicherheitsfonds

Im Schreiben vom 14. Juni 1999 an den Bundesrat weist die Kommission auf ein Schreiben des Sicherheitsfonds hin, worin dieser verlangt, dass bei einer Änderung von Artikel 219 SchKG auch die heute nicht privilegierten Forderungen aus der beruflichen Vorsorge zu privilegieren und somit den Forderungen der übrigen Sozialversicherungen gleichzustellen sind.

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Mit der vorliegenden parlamentarischen Initiative resp. in der 11. AHV-Revision ist vorgesehen, das Konkursprivileg bezüglich Beitragsforderungen für die Sozialversicherungen in der zweiten Klasse wieder einzuführen.

Die Beitragsforderungen der Vorsorgeeinrichtung gegenüber einem Arbeitgeber in der zweiten Säule sind im jetzigen Artikel 219 Absatz 4 Buchstabe b SchKG bereits in der ersten Klasse privilegiert. Mit der am 1. Januar 1997 in Kraft gesetzten Änderung des SchKG wurde die Privilegierung der 2. Säule weiter ausgebaut und auch auf die Ansprüche der versicherten Personen aus der nicht obligatorischen Vorsorge ausgedehnt.

Mit seinem Schreiben vom 3. Juni möchte der Sicherheitsfonds nun dieses Privileg der versicherten Personen auch auf die obligatorischen Leistungen ausgedehnt haben. Dieser Punkt ist gegenüber der Wiedereinführung des Konkursprivilegs für die Sozialversicherungen ein neues Begehren und bedingt auch eine Neudefinition des heutigen Systems. Es bedarf somit einer vertieften Abklärung, um insbesondere einen Praxiswechsel rechtfertigen zu können. Der Bundesrat ist daher der Ansicht, dass dieses Begehren weder in der laufenden 1. BVG-Revision noch im Rahmen der vorliegenden parlamentarischen Initiative berücksichtigt werden kann.

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