99.034 Botschaft zur Revision des Zweiunddreissigsten Titels des Obligationenrechts (Die kaufmännische Buchführung) vom 31. März 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, dem Entwurf zu einer Revision der Bestimmungen des Obligationenrechts betreffend die kaufmännische Buchführung zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. März 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-4524

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Übersicht Der Zweiunddreissigste Titel des Obligationenrechts (OR) enthält die Bestimmungen über die kaufmännische Buchführung und legt insbesondere die Voraussetzungen fest, die erfüllt werden müssen, wenn Geschäftsbücher, Korrespondenz und Belege auf Bild- oder Datenträgern aufbewahrt werden. Die diesbezügliche Regelung (Art. 962 und 963 OR), die seit dem 1. Juli 1976 in Kraft ist, unterscheidet insbesondere zwischen «Bildträgern» und «Datenträgern».

Hauptziel der Revision ist der Verzicht auf diese rechtliche Unterscheidung. Gleichzeitig wird die elektronische Führung der Bücher ausdrücklich anerkannt und gleich geregelt wie deren Aufbewahrung. So sollen inskünftig die Bücher elektronisch oder in vergleichbarer Weise geführt und aufbewahrt werden dürfen, sofern die Grundsätze der Ordnungsmässigkeit von Buchführung und Aufbewahrung eingehalten werden.

Durch den Verzicht auf die Unterscheidung zwischen Bild- und Datenträgern werden die Auslegungsfragen und die Rechtsunsicherheit beseitigt, zu denen die zunehmende Verbreitung der elektronischen Geschäftsabwicklung und die Einführung neuer Medien zur Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen in maschinell lesbarer Form (E-Mail) in den letzten Jahren geführt haben, insbesondere bezüglich der Zulässigkeit neuartiger Speichermedien wie Bildplatte oder CD-ROM und der Aufbewahrung elektronisch ausgetauschter Korrespondenz. Dadurch werden die Möglichkeiten erweitert, bei der Buchführung die heute auf dem Markt vorhandenen Technologien der Datenverarbeitung, -kommunikation und -speicherung anzuwenden.

Mit der rechtlichen Anerkennung der neuen Technologien werden die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert. Dies wird der schweizerischen Wirtschaft und insbesondere ihren Chancen im internationalen Verhältnis dienen, was in Zeiten wachsenden grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs und verschärfter internationaler Konkurrenz von besonderer Bedeutung ist.

Der Entwurf enthält eine «kleine Revision». Er beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Bestimmungen, die sowohl die Führung wie auch die Aufbewahrung der Bücher unmittelbar betreffen, dem heutigen Stand der technischen Entwicklung anzupassen. Diese Anpassungen bedingen ihrerseits Änderungen einzelner Vorschriften. Zudem werden Positionen, die gesicherter Lehre und Judikatur entsprechen und der einfacheren
Rechtsanwendung dienen, gesetzlich verankert.

Die Vorlage zeichnet sich durch ihre Offenheit gegenüber künftigen Technologien aus. So sieht sie bewusst davon ab, einzelne Technologien ausdrücklich zu erwähnen oder gar als zulässig zu erklären. Ihre technologie-neutrale Formulierung wird die Anwendung der Neuregelung auf neue (z.B. biologische oder kristalline) Medien ermöglichen. Die Auseinandersetzung mit einzelnen Technologien und den daraus resultierenden spezifischen Anforderungen an die Ordnungsmässigkeit der Führung und Aufbewahrung von Büchern, Belegen und Geschäftskorrespondenz wird somit auch in Zukunft der Lehre, der Rechtsprechung und der Praxis überlassen bleiben.

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Die vorgeschlagene Revision wird sich auch auf die steuerrechtlichen Anforderungen an die Ordnungsmässigkeit der Rechnungslegung auswirken; denn die handelsrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften kommen auch bei der Erfüllung der steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten zur Anwendung. Die handelsrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften haben somit die Wirkung einer Grundnorm des Aufbewahrungsrechts.

Die vorgeschlagene Revision berührt das materielle Buchführungsrecht des Zweiunddreissigsten Titels des Obligationenrechts grundsätzlich nicht. Diese Materie bildet Gegenstand einer anderen Revision; über den diesbezüglichen Expertenentwurf wurde Ende Oktober 1998 ein Vernehmlassungsverfahren eröffnet.

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Botschaft 1

Ausgangslage

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Geltendes Recht

Seit der Revision vom 19. Dezember 1975 der Artikel 962 und 963 des Obligationenrechts (OR; SR 220) können die Buchführungspflichtigen ihre Geschäftsbücher, Korrespondenz und Belege unter Verwendung zeitgemässer Technologien aufbewahren. Bei dieser Revision wurden Unterscheidungen getroffen, welche die Anwendung der heute auf dem Markt vorhandenen Technologien der Datenverarbeitung, -kommunikation und -speicherung empfindlich einschränken. Diese Unterscheidungen betreffen drei Bereiche.

Nach der Konzeption des Gesetzgebers von 1975 endet die eigentliche Führung der Bücher (Art. 957 ff. OR) mit dem Kalenderjahr, und die Pflicht zur Aufbewahrung derselben beginnt zu diesem Zeitpunkt (allenfalls nach vorausgehender Aufzeichnung oder Übertragung auf andere Informationsträger). Seit der Einführung der sog.

«Speicherbuchführung» entspricht diese Unterscheidung nicht mehr der Wirklichkeit, denn das Führen der Bücher setzt immer (eine Aufzeichnung und) eine Aufbewahrung der entsprechenden Daten voraus. Die künstliche Unterscheidung zwischen «Führung» und «Aufbewahrung» der Bücher ergibt keinen Sinn mehr, wenn die Geschäftsbücher mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung geführt werden.

Der Gesetzgeber soll somit die elektronische Führung der Bücher ausdrücklich anerkennen.

In den 70er-Jahren fielen Korrespondenz und Buchungsbelege weitestgehend auf Papier an. Diese auf physischen Informationsträgern verkörperten, ohne Hilfsmittel lesbaren Informationen hatten damals den Charakter von Originalen. In einer späteren Phase wurden sie aus Gründen der Rationalisierung (grössere Zugriffsgeschwindigkeit, höherer Organisationsgrad, geringerer Raumbedarf) auf moderne Informationsträger (Bild- oder Datenträger) übertragen bzw. aufgezeichnet. Bei elektronisch abgewickelter Geschäftskorrespondenz, die von Anfang an auf Datenträgern entsteht, bei elektronisch erstellten Belegen und bei elektronisch geführten Büchern stösst das bisherige Verständnis der Begriffe «Original» und «Aufzeichnung» daher an Auslegungsgrenzen. Aus diesen Gründen ist die Unterscheidung zwischen «Original» und «Aufzeichnung» aufzugeben.

Bild- und Datenträger stehen nicht in gleicher Weise für alle aufbewahrungspflichtigen Informationen zur Verfügung: Der Mikrofilm (als Bildträger) kann für alle Geschäftsbücher, ausgenommen Betriebsrechnung
und Bilanz, verwendet werden; maschinell lesbare Datenträger sind nur für die Aufbewahrung der Geschäftskorrespondenz und der Buchungsbelege zugelassen, und bei den sog. «übrigen Geschäftsbüchern» genügt die Aufzeichnung und Aufbewahrung auf Datenträgern den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Infolge der technologischen Entwicklung ist aber die Unterscheidung zwischen Bild- und Datenträgern nicht mehr so klar wie noch 1975. Moderne Informationsträger wie WORM (Write Once Read Many ­ eine Speichertechnologie, bei welcher das Medium nur einmal beschrieben werden kann und dann unveränderlich bleibt), CD-ROM (Compact Disk-Read Only Memory ­ ein vom Benutzer nur lesbarer, nicht beschreibbarer, Musik-CD ähnlicher Speicher) oder Bildplatten (Speicher, auf 5152

dem Informationen nicht elektromagnetisch, sondern optisch mit einem Laserlichtstrahl eingebrannt und gelesen werden) eignen sich grundsätzlich auch zur Aufzeichnung digitalisierter Bildinhalte. Werden diese Medien deswegen als Bildträger eingestuft, so sind sie je nach Informationsinhalt bald als Bild-, bald als Datenträger zu betrachten; an diese Qualifikationen knüpft aber das geltende Recht stark voneinander abweichende Folgen in Bezug auf ihre Zulässigkeit für die Aufzeichnung und Aufbewahrung des Schriftguts eines Geschäftsbetriebs. Auf die Unterscheidung zwischen Bild- und Datenträgern ist somit zu verzichten.

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Technische Rahmenbedingungen

Für die Aufzeichnung von Informationen zum Zwecke der Aufbewahrung auf Datenträgern wurden zur Zeit der Revision von 1975 praktisch nur Lochkarten und Magnetbänder auf Spulen benutzt, also Medien, die sich durch eine begrenzte Haltbarkeit, einen langsamen Zugriff und relativ hohe Kosten bei geringer Datendichte auszeichneten.

Seit 1975 hat sich die Technik stark entwickelt. Die Datenverarbeitungsleistung und die Speicherkapazität der Datenträger sind enorm gestiegen. Die Lochkarte ist als Medium verschwunden, die klassischen Magnetbänder auf Spulen sind kaum noch anzutreffen, und der Mikrofilm wird in den Unternehmen nach und nach von den neuen Speichertechnologien verdrängt. Disketten, Wechselplatten, CD-ROM, DATKassetten, auf welchen die Informationen magnetisch, magneto-optisch oder optisch aufgezeichnet werden, beherrschen heute den Alltag. Die Preise sind auf einen Bruchteil des Niveaus der 70er-Jahre gesunken, und die Benutzerfreundlichkeit wurde so verbessert, dass diese Technologien in praktisch jedem Unternehmen zur Anwendung gelangen.

Auch die Korrespondenz, insbesondere die Massenkorrespondenz (Bestellungen, Rechnungen usw.), wird immer mehr auf elektronischem Weg abgewickelt. Rechtsgeschäftliche Erklärungen, die früher als Briefe per Post versandt wurden, werden heute immer häufiger per Fernschreiber (Telex), Fernkopierer (Telefax) oder als sog.

elektronische Post (E-Mail) übermittelt. Diese Übermittlungen lehnen sich in Form und Struktur noch eng an den klassischen Geschäftsbrief auf Papier an, können jedoch auch ohne Papier auskommen. So ist beispielsweise bei den sog. Fernkopien (Telefax) ein Original auf Papier überflüssig, wenn der Sender die Meldung direkt vom Bildschirm aus übermittelt, die Fernkopie direkt in den Datenspeicher der EDV-Anlage des Empfängers eingelesen wird und die Kenntnisnahme ihres Inhalts nur noch am Bildschirm stattfindet, also ohne auf dem Telefax-Empfangsgerät als Ausdruck materialisiert zu werden. Werden elektronische Dateien (files) oder einzelne Meldungen als standardisierte elektronische Formulare (electronic data interchange, EDI, elektronischer Datenaustausch i.e.S.) übermittelt, so fehlt oft sogar dieser minimale äussere Anschein eines Briefes.

Bei sehr fortgeschrittener Büroautomation erfolgen fast sämtliche Abläufe papierlos, mit Ausnahme der
wenigen Fälle (z. B. Art. 165 Abs. 1, 226a und 227a OR), in denen das Gesetz Schriftlichkeit im Sinne von Artikel 11 ff. OR verlangt.

Ein Ende der technischen Entwicklung ist nicht absehbar. Im Bereich der Informationsspeicherung entwickelt beispielsweise die Wissenschaft Verfahren zur holographischen Aufzeichnung von Daten auf kristallinen oder auf biologischen Speichern.

Dabei sollen die Speicherdichte wiederum sehr stark erhöht und die Kosten solcher 5153

Medien im Verhältnis zur Datenmenge erneut massiv gesenkt werden; weiter soll die Zeitbeständigkeit solcher Aufzeichnungen verbessert werden. Auch die Fälschungssicherheit wird dank digitalem Signaturverfahren (sog. elektronische Unterschrift) künftig erheblich verbessert werden, so dass nachträgliche Veränderungen des aufgezeichneten Inhalts mit vertretbarem Aufwand ausgeschlossen werden können. Die Multimedia-Technologie wird die herkömmliche Vorstellung und Unterscheidung von Informationskategorien (Papierdokumente, feste und bewegliche Bilder, Ton) faktisch aufheben. Auch wird der Anschluss der Datenverarbeitungsanlagen an elektronische Netze sehr bald genauso selbstverständlich sein wie ein Telefonanschluss an jedem Arbeitsplatz.

Bei dieser Entwicklung kann davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung der Kopien von Dokumenten auf Papier und der Bildträger abnehmen und sich auf besondere Anwendungen beschränken wird (z. B. Sicherheitskopien in herkömmlich betriebenen Ablagen). Am ehesten werden diese Aufbewahrungsmittel wohl in Archiven und Bibliotheken oder bei schwer auf Datenträger übertragbaren, insbesondere älteren Informationsbeständen zum Einsatz kommen. Auch die heute verwendeten Speichermedien könnten durch andere Formen ersetzt werden, wenn insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Erfassung grosser Datenmengen, rascher Zugriff, Langlebigkeit (hohe Zuverlässigkeit bezüglich Verlust oder Veränderung).

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Anlass der Revision

Die zunehmende Verbreitung der elektronischen Geschäftsabwicklung, die Einführung neuer Medien zur Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen in maschinell lesbarer Form (E-Mail) und das wachsende Interesse der Wirtschaft an der rechtlichen Anerkennung der so abgewickelten Korrespondenz hat in letzter Zeit komplexe Auslegungsfragen aufgeworfen und zu einer gewissen Rechtsunsicherheit geführt. Da sich die Gerichte nur bei offensichtlichen und klaren Verletzungen der Vorschriften zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher ­ meist im Zusammenhang mit Straftatbeständen ­ äusserten, konnte sich dazu keine Gerichtspraxis herausbilden. So bestehen heute offensichtliche Parallelen zur Lage, die in den 70er-Jahren zur Revision der Aufbewahrungsvorschriften geführt hat.

Eigentlicher Anstoss zur Revision waren die sich häufenden Anfragen an die Steuerverwaltungen bezüglich der Zulässigkeit neuartiger Speichermedien und der Aufbewahrung elektronisch ausgetauschter Korrespondenz. Diese ergaben sich meist im Zusammenhang mit bevorstehenden Erneuerungen oder Neuanschaffungen von Dokumentations- und/oder Büroautomationssystemen.

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Vorverfahren

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Ausarbeitung eines Vorentwurfs

Nachdem die Revisionsbedürftigkeit der Aufbewahrungsvorschriften verwaltungsintern bejaht worden war, kontaktierte der Rechtsdienst des Bundesamts für Informatik (BFI) interessierte Kreise der Wirtschaft mit dem Ziel, eine Arbeitsgruppe zu bilden, welche sowohl die technischen wie auch die rechtlichen Aspekte der Aufbewahrung praxisbezogen prüfen sollte. Dabei bot die Schweizerische Vereinigung für 5154

die Vereinfachung der Verfahren im internationalen Handel (SWISSPRO) ihre administrative Unterstützung an.

Im Rahmen der Arbeitsgruppe «Recht und EDI» wurde eine Kommission gebildet, der Juristen mit qualifizierten Kenntnissen des Informatikrechts1 angehörten und welche das BFI bei seinen Revisionsarbeiten tatkräftig unterstützte.

Die Kommission trat erstmals im März 1994 zusammen und schloss ihre Arbeiten Ende 1995 ab. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten dienten als Grundlage für die Verfassung eines Vorentwurfs (VE) samt Begleitbericht.

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Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat ermächtigte am 7. Mai 1997 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, über den erwähnten Vorentwurf ein Vernehmlassungsverfahren zu eröffnen. Die Vernehmlassungsfrist lief Ende August 1997 ab.

Zur Vernehmlassung eingeladen wurden das Schweizerische Bundesgericht in Lausanne und das Eidgenössische Versicherungsgericht in Luzern, alle Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien und 46 Organisationen.

Ausdrücklich verzichtet auf eine Stellungnahme haben das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht, drei Kantone, zwei Parteien und ein Verband.

22 Kantone, vier Parteien und 18 der offiziell begrüssten Organisationen reichten eine Vernehmlassung ein. Überdies nahmen einzelne Organisationen und Private von sich aus Stellung zum Vorentwurf. Auch ihre Meinungsäusserungen wurden ausgewertet und berücksichtigt.

Hervorzuheben ist, dass die meisten Kantone in ihrer Stellungnahme die Vorschläge übernommen haben, die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Zusammenarbeit mit den kantonalen Steuerbehörden ausgearbeitet wurden, oder auf diese Vorschläge zustimmend hingewiesen haben.

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Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Der legislatorische Handlungsbedarf blieb unbestritten. Die Ziele der Revision wurden als erstrebenswert anerkannt, und der Vorentwurf wurde als geeignete Massnahme zur Erreichung dieser Ziele grundsätzlich begrüsst.

Viele Kantone wiesen ­ zu Recht ­ darauf hin, dass die Abschaffung der Unterscheidung zwischen «Bild-» und «Datenträgern» vom Vorentwurf nicht mit letzter Konsequenz vorgenommen worden sei.

Die vom Vorentwurf ­ wie vom geltenden Recht ­ vorgesehene Zuständigkeit des Bundesrates, eine Ausführungsverordnung zu erlassen, wurde von sechs Organisationen abgelehnt und von zwei begrüsst. Diesen unterschiedlichen Meinungen steht eine einhellige Beurteilung durch die Kantone gegenüber: Die allermeisten unter1

Es handelt sich um die Herren RA Dr. Peter Neuenschwander, Zollikon (Präsident), RA Dr. Rico Baumgartner, Herrliberg, RA Jacques Beglinger, Zürich, Fürsprecher Christian Blaser, Muri bei Bern, Dr. Thomas Bühlmann, Zollikon, Fürsprecher Claudio G. Frigerio, Bern, Dr. Pierre E. Jaccard, Puidoux, Fürsprecher Beat Lehmann, Suhr, und Dr. Bruno Wildhaber, Schwerzenbach.

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stützten ausdrücklich die Delegationsbestimmung, und kein einziger äusserte sich dagegen.

Der Vorentwurf übernahm vom geltenden Recht die Pflicht, die Bücher während zehn Jahren aufzubewahren. Mit Ausnahme von Aargau fand diese Frist bei allen Kantonen Zustimmung, während sie von vier Verbänden als zu lang und von einem einzigen als richtig betrachtet wurde.

Schliesslich wurde von vielen Kantonen angeregt, das geltende Bundessteuerrecht zu ergänzen, um den Steuerbehörden die Einsicht in die Buchhaltung zu erleichtern.

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Ausarbeitung des vorliegenden Entwurfs

Mit der Ausarbeitung von Botschaft und Entwurf zur Revision des 32. Titels des Obligationenrechts wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt, der Vertreter der direkt betroffenen Bundesämter und der kantonalen Steuerverwaltungen angehörten2.

Bei der Umarbeitung des Vorentwurfs berücksichtigte die Arbeitsgruppe die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens. Sie lehnte sich stark an die bereits erwähnten (vgl. vorne, Ziff. 22) von der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Zusammenarbeit mit den kantonalen Steuerbehörden formulierten Vorschläge an. So beschloss sie insbesondere, die Unterscheidung zwischen «Bild-» und «Datenträgern» konsequent abzuschaffen und die Regelung des geltenden Rechts sowohl bezüglich der Zuständigkeit des Bundesrats zum Erlass einer Ausführungsverordnung wie auch bezüglich der Dauer der Aufbewahrungspflicht zu übernehmen.

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Die hängige Revision des materiellen Rechnungslegungsrechts

Im Dezember 1995 ­ also gleichzeitig mit der Beendigung der Tätigkeit der im Rahmen der Arbeitsgruppe «Recht und EDI» gebildeten Kommission (vgl. vorne, Ziff. 21) ­ beauftragte das EJPD eine Expertenkommission unter der Leitung von Dr. iur. Peider Mengiardi, Oberwil3, mit der Ausarbeitung neuer gesetzlicher Vorschriften über die Rechnungslegung und Berichterstattung (Publizität) von Unternehmen sowie über die fachlichen Anforderungen an besonders befähigte Revisoren.

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Die Arbeitsgruppe bestand aus den Herren Roland Lachenmayer, Aarau, und Alfred Walter, Zürich (Konferenz staatlicher Steuerbeamter), Kurt Eggli, Beat Iten, Alexander Kalbermatter, Heinz Lüthi, Markus Mosimann, Hans-Jürg Neuhaus, Marcel Niederberger und Yves Sudan (Eidgenössische Steuerverwaltung), Claudio Frigerio (Bundesamt für Informatik) und Giacomo Roncoroni (Bundesamt für Justiz).

Mitglieder der Kommission waren: Frau Ann-Kristin Achleitner, Prof. Dr. Dr., St. Gallen/ Oestrich-Winkel (D), und die Herren Giorgio Behr, Prof. Dr. iur., RA, dipl. Wirtschaftsprüfer, Schaffhausen; Peter Bertschinger, lic. oec., dipl. Wirtschaftsprüfer, Zürich; Ancillo Canepa, dipl. Wirtschaftsprüfer, dipl. Betriebsökonom, Zürich; Angelo Digeronimo, lic. rer. pol., EStV, Bern; Jean Nicolas Druey, Prof. Dr. iur., St. Gallen; Carl Helbling, Prof. Dr. oec., dipl. Wirtschaftsprüfer, Zürich; Beat Kappeler, lic. sc. pol., Wirtschaftsjournalist, Herrenschwanden; Arnold Knechtle, Dr. iur., RA, Industrie-Holding, Bern; Daniel Lehmann, lic. iur., Schweizerischer Gewerbeverband, Bern; Georges Muller, Prof.

Dr. en droit, avocat-conseil, Lausanne; Alfred Stettler, Prof. Dr. oec., Ecole des HEC, Lausanne. Das Sekretariat wurde vom Bundesamt für Justiz geführt.

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Die Expertenkommission hatte unter anderem zu untersuchen, ob die Neuregelung im Obligationenrecht oder in einem neuen Rechnungslegungs- und Publizitätsgesetz Platz zu finden hat und ob und in welchem Ausmass sie auf Verordnungsstufe erfolgen kann. Die neuen Vorschriften zur Rechnungslegung und Publizität sollten auf alle Gesellschaftsformen des Privatrechts mit juristischer Persönlichkeit (AG, Kommandit-AG, GmbH, Genossenschaft), eventuell auch ­ ganz oder teilweise ­ auf Unternehmen mit anderer Rechtsform und auf Stiftungen Anwendung finden. Zu prüfen war ferner, ob die Anforderungen für kleine, mittlere und grosse Unternehmen unterschiedlich auszugestalten sind. Bei allen Fragenkomplexen waren die massgebenden Richtlinien der Europäischen Union zu berücksichtigen.

Weiter hatte die Expertenkommission einen Vorentwurf zu einer Revision der Verordnung über die fachlichen Anforderungen an besonders befähigte Revisoren auszuarbeiten und dabei den Anforderungen der 8. EU-Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts Rechnung zu tragen. Insbesondere zu prüfen war, ob für die Durchsetzung der fachlichen Anforderungen an besonders befähigte Revisoren ein Zulassungssystem geschaffen werden sollte.

Die Expertenkommission lieferte ihren Bericht und ihre Entwürfe am 29. Juni 1998 ab. Darüber hat das EJPD Ende Oktober 1998 ein Vernehmlassungsverfahren eröffnet.

Die wichtigsten Grundsätze der vorgeschlagenen Revision können wie folgt zusammengefasst werden: Als neuer Bestandteil der Jahresrechnung wird die Geldflussrechnung eingeführt. Die Rechnungslegung erfolgt nach dem Grundsatz der Fair presentation. Gewillkürte stille Reserven sind nicht mehr zulässig. Zwecks Vermeidung steuerlicher Folgen (Massgeblichkeit der Handelsbilanz) darf von den Bewertungsvorschriften abgewichen werden. Die Anforderungen an die Gliederungs- und Detaillierungsvorschriften werden erhöht. Gewisse Vereine und Stiftungen ohne Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister werden als buchführungs- und rechnungslegungspflichtig erklärt. Für alle rechnungslegungspflichtigen Organisationen werden einheitliche Regeln vorgesehen, und zwar differenziert nach Rechtsform, Grösse und Art der Tätigkeit. Es wird unterschieden zwischen kleinen, mittleren und grossen Organisationen: Kleine Organisationen (mit Ausnahme der Kapitalgesellschaften)
sind von den zusätzlichen Angaben in der Bilanz, im Anhang und in der Erfolgsrechnung sowie von der Erstellung der Geldflussrechnung und des Jahresberichts befreit; kleine und mittlere Organisationen müssen bei Abweichung von den Bewertungsvorschriften infolge des Massgeblichkeitsprinzips im Anhang weniger detaillierte Angaben machen als grosse Unternehmungen; grosse Organisationen müssen in der Rechnungslegung mehr Informationen liefern als die kleinen und die mittleren. Die Konsolidierungspflicht wird auf alle rechnungslegungspflichtigen juristischen Personen ausgedehnt; Einzelfirmen und Personengesellschaften sind von dieser Pflicht befreit. Für die Konsolidierungsgrundsätze wird auf allgemein anerkannte Regelwerke der Rechnungslegung verwiesen. Hinsichtlich der derivativen Finanzinstrumente werden einige Grundsätze verankert. Einzelheiten sollen in einer bundesrätlichen Verordnung geregelt werden. Für die Revisionspflicht schlägt der Expertenentwurf zwei Varianten vor: Prüfungspflicht für alle buchführungs- und rechnungslegungspflichtigen Organisationen mit Ausnahme aller kleinen bzw. Prüfungspflicht für alle buchführungs- und rechnungspflichtigen Organisationen mit Ausnahme der kleinen, die nicht Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften sind.

Der Expertenentwurf regelt die Problemkreise Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit und enthält übergangsrechtliche Bestimmungen über die vorübergehende 5157

Aufhebung des Stetigkeitsprinzips. Der Expertenentwurf weicht in einigen Punkten (Publizität, Zulassung allgemein anerkannter Grundsätze der Rechnungslegung, Inhalt des Anhangs) von den Vorschriften der EU ab; es darf allerdings davon ausgegangen werden, dass die letzteren revidiert werden.

Der Expertenentwurf differenziert auch in Bezug auf die Anforderungen an die Revisoren: Für die Abschlussprüfer kleiner Organisationen werden die Anforderungen in Anlehnung an das Aktienrecht (vgl. Art. 727a OR) umschrieben, während für die Abschlussprüfer mittlerer und grosser Organisationen und von Gruppen (Konzernen) ein Zulassungsverfahren eingeführt wird.

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Die Revision des Obligationenrechts im Allgemeinen

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Gegenstand

Gegenstand der vorgeschlagenen Revision sind grundsätzlich nur die Bestimmungen des 32. Titels des Obligationenrechts (Die kaufmännische Buchführung), die sowohl die Führung wie auch die Aufbewahrung der Bücher unmittelbar betreffen. Im Wesentlichen geht es bloss um eine notwendige Anpassung dieser Vorschriften an die seit 1975 erfolgte technische Entwicklung. Es werden jedoch auch punktuelle Änderungen anderer Bestimmungen vorgeschlagen, wo dies für unverzichtbar gehalten wird (entweder als Folge anderer Änderungen oder in Bezug auf Positionen, welche gesicherter Lehre und der Judikatur entsprechen und der einfacheren Rechtsanwendung dienen).

Das materielle Buchführungsrecht wird vom vorliegenden Entwurf grundsätzlich nicht berührt. Es ist bereits ausgeführt worden (vgl. vorne, Ziff. 25), dass eine totale Revision dieses Rechtsgebiets hängig ist und dass über den diesbezüglichen Expertenentwurf samt Begleitbericht Ende Oktober 1998 ein Vernehmlassungsverfahren eröffnet wurde.

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Ziele

Das wichtigste Ziel der Revision besteht darin, die rechtliche Unterscheidung zwischen Bild- und Datenträgern, d. h. die bestehende Privilegierung der Bildträger im Verhältnis zu den Datenträgern, aufzuheben. So lässt der vorliegende Entwurf alle elektronischen oder vergleichbaren Mittel zur Aufbewahrung von Informationen zu, sofern die Einhaltung der Grundsätze der Ordnungsmässigkeit von Buchführung und Aufbewahrung gewährleistet ist. Dadurch wird auf die im geltenden Recht enthaltene Unterscheidung in Bezug auf die Art der Aufzeichnung von Informationen verzichtet, die durch die technische Entwicklung obsolet geworden ist.

Diesbezüglich geht der vorliegende Entwurf weiter als der Vorentwurf. Einer begründeten und berechtigten Anregung zahlreicher Vernehmlassungsteilnehmer folgend, hebt er nämlich die Unterscheidung zwischen Bild- und Datenträgern nicht nur bloss in Bezug auf die Aufbewahrung, sondern auch in Bezug auf die Führung der Geschäftsbücher mit elektronischen oder vergleichbaren Mitteln auf.

Diese Lösung und die daraus resultierende Zulassung neuer Technologien verbessern die rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies wird der schweizerischen Wirtschaft und insbesondere ihren Chancen im internationalen Verhältnis dienen, was in Zeiten 5158

wachsenden grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs und verschärfter internationaler Konkurrenz besonders wichtig ist. Zu betonen ist, dass diese Neuerungen weder einen Verlust an Qualität (namentlich Vollständigkeit, Sicherheit, Genauigkeit, Revisionsfähigkeit usw.) der Aufzeichnungen noch andere Nachteile bewirken.

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Tragweite

Die Aufbewahrungspflicht nach Artikel 962 OR folgt aus der Pflicht zur Buchführung (Art. 957 OR), und diese knüpft ihrerseits an die Eintragungspflicht im Handelsregister gemäss Artikel 934 OR an. Folglich gelten die Bestimmungen über die Aufbewahrung der Geschäftsbücher an sich nur für eintragungspflichtige und damit buchführungspflichtige Unternehmen. Allerdings orientieren sich an diesen Bestimmungen auch Gewerbetreibende und Unternehmen, die kraft Obligationenrechts nicht buchführungspflichtig sind. Hauptgrund dafür ist, dass die handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufbewahrungsvorschriften auch im Steuerrecht zur Anwendung kommen. So beziehen sich kantonale wie eidgenössische Bestimmungen (vgl.

Art. 47 der Mehrwertsteuerverordnung vom 22. Juni 1994, SR 641.201, MWSTV) zum Steuerrecht regelmässig auf die Normen des 32. Titels des Obligationenrechts.

Augenfälligstes Beispiel dieser Wirkung des Handelsrechts auf das Steuerrecht sind die Richtlinien für die Ordnungsmässigkeit des Rechnungswesens unter steuerlichen Gesichtspunkten sowie über die Aufzeichnung von Geschäftsunterlagen auf Bildoder Datenträgern und deren Aufbewahrung, welche im Jahre 1979 von der Konferenz staatlicher Steuerbeamter in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) und dem Bundesamt für Justiz (BJ) herausgegeben wurden (in der Folge: Richtlinien 1979).

An diesem Zustand ändert die vorgeschlagene Revision nichts. Es wäre nämlich wenig sinnvoll, wenn die erreichte Einheit von Handels- und Steuerrecht preisgegeben würde. So wird die neue Regelung ­ wie die geltende ­ nicht nur in den Dienst des Handelsrechts, sondern auch des Steuerrechts gestellt. Wer nach Obligationenrecht buchführungs- und aufbewahrungspflichtig und zugleich auch Steuersubjekt ist, wird somit seinen Pflichten weiterhin nach den gleichen Bestimmungen nachkommen können. Zwar kann das Steuerrecht durchaus von den handelsrechtlichen Bestimmungen abweichen; von dieser Möglichkeit macht aber der Steuergesetzgeber zurückhaltend und nur aus sachlich zwingenden Gründen Gebrauch.

Die öffentlichen Verwaltungen und Anstalten unterstehen nicht der Eintragungspflicht im Handelsregister und wären somit frei, ihre Informationen in beliebiger Form aufzubewahren. Auch sie orientieren sich aber an den obligationenrechtlichen Bestimmungen über die
Führung und Aufbewahrung der Bücher (vgl. Ziff. 300.60.6 der Wegleitung über den Kassen-, Zahlungs- und Buchhaltungsdienst, KZB, der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Abteilung Kassen- und Rechnungswesen), und zwar durch Verweis auf die Richtlinien 1979 oder durch Verwendung der Terminologie und der Kriterien des Obligationenrechts. So wird auch die öffentliche Verwaltung dank der Reflexwirkung des Privatrechts auf das Verwaltungsrecht moderne und effiziente Medien zur Bewältigung des Schriftverkehrs und des Rechnungswesens einsetzen und von der damit verbundenen Synergie profitieren können.

Schliesslich hat das Obligationenrecht auch eine Auswirkung auf das Prozessrecht, indem es die Pflicht zur Vorlage («Edition») der zu führenden Bücher vorsieht (vgl.

Art. 963 OR und Art. 963 des vorliegenden Entwurfs) und sich über die Beweiskraft 5159

von Aufzeichnungen auf Bild- und Datenträgern äussert (vgl. Art. 962 Abs. 4 OR und Art. 957 Abs. 4 des vorliegenden Entwurfs). In diesem Sinne gelten die Artikel 957 ff. OR als Richtschnur dafür, wie rechtsrelevante Unterlagen bzw. Daten, die nicht unmittelbar kaufmännischer Natur sind (wie z. B. Produktionsdaten, Daten aus Computer Aided Design und Computer Aided Manufacturing), aufbewahrt und im Rechtsstreit gewürdigt werden müssen.

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Systematik

Die vorgeschlagene Revision lässt die Artikel 958, 959 und 960 OR unberührt und sieht die ersatzlose Streichung von Artikel 964 OR vor.

Der vorliegende Entwurf folgt einer im Vernehmlassungsverfahren wiederholt geäusserten, berechtigten Anregung und regelt in Artikel 957 ­ bei entsprechendem Randtitel ­ neben der Pflicht zur Führung neu auch die Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher. Dies führt zu Abweichungen gegenüber der Systematik des geltenden Obligationenrechts4 und des Vorentwurfs5. So legt Artikel 957 des vorliegenden Entwurfs in Absatz 1 den Grundsatz fest, dass Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und aufzubewahren sind (vgl. Art. 957 OR sowie Art. 957 Abs. 1 und 962 Abs. 1 VE). Die Absätze 2 und 3 schreiben die Art und Weise vor, in welcher Geschäftsbücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz zu führen (vgl. Art. 957 Abs. 2 VE) bzw. aufzubewahren (vgl. Art. 962 Abs. 2, 1. Satz OR und Art. 962 Abs. 2, 1. Satz VE) sind. Absatz 4 regelt die Beweiskraft von Geschäftsbüchern, Buchungsbelegen und Geschäftskorrespondenz, die elektronisch oder in vergleichbarer Weise aufbewahrt werden (vgl. Art. 962 Abs. 4 OR und Art. 962 Abs. 4 VE). Absatz 5 schliesslich erklärt den Bundesrat für zuständig, Ausführungsvorschriften zu erlassen (vgl. Art. 962 Abs. 2, 2. Satz OR und Art. 962 Abs. 2, 2. Satz VE).

Infolge dieser neuen Struktur von Artikel 957 werden in Artikel 962 des vorliegenden Entwurfs nur noch Dauer (Abs. 1) und Beginn der Aufbewahrungspflicht (Abs. 2) geregelt.

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Terminologie

In terminologischer Hinsicht beschränkt sich die Revision auf die Änderungen, die sich als Folge der neuen materiellen Regelung aufdrängen, eine wünschenswerte Präzisierung bewirken oder dem heutigen Sprachempfinden entsprechen.

4

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Das geltende Obligationenrecht umschreibt in Artikel 957 (mit dem Randtitel «Pflicht zur Buchführung») den Kreis der buchführungspflichtigen Personen und regelt in Artikel 962 OR ­ sein Randtitel lautet: «Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher» ­ die Dauer (Abs. 1) und den Beginn (Abs. 3) der Aufbewahrungspflicht. Weiter legt diese Bestimmung fest, welche Dokumente «im Original» aufbewahrt werden müssen und welche auch «auf Bild- oder Datenträgern» aufbewahrt werden dürfen (Abs. 2); sie äussert sich schliesslich über die Beweiskraft von Aufzeichnungen auf Bild- oder Datenträgern (Abs. 4).

Der Vorentwurf übernahm die Systematik des geltenden Rechts. Er ergänzte aber Artikel 957 mit einem neuen Absatz 2, wonach Geschäftsbücher, Geschäftskorrespondenz und Buchungsbelege «schriftlich, elektronisch oder in vergleichbarer Weise» geführt werden können.

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Zur ersten Kategorie gehört der Verzicht auf die Nennung von «Bild- und Datenträgern» (vgl. Art. 962 Abs. 2 und 4 und 963 Abs. 2 OR sowie die entsprechenden Bestimmungen des Vorentwurfs): So spricht der vorliegende Entwurf (vgl. Art. 957 Abs. 2 und 3 und 963 Abs. 2; vgl. auch Art. 957 2 VE) einheitlich von Geschäftsbüchern, die «elektronisch oder in vergleichbarer Weise» geführt oder aufbewahrt werden, und verwendet somit eine möglichst offene Formulierung, die der künftigen technischen Entwicklung Rechnung trägt. Zur selben Kategorie zählt der Verzicht auf die Verwendung von Begriffen wie «Original», «Aufzeichnung» oder «Unterlage» (vgl. Art. 962 Abs. 2 und 4 und 963 OR sowie Art. 962 Abs. 4 VE), die stark von den herkömmlichen Korrespondenzformen mittels Papier geprägt sind und die deshalb bei der elektronischen Geschäftsabwicklung an Grenzen stossen, welche die Rechtssicherheit in Frage stellen.

Das geltende Recht spricht von «Büchern, Geschäftskorrespondenz und Buchungsbelegen». Die Reihenfolge dieser Aufzählung entspricht nicht der Bedeutung der drei Kategorien von Dokumenten; daher wird vorgeschlagen zu sagen: «Bücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz». Weiter ersetzt der vorliegende Entwurf (vgl. Art. 957 Abs. 2; vgl. auch die entsprechende Bestimmung des Vorentwurfs) den vom geltenden Recht (Art. 957 OR) verwendeten Ausdruck «ordnungsmässig» durch die modernere Wendung «ordnungsgemäss». Schliesslich wird «Betriebsergebnisse» durch «Ergebnisse» ersetzt (vgl. Art. 957 Abs. 1 und Art. 957 OR); dadurch wird der Auffassung von Lehre und Praxis Rechnung getragen, es handle sich bei der zu erstellenden Rechnung nicht um eine Teilerfolgsrechnung (Jahresabrechnung über Aufwand und Ertrag des Betriebs im engeren Sinn), sondern um eine Gesamterfolgsrechnung (inkl. Betriebsfremde und ausserordentliche Erträge und Aufwendungen). Die beiden redaktionellen Änderungen haben keine materiellen Auswirkungen.

Keine Berücksichtigung fand die im Vernehmlassungsverfahren wiederholt geäusserte Anregung, die Terminologie des 32. Titels des Obligationenrechts derjenigen des revidierten Aktienrechts anzupassen (z. B. durch Übernahme der Begriffe «Jahresrechnung» und «Erfolgsrechnung»). Eine solche Lösung hätte nämlich bloss zu einer teilweisen Vereinheitlichung der Terminologie geführt, und zwar nur in
Bezug auf das Aktienrecht, nicht aber in Bezug auf das Recht anderer buchführungspflichtiger Personen. Eine totale und kohärente Vereinheitlichung der Terminologie wird im Vorentwurf der Expertenkommission Mengiardi (darüber vorne, Ziff. 25) verwirklicht.

4

Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen der Revision

41

Artikel 957 OR

411

Absatz 1

Absatz 1 sieht ­ wie der Vorentwurf (vgl. Art. 962 Abs. 1) ­ neu vor, dass die Personen, deren Firma ins Handelsregister eingetragen werden muss, ihre Geschäftsbücher ordnungsgemäss aufzubewahren haben. Dass für die Führung und für die Aufbewahrung dieser Bücher die gleiche Regelung gilt, ist schon dadurch gerechtfertigt, dass die Führung der Geschäftsbücher notwendigerweise auch die Aufzeichnung und Aufbewahrung von Daten über die zu Grunde liegenden Geschäftsvorfälle umfasst. Die Aufbewahrung ist daher nicht nur ein unerlässliches Mittel zur Erfüllung 5161

der Buchhaltungszwecke, sondern Teil der Buchführung an sich. Es kommt hinzu, dass die Grenze zwischen Führung (laufende Rechnung) und Aufbewahrung der Geschäftsbücher immer weniger klar gezogen werden kann, wenn zur Aufzeichnung des Buchungsstoffes Datenträger eingesetzt werden. Aus diesen Gründen wird die dem geltenden Recht zu Grunde liegende Auffassung, dass Führung (Art. 957­961 OR) und Aufbewahrung (Art. 962 und 963 OR) der Bücher verschiedene Tätigkeiten darstellen, vom vorliegenden Entwurf nicht übernommen.

Unter «Ordnungsmässigkeit» wird eine besondere, gesetzlich geforderte Qualität der Buchführung verstanden6, welche erlaubt, «die Vermögenslage des Geschäftes und die mit dem Geschäftsbetriebe zusammenhängenden Schuld- und Forderungsverhältnisse sowie die Betriebsergebnisse der einzelnen Geschäftsjahre festzustellen» (vgl. Art. 957 OR). Nach dem vorliegenden Entwurf findet dieser als umfassend verstandene Begriff auch auf den Bereich der Aufbewahrung Anwendung; dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass hinsichtlich der Führung und der Aufbewahrung der Bücher keine unterschiedlichen Anforderungen an die Ordnungsmässigkeit gestellt werden. Die Konkretisierung dieses Begriffs, der eine Art Generalklausel darstellt und das Gesetz von Einzelheiten entlastet, wird weiterhin dem Bundesrat, der Rechtsprechung, der Verwaltung, insbesondere der Steuerverwaltung, der Lehre und der Praxis der Fachverbände überlassen. So enthält beispielsweise die Verordnung vom 2. Juni 1976 über die Aufzeichnung von aufzubewahrenden Unterlagen (SR 221.431) unter anderem gewisse Grundsätze, die sich auf die Ordnungsmässigkeit der Buchführung als solche beziehen und aus denen auch die Kriterien der Ordnungsmässigkeit der Aufbewahrung abgeleitet werden können.

412

Absatz 2

Mit dem vorgeschlagenen Absatz 2 anerkennt der Gesetzgeber ausdrücklich eine weit verbreitete und von den Revisionsstellen anerkannte Praxis, nämlich dass Bücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz rein elektronisch geführt werden, bevor der dabei aufgezeichnete Buchungsstoff nach Ablauf der Rechnungsperiode den Vorschriften über die Aufbewahrung untersteht. Die Bestimmung ist so formuliert, dass künftige technologische Entwicklungen nicht verhindert werden. So können auch andere, mit den elektronischen vergleichbare Mittel zur Führung und Aufbewahrung der Bücher, der Buchungsbelege und der Geschäftskorrespondenz zugelassen werden, sofern die Voraussetzungen an die Ordnungsmässigkeit erfüllt bleiben. Es wird Aufgabe von Rechtsprechung, Verwaltung, namentlich der Steuerverwaltung, Lehre, und Praxis der Fachverbände sein, die Anforderungen an die Ordnungsmässigkeit bei Verwendung solcher neuer Technologien zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen.

Die Kriterien der Ordnungsmässigkeit7 der elektronischen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Buchungsbelegen und Geschäftskorrespondenz werden sich weiterhin aus dem Zweck der Buchführung und den daraus abgeleiteten mittelbaren Grundsätzen (Richtigkeit, Vollständigkeit, Übereinstimmung der Regeln/Widerspruchsfreiheit, Kontinuität/Stetigkeit, Willkürfreiheit/Vergleichbarkeit, Prüfbarkeit) ergeben. Die Richtlinien der Verwaltung, das Wirtschaftsprüfungshandbuch (WPH) 6 7

Berner Kommentar, N. 415 zu Art. 957 OR.

Vgl. dazu auch das Standardwerk von R. Schuppenhauer, Grundsätze für eine ordnungsmässige Datenverarbeitung (GoDV), Handbuch der EDV-Revision, Düsseldorf 1992.

5162

der Schweizerischen Kammer der Bücher-, Steuer- und Treuhandexperten, die Empfehlungen von Berufsverbänden wie demjenigen der Informatik-Revisoren (ISACA Switzerland Chapter) und die Verkehrssitte stellen weitere dabei zu beachtende Quellen dar. Diese haben das Ziel, den Begriff der «Ordnungsmässigkeit» der Führung und Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen im Hinblick auf die praktische Anwendung gemäss dem jeweiligen Stand der Technik zu konkretisieren. Die erwähnten Fachgremien weisen sich durch ihre fachliche Kompetenz, Praxisnähe und Marktkenntnis aus, sodass sie auf die technologische Entwicklung und auf die bei der Umsetzung der sich daraus ergebenden Folgen für die Führung und Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen rasch, sachgerecht und praxisbezogen reagieren können.

Absatz 2 präzisiert, dass bei elektronischer oder vergleichbarer Führung und Aufbewahrung von Büchern, Buchungsbelegen und Geschäftskorrespondenz die Übereinstimmung mit den zu Grunde liegenden Geschäftsvorfällen gewährleistet werden muss. Dadurch wird der Grundsatz, den der geltende Artikel 962 Absatz 2 OR für die Aufbewahrung der Bücher, der Buchungsbelege und der Geschäftskorrespondenz festlegt, auf ihre Führung ausgedehnt. Dies ist materiell gerechtfertigt und entspricht einem Wunsch, der im Vernehmlassungsverfahren verschiedentlich geäussert wurde ­ der Vorentwurf (vgl. Art. 957 Abs. 2) sah diese Voraussetzung nicht mehr ausdrücklich vor.

413

Absatz 3

Nach dem geltenden Artikel 962 Absatz 2 OR sind Betriebsrechnung und Bilanz «im Original» aufzubewahren; für andere Informationen ist die Aufbewahrung als Aufzeichnung auf Bild- oder Datenträgern (so für Geschäftskorrespondenz und Buchungsbelege) oder nur als Aufzeichnung auf Bildträgern (so für die übrigen Geschäftsbücher) erlaubt.

Der vorgeschlagene Absatz 3 gibt den auslegungsbedürftigen und bei papierlosen Korrespondenz- und Buchführungsformen problematischen Begriff «Original» auf und stellt auf die eigentlich wesentlichen Eigenschaften ab: Schriftlichkeit und Unterzeichnung durch die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen (Art. 961 OR).

In diesem Zusammenhang kann erwähnt werden, dass in der Praxis neben den üblichen und rechtlich anerkannten Formen der Unterzeichnung (eigenhändige Unterschrift gemäss Art. 14 Abs. 1 OR) immer mehr neue «elektronische» Formen der Willenserklärung aufkommen. In der Zukunft könnte der Gesetzgeber diese Formen ­ unter bestimmten Voraussetzungen ­ der herkömmlichen Unterschrift gleichstellen8. Die Vorschrift, dass Betriebsrechnung und Bilanz «schriftlich und unterzeichnet» aufzubewahren sind, müsste revidiert werden, falls der Gesetzgeber auch in diesem Fall die «elektronische Unterschrift» (oder besser: die «digitalen Signaturverfahren») zulassen möchte.

8

Ein parlamentarischer Vorstoss, der die Einführung der «elektronischen Unterschrift» im Rahmen einer Ergänzung von Artikel 14 OR verlangt, wurde bereits eingereicht (N 94.3115, Motion Spoerry vom 16.3.1994, Rechtsverbindlichkeit elektronischer Unterschriften. Änderung Artikel 14 OR).

5163

Materiell ändert die neue Regelung an der Pflicht zur Aufbewahrung von Betriebsrechnung und Bilanz nichts. Sie trägt bloss der Tatsache Rechnung, dass die elektronischen Kommunikationsformen es heute nötig machen, den Begriff des «Originals» zu überdenken. Mit diesem Begriff wird nämlich bei Informationen und Informationsträgern das von einem bestimmten Urheber geschaffene unveränderte Werk gemeint; ein «Original» ist so immer das zuerst Dagewesene, eine Aufzeichnung immer etwas nachträglich Geschaffenes. Bei elektronisch erzeugten und übermittelten Informationen müssten somit die in der Zentraleinheit des Rechners bzw.

auf dem Bildschirm des Urhebers erzeugten Daten (Buchstaben, Zahlen, Zeichen und Grafiken) als Original gelten, und selbst die erste und unveränderte Aufzeichnung der Daten ­ beim Absender oder beim Empfänger ­ würde kein Original mehr darstellen9.

Eine solche Betrachtungsweise führt in eine Sackgasse und entspricht wohl kaum der Intention des Gesetzgebers. Es kann auf Grund der Entstehungszeit des Gesetzes davon ausgegangen werden, dass mit «Original» auf Papier abgedruckte Dokumente gemeint waren; diese eignen sich ­ im Gegensatz zu Bild- oder Datenträgern ­ zur eigenhändigen Unterzeichnung und ermöglichen die Kenntnisnahme ohne weitere Hilfsmittel. Die Erschliessung des Inhalts des Begriffs des «Originals» kann auch aus der Pflicht zur Unterzeichnung von Betriebsrechnung und Bilanz gewonnen werden. Wenn Betriebsrechnung und Bilanz einerseits unterzeichnet (Art. 961 OR) und andererseits im Original aufbewahrt werden müssen (Art. 962 Abs. 2 Satz 1 OR), so ist daraus ohne weiteres zu schliessen, dass sich die Aufbewahrungspflicht bei Betriebsrechnung und Bilanz auf dieses unterzeichnete Exemplar bezieht: Die Unterzeichnung macht das auf Papier ausgedruckte Dokument erst zum Original.

Die Pflicht zur Aufbewahrung «im Original» von Betriebsrechnung und Bilanz kann auf diese Weise der Pflicht zur Aufbewahrung des unterzeichneten Exemplars in ausgedruckter, ohne Hilfsmittel lesbarer Form gleichgesetzt werden.

Absatz 3 des vorliegenden Entwurfs verzichtet im Weiteren auf die Unterscheidung zwischen Bildträgern und Datenträgern, die das geltende Recht charakterisiert. Die Privilegierung des Bildträgers durch den Gesetzgeber von 1975 war unter anderem dadurch gerechtfertigt, dass die
optisch wahrnehmbare, «bildgetreue» Wiedergabe, insbesondere auch von Briefköpfen und Unterschriften, eine bessere Fälschungssicherheit zu bieten schien als eine Aufzeichnung auf Datenträgern. Ausserdem waren die Kosten für eine qualitativ hochwertige Aufzeichnung von Bildinformationen auf Datenträgern prohibitiv hoch. Heute sieht die Situation ganz anders aus: Die Preise für Datenträger sind drastisch gesunken; im Verhältnis zu Bildträgern ist bei gleicher Informationsmenge der Platzbedarf von Datenträgern geringer, das Einlesen von Bildinformationen schneller und besser, die Qualität beim Ausdrucken auf Papier genauso gut wie beim Ausdrucken ab Bildträger. Keines der damaligen Argumente zu Gunsten der Bildträger und gegen die Datenträger hält einer heutigen Prüfung stand.

9

Würde man ­ weniger streng ­ auch die erste Aufzeichnung der im Rechner erzeugten Daten als Original betrachten, dann hätten beispielsweise bei der integrierten Speicherbuchführung auch die Magnetbänder als Original zu gelten. Folglich sollten dann auch die daraus rechnerisch gewonnene Betriebsrechnung und Bilanz auf Magnetband (als Original) aufbewahrt werden können. Zwar ergäben sich aus der Unterzeichnungspflicht von Artikel 961 OR gewisse Probleme bei Magnetbändern oder anderen Datenträgern, doch würde diese Pflicht die auf diese Weise hergeleitete Befugnis zur Aufzeichnung und Aufbewahrung des Buchungsstoffes auf Magnetband nicht berühren.

5164

Mit der vorgeschlagenen Regelung werden künftig ­ mit Ausnahme von Betriebsrechnung und Bilanz ­ alle Geschäftsbücher (Hauptbuch, Hilfsbücher und übrige Geschäftsbücher), die Buchungsbelege und die Geschäftskorrespondenz sowohl auf Papier wie auch elektronisch oder in vergleichbarer Weise aufbewahrt werden können. So wird die Frage gegenstandslos, ob bestimmte moderne Speichermedien, z. B. die sog. «Bildplatten», als Bild- oder Datenträger zu betrachten sind.

Wie im geltenden Recht wird die elektronische Aufbewahrung an die Bedingung geknüpft, dass der aufgezeichnete Buchungsstoff «jederzeit lesbar» gemacht werden kann. Dadurch werden Verfahren ausgeschlossen, bei denen beispielsweise Ausdrücke auf Papier zwar möglich sind, auf dem Papier aber bloss unverständliche Zahlen oder Zeichen erscheinen.

In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die Aufbewahrung von Unterlagen im Original auch in zahlreichen Fällen angezeigt ist, in denen keine handels-, steueroder spezialgesetzliche Aufbewahrungspflicht besteht. So wird der vorsichtige Kaufmann beispielsweise Vertragsurkunden über langfristige Vertragsverhältnisse auch nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist des Obligationenrechts nicht vernichten, um das Risiko eines Beweisnotstands zu vermeiden. Er wird vielmehr im Einzelfall anhand des massgeblichen Prozessrechts entscheiden, ob noch ein Interesse an der Urkunde bestehen könnte.

414

Absatz 4

Beim vorgeschlagenen Absatz 4 sind im Vergleich zum geltenden Artikel 962 Absatz 4 OR bloss redaktionelle Anpassungen an die geänderte Konzeption und Terminologie zu verzeichnen. So wird insbesondere jeder Hinweis auf «Aufzeichnungen» vermieden, weil der Begriff «Aufzeichnung» hier (wie in Art. 962 Abs. 4 VE) eine allgemeine Tragweite haben müsste und nicht (wie in Art. 962 Abs. 2 OR) als Kopie eines auf ein anderes Medium überführten Originals zu verstehen wäre.

Wie in Absatz 3 wird auch hier präzisiert, dass die elektronisch aufbewahrten Informationen jederzeit müssen lesbar gemacht werden können.

In Bezug auf die ­ unverändert bleibende ­ materielle Regelung der Beweiskraft elektronisch aufbewahrter Informationen ist zu erwähnen, dass die Träger dieser Informationen zur formalen Zulassung als Beweismittel immer auch des Nachweises der ordnungsgemässen Aufzeichnung und Aufbewahrung bedürfen. Ohne diesen Nachweis sind sie wegen der Fälschungsgefahr als Beweismittel kaum verwertbar.

Das Gericht muss also auch Erhebungen über die Entstehung und die näheren Umstände der Aufzeichnung anstellen, um dadurch den Wahrheitsgehalt der auf den Medien aufgezeichneten Informationen beurteilen zu können. Erst danach kann es sich eine Meinung über den Wahrheitsgehalt der auf diesen Medien aufbewahrten Informationen bilden. Nicht anwendbar ist Absatz 4 auf öffentliche Register und öffentliche Urkunden, die «für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis» erbringen, «solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist» (Art. 9 Abs. 1 ZGB). Wenn solche, aus Registern oder öffentlichen Urkunden gewonnenen Informationen (z.B. Registerauszüge, Verträge, Verlustscheine) elektronisch aufgezeichnet werden, verlieren die so aufgezeichneten Informationen ­ in Abweichung vom Grundsatz des geltenden Artikels 962 Absatz 4 OR und des vorgeschlagenen Artikels 957 Absatz 4 ­ die erhöhte Beweiskraft nach Artikel 9 ZGB. Vorbehalten bleibt die einschlägige Spezialgesetzgebung. Schliesslich entbindet Absatz 4 nicht 5165

davon, Beweismittel immer dann in qualifizierter Form vorzulegen, wenn besondere gesetzliche Bestimmungen dies vorsehen (schriftliche Schuldanerkennung im Rechtsöffnungsverfahren, Art. 82 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG; SR 281.1]; Art. 52 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess [BZP; SR 273]; Präsentation im Wertpapierrecht). Informationen auf einem elektronischen Mittel stellen somit kein absolut gleichwertiges Surrogat für ursprünglich auf Papier vorgelegene Informationen dar.

415

Absatz 5

Sowohl das geltende Recht wie auch der vorliegende Entwurf sind bei der näheren Umschreibung des Begriffs der Ordnungsmässigkeit der Buchführung (Art. 957) sehr zurückhaltend. Nicht zuletzt im Interesse der Normadressaten wird es somit auch nach dieser Revision nötig sein, Ausführungsvorschriften zu erlassen.

Aus diesem Grund sieht Absatz 5 ­ wie das geltende Recht (Art. 962 Abs. 2, 2. Satz OR) ­ die Zuständigkeit des Bundesrats vor, die Voraussetzungen festzulegen, unter welchen die Geschäftsbücher elektronisch oder in vergleichbarer Weise aufbewahrt werden können. Die neue Systematik macht klar, dass die bundesrätliche Verordnung auch die elektronische Führung der Bücher regeln wird. Dies entspricht insofern dem jetzigen Recht, als bereits die geltende Verordnung über die Aufzeichnung von aufzubewahrenden Unterlagen (SR 221.431) auch Grundsätze zur Ordnungsmässigkeit der Buchführung als solche enthält.

42

Artikel 961 OR

Während in der Bilanz gleichartige Aktiva und Passiva zwecks Erleichterung der Übersicht und zeitlicher Vergleichbarkeit zu Sammelposten zusammengezogen und einheitlich gegliedert werden, muss das Inventar grundsätzlich jeden Einzelposten nach Bezeichnung, Menge, Preis und Wert ausweisen. Bei mittleren und grösseren Unternehmen stellt das Inventar daher eine umfangreiche Dokumentation dar, wobei es sich in der Regel um die auf Papier ausgedruckte Auflistung der von einem Datenverarbeitungssystem erfassten Inventarpositionen handelt.

Der geltende Artikel 961 OR sieht ausdrücklich vor, dass neben der Betriebsrechnung und der Bilanz auch das Inventar unterzeichnet werden muss. Andererseits schreibt der geltende Artikel 962 Absatz 2 OR die Aufbewahrung im Original nur für die Betriebsrechnung und die Bilanz vor. Das Inventar, welches als Teil der «übrigen Geschäftsbücher» auf einem Bildträger aufgezeichnet werden darf10 und zehn Jahre lang aufbewahrt werden muss, dürfte also unmittelbar nach der Unterzeichnung vernichtet werden.

Nachdem der Schweizer Gesetzgeber schon 1975 darauf verzichtete, für das Inventar die Aufbewahrung im Original zu fordern, sondern dessen Aufzeichnung und Aufbewahrung auf einem Bildträger zuliess, erscheint ein Festhalten an der Unterzeichnungspflicht für das Inventar wenig sinnvoll: Sonst müsste das ganze Inventar ­ wie bereits ausgeführt ­ jeweils nur zum Zwecke der Unterzeichnung auf Papier 10

Berner Kommentar, N. 25 zu Art. 961 OR.

5166

ausgedruckt werden und dürfte hierauf, nach Abschluss der Revision, vernichtet werden.

Aus diesen Gründen verzichtet Artikel 961 des vorliegenden Entwurfs ­ wie schon die diesbezügliche Bestimmung des Vorentwurfs ­ auf die Verpflichtung zur Unterzeichnung des Inventars11. Diese Lösung entspricht übrigens der heutigen Praxis, in der die Unterzeichnung des Inventars kaum noch zu beobachten ist, obwohl das Gesetz sie vorschreibt und obwohl das Revisionshandbuch die Feststellung der Unterzeichnung des Inventars als Prüfungshandlung vorsieht 12.

Die vorgeschlagene Revision von Artikel 961 ändert nichts an der Pflicht zur Unterzeichnung und Aufbewahrung der Betriebsrechnung und der Bilanz in ohne Hilfsmittel lesbarer Form. Mit der Unterzeichnung der Bilanz erklären die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen die materielle Richtigkeit aller darin aufgeführten Aktiven und Passiven. Wie bereits erwähnt, ist die Zusammenfassung der Inventarpositionen in der Bilanz enthalten. Der Wegfall der Pflicht zur Unterzeichnung des Inventars ändert somit nichts an der Verantwortung desjenigen, welcher mit der Unterzeichnung der Bilanz auch für die materielle Richtigkeit der ihr zu Grunde gelegten Informationen einsteht.

43

Artikel 962 OR

Die neue Systematik (dazu vorne, Ziff. 34) bewirkt, dass in Artikel 962 des vorliegenden Entwurfs ­ in Abweichung vom geltenden Artikel 962 OR und der entsprechenden Bestimmung des Vorentwurfs ­ nur noch Dauer (Abs. 1) und Beginn der Aufbewahrungspflicht (Abs. 2 ) geregelt sind.

Absatz 1 sieht wie das geltende Recht eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren vor. Die Formulierung konnte im Vergleich zum geltenden Obligationenrecht (vgl.

Art. 962 Abs. 1) und zum Vorentwurf (vgl. Art. 962 Abs. 1) vereinfacht werden, weil das Subjekt dieser Pflicht («Person, die zur Führung von Geschäftstbüchern verpflichtet ist») sich bereits aus Artikel 957 Absatz 1 ergibt.

Auf eine Verkürzung der geltenden Aufbewahrungsdauer wurde vor allem aus der Überlegung verzichtet, dass es von Vorteil ist, wenn diese Dauer mit der ordentlichen Verjährungsfrist des Obligationenrechts (vgl. Art. 127) ­ und weitgehend auch des Straf- und Verwaltungsrechts ­ übereinstimmt. Gegen eine Verkürzung spricht zudem, dass einzelne Gesetze in letzter Zeit längere Verjährungsfristen eingeführt haben: So treten nach dem Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) und nach dem Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990 (StHG SR 642.14) die absolute Veranlagungsverjährung (Art. 120 Abs. 4 DBG, Art. 47 Abs. 1 StHG) und die Nachsteuerverjährung 11

12

In Deutschland wurde diese Regelung bereits mit der Revision des Handelsgesetzbuches (§ 41) vom 29. Juli 1976 eingeführt, welche die Verpflichtung zur Unterzeichnung des Inventars beseitigte. Dadurch sollte ermöglicht werden, das mit Hilfe der EDV erstellte Inventar auf Datenträgern, welche als solche nicht eigenhändig unterzeichnet werden können, aufzuzeichnen und aufzubewahren. Es wurde als ausreichend betrachtet, wenn die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen die Bilanz als Dokument, welches unter anderem die Summe der Inventarpositionen zusammenfasst, unterzeichnen.

Zudem wurde in der Praxis das Inventar kaum unterzeichnet (Berner Kommentar, N. 22 ad Art. 961 OR).

Berner Kommentar, N. 23 zu Art. 961 OR.

5167

(Art. 152 Abs. 3 DBG, Art. 53 Abs. 3 StHG) erst nach 15 Jahren ein, und die Ansprüche nach Produktehaftpflichtgesetz (Art. 10 PrHG, SR 221.112.944) verwirken zehn Jahre nach Inverkehrbringung des fehlerhaften Produkts. Weiter ist eine Verkürzung der Aufbewahrungsdauer im Vernehmlassungsverfahren zwar von einigen Verbänden verlangt, aber von praktisch allen Kantonen abgelehnt worden.

Schliesslich ist damit zu rechnen, dass die Kosten, die eine lange Aufbewahrungsdauer verursacht ­ sie hängen weniger mit der Aufbewahrung der aufgezeichneten Geschäftsunterlagen als mit der vorgeschriebenen Verfügbarkeit von funktionstüchtigen Lese- und Auswertungsgeräten samt Programmen und Dokumentation zusammen ­, in den letzten 20 Jahren erheblich kleiner geworden sind und weiter sinken dürften.

Nach Absatz 2, der die Lösung des Vorentwurfs (vgl. Art. 962 Abs. 3) übernimmt, gilt das Ende des Geschäftsjahres und nicht mehr dasjenige des Kalenderjahres als Beginn der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist13. Diese Änderung ist dadurch gerechtfertigt, dass Artikel 958 OR die Aufstellung von Inventar, Betriebsrechnung und Bilanz «auf Schluss eines jeden Geschäftsjahres» vorschreibt. Wird aber ­ in der Regel aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen ­ ein anderer Tag als der 31. Dezember als massgeblicher Bilanz- und Abschlussstichtag gewählt, fallen Geschäftsjahr und Kalenderjahr nicht zusammen, und das Ende des Kalenderjahres wird zu einem formalen Datum ohne Relevanz für den Geschäftsbetrieb.

44

Artikel 963 OR

Absatz 1 von Artikel 963 weicht von der geltenden Bestimmung nur redaktionell ab: Im Sinne der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter wird entsprechend den Empfehlungen der Bundeskanzlei die geschlechtsneutrale Formulierung «das Gericht» (statt «der Richter») verwendet.

Nach dem geltenden Artikel 963 Absatz 2 OR kann ein Gericht nur anordnen, dass Geschäftsbücher so vorgelegt werden, «dass sie ohne Hilfsmittel lesbar sind», faktisch also nur die Edition in Papierform fordern. Je nach Prozessumständen könnte das Gericht dann mit Stapeln von Papier so eingedeckt werden, dass eine Aktenprüfung erheblich erschwert und der Prozess verzögert wird, was im Ausland in Einzelfällen zu einer Form der Prozessstrategie geworden ist.

Um dies zu verhindern und davon ausgehend, dass heute ­ anders als anlässlich der Revision von 1975 ­ die meisten Gerichtsbehörden in der Schweiz über EDVSysteme als Werkzeuge und über Mindestkenntnisse der Datenverarbeitung verfü-

13

In der Botschaft vom 7. Mai 1975 über die Änderung des Schweizerischen Obligationenrechts (Aufbewahrung von Geschäftsbüchern und -korrespondenz auf Bild- und anderen Datenträgern) wurde ausgeführt, dass «gewisse Geschäftsbücher, so Betriebsrechnung und Bilanz, erst nach Ablauf des Geschäftsjahres erstellt werden können, was in der Praxis gelegentlich mit monate- oder gar jahrelanger Verspätung» erfolge, so dass dann «die effektive Einhaltung der Aufbewahrungsfristen nicht immer gewährleistet» sei. Da jedoch bereits Artikel 958 Absatz 2 OR eine Abschlussfrist vorgibt, deren Verletzung u.U.

sogar strafrechtlich geahndet werden kann (insbesondere Art. 166 und 325 StGB), erscheinen diese Bedenken erheblich relativiert. Für all jene Unternehmen, die keinen besonderen Bilanzstichtag festgelegt haben und für welche damit Geschäfts- und Kalenderjahr zusammenfallen, ändert sich ohnehin nichts.

5168

gen, räumte der Vorentwurf (Art. 963 Abs. 2) dem Gericht die Möglichkeit ein, die Edition der Geschäftsbücher in jeder beliebigen Form zu verlangen.

Absatz 2 des vorliegenden Entwurfs übernimmt diese Regelung und dehnt das Wahlrecht bezüglich der Editionsform ­ entsprechend einem berechtigten Wunsch der Steuerinstanzen ­ auf alle Behörden aus, die nach öffentlichem Recht (des Bundes oder der Kantone) die Edition von Geschäftsbüchern, Buchungsbelegen oder Geschäftskorrespondenz anordnen dürfen. So können Gericht und Behörde nach Buchstabe a die Edition von Dokumenten verlangen, die ohne Hilfsmittel gelesen werden können, also beispielsweise die Edition von Dokumenten auf Papier.

Stattdessen können sie nach Buchstabe b anordnen, dass die buchführungspflichtige Person ­ wie nach geltendem Recht ­ auch die technischen und personellen Mittel zur Verfügung stellt, mit denen Geschäftsbücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz «lesbar» gemacht werden können, also in unverschlüsselter und unkodierter Form zum Beispiel auf einem Monitor sichtbar gemacht werden können.

Die Rechtslage sieht nach der vorgeschlagenen Regelung so aus: Ein Gericht kann kraft Obligationenrechts die Edition von Geschäftsbüchern, Buchungsbelegen und Geschäftskorrespondenz verlangen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 963 Absatz 1 erfüllt sind, und bestimmen, ob sie in «ohne Hilfsmittel lesbarer» Form (vgl.

Art. 963 Abs. 2 Bst. a) oder in einer anderen Form ­ und dann mit den zur Lesbarmachung nötigen Mitteln (vgl. Art. 963 Abs. 2 Bst. b) ­ vorzulegen sind. Der Anspruch der Verwaltungsbehörden auf die Edition von Büchern, Buchungsbelegen und Geschäftskorrespondenz besteht hingegegn nicht kraft Obligationenrechts, sondern muss auf kantonalem oder eidgenössischem öffentlichem Recht beruhen; ihr Wahlrecht bezüglich der Editionsform ergibt sich indessen aus dem Obligationenrecht.

Mit dieser Lösung können die bestehenden EDV-Mittel und -Kenntnisse zur beförderlichen und effizienten Erledigung von Prozessen und Verwaltungsverfahren eingesetzt werden. Sie ermöglicht insbesondere die Verwendung moderner Programme zur Suche, Analyse und Auswertung (Retrieval-Software, Volltext-Suche), dank denen mit geringem Aufwand aus einer grossen, unübersichtlichen Datenfülle schnell auf die relevanten Informationen zugegriffen werden kann.

45

Artikel 964 OR

Der geltende Artikel 964 OR14 sieht weder konkrete Pflichten für die buchführungsund -aufbewahrungspflichtigen Personen noch einen eigenständigen strafrechtlichen 14

Die Bestimmung stammt aus der Zeit vor Inkrafttreten des eidgenössischen Strafgesetzbuches, als Artikel 880 des Obligationenrechts von 1881 den Kantonen die Befugnis einräumte, in ihren Einführungsgesetzen zum Obligationenrecht oder in ihren Strafgesetzen entsprechende Strafbestimmungen aufzunehmen. Seit dem Inkrafttreten des eidgenössischen Strafgesetzbuches im Jahre 1942 wird die Verletzung der Buchführungspflicht ausschliesslich nach Artikel 166 (Unterlassung der Buchführung), Artikel 325 (Ordnungswidrige Führung der Geschäftsbücher), allenfalls im Zusammenhang mit Artikel 163 (betrügerischer Konkurs), Artikel 170 (Erschleichung eines Nachlassvertrages), Artikel 152 (unwahre Angaben über Handelsgesellschaften und Genossenschaften) oder Artikel 251 (Urkundenfälschung) geahndet. Die Verletzung der Aufbewahrungspflicht ist in den Strafbestimmungen von Artikel 166 und 325 StGB ausdrücklich erwähnt. Die Strafstatistik weist jährlich kaum mehr als zehn Verurteilungen nach Artikel 166 oder 325 StGB aus.

5169

Tatbestand vor. Die Bestimmung enthält somit keinen Rechtssatz, sondern stellt bloss einen bestehenden Zustand fest15. Der Vorbehalt von Strafbestimmungen kann daher ersatzlos gestrichen werden. Gegen die Streichung wurde im Vernehmlassungsverfahren kein Einwand erhoben.

46

Revision des Bundessteuerrechts

Nach Artikel 125 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (SR 642.11; DBG) müssen natürliche Personen mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und juristische Personen der Steuererklärung die unterzeichneten Jahresrechnungen der Steuerperiode oder, wenn eine kaufmännische Buchhaltung fehlt, bestimmte Aufstellungen beilegen. Für «Urkunden und sonstige Belege», die mit der Tätigkeit dieser Personen in Zusammenhang stehen, sieht Artikel 126 Absatz 3 DBG eine zehnjährige Aufbewahrungspflicht vor. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung dieser Bestimmung wird präzisiert, dass die Aufbewahrung und die Edition dieser Dokumente nach den Grundsätzen des Obligationenrechts (Art. 957 und 963 Abs. 2) zu erfolgen hat. Gleichzeitig wird der Begriff «Urkunden» durch Hinweis auf die «Geschäftsbücher oder Aufstellungen nach Artikel 125 Absatz 2» erläutert.

Artikel 42 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (SR 642.14; StHG) legt fest, welche Bücher und Aufstellungen die natürlichen Personen mit Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und die juristischen Personen ihrer Steuererklärung beilegen müssen. Wie bei Artikel 126 Absatz 3 DBG soll auch bei dieser Bestimmung klargestellt werden, dass diese Dokumente nach der Regelung des Obligationenrechts aufzubewahren und zu edieren sind.

5

Personelle und finanzielle Auswirkungen für Bund und Kantone

Wie bereits erwähnt (vgl. vorne, Ziff. 33) können die öffentlichen Verwaltungen und Anstalten die Form der Aufzeichnung und Aufbewahrung ihrer Informationen frei wählen. In der Praxis orientieren sie sich aber an den obligationenrechtlichen Bestimmungen über die Führung und Aufbewahrung der Bücher. Die von der Revision eröffnete Möglichkeit, neue und künftige Technologien zu verwenden, wird sich somit indirekt auch auf Verwaltungen und öffentliche Anstalten auswirken, und zwar vor allem durch Zeitgewinn. Dieser und die daraus resultierende Möglichkeit, Personal und Finanzmittel zu sparen, lassen sich auch deshalb kaum quantifizieren, weil sie von den damit verbundenen Investitionen abhängen.

Entscheidet ein Unternehmer, zur Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher modernere technische Mittel zu verwenden, so tut er dies im eigenen Interesse aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen. Dieser Entscheid wirkt sich aber auch für die Steuerbehörden von Bund und Kantonen positiv aus, denn die neuen Technologien ermöglichen ihnen eine schnellere, bessere und effizientere Ausübung ihrer Tätigkeit. Auch hier ist es nicht möglich, das Gewinn- oder Sparpotential genau 15

Berner Kommentar, N. 10 zu Art. 964 OR.

5170

oder schätzungsweise zu beziffern. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang namentlich, dass die zusätzlichen Kontrollen, welche die Steuerbehörden in der gewonnenen Zeit durchführen können, selbst dann einen Wert darstellen, wenn sie zur Feststellung führen, dass die Steuererklärungen korrekt sind.

6

Legislaturplanung

Die Vorlage ist ein Teil der Neuregelung der Rechnungslegung von Unternehmen im Obligationenrecht, die im Bericht über die Legislaturplanung 1995­1999 als Massnahme zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft angekündigt wurde (BBl 1996 II 353).

7

Verhältnis zum europäischen Recht

Zur Angleichung des materiellen Gesellschaftsrechts der Mitgliedstaaten hat die Europäische Union bisher eine Verordnung und neun Richtlinien erlassen. Die Verordnung über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV)16 sieht eine transnationale Gesellschaftsform vor, deren Zweck die Erleichterung und Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder ist.

Die Erste Richtlinie17 schreibt namentlich die Offenlegung der Höhe des gezeichneten oder des genehmigten Kapitals, der in Folge einer Änderung des unterzeichneten Kapitals vorgenommenen Statutenrevisionen sowie der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung jedes Geschäftsjahres vor. Die Vierte Richtlinie18 enthält Vorschriften über den Jahresabschluss von Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und von Gesellschaften mit beschränkter Haftung; sie setzt für kleine, mittlere und grosse Unternehmen unterschiedliche Anforderungen fest.

Die Siebente Richtlinie19 regelt den konsolidierten Jahresabschluss von Konzernen.

Die Achte Richtlinie20 umschreibt die Qualifikationserfordernisse für Rechnungsprüfer. Die Richtlinien auf dem Gebiet des Rechnungslegungsrechts sind nur auf Kapitalgesellschaften anwendbar. Eine Richtlinie von 199021 hat ihren Anwendungsbereich auf die Personengesellschaften ausgedehnt, deren unbeschränkt haf-

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Verordnung Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juni 1985 (ABl. Nr. L 199 vom 31.7.1985, S. 1).

Richtlinie Nr. 68/151 des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. Nr. L 65 vom 14.3.1968, S. 8).

Richtlinie Nr. 78/660 des Rates vom 25. Juli 1978 auf Grund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe G) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. Nr. L 222 vom 14.8.1978, S. 11).

Richtlinie Nr. 83/349 des Rates vom 13. Juni 1983 auf Grund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe G) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (ABl. Nr. L 193 vom 18.7.1983, S. 1).

Richtlinie Nr. 84/253 des Rates vom 10. April 1984 auf Grund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe G) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen bauftragten Personen (ABl. Nr. L 126 vom 12.5.1984, S. 20).

Richtlinie Nr. 90/605 des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinie 78/660 und 83/349 über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss (ABl.

Nr. L 317 vom 16.11.1990, S. 60).

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tende Gesellschafter Gesellschaften sind. Die anderen Richtlinien zum Gesellschaftsrecht beziehen sich auf die Erste Richtlinie über die Offenlegung22.

Keine dieser Richtlinien kennt spezifische Regelungen über die elektronische Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern, Korrespondenz und Belegen.

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Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf stützt sich auf Artikel 64 der Bundesverfassung (BV), der dem Bund die Rechtssetzungszuständigkeit auf dem Gebiet des Zivilrechts zuweist. Er enthält eine Bestimmung, nämlich Artikel 963, welche die Editionspflicht und damit das Prozessrecht betrifft. Die Regelung des Zivilprozzesrechts fällt zwar gemäss Artikel 64 Absatz 3 BV bekanntlich in die Zuständigkeit der Kantone. Angesichts des Interesses der Gerichte, über die für die Streiterledigung nötigen Dokumente zu verfügen, ist die erwähnte Bestimmung des Entwurfs jedoch zur Durchsetzung des Bundesrechts notwendig und somit auch verfassungsmässig23.

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Es handelt sich um die Zweite Richtlinie Nr. 77/91 des Rates vom 13. Dezember 1976 (ABl. Nr. L 26 vom 31.1.1977, S. 1), der Dritten Richtlinie Nr. 78/855 des Rates vom 9. Oktober 1978 (ABl. Nr. L 295 vom 20.10.1978, S. 36), der Sechsten Richtlinie Nr. 82/891 des Rates vom 17. Dezember 1982 (ABl. Nr. L 378 vom 31.12.1982, S. 47), der Elften Richtlinie Nr. 89/666 des Rates vom 21. Dezember 1989, (ABl. Nr. L 395 vom 30.12.1989, S. 36) und der Zwölften Richtlinie Nr. 89/667 des Rates vom 21. Dezember 1989 (ABl. Nr. 395 vom 30.12.1989, S. 40).

Zur Zuständigkeit des Bundes, Verfahrensbestimmungen ­ namentlich Beweisregeln ­ zu erlassen, vgl. Blaise Knapp, Kommentar der Bundesverfassung, N. 71 zu Art. 64.

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