Die Nebenbeschäftigungen von Beamten und die beruflichen Aktivitäten ehemaliger Beamter unter dem besonderen Blickwinkel der Interessenkonflikte Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 12. März 1999

«Der Wunsch nach einer moralischen Politik hat zweifellos einen Anflug von Totalitarismus. Politik ist eine Eventualität, Moral ist absolut» Edwy Plenel, Un temps de chien, Paris, Le Grand livre du mois, 1994, Seite 135.

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Zusammenfassung ­

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit der Frage der Korruption in der Bundesverwaltung und den Massnahmen zu ihrer Bekämpfung.

Im direkten Zusammenhang mit diesen Arbeiten richtete die Kommission ihr Augenmerk auf die Nebenbeschäftigungen von Beamten und auf die beruflichen Tätigkeiten ehemaliger Beamten. Dabei ging sie insbesondere der Frage nach, ob solche Tätigkeiten zu Interessenkonflikten führen können.

Wie gewisse Aufsehen erregende Fälle in Deutschland und Frankreich gezeigt haben, ist diese Gefahr durchaus vorhanden und ernst zu nehmen.

Ist es beispielsweise tragbar, dass ein Anwalt, der in einem Beschwerdedienst des Bundes arbeitet, sich in seiner Freizeit in einer Anwaltspraxis mit öffentlich-rechtlichen Fällen des Bundes befasst? Oder ist es zulässig, dass ein Steuerinspektor als privater Steuerberater tätig ist, sei es in seiner Freizeit oder nachdem er definitiv aus dem Bundesdienst ausgetreten ist? Ist es vertretbar, dass eine Person, die beim Bund Aufsichtsaufgaben im Bankenund Versicherungsbereich wahrnimmt, sich im Nebenerwerb der Vermögensverwaltung widmet? Ist es statthaft, dass ein ehemaliger Beamter durch seine Verwaltungskenntnisse oder persönlichen Verbindungen zu den Amtsstellen seinem Arbeitgeber oder seinen Kunden Privilegien verschafft?

Diese ­ übrigens fiktiven ­ Beispiele stellen Interessenkonflikte dar. Nun beeinträchtigt aber jeder ­ scheinbare oder wirkliche ­ Interessenkonflikt die Unabhängigkeit und das Ansehen der Verwaltung.

In all diesen Fällen stellt sich neben den Interessenkonflikten auch das Problem des unlauteren Wettbewerbs gegenüber der Privatwirtschaft.

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Was die Nebenbeschäftigungen betrifft, sieht das geltende Recht ein grundsätzliches Verbot vor: Ein vollzeitig beschäftigter Beamter des Bundes darf in der Regel keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgehen. Dieser Grundsatz kennt allerdings eine Reihe von Ausnahmen.

Die Departemente wenden die einschlägigen Bestimmungen im Allgemeinen korrekt an. Sie zeigen sich in der Regel bei der Bewilligungserteilung sehr zurückhaltend, was im Übrigen auch dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, wonach Ermächtigungen für Nebenerwerbstätigkeiten nur ausnahmsweise zu erteilen sind. Der Kommission sind bei ihren Abklärungen keine regelwidrigen Tätigkeiten bekannt geworden. Die Hypothese, dass bestimmte Nebenbeschäftigungen wirkliche oder scheinbare Interessenkonflikte zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft auslösen, hat sich nur in einigen seltenen Fällen bewahrheitet. Davon betroffen sind vor allem Beratungstätigkeiten (Rechts- oder Steuerberatung, Vermögensverwaltung, Treuhandaufgaben usw.) oder Vertretungen (Verwaltungsrat, Anwaltstätigkeit usw.).

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Die Inspektion hat indessen aufgezeigt, dass die Bestimmungen über die Nebenbeschäftigungen von den Departementen nicht einheitlich angewandt und unterschiedlich ausgelegt werden. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Lehrtätigkeiten, wo Beamten oft mehrere Gehälter kumulieren. In rechtlicher Hinsicht ist diese unterschiedliche Anwendung zwar unbefriedigend, doch in der Praxis ist diese Situation weder alarmierend noch besorgniserregend.

Nach Auffassung der Kommission liesse sich das heutige System verbessern, zumal es vor allem hinsichtlich der Teilzeitbeschäftigung den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht mehr genügt. Die geltenden Regeln werfen zudem auch Probleme hinsichtlich der Handels- und Gewerbefreiheit auf. Heutzutage erscheint es immer weniger sinnvoll, dass der staatliche Arbeitgeber sich in das Erwerbsleben der Beamten einmischt.

Die Kommission empfiehlt u. a., den Grundsatz des Nebenerwerbsverbots mit Ermächtigungsvorbehalt durch ein anzeigepflichtiges allgemeines Ermächtigungssystem zu ersetzen. Um Interessenkonflikten vorzubeugen, empfiehlt sie, den Anwendungsbereich der Ausstandsvorschriften zu erweitern.

­

Was die beruflichen Tätigkeiten ehemaliger Bundesbeamten anbelangt, hat die Kommission festgestellt, dass es diesbezüglich ausser den Bestimmungen über das Amtsgeheimnis keine Rechtsvorschriften gibt. Das Amtsgeheimnis bleibt allerdings auch nach der Auflösung des Dienstverhältnisses bestehen und gilt somit auch für ehemalige Beamten.

In der Praxis bemüht sich der Bund nicht, gezielt zu erfahren, welche Tätigkeiten seine ehemaligen Beamten in der Privatwirtschaft ausüben. Daher lässt sich unmöglich ermitteln, wie häufig Bundesbedienstete in privatwirtschaftliche Firmen übertreten, mit denen sie zuvor als Beamte offiziell verkehrten.

Mangels genauer Informationen belässt es die Kommission bei der Feststellung, dass die aktuelle Lage zwar nicht alarmierend ist, aber uns doch beschäftigen sollte. Es wäre denn auch vermessen zu folgern, dass solche Praktiken nicht vorkommen. In einer Zeit, wo vom Bundespersonal immer mehr Mobilität und Flexibilität gefordert wird, nehmen auch die Risikofaktoren von Interessenkonflikten zu.

Die Kommission beabsichtigt nicht, die Beamten in ihren Möglichkeiten einzuschränken, auch ausserhalb des Bundes Berufserfahrungen zu sammeln.

In der Tat gäbe es nichts Schädlicheres als ein realitätsfremder, von der Unternehmenswelt abgekapselter öffentlicher Dienst. Allerdings müssen Vorkehren getroffen werden, um Situationen zu vermeiden, die Anlass zu Kritik geben. Die Kommission schlägt vor, Regeln über die Verwendung von vertraulichen Informationen und über die Nutzung des in der Verwaltung erworbenen Einflusses einzuführen. Für gewisse Tätigkeitsbereiche wäre auch zu prüfen, ob es angebracht wäre, analog zum Obligationenrecht ein

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Konkurrenzverbot einzuführen. Dies erscheint umso nötiger, als die Trennlinie zwischen öffentlichem und privatem Sektor immer mehr verwischt wird.

­

Nach Auffassung der Kommission lassen sich Interessenkonflikte, die aufgrund privater Tätigkeiten von Beamten oder ehemaligen Beamten entstehen, nicht nur über Vorschriften bewältigen. Menschliche Schwächen können weder durch Kontrollen noch durch Sanktionen je beseitigt werden. In diesem Zusammenhang kommt der Ethik im öffentlichen Dienst vorrangige Bedeutung zu, wie die von der Kommission in Auftrag gegebene Untersuchung der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle (PVK) bestätigt.

Die Ethik stellt sicher nicht eine Wunderlösung für sämtliche Probleme der Verwaltung dar. Trotzdem ist sie ein wichtiges Instrument, um die Integrität der Verwaltung intern und extern unter Beweis zu stellen. Sie bildet auch ein Schlüsselelement zur Einschränkung jeglichen Missbrauchs der öffentlichen Gewalt. Für eine Verwaltung ist es immer gefährlich, wenn die Bürger an der moralischen Qualität der Träger der öffentlichen Gewalt zweifeln.

Die Überlegungen zur Ethik stehen in der Bundesverwaltung noch in den Anfängen und sind noch kaum strukturiert. Die Kommission wird den Bundesrat deshalb auffordern, aktive Massnahmen zu treffen, damit in der Bundesverwaltung eine Unternehmenskultur entsteht, die ethisches Verhalten fördert.

Die Ethik stellt hohe Ansprüche nicht nur an die Arbeitnehmer, sondern auch an die Arbeitgeber. Ein korrekt bezahlter, auf seine Tradition und Integrität stolzer öffentlicher Bediensteter ist weniger anfällig für regelwidriges Verhalten als ein Angestellter, der das Gefühl hat, schlecht bezahlt, überlastet und in einer beruflich unsicheren Situation zu sein.

Bemerkung: Die in diesem Bericht verwendeten Funktionsbezeichnungen (Departementsvorsteher, Generalsekretär, Mitarbeiter, Beamte usw.) beziehen sich auf beide Geschlechter.

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Bericht 1

Ausgangslage

Im Februar 1995 forderte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-NR) sämtliche Departemente auf, in ihrem Geschäftsbericht die Massnahmen darzulegen, die zur Vorbeugung der Korruption in der Bundesverwaltung ergriffen wurden. Die eingegangenen Antworten vermittelten den Eindruck, dass die Korruption zumindest im Jahr 1995 weder für den Bundesrat noch für die Bundesverwaltung ein vorrangiges Anliegen bildete.

Seitdem hat sich die Lage geändert. Bestimmte Aufsehen erregende Fälle machten Schlagzeilen und zeigten, dass die Bundesverwaltung vor Korruption nicht gefeit ist.

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) stellte in einem der Korruption gewidmeten Kapitel ihres Jahresberichts von 1995 (erschienen 1996) erstmals fest: «In unserem Land ist die Situation (noch) nicht alarmierend, doch ist vermutlich von einem gewissen Dunkelfeld auszugehen. Diese Vermutung wird gestützt durch die Feststellung, dass die meisten der bekannt gewordenen Fälle eher zufälligerweise durch Hinweise von Dritten, Mitarbeitenden oder von der Presse aufgedeckt wurden und nicht durch systematische Prüfungen.»1 Ab der zweiten Hälfte 1995 wurde eine weitgehende Initiative eingeleitet. Im Sommer 1995 setzte der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) die Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfungen und Korruption» ein. Die Gruppe unter der Leitung des Chefs der Bundespolizei wurde beauftragt, eine gesamtschweizerische Lagebeurteilung, die Feststellung eines allfälligen Handlungsbedarfs sowie die Erarbeitung von konzeptionellen Vorschlägen vorzunehmen. Die Arbeitsgruppe legte im Oktober 1996 ihren Bericht vor. 2 Auf der Grundlage dieses Berichts ergriff der Bundesrat verschiedene Massnahmen.

Im rechtlichen Bereich beauftragte er das EJPD, ein allgemeines Konzept zur Verschärfung der Korruptionsbekämpfung zu entwickeln. Der Bericht und der Vorentwurf zur Revision des schweizerischen Korruptionsstrafrechts3 wurden am 1. Juli 1998 in die Vernehmlassung gegeben. Der Vorentwurf sieht die schärfere Bestrafung der Beamtenbestechung im Inland, die strafrechtliche Erfassung der Bestechung ausländischer Beamter und den Beitritt zum entsprechenden Übereinkommen der OECD sowie die Revision der Privatbestechung. Im Vernehmlassungsverfahren wurde die Notwendigkeit einer Revision des Korruptionsstrafrechts verbreitet bejaht und der Stossrichtung der Vorlage gesamthaft gesehen ganzüberwiegend zugestimmt4.

1

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Bericht vom 22. März 1996 über die Tätigkeit der Eidgenössischen Finanzkontrolle im Jahr 1995 an die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte und an den Bundesrat, BBl 1996 II 1276.

Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfungen und Korruption» des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Bern, Oktober 1996.

Revision des schweizerischen Korruptionsstrafrechts, Bericht und Vorentwurf, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bern, Juni 1998.

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Vorentwurf zur Revision des Schweizerischen Korruptionsstrafrechtes, Bundesamt für Justiz, Bern, November 1998.

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Die von der Regierung vorgeschlagenen Massnahmen beschränken sich aber nicht nur auf repressive Instrumente. Im administrativen Bereich beschloss der Bundesrat präventive Massnahmen. Er beauftragte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), bis Ende 1998 eine Musterregelung für die Annahme von Geschenken für Bedienstete der Bundesverwaltung zu erarbeiten. Ausserdem wurde die Verwaltungskontrolle des Bundesrates (VKB) am 15. Januar 1997 beauftragt, ein Inventar von Tätigkeiten mit denkbarer Korruptionsgefährdung zu erstellen, die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen zu evaluieren und gegebenenfalls Vorschläge zur Verbesserung der Aufsichtsmittel des Bundesrates und der Departemente zu unterbreiten.

Der Schlussbericht der VKB wurde im Mai 1998 veröffentlicht5. Auf der Grundlage des Berichts ergriff der Bundesrat verschiedene zusätzliche Massnahmen zur Ausund Weiterbildung der Beamten in Sachen Ethik und Korruptionsvorbeugung. Ausserdem wurde das EFD mit der Erstellung eines Verhaltenskodexes («code of conduct») beauftragt.

Auf parlamentarischer Ebene wurden seit 1995 neben den bereits erwähnten Arbeiten der Geschäftsprüfungskommission zahlreiche Impulse gegeben6, darunter namentlich die parlamentarische Initiative 96.414 (Bekämpfung der Korruption), die eine Angleichung der strafrechtlichen Bestimmungen zur Verstärkung der Korruptionsbekämpfung forderte. Am 5. Juni 1997 beschloss der Nationalrat angesichts der bereits vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen, der Initiative keine Folge zu geben.

Dagegen nahm er am gleichen Tage die Motion 96.3457 des Ständerates an (Korruptionsfälle. Gesetzgeberische Konsequenzen), die der Exekutive das zwingende Mandat erteilt, eine Revision des Korruptionsstrafrechtes einzuleiten.

Schliesslich ist auch ein Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu nennen, das dem Korruptionsprozess in der Schweiz gewidmet ist und 1997 begann. Die Arbeiten bilden Teil des Nationalen Forschungsprogramms 40 («Gewalt im Alltag und organisierte Kriminalität»). Ziel der Arbeiten ist es, korruptionsbegünstigende Faktoren aufzudecken bzw. besonders korruptionsanfällige Wirtschafts- und Verwaltungssektoren zu ermitteln sowie Reaktions- und Präventionsstrategien zu erarbeiten. Diese Forschungsarbeit läuft bis Ende 1999.

2

Problematik

Zwei Themen wurden im oben erwähnten Rahmen der Korruptionsbekämpfung fast nie behandelt: erstens die Vereinbarkeit von Nebenbeschäftigungen der Beamten mit ihrer öffentlichen Anstellung, zweitens berufliche Tätigkeiten ehemaliger Beamter, die eng mit ihrer vorherigen Stellung zusammenhängen.

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Bericht der VKB vom 26. März 1998 über Korruptionsgefährdungen und Sicherheitsvorkehrungen in der Bundesverwaltung.

Einfache Anfrage 95.1061, Gesetzgeberische Konsequenzen aus dem Fall Raphael Huber; Frage 95.5128, Revision der Bestechungsdelikte im Strafgesetzbuch; Interpellation 95.3357, Korruption im Autobahnbau; Dringliche Einfache Anfrage 96.1005, Kauf F/18.

Korruptionsverdacht; Postulat 96.3347, Bestechungsprävention bei öffentlichen Aufträgen; Postulat 96.3347, Bestechungsprävention bei öffentlichen Aufträgen; Einfache Anfrage 97.1040, Schmiergelder. Steuerabzüge.

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Es stellen sich folgende Fragen: 1.

Dürfen Beamte ihre im Dienst erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung privater, vor allem erwerbsorientierter Tätigkeiten nutzen?

2.

Können Beamte nach eigenem Ermessen aus der Bundesverwaltung austreten, um unabhängig von ihrem ehemaligen Aufgabenbereich eine beliebige Stelle in der Privatwirtschaft anzunehmen, oder sind diesbezügliche Regeln vorzusehen?

Juristisch gesehen handelt es sich um zwei getrennte Probleme. Auf den ersten Blick liegt der Zusammenhang mit der Korruption nicht auf der Hand. Bei genauerem Betrachten ist jedoch insofern eine enge Verbindung festzustellen, als die oben genannten Tätigkeiten wie bei der Korruption Interessenkonflikte zwischen dem öffentlich vom Beamten betreuten Interesse und dem privaten Interesse, das er bevorzugen könnte, schaffen könnten. Das Problem wirft auch ethische Fragen auf.

Andere Länder haben sich hier nicht täuschen lassen. So haben zum Beispiel Deutschland und Frankreich unlängst ihr Rechtsinstrumentarium um äusserst präzise Bestimmungen ergänzt, welche gewisse Nebenbeschäftigungen der Beamten begrenzen und die privaten Aktivitäten von ehemaligen Beamten einschränken. Alle diese Massnahmen bilden Teil umfassender Strategien zur Korruptionsbekämpfung und gehören generell zur Tendenz der «Moralisierung» des öffentlichen Lebens.

Die Geschäftsprüfungskommission hielt eine Untersuchung der Nebenbeschäftigungen der Beamten sowie der beruflichen Tätigkeiten ehemaliger Beamter aus mehreren Gründen für notwendig.

Zunächst ist es erlaubt und erforderlich, alle tatsächlichen oder vermuteten Interessenkonflikte, die Korruptionsfälle herbeiführen können, zu verhindern.

Zweitens wird in der Diskussion um das New Public Management (NPM) die Unterscheidung zwischen öffentlich/privat mit der Entwicklung neuer Auswertungskriterien zum öffentlichen Handeln und zum Verhalten öffentlicher Bediensteter in Frage gestellt. Die klassischen Regierungsformen in unseren Gesellschaften machen einen raschen Wandel durch. Die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Bereich verwischt sich und mithin die besondere Beziehung zwischen staatlichem Arbeitgeber und öffentlichem Bediensteten. In der Verwaltung halten privatwirtschaftliche Führungspraktiken Einzug: vertragliche Festlegung des Arbeitsverhältnisses, berufliche Mobilität, erweiterte Zuständigkeit der Linienvorgesetzten, Management Development usw. Im Übrigen wird die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Bereich immer undeutlicher.

Daneben erfordern auch die jüngsten Entwicklungen auf internationaler Ebene und im Ausland die erwähnte Untersuchung.

Schliesslich fallen die Fragestellungen der Kommission mit der anstehenden Revision des Bundespersonalrechts
zusammen, die einen Anlass bilden wird, sich mit den aktuellen Regeln zu den Nebentätigkeiten der Beamten bzw. den beruflichen Aktivitäten ehemaliger Beamter auseinander zu setzen.

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3

Auftrag und Vorgehen

Die Geschäftsprüfungskommission hat die Sektion «Mitteleinsatz» mit dieser Inspektion beauftragt. Hauptziel der Kommission war, die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Beamtengesetzes (BtG) über Nebentätigkeiten und das Amtsgeheimnis in der Bundesverwaltung zu überprüfen. Ferner erteilte die Kommission der Sektion den Auftrag, sich am Rande ihrer Arbeiten Gedanken zur Problematik der Ethik im öffentlichen Dienst zu machen.

Die Sektion bestand aus Herrn Nationalrat Hubert Lauper (Präsident), Frau Nationalrätin Milli Wittenwiller, den Herren Nationalräten Pierre Aguet, Boris Banga, Max Dünki, Jean-Jérôme Filliez (anschliessend ersetzt durch Gilbert Debons), Fulvio Pelli und Rémy Scheurer.

Die Sektion führte die Abklärungen zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Beamten selbst durch. Für die Frage Ethik gab sie bei der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle (PVK) ein Gutachten in Auftrag.

Die Sektion gliederte ihre Arbeiten um folgende Fragen: 1.

Wie wird die Kontrolle der Regeln des Beamtengesetzes zu Nebenbeschäftigungen der Bundesbeamten ausgeübt? Wie werden die Bestimmungen zur Unvereinbarkeit angewandt?

2.

Wer entscheidet in welchen Fällen und nach welchen Kriterien, ob Unvereinbarkeit vorliegt?

3.

Wie wird der Übergang von Beamten in die Privatwirtschaft hinsichtlich des Verhältnisses zum Bund geregelt?

4.

Was unternimmt der Bundesrat, um ein ethisches Verhalten in der Bundesverwaltung gerade in Zeiten von Veränderungen (Budgetkürzungen, Personalabbau, verstärkter Transparenzbedarf der Bürgerinnen und Bürger usw.)

zu wahren?

Die Sektion hielt am 24. März 1998 ihre erste Sitzung ab. Dabei einigte sie sich auf ein Arbeitsprogramm, auf die zu behandelnden Themen und die anzuhörenden Personen. Der Bundesrat wurde am 30. März 1998 über die Inspektion unterrichtet und ersucht, die betreffenden Beamten vom Amtsgeheimnis zu entbinden.

Am 7. Mai 1998 richtete die Sektion einen Fragekatalog zur Umsetzung der Bestimmungen des Beamtenrechtes über die Nebenbeschäftigungen und das Amtsgeheimnis an alle Generalsekretariate und an die Bundeskanzlei (nachstehend: die Departemente). Die Bundesanwaltschaft wurde auch eingeladen, dazu Stellung zu nehmen. Die Sektion forderte die Departemente insbesondere auf, ihr eine Namensliste der Personen mit einer Ermächtigung zur Ausübung einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebenbeschäftigung vorzulegen. Am 16. Juli 1998 und am 20. Oktober 1998 wandte sich die Sektion erneut an einige Departemente mit der Bitte um zusätzliche Informationen zum Beschäftigungsgrad von Personen mit einer Ermächtigung zur Ausübung einer entgeltlichen Nebenbeschäftigung, zum Namen des/der Arbeitgeber/s und zur Höhe des vermuteten Einkommens. In bestimmten Departementen ist die Sektion bei der Informationsbeschaffung auf Probleme gestossen, die ihre Arbeiten bremsten. Die Kommission wird in Kapitel 4 darauf zurückkommen.

Ausserdem führte die Sektion Unterredungen mit Vertretern bestimmter Bundesämter durch: Eidgenössisches Personalamt (EPA), Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale (EDMZ), Bundesamt für 9741

Waffensysteme und Munition (BWM), Bundesamt für Armeematerial und Bauten (BAB), Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) sowie Bundesarchiv. Die Verwaltungskontrolle des Bundesrates (VKB) legte der Sektion ihren Bericht über Korruptionsgefährdungen und Sicherheitsvorkehrungen in der Bundesverwaltung vor.

Insgesamt hielt die Sektion acht Sitzungen ab. Die Arbeiten wurden Ende Dezember 1998 abgeschlossen. Die Sektion übermittelte dem EFD ihre vorläufigen Schlussfolgerungen sowie den Bericht der PVK. Das EFD äusserte sich in der Stellungnahme vom 13. Januar 1999, die im vorliegenden Bericht nach Möglichkeit berücksichtigt wird.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates diskutierte den Sektionsbericht am 12. März 1999. Die Kommission genehmigte den Bericht und beschloss, ihn sowie jenen der PVK zu veröffentlichen.

Die Kommission betont, dass sie in ihrem Vorgehen nicht die Praktiken der einzelnen Departemente und Ämter untersuchte, sondern eine allgemeine Lagebeurteilung abgab. Der Bericht enthält einige konkrete Beispiele zur Verdeutlichung der geschilderten Fälle; trotzdem geht es der Kommission nicht darum, bestimmte Departemente oder Ämter anzuprangern. Der Bericht soll informieren und wenn möglich überzeugen, nicht anklagen. Deshalb wird ­ ausser in positivem Zusammenhang ­ kein Name genannt. Der Bericht gibt den Stand der Arbeiten per Ende November 1998 wieder.

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Das Problem des Zugangs zu zweckdienlichen Informationen

Die Informationsbeschaffung bei den Departementen über Nebenbeschäftigungen mit oder ohne Erwerbszweck von Beamten hat die Kommission viel Zeit gekostet.

In der Bundesverwaltung fehlen zentrale, bezifferte Angaben zu den Tätigkeiten oder zur Anzahl der erteilten Ermächtigungen. Das hängt damit zusammen, dass die diesbezügliche Zuständigkeit an die Departemente abgetreten wurde, welche sie ihrerseits teilweise an die nachgeordneten Gruppen und Ämter weitergaben.

Die Kommission forderte die Departemente auf, ihr diese Auskünfte zu erteilen. Die Informationssuche verursachte einen grossen Aufwand und löste in manchen Dienststellen einige Verstimmung aus. Gewisse Departemente teilten der Kommission mit, ihnen fehle ein Überblick über die Problematik; zudem müssten zahlreiche Personalakten eingesehen werden, was zu viel Zeit und Ressourcen beanspruche.

Andere Departemente argumentierten, sie könnten der Kommission die verlangten Informationen ­ vor allem jene zu den Nebeneinkommen ­ wegen des Datenschutzgesetzes (DSG)7 nicht übermitteln. Einige Ämter beriefen sich auch auf den Persönlichkeitsschutz, um bestimmte Informationen nicht vorlegen zu müssen. Andere schliesslich forderten die Kommission auf, sich an den Bundesrat und nicht an die Dienststellen zu wenden.

7

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (Datenschutzgesetz, DSG), SR 235.1.

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Angesichts dieser Lage sah sich die Kommission genötigt, einige Verfahrenspunkte zu prüfen und ausserdem ihre Rechte und Befugnisse in Bezug auf das DSG zu lösen. Dazu stützte sie sich auf ein Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz (BJ)8.

Die Erwägungen der Kommission werden nachstehend als Veranschaulichung ihres praktischen Vorgehens relativ vollständig wiedergegeben. Gleichzeitig soll damit die nächste Diskussion zur Totalrevision des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) angeregt werden.

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Informationsrechte und -befugnisse der Kommission

Nach Geschäftsverkehrsgesetz (GVG) hat die Geschäftsprüfungskommission das Recht, soweit sie es für die Beurteilung der Geschäftsführung der eidgenössischen Verwaltung als notwendig erachtet, von allen Behörden und Amtsstellen des Bundes die zweckdienlichen Auskünfte einzuholen und nach Anhören des Bundesrates die Herausgabe aller für die Beurteilung der Geschäftsführung wesentlichen Amtsakten der Bundesverwaltung zu verlangen (Art. 47quater Abs. 1 GVG). Soweit es zur Wahrung eines Amtsgeheimnisses, zur Wahrung schutzwürdiger persönlicher Interessen oder aus Rücksicht auf ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren unerlässlich ist, kann der Bundesrat an Stelle der Herausgabe von Amtsakten einen besonderen Bericht erstatten (Art. 47quater Abs. 2 GVG).

Am 29. Oktober 1975 verabschiedete der Bundesrat Weisungen für die Verwaltung über die Mitteilung von Auskünften an die Kommission9. Die Weisungen beruhen auf der sog. Organisationsgewalt des Bundesrates (Zuständigkeit zum Organisieren).

Ziffer 421 der Weisungen präzisiert gestützt auf Artikel 47quater Absatz 1 GVG Folgendes: «Die Chefs der Dienststellen sind zuständig für Auskünfte gegenüber den Geschäftsprüfungskommissionen und ihren Sektionen.» Ziffer 622 sieht ausserdem dazu vor: «Bei Inspektionen von Dienststellen der Bundesverwaltung durch die Geschäftsprüfungskommissionen oder einzelne Sektionen derselben sind die zuständigen Beamten vom Amtsgeheimnis entbunden; sie sind auch ermächtigt, gegebenenfalls Amtsakten herauszugeben.» Den vorangehenden Bemerkungen ist zu entnehmen, dass Beamte bei Inspektionen der Geschäftsprüfungskommission generell vom Amtsgeheimnis entbunden werden und damit zur Auskunfterteilung und zur Gewährung von Akteneinsicht verpflichtet sind. Ferner sind sie im Voraus ermächtigt, Amtsakten herauszugeben. Die Ermächtigung erteilt einem Beamten nie ein Recht, sondern eine Pflicht, die er zu befolgen hat.

Das bedeutet, dass die Kommission im Rahmen einer Inspektion direkten und fast unbeschränkten Zugang zu den Auskünften und Amtsakten der Verwaltung geniesst.

Bei Zweifeln bezüglich eines Auskunfts- oder Aktenbegehrens hat der Beamte das Gesuch an den Departementschef zuhanden des Bundesrats weiterzuleiten. Das

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9

Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 29. Oktober 1998 «Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates über Nebenbeschäftigungen und Einkünfte von öffentlichrechtlichen Bediensteten des Bundes» (nicht veröffentlicht).

Weisungen des Bundesrates über Auskünfte, Akteneinsichtgewährung und Aktenherausgabe an die Mitglieder der eidgenössischen Räte, an die parlamentarischen Kommissionen und an die Parlamentsdienste vom 29. Oktober 1975, BBl 1975 II 2155.

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Verfahren soll nicht von der Kommission betrieben werden. Der Bundesrat hat sich in der Vergangenheit dieser Auffassung angeschlossen10.

Anlässlich der aktuellen Inspektion stellte die Kommission fest, dass die Weisungen des Bundesrates in der Bundesverwaltung wenig bekannt waren, was häufig zu Missverständnissen und Spannungen führte. Die Kommission und das Sekretariat sahen sich mehrmals genötigt, die Dienststellen an das Vorhandensein der Weisungen und an die Befugnisse der Geschäftsprüfungskommission zu erinnern. Nach Auffassung der Kommission müssen diese Weisungen in der Verwaltung besser bekannt gemacht werden.

Die Weisungen sind bereits ziemlich alt. Es erscheint sinnvoll, sie an die Neuorganisation der Verwaltung, der parlamentarischen Kommissionen und der Parlamentsdienste anzupassen.

Empfehlung 1 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass in der Bundesverwaltung die «Weisungen vom 29. Oktober 1975 über Auskünfte, Akteneinsichtsgewährung und Aktenherausgabe an die Mitglieder der eidgenössischen Räte, an die parlamentarischen Kommissionen und an die Parlamentsdienste» besser bekannt gemacht und befolgt werden.

Empfehlung 2 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, spätestens nach der Annahme des neuen Geschäftsverkehrsgesetzes neue Weisungen zur Mitteilung von Auskünften zwischen der Bundesverwaltung und den parlamentarischen Kommissionen zu erarbeiten.

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Auflagen für die Kommission

Die umfassenden Rechte der Kommission sind nicht ohne Beachtung der Grundsätze der Verhältnismässigkeit (Ziff. 421) und der Gesetzmässigkeit (Ziff. 422) denkbar. Ausserdem bemüht sich die Kommission nach Möglichkeit, der Verwaltung eine zusätzliche Arbeitsbelastung zu ersparen (Ziff. 423).

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Verhältnismässigkeit

Bestimmte Departemente wandten ein, die Auskunftbegehren seien mit dem angestrebten Ziel der Inspektion unverhältnismässig.

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Vgl. Bericht der Geschäftsprüfungskommissionen an die eidgenössischen Räte über die Inspektionen und Aufsichtseingaben im Jahre 1980 vom 9. April 1981, Ziffer 3; Auskunftspflicht der Bundesbeamten gegenüber den Geschäftsprüfungskommissionen, BBl 1981 II 208.

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Nach Ansicht der Kommission waren die vorgebrachten Anfragen durchaus geeignet, das durch das Gesetz (im vorliegenden Fall das GVG) angestrebte Ziel zu erreichen, zumal sie der Kommission die Prüfung der Verwaltungsführung erlaubten (Grundsatz der Angemessenheit). Die Frage, ob die verlangten Informationen wirklich jene waren, welche die vom Gesuch berührten öffentlichen und privaten Interessen am wenigsten beeinträchtigen (Grundsatz der Subsidiarität), kann die Kommission bejahen, wobei ein Vorbehalt für nicht abgabenpflichtige Einkommen zugelassen wurde (vgl. infra). Zu der in Artikel 47quater ausdrücklich verankerten Notwendigkeit der Informationsgesuche («soweit eine Geschäftsprüfungskommission es für die Beurteilung der Geschäftsführung der eidgenössischen Verwaltung als notwendig erachtet») vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Tragweite der untersuchten Probleme diese rechtfertigte.

Selbstverständlich obliegt es in erster Linie der Kommission und nicht den kontrollierten Stellen, sich zur Verhältnismässigkeit der Informationsgesuche zu äussern.

Für Nebeneinkommen, die nicht an den Bund abgeführt werden müssen, hat das BJ Vorbehalte zur Verhältnismässigkeit und Gesetzmässigkeit der Massnahme angemeldet. Auf Antrag des Amtes hat die Kommission eingewilligt, von bestimmten Informationsgesuchen zu dieser Frage abzusehen.

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Gesetzmässigkeit

Gewisse Departemente haben bestimmte Informationen unter Berufung auf das DSG nicht weitergeleitet, da ihrer Meinung nach die angeforderten Auskünfte oder Akten gesetzlich geschützte Personendaten enthielten.

So formuliert ist das Argument nicht relevant. Das Datenschutzgesetz gilt nicht für Beratungen in den eidgenössischen Räten und in den parlamentarischen Kommissionen (Art. 2 Abs. 2 Bst. b DSG) und demzufolge ebenso wenig für die Informationsersuchen der Geschäftsprüfungskommission 11.

Die Tatsache, dass das DSG für die Arbeiten des Parlamentes nicht anwendbar ist, bedeutet nicht, dass die Kommission durch ihre Oberaufsicht uneingeschränkten Zugang zu durch das DSG geschützten Informationen geniesst.

In casu geht es daher nicht um die Frage, ob die Verwaltung Auskünfte an die Geschäftsprüfungskommission weiterleiten kann oder nicht, sondern ob die Verwaltung das Recht hat, solche Informationen zu erheben. Das Beamtengesetz enthält keine Bestimmung zur Bearbeitung von Personaldaten. Gemäss dem BJ kommt in Ermangelung einer besonderen datenschutzrechtlichen Regelung im BtG Artikel 328b Obligationenrecht (OR) im Sinne der subsidiären Lückenfüllung zum Tragen. Danach darf der Arbeitgeber Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind.

Mithin ist der Bund durchaus berechtigt, die Beamten um Auskünfte zu ihren Nebenbeschäftigungen zu bitten, um deren Vereinbarkeit mit der dienstlichen Tätigkeit zu prüfen. Die Informationen betreffen hauptsächlich Umfang und Art der Nebenbeschäftigung. Indessen gehen Anfragen zu Nebeneinkommen laut Auffassung des BJ 11

Vgl. Maurer, U., Vogt, N. P. (Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Datenschutzgesetz, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel und Frankfurt am Main, 1995, Seiten 58 ff.

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über den im Gesetz verfolgten Zweck hinaus. Daher muss der Bund davon absehen, systematisch Informationen zu Nebeneinkommen zu verlangen, ausser wenn eine Verpflichtung besteht, die entsprechenden Einkommen abzuliefern (Art. 13a Abs. 1 BO 112).

Die Kommission hat sich dem Standpunkt des BJ angeschlossen: Wenn ein Arbeitnehmer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht das Recht hat, von seinen Angestellten Informationen und Angaben zu Nebeneinkommen zu verlangen, so gilt das Gleiche auch für die Kommission.

Auf Antrag des BJ verzichtete die Kommission darauf, von den Departementen Informationen zu nicht ablieferungspflichtigen Nebeneinkommen anzufordern; trotzdem erteilten einige Departemente ihr diese Auskünfte. Im vorliegenden Bericht erwähnt die Kommission keine besonderen Einzelheiten, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, Informationen zu verwerten, die eigentlich nicht an die Kommission hätten weitergeleitet werden müssen.

Diese Tatsache beweist, dass die Grenzziehung zwischen notwendiger Information zur Prüfung etwaiger Unvereinbarkeiten und darüber hinausgehender Informationssammlung, welche als Eingriff in die Privatsphäre taxiert werden muss, nicht immer klar ist.

Das Beispiel zeigt, dass die Bundesverwaltung unbedingt über eine formale Gesetzesgrundlage für die Bearbeitung von Daten über Bundesbeamten verfügen muss.

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Ausmass der verursachten Arbeiten

Gewisse Departemente und Ämter waren der Ansicht, dass die für die Inspektion angeforderten Auskünfte unverhältnismässig seien und deren Beschaffung zu viel Zeit und Mittel in Anspruch nehme.

Die Kommission achtet in ihren Arbeiten bewusst darauf, die Bundesverwaltung nicht übermässig zu beanspruchen und ihr keine zusätzliche Arbeitslast aufzubürden. Nach Möglichkeit beschränkt sie ihre Auskunftsbegehren auf das zur Erfüllung ihres Mandats absolut Unerlässliche. Trotzdem kommt es häufig vor, dass in der Bundesverwaltung bestimmte Auskünfte nicht vorhanden sind und zunächst beschafft werden müssen. Die Kommission ist sich dieser Tatsache durchaus bewusst und bemüht sich deshalb auch immer, ein Gleichgewicht zwischen dem notwendigen Vertrauen zwischen Exekutive und Legislative und den demokratischen Erfordernissen der parlamentarischen Kontrolle zu finden.

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Schlussfolgerungen

Die bei der Inspektion offen gelegten Probleme zeigten sehr deutlich, dass einige Departemente und Ämter den Sinn der parlamentarischen Oberaufsicht und deren Notwendigkeit in einem demokratischen Rechtsstaat nicht immer einsehen. Manche Reaktionen der Departemente waren verständlich, und in solchen Fällen konnten auch einvernehmliche Lösungen gefunden werden. In andern Fällen hatte die Kom-

12

Beamtenordnung (1) (BO 1) vom 10. November 1959, SR 172.221.101.

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mission jedoch den Eindruck, dass die Reaktionen vor allem auf eine Verzögerungstaktik (um nicht zu sagen auf Schikanen) hinausliefen.

Eine Schlussfolgerung drängt sich auf: Auf Grund der obersten Gewalt der Bundesversammlung im Bund (Art. 71 BV) kann die Verwaltung nicht die Voraussetzungen für die parlamentarische Oberaufsicht bestimmen, ohne Gefahr zu laufen, dass letztlich der Kontrollierte vorschreibt, was der Kontrollierende verlangen darf. Es ist Aufgabe der Kommission, festzulegen, was ihr zur Ausübung des verfassungsmässigen Mandats dient (Art. 85 Ziff. 11 BV). Hier handelt es sich nicht eigentlich um eine Frage der Rechtsvorschriften, sondern der Politik.

Die Oberaufsicht bildet einen konstanten und gegenseitigen Prozess. Die Geschäftsprüfungskommission bemüht sich, soweit wie möglich eine Einigung mit der Verwaltung zu erzielen und es nicht zu einer Konfrontation kommen zu lassen. Im vorliegenden Fall musste die Kommission bisweilen die Inspektionsbedürfnisse gegenüber den Interessen der Verwaltung durchsetzen.

Die Kommission hat letztlich alle zweckdienlichen Informationen für die Inspektion erhalten und möchte an dieser Stelle allen Personen und Dienststellen, die ­ manchmal auch unter Druck ­ durch die Erstellung der Berichte oder die Aktenherausgabe an der Inspektion mitgearbeitet haben, herzlich danken.

5

Nebenbeschäftigungen von Beamten

51

Rechtliche Aspekte

Das Beamtengesetz (BtG) sowie verschiedene Verordnungen regeln die Beschäftigungen, die Beamte privat ausüben können13: kulturelle, sportliche, wissenschaftliche, militärische, wirtschaftliche, professionelle, unselbständige oder selbständige, ehrenamtliche oder entgeltliche Aktivitäten. Folgendes Prinzip liegt den Bestimmungen zu Grunde: Der Beamte darf keine Nebenbeschäftigung ausüben, welche die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt oder sich mit seinem Amt nicht verträgt. Der Beamte hat nämlich per definitionem seine gesamte Zeit und Verfügbarkeit dem Dienst zu widmen; er darf seine Arbeitskraft nicht teilen (Aufgabenerfüllungspflicht14). Zudem hat der Beamte alle privaten Tätigkeiten zu unterlassen, die Interessenkonflikte herbeiführen und tatsächlich oder anscheinend seine Unabhängigkeit und Objektivität gefährden können (Treuepflicht15). In allen Fällen haben die Interessen des Bundes den Vorrang vor allfälligen anderen Interessen.

Das Gesetz sieht kein absolutes Verbot der Nebenbeschäftigungen vor. Allerdings gestattet es dem Bundesrat, bestimmte Tätigkeiten durch Ausführungserlasse zu ver-

13

14 15

Artikel 15 des Beamtengesetzes (BtG) vom 30. Juni 1927, SR 172.221.10; Artikel 13 der Beamtenordnung (1) (BO 1) vom 10. November 1959, SR 172.221.101; Artikel 16 der Beamtenordnung (2) (BO 2) vom 15. März 1993, SR 172.221.102; Artikel 18 der Beamtenordnung (3) BO 3) vom 29. Dezember 1964, SR 172.221.103; Artikel 18 der Angestelltenordnung (AngO) vom 10. November 1959, SR 172.221.104. Zum Begriff der Nebenbeschäftigungen vgl. Stellungnahme des Eidgenössischen Personalamtes vom 6. Februar 1996 (VPB 1997 III Nr. 56 Seiten 507­518).

Artikel 21 BtG.

Artikel 22 BtG.

9747

bieten und die Ausübung einer Nebenbeschäftigung einer Ermächtigung zu unterstellen.

Art. 15 Beamtengesetz 1

Der Beamte darf keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn in der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt oder sich mit seinem Amt nicht verträgt.

2

Unvereinbar mit dem Amte ist jede Ausübung eines Gewerbes und jeder Betrieb von Handelsgeschäften durch den Beamten.

3

Der Bundesrat kann für die Ausübung einer Nebenbeschäftigung eine Ermächtigung vorsehen. Diese darf nur ausnahmsweise erteilt werden, wenn mit der Nebenbeschäftigung ein Einkommen erzielt wird.

4

Übt der Beamte eine Nebenbeschäftigung aus, die er ausschliesslich auf Grund seiner dienstlichen Stellung oder seiner dienstlichen Aufgaben ausüben kann, so muss er dem Bund in der Regel einen Teil des entsprechenden Einkommens abliefern. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Es gilt zu unterscheiden zwischen Nebenbeschäftigungen ohne Erwerbszweck und solchen, die einen Gewinn erzielen sollen.

Dient eine Nebenbeschäftigung einem ideellen Ziel oder der persönlichen Selbstverwirklichung (z. B. kulturelle, sportliche, wissenschaftliche, religiöse, militärische, wohltätige Aktivitäten, Vormundschaft usw.), so liegt es im Ermessen des Beamten, zu beurteilen, ob er das Recht auf Ausübung hat oder nicht. Wenn z. B. der Beamte seine Arbeitszeit überwiegend der Verwaltung seines Vermögens widmet, oder wenn er in seiner Freizeit als Nachtwächter arbeitet, was zu Übermüdung führt, so muss er auf diese Tätigkeiten verzichten, weil sie die Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten beeinträchtigen. Gleiches gälte für die Ausübung einer besonders riskanten sportlichen Tätigkeit, die Leben oder Gesundheit des Beamten gefährden würde. Kann ein Beamter seine dienstlichen Aufgaben auf Grund seiner Nebenbeschäftigungen nicht erfüllen, muss er sich entscheiden und gegebenenfalls darauf verzichten.

Verfolgt eine Nebenbeschäftigung einen Erwerbszweck, so entscheidet der Beamte nicht selbst über das Recht auf Ausübung. In solchen Fällen hat er auf dem Dienstweg bei der Wahlbehörde eine Ermächtigung einzuholen (Art. 13 Abs. 2 BO 1). Die Departemente sind für die Ermächtigung zur Ausübung von Nebenbeschäftigungen zuständig, soweit sie nicht diese Kompetenz den Gruppen und Ämtern übertragen haben (Art. 4a BO 1).

Die Ermächtigung, eine Nebenbeschäftigung auszuüben, darf «nur ausnahmsweise» (Art. 15 Abs. 3 BtG) erteilt werden; sie ist zu verweigern, wenn eine Vernachlässigung des Amtes befürchtet werden muss oder wenn ein Interessenkonflikt besteht.

Auf die Nichtbeachtung der Vorschriften stehen disziplinar- (Art. 30 ff. BtG), straf(insbesondere Art. 314­316 StGB) und vermögensrechtliche (Verantwortlichkeitsgesetz) Massnahmen.

Die Wahlbehörde kann die Ausübung einer erwerbsorientierten Nebenbeschäftigung bestimmten Bedingungen und Auflagen unterwerfen. Die Ermächtigung kann insbe-

9748

sondere zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung nicht eingehalten werden.

Artikel 13 Absätze 2 und 3 BO 1 regeln Einzelheiten und Kriterien für die Erteilung der Ermächtigung zur Ausübung von Tätigkeiten mit Erwerbszweck: Art. 13 Beamtenordnung (1) 2

Unabhängig vom Beschäftigungsgrad hat der Beamte auf dem Dienstweg eine Ermächtigung einzuholen: a.

für Nebenbeschäftigungen, die einen Erwerbszweck verfolgen;

b.

für die Beteiligung an der Leitung einer Erwerbsgesellschaft;

c.

für die Beteiligung an der Leitung einer Vereinigung oder Anstalt, die nach dem Grundsatz der Selbsthilfe ihren Mitgliedern wirtschaftliche Erleichterung verschaffen will.

3

Die Ermächtigung darf erteilt werden:

a.

wenn keine Unvereinbarkeit besteht und zwischen den dienstlichen Interessen und den Interessen im Zusammenhang mit der Nebenbeschäftigung eine Kollision ausgeschlossen ist;

b.

zur Leitung einer Erwerbsgesellschaft, wenn: 1. der Beamte zu der Erwerbsgesellschaft noch durch andere als finanzielle Beziehungen in einem besonders engen Verhältnis steht und 2. die personellen Verhältnisse der Erwerbsgesellschaft die Mitarbeit des Beamten in der Leitung als notwendig erscheinen lassen;

c.

zu Nebenbeschäftigungen, die einem Erwerbszweck dienen, wenn vorbehältlich Buchstabe a der Bund einem teilzeitbeschäftigten Beamten keine Vollzeitbeschäftigung bieten kann.

Übt der Beamte eine Nebenbeschäftigung aus, die er ausschliesslich auf Grund seiner dienstlichen Stellung oder seiner dienstlichen Aufgaben ausüben kann, so muss er dem Bund in der Regel einen Teil des entsprechenden Einkommens abliefern (Art. 15 Abs. 4 BtG; Art. 13a BO 1). Dies gilt insbesondere für Beamte, die den Bund in gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften oder Aktiengesellschaften vertreten (Vertretung von Amtes wegen). Der Beamte, der solche Tätigkeiten ausübt, muss der vorgesetzten Amtsstelle alle notwendigen Angaben über das Einkommen aus der Nebenbeschäftigung liefern (Art. 13a Abs. 1 BO 1). Die Einzelheiten sind in einer besonderen Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements geregelt16. Hat der Bund an der Ausübung einer Nebenbeschäftigung ein wesentliches Interesse, so kann der Beamte von der Ablieferungspflicht teilweise oder ganz befreit werden.

Zuständig hierfür ist die Wahlbehörde (Art. 13a Abs. 3 BO 1). Die Ablieferungspflicht bezüglich der Einkünfte ist eine Sonderabgabe, welche auf Grund des Dienstverhältnisses zu leisten ist17.

16

17

Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements über das anrechenbare Einkommen und die Ablieferung bei Nebenbeschäftigungen vom 30. Juni 1987, SR 172.221.128.

BGE 100 Ia 312, BGE 113 Ia 97.

9749

Zusammengefasst zeigen die obigen Ausführungen, dass der Grundsatz des Verbots der Nebenbeschäftigungen mit einer Reihe von Ausnahmen allgemeiner Tragweite einhergeht (bedingte oder relative Unvereinbarkeit). Diese werden je nach Fall dem Ermessen des Beamten oder der Wahlbehörde überlassen. Grundsätzlich können vollzeitbeschäftigte Beamte des Bundes keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgehen.

Der Einfachheit halber verwenden wir in der Folge den Begriff «Beamter» im breiten Sinn: Darunter sind unabhängig von der sie betreffenden öffentlich-rechtlichen Regelung alle Bediensteten der allgemeinen Bundesverwaltung zu verstehen.

Der aktuelle Wortlaut von Artikel 15 BtG geht auf eine Änderung aus dem Jahr 1986 zurück18, welche die Verpflichtung einführte, dem Bund einen Teil der Einkommen aus der Nebenbeschäftigung, die der Beamte auf Grund seiner dienstlichen Stellung ausübt, abzuliefern. In der gleichen Revision wurde ausserdem für Familienmitglieder, die im Haushalt des Beamten leben, das Verbot aufgehoben, eine Wirtschaft oder einen gewerbsmässigen Kleinverkauf alkoholischer Getränke zu betreiben.

In der Rechtsprechung sind nur wenige Fälle im Zusammenhang mit Nebenbeschäftigungen bekannt. Die häufigsten Fälle betreffen die Vereinbarkeit des Verbots einer entgeltlichen Nebenbeschäftigung mit der in Artikel 31 der Bundesverfassung verankerten Handels- und Gewerbefreiheit. Die Rechtsprechung der Verwaltungsbehörden und des Bundesgerichts geht davon aus, dass diese Bestimmung auf Grund des besonderen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zwischen Beamten und Staat zulässig war. Die Rechtsprechung wurde seitdem präzisiert. In einem Entscheid von 1995 erachtete das Bundesgericht die Berufung eines Beamten auf die Handels- und Gewerbefreiheit bei der Ausübung einer nebenberuflichen privatwirtschaftlichen Tätigkeit als zulässig. Voraussetzung ist, dass kein materieller Zusammenhang zwischen der nebenberuflichen und der dienstlichen Tätigkeit besteht.

Ausserdem darf die Nebenbeschäftigung das Ansehen der Beamten und auch das öffentliche Vertrauen in ihre Unparteilichkeit nicht beeinträchtigen19.

Die Bestimmungen über die Nebenbeschäftigungen gelten für sämtliche Ämter (höhere und untergeordnete, hoheitliche und nicht hoheitliche) und für alle Bediensteten (Beamte, ständige und nicht ständige
Angestellte, Angestellte im Probeverhältnis). Teilzeitbeschäftigte, die eine zusätzliche Erwerbstätigkeit ausüben, unterstehen den gleichen Bedingungen und Auflagen wie Vollzeitbeschäftigte und müssen in diesem Fall auch eine Ermächtigung anfordern. In der Botschaft von 1986 ist dazu zu lesen: «Indessen kann der Teilzeitbeschäftigte nur dann mit der ausnahmsweisen Bewilligung für eine Nebenbeschäftigung rechnen, wenn er erfolglos um ein erhöhtes Arbeitspensum in der Verwaltung nachgesucht hat»20.

Schliesslich ist zu betonen, dass die Bestimmungen zu Nebenbeschäftigungen weder auf die Mitglieder des Bundesrates noch auf den Bundeskanzler anwendbar sind.

Für sie gilt das absolute Verbot, entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebenbeschäftigungen wirtschaftlicher Art nachzugehen (absolute Unvereinbarkeit: Art. 97 BV;

18 19 20

Neue Fassung gemäss Ziffer I des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986, in Kraft seit 1. Juli 1987 (AS 1987 932 939; BBl 1986 II 313).

BGE 121 I 326.

Botschaft des Bundesrates vom 10. März 1986 betreffend die Änderung des Beamtengesetzes und über die Genehmigung von Änderungen des Ämterverzeichnisses, BBl 1986 II 316.

9750

Art. 60 RVOG21). Für vollamtliche Mitglieder des Bundesgerichts ist eine identische Regel vorgesehen (Art. 108 Abs. 3 BV; Art. 3 Abs. 2 OG22). Dessen ungeachtet kann das Gericht seinen Mitgliedern die Tätigkeit als Gutachter und Schiedsrichter sowie andere Nebenbeschäftigungen gestatten, sofern die uneingeschränkte Erfüllung der Amtspflichten, die Unabhängigkeit und das Ansehen des Gerichts nicht beeinträchtigt werden (Art. 3a OG). Die Einzelfragen werden in einem Reglement geordnet23.

52

Art, Gegenstand und Umfang der Nebenbeschäftigungen in der Bundesverwaltung

Die von den Departementen übermittelten Informationen lassen erhebliche Unterschiede hinsichtlich Art, Gegenstand und Umfang der Nebenbeschäftigungen erkennen. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zählt unter 0,2% Beamte mit einer Nebenbeschäftigung; das Eidgenössische Departement des Innern (EDI, ohne den ETH-Bereich) weist den höchsten Prozentsatz auf (4,7%). Für die übrigen Departemente liegen die Zahlen in der Spannweite zwischen 1,5% (Bundeskanzlei) und 3,1% (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, EJPD).

Innerhalb der Departemente stellte die Kommission markante Unterschiede fest: Im EDI beispielsweise besitzt das Bundesamt für Gesundheit den höchsten Anteil an Beamten mit einer Nebenbeschäftigung (8,1%), die Landeshydrologie und -geologie hingegen gar keine. Im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) weist die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) einen Prozentsatz von 5,6% auf (ohne Lehrtätigkeiten und öffentliche Ämter), während in der Eidgenössischen Drucksachen- und Materialzentrale (EDMZ) und in der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) keine Beamten einer Nebenbeschäftigung nachgehen.

Für Nebenbeschäftigungen mit Erwerbszweck zählt das VBS einen Anteil von 0,03% Beamten, das EDI 2,5%. Für die übrigen Departemente liegen die Angaben zwischen 0,2% (EDA) und 2,4% (EJPD).

Die Unterschiede zwischen den Departementen lassen sich teilweise erklären. Der niedrige Anteil im EDA lässt sich darauf zurückführen, dass es für diplomatische und konsularische Beamte mit Einsatz im Ausland gemäss den Wiener Überein21

22

23

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG), SR 172.010. Siehe zu diesem Konzept das Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 13. August 1998 «Kurzgutachten zur Interpretation von Artikel 60 des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes im Hinblick auf eine allfällige Wahl von Herrn Bundesrat Adolf Ogi zum Präsidenten der (AJOH)». Vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 20. Oktober 1993 betreffend das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG), BBl 1993 III 997.

Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]) vom 16. Dezember 1943, SR 173.110; vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 18. März 1991 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege sowie die Änderung des Bundesbeschlusses über eine vorübergehende Erhöhung der Zahl der Ersatzrichter und der Urteilsredaktoren des Bundesgerichts, BBl 1991 II 465.

Reglement des Bundesgerichts vom 22. Februar 1993 über die Nebenbeschäftigung der Mitglieder des Bundesgerichts, SR 173.113.1; Reglement des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 16. März 1993 über die Nebenbeschäftigungen der Mitglieder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, SR 173.113.2.

9751

kommen24 kaum möglich ist, einen weiteren Beruf oder ein Gewerbe auszuüben. Die hohen Zahlen im EDI gehen insbesondere darauf zurück, dass im Departement zahlreiche Teilzeitbeschäftigte arbeiten (33,9% Ende Januar 1998). Gemäss dem Departement sind Teilzeitbeschäftigte des Bundes immer häufiger gezwungen, einer weiteren Beschäftigung nachzugehen, um ihre materielle Existenz abzusichern. Laut dem EDI stellt die Verallgemeinerung der Teilzeitarbeit die heutige Regel in Frage und macht im Moment eine grosszügige Auslegung notwendig. Einige Ämter, die Umstrukturierungen durchgeführt haben, ermutigen ihre Beamten sogar zu Nebenbeschäftigungen, um die Auswirkung der Reorganisationsmassnahmen zu mildern (beispielsweise das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement).

Ein weiterer Grund liegt in der sehr unterschiedlichen Auslegung des Konzepts erwerbsorientierter Nebenbeschäftigung. Nach Angaben des VBS wird eine Nebenbeschäftigung als erwerbsorientiert bezeichnet, wenn das damit erzielte Einkommen mehr als 10% des Höchstbetrages der Besoldungsklasse des Beamten übersteigt. Für in unteren Besoldungsklassen eingestufte Beamte entspricht dies einem Betrag von rund 5000 Franken pro Jahr, für Beamte in den höheren Besoldungsklassen rund 17 000 Franken. Das EFD wiederum unterscheidet nicht zwischen Nebenbeschäftigungen mit bzw. ohne Erwerbszweck. Es führt richtig an, das Konzept «Erwerbszweck» sei weder im BtG noch in den Ausführungsbestimmungen definiert. In anderen Departementen fällt alles unter Erwerbszweck, was pekuniäre Vorteile erzielt; dabei kann es sich um ein regelmässiges oder gelegentliches Einkommen, um Taggelder, Honorare, Patente, Lizenzen, Tantiemen, Urheberrechte, Entschädigungen usw. handeln.

Aus diesem Grund lassen sich die Angaben nicht immer leicht deuten. Geht man z. B. mit dem Bundesgericht davon aus, dass unter erwerbsorientiert alle Tätigkeiten zu verstehen sind, die auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet sind und beruflich ausgeübt werden25, so ist festzustellen, dass die angegebenen Aktivitäten weitgehend unregelmässig oder gelegentlich sind und mithin nicht unter diese Definition fallen.

Nicht nur die Definition des Erwerbszwecks bereitet Probleme. Das Konzept der Nebenbeschäftigung selbst führte zu abweichenden Auslegungen. In einigen Departementen oder Ämtern werden
öffentliche Mandate als Nebenbeschäftigungen mit Erwerbszweck betrachtet. Juristisch allerdings unterscheiden sich die beiden Situationen, da der Gesetzgeber die Ausübung einer Nebenbeschäftigung (Art. 15 BtG) klar von der Bekleidung eines öffentlichen Amtes (Art. 14 BtG) trennt.

Ausserdem herrscht in einigen Departementen eine gewisse Verwechslung zwischen privaten Nebenbeschäftigungen und Vertretungen von Amtes wegen aus dienstlichen Gründen.

In qualitativer Hinsicht enthüllen die Statistiken daher nur einen Bruchteil der Wirklichkeit. In einigen Fällen sind die Zahlen zu hoch, in anderen zu niedrig. Zudem betreffen die Zahlen nur die von den Beamten gemeldeten Aktivitäten, während

24

25

Artikel 42 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen, SR 0.191.01; Artikel 57 Absatz 1 des Wiener Übereinkommens vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen, SR 0.191.02. Hier ist anzumerken, dass die Bestimmungen der BO3 über die Nebenbeschäftigungen der im Auslanddienst eingesetzten Beamten des EDA auch für die im Haushalt lebenden Familienmitglieder des Beamten gelten (Art. 18 Abs. 6 BO3).

BGE 103 Ia 261 (Übersetzung aus dem französischen Original), BGE 106 Ia 355.

9752

auch der Vollständigkeit halber ungemeldete Tätigkeiten dazugerechnet werden müssten.

Die Kommission hat davon abgesehen, die Angaben systematisch mit der Realität zu vergleichen. In der Tat hätten sich die Kontrollen nur mit hohen Kosten und Zeitverlust durchführen lassen, die zu den erwarteten Ergebnissen in keinem Verhältnis stünden. Indessen hat die Kommission einige der gelieferten Informationen mit bereits vorhandenen Auskünften verglichen ­ ein im Übrigen umstrittenes Verfahren: bestimmte Departemente und Ämter gaben zu, vor allem zu den Teilzeitbeschäftigten keine vollständigen Informationen zu besitzen. Ebenfalls anzunehmen ist, dass gewisse Beamte in völliger Unkenntnis der entsprechenden Rechtsvorschriften Nebenerwerbstätigkeiten ausüben.

Abgesehen von Lehraufträgen oder von Beratungs- und Vertretungstätigkeiten gehören Nebenbeschäftigungen mehrheitlich zum Vereinsbereich (Mitwirkung in einer Gewerkschaft oder Wohnbaugenossenschaft, künstlerische Tätigkeiten usw.) oder sind relativ untergeordneter Art: Hauswart, Haushaltsarbeiten, Einzelstunden, Reiseführer, Verkäufer, Sportlehrer, Bergführer, Taxi- oder Carfahrer, Automechaniker, Übersetzer, Sekretariatsarbeiten usw. Den oft in unteren Besoldungsklassen eingestuften Personen bringen die Nebenbeschäftigungen ein unverzichtbares Zusatzeinkommen ein. In diesen Fällen hat die Kommission keine besonderen Probleme in Sachen von Interessenkonflikten festgestellt. Die Frage, ob die Arbeit die betreffenden Beamten nicht überbeanspruche, bleibt unbeantwortet, weil dazu jeder Einzelfall untersucht werden müsste. Diese Aufgabe fällt unter die Kompetenz der Linienvorgesetzten.

Zu den Beratungstätigkeiten (Rechts- oder Steuerberatung usw.) oder der Vertretung (Verwaltungsrat, Tätigkeit als Anwalt usw.) äusserst sich die Kommission nuancierter. Einige von der Kommission geprüfte Situationen lassen auf einen scheinbaren oder wirklichen Interessenkonflikt zwischen öffentlichen und privaten Angelegenheiten schliessen. Hier einige fiktive Beispiele: Ist es vertretbar, dass ein in einem Beschwerdedienst des Bundes halbzeitbeschäftigter Anwalt sich in der zweiten Zeithälfte in einer Anwaltskanzlei mit öffentlich-rechtlichen Fällen befasst?26 Ist es vertretbar, dass ein Beamter der Steuerverwaltung Steuerpflichtige in Buchhaltungsfragen berät? Darf eine
Person, die staatliche Aufsichtsaufgaben im Banken-, Versicherungs- oder Unternehmensbereich wahrnimmt, gleichzeitig in einer Beratungsfirma, einer Treuhand- oder in einer Vermögensverwaltungsgesellschaft27 arbeiten? Die Kommission stellte fest, dass derartige sehr gefährliche Situationen existieren. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes hat sich die Kommission direkt mit den verantwortlichen Departementschefs in Verbindung gesetzt und sie gebeten, die notwendigen Massnahmen zu treffen.

Die Kommission mahnt nachdrücklich zur Vermeidung solcher Fälle, welche die Unabhängigkeit der öffentlichen Beamten beeinträchtigen und dem Ruf der Verwaltung schaden: Neben den Interessenkonflikten stellt sich das Problem des unlauteren Wettbewerbs, wenn nämlich der Beamte für die Ausübung seiner privaten Tätigkeit die Ressourcen und Infrastruktur des Bundes benutzt.

26 27

Bei der Revision des Beamtengesetzes entwickelte der Vorsteher des EFD ein analoges Beispiel (AB S 1986 729).

Hier ist anzumerken, dass gemäss Artikel 161 des Strafgesetzbuches, der am 1. Juli 1988 in Kraft trat, u. a. Beamte, die vertrauliche Kenntnisse im Börsenbereich missbräuchlich ausnützen, bestraft werden.

9753

53

Der besondere Fall der Lehrtätigkeiten

Die Lehrtätigkeit von Beamten stellt eine besondere Art der Nebentätigkeit dar, welche eine gesonderte Regelung erfährt. Die Lehrtätigkeitsverordnung28 von 1974 regelt die Lehrtätigkeiten wie folgt: Ist der Bedienstete im Interesse des Bundes lehrtätig, werden ihm die wegen des Unterrichts entfallenden Arbeitsstunden bis zu einem bestimmten Umfang als Arbeitszeit angerechnet. Die ersten 42 Stunden gelten als bezahlter Urlaub; von den nächsten 42 Stunden ist die Hälfte durch Zeitausgleich zu kompensieren oder auf die vom Bund ausgerichteten Bezüge anzurechnen; jede weitere Stunde ist voll durch Zeitausgleich zu kompensieren oder im ganzen Umfang auf die vom Bund ausgerichteten Bezüge anzurechnen. Die Dienststellen entscheiden nach freiem Ermessen, welche Lehrtätigkeit im Interesse des Bundes liegt.

Liegt die Lehrtätigkeit während der ordentlichen Arbeitszeit nicht im Interesse des Bundes, so sind die ausfallenden Arbeitsstunden voll durch Zeitausgleich zu kompensieren oder im ganzen Umfang auf die ausgerichteten Bezüge anzurechnen.

Die Lehrtätigkeit der Bediensteten der Eidgenössischen Technischen Hochschulen und ihrer Annexanstalten, des Schweizerischen Institutes für Berufspädagogik und der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalten wird gesondert geregelt.

Es gibt keine zentrale Kontrolle über Beamte, die eine nebenamtliche Lehrtätigkeit ausüben. Wie sich bei den Untersuchungen der Kommission gezeigt hat, übten 1998 rund achtzig vollamtliche Beamte eine Lehrtätigkeit an einer höheren Schule aus.

Die Vergütungen sind zuweilen recht hoch. Sie liegen je nach Fall zwischen 500 und ca. 50 000 Franken für vollamtliche Beamte. Die Vergütungen werden den Beamten selbst ausgerichtet, da die Verordnung weder eine Ablieferungspflicht an den Bund noch eine Lohnabrechnung vorsieht 29. Es handelt sich dabei also um einen Zusatzverdienst zum Einkommen aus der offiziellen Beamtentätigkeit.

Lehrtätigkeiten werfen aus dem Blickwinkel der Interessenkonflikte keine besonderen Probleme auf. Anders verhält es sich mit der Arbeitsbelastung. Für einen Vollzeitbeschäftigten ist es nahezu unmöglich, die dienstlichen Aufgaben mit einem regelmässigen Lehrauftrag meistens während der Arbeitszeit zu vereinbaren, ohne dass der Dienstbetrieb darunter leidet. Einige von der Kommission geprüfte Lehrtätigkeiten entsprechen
Lehrstellen von 25%, also theoretisch 10­15 Arbeitsstunden pro Woche. Lehrtätigkeiten sind zu Zeiten der Arbeitsüberlastung in der Bundesverwaltung problematisch. Nur wenige Unternehmen könnten solche Belastungen verkraften. Sicherlich ist die Lehrtätigkeit an sich lobens- und empfehlenswert; es bleibt jedoch abzuklären, ob sie für den Bund unerlässlich ist.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Lehrtätigkeit während der Dienstzeit die Ausnahme bleiben muss. Genehmigt sollte sie dann werden, wenn zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass wesentliche Interessen des Bundes damit verbunden sind.

Die Interessen müssen klar von den Interessen des Beamten, einen Lehrauftrag wahrzunehmen oder einen Titel zu führen, abgegrenzt werden.

28 29

Verordnung vom 2. Dezember 1974 über die Lehrtätigkeit von Bediensteten der allgemeinen Bundesverwaltung (Lehrtätigkeitsverordnung), SR 172.221.126.

Obschon die Verordnung nichts dergleichen vorsieht, verlangen gewisse Ämter jeweils eine Aufstellung über den jeweiligen Jahresverdienst aus Lehrtätigkeiten. Dies gilt u. a.

bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung.

9754

Empfehlung 3 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, die während der ordentlichen Arbeitszeit ausgeführten Lehrtätigkeiten der Beamten strenger zu kontrollieren. Entsprechende Lehrtätigkeiten dürfen nur bewilligt werden, wenn sie den Interessen des Bundes und nur diesen dienen und mit der übrigen Arbeitslast vereinbar sind.

Des Weiteren befasste sich die Kommission mit der Frage der Kumulierung der Einkommen. Die Kommission hält die heutige Praxis, die Beamten ermöglicht, während ihrer ordentlichen Arbeitszeit mehrere Gehälter zu erwirtschaften, für äusserst problematisch. Erschwerend kommt hinzu, dass die Situation im Wesentlichen oder sogar ausschliesslich Beamte der höheren Besoldungsklassen betrifft ­ Beamte, deren Gehalt im Allgemeinen ausreicht, um ihnen einen ihrer gesellschaftlichen Stellung entsprechenden Lebensstil zu erlauben.

Beamte, die den Bund in Unternehmen, Ausschüssen, Institutionen oder Organisationen vertreten, müssen dem Bund einen Teil des entsprechenden Einkommens abliefern; Lehrbeauftragte sind dazu nicht verpflichtet. Obwohl beide Tätigkeitsarten den gleichen Zweck verfolgen ­ sie sollen den Interessen des Bundes dienen ­, werden sie hinsichtlich der Ablieferungspflicht unterschiedlich behandelt. Diese Sachlage stellt eine Ungleichbehandlung zu Gunsten der Lehrbeauftragten dar und kann in der Bundesverwaltung eine bestimmte Missgunst hervorrufen.

In rechtlicher Hinsicht stellt sich folgende Frage: Ist die Pflicht für Beamte, die eine mit ihrer dienstlichen Aufgabe zusammenhängende Nebenbeschäftigung mit Erwerbszweck ausüben, dem Bund einen Teil des entsprechenden Einkommens abzugeben, auch auf Lehrbeauftragte anwendbar?

Artikel 15 Absatz 4 des Beamtengesetzes sieht Folgendes vor: Art. 15 Abs. 4 Beamtengesetz Übt der Beamte eine Nebenbeschäftigung aus, die er ausschliesslich auf Grund seiner dienstlichen Stellung oder seiner dienstlichen Aufgaben ausüben kann, so muss er dem Bund in der Regel einen Teil des entsprechenden Einkommens abliefern. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Der Bundesrat hat die Einzelheiten in Artikel 13a der Beamtenordnung (1) (BO 1) geregelt: Art. 13a BO 1 Abgabepflicht 1

Der Beamte, der eine Nebenbeschäftigung ausschliesslich auf Grund seiner dienstlichen Stellung oder seiner dienstlichen Aufgaben ausübt, muss der vorgesetzten Amtsstelle alle notwendigen Angaben über das Einkommen aus der Nebenbeschäftigung liefern.

2

Erreicht der Beamte mit dieser Nebenbeschäftigung und seiner Besoldung nach Artikel 36 des BtG insgesamt ein höheres Einkommen als 110 Prozent 9755

des Höchstbetrages seiner Besoldungsklasse, so muss er den Mehrbetrag dem Bund abliefern. Das Eidgenössische Finanzdepartement regelt die Einzelheiten des anrechenbaren Einkommens und der Ablieferung.

3

Hat der Bund an der Ausübung einer Nebenbeschäftigung ein wesentliches Interesse, so kann der Beamte von der Ablieferungspflicht teilweise oder ganz befreit werden. Zuständig hiefür ist die Wahlbehörde.

Auf der Grundlage von Artikel 13a BO 1 hat das Eidgenössische Finanzdepartement am 30. Juni 1987 die Verordnung über das anrechenbare Einkommen und die Ablieferung bei Nebenbeschäftigungen erlassen (SR 172.221.128). Die Verordnung von 1974 betreffend die Lehrbeauftragten, die auf Artikel 15 Absatz 3 BtG beruht, wurde jedoch nach der Annahme von Artikel 15 Absatz 4 BtG nicht geändert.

Die wörtliche Auslegung von Artikel 15 Absatz 4 BtG lässt keine Gewissheit darüber zu, ob der Gesetzgeber es beabsichtigte oder nicht, eine Abgabe von Einkommen aus dem Lehrauftrag zu fordern. Die Prüfung des französischen und italienischen Textes, deren Inhalt identisch ist, gibt keine Antwort auf die Frage. Abzuklären ist, ob die Lehrtätigkeit des Beamten mit seiner dienstlichen Stellung oder mit seinen Aufgaben zusammenhängt. In allen von der Kommission geprüften Fällen existiert eine sehr enge Verbindung zwischen Lehrtätigkeit und amtlichen Aktivitäten. In der Regel vermittelt der lehrtätige Beamte den Studierenden die in seinem Amt erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen. Im Gegenzug erwirbt er neue Kenntnisse und erhebliches Ansehen, die sich für die Erfüllung seiner dienstlichen Tätigkeit als hilfreich erweisen können. In beiden Fällen besteht eine direkte Konnexität zwischen dem Aufgabenbereich des Beamten und seiner Lehrtätigkeit. Daher ist davon auszugehen, dass Artikel 15 Absatz 4 auch auf Lehrbeauftragte Anwendung findet.

Eine Untersuchung der Entstehungsgeschichte des Artikels bestätigt diese Deutung.

Die Äusserungen des Berichterstatters der Kommission vor dem Nationalrat liefern wertvolle Hinweise zu den Zielen des Gesetzgebers: «Es bleibt das Problem bestimmter direkt mit dem Dienst zusammenhängender Nebenbeschäftigungen. Einige hohe Beamte z. B. werden aufgefordert, an Universitäten Vorlesungen zu halten.

Dabei handelt es sich um eine lobenswerte Praxis, die erhalten werden muss. Problematisch ist hingegen die Häufung der Gehälter aus dem öffentlichen Dienst und aus der Lehraufgabe oder einer anderen Funktion, die der Beamte gegebenenfalls ausübt» (Übersetzung aus dem französischen Originaltext). In
seiner Botschaft vom 10. März 1986 äusserte sich der Bundesrat zu Artikel 15 Absatz 4 des Gesetzesentwurfs wie folgt: der Ablieferungspflicht unterstellt werden sollten Einkommen aus Nebenbeschäftigungen, die vom Beamten auf Grund seiner dienstlichen Stellung oder seiner besonderen dienstlichen Aufgaben ausgeübt werden können. Der Bundesrat ergänzte Folgendes: «Bei der Abklärung dieses Sachverhalts müssen auch Kenntnisse und Fertigkeiten berücksichtigt werden, die der Beamte während seiner Dienstzeit erworben hat» (BBl 1986 II 322). Als Bekräftigung des Nachweises führt der Bundesrat ausdrücklich die Lehrtätigkeit an. Zudem ist zu bedenken, dass Artikel 15 Absatz 4 BtG als Reaktion auf die Kritik der Finanzdelegation an Lehrbeauftragten vorgeschlagen wurde. Der Tätigkeitsbericht der Finanzdelegation für das

9756

Jahr 198430 hält dazu fest: «Schliesslich wurde der Bundesrat ersucht, auch die Frage einer Begrenzung der den Bediensteten (mit Lehrtätigkeiten) überlassenen Honorare, sinngemäss der für Verwaltungsratshonorare geltenden Regelung, zu überprüfen» (BBl 1985 II 24). Artikel 15 Absatz 4 BtG wurde vom Parlament unverändert übernommen.

Abschliessend steht ausser Zweifel, dass der Gesetzgeber mit der Annahme von Artikel 15 Abs. 4 BtG die Möglichkeit der Gehälterkumulierung für lehrtätige Beamte einzuschränken beabsichtigte.

Der Kommission erscheint dieses Fazit durchaus logisch. Geht man einmal von der Hypothese aus, eine Lehrtätigkeit liege im Interesse des Bundes, so gilt, dass sie zu den ordentlichen Pflichten des Beamten laut Artikel 22 BtG31 zählt: in diesem Fall ist die Abgabe eines Teils des Einkommens aus solchen Tätigkeiten vorzusehen. Die Lehre teilt im Übrigen die Ansicht der Kommission32.

Im Vergleich dazu sehen die Reglemente des Bundesgerichtes bzw. des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zu den Nebenbeschäftigungen eine Ablieferungspflicht für sämtliche Nebenbeschäftigungen mit Erwerbszweck, die Lehrtätigkeit eingeschlossen, vor33.

Der Bundesrat hat das Ziel des Gesetzgebers, der eine Häufung der Gehälter ganz oder teilweise verhindern wollte, verkannt. Ferner hat er es unterlassen, die Verordnung über die Lehrtätigkeit von Bediensteten der allgemeinen Bundesverwaltung von 1974 zu ändern und hat damit eine Praxis fortgesetzt, die Lehraufträge gegenüber anderen während der Dienstzeit ausgeübten Nebenbeschäftigungen mit Erwerbszweck bevorzugt. Für die Kommission ist die derzeitige Praxis offensichtlich illegal.

Hier ist darauf hinzuweisen, dass diese Situation offenbar nicht nur bei den Lehrtätigkeiten besteht. Gemäss einem neueren Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle dürfte dies im gleichen Masse auch für die Verfassung von wissenschaftlichen oder fachtechnischen Artikeln zutreffen.

Empfehlung 4 Die Geschäftsprüfungskommission ersucht den Bundesrat, die Verordnung über die Lehrtätigkeit von Bediensteten der allgemeinen Bundesverwaltung innerhalb kürzester Frist zu revidieren, um sie dem Wortlaut und Sinne von Artikel 15 Absatz 4 Beamtengesetz anzupassen.

30

31

32 33

Bericht der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte über ihre Tätigkeit im Jahre 1984 an die Finanzkommissionen des Nationalrates und des Ständerates vom 23. April 1985, BBl 1985 II 8.

Artikel 22 BtG: «Der Beamte hat seine dienstlichen Obliegenheiten treu und gewissenhaft zu erfüllen und dabei alles zu tun, was die Interessen des Bundes fördert, und alles zu unterlassen, was sie beeinträchtigt.» Modoianu, G., «Les intérêts privés des fonctionnaires», in: Revue de droit administratif et de droit fiscal, Genève, Nr. 6, November-Dezember 1991, Seite 441.

Artikel 6 des Reglements vom 22. Februar 1993 über die Nebentätigkeiten der Mitglieder des Bundesgerichts; Artikel 6 des Reglements vom 16. März 1993 über die Nebentätigkeiten der Mitglieder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts.

9757

54

Verfahren und Prüfungskriterien der Gesuche

Gesuche auf Ausübung einer erwerbsbezogenen Nebenbeschäftigung werden im Lichte der Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen ausgewertet. Die Wahlbehörde kann eine Ermächtigung aus zwei Gründen verweigern, einschränken oder aufheben: Entweder sind die beiden Aktivitäten (Bundesdienst und nebenberufliche Tätigkeit) unvereinbar, weil sie einen Interessenkonflikt hervorrufen, der die unerlässliche Unabhängigkeit und Objektivität des Beamten beeinträchtigt, oder die Ausübung der Tätigkeit schadet der bundesdienstlichen Stellung, weil sie für den Bediensteten zu zeitraubend ist. Dies erfordert eine Interessensabwägung zwischen Vollzug des öffentlichen Auftrags einerseits und Einhaltung der Persönlichkeitsrechte des Beamten andererseits. Dazu müssen der Aufgabenbereich des Beamten sowie Umfang und Art der Nebenbeschäftigung genau bekannt sein (Arbeitsbelastung, Verfügbarkeit usw.).

Fälle von Unvereinbarkeiten, die zu einer Verweigerung führen, kommen recht selten vor. Das EDA erwähnt einen Fall (Stelle in einer parastaatlichen Gesellschaft in Namibia), das EDI zwei (Informatiktätigkeiten), das EJPD einen (Ernennung in den Verwaltungsrat einer Bank), das EFD fünf jüngste Fälle (Leitung einer Handelsgesellschaft, Mandat als Verwalter einer Spirituosenfabrik, Beratung im Buchhaltungsbereich und Buchführungen). Die Bundeskanzlei, das VBS, das EVD und das UVEK melden keine solchen Fälle. Es wurde auch kein Fall eines Verbotes wegen der Gefährdung von Leben oder Gesundheit des Beamten oder wegen andauernder zeitlicher Beanspruchung durch die fragliche Tätigkeit erwähnt. Allerdings lassen sich die Gegebenheiten schwer ermitteln. Solche Fälle werden zweifellos informell zwischen dem Vorgesetzen und dem betreffenden Beamten geregelt, ohne dass das Departement oder das Amt davon weiss.

Erteilte Ermächtigungen werden in die Personalakte des Beamten eingeordnet. Mit Ausnahme des EDA gibt es auf Departementsstufe keine Register für erteilte Ermächtigungen. Ausserdem unterliegen Ermächtigungen nur sehr selten einer regelmässigen und systematischen Kontrolle. Einige Departemente erinnern die Beamten regelmässig an ihre Verpflichtungen. Dies gilt insbesondere für das Bundesamt für Sozialversicherung und das Bundesamt für Militärversicherung, deren Beamte sporadisch aufgefordert werden, Nebenbeschäftigungen zu melden. Im
Bundesarchiv ergeht dieser Aufruf alle zwei Jahre. Das Generalsekretariat des EVD führt in Fällen, für die das Departement zuständig ist, Kontrollen durch. Im EDA unterliegt die Ermächtigungserteilung der Kontrolle durch das diplomatische Inspektorat oder durch das Konsular- und Finanzinspektorat. Nach Kenntnis der Kommission gilt ein solches Vorgehen nur in diesen Bundesstellen, was Anlass zu Besorgnis gibt. Die fehlenden Kontrollen bewirken, dass bisweilen über zwanzig Jahre alte Ermächtigungen nie neu geprüft werden. Dabei ist es durchaus möglich, dass die Umstände, unter welchen eine Ermächtigung erteilt wurde, sich mittlerweile grundlegend geändert haben.

Die Kommission prüfte die Frage, ob der Umfang des Einkommens aus einer Nebenbeschäftigung zur Beurteilung der Vereinbarkeit als Kriterium zu berücksichtigen sei. Die Fachliteratur erwähnt den Fall eines Angestellten, der einem älteren Ehepaar bei der Lösung erbrechtlicher Probleme behilflich war. Beim Verkauf einer Liegenschaft liess er sich von der Frau ein Schenkungsversprechen geben, in dem ihm 10% des Verkaufserlöses versprochen wurde. Gegen den fraglichen Angestellten wurde ein Verweis verhängt. Seine Beschwerde wurde vom Regierungsrat mit

9758

der Begründung abgewiesen, die Tätigkeit laufe der Treuepflicht zuwider, zumal da das zugesicherte Honorar das Jahresgehalt des Beamten klar überstieg34.

In der Bundesverwaltung ist die Kommission auf keinen Fall gestossen, in dem das Nebeneinkommen als Prüfungskriterium berücksichtigt worden wäre. In der Regel geht man davon aus, dass diese Information nicht erforderlich ist, um etwaige Unvereinbarkeiten aufzudecken, obwohl das BJ dies nicht ausschliesst. Das Einkommen kann manchmal ein gutes Indiz des Ausmasses einer Nebentätigkeit sein. Im Allgemeinen berücksichtigt die Einschätzung andere Elemente wie z. B. die Arbeitslast, Art der Tätigkeit und Vorhandensein eines materiellen Zusammenhangs mit der dienstlichen Aufgabe.

Wenngleich das Einkommen nicht das bestimmende Kriterium bildet, hat die Kommission die Höhe der von einigen Beamten erzielten Einkommen untersucht. Oft handelt es sich um recht niedrige Einkommen. Für zu 50% beschäftigte Personen variieren die Einkommen zwischen 2000 Franken und ca. 40 000 Franken. Für Vollzeitbeschäftigte reichen die Nebeneinkommen nach Erkenntnis der Kommission von einigen Hundert Franken bis 50 000 Franken. Die akademischen Lehrstellen bilden eine deutliche Ausnahme: für Teilzeitbeschäftigte erreichen bestimmte Einkommen rund 70 000, für Vollzeitbeschäftigte bis zu ca. 50 000 Franken.

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Internationale Vergleiche

Zahlreiche Länder sehen eine Einschränkung der Ausübung von Nebenbeschäftigungen durch Beamte vor 35: In Frankreich verbietet das «Statut général des fonctionnaires de l'Etat et des collectivités territoriales» den Beamten, in beruflicher Eigenschaft erwerbsbezogene private Tätigkeiten durchzuführen36. Ebensowenig ist es Beamten gestattet, sich an einer Gesellschaft zu beteiligen, die der Kontrolle der eigenen Verwaltungseinheit unterliegt.

In Deutschland gestattet das Bundesbeamtengesetz37 die Ausübung von Nebenbeschäftigungen. Diese müssen indessen gemeldet und bewilligt werden. 1995 übten rund 11% der Beamten eine Nebenbeschäftigung aus38. Nachdem Missbräuche in

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35

36

37 38

Entscheidung des Staatsrates des Kantons Luzern vom 6. September 1979, zitiert in: Hänni, P., Rechte und Pflichten im öffentlichen Dienstrecht, Freiburg, Universitätsverlag Freiburg, 1993, Fall Nr. 21, Seite 29 ff.

Vgl. Europäisches Parlament, Massnahmen zur Bekämpfung der Korruption in den Mitgliedstaaten der EU, Arbeitsdokument, Generaldirektion Wissenschaft, Reihe Rechtsfragen, Luxemburg, 1998.

Artikel 25 des Gesetzes Nr. 83­634 vom 13. Juli 1983 über Rechte und Verpflichtungen der Beamten (sog. Le Pors-Gesetz), Amtsblatt vom 14. Juli 1983. Zur konkreten Anwendung vgl. «Procédure disciplinaire contre un magistrat d'une chambre des comptes. Il aurait exercé une profession commerciale», in: Le Monde vom 22. September 1998, Seite 12.

Artikel 65 und 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG).

Vgl. Schwarze, J., «Nebenerwerbstätigkeit in Deutschland nimmt zu. Zur Frage der Versicherungspflicht», Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Wochenbericht 22/97, Berlin, 1997.

9759

diesem Bereich offen gelegt wurden39, führte der Bundestag 1997 strengere Bewilligungskriterien ein. Laut dem neuen Gesetz zur Einschränkung von Nebentätigkeiten40 wird die Genehmigung für eine Nebentätigkeit künftig für Beamte sowie für Staats- und Gemeindeangestellte auf fünf Jahre befristet. Die Genehmigung ist zudem von bestimmten Bedingungen und Auflagen abhängig. Sämtliche vorherigen Ermächtigungen werden am 31. Dezember 1999 aufgehoben. Der Beamte muss Art und Umfang der Tätigkeit sowie Einkommen und andere daraus erzielte materielle Vorteile angeben. Für den Gesetzgeber zählt vor allem, dass die Nebenbeschäftigung nicht zu einer zweiten Berufstätigkeit wird. Ausserdem soll das Vertrauen der Bürger in die Integrität des Staates und seiner Beschäftigten gefestigt werden. Einige Bundesländer, z. B. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, haben analoge Bestimmungen verabschiedet.

In Österreich ist die Ausübung einer Nebenbeschäftigung grundsätzlich verboten, wenn sie die öffentliche Aufgabe zu beeinträchtigen droht oder wenn sie die Unparteilichkeit des Beamten oder andere wesentliche Interessen gefährdet. Alle auf ein Einkommen ausgerichteten Nebenbeschäftigungen sind der Behörde zu melden. Nebenbeschäftigungen werden nur in bestimmten Fällen bewilligt (Arbeitszeitverringerung, Teilzeitarbeit, Urlaub, um sich um Kinder zu kümmern usw.). Die Beteiligung an einem Verwaltungsrat oder anderen privatrechtlichen Gesellschaftsorganen wird vorbehältlich der Bekanntgabe an die Behörde gestattet41.

In Spanien legt das Gesetz vom 11. Mai 1968 über Unvereinbarkeit der Ämter von Ministern und hohen Beamten die Bedingungen fest, nach denen die Ausübung dieser Ämter mit anderen öffentlichen und privaten Tätigkeiten vereinbar ist; dieses Gesetz verpflichtet die Amtsträger, ihre Tätigkeiten und ihr Vermögen genau anzugeben. Unrichtige oder unzureichende Angaben werden bestraft. Ähnliche Bestimmungen kennt Griechenland, wo Interessenerklärungen von einem Kontrollausschuss des Parlaments oder vom stellvertretenden Generalstaatsanwalt geprüft werden.

Finnland42 gestattet seinen Beamten die Ausübung von erwerbsorientierten Nebenbeschäftigungen, die indessen der Behörde gemeldet werden müssen. Seit dem 1. April 1995 sind die Regierungsmitglieder verpflichtet, nebenberufliche Tätigkeiten anzugeben. Insbesondere
ist ihnen untersagt, andere Aktivitäten auszuüben, die gegebenenfalls ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen. Ausserdem schlug eine Arbeitsgruppe kürzlich vor, die Einschränkungen auf höhere Beamte (rund 0,1% des Personals) auszuweiten. Ziel ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Objektivität der Regierung zu stärken.

39

40 41 42

Beispiele: CDU-Bürgerschaftsfraktion Hamburg, Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst kontrollieren und einschränken, Pressekonferenz vom 12. Mai 1998. Grösstes Aufsehen erregte in Deutschland der Fall eines Gerichtsvorsitzenden in Frankfurt, der von einer Gewerkschaft für die Erstellung eines Gutachtens 1,3 Millionen bezog. Siehe zu diesem Fall: «IG Metall schickt Justitiar Kittner in die Wüste. Rücktritt nach Honorar-Affäre um Heinrichs», in: Die Welt, 26. November 1996.

Zweites Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz vom 9. September 1997 (BGBl. I S. 2294).

Artikel 56 ff. des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG 1979), BGBl. Nr. 333/1979.

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, L'éthique dans le service public, Questions et pratiques actuelles, études hors série sur la gestion publique, Nr. 14, Paris, 1996, S. 52; Äijälä, K., Hyvönen, T., «The management of ethics and conduct in the public service, case study Finland» (unveröffentlicht, aber auf dem OECDSite an folgender Adresse einsehbar: www.oecd.org//puma/gvrnance/ethics/ethicsfi.htm).

9760

In Schweden43 dürfen ranghohe Beamte Nebentätigkeiten nachgehen, sofern sie diese angeben. Die Informationen sind öffentlich zugänglich.

In Japan gibt es kein formelles Verfahren. Hohe Beamte sind nicht berechtigt, in gewinnorientierten Unternehmen leitende Aufgaben wahrzunehmen. Zur Ausübung von Handelstätigkeiten bedarf es der vorherigen Zustimmung des Premierministers.

Die Vereinigten Staaten44 verfügen über ein gut entwickeltes Instrumentarium für Beamte zur Vermeidung von Interessenkonflikten. Die Ausübung von Nebentätigkeiten wird grundsätzlich nicht verboten, aber für bestimmte Beamtenkategorien einer Anzeigepflicht unterstellt. Innerhalb von dreissig Tagen nach ihrer Amtsübernahme haben die betreffenden Beamten der Behörde eine Reihe von Informationen zu ihren externen ­ entgeltlichen oder unentgeltlichen ­ Aktivitäten zu erteilen. Im Wesentlichen sind dies Arbeiten in Gesellschaften, nicht gewinnorientierten Organisationen, gewerkschaftlichen Organisationen sowie Lehrtätigkeiten. Nicht meldepflichtig sind religiöse, soziale, wohltätige oder politische Tätigkeiten sowie Ehrenämter oder die Tätigkeiten von Familienangehörigen. Ferner haben die Beamten Einkommen und Vermögen sowie Geschenke und Reisen, die sie selbst, ihre Ehepartner oder Kinder erhalten, anzugeben. Die Informationen müssen jedes Jahr auf den neuesten Stand gebracht werden. Auf die Nichtbeachtung der Vorschriften stehen disziplinar- und strafrechtliche Massnahmen45.

Wie in den Vereinigten Staaten gilt auch in anderen Ländern unter bestimmten Umständen ein System für die Meldung von Vermögenswerten für bestimmte Beamtenkategorien, so z. B. in Australien, Belgien, Kanada, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Mexiko, Portugal, Schweden, in der Türkei und im Vereinigten Königreich46.

56

Schlussfolgerungen

Dürfen Beamte ihre im Dienst erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung privater, vor allem erwerbsorientierter Tätigkeiten nutzen?

Bundesbeamten steht es nicht vollkommen frei, ihre im Dienst erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung von insbesondere erwerbsorientierten privaten Tätigkeiten zu nutzen. Das aktuelle System sieht ein grundsätzliches Verbot und ein Genehmigungssystem für erwerbsorientierte Tätigkeiten vor.

43

44

45

46

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, «Managing the senior public service: a survey of OECD countries» (nicht veröffentlicht, aber auf dem OECD-Site an folgender Adresse einsehbar: www.oecd.org//puma/mgmtres/hrm/pubs/ sps97).

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, L'éthique dans le service public, Questions et pratiques actuelles, études hors série sur la gestion publique, Nr. 14, Paris, 1996, S. 52­53; Gilmann, S., «The management of ethics and conduct in the public service, case study The United States federal government», (nicht veröffentlicht, aber auf dem OECD-Site an folgender Adresse einsehbar: www.oecd.org//puma/ gvrnance/ethics/ethicsus.htm).

Title I of the Ethics Act of 1978, 5 U.S.C. app. § 101 et seq.; 5 C.F.R Part 2634 and 2635.801­809, Subpart I, of the Office of Governement Ethics regulations; Executive Order 12674 of April 12, 1989.

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Mesures prises dans les pays de l`OCDE pour lutter contre la corruption dans le secteur public, erscheint demnächst.

9761

Die Kommission stellt fest, dass die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen von den Departementen korrekt angewandt werden. Insgesamt zeigen sich die Departemente bei der Bewilligungserteilung sehr zurückhaltend ­ in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Gesetzes, wonach Ermächtigungen nur ausnahmsweise zu erteilen sind. Der Kommission sind bei ihren Abklärungen keine regelwidrigen Aktivitäten bekannt geworden. Die Hypothese, wonach bestimmte Aktivitäten wirkliche oder scheinbare Interessenkonflikte auslösen, hat sich nur in einigen seltenen Fällen bewahrheitet.

Trotzdem ist zu betonen, dass die Bestimmungen in den Departementen nicht einheitlich angewandt und unterschiedlich ausgelegt werden. Diese Situation ist zwar rechtlich unbefriedigend, in praktischer Hinsicht aber weder alarmierend noch besorgniserregend.

Die Kommission ist der Ansicht, dass sich das aktuelle System verbessern liesse, zumal es vor allem hinsichtlich der Teilzeitbeschäftigung den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht mehr genügt. Der Unterschied zwischen Nebenbeschäftigung und Zweitberuf ist unklar: für einen Beamten, der zu 50% für den Bund und zu 50% für einen anderen Arbeitgeber arbeitet, lässt sich kaum sagen, welches die Beschäftigung und welches die Nebenbeschäftigung darstellt. In diesem Fall ist von zwei getrennten Berufstätigkeiten auszugehen (einige Kantone unterscheiden zwischen Nebentätigkeiten und Nebenberufen).

Überdies werfen die aktuellen Regeln Probleme hinsichtlich der Handels- und Gewerbefreiheit auf47. Heutzutage erscheint es wenig sinnvoll, dass sich ein Arbeitgeber in alle Geschäfte des Wirtschaftslebens der Beamten einmischt und wettbewerbsverzerrende Regeln einführt. Das betrifft besonders Artikel 15 Absatz 2 BtG (Verbot der Ausübung eines Gewerbes und der Betrieb von Handelsgeschäften) sowie die Vorschrift des Bundesrates, die den Verbotsumfang auf Nebenbeschäftigungen ausdehnt, welche «zu unlauterem Wettbewerb gegenüber dem Handwerk, Gewerbe, Handel oder anderen Berufen führen» (Art. 13 Abs. 1 Bst. b BO 1).

Nach Ansicht der Kommission müssen besser nuancierte und liberalere Lösungen für das Problem der Nebenbeschäftigungen gefunden werden. Das grundsätzliche Verbot von erwerbsorientierten Tätigkeiten mit Ermächtigungsvorbehalt sollte auf einige Beamtenkategorien beschränkt bleiben. Die
Kommission denkt dabei in erster Linie an hohe Beamte, die massgeblich an den Entscheidungsprozessen der ausführenden Gremien beteiligt werden (Direktor, Vizedirektor, Generalsekretär, Delegierter des Bundesrates für Handelsverträge usw.) sowie an Aufgaben in besonders exponierten Bereichen (Vergabe öffentlicher Aufträge; Sektor der Lieferung von Gütern und Erbringung von Dienstleistungen; Erteilung von Bewilligungen, Lizenzen, Konzessionen, Genehmigungen und Patenten; Gewährung von Subventionen; Verwaltungen, die Aufsichtsaufgaben wahrnehmen usw.). In solchen Fällen würde die Behörde wie heute die Vereinbarkeit überprüfen und könnte bei reeller, potentieller oder scheinbarer Gefahr eines Interessenkonflikts eine Verringerung, Änderung oder die Aufgabe der entsprechenden Tätigkeiten fordern.

Es geht weniger um das Recht als um die Ethik. Nach Ansicht der Kommission geht die Übernahme hoher Verantwortungen mit zwingenderen Auflagen einher, als sie für andere Beamte gelten, und bedeutet, sich Regeln und Disziplinen aufzuerlegen, um in der öffentlichen Meinung über jeden Verdacht erhaben dazustehen. Die Er47

Dies hat die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt.

9762

mächtigungen müssten regelmässig und zentralisiert überprüft werden, um die Einhaltung und die einheitliche Anwendung der entsprechenden Erteilungsmodalitäten sicherzustellen. Ausserdem sollten die Entscheidungen nach einer festgesetzten Frist automatisch auslaufen.

Für die übrigen Ämter sollte die Ausübung von erwerbsbezogenen Nebentätigkeiten ausdrücklich gestattet, aber einer vorherigen Notifizierung unterstellt werden. Die Behörde wäre nicht mehr für die Erteilung der Ermächtigungen, sondern für die Beseitigung der Missbräuche zuständig. Bei der Revision des Beamtengesetzes 1986 wurde eine identische Lösung vorgeschlagen, aber vom Parlament abgelehnt48.

Die Kommission wird eine Untersuchung dieser Lösungen im Rahmen der für 1999 geplanten Totalrevision des Beamtenrechts beantragen. Mit dem Ziel, ein weniger kompliziertes, einfacheres und flexibleres Bundespersonalrecht zu schaffen, wünscht die Kommission eine Regelung der Materie durch den Bundesrat anstatt durch das Parlament. Die Vielzahl der möglichen Szenarien ­ vom Hauswart über den Opernsänger bis zum Rechtsprofessor ­ macht eine detaillierte gesetzliche Regelung unmöglich.

Empfehlung 5 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, den Grundsatz des Verbots von erwerbsorientierten Nebenbeschäftigungen mit Ermächtigungsvorbehalt durch ein anzeigepflichtiges allgemeines Ermächtigungssystem zu ersetzen. Das Verbot sollte für bestimmte Aufgaben oder Funktionen nach wie vor möglich bleiben.

Die Kommission ist sich bewusst, dass dieser Systemwechsel nicht ohne Risiko ist.

Möglicherweise führt es zu einer Erhöhung der Nebenerwerbstätigkeiten und damit zu einer Zunahme der potentiellen Interessenkonflikte.

Hinzu kommt, dass es im Trend der neuen Arbeitszeitgestaltung immer mehr Teilzeitbeschäftigungen gibt. Es kommt immer häufiger vor, dass ein Bediensteter für eine Vollbeschäftigung bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist. Die Tatsache, dass er sowohl für den Bund wie auch für einen privaten Arbeitgeber tätig ist, bietet gewünschte Chancen in Form von Erfahrungsaustausch, aber natürlich auch zusätzliche Gefahren bezüglich Interessenkonflikten. Von daher muss nach wie vor auch bei einem Systemwechsel dem Verbot von Nebenbeschäftigungen für bestimmte Aufgaben oder Funktionen Beachtung geschenkt werden.

Nach Auffassung der
Kommission muss den Interessenkonflikten, die auf Grund von Nebenbeschäftigungen oder aus anderen Gründen (z.B. verwandtschaftliche oder persönliche Beziehungen) entstehen können, über Ausstandsvorschriften und nicht mittels Unvereinbarkeitsregeln vorgebeugt werden.

Der Ausstand existiert für Mitglieder und Teilnehmer an Sitzungen des Bundesrates (Art. 20 RVOG) und für Bundesrichter (Art. 22 ff. OG). Derartige Regeln existieren auch in der Verwaltung, aber sie gelten nur für Verfahren, die durch Verfügungen von Bundesverwaltungsbehörden in erster Instanz oder auf Beschwerde zu erledigen

48

AB N 1986 1073 ff.

9763

sind (Art. 10 Verwaltungsverfahrensgesetz49). Nun beschränkt sich aber die Verwaltungstätigkeit nicht nur darauf, formelle Entscheide zu treffen. In ganzen Verwaltungsbereichen werden flexiblere Mittel angewandt: Bekanntmachungen, Empfehlungen, Gentlemen`s Agreements, Verträge, Subventionierungen. In anderen Bereichen ist das staatliche Handeln privatrechtlich geregelt, beispielsweise bei der Materialbeschaffung, bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen oder bei der Gründung gemischwirtschaftlicher Gesellschaften. In all diesen Fällen, in denen Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen sind, sind die geltenden Ausstandsvorschriften nicht oder kaum anwendbar.

Deshalb muss nach Auffassung der Kommission geprüft werden, im Bundespersonalrecht Ausstandsregeln einzuführen, die einen breiteren Anwendungsbereich als diejenigen des Verwaltungsverfahrensgesetzes haben.

Empfehlung 6 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, die Einführung von Ausstandsvorschriften für die Bediensteten der allgemeinen Bundesverwaltung zu prüfen.

6

Berufliche Tätigkeiten ehemaliger Beamter

61

Einführung

Die Feststellung, Beamte verfügten auf Grund ihrer Tätigkeiten über bevorzugte Informationen, ist eine Selbstverständlichkeit. Dabei kann es sich um offizielle Informationen ­ Auskünfte zu natürlichen oder juristischen Personen, nicht veröffentlichte Entscheidungen ­ oder auch um offiziöse Informationen handeln, etwa zur Arbeitsweise und den internen Verfahren der Verwaltung (z. B. Kenntnis der Verwaltungspraktiken bei der Prüfung von Gesuchen oder der Ausübung der staatlichen Aufsicht). Solche Informationen können in einer späteren Arbeitsstelle verwendet werden, um seinem Unternehmen zu erlauben, sich bestimmten gesetzlichen Verpflichtungen ganz oder teilweise zu entziehen, oder im Gegenteil einen erleichterten Zugang zu den Entscheidungsgremien zu erwirken, um sich Vorteile oder eine Vorzugsbehandlung zu sichern50. Besonders für Privatfirmen, die in einen neu liberalisierten Markt einsteigen, ist es gegebenenfalls durchaus interessant, ehemalige Beamte einzustellen. Die Verwertung solcher Informationen kann der Bundesverwaltung je nach Fall gravierende Nachteile verursachen.

Daher stellt sich folgende Frage: Können Beamte nach eigenem Ermessen aus der Bundesverwaltung austreten, um unabhängig von ihrem ehemaligen Aufgabenbe49 50

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren, SR 172.021.

Die Strafbarkeit der Einflussnahme ist im Gegensatz zu Belgien, Frankreich oder Italien nach schweizerischem Strafrecht sehr eingeschränkt, namentlich wenn der fragliche Informationsaustausch keine Verletzung der Amtspflichten herbeiführt, sondern lediglich die Gewährung wichtiger Privilegien erlaubt, vgl. Queloz, N., «Le problème de la corruption en droit pénal suisse, en particulier dans le domaine de la construction», in: Revue pénale suisse, Bern, Band 115, 4-97, 1997, Seiten 425­426. Zur Problematik der Einflussnahme, vgl. auch QUELOZ, N., «En Suisse, la corruption est noyée dans le consensus», in: Le Temps stratégique, Genève, Nr. 81, Mai/Juni 1998, Seite 44.

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reich eine beliebige Stelle in der Privatwirtschaft anzunehmen, oder sind diesbezügliche Regeln vorzusehen?

Nach Kenntnis der Kommission existiert keine allgemeine Studie der Problematik für die Bundesverwaltung.

Aus diesem Grund beschränkte sich die Kommission auf Teilanalysen und auf Vergleiche mit dem Ausland.

62

Rechtliche Aspekte

Das Bundesrecht kennt keine spezifischen Bestimmungen, welche die Art der Tätigkeiten, die Bundesbeamte nach dem Austritt aus dem Bundesdienst als Arbeitnehmer eines Unternehmers und/oder als Verwaltungsratsmitglied ausüben können, einschränken. Anders als in der Privatwirtschaft gibt es im Beamtenrecht keine Vorschriften zum Konkurrenzverbot für Bundesbeamte (Art. 340 und 340 a-c OR, SR 220).

Art. 340 Obligationenrecht 1

Der handlungsfähige Arbeitnehmer kann sich gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich verpflichten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sich jeder konkurrenzierenden Tätigkeit zu enthalten, insbesondere weder auf eigene Rechnung ein Geschäft zu betreiben, das mit dem des Arbeitgebers in Wettbewerb steht, noch in einem solchen Geschäft tätig zu sein oder sich daran zu beteiligen.

2

Das Konkurrenzverbot ist nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen könnte.

Das Fehlen spezifischer Bestimmungen bedeutet nicht, dass ehemalige Beamte sämtliche im Rahmen ihres Amtes erlangten Informationen ungestraft verbreiten dürfen. Artikel 27 Absatz 1 BtG hält dazu fest: «Der Beamte ist zur Verschwiegenheit über dienstliche Angelegenheiten verpflichtet, die nach ihrer Natur oder gemäss besonderer Vorschrift geheimzuhalten sind». Damit sind alle Tatsachen gemeint, welche der Beamte als Angestellter des Staates unabhängig von seinen persönlichen Aufgaben erfährt. Artikel 27 wird in den Vollzugsverordnungen des BtG nicht konkretisiert.

Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bleibt auch nach der Auflösung des Dienstverhältnisses bestehen (Art. 27 Abs. 2 BtG).

Auf die Nichtbeachtung der Bestimmunmgen über das Amtsgeheimnis stehen strafund vermögensrechtliche Massnahmen.

Strafrechtlich wird die Verletzung des Amtsgeheimnisses in Artikel 320 des Strafgesetzbuches und in Artikel 77 des Militärischen Strafgesetzbuches geregelt. Dabei handelt es sich um ein Offizialdelikt, das mit Gefängnis oder mit Busse bestraft wird.

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Die Bundesanwaltschaft ist zur Einleitung des Strafverfahrens gehalten, sobald ihr ein entsprechender Verdacht bekannt wird, unabhängig davon, ob die mutmassliche Verletzung des Amtsgeheimnisses während oder nach Auflösung des Dienstverhältnisses erfolgt ist. Die weiteren Schritte der Strafverfolgung erfolgen im Rahmen des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens. Erhärtet sich der Tatverdacht, so wird eine eidgenössische Voruntersuchung beantragt (Ausnahme) oder der Fall einem Kanton zur weiteren Untersuchung und Beurteilung übertragen (Regel).

Die vermögensrechtliche Situation sieht wie folgt aus: Wenn ein ehemaliger Beamter durch die Verletzung des Amtsgeheimnisses den Bund oder Dritte vorsätzlich oder grob fahrlässig erheblich schädigt, so steht dem Bund nach Verantwortlichkeitsgesetz selbst nach Auflösung des Dienstverhältnisses der Rückgriff auf diesen Beamten zu51.

Ausser der Beachtung des Amtsgeheimnisses unterliegen ehemalige Bundesbedienstete hinsichtlich etwaiger künftiger Tätigkeiten keinerlei Auflagen. Einzig Bezüger von Alters- oder Invalidenrenten der Pensionskasse des Bundes (PKB) müssen ihre Nebeneinkommen angeben. Nach Artikel 20 Absatz 2 der PKB-Statuten52 haben Bezüger einer Alters- oder Invalidenrente, die das 65. Altersjahr noch nicht vollendet haben und ein Erwerbseinkommen von mehr als 50 Prozent des Höchstbetrages der 4. Besoldungsklasse erzielen, dies der Pensionskasse von sich aus auf Ende des betreffenden Jahres mitzuteilen. Diese Bestimmungen sollen übermässige Entschädigungen verhindern; sie wurden aus Gründen der Solidarität verabschiedet und stehen in keinem Zusammenhang mit der Vorbeugung von Interessenkonflikten.

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Praxis in der Bundesverwaltung

In der Praxis bemüht sich der Bund nicht, gezielt zu erfahren, welche Tätigkeiten seine ehemaligen Beamten in Privatunternehmen ausüben. Daher lässt sich die Häufigkeit von Übertritten von Bundesbediensteten in privatwirtschaftliche Firmen, mit denen sie zuvor als Beamte offiziell verkehrten, unmöglich ermitteln.

Mangels solcher Informationen versuchte die Kommission zu ermitteln, ob in der Vergangenheit Verletzungen des Amtsgeheimnisses durch ehemalige Beamte gemeldet wurden. Der Bundesanwaltschaft und den Departementen ist nach eigenem Bekunden kein Verfahren bekannt. Allerdings räumte die Bundesanwaltschaft ein: «Es ist auch anzunehmen, dass eine allfällige Ausnützung amtlicher Kenntnisse für privatwirtschaftliche Zwecke sehr diskret geschehen würde und somit mit einem breiten Dunkelfeld zu rechnen wäre»53.

Die Problematik lässt sich daher äusserst schwer bemessen. Dass kein Fall bekannt ist, bedeutet bei weitem nicht, dass solche Praktiken nicht vorkommen. So beschlossen die ETH im Anschluss an die Anfragen der Kommission, interne Massnahmen zur Verwendung von Datensätzen und EDV-Lizenzen zu ergreifen.

51

52 53

Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz), SR 170.32.

Verordnung vom 24. August 1994 über die Pensionskasse des Bundes (PKB-Statuten), SR 172.222.1.

Schreiben der Bundesanwaltschaft vom 25. Juni 1998 an die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates.

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In Ermangelung genauer Informationen belässt es die Kommission bei der Feststellung, dass die aktuelle Lage zwar nicht alarmierend ist, aber uns doch beschäftigen sollte.

Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft und der Departemente reichen die geltenden Bestimmungen zum Amtsgeheimnis aus rechtlicher Sicht aus. Die Kommission teilt diese Auffassung und meint, dass der strafrechtliche Schutz des Amtsgeheimnisses sowie die vermögensrechtliche Haftung eine Präventivwirkung entfalten. Allerdings wirft die Anwendung hinsichtlich der Informationsquellen praktische Probleme auf.

Im für die Kommission relevanten Zusammenhang geschehen Verletzungen des Amtsgeheimnisses nicht aus reiner Nachlässigkeit, sondern im Wissen um die Rechtswidrigkeit des Vorgehens. Die Kontrahenten werden also ihrerseits Verschwiegenheit vereinbaren. Das Ganze spielt sich in einem heimlichen, versteckten Rahmen ab. Die zuständigen Behörden werden nur durch Zufall oder bei Anzeige über solche Straftaten informiert. Dies erklärt die Seltenheit solcher Fälle.

Auch die Definition des Amtsgeheimnisses bereitet Schwierigkeiten. Zwar liegt es auf der Hand, dass das Amtsgeheimnis wesensgemäss alle offiziellen Informationen betrifft, die z. B. die Privatsphäre der Bürger berühren, aber es ist schwerer zu beurteilen, ob das Konzept auch Informationen zur internen Funktionsweise der Verwaltung abdeckt. In solchen Fällen lässt sich der Begriff der Informationen nicht so leicht erfassen, wie dies die rechtlichen Beurteilungen vermuten lassen: Stellt die Kenntnis von Schwachstellen einer Verwaltung ein Geheimnis dar? Fällt das Wissen, wer genau an der Vorbereitung einer Entscheidung oder an der Erstellung eines Pflichtenheftes mitwirkt, unter das Amtsgeheimnis? Gilt die exakte Kenntnis der Machtverhältnisse innerhalb einer Dienststelle als dienstliche Information? Die Frage bleibt offen. Im Übrigen gibt auch die Rechtsprechung kaum Aufschluss, da sich die Gerichte nur mit wenigen Fällen befasst haben. Die Lehre scheint zuzulassen, dass die beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse, die der Beamte in seiner Amtstätigkeit erworben hat, nicht dem Amtsgeheimnis unterstehen und deshalb frei genutzt werden können54. Nach Auffassung der Kommission wäre es von Vorteil, wenn der Begriff des Amtsgeheimnisses klarer definiert würde, denn je weiter man in die
Praxis vordringt, umso schwieriger wird es, klar zu bestimmen, welche Kenntnisse dem Amtsgeheimnis unterstehen und welche weitergegeben werden dürfen.

Mit Befriedigung stellt die GPK fest, dass im Entwurf zum neuen Bundespersonalgesetz der Begriff der Amtsverschwiegenheit (Art. 27 BtG) durch den Terminus Amtsgeheimnis (Art. 320 StGB) ersetzt wird. So wird sichergestellt, dass künftig zwischen Bundespersonalrecht und Strafrecht diesbezüglich terminologisch keine Differenzen bestehen.

Schliesslich stellte die Kommission fest, dass ausscheidende Bundesbeamte nicht systematisch über die Bestimmungen des Amtsgeheimnisses informiert werden. Daher kann ihnen ihr Unwissen der Existenz dieser Regeln nicht vorgeworfen werden, wenngleich nach allgemeinem Recht Gesetzeskenntnis bei jedermann vorausgesetzt wird. In der Bundeskanzlei werden ausscheidende Beamte nicht informiert. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) erwähnen die Frage im Abschlussgespräch und in der Bestätigung der Auflösung des 54

Modoianou, g., «Les intérêts privés des fonctionnaires», in: Revue de droit administratif et de droit fiscal, Genf, No. 6, November-Dezember 1991, Seite 431, mit weiteren Verweisen.

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Dienstverhältnisses. Allgemein gilt das auch für das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) sowie für das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD).

Im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird die Frage erst im Austrittsgespräch angesprochen. Im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) verfährt jedes Amt nach unterschiedlichen Regeln: Information des Personals bei Dienstantritt durch Aushändigung der beamtenrechtlichen Vorschriften, schriftlicher Hinweis in der Anstellungsverfügung oder im Anstellungsvertrag, anlässlich des Austrittsgesprächs, Orientierung beim Austritt durch Bestätigung der Aktenabgabe an Personaldienst, Information durch einen Verweis auf die Richtlinien betreffend Sicherstellung, Ablage und Aufbewahrungsfrist des Schriftgutes. In der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) unterzeichnen die Beamten beim Austritt eine schriftliche Erklärung55. Im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gibt es keine einheitliche Vorschrift; die Frage wird von den Ämtern autonom geregelt.

Allgemein stellte die Kommission fest, dass die Departemente der Problematik der Information über das Amtsgeheimnis relativ geringe Bedeutung beimassen, wobei die Eidgenössische Steuerverwaltung eine bemerkenswerte Ausnahme darstellte.

64

Internationale Vergleiche

Zu den OECD-Ländern mit einer spezifischer Regelung der Tätigkeiten ihrer ehemaligen Beamten gehören Kanada, Neuseeland, Mexiko, die Türkei, Frankreich, Japan und die Vereinigten Staaten56.

In Kanada ist es dem ehemaligen hohen Beamten verboten, im Jahr nach Amtsaustritt eine Ernennung in den Verwaltungsrat oder eine Beschäftigung in einer Einheit, mit der er enge amtliche Beziehungen hatte, anzunehmen. Ebenso wenig darf er zu Gunsten einer natürlichen oder juristischen Person in einem Ministerium vorstellig werden, mit dem er amtliche Beziehungen pflegte, noch Ratschläge zur Politik des Ministeriums erteilen, für welches er arbeitete oder zu dem er ein unmittelbares Verhältnis hatte. Unter besonderen Umständen kann die Karenzfrist («cooling off period») verkürzt werden, vor allem wenn die Übermittlung von im allgemeinen Interesse liegenden Kenntnissen und Fähigkeiten an die Privatwirtschaft erlaubt werden soll57. In Neuseeland und in Mexiko sind relativ identische Bestimmungen anwendbar. In der Türkei beträgt die Einschränkungsdauer je nach Fall zwei oder drei Jahre.

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Die Erklärung lautet wie folgt: «Ich habe davon Kenntnis genommen, dass meine Verschwiegenheitspflicht nach Auflösung des Dienstverhältnisses weiterhin besteht. Ich gebe die Versicherung ab, dass ich die ganze amtliche Dokumentation (Dossiers, Berichte, Notizen usw.), welche von mir behandelte Steuergeschäfte betrifft oder sonstwie in meinem Besitzt war, meinem hierarchischen Vorgesetzten abgeliefert habe».

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Managing thew senior public service: a survey of OECD countries, (nicht veröffentlicht, aber auf dem OECD-Site an folgender Adresse einsehbar: www.oecd.org//puma/mgmtres/hrm/pubs/ sps97).

Ziffer 37 zu Anhang A ­ Code régissant les conflits d'intérêts et l'après-mandat s'appliquant à la fonction publique, Sekretariat des Rates des kanadischen Finanzministeriums.

9768

In Frankreich gilt laut Artikel 432-13 des Strafgesetzbuchs (illegale Interessensnahme eines ehemaligen Beamten)58 das Verbot für Beamte, vor Ablauf einer Fünfjahresfrist eine Beteiligung in Form von Arbeit, Beratung oder Kapital in einem Unternehmen entgegenzunehmen, das sie überwachten, mit welchem sie Verträge abschlossen oder zu dem sie Gutachten abgaben. Die Übertretung wird mit zwei Jahren Gefängnis und 200 000 französische francs Busse bestraft. Die Bestimmung wurde 1992 im Rahmen des Bestechungsbekämpfungsprogramms eingeführt. Ferner wurde 1993 ein Ausschuss für Berufsethik (Commission de déontologie de la fonction publique d`Etat) eingesetzt und beauftragt, den Übertritt von Beamten in den Privatsektor zu kontrollieren. Der Ausschuss muss vor jedem Übertritt in die Privatwirtschaft obligatorisch befasst werden. Allerdings lässt er nur selten Strenge walten: 1996 wurden nur zwanzig Fälle ­ 3,1% der Stellungnahmen ­ als unvereinbar erkannt59. Ein Dekret von 199560 definiert die privaten Tätigkeiten, die einem ehemaligen Beamten untersagt sind, und schreibt die Einzelheiten der Vereinbarkeitskontrolle fest. Die Vorkehrungen wurden in einem zweiten, ebenfalls 1995 veröffentlichten Dekret61 auf einige öffentlich-rechtliche Bedienstete, die nicht Beamte sind, ausgedehnt.

Die in Japan auf die Verwaltung anwendbaren Bestimmungen sind im Wesentlichen identisch mit jenen in Frankreich, wobei die Einschränkungsfrist nur zwei Jahre beträgt.

In den Vereinigten Staaten existiert eine Reihe sehr detaillierter Einschränkungen, die hier nicht näher ausgeführt werden sollen62. Zudem verbietet ein Dekret bestimmten Personen in leitenden Stellungen, während einer Frist von fünf Jahren nach ihrer Tätigkeit für die Regierung Interessengruppen zu vertreten63.

In den übrigen OECD-Ländern, darunter die Schweiz, gibt es abgesehen von der Beachtung des Amtsgeheimnisses keine besonderen Bestimmungen zur späteren Tätigkeit der Beamten im Privatsektor.

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63

Loi n° 92­683 du 22 juillet 1992 portant réforme des dispositions générales du code pénal relatives à la répression des crimes et délits contre la nation, l`Etat et la paix publique. Für konkrete Anwendungsfälle vgl. Georgel, J., Thorel, A.-M., Dictionnaire des affaires. Argent et Politique, Rennes, Editions Apogée, 1997.

Commission de déontologie de la fonction publique d'etat, Accès des agents publics au secteur privé, 2ème rapport d'activité 1996, La Documentation française, Paris, 1997, Seite 15.

Décret n° 95­168 du 17 février 1995, modifié par le décret n° 95­833 du 6 juillet 1995, relatif à l'exercice d'activités privées par des fonctionnaires ou agents non titulaires ayant cessé temporairement ou définitivement leurs fonctions et aux commissions instituées par l'article 4 de la loi n° 94­530 du 28 juin 1994.

Décret n° 95­833 du 6 juillet 1995 relatif à l'exercice d'activités privées par des agents non titulaires des collectivités et établissements publics et modifiant le décret n° 95­168 du 17 février 1995.

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, L'éthique dans le service public, Questions et pratiques actuelles, études hors série sur la gestion publique, Nr. 14, Paris, 1996, S. 52­53; Gilmann, S., «The management of ethics and conduct in the public service, case study The United States federal government», (nicht veröffentlicht, aber auf dem OECD-Site an folgender Adresse einsehbar: www.oecd.org//puma/ gvrnance/ethics/ethicsus.htm).

Executive Order 12834 of January 20, 1993: «Ethics Commitments by Executive Branch Appointees»; 18 U.S.C § 207; 3 C.F.R., 1993 Comp., pp. 580­586; 5 C.F.R. parts 2637 and 2641; OGE Forms 203 and 204.

9769

65

Schlussfolgerungen

Können Beamte nach eigenem Ermessen aus der Bundesverwaltung austreten, um unabhängig von ihrem ehemaligen Aufgabenbereich eine beliebige Stelle in der Privatwirtschaft anzunehmen, oder sind diesbezügliche Regeln vorzusehen?

Nach der aktuellen Rechtslage steht es den Bundesbeamten grundsätzlich frei, ihr Amt nach Belieben zu verlassen64. Sofern sie das Amtsgeheimnis beachten, sind sie bezüglich ihrer künftigen Tätigkeiten niemandem Rechenschaft schuldig.

Auf den ersten Blick und im Vergleich zu den Situationen im Ausland weist das juristische Instrumentarium erhebliche Lücken auf. Wie die Bundesanwaltschaft vertritt die Kommission jedoch die Auffassung, dass weniger die Vorschriften als die Informationsquellen Probleme bereiten. Ausser zum Beispiel mit der Einrichtung einer anonymen Anzeigestelle wie in der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten lässt sich das Problem nicht bewältigen; nach Meinung der Kommission rechtfertigt jedoch das Ausmass der Problematik solche Massnahmen nicht.

Eine restriktivere Regelung nach französischem oder amerikanischem Muster wäre zwar sicherlich interessant, aber kaum anwendbar. Die extreme Formalisierung der Regeln würde eine Umgehung provozieren65. Ausserdem ist zu erwägen, dass die meisten oben beschriebenen Modelle für das öffentliche Karrieresystem gelten und den «Brain drain» eindämmen sollen: hohe Karrierebeamte werden entmutigt, Verantwortungsposten in öffentlichen und privaten Unternehmen anzunehmen (amerikanisches Phänomen der «revolving door» (Drehtür)66, französisches System des «pantouflage» (Übertritt aus dem Staatsdienst in den Privatsektor)67. Diese Gegebenheiten hängen eng mit der Existenz eines öffentlichen Karrierebeamtentums zusammen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass man sich im angelsächsischen Raum in der Regel stärker vor Interessenkonflikten scheut als im lateinischen Raum68.

Beim öffentlichen Dienst des Bundes sind die kulturellen, politischen und institutionellen Verhältnisse anders. Die oben beschriebenen Bestimmungen würden die wirtschaftliche Zukunft der Beamten belasten und den Personalaustausch zwischen Privat- und Staatssektor erheblich erschweren, wenn nicht verunmöglichen. Zu Zeiten, wo vom Bundespersonal vermehrt Mobilität und Flexibilität gefordert werden, wäre es unangebracht, die Freiheit jedes Beamten, aus der Bundesverwaltung aus- und in 64

65

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Ein Vorbehalt gilt in Zeiten von Krieg oder Kriegsgefahr oder wenn ein Aufgebot zum aktiven Militärdienst bevorsteht; in diesen Fällen können bestimmte Beamte gezwungen werden, gegen ihren Willen im Dienst des Bundes zu bleiben (Art. 53 Abs. 2 BtG).

Trotz des umfassenden strafrechtlichen Instrumentariums ist in Frankreich die Anzahl der Verfolgungen und Verurteilungen wegen illegaler Interessensnahme relativ gering. 1994 wurden fünf Verurteilungen gezählt (vgl. Alt, E., LUC., I., La lutte contre la corruption, Paris, Presses universitaires de France, collection «Que sais-je?», 1997, Seite 75 ff.).

Vgl. dazu Joint committee on performance evaluation and expenditure review, «Report to the Mississippi Legislature. A policy Analysis of Mississippi's Ethics Laws Regulating Former Public Servants' Working for private Contractors», Jackson, 9. Dezember 1997.

Der Begriff «pantouflage» verweist auf den Geldbetrag («pantoufle», Abstandszahlung), den Beamte der Gemeinschaft als Kostenrückerstattung des an einer Grande Ecole absolvierten Studiums zu entrichten haben, wenn sie in den ersten Jahren danach aus dem Staatsdienst ausscheiden; vgl. Rohn, J.A., «Ethical issues in French public administration: a comparative study», in: Public Administration Review, 51 (4), 1991, Seiten 283­296; vgl. Quermonne, J.-L., L'appareil administratif de l'Etat, Editions du Seuil, collection «Politique», Paris, 1991, Seiten 244­249.

Cf. Meny, Y., «La corruption? Elle est profondément débilitante», in: Le Temps stratégique, Nr. 81, Mai/Juni 1998, Genève, Seite 25.

9770

die Privatwirtschaft einzutreten, zu beschneiden. Im Übrigen kennen auch die Niederlande (das einzige Land der Europäischen Union mit einem ähnlichen Beamtensystem wie die Schweiz) keine Einschränkung für die Beschäftigungen ehemaliger Beamter.

Die Schlussfolgerung bleibt ambivalent: Zwar ist der Umlauf von Beamten zwischen öffentlichem und privatem Sektor an sich gesund, aber dieser Austausch muss vor allem für Inhaber von höheren Kaderstellen mit gewissen Vorsichtsmassnahmen einhergehen.

Die Kommission vertritt in jedem Fall die Ansicht, dass die aus dem Bundesdienst scheidenden Beamten unbedingt systematisch und in einheitlicher Weise an die Bestimmungen des Beamtengesetzes zum Amtsgeheimnis erinnert werden sollten. Die Erinnerung müsste mündlich erfolgen, wie das heute mehrheitlich der Fall ist, und (nach dem Vorbild der Eidgenössischen Steuerverwaltung) schriftlich bestätigt werden. Die Betreffenden sollten beim Austritt ein Dokument unterzeichnen, das bescheinigt, dass sie die Bestimmungen des Beamtengesetzes zum Amtsgeheimnis gelesen und verstanden haben und sich zu ihrer Einhaltung verpflichten. Es wäre deshalb auch sinnvoll, wenn das Eidgenössische Personalamt (EPA) zu diesem Zwecke im Einvernehmen mit den Departementen eine Art Checklisten herausgäbe, um sicherzustellen, dass bei allen Abgängen gleich verfahren wird.

Empfehlung 7 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, zu veranlassen, dass aus der Bundesverwaltung austretende Beamte systematisch an Inhalt und Einzelheiten des Amtsgeheimnisses erinnert werden.

Ferner sollten nach Meinung der Kommission ihre Bedenken zu beruflichen Tätigkeiten ehemaliger Beamten in allen Überlegungen zur Ethik im öffentlichen Dienst aufgegriffen werden. Die Kommission ist der Meinung, dass ein Teil der Überlegungen den Aufgaben und Pflichten gewidmet werden müsste, welche die aus der Verwaltung scheidenden Beamten in Bezug auf die Verwendung ihrer vertraulichen Kenntnisse und ihres erworbenen Einflusses haben. Sicherlich erscheint es wünschenswert, den Übertritt zwischen öffentlichem und privatem Sektor (oder auch umgekehrt, wenngleich seltener) zu fördern; allerdings müssten diese Bewegungen in einen gewissen ethischen Rahmen gestellt (jedoch nicht unterdrückt) werden.

In einer Zeit, da die Tendenz immer stärker wird, das Arbeitsrecht
des Bundes demjenigen des Obligationenrechts anzunähern und die Trennlinie zwischen öffentlichem und privatem Sektor immer schwächer wird, scheint es logisch, in gewissen Fällen Konkurrenzverbote nach privatrechtlichem Muster vorzusehen.

Empfehlung 8 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, die Einführung von rechtlichen oder ethischen Bestimmungen zu prüfen, welche dazu dienen, für ehemalige Beamte die Nutzung ihrer vertraulichen Kenntnisse oder ihres in der Verwaltung erworbenen Einflusses einzuschränken, sofern deren berufliche Tätigkeiten eng mit ihrer früheren Beamtentätigkeit verbunden sind.

9771

Ebenfalls zu prüfen wäre, ob für gewisse Funktionen oder Tätigkeitsbereiche Konkurrenzverbote analog zum Obligationenrecht eingeführt werden können.

Schliesslich stellt sich in einem breiteren Zusammenhang die Frage, ob das Amtsgeheimnis an sich noch gerechtfertigt ist. Das Kriterium des Geheimnisses muss heute mit den Imperativen Öffnung, Information der Öffentlichkeit und Zugang zu öffentlichen Dokumenten vereinbart werden.

Heute herrscht in der Verwaltung das Geheimhaltungsprinzip mit Öffentlichkeitsvorbehalt; nach Meinung der Kommission würde die Problematik der Berufstätigkeiten ehemaliger Beamten durch die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips in der Verwaltung erheblich entschärft. Die Frage wurde in einem früheren Bericht bereits ausführlich behandelt69; die Kommission kommt lediglich darauf zurück, um ihren Wunsch nach Einführung einer solchen Ordnung zu wiederholen.

7

Ethik in der Bundesverwaltung

71

Bericht und Feststellungen der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle

Die Kommission hat die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (PVK) beauftragt, verschiedene Fragen zur Ethik im öffentlichen Dienst zu untersuchen und bestimmte Dienststellen der Bundesverwaltung zu befragen.

Die PVK hat ihre Feststellungen am 30. Oktober 1998 vorgelegt. Interessierte Leser werden auf den Bericht im Anhang verwiesen, der einen wesentlichen Bestandteil der Kommissionsarbeiten bildet.

Es folgt eine sehr geraffte Zusammenfassung der hauptsächlichen Feststellungen der PVK, die auf zwölf Leitfadeninterviews mit Vertretern der Bundesverwaltung beruhen:

69

1.

Das Vertrauen der Öffentlichkeit in den öffentlichen Dienst in der Schweiz hat in den vergangenen Jahren stark abgenommen, bleibt aber nach wie vor gross.

2.

Die wichtigsten Begünstigungsfaktoren, welche Unregelmässigkeiten im öffentlichen Dienst verstärken, sind neben persönlichen Schwächen Führungsfehler, Rekrutierungsfehler und unklare Kompetenzregelungen.

3.

Das New Public Management (NPM) sollte keine zusätzlichen unkorrekten Handlungen im öffentlichen Dienst herbeiführen, wenn entsprechende Randbedingungen beachtet werden (klare Verantwortlichkeiten, Rechenschaftspflicht usw.).

4.

Der Bund hat verschiedene präventive Massnahmen zur Ethikförderung in der Bundesverwaltung ergriffen. Das Eidgenössische Personalamt (EPA) erhielt den Auftrag, die Departemente bei der Aus- und Weiterbildung in Sachen Korruptionsbekämpfung und Ethik zu unterstützen. Bei den befragten

Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates, Informationstätigkeit des Bundesrates und der Bundesverwaltung in ausserordentlichen Situationen, vom 29. Mai 1997, BBl 1997 III 1568.

9772

Departementen und Ämtern existieren (noch) keine ethischen Verhaltenskodexe oder Ethikschulungen im engeren Sinne. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des EPA wurde jedoch beauftragt, einen Verhaltenskodex zu erstellen.

72

Erwägungen und Schlussfolgerungen der Kommission

Der Bericht der PVK stellt eine solide Arbeitsgrundlage dar. Im Lichte der Feststellungen der PVK und der von ihr durchgeführten Anhörungen ist die Kommission in der Lage, folgende Überlegungen vorzustellen: 1.

Die Bundesverwaltung steht noch am Anfang ihres Überlegungsprozesses zur Ethik. Allgemein sind die Überlegungen noch kaum strukturiert und stecken erst in den Anfängen. Die Departemente verfolgen einen sehr unterschiedlichen Ansatz. Einige Departemente und Ämter besitzen Vorschriften zu Geschenken, Einladungen und anderen (direkten oder indirekten) Vorteilen, oder zur privaten Verwendung öffentlicher Ressourcen. Allerdings gibt es keinen Verhaltens- oder Berufsethikkodex für den öffentlichen Dienst. Daher entsteht der Eindruck, dass die Förderung der Ethik mit formalisierten Instrumenten wie Verhaltenskodexen in der Verwaltung zurzeit noch eher als Pflichtübung und nicht als Ausdruck einer Überzeugung betrachtet wird. Man geht davon aus, dass die Ethik etwas Vorgegebenes ist und nicht explizit formuliert werden muss.

Des Weiteren überrascht, dass einige Departemente in diesem Bereich noch nichts unternommen haben. Diese Tatsache ist umso erstaunlicher, als der Bundesrat am 20. Mai 1998 alle Departemente beauftragte, in Anwendung bestimmter Empfehlungen der VKB die Aus- und Weiterbildung in Sachen Ethik zu gewährleisten. Ausserdem beauftragte der Bundesrat das EFD, einen Verhaltenskodex («code of conduct») zur Vorbeugung der Korruptionsrisiken in der Verwaltung zu erarbeiten. Damit befasst sich zurzeit eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des EPA. Die Arbeiten dürften im Laufe des ersten Quartals 1999 abgeschlossen werden.

Die Kommission freut sich über die Entscheidungen des Bundesrates im Bereich der Ethik. Nach ihrer Auffassung zielen die Massnahmen in die richtige Richtung. Weder Kontrollen noch Sanktionen werden je menschliche Schwächen verhindern können. Die Massnahmen des Bundesrates schliessen im Übrigen direkt an die Empfehlung des OECD-Rates vom 23. April 1998 über die Verbesserung des ethischen Verhaltens im öffentlichen Dienst an.

Indessen stellte sich die Kommission die Frage, ob es vernünftig ist, dass die Erarbeitung eines Verhaltenskodexes einer internen Arbeitsgruppe delegiert wird. Wie die Studie der PVK zeigt, müssen Impulse und Vorbilder im Ethikbereich von den leitenden Gremien ­ im vorliegenden Fall vom Bundesrat ­ ausgehen. Wenn der Bundesrat die Frage einer Arbeitsgruppe überlässt, besteht die Gefahr, dass sie zum Monopol einiger Sachverständigen wird. Zudem ist das
Verfahren allzu eng, da nur die Akteure, nicht aber die Benutzer der Verwaltung, eingebunden werden.

Für die Kommission sollten die Überlegungen zur Ethik in einem breiteren Rahmen erfolgen und mit grösserer Öffentlichkeit einhergehen. Dass bun9773

desrätliche Entscheidungen teilweise ignoriert werden, erscheint recht unerfreulich. Ausserdem sollten die öffentlichen Bediensteten dafür sensibilisiert werden, dass Ethik alle angeht, Verwaltungsbeamte wie -benutzer. In ethischen Fragen ist man letztlich immer nur gegenüber sich selbst verantwortlich. Ethik ist nicht eine Angelegenheit einer Arbeitsgruppe oder eines Sondergremiums, denn sonst läuft man Gefahr, die Beamten von ihrer Eigenverantwortung zu entbinden («weshalb soll ich mich mit solchen Fragen befassen, wenn es eigens dafür eine zuständige Dienstelle gibt?»). Ethik ist auch eine Frage der Unternehmenskultur und des individuellen Verhaltens und nicht Sache einer Dienststelle. Sie hat nur einen Wert, wenn diejenigen, die sie umzusetzen haben, aktiv an ihrer Formulierung teilhaben, denn bei einem Verhaltenskodex ist der Formulierungsprozess ebenso wichtig wie der Inhalt des Kodexes selbst.

Die Kommission gibt jedoch dem Bundesrat Recht, wenn er denkt, dass die ethische Dimension nicht getrennt und unterschiedlich, sondern im Zusammenhang mit den üblichen Führungsstrukturen, vor allem bezüglich Humanressourcen (Rekrutierung, Weiterbildung, Personalbeurteilung usw.), behandelt werden muss. Ethik ist in erster Linie die Sache der Vorgesetzten jeder Stufe. Die Kommission ist denn auch der Meinung, dass allfälligen Zuwiderhandlungen am besten vorgebeugt werden kann, wenn den Beamten von ihren Vorgesetzten und Kollegen genügend Aufmerksamkeit entgegengebracht und wenn ein ständiger Dialog gepflegt wird. Für die Bundesverwaltung gilt die alte Binsenwahrheit, dass es dort, wo kein Gewissen ist, auch keine Moral geben kann. Die Verwaltung kann indes zumindest eine Unternehmenskultur schaffen, die einem ethischen Verhalten den Weg ebnet70.

Empfehlung 9 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, aktive Massnahmen zu treffen, damit in der Bundesverwaltung eine Unternehmenskultur entsteht, die ethisches Verhalten fördert.

2.

70

Die Diskussion um das neue Bundespersonalgesetz wird bestimmt einen guten Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung zu den dem öffentlichen Handeln zugrunde liegenden Werten bilden, und zwar über die klassischen öffentlich-rechtlichen Grundsätze hinaus (Gesetzmässigkeit, Gleichheit, Verhältnismässigkeit, öffentliches Interesse usw.). Diese Grundwerte sollten der Verwaltung künftig als Leitlinien dienen. Bei der Umsetzung des Gesetzes müssen diese Werte als Berufsethik-Kodex oder in Form weiterer Massnahmen zur beruflichen Sozialisierung konkretisiert werden (Information neu eintretender Mitarbeiter, Ausbildung usw.). Ferner ist zu ermitteln, ob die Grundsätze obligatorisch oder fakultativ sein sollen; im zweiten Fall müssten Regelungsinstanzen eingesetzt werden (Vermittler, Ethikausschüsse, Benutzerkommissionen, unabhängige Verwaltungsbehörde usw.). Daneben ist zu bedenken, dass unabhängig von der Qualität der Vorschriften es weder möglich noch wünschenswert ist, sämtliche Regeln zu formulieren. Für öf-

Vgl. dazu Dherse, J-L., Minguet, H., L`éthique ou le chaos?, Paris, Presses de la Renaissance, 1998, Seite 293 ff. mit Hinweisen.

9774

fentliche Bedienstete sowie für Mitglieder anderer Berufe (Ärzte, Journalisten, Wissenschaftler usw.) muss die Ethik über die schriftlichen Regeln hinausgehen und im Alltag gelebt werden. In diesem Sinne gilt es nicht, eine moralischere Verwaltung zu erfinden, sondern eine Verwaltung, die sich der ständigen Auseinandersetzung mit der Ethik stellt.

Empfehlung 10 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, im Rahmen der Umsetzung des neuen Bundespersonalgesetzes in der Bundesverwaltung eine breit angelegte Sensibilisierungskampagne zu Ethikfragen einzuleiten. Zudem regt sie an, dem Thema Ethik im Legislaturprogramm 1999­2003 einen zentralen Platz einzuräumen.

3.

Hier ist auch zu erwähnen, dass das ethische Verhalten der öffentlichen Bediensteten eng mit dem Beamtenverhältnis und den materiellen Bedingungen zusammenhängt. Ein korrekt bezahlter, auf seine Tradition und Integrität stolzer öffentlicher Bediensteter ist weniger anfällig für regelwidriges Verhalten, als einer, der das Gefühl hat, schlecht bezahlt, überlastet und in einer beruflich unsicheren Situation zu sein. Eine gute Entlöhnung und gewisse gesetzlich garantierte Vorteile müssen aufrechterhalten bleiben, denn sie bilden die Gegenleistung für die Unparteilichkeit und Kontinuität des öffentlichen Dienstes. Um welche Vorteile es sich dabei handeln soll, wird der Gesetzgeber im Rahmen der Revision des Beamtengesetzes zu bestimmen haben.

4.

Die immer stärkere Wechselwirkung zwischen öffentlichem und privatem Sektor sowie der immer häufigere Rückgriff der Verwaltung auf private Managementtechniken (Vertragsbasis, Risikomanagement, Führungsautonomie, Honorierung von Ergebnissen anstelle der Regeltreue, Wettbewerb, Leistung, Mehrwert usw.) stellen den Beamten vor neue Probleme. Wegen dieser neuen Entwicklungen können die Beamten in Situationen geraten, die Interessens- und Zielkonflikte mit sich bringen und für die ihnen kaum Leitlinien zur Verfügung stehen. So sind Geschenke unter Geschäftspartnern in der Privatwirtschaft gang und gäbe, während sie im öffentlichen Dienst verboten sind.

Der Abbau von Regeln und Kontrollen erhöht das Fehlerrisiko. Der stärkere Konkurrenzdruck und die Bemühungen um mehr Effizienz können Beamte dazu verleiten, die ordentlichen Verfahren zu umgehen, um ihre Leistungen zu steigern und um besser dazustehen.

Das New Public Management (NPM) stellt die klassischen Grundsätze der Verwaltungstätigkeit (Gesetzmässigkeit, Gleichbehandlung usw.) ebenfalls in Frage. Damit haben öffentliche Bedienstete die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Gegenüber dem Bund und den Bürgern muss die Achtung der Gesetzmässigkeit und der Gleichheit überwiegen; sie dürfen nur auf dem Gesetz beruhende Entscheidungen fällen und sind zur Gleichbehandlung aller Bürger verpflichtet. Gegenüber den Kunden haben sie sich effizient und rentabel zu zeigen, selbst wenn sie sie unterschiedlich behandeln sollen.

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Nach Ansicht der Kommission müssen die grösseren Freiheiten, über die bestimmte Dienststellen im Rahmen des New Public Management verfügen, zwangsläufig mit bestimmten Vorschriften zur öffentlichen Ethik einhergehen. Die Frage sollte besonders in den Leistungsaufträgen, die den Gruppen und Ämtern laut Artikel 44 des Bundesgesetzes vom 21. März 1997 über die Regierungs- und Verwaltungsorganisation (RVOG) erteilt werden, aufmerksam behandelt werden. Die Auswirkungen solcher Mandate auf die Ethik müssten ebenfalls geprüft werden.

Empfehlung 11 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, in die Leistungsaufträge, welche den Gruppen und Ämtern erteilt werden, bestimmte ethische Regeln aufzunehmen.

Empfehlung 12 Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, die Verwaltungsführung im Rahmen von Leistungsaufträgen auch nach ethischen Aspekten zu beurteilen.

5.

Ethik bildet keine Wunderlösung für sämtliche Probleme der Verwaltung.

Trotzdem bleibt sie ein wichtiges Instrument, um die Integrität der Verwaltung intern und extern unter Beweis zu stellen. Sie bildet auch ein Schlüsselelement zur Einschränkung jeglichen Missbrauchs der öffentlichen Gewalt.

Für eine Verwaltung ist es immer gefährlich, wenn die Bürger an der moralischen Qualität der Träger der öffentlichen Gewalt zweifeln. Es trifft zwar zu, dass die Unregelmässigkeiten, die in der Bundesverwaltung festgestellt wurden, quantitativ nicht bedeutend sind und nur geringen wirtschaftlichen Wert haben. Was hingegen enorm ins Gewicht fällt, sind die qualitativen Auswirkungen auf die öffentliche Meinung.

Die Kommission ist sich der zahlreichen Hindernisse bewusst. Neuheiten werden in keinem Berufsstand geschätzt, besonders wenn sie neue Pflichten begründen; die Beamten bilden davon keine Ausnahme. Zu den Hemmnissen gehören Modeeffekte, drohende Verstrickung, Gefahr, dass die Massnahmen rein symbolisch bleiben, Mehrkosten, Zeitaufwand, Zweifel am Nutzen und an der Effizienz des Vorgehens usw. Ein entschiedenes Engagement der Departemente und Ämter, getragen vom starken politischen Willen des Bundesrates und des Parlamentes, dürfte die Hindernisse verringern helfen.

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8

Weiteres Vorgehen

Die Geschäftsprüfungskommission ersucht den Bundesrat, sie auf Ende 1999 über die Folge, die er dem vorliegenden Bericht und den darin enthaltenen Empfehlungen zu geben gedenkt, zu unterrichten. Im Übrigen fordert die Kommission den Bundesrat auf, in seinem Bericht die Massnahmen zu erläutern, die in Anwendung der Empfehlung der OECD vom 23. April 1998 über die Verbesserung des ethischen Verhaltens im öffentlichen Dienst ergriffen wurden.

12. März 1999

Für die Sektion «Mitteleinsatz» Der Präsident, Hubert Lauper, Nationalrat Der Sekretär, Philippe Schwab Für die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats

10520

Der Präsident, Alexander Tschäppät, Nationalrat

9777

Abkürzungsliste AB N AB S Abs.

AJOH Angst O Art.

AS BAB BB BBG BBl BDG BG BGE Bger BJ BK BO 1 BO 2 BO 3 Bst.

BtG BV BWM C.F.R DSG EAV EDA EDI EDMZ EFD EFK EJPD EPA ESTV ETH EVD GPK-NR GS GVG NPM OECD OG OGE

9778

Amtliches Bulletin Nationalrat Amtliches Bulletin Ständerat Absatz Association pour les Jeux Olympiques d`hiver 2006 Angestelltenordnung vom 10. November 1959, SR 172.221.104 Artikel Amtliche Sammlung des Bundesrechts Bundesamt für Armeematerial und Bauten Bundesbeschluss Bundesbeamtengesetz (Deutschland) Bundesblatt Beamten-Dienstrechtsgesetz (Österreich) Bundesgesetz Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgericht Bundesamt für Justiz Bundeskanzlei Beamtenordnung (1) vom 10. November 1959, SR 172.221.101 Beamtenordnung (2) vom 15. März 1993, SR 172.221.102 Beamtenordnung (3) vom 29. Dezember 1964, SR 172.221.103 Buchstabe Beamtengesetz vom 30. Juni 1927, SR 172.221.10 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, SR 101 Bundesamt für Waffensysteme und Munition Code of Federal Regulations (Vereinigte Staaten) Datenschutzgesetz vom 19. Juni 1992, SR 235.1 Eidgenössische Alkoholverwaltung Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzkontrolle Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Eidgenössisches Personalamt Eidgenössische Steuerverwaltung Eidgenössische Technische Hochschule Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Generalsekretariat Geschäftsverkehrsgesetz vom 23. März 1962, SR 171.1 New Public Management Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1953, SR 173.110 Office of Government Ethics (Vereinigte Staaten)

OR PKB PVK RVOG SR StGB U.S.C.

UVEK VBS vgl.

VKB VPB Ziff.

Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), SR 220 Pensionskasse des Bundes Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997, SR 172.010 Systematische Sammlung des Bundesrechts Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0 United States Code (Vereinigte Staaten) Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport vergleiche Verwaltungskontrolle des Bundesrates Verwaltungspraxis der Bundesbehörden Ziffer

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