zu 99.419 Parlamentarische Initiative GVG. Anpassungen an die neue BV Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 7. Mai 1999 Stellungnahme des Bundesrates vom 7. Juni 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes die Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 7. Mai 1999 bezüglich der Parlamentarischen Initiative «GVG. Anpassungen an die neue BV».

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

7. Juni 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

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Stellungnahme 1

Einleitung

Die neue Bundesverfassung (nBV) ist am 18. April 1999 angenommen worden. Die Bundesversammlung wird das Inkrafttreten bestimmen. Es ist vorgesehen, die nBV auf den 1. Januar in Kraft zu setzen. Weil das Parlament die erforderlichen Anpassungen der Gesetzgebung frühestens in der Herbstsession beschliessen wird, läuft die Referendumsfrist bis etwa Ende Januar 2000. Die Gesetzesänderungen müssten somit nach Ablauf der Referendumsfrist rückwirkend auf den 1. Januar 2000 in Kraft gesetzt werden. Angesichts des Inhaltes der Gesetzesänderungen steht einer solchen Inkraftsetzung rechtlich nichts entgegen.

Im Hinblick auf die Inkraftsetzung der nBV ist sicherzustellen, dass die notwendigen Anpassungen der Gesetzgebung rechtzeitig erfolgen. Angesichts der relativ knappen Zeit ist es angezeigt, die Rechtsänderungen auf das Notwendige zu beschränken. Wir begrüssen es daher, wenn die vorliegende Partialrevision des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) primär zwingende gesetzliche Anpassungen an die nBV beinhaltet. Es erscheint als vertretbar, darüber hinaus auch einige weitere, nicht zwingende Anpassungen des GVG vorzunehmen, um offensichtliche Widersprüche zwischen nBV und GVG zu vermeiden. Weitergehende Reformen des GVG und der übrigen betroffenen Gesetze sind bei dieser Partialrevision nicht vorgesehen, sondern sollen erst im Rahmen einer Totalrevision des GVG erfolgen.

Dieses Vorgehen ist zu unterstützen. Einerseits erlaubt es, zwingende Anpassungen des GVG an die nBV fristgerecht vornehmen zu können, andererseits ist gewährleistet, dass die vorliegende Teilrevision des GVG nicht durch weitere Reformschritte belastet wird. Eine Beschränkung auf die notwendigen gesetzlichen Anpassungen an die nBV ist auch deshalb angezeigt, weil angesichts der kurzen Fristen kein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt werden kann.

Mit Schreiben des Präsidenten der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats und der Präsidentin der Staatspolitischen Kommission des Ständerats vom 15. Mai 1998 wurde dem Anliegen Ausdruck gegeben, bei der Totalrevision des GVG die betroffenen Dienststellen der Verwaltung frühzeitig einzubeziehen. Der Einbezug der betroffenen Dienststellen wurde auch bei der vorliegenden Partialrevision des GVG praktiziert.

Mit Schreiben vom 7. Mai 1999 lud der Präsident der Staatspolitischen Kommission
des Nationalrats den Bundesrat ein, zum Bericht Stellung zu nehmen. Der Bundesrat nimmt die Gelegenheit zur Stellungnahme gerne wahr. Soweit der Bericht das Parlamentsrecht betrifft (namentlich die Regelung der Zuständigkeiten von Koordinationskonferenz und Verwaltungsdelegation), wird auf eine Stellungnahme verzichtet.

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Bemerkungen

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Ingress zum Geschäftsverkehrsgesetz

Mit dem Inkrafttreten der nBV wird die geltende Bundesverfassung ausser Kraft gesetzt. Es gilt deshalb sicherzustellen, dass die laufenden Gesetzgebungsarbeiten bereits jetzt auf die nBV ausgerichtet werden. Die Kommission schlägt deshalb vor, im 5980

Ingress des GVG auf die nBV Bezug zu nehmen. Bei blossen Teilrevisionen eines Erlasses wird hingegen dem Anliegen der Klarheit besser gerecht, wenn im Ingress weiterhin die geltende Verfassung erwähnt und in einer Fussnote gleichzeitig der Bezug zur nBV hergestellt wird. Da das Gesetz ein Datum vor Inkrafttreten der nBV trägt, wäre ein Ingress, der sich auf die nBV bezieht, eher verwirrlich. Der Bundesrat beantragt deshalb, am heutigen Ingress des GVG festzuhalten und in einer Fussnote auf Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g nBV zu verweisen. Die Änderung des Ingresses kann dann im Rahmen der anstehenden Totalrevision des GVG erfolgen.

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Einberufung von ausserordentlichen Sessionen

Der Bundesrat hat bereits in seiner Stellungnahme vom 9. Juni 1997 zum Zusatzbericht der Staatspolitischen Kommissionen zur Verfassungsreform keine Einwendungen gegen die vorgeschlagene Gleichstellung der beiden Räte erhoben (BBl 1997 III 1490). Gegen die entsprechende Anpassung des GVG hat er keine Einwände.

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Öffentlichkeit der Sitzungen

Der Bundesrat kann der Schaffung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für nicht öffentliche Sitzungen der eidgenössischen Räte zustimmen. Die Nennung möglicher Gründe für eine geheime Beratung im Gesetz selber ist zu begrüssen.

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Form der Erlasse der Bundesversammlung

Der Bundesrat ist mit den vorgeschlagenen Anpassungen des GVG an die nBV im Bereich der Erlassformen einverstanden. Das Bundesamt für Justiz hatte bereits mit Schreiben vom 15. Oktober 1998 Formulierungsvorschläge für die Regelung der Erlassformen im GVG dem Sekretariat der SPK unterbreitet. Soweit in der jetzigen Partialrevision von Belang, wurden die Vorschläge berücksichtigt.

In Bezug auf die dringlich erklärten Bundesgesetze schlagen wir die Übernahme der Terminologie gemäss nBV vor. Die Artikel 11 Absatz 1 und 35 Absatz 1 GVG wären redaktionell anzupassen. Diese Bestimmungen lauteten danach wie folgt: Art. 11 Abs. 1 1 Verfassungsartikel und nicht dringlich erklärte Bundesgesetze dürfen nur ausnahmsweise ...»

Art. 35 Abs. 1 1 Bei Entwürfen zu Bundesgesetzen, die dringlich erklärt werden sollen, wird die Dringlichkeitsklausel von der Gesamtabstimmung ausgenommen.

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Unterstellung der Parlamentsdienste unter die Bundesversammlung

Bereits in seiner Stellungnahme vom 9. Juni 1997 zum Zusatzbericht der Staatspolitischen Kommissionen zur Verfassungsreform hat sich der Bundesrat mit einer administrativen Unterstellung der Parlamentsdienste unter die Bundesversammlung einverstanden erklärt (BBl 1997 III 1491). Gegen die entsprechende Anpassung des GVG hat er keine Einwände.

Die Unterstellung der Parlamentsdienste unter die Bundesversammlung hat zur Folge, dass die Parlamentsdienste nicht mehr Teil der allgemeinen Bundesverwaltung sind. Die Kommission sieht vor, diejenigen rechtsetzenden Ausführungsbestimmungen, welche für die allgemeine Bundesverwaltung gelten, grundsätzlich auch im Bereich der Verwaltungsangelegenheiten der Bundesversammlung anzuwenden. Sofern keine ausdrücklichen Abweichungen erfolgen, werden die für das Personal der allgemeinen Bundesverwaltung geltenden Regelungen weiterhin auch für das Personal der Parlamentsdienste angewendet.

Der Bundesrat erachtet diese Lösung als sinnvoll. Es ist auch aus seiner Sicht weder nötig noch erwünscht, dass für die Parlamentsdienste grundsätzlich andere Bestimmungen gelten als für die allgemeine Bundesverwaltung.

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Beizug von Dienststellen der Bundesverwaltung

In seiner Stellungnahme vom 9. Juni 1997 zum Zusatzbericht der Staatspolitischen Kommissionen zur Verfassungsreform hat sich der Bundesrat bereit erklärt, die bisherige, weitgehend konfliktfreie Praxis der Zusammenarbeit zwischen der Bundesversammlung und den Dienststellen der Bundesverwaltung fortzuführen (BBl 1997 III 1491).

Die Kommission schlägt nun vor, dass die Bundesversammlung und ihre Organe für Dienstleistungen, welche für den Parlamentsbetrieb notwendig sind, Dienststellen der Bundesverwaltung beiziehen können. Über die Grundsätze der Zusammenarbeit und über allfällige Differenzen bezüglich der Ausführung entsprechender Aufträge entscheidet die Verwaltungsdelegation nach Anhörung des Bundesrates.

Bereits während der Diskussionen im Rahmen der Verfassungsreform wurde betont, die administrative Unterstellung der Parlamentsdienste unter die Bundesversammlung bedeute nicht, dass die Parlamentsdienste zu einer Parallelverwaltung ausgebaut werden sollten. Es ist deshalb notwendig, dass die Parlamentsdienste in gewissen Fällen die Dienstleistungen der Bundesverwaltung in Anspruch nehmen können.

Der Bundesrat hat sich denn auch nicht grundsätzlich gegen einen solchen Beizug gewandt. Er hat aber stets gefordert, dass dadurch die Funktionsfähigkeit von Regierung und Verwaltung nicht beeinträchtigt werden dürfen. Aus Sicht des Bundesrates ist die vorgesehene gesetzliche Präzisierung, wonach ein Beizug nur für notwendige Dienstleistungen in Betracht kommen kann, zu begrüssen.

Dass für den Beizug ein Auftrag der Bundesversammlung oder deren Organe Voraussetzung ist, erachtet der Bundesrat als unerlässlich. Damit bleibt die Aufgabenverteilung zwischen Bundesverwaltung und Parlamentsdiensten klar, weil nur auf Grund eines Auftrages und nicht bloss bei Gelegenheit einer Aufgabenerfüllung ein Beizug möglich ist. Die Ausführungen in Ziffer 315 des Berichts der Kommission,

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wonach es sich auch um einen impliziten Auftrag handeln könne, entsprechen deshalb nicht ganz dem Wortlaut der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung.

Artikel 155 Satz 3 nBV verlangt, dass das Gesetz die Einzelheiten über den Beizug der Dienststellen regelt. Darunter wurde vor allem verstanden, dass das Gesetz das Verfahren des Beizugs, auch bei Uneinigkeit, regeln solle. Dem wird die vorgeschlagene Bestimmung nicht gerecht, wenn sie eine allgemeine Entscheidzuweisung an die Verwaltungsdelegation vornimmt. Mit ihrem Formulierungsvorschlag verzichtet die Kommission darauf, das Verfahren des Beizugs zu regeln. Aus grundsätzlichen Gründen ist es unerlässlich, dass der Beizug von Dienststellen der Bundesverwaltung einvernehmlich mit den Departementen zu erfolgen hat. Andernfalls würde der direkte Zugriff der Parlamentsorgane auf einzelne Verwaltungsstellen zugelassen. Damit würden letztlich zentrale Kompetenzen der Departemente ­ nämlich Führungsaufgabe und Weisungsbefugnis ­ ausgehöhlt. Nach dem Kommissionsbericht bleibt die Aktenherausgabe der Verwaltung (Art. 2 Abs. 3 Bundesbeschluss über die Parlamentsdienste vom 7. Oktober 1988, SR 171.115) weiterhin von einer Ermächtigung des Bundesrates abhängig (Ziff. 315 des Berichts der Kommission).

Weil das Verhältnis der Parlamentsdienste zur Bundesverwaltung neu auf Gesetzesstufe umschrieben wird, sollte jedoch der Vorbehalt der Aktenherausgabe auf derselben Ebene verankert werden. Die Verankerung auf Stufe der künftigen Verordnung über die Parlamentsdienste erachtet der Bundesrat als nicht stufengerecht.

Der Bundesrat beantragt deshalb folgende Änderungen des GVG: Art. 8novies Abs. 1bis (neu) 1bis ... Dienststellen der Bundesverwaltung beiziehen. Der Einbezug erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Departement. Bei Differenzen gelangt die Verwaltungsdelegation an den Bundesrat.

Art. 8novies Abs. 1ter (neu) 1ter

Die Bundesverwaltung gibt den Parlamentsdiensten die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Akten heraus, soweit sie dazu vom Bundesrat ermächtigt ist.

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Hausrecht in den Räumlichkeiten der Bundesverwaltung

Gegen die vorgeschlagene gesetzliche Regelung des Hausrechtes bestehen keine grundsätzlichen Einwände. Es ist klar, dass das Hausrecht des Bundesrates in den übrigen Räumlichkeiten des Bundes vorbehalten bleibt.

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Teilungültigkeit von Volksinitiativen

Die von der Kommission vorgeschlagene Bestimmung betreffend die Teilungültigkeitserklärung von Volksinitiativen ist offen. Damit wird der Bundesversammlung ein weites Ermessen zugestanden. Die Möglichkeit der Teilungültigerklärung von Volksinitiativen wird dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Bereich der Volksrechte gerecht. Die Kommission hält denn auch fest, dass die Teilungültigkeiterklärung dem Schutz der Volksrechte dient (Ziff. 317 des Berichts).

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Der Bundesrat geht davon aus, dass die bisherige volksrechtsfreundliche Praxis der Bundesversammlung auch bei Teilungültigerklärungen weitergeführt wird. Aus diesem Grund opponiert der Bundesrat der vorgeschlagenen offenen Formulierung nicht.

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Abschluss völkerrechtlicher Verträge, ordentliches und vereinfachtes Verfahren

Im Vorfeld des Berichts der Kommission wurden für den Entwurf einer gesetzlichen Regelung der bundesrätlichen Vertragsschlusskompetenz Dienstellen des EDA und des EJPD beigezogen. Weil der Bundesrat ab Inkrafttreten der nBV für den Abschluss derjenigen Verträge, die er bis anhin in eigener Zuständigkeit genehmigte, einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf, ist eine Regelung im GVG unabdingbar. Der Bundesrat ist mit der vorgeschlagenen Gesetzesregelung einverstanden.

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Stellung des Sekretariats der Finanzkommissionen und der Finanzdelegation

Die administrative Unterstellung der Parlamentsdienste unter die Bundesversammlung gemäss Artikel 155 nBV verlangt, dass künftig auch das Sekretariat der Finanzkommissionen und der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (ESFK) administrativ der Bundesversammlung unterstellt wird. Die Parlamentsdienste müssen durch eine zweckmässige Verwaltungsorganisation und Personalführung dafür sorgen, dass die Leistungsfähigkeit des Sekretariats der Finanzkommissionen und die Finanzdelegation erhalten bleibt und gewährleistet wird. Der Bundesrat opponiert angesichts der neuen Verfassungslage einer administrativen Unterstellung des ESFK unter die Bundesversammlung nicht.

Dagegen ist der von der Kommission vorgeschlagene neue Artikel 2 Absatz 5 Bundesgesetz über die eidgenössische Finanzkontrolle (FKG; SR 614.0) abzulehnen.

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) wurde im Rahmen der Revision des Finanzkontrollgesetzes vom 19. März 1999 als oberstes Finanzaufsichtsorgan des Bundes konzipiert, das mit seiner Prüfungstätigkeit und der daraus resultierenden Berichterstattung Bundesversammlung und Bundesrat gleichermassen zu unterstützen hat. Primat hat das von der EFK autonom aufgestellte jährliche Revisionsprogramm. Die EFK soll deshalb gemäss Artikel 1 Absatz 2 Satz 2 FKG (neu) Sonderaufträge ablehnen können, wenn deren Übernahme die Realisierung des Revisionsprogrammes gefährdet. Das so gestaltete Verhältnis zwischen Bundesrat und Parlament soll nun nicht durch eine stärkere Instrumentalisierung der EFK durch die Finanzkommissionen und die Finanzdelegation wieder gestört werden. Die Finanzkommissionen und Finanzdelegation der eidgenössischen Räte können für ihre Kontrolltätigkeit auf das ESFK greifen, dem im Rahmen der Parlamentsdienste die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen sind. Der Bundesrat beantragt deshalb die Streichung des von der Kommission vorgeschlagenen Artikels 2 Absatz 5 FKG.

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Änderung des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes

Gegen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen bestehen keine grundsätzlichen Einwände. Die Teilnahme des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin an den Sitzungen der Verwaltungsdelegation beziehungsweise die Teilnahme des Generalsekretärs oder der Generalsekretärin an der Generalsekretärenkonferenz hat nicht systematisch sondern lediglich bei Bedarf zu erfolgen. Die vorgeschlagenen Gesetzestexte, welche die Kann-Formulierung verwenden, lassen dies ohne weiteres zu.

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