98.075 Botschaft betreffend das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption sowie das Bundesgesetz zum Haager Adoptionsübereinkommen und über Massnahmen zum Schutz des Kindes bei internationalen Adoptionen vom 19. Mai 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung des am 29. Mai 1993 in Den Haag abgeschlossenen Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption sowie den Entwurf für ein Bundesgesetz zum Haager Adoptionsübereinkommen und über Massnahmen zum Schutz des Kindes bei internationalen Adoptionen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir beantragen Ihnen ferner, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 1995

P

93.3571

Adoption ausländischer Kinder in der Schweiz (N 1.2.95, Brunner, Christiane; S 3.10.95)

1995

P

93.3666

Haager Adoptionsübereinkommen. Ratifizierung (N 1.2.95, Eymann, Christoph; S. 3.10.95)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Mai 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-4565

5795

Übersicht Adoptionen von Kindern aus Ländern der Dritten Welt haben in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung stark zugenommen. Ihre Zahl übersteigt diejenige der rein schweizerischen oder innereuropäischen Adoptionen heute bei weitem. Internationalen Adoptionen ist eine besondere Problematik eigen, weil die Aufnahme und Pflege eines Kindes aus einem anderen Kulturkreis besondere Anforderungen an die Adoptiveltern stellt. Auch ist die Gefahr von Missbräuchen besonders gross.

Das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, das 1993 von der Haager Konferenz für internationales Privatrecht verabschiedet worden ist, versucht, diesen Gefahren mit einem institutionalisierten System der Zusammenarbeit von Herkunfts- und Aufnahmestaaten zu begegnen. Durch die Formulierung von Minimalstandards, denen eine internationale Adoption genügen muss, sowie die Gewährleistung der Anerkennung von Adoptionen in anderen Vertragsstaaten verbessert es die rechtliche Stellung von Adoptivkindern massgeblich.

Für die Umsetzung des Übereinkommens in die schweizerische Rechtsordnung soll ein eigenes Bundesgesetz geschaffen werden. Dieses passt das Verfahren nach dem Haager Übereinkommen in die bestehenden schweizerischen Pflegekinder- und Adoptionsverfahren ein. Zudem werden Massnahmen vorgesehen, welche dem Schutzbedürfnis des Kindes bei internationalen Adoptionen Rechnung tragen. Diese Massnahmen sollen unabhängig davon zur Anwendung kommen, ob das Kind aus einem Vertragsstaat stammt oder nicht. Schliesslich werden auch zwei Änderungen des Zivilgesetzbuches vorgeschlagen. Das Pflegekinderwesen soll, soweit es um die Aufnahme eines Kindes zum Zweck späterer Adoption geht, bei einer einzigen kantonalen Behörde zentralisiert werden. Ferner soll die nach Artikel 264 des Zivilgesetzbuches für eine Adoption erforderliche Pflegezeit auf ein Jahr herabgesetzt werden.

5796

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

11

Einleitung

Internationale Adoptionen haben in den vergangenen Jahrzehnten stetig an Bedeutung gewonnen1. Noch zu Beginn der Siebzigerjahre wurden vorwiegend Kinder aus der Schweiz und westeuropäischen Staaten adoptiert. Heute stehen demgegenüber bei der Fremdadoption aussereuropäische Kinder eindeutig im Vordergrund 2. Obwohl genaue Zahlen fehlen3, kann davon ausgegangen werden, dass es in der Schweiz jährlich 500 bis 750 internationale Adoptionen gibt. Der überwiegende Teil der Kinder stammt aus dem südamerikanischen und asiatischen Raum, wobei sich bezüglich der Herkunftsstaaten von Jahr zu Jahr erhebliche Verschiebungen ergeben können4. Am meisten Adoptivkinder kamen 1997 aus Indien (77). Weitere wichtige Herkunftsländer waren Kolumbien (73), Brasilien (68), Vietnam (50), die Philippinen (38), Thailand (37), Haiti (18), die Dominikanische Republik (17), Chile (14), Mexiko (11) und der Libanon (11). Zunehmende Bedeutung haben in jüngster Zeit auch die osteuropäischen Staaten erlangt, so Rumänien (40) und Russland (30)5.

Von den westeuropäischen Staaten war 1997 einzig Portugal mit 14 Adoptivkindern von Bedeutung.

Internationalen Adoptionen ist eine besondere Problematik eigen6. Die Aufnahme und Pflege eines Kindes aus einem anderen Kulturkreis stellt hohe Anforderungen an die künftigen Adoptiveltern7, da die Vorgeschichte dieser Kinder oft wenig oder gar nicht bekannt und der kulturelle Hintergrund unterschiedlich ist. Namentlich die Identitätsfindung des Kindes in der Pubertät ist häufig schwierig. Ein Scheitern der Adoption ist für das Kind besonders tragisch, weil es dann sozial und teilweise auch rechtlich isoliert bleibt. Seit Jahren wird ferner immer wieder über Missbräuche be-

1 2

3

4

5 6 7

Einlässlich I. Ceschi, Adoption ausländischer Kinder in der Schweiz: Aufnahme, Vermittlung und Pflegeverhältnis, Diss. Zürich 1996, S. 29 ff.

Ein umfassender Überblick über die sozialhistorische Entwicklung der Adoption findet sich bei J.H.A. van Loon, Rapport sur l'adoption d'enfants originaires de l'étranger, Document préliminaire No 1 d'avril 1990, in: Actes et documents de la Dix-septième session, hrsg. von der Conférence de La Haye de droit international privé, Band II, Den Haag 1994, S. 10­100, N. 31 ff.; vgl. dazu ausserdem E.-M. Hohnerlein, Internationale Adoption und Kindeswohl, Baden-Baden 1991, S. 28 ff.; I. Ceschi (zit. FN 1), S. 24 ff.

Die schweizerische Adoptionsstatistik stellt auf die Staatsangehörigkeit des Adoptivkindes vor der Adoption ab, nicht auf dessen gewöhnlichen Aufenthalt. Sie weist daher Adoptionen als internationale aus, welche nach der Umschreibung des HAÜ rein nationale sind (z. B. wenn ein brasilianisches Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz von Schweizern adoptiert wird). Ein präziseres Bild vermittelt die Zahl der Einreisebewilligungen für ausländische Pflege- und Adoptivkinder; vgl. dazu I. Ceschi (zit.

FN 1), S. 124 ff. Statistisch nicht erfasst werden im Übrigen Adoptionen durch Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die im Ausland ausgesprochen und in der Schweiz anerkannt werden; solche Adoptionen dürften indessen nicht häufig sein.

Diese Veränderungen sind nicht selten die Folge eines Wechsels in der Adoptionspolitik des betreffenden Staates; vgl. die Hinweise bei I. Ceschi (zit. FN 1), S. 39; J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 56.

Zahlen gemäss Auskunft des Bundesamtes für Statistik.

J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 49 ff.; I. Ceschi (zit. FN 1), S. 39 ff.

J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 70 ff.

5797

richtet8. Dazu gehören Machenschaften krimineller Organisationen wie Erpressung oder Kinderraub ebenso wie der Handel mit Adoptivkindern9. Obwohl sich der Umfang solcher Praktiken naturgemäss nur schwer ermitteln lässt, gehen Schätzungen doch davon aus, dass bis zur Hälfte der Adoptivkinder aus Asien und Südamerika von geschäftstüchtigen Händlern vermittelt werden10.

Die internationale Adoption ist als subsidiäre Massnahme zum Schutz des Kindes durchaus anerkannt (Art. 21 Bst. b des Übereinkommens vom 20. Nov. 1989 über die Rechte des Kindes; UNKR11). Sie kommt aber nur in Betracht, wenn im Heimatstaat des Kindes keine andere Möglichkeit zur Unterbringung besteht (Art. 4 Abs. 1 Bst. b HAÜ). Wenn eine internationale Adoption dem Wohl des Kindes am besten entspricht, muss zudem dafür gesorgt werden, dass Missbräuche möglichst vermieden werden und dem besonderen Schutzbedürfnis des Kindes angemessen Rechnung getragen wird.

Die besondere Problematik der internationalen Adoption hat 1988 zu einer Revision der Verordnung vom 19. Oktober 1977 über die Aufnahme von Pflegekindern (im Folgenden Pflegekinderverordnung genannt; SR 211.222.338) geführt, die am 1. Januar 1989 in Kraft getreten ist. Im Alleingang hat ein Staat indessen nur beschränkte Möglichkeiten zu kontrollieren, wie Adoptiveltern im Ausland zu einem Kind kommen. Die Schweiz hat deshalb die Bestrebungen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht zur Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens über die zwischenstaatliche Adoption begrüsst und daran aktiv mitgearbeitet12. Das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption ist am 29. Mai 1993 anlässlich der 17. Session der Haager Konferenz für internationales Privatrecht vom 10.­29. Mai 1993 von den 66 Delegationen (darunter 30 Delegationen aus Nichtmitgliedstaaten) einstimmig verabschiedet worden. Das Übereinkommen ist inzwischen von 24 Staaten ratifiziert worden13; acht weitere sind ihm beigetreten14. Elf weitere Staaten haben es bisher unterzeichnet15. Es gehört damit bereits heute zu den erfolgreichsten Übereinkommen der Haager Konferenz. Zum Erfolg beigetragen haben dürfte der 8 9

10

11

12 13

14

15

J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 78 ff.

J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 78 ff.; M.-F. Lücker-Babel, Inter-Country Adoption and Trafficking in Children: An Initial Assessment of the Adequacy of the International Protection of Children and their Rights, in: International Review of Penal Law 1991, S. 799­ 818, S. 800; I. Ceschi (zit. FN 1), S. 41, FN 155 mit weiteren Hinweisen.

Vgl. die Hinweise bei R.P. Bach, Neue Regelungen gegen Kinderhandel und Ersatzmuttervermittlung, Zur Neufassung des Adoptionsvermittlungsgesetzes, in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 37 (1990) S. 574­577, S. 575.

Die Schweiz hat das Ratifikationsinstrument am 24. Febr. 1997 hinterlegt, und das UNKR ist am 26. März 1997 in Kraft getreten (AS 1998 2053 ff.). Vgl. für den Genehmigungsbeschluss BBl 1996 V 1014, für die Botschaft BBl 1994 V 1.

Vgl. M. Jametti Greiner/A. Bucher, La Dix-septième session de la Conférence de La Haye de droit international privé, SZIER 1994, S. 55 ff.

Mexiko, Rumänien, Sri Lanka, Zypern, Polen, Spanien, Ecuador, Peru, Costa Rica, Burkina Faso, Philippinen, Kanada, Venezuela, Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen, Niederlande, Frankreich, Kolumbien, Australien, El Salvador, Israel und Brasilien (Stand: 3. Mai 1999).

Andorra, Moldavien, Litauen, Paraguay, Neuseeland, Mauritius, Burundi und Georgien (Stand: 3. Mai 1999). Nach Art. 44 Abs. 3 HAÜ tritt das Übereinkommen nur im Verhältnis zu jenen Vertragsstaaten in Kraft, welche nicht innerhalb von sechs Monaten nach Hinterlegung des Beitrittsinstruments Widerspruch einlegen. Für die drei letzten Staaten läuft diese Frist am 15. Mai bzw. 1. Nov. 1999 aus.

Uruguay, Vereinigtes Königreich, USA, Schweiz, Luxemburg, Italien, Irland, Deutschland, Belarus, Österreich und Belgien (Stand: 3. Mai 1999).

5798

Umstand, dass sich an der Ausarbeitung des Übereinkommens auch zahlreiche Staaten beteiligt haben, die der Haager Konferenz nicht angehören, die aber Herkunftsländer vieler Adoptivkinder sind. In der Spezialkommission, die ab 1990 die Vorarbeiten an die Hand nahm, konnten alle interessierten Staaten und Organisationen Einsitz nehmen16.

12

Internationale Adoptionen in der Schweiz heute

121

Die internationale Adoption aus der Sicht des schweizerischen internationalen Privatrechts

Nach dem Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht (IPRG; SR 291) sind die schweizerischen Behörden zuständig, eine Adoption auszusprechen, wenn die Adoptionswilligen in der Schweiz wohnhaft sind (Art. 75 Abs. 1 IPRG)17. Dabei findet nach Artikel 77 Absatz 1 IPRG grundsätzlich das schweizerische Adoptionsrecht von 1973 (Art. 264 ff. des Zivilgesetzbuches, ZGB; SR 210) Anwendung, welches nur noch die so genannte Volladoption kennt: Mit der Adoption erlöschen die Rechtsbeziehungen zur leiblichen Familie vollständig, und das Kind erhält in der Adoptivfamilie die gleiche Rechtsstellung wie ein leibliches Kind (vgl. insbesondere Art. 267 ZGB). Namentlich erhält es auch das Bürgerrecht der Adoptiveltern (Art. 267a ZGB und Art. 7 des Bürgerrechtsgesetzes vom 29. September 1952, BüG; SR 141.0).

Ausländische Adoptionen werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Wohnsitzoder im Heimatstaat der adoptierenden Person oder eines der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen worden sind (Art. 78 Abs. 1 IPRG)18. Weicht die ausländische Adoption von einem Kindesverhältnis im Sinne des schweizerischen Rechts wesentlich ab, so wird sie in der Schweiz nur mit den Wirkungen anerkannt, die ihr im Staat der Begründung zukommen (Art. 78 Abs. 2 IPRG). Dementsprechend gibt es in der Schweiz über das internationale Privatrecht weiterhin so genannte einfache Adoptionen, welche die Rechtsbeziehungen zur leiblichen Familie des Kindes nicht

16

17

18

Die Haager Konferenz hat sich damit im Bereich des Familienrechts erstmals in dieser Weise geöffnet und für die Verhandlungen sogar das Spanische neben den herkömmlichen Konferenzsprachen Französisch und Englisch zugelassen; vgl. dazu M. Jametti Greiner, Das Haager Adoptionsübereinkommen und seine Umsetzung im schweizerischen Recht, ZVW 1997, S. 173; N. Meyer-Fabre, La Convention de La Haye du 29 mai 1993 sur la protection des enfants et la coopération en matière d'adoption internationale, Revue critique de droit international privé 1994, S. 259­295, S. 261.

Vgl. zum internationalen Adoptionsrecht der Schweiz A. Bucher, L'adoption internationale en Suisse, in: Rapports suisses présentés au XIIIème Congrès international de droit comparé, Montréal 19­24 août 1990, Zürich 1990, S. 111 ff. Im Verhältnis zwischen der Schweiz, Österreich und dem Vereinigten Königreich findet das Haager Übereinkommen vom 15. Nov. 1965 über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt (SR 0.211.221.315) Anwendung. Die Regelung des IPRG entspricht in ihren Grundzügen diesem Übereinkommen.

Nach BGE 120 II 87 genügt es, wenn einer der adoptierenden Ehegatten neben seinem Schweizer Bürgerrecht auch die Staatsangehörigkeit des Staates besitzt, in welchem die Adoption ausgesprochen wurde. Vgl. dazu A. Bucher (zit. FN 17), S. 122 ff.

5799

aufheben, das Kind nur teilweise in die Adoptivfamilie integrieren und ihm insbesondere auch nicht das Bürgerrecht der Adoptiveltern verleihen19.

Ist eine ausländische Adoption in die schweizerischen Zivilstandsregister einzutragen, weil eine der beteiligten Personen das Schweizer Bürgerrecht besitzt, so prüft die kantonale Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen vorgängig, ob die Adoption in der Schweiz anerkannt werden kann (Art. 32 Abs. 1 IPRG, Art. 73c der Zivilstandsverordnung vom 1. Juni 1953, ZStV; SR 211.112.1). Sind von der ausländischen Adoption ausschliesslich ausländische Staatsangehörige betroffen, so erfolgt die Anerkennung der ausländischen Adoption vorfrageweise durch die fremdenpolizeilichen Behörden (vgl. Art. 29 Abs. 3 IPRG).

122

Das Verfahren bei internationalen Adoptionen heute

122.1

Überblick

Nach Artikel 264 ZGB darf ein Kind erst adoptiert werden, wenn ihm die künftigen Adoptiveltern während wenigstens zweier Jahre Pflege und Erziehung erwiesen haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder der Adoptiveltern in unbilliger Weise zurückzusetzen. Als Folge dieser zentralen Bestimmung des Adoptionsrechts müssen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die ein Kind aus einem anderen Land adoptieren wollen, ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen. Am Anfang steht der pflegekinderrechtliche Abschnitt. In einem ersten Schritt wird geprüft, ob die Pflegeeltern die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Kindes zum Zweck späterer Adoption erfüllen (Ziff. 122.2). Daran schliesst sich ein Verfahren im Heimatstaat des Kindes an, bei dem es sich je nach anwendbarem Recht ebenfalls um ein Pflegekind- oder aber um ein Adoptionsverfahren handelt (Ziff. 122.3). Erst wenn das Kind mindestens zwei Jahre in der Pflegefamilie gelebt hat, kann schliesslich die Adoption in der Schweiz durchgeführt werden (Ziff. 122.4).

122.2

Voraussetzungen zur Aufnahme eines ausländischen Kindes zum Zweck späterer Adoption nach der Pflegekinderverordnung

Nach den Artikeln 4 ff. der Pflegekinderverordnung ist die Aufnahme eines ausländischen Kindes zum Zweck späterer Adoption bewilligungspflichtig, soweit das Kind das 18. Altersjahr noch nicht vollendet hat. Die Bewilligung wird erteilt, wenn:

19

­

die künftigen Pflegeeltern nach Persönlichkeit, Gesundheit, erzieherischer Eignung und Familienverhältnissen Gewähr für eine gute Pflege, Erziehung und Ausbildung des Kindes bieten (Art. 5 Abs. 1 Pflegekinderverordnung);

­

der späteren Adoption keine gesetzlichen Hindernisse entgegenstehen und die gesamten Umstände, namentlich die Beweggründe der Pflegeeltern, er-

Vgl. dazu A.E. von Overbeck, Anerkennung einer einfachen Adoption philippinischer Kinder durch einen schweizerischen Stiefvater, IPRax 1993, S. 349­351; K. Siehr/L.

Tejura, Anerkennung ausländischer Adoptionen in der Schweiz, SJZ 1993, S. 277­281.

5800

warten lassen, dass die Adoption dem Wohl des Kindes dient (Art. 5 Abs. 2 Pflegekinderverordnung); ­

die Pflegeeltern bereit sind, das Kind in seiner Eigenart anzunehmen und es entsprechend seinem Alter mit seinem Herkunftsland vertraut zu machen (Art. 6 Abs. 1 Pflegekinderverordnung);

­

ein Bericht über die Gesundheit und ­ soweit bekannt ­ die bisherige Lebensgeschichte des Kindes vorliegt (Art. 6 Abs. 2 Bst. a und b Pflegekinderverordnung);

­

die leiblichen Eltern des Kindes ihre Zustimmung zur Adoption erteilt haben oder die Erklärung einer Behörde des Herkunftsstaates vorliegt, weshalb die Zustimmung der Eltern nicht beigebracht werden kann (Art. 6 Abs. 2 Bst. c Pflegekinderverordnung); und

­

die Erklärung einer nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes zuständigen Behörde vorliegt, dass es Pflegeeltern in der Schweiz anvertraut werden darf (Art. 6 Abs. 2 Bst. d Pflegekinderverordnung).

Im Übrigen müssen sich die Pflegeeltern schriftlich verpflichten, für den Unterhalt des Kindes in der Schweiz wie für den eines eigenen aufzukommen, auch wenn es nicht zur Adoption kommt (Art. 6 Abs. 4 Pflegekinderverordnung).

Viele Herkunftsländer machen die Zuteilung eines Kindes vom Nachweis abhängig, dass die künftigen Pflegeeltern nach ihrem Wohnsitzrecht ein Kind aufnehmen dürfen. Die Pflegekinderverordnung sieht deshalb die Möglichkeit einer vorläufigen Bewilligung vor (Art. 8a Pflegekinderverordnung). Diese kann erteilt werden, wenn die Pflegeeltern die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Kindes grundsätzlich erfüllen. Die Pflegeeltern müssen dabei in ihrem Gesuch die objektiven Eigenschaften des von ihnen gewünschten Kindes angeben, namentlich sein Herkunftsland (Art. 8a Abs. 2 Pflegekinderverordnung). Zudem ist die Stelle zu bezeichnen, welche bei der Suche nach dem Kind in Anspruch genommen wird. In der Schweiz besteht keine Verpflichtung, eine Adoptivkindervermittlungsstelle beizuziehen. Dem Heimatstaat des Kindes steht es indessen frei, eine solche Verpflichtung aufzustellen. So sind beispielsweise in Thailand, Indien oder Rumänien so genannte unabhängige Adoptionen nicht zulässig20.

Liegt lediglich eine vorläufige Bewilligung vor, so darf die Fremdenpolizei oder die schweizerische Vertretung im Herkunftsland des Kindes das Visum oder die Zusicherung einer Aufenthaltsbewilligung für ein bestimmtes Kind nur erteilen, wenn die erforderlichen Zustimmungen der leiblichen Eltern und der Kindesschutzbehörde vorliegen, allfällige Bedingungen und Auflagen eingehalten sind und die Pflegeeltern der Aufnahme des betreffenden Kindes zustimmen (Art. 8b Abs. 3 Pflegekinderverordnung). Nach der Einreise des Kindes wird die definitive Pflegekinderbewilligung erteilt.

122.3

Verfahren im Heimatstaat des Kindes

Verschiedene Staaten lassen ihre Kinder nur ausreisen, wenn vorher eine Adoption durchgeführt worden ist. Zu dieser Gruppe gehören viele lateinamerikanische Staa20

J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 66 ff.; E.D. Jaffe (Hrsg.), Intercountry Adoptions, Laws and Perspectives of «Sending» Countries, Dordrecht/Boston/London 1995, S. 43.

5801

ten21, beispielsweise Kolumbien22 und Brasilien23. Solche Adoptionen durch Personen mit Wohnsitz in der Schweiz werden in unserem Land in der Regel nicht anerkannt. Das Kind gilt deshalb in der Schweiz weiterhin als Pflegekind, und erst nach Ablauf der zweijährigen Pflegezeit gemäss Artikel 264 ZGB kann die Adoption in der Schweiz ausgesprochen werden (dazu Ziff. 122.4).

In anderen, insbesondere in asiatischen Staaten geht der Ausreise des Kindes ein Verfahren voraus, in welchem die Eignung der Pflegeeltern zur Aufnahme des Kindes abgeklärt wird, ohne dass eine Adoption ausgesprochen wird. Nach philippinischem Recht24 beispielsweise können Ausländer philippinische Kinder nur adoptieren, wenn sie eine besondere Beziehung zum Land haben. Bevor das Kind zum Zweck der Adoption ausreisen kann, muss es vom Sozialministerium freigegeben werden. Auch nach thailändischem25 oder chilenischem Recht26 muss die Ausreise eines Kindes vom Jugendgericht genehmigt sein; eine Genehmigung ist nur möglich, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt sind, insbesondere ein Sozialbericht vorliegt.

122.4

Die Adoption in der Schweiz

Nach Ablauf der zweijährigen Pflegezeit gemäss Artikel 264 ZGB können die Adoptiveltern das Adoptionsgesuch bei der zuständigen kantonalen Behörde einreichen. Das Adoptionsverfahren wird grundsätzlich vom kantonalen Recht bestimmt.

Gemäss Artikel 268a Absatz 1 ZGB darf die Adoption erst nach umfassender Untersuchung aller wesentlichen Umstände ausgesprochen werden. Gestützt auf das zweijährige Pflegeverhältnis wird abschliessend beurteilt, ob die Adoption im Interesse des Kindes liegt. Eine Verweigerung der Adoption kann allerdings höchstens in krassen Fällen in Frage kommen. Während des zweijährigen Pflegeverhältnisses haben sich in der Regel so starke Bindungen des Kindes an seine Pflegefamilie ergeben, dass eine Umplatzierung nur noch in seltenen Fällen in seinem Interesse liegt. Entscheidend für das Gelingen der Adoption ist deshalb die Auswahl der künftigen Adoptiveltern vor der Platzierung des Kindes.

Die Adoption setzt voraus (vgl. Art. 264 ff. ZGB), dass die Adoptiveltern mindestens fünf Jahre miteinander verheiratet sind oder beide Teile das 35. Altersjahr zu21

22

23

24

25

26

Vgl. zu den Adoptionsverfahren in Lateinamerika G. Heinrich, Adoption in Lateinamerika, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 1986, S. 100­135. J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 135­135A nennt weiter Sri Lanka und Vietnam, Polen, Rumänien und Jugoslawien.

Dekret Nr. 2737 vom 27. Nov. 1989, in Kraft seit 10. März 1990, abgedruckt bei A.

Bergmann/M. Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stichwort Kolumbien (Stand 30.4.1994), S. 49 ff.

Gesetz Nr. 8069 vom 13. Juli 1990 über die Rechtsstellung von Kindern und Heranwachsenden (Estatuto da Criança e do Adolescente No 8069), abgedruckt bei A. Bergmann/M.

Ferid (zit. FN 22), Stichwort Brasilien (Stand 30.11.1991), S. 64 ff.

Family Code of the Philippines, Executive Order Nr. 209 vom 6. Juli 1987, in Kraft seit 4. Aug. 1988, abgedruckt bei A. Bergmann/M. Ferid (zit. FN 22), Stichwort Philippinen (Stand 31.3.1993), S. 23 ff.; zum Adoptionsrecht der Philippinen vgl. ausserdem A.

Marx, Perspektiven der internationalen Adoption, Frankfurt a. M. 1993, S. 178 ff.

Adoptionsgesetz vom 22. Juni 1979 mit dazugehöriger Adoptionsverordnung vom 14. Jan. 1980, abgedruckt bei A. Bergmann/M. Ferid (zit. FN 22), Stichwort Thailand (Stand 30.6.1983), S. 22.

Gesetz Nr. 18.703 über die Adoption, abgedruckt bei A. Bergmann/M. Ferid (zit. FN 22), Stichwort Chile (Stand 31.3.1989), S. 41 ff.

5802

rückgelegt haben. Bei der Stiefkindadoption genügt heute noch eine zweijährige Ehedauer27. Eine Einzelperson kann adoptieren, wenn sie 35 Jahre alt ist. Als Mindestaltersunterschied zwischen Adoptiveltern und Kind sind 16 Jahre vorgeschrieben. Ferner muss die Zustimmung der leiblichen Eltern vorliegen. Von dieser kann indessen abgesehen werden, wenn sich die leiblichen Eltern nicht ernsthaft um das Kind gekümmert haben oder wenn sie unbekannt, unbekannt abwesend oder dauernd urteilsunfähig sind.

123

Die Rechtsstellung des ausländischen Kindes vor der Adoption

123.1

Die familienrechtliche Stellung

Selbst wenn das Kind in seinem Heimatstaat adoptiert worden ist, gilt es in der Schweiz als Pflegekind, falls die ausländische Adoption nicht ausnahmsweise anerkannt werden kann (vgl. Ziff. 121). Die künftigen Adoptiveltern sind noch nicht Inhaber der elterlichen Sorge. Vielmehr stehen sie unter der Aufsicht der Pflegekinderbehörde. Gesetzlicher Vertreter des Kindes ist regelmässig ein Vormund, der die Entwicklung des Pflegeverhältnisses mitverfolgt und der späteren Adoption zustimmen muss. Treten Schwierigkeiten auf, die nicht innert nützlicher Frist behoben werden können, so kann der gesetzliche Vertreter das Kind nötigenfalls auch umplatzieren.

Auf Grund der Verpflichtung, welche die Pflegeeltern vor der Erteilung der Pflegekinderbewilligung abgeben mussten (Art. 6 Abs. 4 Pflegekinderverordnung), haben sie für den Unterhalt des Kindes aufzukommen. Diese Unterhaltspflicht bleibt selbst dann bestehen, wenn das Kind umplatziert werden muss. Sie erlischt erst, wenn das Kind von Dritten adoptiert wird oder in seinen Heimatstaat zurückkehrt.

123.2

Die ausländer- und bürgerrechtliche Stellung

Bis zur Adoption, welche ihm das Bürgerrecht seiner schweizerischen Adoptiveltern vermittelt, bleibt das Kind Ausländerin oder Ausländer und benötigt dementsprechend eine Aufenthaltsbewilligung. Eine solche kann dem ausländischen Pflegekind auf Grund von Artikel 35 der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO; SR 823.21) gewährt werden, wenn die zivilrechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme des Kindes oder die Adoption erfüllt sind. Kommt es nicht zur Adoption und scheitert eine solche auch nach einer allfälligen Umplatzierung, so entfällt die Möglichkeit einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Artikel 35 BVO. In der Praxis wird solchen Kindern allerdings regelmässig eine ­ jährlich zu erneuernde ­ Aufenthaltsbewilligung wegen Vorliegens wichtiger Gründe (Art. 36 BVO) gewährt. Zu zwangsweisen Rückschaffungen, die nach dem Buchstaben des Gesetzes möglich wären, ist es bis heute offenbar nicht gekommen.

27

Diese Frist wurde im Rahmen der am 1. Jan. 2000 in Kraft tretenden Revision des ZGB vom 26. Juni 1998 auf 5 Jahre heraufgesetzt (vgl. Art. 264a Abs. 3 ZGB); vgl. AS 1999 1118, 1137.

5803

Kinder, die von ausländischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz adoptiert werden sollen, benötigen bis zur Adoption ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung, die gestützt auf Artikel 35 BVO erteilt wird. Nach der Adoption werden sie in die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung ihrer Adoptiveltern miteinbezogen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Im rechtlichen Sinn staatenlos sind nur wenige in der Schweiz lebende Kinder. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass ein Staat nur dann einer Bürgerin oder einem Bürger das Bürgerrecht absprechen darf, wenn sichergestellt ist, dass die betreffende Person nicht staatenlos wird. Fälle rechtlicher Staatenlosigkeit betreffen hauptsächlich Angehörige von Staaten, nach deren Gesetzgebung die Eltern dem Kind ihre Staatsangehörigkeit bei Geburt im Ausland nicht übertragen. Solche Regelungen kennen gewisse südamerikanische Staaten wie Chile, Ecuador, Kolumbien und Paraguay. Nur ein Teil dieser Kinder sind im Rahmen einer internationalen Adoption in die Schweiz gelangt. Daneben gibt es jedoch auch Fälle faktischer Staatenlosigkeit. Von faktischer Staatenlosigkeit kann gesprochen werden, wenn das Kind seine Staatsangehörigkeit zwar behalten hat, es von diesem Staat aber nicht mehr als Angehöriger behandelt wird. Grund dafür kann sein, dass der Person mangels Dokumenten der Nachweis der Staatsangehörigkeit nicht möglich ist. Dem ausländischen Kind wird dann beispielsweise kein Pass mehr ausgestellt, oder es hat kein Recht auf Rückkehr in sein Heimatland. Im Ergebnis entsprechen die Wirkungen einer faktischen weitgehend denjenigen einer rechtlichen Staatenlosigkeit.

Erwirbt das Kind das Schweizer Bürgerrecht nicht im Rahmen einer Volladoption durch schweizerische Adoptiveltern, so kann es grundsätzlich nach Ablauf von zwölf Jahren um Aufnahme in das schweizerische Bürgerrecht nachsuchen (Art. 15 Abs. 1 BüG). Da die Jahre zwischen dem 10. und dem 20. Lebensjahr doppelt gerechnet werden, ist ein Gesuch theoretisch bereits nach sechs Jahren Aufenthalt in der Schweiz möglich (Art. 15 Abs. 2 BüG). Eine Einbürgerung kommt auch in Betracht, wenn die Adoption nicht zu Stande kommt. Es handelt sich in diesen Fällen allerdings nicht selten um schwierige Kinder; die Einbürgerung stösst daher erfahrungsgemäss oft auf Widerstand.

123.3

Die sozialversicherungsrechtliche Stellung

Nach Artikel 9 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) haben ausländische Unmündige Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, wenn bei Eintritt der Invalidität der Vater oder die Mutter versichert sind und als Ausländer während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz gelebt haben.

Ausserdem muss das betroffene Kind entweder invalid geboren sein oder sich bei Eintritt der Invalidität seit mindestens einem Jahr oder seit der Geburt ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben. Dies hat zur Folge, dass Kinder, die zur Adoption in die Schweiz gebracht werden, in jedem Fall bis zur Durchführung der Adoption ­ also während mindestens zwei Jahren ­ keinen Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen gemäss IVG besitzen. Handelt es sich bei den Adoptiveltern um ausländische Staatsangehörige, so besteht auch nach erfolgter Adoption ein Leistungsanspruch nur, wenn die dargestellten Anforderungen (mindestens ein Beitragsjahr bzw. zehn Jahre Aufenthalt in der Schweiz) erfüllt sind.

5804

Ein Teil dieser Versicherungslücken wird durch das seit 1. Januar 1996 geltende Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) aufgefangen. Nach der für alle in der Schweiz wohnhaften Personen (d. h. unabhängig von der Staatsangehörigkeit) obligatorischen Versicherung werden die medizinischen Leistungen abgedeckt, die einen Teil der Eingliederungsmassnahmen nach IVG ausmachen. Ausserdem übernimmt die Krankenversicherung bei Geburtsgebrechen, die nicht durch die Invalidenversicherung gedeckt sind, die gleichen Leistungen wie bei Krankheit. Vom KVG nicht erfasst werden jedoch die Kosten für Sonderschulungsmassnahmen oder für die Betreuung hilfloser Minderjähriger; ein entsprechender Anspruch besteht nur nach Massgabe des IVG.

Soweit gegenüber den Sozialversicherungen keine Leistungsansprüche bestehen, haben in erster Linie die Adoptionswilligen und subsidiär die zuständige Fürsorgebehörde für die anfallenden Kosten aufzukommen.

13

Die Mängel des geltenden Rechts

Wie einleitend dargelegt, gibt es seit langem immer wieder Berichte über Missbräuche im internationalen Adoptionswesen. Diesen menschenverachtenden Praktiken ist in einer ganzen Reihe von Übereinkommen und Entschliessungen der Kampf angesagt worden28. So verlangt insbesondere Artikel 21 Buchstabe d UNKR, dass die Vertragsstaaten «alle geeigneten Massnahmen (treffen), um sicherzustellen, dass bei internationaler Adoption für die Beteiligten keine unstatthaften Vermögensvorteile entstehen». Artikel 35 dieser Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten ferner, alle geeigneten Massnahmen zu treffen, «um die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Handel mit Kindern zu irgendeinem Zweck und in irgendeiner Form zu verhindern».

Die schweizerischen Behörden haben bis heute nur beschränkte Möglichkeiten zu kontrollieren, ob die Aufnahme eines ausländischen Kindes in seinem Heimatstaat unter korrekten Bedingungen zu Stande gekommen ist. Zwar haben die Gesuchsteller zu diesem Zweck die in Artikel 6 Absatz 2 der Pflegekinderverordnung erwähnten Dokumente vorzulegen. Sicherheit darüber, dass diese Dokumente echt sind oder dass sie nicht durch Bestechung, Täuschung oder Drohung oder unter unzulässiger Mitwirkung staatlicher Organe beschafft worden sind, gibt es aber nicht. Die anerkannten Adoptivkinder-Vermittlerinnen und -Vermittler vermitteln nur einen geringen Teil der Kinder. Schätzungen sprechen von 10 bis 20 Prozent29. Weitaus die meisten Kontakte werden von nichtanerkannten Mittelsleuten (z. B. Personen, die selber ein Kind adoptiert haben) oder von Personen und Stellen im Ausland direkt vermittelt. In diesen Fällen werden die Eignung der Pflegeeltern und deren Vorbereitung zwar als Voraussetzungen für die Erteilung einer provisorischen Pflegekinderbewilligung geprüft. Dagegen wird häufig nicht oder erst nach der Einreise des Kindes beurteilt, ob Kind und Pflegeeltern nach ihrer individuellen Eigenart wirklich zusammenpassen.

28

29

Überblick über die internationalen Anstrengungen zur Regelung der grenzüberschreitenden Minderjährigenadoption bei J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 10 ff.; E.-M. Hohnerlein (zit. FN 2), S. 259 ff.

Vgl. I. Ceschi (zit. FN 1), S. 181.

5805

Kommt es in der Folge zu Schwierigkeiten und geben die Pflegeeltern ihre Adoptionsabsicht auf, so kann das Kind kaum mehr in sein Herkunftsland zurückkehren.

Seine rechtliche Stellung in der Schweiz bei Scheitern der Adoption ist aber unsicher. Zwar besteht die Möglichkeit einer Umplatzierung des Kindes im Hinblick auf eine Adoption durch andere Eltern. Indessen gibt es auch Fälle, in welchen das Kind in einem Heim untergebracht werden muss.

In wie vielen Fällen Adoptionen ausländischer Kinder nicht zu Stande kommen, ist nicht bekannt. Eine entsprechende Statistik fehlt. Bekannt sind einerseits die pro Jahr erteilten Einreisebewilligungen für Pflegekinder, andererseits die pro Jahr ausgesprochenen Adoptionen. Die Zahl der Einreisebewilligungen liegt beachtlich über der Zahl der Adoptionen, doch sind hierfür verschiedene Erklärungen möglich. In der Literatur wird geschätzt, dass zwischen 1 und 3 Prozent aller Adoptionen scheitern30. Eine Untersuchung, die auf einer Analyse von Adoptions- und Pflegekinderakten beruhte, hat über mehrere Jahre hinweg 57 gescheiterte Adoptionen ermittelt.

Dabei waren 25 Kinder adoptiert, während bei 32 die Adoptionsabsicht aufgegeben worden war31. Gesamthaft darf man davon ausgehen, dass lediglich wenige der Kinder, welche zum Zweck der Adoption in die Schweiz gekommen sind, rechtlich nicht in eine Familie integriert wurden. Da nach einer Ratifikation des Übereinkommens ausländische Adoptionen, welche in einem Vertragsstaat ausgesprochen werden, in der Schweiz von Gesetzes wegen anerkannt werden müssen, wird sich diese Zahl noch einmal deutlich verringern.

14

Das Übereinkommen im Überblick

Das Übereinkommen will insbesondere sicherstellen, dass internationale Adoptionen dem Wohl des Kindes dienen und dessen Grundrechte gewahrt werden (Art. 1 Bst. a HAÜ). Es geht dabei von der Subsidiarität internationaler Adoptionen aus (vgl. Abs. 2 und 3 der Präambel). Das Übereinkommen betont die Notwendigkeit von Massnahmen, damit die Entführung und der Verkauf von Kindern sowie der Handel mit ihnen verhindert werden können (Art. 1 Bst. b, Präambel Abs. 4). Es baut dabei auf den Grundsätzen auf, die in Artikel 21 der UNKR und in der Erklärung der Vereinten Nationen über die sozialen und rechtlichen Grundsätze für den Schutz und das Wohl von Kindern32 enthalten sind (vgl. Abs. 4 Präambel).

Der Verwirklichung dieser Ziele dient insbesondere ein institutionalisiertes System der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten. Das Übereinkommen ist daher in erster Linie ein Rechtshilfeübereinkommen. Anders als das Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt (SR 0.211.221.315) bezweckt es keine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts.

Umgesetzt wird diese Zusammenarbeit mittels Zentraler Behörden, die in den Vertragsstaaten einzurichten sind. Zentrale Behörden sehen auch andere Staatsverträge 30 31 32

Vgl. M.-F. Lücker-Babel, Les cas d'échec de l'adoption internationale en Suisse, Un point de vue juridique, ZVW 1994, S. 86 ff.

Vgl. M.-F. Lücker-Babel, Auslandsadoption und Kinderrechte: Was geschieht mit den Verstossenen?, Freiburg 1991, S. 24 mit weiteren Hinweisen.

Resolution 41/85 der Generalversammlung vom 3. Dez. 1986; vgl. dazu J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 166 ff.

5806

vor, so etwa das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (SR 0.211.230.02). Weil der Ansprechpartner klar bezeichnet und in der Regel namentlich bekannt ist, ermöglicht ein solches System einen effizienten, raschen und oft unbürokratischen Verkehr mit den ausländischen Partnerbehörden.

Die Heimat- und Aufnahmestaaten teilen sich in die Aufgaben, die im Zusammenhang mit einer grenzüberschreitenden Adoption anfallen33. Die Behörden im Heimatstaat des Kindes klären dessen Eignung für eine Adoption ab und sind für die Zustimmung der leiblichen Eltern verantwortlich. Die Behörden im Aufnahmestaat untersuchen die Eignung der künftigen Adoptiveltern und stellen sicher, dass das Kind in den Aufnahmestaat einreisen und sich dort aufhalten kann. Bei der innerstaatlichen Verteilung dieser Aufgaben lässt das Übereinkommen den Vertragsstaaten viel Freiheit.

Die beiden Teilberichte über die Adoptionseignung von Kind und Eltern werden im so genannten Matching-Entscheid zusammengeführt, einem zentralen Institut des Übereinkommens. Die Behörden beider Staaten haben es dabei in der Hand, eine Fortsetzung des Verfahrens zu verhindern, wenn sie zum Schluss kommen, eine Adoption diene nicht dem Kindeswohl, die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt oder andere Gründe sprächen gegen die Adoption.

Zu den Zielen des Übereinkommens gehört ferner die Gewährleistung der Anerkennung staatsvertragskonformer Adoptionen (Art. 1 Bst. c HAÜ). Dieses Ziel wird in Kapitel V umgesetzt. Die Artikel 23­25 HAÜ behandeln die Voraussetzungen der Anerkennung. Demnach sind alle Vertragsstaaten zu einer Anerkennung von Gesetzes wegen verpflichtet, die nur bei Ordre-public-Widrigkeit verweigert werden kann.

Artikel 26 HAÜ regelt einen Teil der Anerkennungswirkungen. Artikel 27 HAÜ betrifft die Möglichkeit der Umwandlung einfacher Adoptionen in Volladoptionen.

Das Übereinkommen äussert sich nicht dazu, welcher Staat zuständig ist, eine Adoption auszusprechen. Faktisch hat der Heimatstaat des Kindes Vorrang, wenn er diese Zuständigkeit in Anspruch nimmt34. Das ist vor allem bei lateinamerikanischen und einigen asiatischen Staaten der Fall35. Das Übereinkommen schweigt sich ebenfalls zur Frage des anwendbaren Rechts aus. Massgebend ist aus schweizerischer Sicht
Artikel 77 Absatz 1 IPRG, welcher bei Zuständigkeit schweizerischer Behörden schweizerisches Recht beruft36. Verlangt der Herkunftsstaat im Rahmen des Matching-Entscheides, dass bei der Adoption bestimmte Voraussetzungen seines Rechts beachtet werden, so sind diese zusätzlich zu den Voraussetzungen nach schweizerischem Recht zu prüfen37.

33

34

35 36 37

G. Parra-Aranguren, Rapport explicatif, in: Actes et documents de la Dix-septième session, hrsg. von der Conférence de La Haye de droit international privé, Bd. II, Den Haag 1994, S. 538­651, Rz. 104.

C. Hegnauer, Die Schweiz und das Haager Übereinkommen über die internationale Adoption, in: Rechtskollisionen, Festschrift für Anton Heini zum 65. Geburtstag, hrsg.

von Isaak Meier und Kurt Siehr, Zürich 1995, S. 179­197, 182.

J.H.A. van Loon (zit. FN 2), N. 135.

C. Hegnauer (zit. FN 34), S. 182.

C. Hegnauer (zit. FN 34), S. 182.

5807

15

Leitlinien für die Umsetzung des Übereinkommens in der Schweiz

151

Notwendigkeit einer Einführungsgesetzgebung

In der Schweiz bedürfen Staatsverträge grundsätzlich keiner Umsetzung ins innerstaatliche Recht. Mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit erlangen sie automatisch auch innerstaatliche Gültigkeit. Massgebend ist grundsätzlich der Text des Staatsvertrages selbst, wobei Hinweise zur praktischen Anwendung den von der Schweiz abgegebenen Vorbehalten und Erklärungen sowie der bundesrätlichen Botschaft entnommen werden können. Nach schweizerischer Praxis sind Ausführungsbestimmungen zu völkerrechtlichen Verträgen nur dann zu erlassen, wenn der Vertrag selbst nicht ausreichend präzise und detailliert ist, um direkt von den zuständigen Behörden angewandt zu werden. Es entsprach daher bisher nicht den Gepflogenheiten des schweizerischen Gesetzgebers, gleichzeitig mit der Ratifikation eines Staatsvertrages innerstaatliche Ausführungsnormen zu erlassen38.

Im vorliegenden Fall sprechen mehrere Gründe für eine Regelung auf Gesetzesstufe.

Insbesondere erscheint es sinnvoll, das Verfahren nach dem Übereinkommen in die bestehenden und grundsätzlich bewährten Pflegekinder- und Adoptionsverfahren einzupassen. Dies ist ohne Schaffung eines Normenkomplexes, der die anfallenden Aufgaben klar zuweist und das Haager Verfahren mit den schweizerischen Instituten und Abläufen koordiniert, nicht befriedigend möglich39. Auch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit sprechen für eine klare Regelung. Ein Verzicht auf eine Einführungsgesetzgebung wäre daher höchstens in Frage gekommen, wenn sämtliche Aufgaben bei einer Bundeszentralbehörde konzentriert worden wären, was aus staatspolitischen und praktischen Gründen ausgeschlossen ist. In der Vernehmlassung sind diese Gründe weitherum anerkannt worden; die Absicht, das Übereinkommen mittels eines Bundesgesetzes einzuführen, stiess insbesondere bei den Kantonen auf ein positives Echo40. Es ist jedoch mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass der Entwurf zum Bundesgesetz nicht Regelungen des Übereinkommens ins interne Recht transformiert. Der Gesetzesentwurf beantwortet nur Fragen, die das Übereinkommen nicht regelt, und konkretisiert, soweit notwendig, dessen Vorschriften.

Grundsätzlich haben deshalb die Rechtsanwendenden immer Übereinkommen, Bundesgesetz und Pflegekinderverordnung zusammen zu konsultieren.

38

39

40

Vgl. M. Jametti Greiner (zit. FN 16), S. 176 f. Eine der wenigen Ausnahmen findet sich im Staatsvertrag vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.933.6), welcher mit Bundesgesetz vom 3. Okt. 1975 (SR 351.93) umgesetzt worden ist.

Das gilt insbesondere für den Matching-Entscheid nach Art. 17 HAÜ, der mit bestehenden Instituten des schweizerischen Rechts nur beschränkt vergleichbar ist und deshalb einer ausreichenden gesetzlichen Regelung bedarf; vgl. dazu Ziff. 223.3 und M. Jametti Greiner (zit. FN 16), S. 177 f.

Bundesamt für Justiz, Auswertung der Vernehmlassung, Bern 1997 [zitiert Vernehmlassung], S. 5 f.

5808

152

Gleichbehandlung von internen und internationalen Adoptionen

Bei der Umsetzung des Übereinkommens ist darauf zu achten, dass eine unnötige Ungleichbehandlung von internen und internationalen Adoptionen einerseits, staatsvertraglichen und nicht-staatsvertraglichen internationalen Adoptionen andererseits nach Möglichkeit vermieden wird41. Dieses Anliegen fand im Vernehmlassungsverfahren breite Unterstützung42. Insbesondere darf das Verfahren nach dem Übereinkommen nicht zu kompliziert ausgestaltet werden, weil es sonst im Vergleich zu ausserstaatsvertraglichen Adoptionen unattraktiv würde. Dem Zweck der Harmonisierung dient ausserdem die Verknüpfung des staatsvertraglichen Verfahrens mit den Abläufen, die für rein interne sowie für ausserstaatsvertragliche internationale Adoptionen gelten (Ziff. 223.1). Aus dem gleichen Grund wird vorgeschlagen, die Pflegezeit für Adoptionen, die in der Schweiz ausgesprochen werden, herabzusetzen (vgl. Ziff. 231.1) und Massnahmen zum besseren Schutz der Kinder vorzusehen, die in ihrem Heimatstaat adoptiert wurden (Ziff. 224).

153

Grundzüge des Bundesgesetzes

Das Bundesgesetz regelt nach seinem Zweckartikel «das Verfahren zur Aufnahme eines Kindes nach dem Haager Adoptionsübereinkommen» (Art. 1 Abs. 1 E BGHAÜ). Dies betrifft zunächst die Zuständigkeiten der Behörden, ihre Zusammenarbeit und das von ihnen zu beachtende Verfahren. Das Bundesgesetz will im Wesentlichen bloss Scharnier und Schnittstelle sein: es ordnet die Einzelheiten des Verfahrens nicht selbst, sondern arbeitet mit Verweisen, insbesondere auf die Pflegekinderverordnung. Entsprechend wurden Konventionsbestimmungen nur so weit in den Entwurf aufgenommen, als sie einer gesetzlichen Verankerung im Recht eines Vertragsstaates bedürfen oder als dies zur Festlegung der Zuständigkeit notwendig ist.

Sodann sieht der Entwurf im 3. und 4. Kapitel Massnahmen zum Schutz von Kindern aus dem Ausland vor, die von Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz zur Adoption aufgenommen werden (Art. 1 Abs. 2 E BG-HAÜ). Er versucht damit, den besonderen Gefahren Rechnung zu tragen, welchen ein Kind im Zusammenhang mit einer grenzüberschreitenden Adoption ausgesetzt ist. Das Übereinkommen verpflichtet im Übrigen die Vertragsstaaten auf griffige Massnahmen gegen Kinderhandel und andere menschenverachtende Praktiken. Die vorgeschlagenen Kindesschutzmassnahmen sollen unabhängig davon Anwendung finden, ob das Kind aus einem Vertragsstaat des Haager Übereinkommens stammt oder nicht. Damit wird einem Ausweichen von adoptionswilligen Personen auf Nichtvertragsstaaten entgegengewirkt.

41 42

Überblick über die verschiedenen Adoptionskategorien nach einem Beitritt der Schweiz zum Adoptionsübereinkommen bei M. Jametti Greiner (zit. FN 16), S. 175.

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 8.

5809

153.1

Behördenorganisation im Überblick

Im Hinblick auf die Behördenorganisation wird die Schaffung von Zentralen Behörden sowohl auf Bundesebene wie auch bei den Kantonen vorgeschlagen43. Der Bundesrat beabsichtigt, das Bundesamt für Justiz als Zentrale Behörde des Bundes zu bezeichnen. Bei den Kantonen wird die Funktion der Zentralen Behörde mit der Pflegekinderaufsicht koordiniert. Das macht eine Zentralisierung dieser Aufgabe bei einer einzigen kantonalen Behörde notwendig (vgl. Art. 316 Abs. 1bis E ZGB, hinten Ziff. 231.2).

Solche dezentralen Strukturen, welche vom Übereinkommen ausdrücklich zugelassen werden, entsprechen den föderalistischen schweizerischen Verhältnissen am besten. Die Zentralisierung aller nach dem Übereinkommen anfallenden Aufgaben beim Bund hätte tiefe Einschnitte in bestehende und grundsätzlich bewährte Strukturen gebracht. Die Durchführung von internationalen Adoptionen ist für die kantonalen Behörden zudem nichts Neues; im nichtstaatsvertraglichen Bereich wäre sie in jedem Fall Sache der Kantone geblieben. Der Aufbau einer Bundesbehörde für internationale Adoptionen hätte daher unnötige Doppelspurigkeiten mit sich gebracht.

Auch das Argument der grösseren Sachnähe spricht dafür, die Behandlung der einzelnen Dossiers bei den Kantonen zu belassen. Umgekehrt spricht für einen Einbezug des Bundes seine Kompetenz im Verkehr mit dem Ausland und die Möglichkeit, auf Grund einer grossen Zahl von Geschäftsfällen Kenntnisse über ausländisches Recht und Verfahren zu erwerben und zu vertiefen. Auch in der Vernehmlassung ist diese duale Organisation auf breite Zustimmung gestossen44.

Dem Entwurf liegt somit eine klare Aufteilung der Aufgaben und damit auch der Verantwortlichkeiten zwischen den Behörden des Bundes und der Kantone zu Grunde. Diese Aufgabenteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Alles, was konkrete Fälle betrifft, ist grundsätzlich Sache der kantonalen Behörden. Sie nehmen das Gesuch um Einleitung des Haager Verfahrens entgegen, treffen in Zusammenarbeit mit der ausländischen Zentralen Behörde die notwendigen Abklärungen, erteilen die erforderlichen Bewilligungen und fällen den Matching-Entscheid. Der Bund wird unterstützend tätig, insbesondere im Verkehr mit ausländischen Zentralen Behörden, mit Auskünften über ausländisches Adoptions- oder Verfahrensrecht oder mit Informationen über die Handhabung
des Übereinkommens in anderen Vertragsstaaten. Vorgesehen ist namentlich, dass die Zentrale Behörde des Bundes die kantonalen Behörden mittels Kurzgutachten über relevante Aspekte des ausländischen Adoptionsrechts informiert, beispielsweise über die Wirkungen der Adoption im Ausland und das zu beachtende Verfahren. Ausserdem nimmt die Zentrale Behörde des Bundes Aufgaben allgemeiner Natur wahr. Insbesondere hat sie die einheitliche Anwendung des Übereinkommens sicherzustellen. Mit den konkreten Fällen ist die Zentrale Behörde des Bundes nur am Rande befasst, etwa im Zusammenhang mit der Übermittlung der Dossiers oder bei Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden.

Mit dieser Zweiteilung der zentralbehördlichen Funktionen können die Vorzüge einer Ansiedlung auf kantonaler Ebene ­ Koordination mit den bestehenden und den nichtstaatsvertraglichen Verfahren, grössere Sachnähe ­ mit denen einer Bundeszentralbehörde ­ Schaffung von Kompetenz auf Grund einer grossen Zahl von Fäl43 44

Zur Zulässigkeit dieser Zweiteilung s. Art. 6 Abs. 2 HAÜ.

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 6 ff; kritisch demgegenüber C. Hegnauer (zit. FN 34), S. 187 ff.

5810

len ­ verbunden werden. Einzuräumen ist, dass in vielen kleineren Kantonen die Zahl der internationalen Adoptionen gering bleiben wird45. Gerade im Hinblick darauf ist die Förderung des Erfahrungsaustausches durch den Bund (Art. 2 Abs. 2 Bst. e E BG-HAÜ) wichtig. Im Übrigen ist auf die Möglichkeit einer Zusammenarbeit unter den Kantonen hinzuweisen.

153.2

Das HAÜ-Verfahren im Überblick

Auch bei den Verfahrensvorschriften wird versucht, das staatsvertragliche Verfahren möglichst nahtlos in die bestehenden Verfahrenszüge einzubetten. Eingeleitet wird das HAÜ-Verfahren demnach mit einem Gesuch um Erteilung einer vorläufigen Pflegekinderbewilligung (Art. 8a Pflegekinderverordnung). Diese wird erteilt, wenn die enquête sociale ­ die sich naturgemäss nur auf die Fähigkeit der Eltern zur Aufnahme eines Kindes beziehen kann ­ positiv ausfällt. In der Folge geht das Elterndossier an die ausländische Zentrale Behörde, die ein Kind auswählt. Wenn auch das Kinderdossier vorliegt, fällt die Zentrale Behörde des Kantons den so genannten Matching-Entscheid, d. h. sie entscheidet, ob sie einer Fortsetzung des Verfahrens zustimmen kann. In der Folge wird die Adoption ausgesprochen, sei es durch die Behörden des Heimatstaates des Kindes, wenn diese die Zuständigkeit beanspruchen, sei es durch die schweizerischen Behörden. Im letzteren Fall kann nach der Einreise des Kindes in die Schweiz und nach Ablauf der Probezeit ein Gesuch um Adoption gestellt werden. Verfahren und örtliche Zuständigkeit für die Adoption werden durch das Übereinkommen und das Bundesgesetz nicht berührt. Eine schweizerische Adoption ist im Heimatstaat des Kindes und in den anderen Vertragsstaaten unter den Bedingungen der Artikel 23 ff. HAÜ anzuerkennen.

16

Ausarbeitung des Entwurfs und Vernehmlassung

Die Schweiz hat das Haager Adoptionsübereinkommen bereits am 16. Januar 1995 unterzeichnet, nachdem der Bundesrat im Jahre 1992 bei interessierten Fachkreisen zu einem Vorentwurf ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt hatte. 46 Stellungnahmen wurden eingereicht, die sich überwiegend positiv zum damaligen noch provisorischen Abkommenstext äusserten46. Nach der Unterzeichnung des Übereinkommens bereitete das Bundesamt für Justiz die Ratifikation vor und erarbeitete einen Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über das Haager Adoptionsübereinkommen, der mit Beschluss vom 12. Februar 1997 vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt wurde. Bis zum 30. Juni 1997 gingen 58 Stellungnahmen von Kantonen, Parteien sowie interessierten Organisationen und Verbänden ein. Der Bundesrat nahm mit Beschluss vom 28. Januar 1998 von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis und beauftragte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit der Ausarbeitung einer Botschaft.

45 46

Vgl. dazu die Angaben bei C. Hegnauer (zit. FN 34), S. 188.

Office fédéral de la justice, Rapport du 19 avril 1993 sur les résultats de la procédure de consultation à l'avant-projet de la Convention de La Haye concernant la coopération internationale et la protection des enfants en matière d'adoption internationale.

5811

Das 1997 durchgeführte Vernehmlassungsverfahren hat eine breite Zustimmung zur Ratifikation des Übereinkommens ergeben47. Die meisten Vernehmlassungsteilnehmer, darunter auch alle Kantone mit Ausnahme von Basel-Landschaft, stimmten einer Ratifikation vorbehaltlos zu oder gelangten jedenfalls zum Schluss, dass die Vorteile einer Ratifikation die Nachteile überwiegen. Am verbreitetsten waren Vorbehalte gegen die Verpflichtung nach Artikel 23 HAÜ, ausländische Adoptionen von Gesetzes wegen anzuerkennen.

Ebenso deutlich war die Zustimmung zu den Grundzügen der vorgeschlagenen Ausführungsgesetzgebung. Praktisch einhellig begrüsst wurde die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, wenngleich die Stellungnahmen in ihren Tendenzen teilweise auseinander gingen. Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmer betonten die Notwendigkeit, die verschiedenen Adoptionsarten zu koordinieren und unnötige Schwerfälligkeiten und Verzögerungen im Verfahren zu vermeiden. Auf grundsätzliche Zustimmung stiessen im Weiteren auch die vorgeschlagenen Kindesschutzmassnahmen sowie die Strafbestimmungen, wobei die Stellungnahmen in ihrer Stossrichtung ebenfalls auseinander gingen. Auch die vorgesehenen Änderungen des Zivilgesetzbuches, also die Verkürzung des für eine Adoption erforderlichen Pflegeverhältnisses auf ein Jahr und die Konzentration der Zuständigkeit für die Pflegekinderaufsicht bei einer kantonalen Behörde, wurden überwiegend begrüsst.

Auf verbreitete Kritik ist der Verzicht auf eine Verbesserung der ausländerrechtlichen Stellung von Kindern gestossen, die zum Zweck der Adoption in die Schweiz gebracht wurden, deren Adoption aber gescheitert ist. Mehrere Kantone und zahlreiche Organisationen forderten, dem Pflegekind einen Rechtsanspruch auf eine Niederlassungsbewilligung einzuräumen.

Zum Verzicht auf eine institutionalisierte Einbindung der Adoptionsvermittlungsstellen haben sich vor allem die direkt betroffenen Organisationen geäussert.

Zahlreiche Adoptionsvermittler forderten in mehr oder weniger weit gehendem Ausmass, sie seien in das neue Gesetz zu integrieren. Verschiedentlich wurde in diesem Zusammenhang auch die Forderung nach staatlicher Unterstützung laut. Andere Organisationen begrüssten hingegen den Ansatz des Vorentwurfs, der die Verantwortung für das Haager Verfahren staatlichen Stellen überbindet. Dabei
wurde u. a.

auf die teilweise ungenügende Professionalität der Adoptionsvermittler hingewiesen.

Das Bundesamt für Justiz hat den Vorentwurf im Lichte der Vernehmlassungen überarbeitet. Grundsätzliche Änderungen drängten sich angesichts der positiven Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens nicht auf. Die wichtigsten Änderungen betreffen die Massnahmen zum Schutz des Kindes (Art. 14­17 Vorentwurf, hinten Ziff. 224) sowie die Strafbestimmungen (Art. 22 Vorentwurf, hinten Ziff. 226). Um eine Ungleichbehandlung von staatsvertraglichen und ausserstaatsvertraglichen Adoptionen zu vermeiden, sollen diese Schutzmassnahmen unabhängig davon Anwendung finden, ob das Kind aus einem Vertragsstaat stammt oder nicht. Dieser umfassende räumlich-persönliche Anwendungsbereich des 3. Kapitels beseitigt die Gefahr, dass die Schutzbestimmungen des Übereinkommens durch eine ausserstaatsvertragliche Adoption umgangen werden. Hingegen wurde darauf verzichtet, die Konzeption des Vorentwurfs hinsichtlich der Adoptionsvermittlungsstellen zu ändern (dazu Ziff. 222.2). Was die Verbesserung der ausländerrechtlichen Stellung der Kinder betrifft, deren Adoption scheitert, so soll dieses Anliegen im Rahmen der in Vorbereitung befindlichen Totalrevision des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 47

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 19 ff.

5812

über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, SR 142.20) aufgenommen werden.

2

Besonderer Teil

Im Folgenden werden das Haager Adoptionsübereinkommen (Ziff. 21) sowie der Entwurf eines Bundesgesetzes zum Übereinkommen (Ziff. 22) näher erläutert. Obwohl die beiden Erlasse getrennt behandelt werden, muss man sich immer vor Augen halten, dass sie ein einheitliches Ganzes bilden. Übereinkommen, Bundesgesetz und Pflegekinderverordnung müssen daher stets nebeneinander gelesen werden.

21

Das Haager Adoptionsübereinkommen

211

Anwendungsbereich (Art. 1­3 HAÜ)

Das Übereinkommen findet Anwendung, wenn ein Kind aus einem Vertragsstaat («Heimatstaat»48) in einen anderen Vertragsstaat («Aufnahmestaat») gebracht werden soll, sei es vor oder nach einer Adoption (Art. 2 Abs. 1 HAÜ). Es ist demnach immer anwendbar, wenn Kind und Adoptiveltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Vertragsstaaten haben, während es auf ihren Wohnsitz oder ihre Staatsangehörigkeit nicht ankommt49. Umgekehrt ist eine Anwendung des Übereinkommens ausgeschlossen, wenn entweder das Kind oder die Adoptiveltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat haben50.

Das Übereinkommen regelt nur die Adoption von Minderjährigen. Es ist nach Artikel 3 nicht mehr anwendbar, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, bevor die beteiligten Zentralen Behörden ihre Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens (Art. 17 Bst. c HAÜ; vgl. hierzu Ziff. 214.3) erteilt haben51. Massgebend ist also nicht, dass die Adoption vor Vollendung des 18. Altersjahres ausgesprochen wird.

Im Übrigen ist der sachliche Anwendungsbereich umfassend. Das Übereinkommen regelt Adoptionen aller Art, die ein dauerhaftes Eltern-Kind-Verhältnis begründen, unabhängig davon, ob das vorher bestehende Rechtsverhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern vollständig (Volladoption) oder nur teilweise (einfache Adoption) beendet wird. Das Übereinkommen lässt sowohl Einzeladoptionen als auch Adoptionen durch Ehepaare zu. Es bleibt den Vertragsstaaten überlassen, ihre Einwilligung zu Einzeladoptionen zu verweigern, wenn sie diese ausschliessen wollen. Sondervorschriften für Stiefkindadoptionen fehlen; auf sie findet somit das Übereinkommen Anwendung, sofern mit der Adoption ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes von einem Vertragsstaat in einen anderen verbunden ist. Ausgeschlossen sind einzig Adoptionen, die nicht ein dauerhaftes Eltern-KindVerhältnis begründen52, wie sich durch Umkehrschluss aus Artikel 2 Absatz 2 HAÜ 48

49 50 51 52

Der Begriff Heimatstaat (State of origin, Etat d'origine) wird gemeinhin verwendet zur Bezeichnung des Staates, dem eine Person angehört. Das Haager Übereinkommen verwendet den Begriff nicht in diesem Sinn, sondern zur Bezeichnung des Staates, in dem das Kind gewöhnlichen Aufenthalt hat; vgl. G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 73.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 71.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 77.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 99.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 94.

5813

ergibt. Hauptbeispiel ist das Pflegschaftsverhältnis nach islamischem Recht, die so genannte kafala.

212

Voraussetzungen internationaler Adoptionen (Art. 4 und 5 HAÜ)

In Kapitel II enthält das Übereinkommen Bestimmungen über die «Voraussetzungen internationaler Adoptionen». Es handelt sich dabei um einen Mindeststandard, um unabdingbare Voraussetzungen eines rechtsstaatlich einwandfreien Adoptionsverfahrens53. Im Übrigen bestimmen sich die Voraussetzungen einer Adoption nach dem Recht, das vom Kollisionsrecht des für die Adoption zuständigen Staates als anwendbar bezeichnet wird; das Übereinkommen äussert sich nicht dazu54. Den Vertragsstaaten ist es freigestellt, die Beachtung weiterer Voraussetzungen zu verlangen55. Ist eine schweizerische Behörde zuständig, so unterstehen die Voraussetzungen nach Artikel 77 IPRG schweizerischem Recht; massgebend sind somit die Sachnormen der Artikel 264 ff. ZGB. Wird aber eine der Voraussetzungen der Artikel 4 und 5 HAÜ nicht beachtet, so darf weder im Heimat- noch im Aufnahmestaat eine Adoption ausgesprochen werden56.

Die Minimalbedingungen sind auf Seiten des Heimatstaates des Kindes die folgenden: Die Behörde muss prüfen, ob das Kind für eine Adoption in Betracht kommt (Art. 4 Bst. a HAÜ), ob der Grundsatz der Subsidiarität einer internationalen Adoption gewahrt ist (Art. 4 Bst. b HAÜ)57, ob die erforderliche Zustimmung der leiblichen Eltern vorliegt (Art. 4 Bst. c HAÜ)58 und ob die Wünsche und Meinungen des Kindes berücksichtigt worden sind und ­ soweit erforderlich ­ seine Zustimmung vorliegt (Art. 4 Bst. d HAÜ)59.

Auf Seiten des Aufnahmestaates müssen die zuständigen Behörden feststellen, dass die künftigen Adoptiveltern für eine Adoption in Betracht kommen60 und dafür geeignet61 sind (Art. 5 Bst. a HAÜ), dass sie, soweit erforderlich, beraten worden sind (Art. 5 Bst. b HAÜ) und dass dem Kind die Einreise und der ständige Aufenthalt im Aufnahmestaat bewilligt worden sind bzw. bewilligt werden (Art. 5 Bst. c HAÜ)62.

Das Schwergewicht dieser staatsvertraglich vorgesehenen Leitplanken liegt bei den Voraussetzungen und Umständen der Zustimmung, welche die leiblichen Eltern und gegebenenfalls auch das Kind geben müssen63. Insbesondere sind die Zustimmungspflichtigen zu beraten und über die Konsequenzen ihres Entscheids aufzuklären, so 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 108 ff. Die Art. 4 und 5 HAÜ konkretisieren Art. 21 Bst. a UNKR.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 119; M. Jametti Greiner (zit. FN 16), S. 179.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 113.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 108.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 120; vgl. auch Abs. 3 der Präambel zum HAÜ.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 120; vgl. auch Art. 21 Bst. a UNKR.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 105.

D. h. die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen; vgl. G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 180.

D. h. die sozio-psychologischen Voraussetzungen erfüllen; vgl. G. Parra-Aranguren (zit.

FN 33), Rz. 180.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 106.

Es ist geplant, dass die Sachverständigen, welche am ersten Treffen nach Art. 42 HAÜ teilnehmen, Mustervorlagen für die Zustimmung i. S. v. Art. 4 Bst. c HAÜ entwickeln; vgl. G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 128.

5814

dass sie sich klar dazu äussern können, ob sie mit einer Aufhebung des Kindesverhältnisses ­ einer Voraussetzung für eine Volladoption ­ einverstanden sind64. Die Behörde hat sich ferner zu vergewissern, dass die Zustimmung nicht durch irgendeine Zahlung oder andere Gegenleistung herbeigeführt wurde (Art. 4 Bst. c Ziff. 3 HAÜ) und dass die Zustimmungspflichtigen unbeeinflusst handeln. Die Mutter darf ihre Zustimmung erst nach der Geburt des Kindes erteilen (Art. 4 Bst. c Ziff. 4 HAÜ)65. Die Form der Zustimmung richtet sich nach dem auf die Adoption anwendbaren Recht, doch ist mindestens Schriftform erforderlich (Art. 4 Bst. c Ziff. 2 HAÜ)66. Die Zustimmung kann bedingt erteilt werden. Artikel 4 Buchstabe d Ziffern 1­4 HAÜ statuieren ähnliche Bestimmungen für die Zustimmung des Kindes, soweit diese notwendig ist67. Diese detaillierte Regelung der Zustimmungserklärung ist Ausdruck der Bedeutung, welche die Vertragsstaaten dem Kampf gegen Missbräuche, insbesondere den Kinderhandel, beimessen.

Zwar ergibt sich aus den Artikeln 4 und 5 HAÜ, dass die im Rahmen einer internationalen Adoption anfallenden Aufgaben zwischen den Behörden des Heimat- und denjenigen des Aufnahmestaates aufgeteilt werden. Das heisst jedoch nicht, dass die nicht zuständige Behörde nicht überprüfen dürfte, ob alle Voraussetzungen einer rechtsstaatlich einwandfreien Adoption gegeben sind. Insbesondere ist eine solche Prüfung im Rahmen der Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens möglich68.

213

Zentrale Behörden und zugelassene Organisationen (Art. 6­13 HAÜ)

Das Kapitel über die Zentralen Behörden ist das Herzstück des Übereinkommens.

Dessen Hauptziel ist es, mittels einer Zusammenarbeit der Behörden des Heimatund des Aufnahmestaates die Bedingungen internationaler Adoptionen zu kontrollieren und zu verbessern. Diese institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Behörden des Heimat- und denjenigen des Aufnahmestaates wird mit Hilfe von Zentralen Behörden gewährleistet69. Diese wachen darüber, dass die vom Übereinkommen genannten Ziele und Verpflichtungen respektiert werden70.

64 65

66

67 68 69

70

Welche Personen ihre Zustimmung erteilen müssen, bestimmt sich wiederum nach dem anwendbaren Recht; vgl. G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 129.

Nach Art. 265b Abs. 1 ZGB darf eine Zustimmung nicht vor Ablauf von sechs Wochen seit der Geburt des Kindes erteilt werden. Die Vorschrift ist mit Art. 4 Bst. c HAÜ ohne weiteres vereinbar.

Die Zustimmung kann aber auch mündlich vor der zuständigen Behörde abgegeben werden, die Schriftform ist blosses Beweiserfordernis; vgl. G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 145. Nach Art. 265a Abs. 2 ZGB ist die Zustimmung bei der Vormundschaftsbehörde mündlich oder schriftlich zu erklären und im Protokoll vorzumerken. Diese Vorschrift ist mit Art. 4 Bst. c Ziff. 2 HAÜ ebenfalls vereinbar.

Vgl. dazu auch Art. 12 UNKR.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 114, 181, 324­342.

Mit der Verpflichtung zur Bezeichnung Zentraler Behörden folgt das Übereinkommen dem Beispiel anderer multilateraler Staatsverträge wie etwa dem Haager Übereinkommen vom 15. Nov. 1965 über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (SR 0.271.131), dem Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (SR 0.274.132) sowie dem Haager Übereinkommen vom 25. Okt. 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (SR 0.211.230.02).

M. Jametti Greiner/A. Bucher (zit. FN 12), S. 68.

5815

Bei der Umsetzung der organisatorischen Vorgaben geniessen die Vertragsstaaten weitgehende Freiheit. So kann nach Artikel 6 HAÜ jeder bundesstaatlich organisierte Vertragsstaat oder jeder Vertragsstaat mit autonomen Regionen oder unterschiedlichen Rechtssystemen mehrere Zentralbehörden ernennen. Ferner müssen nicht alle Aufgaben von den Zentralen Behörden wahrgenommen werden. Unübertragbar sind nur die in Artikel 7 HAÜ aufgezählten Aufgaben. Die Pflichten nach Artikel 8 HAÜ können auch mit Hilfe anderer staatlicher Stellen wahrgenommen werden. Die in Kapitel IV umschriebenen Aufgaben sowie diejenigen nach Artikel 9 HAÜ können auf zugelassene Organisationen übertragen werden71. Schliesslich haben die Vertragsstaaten auch die Möglichkeit, einen Teil der in Kapitel IV umschriebenen Aufgaben (nämlich diejenigen nach den Artikeln 15­21 HAÜ) auf nicht zugelassene private Organisationen zu übertragen (Art. 22 Abs. 2 HAÜ)72.

214

Verfahren der internationalen Adoption (Art. 14­22 HAÜ)

Kapitel IV beschreibt den Ablauf eines staatsvertraglichen Adoptionsverfahrens.

Dieses soll primär die grundlegenden Interessen aller an einer internationalen Adoption beteiligten Parteien schützen. Die Vorschriften von Kapitel IV sind zwingender Natur. Sie sind zusammen mit den Artikeln 4­13 des E BG-HAÜ zu lesen, die das Übereinkommen im schweizerischen Verfahren implementieren.

214.1

Verfahrenseinleitung (Art. 14 HAÜ)

Artikel 14 HAÜ schreibt als ersten Schritt vor, dass die künftigen Adoptiveltern einen Antrag auf Einleitung des Verfahrens stellen müssen. Dieser Antrag ist an die Zentrale Behörde des Aufnahmestaates zu richten73. Die förmlichen Voraussetzungen hierfür bestimmen sich nach der lex fori74. Künftige Adoptiveltern mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz werden somit ihren Antrag bei der Zentralen Behörde ihres Wohnsitzkantons einreichen; der Antrag geht auf Erteilung einer vorläufigen Bewilligung zur Aufnahme eines Pflegekindes im Sinn von Artikel 8a der Pflegekinderverordnung (Art. 4 E BG-HAÜ).

214.2

Enquête sociale (Art. 15 und 16 HAÜ)

Die Zentrale Behörde des Aufnahmestaates hat sodann abzuklären bzw. abklären zu lassen, ob die künftigen Adoptiveltern für die Aufnahme eines Adoptivkindes in

71

72

73

74

Die Zulassung erhalten nach Art. 10 HAÜ nur Organisationen, welche ausschliesslich gemeinnützige Zwecke verfolgen, von qualifizierten Personen geleitet werden und einer staatlichen Aufsicht unterstehen.

Nicht zugelassene Organisationen oder Personen müssen nach Art. 22 Abs. 2 Bst. a und b HAÜ ebenfalls gewisse minimale Qualifikationen erfüllen, doch gehen die Anforderungen weniger weit als bei den zugelassenen Organisationen.

Die Möglichkeit, einen direkten Antrag an die Zentrale Behörde des Heimatstaates des Kindes zu richten, wurde diskutiert und verworfen; vgl. G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 291 f.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 289.

5816

Frage kommen (enquête sociale)75. Stellt sie dies fest, so hält sie ihren Befund in einem ausführlichen Bericht fest, der an die Zentrale Behörde desjenigen Vertragsstaates zu senden ist, aus welchem das Kind stammen soll. Artikel 15 Absatz 1 HAÜ umschreibt in erster Linie den Inhalt dieses Berichts, welcher Angaben zur Person der Antragsteller, zu ihrer rechtlichen Fähigkeit und Eignung zur Adoption, ihrem persönlichen, familiären und sozialen Umfeld, ihrer Krankheitsgeschichte und zu den Beweggründen für eine Adoption enthalten muss. Darzustellen ist darüber hinaus die Fähigkeit der Antragsteller, die mit einer internationalen Adoption verbundenen Aufgaben zu übernehmen. Schliesslich soll der Bericht auch Angaben darüber enthalten, welche Wünsche die Eltern in Bezug auf das Kind haben, beispielsweise hinsichtlich Alter oder Religionszugehörigkeit. Das Übereinkommen geht damit vom Gedanken aus, dass es ratsam ist, die Wünsche der Eltern zu berücksichtigen, um den Erfolg der Adoption sicherzustellen. Der Bericht soll der Zentralen Behörde des Heimatstaates genügend persönliche Informationen vermitteln, um den Matching-Entscheid (vgl. Ziff. 214.3) optimal vorzubereiten76.

Die Zentrale Behörde des Heimatstaates hat ihrerseits die Eignung des Kindes zu prüfen (Art. 16 Abs. 1 HAÜ). Sie wird in erster Linie abklären oder abklären lassen, inwiefern ein Kind adoptionsfähig ist; dies schliesst eine Prüfung ein, ob am Ort oder im Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes eine Unterbringung möglich ist. Der Bericht über die Lage des Kindes hat sich zu den persönlichen und juristischen Voraussetzungen der Adoptierbarkeit des Kindes zu äussern und enthält Hinweise zu seinen persönlichen Lebensumständen und seiner gesundheitlichen, familiären und sozialen Entwicklung; er soll auch die persönlichen Bedürfnisse des Kindes aufzeigen (Art. 16 Abs. 1 Bst. a HAÜ). Mitzuberücksichtigen sind sodann die ethnische, religiöse und kulturelle Herkunft des Kindes (Art. 16 Abs. 1 Bst. b HAÜ).

Liegt dieser Bericht vor, so trifft die Zentrale Behörde des Heimatstaates einen ersten vorläufigen Entscheid über die Zuteilung des Kindes an die künftigen Adoptiveltern, über welche ebenfalls ein günstiger Bericht vorliegen muss (Art. 16 Abs. 1 Bst. d HAÜ). Dann übermittelt sie den Bericht der Zentralen Behörde des
Aufnahmestaates (Art. 16 Abs. 2 HAÜ). Dem Bericht sind die notwendigen Zustimmungserklärungen beizulegen bzw. die Entscheide, wonach auf die Zustimmung der leiblichen Eltern bzw. eines Elternteils verzichtet werden kann (Art. 16 Abs. 1 Bst. c HAÜ). Darzustellen sind auch die Gründe für eine Unterbringung im Ausland.

Das Übereinkommen geht davon aus, dass der Entscheid über die vorläufige Zuteilung eines Kindes in der Regel von einer Behörde des Heimatstaates des Kindes ausgeht. Es schliesst jedoch keineswegs aus, dass insbesondere in den Fällen, in welchen eine Adoptionsvermittlungsstelle tätig ist, die Adoptiveltern in ihrem Antrag bereits ein bestimmtes Kind bezeichnen. Denn das Übereinkommen untersagt den Adoptiveltern nur die direkte Kontaktnahme mit den leiblichen Eltern, nicht aber mit dem Kind, da dieses potenziell weniger korrumpierbar erscheint77.

75

76 77

Art. 15 HAÜ spricht von «in Betracht kommen und dazu geeignet» sein. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die künftigen Adoptiveltern nicht nur den vom Aufnahmestaat festgelegten gesetzlichen Erfordernissen genügen müssen, sondern auch die sozio-psychologischen Voraussetzungen erfüllen müssen; G. Parra-Aranguren (zit.

FN 33), Rz. 294.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 297 f.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 499.

5817

214.3

Matching-Entscheid (Art. 17 HAÜ)

Um ein Kind künftigen Adoptiveltern anzuvertrauen, bedarf es eines weiteren Entscheides, der als Matching-Entscheid bezeichnet wird. Es geht darum, die im Verfahren der enquête sociale gewonnenen Erkenntnisse über die Eignung von Eltern und Kind zur Adoption zusammenzuführen und zu einem gemeinsamen Entschluss zu gelangen. Die Zentralen Behörden beider Staaten können das «matching» verweigern; das (staatsvertragliche) Adoptionsverfahren findet in diesem Fall seinen vorzeitigen Abschluss.

Artikel 17 HAÜ ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen78 und nicht ganz einfach zu verstehen. Dem Wortlaut nach geht es um den Entscheid, das Kind den künftigen Adoptiveltern anzuvertrauen, d. h. um die Unterbringung des Kindes. Dieser Entscheid kann von der Behörde des Heimatstaates nur getroffen werden, wenn vier Voraussetzungen kumulativ gegeben sind: ­

die Zentrale Behörde des Heimatstaates muss sich vergewissert haben, dass die künftigen Adoptiveltern mit der vorgeschlagenen Kindeszuteilung einverstanden sind (Art. 17 Bst. a HAÜ);

­

die Zentrale Behörde des Aufnahmestaates muss diese Entscheidung der künftigen Adoptiveltern gebilligt haben (Art. 17 Bst. b HAÜ);

­

die Zentralen Behörden beider Staaten müssen einer Fortsetzung des Adoptionsverfahrens zugestimmt haben (Art. 17 Bst. c HAÜ), und

­

es muss ein Entscheid vorliegen, in welchem die Eignung der künftigen Adoptiveltern zur Adoption und das Vorliegen der Einreise- und Aufenthaltsbewilligung für das Kind festgehalten ist (Art. 17 Bst. d HAÜ).

Eine Genehmigung der Zustimmung der künftigen Adoptiveltern zum vorgeschlagenen Kind durch die Zentrale Behörde des Aufnahmestaates ist nur erforderlich, wenn das Recht des Aufnahmestaates dies vorsieht oder die Zentrale Behörde des Heimatstaates dies verlangt. Die Artikel 6 und 13 Absatz 2 E BG-HAÜ sehen deshalb vor, dass sich die schweizerischen Zentralen Behörden vergewissern, dass die künftigen Adoptiveltern mit der Aufnahme des betreffenden Kindes einverstanden sind.

Von zentraler Bedeutung ist die in Artikel 17 Buchstabe c HAÜ vorgesehene Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens. Fortsetzung heisst, dass das Verfahren in das nächste Stadium übergehen kann79. Diese Zustimmung ist von beiden Zentralen Behörden zu erteilen. Die Zustimmung gewährleistet nicht, dass die Adoption tatsächlich zu Stande kommt. Dies hängt vielmehr von der Erfüllung aller weiteren Voraussetzungen ab, die nach dem anwendbaren Recht gegeben sein müssen. Findet die Adoption in der Schweiz statt, so müssen die Voraussetzungen der Artikel 264 ff. ZGB erfüllt sein, soweit nicht das Übereinkommen abweichende Bestimmungen enthält. Findet die Adoption demgegenüber im Heimatstaat des Kindes statt, so ist die Verweigerung der Zustimmung im Sinn von Artikel 17 Buchstabe c HAÜ die aus der Sicht des Aufnahmestaates letzte Möglichkeit, eine Adoption zu verhindern, für welche auf Grund von Artikel 23 HAÜ eine Anerkennungsverpflichtung besteht.

78 79

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 324 ff., 334.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 335.

5818

214.4

Aus- und Einreise (Art. 18 und 19 HAÜ)

Mit dem positiven Matching-Entscheid ist der Weg frei für die Ausreise des Kindes in den Aufnahmestaat, deren Modalitäten in den Artikeln 18 und 19 HAÜ geregelt werden. Eine Ausreise ist nach Artikel 19 Absatz 1 HAÜ nur möglich, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 17 HAÜ erfüllt sind, wenn die Zentrale Behörde des Heimatstaates also einen Entscheid getroffen hat, das Kind den Eltern anzuvertrauen. Artikel 18 HAÜ verpflichtet die Zentralen Behörden beider Staaten, alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Aus- und Einreise sowie die Aufenthaltsbewilligung zu erwirken. Artikel 19 Absatz 2 HAÜ statuiert eine Pflicht der Adoptiveltern, das Kind wenn möglich auf seiner Reise zu begleiten.

214.5

Adoption (Art. 20 und 21 HAÜ)

Die Adoption wird vor der Ausreise des Kindes im Heimatstaat ausgesprochen, sofern dieser die Kompetenz dafür in Anspruch nimmt. Ist dies nicht der Fall, so reist das Kind als Pflegekind in den Aufnahmestaat aus. Dort wird die Adoption ausgesprochen, sofern der Heimatstaat seine Zuständigkeit nicht auch in einem solchen Fall beansprucht.

Im Zusammenhang mit der eigentlichen Adoption enthält das Übereinkommen nur zwei Bestimmungen. Artikel 20 HAÜ statuiert eine Verpflichtung der Zentralen Behörden, einander über das Adoptionsverfahren sowie den Verlauf der Probezeit zu unterrichten. Wichtiger ist Artikel 21 HAÜ, der Massnahmen umschreibt, die im Falle eines Scheiterns der Adoption im Aufnahmestaat zu ergreifen sind. Als mögliche Massnahmen kommen eine Entfernung des Kindes aus der Aufnahmefamilie (Art. 21 Abs. 1 Bst. a HAÜ) oder seine sofortige Unterbringung zum Zweck der Adoption in einer neuen Familie (Art. 21 Abs. 1 Bst. b HAÜ) in Frage. In Betracht kommt auch eine Rückkehr des Kindes in den Heimatstaat (Art. 21 Abs. 1 Bst. c HAÜ), allerdings nur als letzte Möglichkeit und nur dann, wenn sie dem Wohle des Kindes dient. Im Falle einer Umplatzierung in eine neue Familie ist eine staatsvertragskonforme Adoption nur möglich, wenn die Zentrale Behörde des Heimatstaates über die neuen Adoptiveltern informiert worden ist (Art. 21 Abs. 1 Bst. b HAÜ).

215

Anerkennung ausländischer Adoptionen (Art. 23­25 HAÜ)

Nach Artikel 23 Absatz 1 HAÜ wird eine staatsvertragskonforme Adoption in den anderen Vertragsstaaten kraft Gesetzes anerkannt. Voraussetzung ist eine Bescheinigung der zuständigen Behörde80, dass die Adoption gemäss dem Übereinkommen zu Stande gekommen ist. Die Bescheinigung hat anzugeben, wann und von wem die Zustimmungen zur Fortsetzung des Verfahrens (Art. 17 Bst. c HAÜ) erteilt worden 80

Die innerstaatliche Zuständigkeit ist von jedem Vertragsstaat festzulegen. Dem Depositar des Übereinkommens ist zu notifizieren, wer für die Ausstellung der Bescheinigung zuständig ist; vgl. Art. 23 Abs. 2 HAÜ. Es ist geplant, für die Bescheinigung ein Muster auszuarbeiten; G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 403, 407.

5819

sind (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 HAÜ). Mit dem Begriff «kraft Gesetzes» wird zum Ausdruck gebracht, dass die Anerkennung automatisch erfolgt, ohne dass ein vorgängiges Anerkennungs-, Vollstreckungs- oder Registrierungsverfahren notwendig wäre81.

Nach Artikel 24 HAÜ kann ein Vertragsstaat die Anerkennung nur versagen, wenn die Adoption seiner öffentlichen Ordnung offensichtlich widerspricht. Dabei ist das Wohl des Kindes zu berücksichtigen. Der Begriff der öffentlichen Ordnung (ordre public) ist eng auszulegen; er umfasst nur die wesentlichen Rechtsgrundsätze des Anerkennungsstaates82. Dies bringt der Wortlaut auch dadurch zum Ausdruck, dass die Ordre-public-Widrigkeit offensichtlich gegeben sein muss. Eine weitere Präzisierung liegt insofern vor, als sich die Ordre-public-Überlegungen zwingend am Kindeswohl orientieren müssen. In welchen Fällen die Anerkennung einer ausländischen Adoption verweigert werden kann, lässt sich abstrakt nicht sagen. Jedenfalls bewirkt eine Verletzung der zwingenden staatsvertraglichen Verfahrensvorschriften, dass keine staatsvertragskonforme Adoption vorliegt und somit auch kein Anerkennungszwang besteht. Inwiefern solche Adoptionen nach autonomem Recht anerkannt werden können, lässt das Übereinkommen offen; die Antwort ist daher dem jeweils anwendbaren Recht zu entnehmen (vgl. auch Art. 33 HAÜ).

Artikel 25 HAÜ schafft einen zusätzlichen Verweigerungsgrund bei Adoptionen, welche im Rahmen von zwischenstaatlichen Zusatzabkommen zur erleichterten Anwendung des Übereinkommens ausgesprochen wurden. Jeder Vertragsstaat, welcher an einer solchen Vereinbarung nicht beteiligt ist, kann erklären, dass er nicht verpflichtet ist, entsprechend Adoptionen anzuerkennen. Diese Zusatzabkommen erlauben, von den Verfahrensvorschriften der Artikel 14­16 und 18­21 HAÜ abzuweichen (Art. 39 Abs. 2 HAÜ). Dass Adoptionen, die unter solchen Zusatzabkommen zu Stande kommen, in jedem Fall schweizerischen Massstäben zu genügen vermögen, steht nicht mit letzter Sicherheit fest. Der Bundesrat beabsichtigt deshalb, die Erklärung nach Artikel 25 HAÜ abzugeben. Damit ist nicht zum Vornherein ausgeschlossen, dass eine unter einem Zusatzübereinkommen ausgesprochene Adoption auf der Grundlage des autonomen schweizerischen IPR anerkannt werden könnte.

216

Wirkungen der Anerkennung (Art. 26 HAÜ)

Artikel 26 HAÜ, der das Ergebnis zäher Verhandlungen darstellt83, geht das Problem der Adoptionswirkungen nach erfolgter Anerkennung dreistufig an84: In einem ersten Schritt werden diejenigen Wirkungen erfasst, die allen Adoptionen gemeinsam sind, also sowohl einfachen Adoptionen wie Volladoptionen. In allen Fällen umfasst die Anerkennung der ausländischen Adoption die Anerkennung des Kindesverhältnisses zwischen dem Kind und den Adoptiveltern (Art. 26 Abs. 1 Bst. a HAÜ) sowie die Anerkennung der elterlichen Verantwortung der Adoptiveltern für das Kind (Art. 26 Abs. 1 Bst. b HAÜ). Nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe c HAÜ umfasst die Anerkennung der Adoption ferner die Beendigung des früheren Rechtsverhältnisses zu den leiblichen Eltern, soweit diese Wirkung auch nach dem am Ort der Adoption massgebenden Recht vorgesehen ist.

81 82 83 84

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 409.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 426.

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 439.

Vgl. M. Jametti Greiner/A. Bucher (zit. FN 12), S. 84 ff.

5820

In einem zweiten Schritt hält das Übereinkommen fest, dass voll adoptierte Kinder in jedem Vertragsstaat den Status geniessen, den dessen Recht den voll adoptierten Kindern zugesteht (Art. 26 Abs. 2 HAÜ). Diese Regel wird nur dort zum Tragen kommen können, wo ein Vertragsstaat die Institution der Volladoption überhaupt kennt. Handelt es sich demgegenüber um einen Vertragsstaat, der nach seiner internen Rechtsordnung ausschliesslich die einfache Adoption vorsieht und ausländische Akte der Kindesannahme auch nur mit den Wirkungen einer einfachen Adoption zulässt, so wird dieser Vertragsstaat auf der Basis von Artikel 26 Absatz 2 HAÜ verpflichtet, den im Ausland adoptierten Kindern mindestens den Status zuzuerkennen, den sein internes Recht für einfach Adoptierte vorsieht.

Soweit schliesslich das Recht eines Vertragsstaates grosszügigere Anerkennungsvorschriften kennt, sollen diese nach Artikel 26 Absatz 3 HAÜ zu Gunsten des Kindes zum Durchbruch kommen. Damit soll etwa dem Fall Rechnung getragen werden, dass eine einfache Adoption ausgesprochen wurde und das Kind kein Erbrecht gegenüber den Adoptiveltern erworben hat. In einem solchen Fall finden weder Absatz 1 Buchstabe c noch Absatz 2 von Artikel 26 HAÜ Anwendung, weil das frühere Rechtsverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht beseitigt wurde. Nach Absatz 3 kann jedoch das Recht des anerkennenden Staates dem Kind trotzdem ein Erbrecht gegenüber der Adoptivfamilie einräumen85.

217

Konversion einfacher Adoptionen (Art. 27 HAÜ)

Der Anwendungsbereich des Übereinkommens umfasst, wie erwähnt, auch einfache Adoptionen, durch welche die Rechtsbeziehungen zu den leiblichen Eltern nicht beendet werden. Dies gilt ebenso für die Anerkennungsverpflichtung (Art. 23 HAÜ).

Artikel 27 HAÜ sieht deshalb die Möglichkeit vor, einfache Adoptionen in Volladoptionen umzuwandeln, und verpflichtet die Vertragsstaaten, diese Konversionsadoptionen von Gesetzes wegen anzuerkennen (Art. 23 HAÜ). Diese Anerkennungspflicht gilt gleichermassen für den Heimatstaat, der die ursprüngliche einfache Adoption ausgesprochen hat.

Zwei Voraussetzungen müssen für eine Konversion erfüllt sein: Einerseits muss das Recht des Aufnahmestaates die Konversion gestatten (Art. 27 Abs. 1 Bst. a HAÜ), andererseits muss die Zustimmung der leiblichen Eltern eine Volladoption miteinschliessen (Art. 27 Abs. 1 Bst. b HAÜ). Da das schweizerische Recht als einzige Form die Volladoption zulässt, ist die Voraussetzung von Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe a HAÜ nach schweizerischem Recht ohne weiteres erfüllt. Das in Buchstabe b statuierte Erfordernis versteht sich von selbst. Es bietet keine praktischen Schwierigkeiten, wenn zum Vornherein darauf geachtet wird, dass die Zustimmung der leiblichen Eltern beide Adoptionsformen abdeckt.

218

Weitere Bestimmungen (Kap. VI)

Kapitel VI enthält unter dem Titel «Allgemeine Bestimmungen» ergänzende Vorschriften mit vorwiegend verfahrensrechtlichem Einschlag. Erwähnt seien hier nur zwei Bestimmungen: 85

G. Parra-Aranguren (zit. FN 33), Rz. 472.

5821

Artikel 29 HAÜ verbietet den Kontakt zwischen den künftigen Adoptiveltern und den Eltern des Kindes, solange nicht die Eignung des Kindes und der künftigen Eltern zur Adoption festgestellt ist (Art. 4 Bst. a und 5 Bst. a HAÜ), der Entscheid vorliegt, dass die Adoption dem Wohle des Kindes dient (Art. 4 Bst. b HAÜ) und die leiblichen Eltern ihre Zustimmung zur Adoption gegeben haben (Art. 4 Bst. c HAÜ). Diese Vorschrift haben auch Adoptionsvermittlungsstellen zu beachten. Es handelt sich dabei um eine der Vorschriften, die den Kinderhandel erschweren sollen. Vorbehalten bleibt eine Adoption innerhalb einer Familie, d. h. eine Stiefkindadoption oder die Adoption eines verwandten Kindes.

Ebenfalls gegen Missbräuche gerichtet ist Artikel 32 HAÜ, der ein Verbot unstatthafter Vermögensvorteile aus einer Tätigkeit im Zusammenhang mit einer internationalen Adoption ausspricht. Verboten sind auch sonstige Vorteile (Art. 32 Abs. 1 HAÜ). Die Betonung liegt auf dem Begriff unstatthaft, wobei in Absatz 2 verdeutlicht wird, was statthaft ist. Demnach dürfen nur Kosten und Auslagen in Rechnung gestellt werden; eingeschlossen sind angemessene Honorare für die an der Adoption beteiligten Personen und für Angestellte von Organisationen, die an einem Adoptionsverfahren mitwirken. Umgekehrt erklärt Artikel 32 Absatz 3 HAÜ «unangemessen hohe Vergütungen» für unstatthaft, welche den Angestellten von Organisationen, die an einer Adoption beteiligt sind, ausgerichtet werden.

22

Das Bundesgesetz zum Haager Adoptionsübereinkommen

221

Gegenstand des Bundesgesetzes (Art. 1 E BG-HAÜ)

Das Bundesgesetz regelt entsprechend seinem Zweckartikel «das Verfahren zur Aufnahme eines Kindes nach dem Haager Adoptionsübereinkommen» (Art. 1 Abs. 1 E BG-HAÜ). Wie bereits erwähnt, ist es Schnittstelle zwischen dem Übereinkommen und den internen Verfahrensvorschriften. Deshalb werden Konventionsbestimmungen nur insoweit im Bundesgesetz aufgenommen, als sie einer gesetzlichen Verankerung im Recht eines Vertragsstaates bedürfen oder als dies zur Festlegung der Zuständigkeit notwendig ist. Darüber hinaus sieht das Gesetz gewisse Massnahmen zum Schutz von Kindern bei internationalen Adoptionen vor (Art. 1 Abs. 2 E BG-HAÜ), die auch für Kinder aus Staaten gelten, welche das Haager Adoptionsübereinkommen nicht ratifiziert haben (dazu Ziff. 224).

222

Vollzug des Haager Adoptionsübereinkommens

222.1

Zentrale Behörden und ihre Aufgaben (Art. 2 und 3 E BG-HAÜ)

Zentrale Behörde des Bundes ist die vom Bundesrat bezeichnete Verwaltungsstelle.

Der Bundesrat beabsichtigt, das Bundesamt für Justiz mit dieser Aufgabe zu betrauen. Als kantonale Zentrale Behörden sollen die kantonalen Behörden bezeichnet werden, welche für die Pflegekinderbewilligung zuständig sind (Art. 316 ZGB, hinten Ziff. 231.2).

Die Aufgaben der Zentralen Behörde des Bundes werden in Artikel 2 Absatz 2 E BG-HAÜ umschrieben. Der Schwerpunkt liegt auf dem Verkehr mit dem Ausland sowie auf Koordinationsaufgaben. Im Zusammenhang mit der Übermittlung von 5822

Dossiers wird die Bundeszentralbehörde den kantonalen Zentralen Behörden gegenüber nach Bedarf Informationen und Stellungnahmen zukommen lassen können, so etwa zur Frage, ob der Heimatstaat des Kindes die Kompetenz für die Adoption in Anspruch nimmt, ob dieser eine Probezeit verlangt oder ob es sich gegebenenfalls um eine einfache Adoption oder um eine Volladoption handelt. Der Entwurf sieht die Möglichkeit vor, die Zentralen Behörden der Kantone zum direkten Verkehr mit den ausländischen Zentralen Behörden zu ermächtigen. Zuständig ist die Zentrale Behörde des Bundes schliesslich für gewisse Auskünfte allgemeiner Natur, die gemäss Übereinkommen unabhängig von einem konkreten Adoptionsfall zu erteilen sind (Art. 9 Bst. d und 13 HAÜ).

Die Zentrale Behörde des Bundes soll generell-abstrakte Weisungen zum Übereinkommen erlassen können (Art. 2 Abs. 2 Bst. d E BG-HAÜ). Damit soll eine einheitliche schweizerische Praxis im Bereich internationaler Adoptionen sichergestellt werden. Gedacht wird insbesondere an Fragen, die sich einer Regelung auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe entziehen, deren völliges Offenlassen aber die Rechtssicherheit gefährden könnte. Mit Weisungen kann ausserdem besonders rasch und flexibel auf neue Entwicklungen reagiert werden. Darüber hinaus soll die Zentrale Behörde des Bundes den gegenseitigen Informationsaustausch zwischen den Kantonen, den Adoptionsvermittlungsstellen und dem Bund fördern.

An der Bearbeitung konkreter Adoptionsfälle ist die Zentrale Behörde des Bundes hingegen grundsätzlich nicht beteiligt. Insbesondere sind die materiellen Entscheide ­ beispielsweise über die Eignung der Adoptiveltern ­ den Zentralen Behörden der Kantone vorbehalten; sie allein verfügen über die fachliche Kompetenz und die dafür notwendige Erfahrung. Die Zentrale Behörde des Bundes hat lediglich zu prüfen, ob das Dossier vollständig ist, bevor sie die erforderlichen Dokumente (vgl. Art. 15 Abs. 1 HAÜ) an den Heimatstaat des Kindes weiterleitet. Stellt sie Mängel fest, so weist sie das Dossier an die Zentrale Behörde des Kantons zur Verbesserung zurück (Art. 5 Abs. 3 E BG-HAÜ).

Als kantonale Zentrale Behörden werden die Behörden bezeichnet, die für die Pflegekinderbewilligung i. S. v. Artikel 316 Absatz 1bis E ZGB zuständig sind (Art. 3 Abs. 1 E BG-HAÜ). Dementsprechend wird eine Konzentration
der innerkantonalen Zuständigkeit bei einer einzigen kantonalen Instanz vorgeschlagen (vgl. Ziff. 231.2).

Die Zentrale Behörde des Kantons hat alle Aufgaben im Zusammenhang mit einer internationalen Adoption wahrzunehmen, die nicht ausdrücklich der Zentralen Behörde des Bundes vorbehalten sind. Insbesondere hat sie die Eignung der Adoptiveltern abzuklären (Art. 3 Abs. 2 Bst. a E BG-HAÜ; vgl. Art. 15 Abs. 1 HAÜ). Sie kann diese Aufgabe einer Adoptionsvermittlungsstelle übertragen oder sich auf einen Bericht einer solchen Stelle stützen (Art. 7 Abs. 2 Pflegekinderverordnung), doch steht die Untersuchung in jedem Fall unter der Verantwortung der Zentralen Behörde des Kantons. Soll ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz in einem Vertragsstaat zum Zweck der Adoption platziert werden, so hat die Zentrale Behörde des Kantons in gleicher Weise den Sozialbericht über das Kind zu erstellen (Art. 13 Abs. 1 E BG-HAÜ, Art. 16 Abs. 1 HAÜ). Zuständig ist sie auch für die weiteren Auskünfte über Eltern und Kind (Art. 9 Bst. a und 20 HAÜ).

Ferner kommt der Zentralen Behörde des Kantons die Aufgabe zu, den Entscheid über die Fortsetzung des Verfahrens (Art. 3 Abs. 2 Bst. b E BG-HAÜ; Art. 17 Bst. c HAÜ) zu fällen. Diese Behörde ist auch zuständig für Anordnungen über die Rückkehr des Kindes in seinen Heimatstaat, wenn die Adoption in der Schweiz nicht zu

5823

Stande gekommen ist (Art. 3 Abs. 2 Bst. c E BG-HAÜ, vgl. auch Art. 21 HAÜ).

Ohne diese Bestimmung läge der Entscheid über die Rückkehr in der Hand des Vormunds bzw. der zuständigen Vormundschaftsbehörde. Der Entscheid über die Rückkehr des Kindes berührt indessen zentrale Fragen der Adoptionspolitik und wird damit sinnvollerweise von der damit hauptsächlich befassten Behörde getroffen. Im Falle einer Adoption in der Schweiz stellt die Zentrale Behörde des Kantons die Bescheinigung im Sinn von Artikel 23 HAÜ aus, die Voraussetzung für die Anerkennung der Adoption im Heimatstaat des Kindes und in den anderen Vertragsstaaten ist (Art. 3 Abs. 2 Bst. d E BG-HAÜ).

222.2

Übertragung von Aufgaben an Adoptionsvermittlungsstellen?

Es entspricht langjähriger schweizerischer Praxis, dass die Verantwortung für die massgeblichen Entscheidungen im Kindesrecht im Allgemeinen und im Adoptionsrecht im Besonderen in der Hand staatlicher Behörden liegt. Adoptionsvermittlungsstellen können zwar für die Vorbereitung des Pflegekinder- und des Adoptionsentscheides beigezogen werden86 (vgl. Art. 7 Abs. 2 Pflegekinderverordnung und Art. 268a ZGB) und leisten hier seit vielen Jahren wertvolle Dienste, doch kommt die Entscheidverantwortung letztlich allein den Pflegekinderaufsichts- und Adoptionsbehörden zu. An diesem System soll ­ trotz Kritik der direkt interessierten Organisationen87 ­ grundsätzlich nichts geändert werden, auch wenn das Haager Adoptionsübereinkommen eine weitgehende Delegation von Aufgaben an sich zulässt.

Gegen eine formelle Übertragung von Aufgaben der Zentralen Behörden nach dem Haager Übereinkommen auf Vermittlungsstellen spricht im Übrigen, dass diese bis auf weiteres aus Kapazitätsgründen nicht in der Lage wären, sich mit sämtlichen in der Schweiz anfallenden internationalen Adoptionen zu befassen88. Die meisten Vermittlungsstellen haben sich auf eines oder einige wenige Länder spezialisiert89 und verfügen dementsprechend nur über die kantonale Bewilligung für die betreffenden Staaten. Die heute in der Schweiz tätigen Vermittlungsstellen können damit bei weitem nicht die ganze Bandbreite möglicher Herkunftsstaaten abdecken. Zu beachten ist zudem, dass die verschiedenen Vermittlungsstellen nicht über eine einheitliche Struktur oder ein gemeinsames Leitbild verfügen, sondern ihre Rolle durchaus unterschiedlich verstehen. So konzentrieren sich gewisse Vermittlungsstellen angesichts beschränkter Ressourcen auf ihre Tätigkeit im Ausland und überlassen die Verantwortung für die Auswahl der Adoptiveltern den Pflegekinderbehörden. Andere wiederum legen das Schwergewicht auf die Vorbereitung der Adoptiveltern. Vor diesem Hintergrund müssten daher die kantonalen Zentralen Behörden zumindest für eine Übergangszeit in jedem Fall als subsidiäre Anlaufstellen 86 87 88 89

Vgl. Kreisschreiben des Bundesrates an die Aufsichtsbehörden über das Pflegekinderwesen und die Adoptionsvermittlung vom 21. Dez. 1988, BBl 1989 I 18.

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 9 und 20 ff.; vgl. auch C. Hegnauer (zit. FN 34), S. 192, der die Adoptionsvermittlung allerdings zugleich der Bundesaufsicht unterstellen will.

Nach Schätzungen sollen in der Schweiz rund 90 Prozent aller Auslandsadoptionen durch private Kanäle erfolgen; vgl. I. Ceschi (zit. FN 1), S. 181.

Gemäss der Liste der anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen unterhalten nur gerade drei Vermittler Beziehungen zu mehr als drei Staaten; 12 Vermittlungsstellen waren nur für je einen Staat zuständig. Gesamthaft waren am 19. Nov. 1998 21 Vermittlungsstellen akkreditiert.

5824

zur Verfügung stehen, wodurch Doppelspurigkeiten unvermeidlich wären. Im Übrigen ist damit zu rechnen, dass manche Vertragsstaaten Widerspruch gegen die Delegation von Aufgaben an zugelassene oder private Organisationen einlegen werden (Art. 12 HAÜ); im Verhältnis zu diesen Staaten müssten wiederum staatliche Stellen die grundsätzlich an die Vermittlungsstellen delegierten Aufgaben übernehmen.

Die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Vermittlungsstellen würde ferner deren Arbeit grundlegend verändern. Während sie heute frei bestimmen können, unter welchen Voraussetzungen sie für adoptionswillige Personen tätig werden wollen, müssten sie künftig grundsätzlich allen Interessierten offen stehen. Sie hätten ferner Gewähr dafür zu bieten, dass deren Eignung in einem Verfahren abgeklärt wird, das dem Grundsatz der Rechtsgleichheit genügt. Verfahren und Entscheidungen der Vermittlungsstellen müssten einer Rechtskontrolle zugänglich sein.

Schliesslich ist auch zu erwähnen, dass der obligatorische Beizug einer anerkannten Vermittlungsstelle bisher insbesondere deshalb postuliert worden ist, weil bei unabhängigen Adoptionen eine besondere Missbrauchsgefahr besteht90. Durch die Schaffung zwischenstaatlicher Strukturen, welche die Überwachung und Kontrolle sämtlicher Adoptionen garantieren, wird diese Missbrauchsgefahr indessen massgeblich vermindert.

Zurückhaltung ist auch gegenüber der Übertragung von staatsvertraglichen Aufgaben auf private ausländische Organisationen angebracht. Deshalb wird vorgeschlagen, anlässlich der Ratifikation des Übereinkommens die Erklärung nach Artikel 22 Absatz 4 HAÜ abzugeben. Demnach kann die Adoption von Kindern mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz nur durchgeführt werden, wenn im Aufnahmestaat die Aufgaben der Zentralen Behörde von staatlichen Stellen oder einer zugelassenen Organisation wahrgenommen werden.

Die typischen Aufgaben der Adoptionsvermittlungsstellen bleiben mit der Ratifikation des Haager Übereinkommens bestehen. Nach Artikel 2 der Verordnung vom 28.

März 1973 über die Adoptionsvermittlung (SR 211.221.36) ist unter Vermittlung der Nachweis der Gelegenheit, ein unmündiges Kind zu adoptieren oder adoptieren zu lassen, zu verstehen. Diese Dienstleistung ist für die Adoptionswilligen weiterhin von grossem Nutzen, kann doch von den Zentralen Behörden
des Heimatstaates des Kindes nicht erwartet werden, dass sie wie eine Adoptionsvermittlungsstelle tätig werden und für Adoptionswillige Kinder suchen. Ferner kann es zu den Aufgaben der Vermittlungsstellen gehören, die Dossiers im Auftrag der künftigen Adoptiveltern zusammenzustellen und Anträge an die Behörden vorzubereiten. Darauf wird in Artikel 5 Absatz 2 E BG-HAÜ ausdrücklich hingewiesen.

223

Verfahren (Art. 4­13 E BG-HAÜ)

223.1

Verfahrenseinleitung und Pflegekinderverfahren (Art. 4 E BG-HAÜ)

Eingeleitet wird das staatsvertragliche Verfahren nach Artikel 14 HAÜ durch einen Antrag, der an die Zentrale Behörde des Aufnahmestaates zu richten ist. Artikel 4 Absatz 1 E BG-HAÜ präzisiert diese Vorschrift für den Fall, dass die künftigen Adoptiveltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben, und bestimmt, 90

Vgl. I. Ceschi (zit. FN 1), S. 192 ff.

5825

dass der Antrag auf Erteilung einer vorläufigen Bewilligung für die Aufnahme eines Kindes im Sinn von Artikel 8a der Pflegekinderverordnung lautet. Mit dieser Vorschrift wird das staatsvertragliche Verfahren mit dem bestehenden internen Pflegekinderverfahren verknüpft und damit zugleich eine Koordination von staatsvertraglichen und nicht-staatsvertraglichen internationalen Adoptionen erreicht. Sachlich bzw. örtlich zuständig ist die Zentrale Behörde des Kantons, in dem die Gesuchsteller Wohnsitz haben (vgl. Art. 316 Abs. 1 ZGB für die örtliche Zuständigkeit).

223.2

Sozialberichte über Eltern und Kind

Wie in einem rein schweizerischen Verfahren ist die Bewilligung auf Grund einer Untersuchung zu erteilen (Art. 7 Abs. 1 Pflegekinderverordnung), die in jedem Fall von einem Sachverständigen in Sozialarbeit vorgenommen werden muss (Art. 7 Abs. 2 Pflegekinderverordnung). Möglich ist auch, die Untersuchung einer Adoptionsvermittlungsstelle zu übertragen (Art. 5 Abs. 2 E BG-HAÜ; Art. 7 Abs. 2 Pflegekinderverordnung).

Ob die Adoptiveltern für die Aufnahme eines Kindes geeignet sind, ist anhand der Artikel 5 und 6 der Pflegekinderverordnung zu beantworten. Demnach müssen die Pflegeeltern, die ein ausländisches Kind zum Zweck der Adoption aufnehmen wollen, bereit sein, dieses in seiner Eigenart anzunehmen und es mit seinem Herkunftsland vertraut zu machen (Art. 6 Abs. 1 Pflegekinderverordnung). Ausserdem müssen die Pflegeeltern gewissen allgemeinen Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Persönlichkeit, Gesundheit und erzieherischen Eignung genügen (Art. 5 Pflegekinderverordnung). Demgegenüber entfällt im Rahmen von staatsvertraglichen Verfahren die Verpflichtung, die nach Artikel 6 Absatz 2 der Pflegekinderverordnung erforderlichen Dokumente vorzulegen; diese werden von der Zentralen Behörde des Heimatstaates des Kindes beschafft.

Die Artikel 5 und 6 der Pflegekinderverordnung sind in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 1 HAÜ zu lesen, der näher umschreibt, welches der Inhalt des Sozialberichts über die Eltern ist. Dieser muss Angaben enthalten zur Person der Antragsteller, zu ihrer rechtlichen Fähigkeit und Eignung zur Adoption, ihrem persönlichen, familiären und sozialen Umfeld, ihrer Krankheitsgeschichte sowie den Beweggründen für eine Adoption. Weiter hat sich der Bericht dazu zu äussern, ob die Antragsteller fähig sind, die mit einer internationalen Adoption verbundenen Aufgaben zu übernehmen. Schliesslich soll er auch Angaben darüber enthalten, welche Wünsche die Eltern in Bezug auf das Kind haben, z. B. was das Alter oder die Religionszugehörigkeit angeht.

Fällt der Sozialbericht positiv aus, so kann die vorläufige Bewilligung (Art. 4 Abs. 1 E BG-HAÜ, Art. 8a Pflegekinderverordnung) erteilt werden. Bericht und Bewilligung bilden zusammen mit allenfalls notwendigen Übersetzungen (Art. 34 HAÜ) das Elterndossier (Art. 5 Abs. 1 E BG-HAÜ). Das Elterndossier wird an die Zentrale Behörde des Bundes weitergeleitet,
die es auf formelle Vollständigkeit prüft. Sie wird auch überprüfen, ob der Bericht über die Pflegeeltern den Voraussetzungen von Artikel 15 Absatz 1 HAÜ entspricht, doch ist die Kontrolle auf formelle Fragen beschränkt. Ausgeschlossen ist eine Rückweisung des Berichts wegen materieller Bedenken, beispielsweise weil die Bundesbehörde die Eignung der Pflegeeltern im Gegensatz zur kantonalen Behörde negativ beurteilt. Schliesslich leitet die Zentrale Behörde des Bundes die erforderlichen Dokumente an die Zentrale Behörde des 5826

Staates weiter, den die künftigen Adoptiveltern bestimmt haben (Art. 5 Abs. 2 E BG-HAÜ). Dieser Staat prüft in der Folge, ob ein Kind zur Aufnahme durch die Adoptiveltern geeignet erscheint, erstellt nach den Vorschriften seines Rechts den Sozialbericht und besorgt die notwendigen Dokumente. Ist das Kinderdossier vollständig, so wird es über die Zentrale Behörde des Bundes wiederum der Zentralen Behörde des Kantons übermittelt.

223.3

Matching-Verfahren (Art. 7­9 E BG-HAÜ)

Damit tritt das Verfahren nach dem Haager Adoptionsübereinkommen in die Phase des so genannten Matching-Entscheides, der im positiven Fall den Weg zur Unterbringung des Kindes bei den Pflegeeltern freigibt. Die Zentrale Behörde des Kantons hat zunächst die schriftliche Zustimmung der künftigen Adoptiveltern einzuholen, die sich mit dem vorgeschlagenen Kind einverstanden erklären müssen (Art. 17 Bst. a HAÜ; Art. 6 E BG-HAÜ). Liegen diese Zustimmungserklärungen vor, so entscheidet die Zentrale Behörde, ob sie einer Fortsetzung des Verfahrens zustimmen kann (Art. 17 Bst. b und c HAÜ, Art. 7 Abs. 1 E BG-HAÜ). Diesem Matching-Entscheid91 kommt zentrale Bedeutung zu, weil damit im Falle einer Adoption im Ausland und faktisch auch bei einer Inlandsadoption die Weichen gestellt werden. Unter welchen Voraussetzungen die Zentrale Behörde der Fortsetzung zustimmt, ergibt sich aus den Artikeln 8 und 9 E BG-HAÜ. Sie unterscheiden sich danach, ob die Adoption im Heimatstaat des Kindes oder in der Schweiz ausgesprochen wird.

223.31

Adoption in der Schweiz (Art. 8 Abs. 1 E BG-HAÜ)

Findet die Adoption in der Schweiz statt, so kann das Verfahren unter den Voraussetzungen von Artikel 8 Absatz 1 E BG-HAÜ fortgesetzt werden. Demnach müssen die Pflegeeltern im Besitz einer definitiven Pflegekinderbewilligung (Art. 8 Pflegekinderverordnung) sein. Ausserdem müssen die fremdenpolizeilichen Behörden das Visum erteilen oder die Aufenthaltsbewilligung zugesichert haben (Art. 8 Abs. 1 Bst. b E BG-HAÜ), da das Kind ja als Pflegekind in die Schweiz kommt und das Schweizer Bürgerrecht erst mit der hiesigen Adoption erwerben wird. Dieselben Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn die Adoption zwar durch den Heimatstaat, aber erst nach Aufnahme des Kindes in der Schweiz ausgesprochen wird (Art. 8 Abs. 3 E BG-HAÜ).

Mit dem Verweis auf Artikel 8 der Pflegekinderverordnung wird wiederum die Koordination von staatsvertraglichem und ausserstaatsvertraglichem beziehungsweise rein inländischem Verfahren sichergestellt. Der Massstab für die Erteilung einer definitiven Pflegekinderbewilligung ist ebenfalls den Artikeln 5 und 6 der Pflegekinderverordnung zu entnehmen, die bereits für die Erteilung der vorläufigen Bewilligung massgebend waren. Eine zusätzliche Prüfung wird sich allenfalls auf die Fähigkeit der künftigen Adoptiveltern zur Aufnahme gerade dieses Kindes beziehen, das ja in der Regel erst jetzt namentlich bekannt ist.

91

Vgl. z.B. N. Meyer-Fabre (zit. FN 16), S. 281.

5827

223.32

Adoption im Heimatstaat (Art. 8 Abs. 2 und 9 E BG-HAÜ)

Nimmt der Heimatstaat die Kompetenz zur Adoption in Anspruch, so richten sich die Voraussetzungen für die Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens nach den Artikeln 8 Absatz 2 und 9 E BG-HAÜ. Der Fortsetzung ist demnach zuzustimmen, wenn die kantonale Zentrale Behörde die Adoption im Ausland bewilligt (Art. 8 Abs. 2 Bst. a E BG-HAÜ) und die Fremdenpolizei das Visum erteilt oder die Aufenthaltsbewilligung zusichert (Art. 8 Abs. 2 Bst. b E BG-HAÜ). Aufenthaltsbewilligung bzw. Visum sind nicht erforderlich, wenn die Adoption im Ausland den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts bewirkt, d. h. wenn das Kind von Schweizer Bürgern adoptiert wird und es sich um eine Volladoption handelt. Stattdessen soll die Zentrale Behörde des Bundes in diesen Fällen ein spezielles Dokument ausstellen, welches dem Kind die Einreise in die Schweiz erlaubt (Art. 10 E BG-HAÜ).

Das neue Institut der Bewilligung der Adoption im Heimatstaat ist in Artikel 9 E BG-HAÜ geregelt. Die Bewilligung ist demnach zu erteilen, wenn sinngemäss die Voraussetzungen der Artikel 264 ff. ZGB erfüllt sind. Diese Regelung rechtfertigt sich durch die Zielsetzung, die verschiedenen Adoptionskategorien ­ seien dies nationale oder internationale Adoptionen, bei den letzteren staatsvertragliche oder solche aus Nichtvertragsstaaten ­ soweit tunlich gleich zu behandeln und staatsvertragliche Adoptionen, welche eine höhere Zuverlässigkeit und bessere Zusammenarbeit mit den Heimatstaaten garantieren, gegenüber solchen aus Drittstaaten nicht zu erschweren. Schliesslich ist zu bedenken, dass die schweizerischen Behörden eine im Heimatstaat des Kindes ausgesprochene Adoption anerkennen müssen, wenn sie der Fortsetzung des Adoptionsverfahrens zugestimmt haben. Dem Fortsetzungsentscheid kommt deshalb endgültiger Charakter zu, soweit die Adoption im Heimatstaat ausgesprochen wird.

Im Einzelnen ist die Bewilligung der Adoption im Heimatstaat zu erteilen, wenn nach den Umständen zu erwarten ist, dass die Begründung eines Kindesverhältnisses dem Wohl des Kindes dient, ohne andere Kinder in unbilliger Weise zurückzusetzen (Art. 264 ZGB). Auch der Altersunterschied (Art. 265 Abs. 1 ZGB), das Mindestalter der Adoptierenden und ­ im Falle einer gemeinschaftlichen Adoption ­ die minimale Ehedauer (Art. 264a ZGB) müssen erfüllt sein. Hingegen kann die von Artikel 264
ZGB statuierte Pflegezeit naturgemäss nicht verlangt werden. Für die Zustimmungen von leiblichen Eltern und Kind stellt das Übereinkommen Minimalerfordernisse auf (Art. 4 Bst. c und d HAÜ). Im Übrigen bestimmen sich Voraussetzungen und Modalitäten der Zustimmungen nach dem auf die Adoption anwendbaren Recht. Dieses sagt insbesondere, wer zustimmen muss92 und in welcher Form diese Zustimmung zu erteilen ist, wobei die Schriftform Mindesterfordernis ist (Art. 4 Bst. c Ziff. 2 HAÜ). Im Falle einer Adoption in der Schweiz sind somit die Voraussetzungen des schweizerischen Rechts zu beachten (Art. 77 Abs. 1 IPRG).

Wird das Kind unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigegeben, so darf die Zustimmung erst nach der Geburt erteilt werden (Art. 4 Bst. c Ziff. 4 HAÜ), und zwar frühestens sechs Wochen nach der Geburt (Art. 265b ZGB). Die Zentrale Be-

92

Nach Art. 4 Bst. d HAÜ ist es Sache der Heimatbehörden, sich zu vergewissern, dass die Zustimmung des Kindes vorliegt. Ob eine Zustimmung des Kindes notwendig ist, bestimmt sich nach dem aus Sicht der Heimatbehörden anwendbaren Recht (G. ParraAranguren [zit. FN 33], Rz. 162).

5828

hörde des Kantons hat sich zu vergewissern, dass die erforderlichen Zustimmungen vorliegen (Art. 9 Abs. 1 Bst. d E BG-HAÜ).

Spricht der Heimatstaat des Kindes die Adoption ohne vorgängige Pflegezeit aus, so erteilt nach Artikel 9 Absatz 2 E BG-HAÜ die Zentrale Behörde des Kantons die Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens nur unter der Auflage, dass die Eltern das Kind vor der Adoption besuchen. Damit soll verhindert werden, dass die Eltern einen Entscheid fürs Leben fällen, ohne das Kind zuvor jemals gesehen zu haben.

Liegt die Zustimmung der Zentralen Behörden zur Fortsetzung des Verfahrens vor, so kann die Zentrale Behörde des Heimatstaates den Entscheid treffen, das Kind den künftigen Adoptiveltern anzuvertrauen. Damit ist der Weg frei zum Abschluss des Verfahrens, d. h. zur Einreise des Kindes in die Schweiz, entweder vor oder nach vollzogener Adoption.

223.4

Einreise des Kindes (Art. 10 E BG-HAÜ)

Auch bei den Vorschriften über Einreise und Aufenthalt des Kindes ist danach zu unterscheiden, ob die Adoption in der Schweiz oder bereits im Heimatstaat ausgesprochen wird. Im Fall einer Inlandsadoption kommt das Kind als ausländischer Staatsangehöriger in die Schweiz; das Schweizer Bürgerrecht erwirbt es erst mit der nach Ablauf der Pflegezeit ausgesprochenen Adoption. Es ist daher in jedem Fall um ein Visum oder eine Aufenthaltsbewilligung nachzusuchen, und zwar bereits vor dem Matching-Entscheid (Art. 8 Abs. 1 Bst. b E BG-HAÜ). Zuständig hierfür sind die fremdenpolizeilichen Behörden.

Wird die Adoption demgegenüber vom Heimatstaat des Kindes ausgesprochen, so kommt es bereits adoptiert in die Schweiz. Handelt es sich bei dieser Adoption um eine Volladoption durch Schweizer Bürger, so erwirbt das Kind mit der Anerkennung der ausländischen Adoption in der Schweiz das Schweizer Bürgerrecht. Um die Zeitspanne bis zur Ausstellung eines Schweizer Passes zu überbrücken, sieht Artikel 10 E BG-HAÜ vor, dass die Zentrale Behörde des Bundes ein Dokument ausstellt, welches dem Kind die Einreise in die Schweiz erlaubt. Dieses Dokument, das allgemein «laissez-passer» genannt wird, wird den Eltern ausgestellt, bevor sie das Kind abholen. Im Falle einer einfachen Adoption im Heimatstaat des Kindes erwirbt dieses das Schweizer Bürgerrecht nicht. Es sind deshalb in einem solchen Fall die allgemeinen Regeln über Einreise und Aufenthalt zu beachten (Art. 8 Abs. 2 Bst. b E BG-HAÜ).

223.5

Abschluss des Adoptionsverfahrens

Abgeschlossen wird das Verfahren nach dem Haager Adoptionsübereinkommen mit der Adoption. Auch dieser letzte Abschnitt verläuft unterschiedlich, je nachdem, ob die Adoption im Heimatstaat oder in der Schweiz ausgesprochen wird.

Nimmt der Heimatstaat die Kompetenz für die Adoption in Anspruch, so werden anwendbares Recht und Verfahren durch das Kollisionsrecht des Heimatstaates bestimmt. Ist hingegen die Adoption in der Schweiz auszusprechen, so unterstehen die Voraussetzungen einer Adoption schweizerischem Recht (Art. 77 Abs. 1 IPRG).

Das Kind kommt somit als Pflegekind in die Schweiz und wird bis zum Ablauf der

5829

einjährigen Pflegezeit nach Artikel 264 E ZGB bei den künftigen Adoptiveltern untergebracht. Für die Dauer des Pflegeverhältnisses ist ihm ein Vormund zu bestellen (Art. 14 E BG-HAÜ). Nach Ablauf der Pflegezeit können die künftigen Adoptiveltern das Adoptionsgesuch stellen. Sind die Voraussetzungen der Artikel 264 ff. ZGB erfüllt, verläuft insbesondere die Pflegezeit positiv, so spricht die Adoptionsbehörde die Adoption aus. Dieses Verfahren wird durch das Übereinkommen und das Bundesgesetz in keiner Weise berührt (zur Anerkennung dieser schweizerischen Adoption in den anderen Vertragsstaaten vgl. Ziff. 215).

223.6

Unterbringung eines Kindes im Ausland (Art. 13 E BG-HAÜ)

Das Bundesgesetz geht von der Prämisse aus, dass die Schweiz im Wesentlichen Aufnahmestaat und nur in Ausnahmefällen Heimatstaat im Sinne des Übereinkommens sein wird. Das Bundesgesetz ist auf diesen Normalfall zugeschnitten. Dennoch ist nicht auszuschliessen, dass ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz in einem anderen Vertragsstaat zum Zweck der Adoption untergebracht werden soll. Für diesen seltenen Fall trifft Artikel 13 E BG-HAÜ die wichtigsten Regelungen. Insbesondere veranlasst die Zentrale Behörde des Kantons den Sozialbericht über das Kind (Art. 13 Abs. 1 E BG-HAÜ), vergewissert sich, dass die künftigen Adoptiveltern mit der Aufnahme dieses Kindes einverstanden sind (Art. 13 Abs. 2 E BG-HAÜ), und trifft den Entscheid über die Fortsetzung des Verfahrens (Art. 13 Abs. 3 E BG-HAÜ). Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Verfahrensvorschriften des Bundesgesetzes in diesem Fall sinngemäss anzuwenden sind.

223.7

Anerkennung und Konversion von ausländischen Adoptionen

Über die Anerkennung einer nach dem Übereinkommen zu Stande gekommenen und im Ausland ausgesprochenen Adoption wird in der Schweiz die Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen entscheiden (Art. 32 Abs. 1 IPRG). Die Voraussetzungen der Anerkennung richten sich indessen nicht nach den Artikeln 32 Absatz 2 bzw.

25­27 IPRG, sondern nach Artikel 23 HAÜ (Art. 1 Abs. 2 IPRG).

Wie vorne dargelegt (vgl. Ziff. 216), wird die ausländische einfache Adoption in der Schweiz nur mit ihren beschränkten Wirkungen anerkannt. Namentlich vermittelt sie dem Kind nicht das Bürgerrecht der schweizerischen Adoptiveltern. Eine Volladoption, die klare Verhältnisse schafft und die Rechtsbeziehungen zur angestammten Familie erlöschen lässt, ist von den Kindesinteressen her gesehen aber in der Regel erwünscht. Die Adoptiveltern können deshalb in der Schweiz nach Ablauf eines Jahres seit der Aufnahme des Kindes ein Adoptionsgesuch gemäss den Artikeln 264 ff.

ZGB einreichen, sofern die Voraussetzungen des Übereinkommens erfüllt sind (dazu Ziff. 217). Dabei sind die Abklärungen, die im Rahmen des Haager Verfahrens durchgeführt worden sind, selbstverständlich mitzuberücksichtigen, so dass die schweizerische Adoption, wenn ein günstiger Bericht des Beistandes vorliegt (dazu Ziff. 224.2), ohne grossen Aufwand vollzogen werden kann. Aus diesem Grund verzichtet der Entwurf darauf, ein neues Institut für die Konversion einer einfachen Adoption in eine Volladoption zu schaffen.

5830

223.8

Weitere Bestimmungen

223.81

Auskunftspflicht (Art. 14 E BG-HAÜ)

Nach Artikel 14 E BG-HAÜ erteilen die zuständigen Behörden des Kantons (insbesondere Zentrale Behörde, Adoptionsbehörde, vormundschaftliche Behörden) der Zentralen Behörde des Bundes auf Verlangen Auskunft über die Verfahren, die sie in Anwendung des Übereinkommens durchführen. Diese Vorschrift setzt Artikel 9 Buchstabe e HAÜ um, welcher bestimmt, dass die Zentralen Behörden alle geeigneten Massnahmen zu treffen haben, um begründete Auskunftsersuchen ausländischer Stellen zu einem bestimmten Adoptionsfall zu beantworten.

223.82

Gebühren (Art. 15 E BG-HAÜ)

Internationale Adoptionen sind regelmässig mit erheblichen Kosten verbunden. Dies gilt auch für Adoptionen nach dem Haager Übereinkommen. Die im Entwurf vorgesehene Vollzugsstruktur in der Schweiz führt dazu, dass im Rahmen einer Adoption nach dem Übereinkommen sowohl auf Bundesebene als auch auf kantonaler Ebene Kosten entstehen. Das Schwergewicht wird bei den Kantonen liegen, da ihre Zentralen Behörden die Hauptverantwortung für das Verfahren und insbesondere für die Durchführung der «enquête sociale» bei den Adoptiveltern tragen. Es versteht sich von selbst, dass nach dem Verursacherprinzip die künftigen Adoptiveltern diese Kosten zu tragen haben. Hinsichtlich der Aufwendungen der Zentralen Behörde des Bundes enthält Artikel 15 E BG-HAÜ die für eine Gebührenerhebung erforderliche gesetzliche Grundlage, wobei die Einzelheiten in einem Gebührentarif festgelegt werden sollen (Art. 15 Abs. 3 E BG-HAÜ). Es können auch Vorschüsse verlangt werden (Art. 15 Abs. 2 E BG-HAÜ). Für die Kosten, die auf kantonaler Ebene anfallen, ist das kantonale Recht massgebend.

223.83

Rechtsmittel (Art. 16 E BG-HAÜ)

Artikel 16 E BG-HAÜ regelt den Rechtsweg für Anordnungen und Verfügungen, die im Rahmen des Vollzugs des Haager Adoptionsübereinkommens getroffen werden. Gemäss Absatz 1 unterliegen Verfügungen der Zentralen Behörden der Kantone letztinstanzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Das gleiche Rechtsmittel ist gemäss Artikel 27 der Pflegekinderverordnung gegeben, wenn eine vorläufige oder endgültige Pflegekinderbewilligung verweigert wird.

Auch der Entscheid über die Zustimmung zur Adoption im Ausland unterliegt letztinstanzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Zwar sind innerstaatliche Adoptionen nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern mit Berufung ans Bundesgericht anfechtbar (Art. 44 Bundesrechtspflegegesetz, OG; SR 173.110). Im Interesse der Praktikabilität und einer einheitlichen Rechtsanwendung empfiehlt es sich indessen, für den Vollzug des Übereinkommens immer das gleiche Rechtsmittel vorzusehen. Das kantonale Rechtsschutzverfahren wird im Rahmen von Artikel 98a OG von den Kantonen geregelt.

Artikel 16 E BG-HAÜ bezweckt keineswegs, den Rechtsschutz durch das Bundesgericht auszubauen. Gegenüber dem geltenden Recht wird ein neues Beschwerdeobjekt deshalb nur in einem Fall geschaffen, nämlich wenn die Fortsetzung des 5831

Verfahrens (Art. 7 E BG-HAÜ) verweigert wird. Eine Beschwerde gegen einen negativen Matching-Entscheid kommt allerdings nur in Betracht, wenn alle vorherigen Bewilligungen erteilt wurden und bloss die Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens nicht erteilt wird. Ein solcher Fall könnte beispielsweise eintreten, wenn nicht zu überwindende Zweifel bestehen, dass das ausländische Verfahren korrekt abgewickelt wurde. In diesem Fall ist das Rechtsschutzbedürfnis demjenigen bei Verweigerung einer Pflegekinderbewilligung vergleichbar.

Artikel 16 E BG-HAÜ bezieht sich nicht auf den Rechtsschutz im Bereich der für das Verfahren notwendigen ausländerrechtlichen Bewilligungen und auch nicht auf die Kindesschutzmassnahmen nach Kapitel 3.

Nach Artikel 16 Absatz 2 E BG-HAÜ ist die Zentrale Behörde des Bundes berechtigt, gegen Verfügungen der Zentralen Behörden der Kantone die Rechtsmittel des kantonalen und des eidgenössischen Rechts zu ergreifen.

224

Massnahmen zum Schutz des Kindes bei internationalen Adoptionen (Art. 17­20 E BG-HAÜ)

224.1

Einleitung

Kapitel 3 enthält eine Reihe von Bestimmungen, die den Schutz des Kindes bei internationalen Adoptionen verbessern sollen. Nach Artikel 17 E BG-HAÜ ist eine Beistandschaft anzuordnen, wenn das Kind vor seiner Ausreise adoptiert worden ist und die Adoption in der Schweiz anerkannt werden kann. Wird das Kind dagegen erst in der Schweiz adoptiert oder kann die ausländische Adoption nicht anerkannt werden, so ist ein Vormund zu ernennen (Art. 18 E BG-HAÜ). Nach Artikel 19 E BG-HAÜ ist das Kind bei einer geeigneten Pflegefamilie unterzubringen, wenn es zum Zweck der Adoption aufgenommen wurde, ohne dass die notwendigen Bewilligungen vorlagen. Artikel 20 E BG-HAÜ statuiert schliesslich eine gesetzliche Unterhaltspflicht für Personen, welche ein Kind zur Adoption in der Schweiz aufnehmen.

Diese Bestimmungen sind im Entwurf so formuliert, dass die Schutzmassnahmen unabhängig davon zur Anwendung gelangen, ob das Kind aus einem Vertragsstaat des Haager Adoptionsübereinkommens stammt oder nicht. Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des dritten Kapitels ist also im Gegensatz zum zweiten Kapitel umfassend. Damit wurde einer im Vernehmlassungsverfahren vorgebrachten Kritik Rechnung getragen.

224.2

Adoptionsbeistand (Art. 17 E BG-HAÜ)

Mit der Anerkennung von Adoptionen, die ohne oder nach einer nur wenige Tage dauernden Pflegezeit im Ausland ausgesprochen werden, sind die Adoptiveltern von Anfang an rechtlich die Eltern des Kindes und damit auch Inhaber der elterlichen Sorge, ohne dass ihre erzieherische Eignung tatsächlich erprobt ist. Eine Begleitung des Pflegekindverhältnisses in der ersten Zeit durch die Pflegekinder-Aufsichtsbehörde und den Vormund des Kindes im Sinne des schweizerischen Adoptionsrechts entfällt. Treten Schwierigkeiten auf, so kann es vor allem in städtischen Ver-

5832

hältnissen lange dauern, bis die Behörden Kenntnis davon bekommen. Das ist vom Kindesschutz her gesehen bedenklich93.

Artikel 17 Absatz 1 E BG-HAÜ sieht deshalb vor, dass die Vormundschaftsbehörde dem Kind unverzüglich nach seiner Einreise in die Schweiz einen Adoptionsbeistand ernennt. Voraussetzung ist, dass das Kind vor seiner Einreise adoptiert worden ist und zu erwarten ist, dass die ausländische Adoption in der Schweiz anerkannt werden kann. Damit werden sowohl Adoptionen nach dem Haager Adoptionsübereinkommen erfasst wie auch solche im Verhältnis zu Nicht-Vertragsstaaten, wenn die Anerkennungsvoraussetzungen nach Artikel 78 IPRG gegeben sind. Zur Durchsetzung dieser Schutzmassnahme werden die Adoptiveltern in Artikel 11 E BGHAÜ verpflichtet, die Einreise des Kindes unverzüglich mitzuteilen; eine entsprechende Pflicht gilt nach Artikel 8b Absatz 4 der Pflegekinderverordnung auch bei der Aufnahme von Kindern aus Nichtvertragsstaaten. Im Übrigen muss die Zentrale Behörde des Kantons die Vormundschaftsbehörde bereits im Zeitpunkt ihres Matching-Entscheides über die bevorstehende Aufnahme orientieren (Art. 7 Abs. 3 E BG-HAÜ).

Artikel 17 Absatz 2 E BG-HAÜ umschreibt in Anlehnung an Artikel 308 Absatz 1 ZGB die Aufgaben des Beistandes. Dieser unterstützt die Adoptiveltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat. Im Fall einer einfachen Adoption soll er mit den Adoptiveltern die Möglichkeit einer «Aufwertung» zur Volladoption prüfen und ihnen bei der Einleitung des entsprechenden Verfahrens behilflich sein (vgl. Ziff.

217). Dem Beistand kann auch die Berichterstattung übertragen werden, wenn der Heimatstaat des Kindes regelmässige Berichte über die Entwicklung des Pflegeverhältnisses verlangt94.

Der Beistand hat der Vormundschaftsbehörde Bericht über die Entwicklung des Adoptionsverhältnisses zu erstatten, sobald ernsthafte Schwierigkeiten auftreten, spätestens aber nach Ablauf eines Jahres. Damit wird sichergestellt, dass die vormundschaftlichen Behörden nötigenfalls Kindesschutzmassnahmen nach den Artikeln 307 ff. ZGB anordnen können. Sind Schwierigkeiten nicht anders behebbar, so muss das Kind gestützt auf Artikel 310 ZGB umplatziert werden. Allerdings setzt eine Umplatzierung in eine andere Familie zum Zweck späterer Adoption die Zustimmung der Adoptiveltern (Art. 265a Abs. 1 ZGB) voraus,
da sie rechtlich bereits Elternstellung im Sinne des Kindesrechts innehaben. Der Entwurf verzichtet indessen darauf, in Artikel 265c ZGB im Interesse des Kindes einen neuen Grund für das Absehen von der Zustimmung der Adoptiveltern zu einer weiteren Adoption vorzusehen, und baut darauf, dass diese bei grossen Schwierigkeiten mit der Platzierung in einer anderen Adoptivfamilie einverstanden sein werden.

Die Beistandschaft fällt spätestens nach 18 Monaten von Gesetzes wegen dahin. Die Anordnung von Kindesschutzmassnahmen nach den Artikeln 307 ff. ZGB bleibt selbstverständlich vorbehalten (Art. 17 Abs. 4 E BG-HAÜ). Diese Frist gewährleistet, dass das Kind in etwa gleich lang von einer aussenstehenden Person begleitet wird, wie wenn die Adoption in der Schweiz ausgesprochen würde. Damit wird auch eine stossende Ungleichbehandlung vermieden je nachdem, ob der Heimatstaat des Kindes die Zuständigkeit für den Adoptionsentscheid in Anspruch nimmt oder nicht.

Die 18-monatige Frist beginnt mit der Mitteilung der Einreise des Kindes (Art. 11 E BG-HAÜ; Art. 8b Abs. 4 Pflegekinderverordnung). Damit wird verhindert, dass 93 94

Vgl. auch C. Hegnauer (zit. FN 34), S. 195 f.

Das ist beispielsweise in Indien der Fall; vgl. E. D. Jaffe (zit. FN 20), S. 33.

5833

pflichtvergessene Eltern durch verspätete Meldungen die Dauer der Massnahme faktisch verkürzen können. Gleichzeitig wird gewährleistet, dass allfällige Verzögerungen seitens der zuständigen Behörden bei der Ernennung des Beistands nicht zu Lasten der Eltern gehen. In denjenigen Fällen, in denen die Mitteilung der Einreise des Kindes unterbleibt, beginnt die Frist mit der Ernennung des Beistandes zu laufen.

Anordnung und Aufhebung der Beistandschaft sollen wie bei den übrigen Beistandschaften der Berufung ans Bundesgericht unterliegen (dazu Ziff. 232).

224.3

Vormundschaft bei Adoption nach der Ausreise (Art. 18 E BG-HAÜ)

Artikel 18 E BG-HAÜ stellt sicher, dass dem Kind ein Vormund bestellt wird, wenn es als Pflegekind in die Schweiz einreist und erst nachher adoptiert wird oder wenn eine ausländische Adoption in der Schweiz nicht anerkannt werden kann. Ein besonderes Verfahren zum Entzug der elterlichen Sorge (Art. 311 f. ZGB) ist nicht nötig. Vielmehr liegt eine Situation vor, in welcher die elterliche Sorge faktisch nicht mehr ausgeübt werden kann. Der Fall ist deshalb entsprechend Artikel 368 ZGB zu behandeln. Rechtsmittel ist die Vormundschaftsbeschwerde nach Artikel 420 ZGB.

224.4

Massnahmen bei Aufnahme ohne Bewilligung (Art. 19 E-BG-HAÜ)

Leider kommt es immer wieder vor, dass Adoptionsbewerber sich dem staatlichen Verfahren entziehen und erst dann um eine Bewilligung nachsuchen, wenn sich das Kind bereits in der Schweiz befindet. Das darf aus der Sicht des Kindesschutzes nicht toleriert werden und verletzt auch die Verpflichtungen, die sich aus dem Übereinkommen ergeben. Wer sich nicht einem sorgfältigen Vorbereitungsverfahren unterziehen will, muss grundsätzlich als ungeeignet für die Aufnahme eines Adoptivkindes angesehen werden.

Der Entwurf sieht deshalb in Artikel 19 vor, dass die Pflegekinderaufsichtsbehörde (die mit der kantonalen Zentralen Behörde identisch ist, Art. 3 Abs. 1 E BG-HAÜ) Kinder, welche zum Zweck der Adoption aufgenommen wurden, ohne dass die Voraussetzungen für die Einreise erfüllt waren, unverzüglich in einer geeigneten Pflegefamilie unterzubringen hat. Die Voraussetzungen sind unterschiedlich, je nachdem ob das Kind vor seiner Aufnahme den gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des Haager Übereinkommens oder in einem Nichtvertragsstaat hatte.

Stammt das Kind aus einem Vertragsstaat, so müssen die Bewilligungen nach Artikel 17 HAÜ und Artikel 8 E BG-HAÜ vorliegen. Wurde das Kind aus einem Nichtvertragsstaat in die Schweiz gebracht, so müssen zusätzlich zur vorläufigen Pflegekinderbewilligung (Art. 8a Pflegekinderverordnung) auch die Bewilligungen nach Artikel 8b Absatz 3 der Pflegekinderverordnung erteilt worden sein.

Fehlen diese Bewilligungen, so ist das Kind grundsätzlich unverzüglich in einer geeigneten Pflegefamilie oder in einem Heim unterzubringen. Es ist jedoch zu unterstreichen, dass die Bestimmung offen formuliert ist und in jedem Fall das Primat des Kindeswohls gilt. Geeignete Pflegefamilie im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 E BG5834

HAÜ können deshalb ausnahmsweise auch die Personen sein, welche das Kind ohne Bewilligung aufgenommen haben95. Allerdings kommt dies nur beim Vorliegen ausserordentlicher Umstände in Betracht, insbesondere wenn das Kind schon längere Zeit bei diesen Personen lebt und eine Umplatzierung deshalb mit dem Kindeswohl nicht vereinbar wäre. Die Regel muss indessen sein, dass das Kind sofort wegzunehmen ist96. Wer sich nicht an das von Übereinkommen, Bundesgesetz und Verordnung vorgesehene Verfahren hält, muss damit rechnen, dass er nicht an sein Ziel kommt, sein Kinderwunsch also unerfüllt bleibt.

Ist das Kind umzuplatzieren, so hat die Pflegekinderaufsichtsbehörde über eine allfällige Rückkehr des Kindes in seinen Heimatstaat zu entscheiden (Art. 19 Abs. 3 erster Satz E BG-HAÜ). Eine solche wird allerdings nur ausnahmsweise in Frage kommen. Sie ist namentlich am Platz, wenn das Kind seinen leiblichen Eltern rechtswidrig entzogen worden ist. Stammt das Kind aus einem Vertragsstaat, so ist über die Rückkehr ­ wie auch über die anderen erforderlichen Massnahmen ­ in Absprache mit dem Herkunftsstaat des Kindes zu befinden (vgl. Art. 21 HAÜ). Bleibt das Kind in der Schweiz, so treffen die vormundschaftlichen Behörden die zur Wahrung des Kindeswohls notwendigen Massnahmen (Art. 19 Abs. 3 zweiter Satz E BG-HAÜ; vgl. Art. 315 ZGB).

Nach Artikel 19 Absatz 2 E BG-HAÜ kommt Rechtsmitteln gegen die Verfügung über die Umplatzierung keine aufschiebende Wirkung zu. Vor allem bei kleineren Kindern ist rasches Handeln von zentraler Bedeutung, da unter dem Aspekt des Kindeswohls eine Umplatzierung schon nach verhältnismässig kurzer Zeit problematisch erscheinen kann.

Die Weiterziehung des Entscheides der Pflegekinderaufsichtsbehörde richtet sich im Übrigen nach kantonalem Recht (vgl. Art. 27 Abs. 2 Pflegekinderverordnung).

Letztinstanzlich steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zur Verfügung.

224.5

Unterhaltspflicht (Art. 20 E BG-HAÜ)

Artikel 20 E BG-HAÜ begründet eine gesetzliche Unterhaltspflicht für alle jene Personen, welche ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland zur Adoption in der Schweiz aufnehmen. Diese Verpflichtung besteht in Analogie zur Unterhaltspflicht der Eltern nach den Artikeln 276 ff. ZGB. Sie erlangt nur dann eigenständige Bedeutung, wenn die Adoption scheitert. Die Unterhaltspflicht der künftigen Adoptiveltern war bisher in Artikel 6 Absatz 4 der Pflegekinderverordnung verankert97.

Die Bestimmung vermochte nicht voll zu befriedigen, weil sie nur zur Anwendung

95 96

97

Diese Möglichkeit wurde von vielen Vernehmlassungsteilnehmern übersehen, welche einen Umplatzierungsautomatismus ablehnten; vgl. Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 13.

Die Notwendigkeit eines raschen Handelns ergibt sich auch aus dem Umstand, dass nicht ausgeschlossen ist, dass auch ein bloss faktisches Pflegekindverhältnis unter den Schutz von Art. 8 EMRK fallen könnte; vgl. dazu Bundesgericht (II. Zivilabteilung), 20. Jan.

1993 (unveröffentlicht), sowie M. Jametti Greiner, Adoption in der Schweiz, Überblick über die Rechtsprechung, Adoption und UNO-Konvention über die Rechte des Kindes, ZVW 1994, S. 52­72, S. 60 f.

Art. 6 Abs. 4 Pflegekinderverordnung wird weiterhin Grundlage sein für die Unterhaltspflicht in rein schweizerischen Adoptionsfällen, da die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 20 E BG-HAÜ hier naturgemäss nicht erfüllt werden können.

5835

gelangte, wenn die künftigen Adoptiveltern sich an das vorgeschriebene Verfahren hielten.

Wie die anderen Schutzmassnahmen gilt Artikel 20 E BG-HAÜ unabhängig davon, ob das Kind aus einem Vertragsstaat stammt oder nicht. Die gesetzliche Unterhaltspflicht entsteht auch, wenn das Kind ohne die notwendigen Bewilligungen nach Artikel 17 HAÜ und Artikel 8 E BG-HAÜ bzw. Artikel 8 der Pflegekinderverordnung aufgenommen wird, denn es wäre offensichtlich unhaltbar, denjenigen schlechter zu stellen, der sich an die vorgeschriebenen Verfahren hält. Der Verweis auf die Artikel 276 ff. ZGB bezieht sich sowohl auf Gegenstand und Umfang der Unterhaltspflicht wie auch auf deren Dauer sowie auf die verfahrensrechtlichen Vorschriften.

Die Unterhaltspflicht dauert bis zur Mündigkeit des Kindes oder darüber hinaus, wenn sich das Kind dann noch in Ausbildung befindet (Art. 277 ZGB). Sie erlischt, sobald das Kind in der Schweiz oder einem anderen Staat von Drittpersonen adoptiert worden oder in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt ist98 (Art. 20 Abs. 3 E BGHAÜ).

Die Unterhaltspflicht kann eine ausserordentliche finanzielle Belastung darstellen.

In Analogie zu Artikel 329 Absatz 2 ZGB wird daher dem nach Artikel 279 ZGB zuständigen Gericht die Befugnis eingeräumt, sie zu ermässigen oder ganz aufzuheben. Voraussetzung ist, dass die Unterhaltspflicht eine unbillige Belastung darstellt, wobei das Gericht alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat (Art. 4 ZGB).

225

Finanzhilfen (Art. 21 E BG-HAÜ)

Die schweizerischen Behörden werden sich nach Inkrafttreten des Übereinkommens intensiver als bisher mit ausländischem Adoptionsrecht und ausländischen Adoptionsverfahren auseinander setzen müssen. Dies gilt insbesondere für die Zentrale Behörde des Bundes, zu deren Aufgaben es gehören wird, den Kantonen entsprechende Auskünfte zu erteilen (vgl. Art. 2 Abs. 2 Bst. b E BG-HAÜ). Zu diesem Zweck bedarf es einer gut ausgebauten und aktuellen Dokumentation. Der Internationale Sozialdienst (Service Social International, SSI) in Genf ist derzeit daran, eine solche Dokumentation aufzubauen. Sie soll insbesondere die einschlägige Gesetzgebung erfassen und Aufschluss geben über das Adoptionswesen in den Vertragsstaaten.

Dieses Vorhaben soll bis auf weiteres mit einem jährlich wiederkehrenden Beitrag von rund 30 000 Franken unterstützt werden. Artikel 21 Buchstabe a E BG-HAÜ enthält die dafür notwendige gesetzliche Grundlage. Nach Buchstabe b können Finanzhilfen auch für weitere wissenschaftliche Studien und Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Adoptionswesens gewährt werden.

98

Die Unterhaltspflicht umfasst auch Rückreisekosten, wenn das Kind ausnahmsweise in sein Herkunftsland zurückkehrt; das entspricht auch der herrschenden Auslegung von Art. 6 Abs. 4 Pflegekinderverordnung; vgl. Kreisschreiben des Bundesrates an die Aufsichtsbehörden über das Pflegekinderwesen und die Adoptionsvermittlung vom 21. Dez.

1988, BBl 1989 I 3.

5836

226

Strafbestimmungen (Art. 22­25 E BG-HAÜ)

226.1

Überblick

Das Haager Adoptionsübereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten in einer ganzen Reihe von Bestimmungen, Massnahmen gegen Praktiken zu ergreifen, die unter dem Sammelbegriff Kinderhandel zusammengefasst werden können. Namentlich müssen alle geeigneten Massnahmen getroffen werden, um unstatthafte Vermögensoder sonstige Vorteile im Zusammenhang mit einer Adoption auszuschliessen und alle den Zielen des Übereinkommens zuwiderlaufenden Praktiken zu verhindern (Art. 4 Bst. c Ziff. 3 und Bst. d Ziff. 4, Art. 8 und 32 HAÜ). Nach Artikel 33 HAÜ sind die Zentralen Behörden auch dafür verantwortlich, dass Verletzungen des Übereinkommens sanktioniert werden. Dieser Verpflichtung tragen die Strafbestimmungen nach den Artikeln 22­24 E BG-HAÜ Rechnung. In der Vernehmlassung sind die Strafbestimmungen auf ein grundsätzlich positives Echo gestossen, wobei die Meinungen über den Strafrahmen geteilt blieben99.

226.2

Aufnahme ohne Bewilligung und Widerhandlung gegen Auflagen (Art. 22 E BG-HAÜ)

Artikel 22 E BG-HAÜ bedroht diejenigen Personen mit Strafe, welche vorsätzlich oder fahrlässig ein Adoptivkind aufnehmen, ohne gewisse grundlegende Verfahrensregeln zu beachten. Mit Haft oder Busse bis 20 000 Franken wird zunächst bestraft, wer ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland zum Zweck der späteren Adoption bei sich aufnimmt, ohne dass die notwendigen Bewilligungen vorliegen (Art. 22 Abs. 1 E BG-HAÜ). Welche Bewilligungen erforderlich sind, hängt davon ab, ob das Kind aus einem Vertragsstaat stammt oder nicht. Im Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens müssen die Aufnehmenden im Besitz der Bewilligungen nach Artikel 17 HAÜ und Artikel 8 E BG-HAÜ sein, d. h. der vorläufigen Pflegekinderbewilligung (Art. 8 Abs. 1 Bst. a; Art. 8a Pflegekinderverordnung) oder der Bewilligung zur Adoption im Heimatstaat (Art. 8 Abs. 2 Bst. a, Art. 9 E BG-HAÜ) sowie der entsprechenden fremdenpolizeilichen Bewilligungen (Art. 8 Abs. 1 Bst. b und 2 Bst. b E BG-HAÜ). Hatte das Kind vor seiner Aufnahme in der Schweiz nicht gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat, so müssen die Bewilligungen nach den Artikeln 8a und 8b der Pflegekinderverordnung erteilt worden sein.

Mit Busse bis 10 000 Franken wird ferner bestraft, wer fahrlässig oder vorsätzlich Auflagen oder Bedingungen zuwiderhandelt, welche die zuständige kantonale Behörde mit den Bewilligungen nach diesem Gesetz oder der Pflegekinderverordnung verbunden hat. Zu diesen Auflagen zählt beispielsweise die Verpflichtung von Artikel 9 Absatz 2 E BG-HAÜ, das Kind vor der Adoption zu besuchen.

Die Ausgestaltung als blosse Übertretung trägt dem Umstand Rechnung, dass die durch Artikel 22 E BG-HAÜ erfassten Vorschriften für ein korrektes Adoptionsverfahren zwar wichtig sind, der Unrechtsgehalt von Widerhandlungen jedoch deutlich geringer ist als in den Fällen eines eigentlichen Kinderkaufs. Die rechtstechnischen Probleme, die für eine Ausgestaltung von Artikel 23 E BG-HAÜ als Vergehen sprechen, stellen sich hier nicht; insbesondere lässt sich ohne ausgedehntes Rechtshilfe99

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 14 f., 23 f.

5837

verfahren feststellen, ob die für die Aufnahme des Kindes notwendigen Bewilligungen vorlagen.

226.3

Verschaffen unstatthafter Vermögensvorteile (Art. 23 E BG-HAÜ)

Nach Artikel 23 E BG-HAÜ wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer vorsätzlich den Eltern eines Kindes unstatthafte Vermögens- und sonstige Vorteile zukommen lässt und damit bewirkt, dass das Kind ihm zum Zweck der Adoption anvertraut wird. Täterin oder Täter kann somit nur eine Person sein, welche ein Kind bei sich aufnehmen will. Was als unstatthafter Vermögensvorteil gilt, ist im Lichte von Artikel 32 HAÜ zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift dürfen nur Kosten und Auslagen einschliesslich angemessener Honorare in Rechnung gestellt werden. Unangemessen hohe Vergütungen für die Angestellten von Organisationen, die an einer Adoption mitwirken, sind verboten. Untersagt sind nicht nur Geldleistungen und sonstige geldwerte Zuwendungen, sondern auch andere Vorteile, sofern sie im Lichte von Artikel 32 HAÜ als unstatthaft anzusehen sind. Obwohl Artikel 32 HAÜ nur im Verhältnis zu Vertragsstaaten direkte Geltung hat, lassen sich diese Kriterien ohne weiteres auch auf den ausserstaatsvertraglichen Bereich anwenden. Strafbar ist sowohl die Auslands- wie die reine Inlandstat.

Die Ausgestaltung als Vergehen trägt Bedenken Rechnung, welche in der Vernehmlassung hinsichtlich der Verjährungsfrist und der Rechtshilfefähigkeit einer blossen Übertretung geltend gemacht worden sind100.

226.4

Kinderhandel (Art. 24 E BG-HAÜ)

Artikel 24 E BG-HAÜ bedroht diejenigen Personen mit Strafe, welche missbräuchliche Praktiken anwenden, um Kinder zum Zweck der Adoption zu vermitteln, ohne aber selber eine Adoption anzustreben. Anders als bei den Artikeln 22 und 23 E BGHAÜ erfasst Artikel 24 also Dritte, die beispielsweise ohne Bewilligung Kinder vermitteln, Kontakte herstellen, Dokumente beschaffen oder sonstwie dem Kinderhandel Vorschub leisten. Nach gemeinem Strafrecht können solche Praktiken als Menschenhandel (Art. 196 Abs. 1 Strafgesetzbuch, StGB; SR 311.0) nur verfolgt werden, wenn damit «der Unzucht eines anderen Vorschub» geleistet wird. Hingegen ist eine Strafverfolgung bereits heute möglich, wenn die Sorgeberechtigten mit Gewalt oder Drohung dazu gebracht werden, das Kind anderen Personen anzuvertrauen.

Tathandlung ist wie bei Artikel 23 E BG-HAÜ das Verschaffen eines unstatthaften Vermögens- oder sonstigen Vorteils an die leiblichen Eltern oder andere Sorgeberechtigte des Kindes. Die Handlung muss bewirken, dass ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland einer Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz zum Zweck der Adoption anvertraut wird. Die Strafandrohung von Artikel 24 E BG-HAÜ lautet auf Gefängnis. Wenn die Täterin oder der Täter gewerbsmässig oder als Mitglied einer Bande oder einer kriminellen Organisation handelt, ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren und Busse bis 100 000 Franken.

100

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 14 f.

5838

Da Artikel 24 E BG-HAÜ auch die Adoptionsvermittlung ohne Bewilligung unter Strafe stellt, wird die entsprechende Strafnorm in der Verordnung vom 28. März 1973 über die Adoptionsvermittlung (Art. 17 Abs. 2 Bst. a; SR 211.221.36) aufzuheben sein.

226.5

Zuständigkeit (Art. 25 E BG-HAÜ)

Artikel 25 E BG-HAÜ stellt klar, dass die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten nach dem 5. Kapitel des Entwurfs den kantonalen Strafverfolgungsbehörden obliegen.

227

Schlussbestimmungen

227.1

Ausführungsbestimmungen (Art. 26 E BG-HAÜ)

Artikel 26 E BG-HAÜ ermächtigt den Bundesrat, die nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Namentlich muss der Bundesrat im Rahmen der Pflegekinderverordnung die für die Koordination zwischen staatsvertraglichen und ausserstaatsvertraglichen Verfahren notwendigen Bestimmungen erlassen.

227.2

Übergangsbestimmungen (Art. 27 E BG-HAÜ)

Artikel 27 E BG-HAÜ enthält die übergangsrechtlichen Bestimmungen. Danach sind alle hängigen Verfahren nach dem neuen Recht abzuwickeln, es sei denn, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits eine vorläufige Bewilligung zur Aufnahme eines Pflegekindes erteilt worden ist (Art. 27 Abs. 1 E BG-HAÜ). Hängige Gesuche um Erteilung einer solchen Bewilligung sind der neu einzurichtenden Zentralen Behörde des Kantons zu überweisen (Art. 27 Abs. 2 E BG-HAÜ).

23

Anpassungen des übrigen Bundesrechts

231

Zivilgesetzbuch

231.1

Herabsetzung der erforderlichen Pflegedauer auf ein Jahr (Art. 264 E ZGB)

Nach geltendem schweizerischem Recht setzt die Adoption eines unmündigen Kindes ein Pflegeverhältnis von mindestens zwei Jahren voraus (Art. 264 ZGB). Dieses trägt den umfassenden Wirkungen und der Unauflöslichkeit der Volladoption Rechnung. Während der Pflegezeit zeigt sich in der Regel, ob die künftigen Adoptiveltern sich als Erzieher des Kindes bewähren und eine tragfähige Beziehung zwischen Eltern und Kind entsteht. Auch wenn die Adoptiveltern noch so sorgfältig ausgewählt werden, bleibt ein Pflegeverhältnis im Sinne einer Probezeit für alle Beteiligten sinnvoll. Dieses bildet die Grundlage, um zu beurteilen, ob die Adoption wirklich im Interesse des Kindes liegt.

5839

Indessen ist die zweijährige Pflegedauer rechtsvergleichend gesehen relativ lang101.

Soweit ausländische Staaten ein Pflegeverhältnis vor der Adoption vorschreiben, beträgt dessen Dauer zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Hinzu kommt, dass die Schweiz nach dem Übereinkommen verpflichtet sein wird, Auslandsadoptionen anzuerkennen, bei welchen kein Pflegeverhältnis oder ein solches von nur wenigen Tagen vorausgegangen ist. Vor diesem Hintergrund müsste das Festhalten an der zweijährigen Pflegedauer zu einer problematischen Ungleichbehandlung gegenüber all jenen Personen führen, die ihr Kind in der Schweiz adoptieren. Dennoch scheint es nicht angezeigt, gänzlich auf das Erfordernis eines Pflegeverhältnisses zu verzichten, welches sich im Allgemeinen doch bewährt hat102. Im Sinne eines Mittelwegs soll deshalb die minimale Pflegedauer auf ein Jahr herabgesetzt werden.

Gleichzeitig verpflichtet der Entwurf im Interesse einer Harmonisierung von Inlands- und Auslandsadoptionen die Vormundschaftsbehörden, dem Kind, welches vor der Einreise in der Schweiz bereits adoptiert ist, einen Beistand zu ernennen, welcher in der ersten Zeit die Entwicklung des Adoptionsverhältnisses begleitet (dazu Ziff. 224.2).

231.2

Zuständige Pflegekinderaufsichtsbehörde bei Aufnahme eines Kindes zum Zweck späterer Adoption (Art. 316 Abs. 1bis E ZGB)

Die Pflegekinderbewilligung wird nach Artikel 316 Absatz 1 ZGB von der Vormundschaftsbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle erteilt. In verschiedenen Kantonen ist eine Gemeindebehörde hierfür zuständig. Die Beurteilung der Voraussetzungen für die Aufnahme eines Kindes zum Zweck späterer Adoption stellt indessen hohe Anforderungen an das Fachwissen und die Erfahrung der zuständigen Behörden. Die Auswahl der Pflegeeltern und eine sorgfältige Abklärung der Frage, ob Kind und Pflegeeltern zusammenpassen, sind für das Gelingen der Adoption von entscheidender Bedeutung. Fachkräfte mit dem notwendigen Spezialwissen sind jedoch in kleineren Gemeinden vielfach nicht vorhanden.

Dazu kommt, dass die geringe Zahl der Fälle die Entwicklung und Befolgung klarer Richtlinien erschwert. Aus diesen Gründen hat das Bundesamt für Justiz schon bei der Revision der Pflegekinderverordnung im Jahre 1988 den Kantonen empfohlen, die Zuständigkeit für die Erteilung der erforderlichen Bewilligung und die Beaufsichtigung bei Aufnahme eines Pflegekindes zwecks späterer Adoption einer einzigen kantonalen Behörde zu übertragen. Verschiedene Kantone sind dieser Empfehlung auch gefolgt oder hatten bereits zuvor eine entsprechende Zuständigkeit vorgesehen. Die Ratifizierung des Haager Übereinkommens bietet eine Gelegenheit, um diese sachlich überzeugende Lösung gesamtschweizerisch verbindlich vorzuschreiben, zumal die Pflegekinderaufsichtsbehörde auch Zentrale Behörde des Kantons sein soll (Art. 3 Abs. 1 E BG-HAÜ). Artikel 316 Absatz 1bis E ZGB verpflichtet deshalb die Kantone, bei der Platzierung von Pflegekindern zur späteren Adoption eine einzige Behörde für zuständig zu erklären. Auf eine Unterscheidung zwischen interner und internationaler Adoption wird verzichtet, da die Vorbereitung einer Adoption in jedem Fall Erfahrung und grosse Fachkenntnisse erfordert. Der Vor-

101 102

M. Jametti Greiner (zit. FN 95), S. 56 f.

C. Hegnauer (zit. FN 34), S. 183.

5840

schlag ist in der Vernehmlassung von den Kantonen mehrheitlich begrüsst worden103.

232

Bundesrechtspflegegesetz

Die Anordnung einer Beistandschaft nach den Artikeln 308, 325, 369­372 und 392­395 ZGB ist nach Artikel 44 Buchstabe e des Bundesrechtspflegegesetzes letztinstanzlich mit Berufung ans Bundesgericht anfechtbar. Mit der vom Parlament am 26. Juni 1998 verabschiedeten und am 1. Januar 2000 in Kraft tretenden Änderung des Zivilgesetzbuches (AS 1999 1118) wird Artikel 44 OG revidiert und auch die Beistandschaft nach Artikel 309 ZGB miteinbezogen. Die Anordnung einer Adoptionsbeistandschaft nach Artikel 17 E BG-HAÜ greift in vergleichbarer Weise wie die übrigen Beistandsernennungen in die Rechtsstellung des Kindes und der Adoptiveltern ein. Deshalb soll auch dagegen letztinstanzlich die Berufung ans Bundesgericht geöffnet werden. Artikel 44 Buchstabe e des Bundesrechtspflegegesetzes bzw. Artikel 44 Buchstabe d in der Fassung vom 26. Juni 1998 ist entsprechend anzupassen.

233

Pflegekinderverordnung

Das Bundesgesetz zum Haager Adoptionsübereinkommen macht verschiedene Anpassungen der bundesrätlichen Pflegekinderverordnung erforderlich. Nachdem die Kindesschutzmassnahmen sowie die Strafbestimmungen im Entwurf zum Bundesgesetz so formuliert wurden, dass sie auch für den ausserstaatsvertraglichen Bereich Anwendung finden, sind die Anpassungen allerdings im Wesentlichen redaktioneller Natur.

3

Personelle und finanzielle Auswirkungen

31

Auf den Bund

Internationale Adoptionen waren bisher Sache der Kantone; Bundesbehörden waren damit nur am Rande befasst. Die Bezeichnung einer Bundesstelle als Zentrale Behörde hat Zusatzaufgaben zur Folge, die zu einer Mehrbelastung der damit befassten Amtsstelle führen werden. Legt man die Anzahl Adoptionen von Kindern aus Staaten zu Grunde, die das Übereinkommen bereits ratifiziert oder gezeichnet haben, so kommt man auf rund 300 Fälle pro Jahr. Für die Erfüllung dieser zusätzlichen Aufgaben sind 2,5 zusätzliche Stellen unerlässlich. Dies entspricht einem Mehraufwand von rund 310 000 Franken (einschliesslich Arbeitsplatzkosten).

Nach Artikel 15 E BG-HAÜ haben die Adoptiveltern allerdings für die von ihnen veranlassten Handlungen eine Gebühr zu entrichten. Legt man eine durchschnittliche Gebühr von 500 Franken zu Grunde, so ergeben sich Mehreinnahmen in der Grössenordnung von rund 150 000 Franken. Eine Überwälzung sämtlicher Kosten auf die Adoptiveltern hätte prohibitiv hohe Gebührenansätze zur Folge und ist auch deshalb ausgeschlossen, weil die Zentrale Behörde des Bundes in erheblichem Umfang Aufgaben allgemeiner Natur wahrnimmt (Erlass allgemeiner Weisungen, Erfah103

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 17 f.

5841

rungsaustausch und Koordination des Adoptionswesens, Kontakt zu ausländischen zentralen Behörden). Auch im Vernehmlassungsverfahren ist wiederholt unterstrichen worden, dass bei der Gebührenerhebung Zurückhaltung zu üben sei. Sonst bestehe die Gefahr, dass potenzielle Adoptiveltern in unerwünschter Weise auf Nichtvertragsstaaten ausweichen104.

Ferner wird vorgeschlagen, für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Dokumentationsstelle zum ausländischen Adoptionsrecht und -verfahren durch den Internationalen Sozialdienst (SSI) jährliche Beiträge von rund 30 000 Franken zu entrichten. Die Kenntnis des Adoptionsrechts der anderen Vertragsstaaten ist für einen korrekten und raschen Ablauf des Verfahrens unerlässlich, z.B. im Zusammenhang mit dem Matching-Entscheid (vgl. Art. 8 E BG-HAÜ) oder bei der Anerkennung ausländischer Adoptionen im Rahmen der Eintragung ins Zivilstandsregister. Den Kantonen sollen diese Informationen im Rahmen eines Kurzgutachtens rechtzeitig mitgeteilt werden. Allerdings ist die Informationslage heute teilweise prekär. Bestehende Sammlungen sind nicht immer auf dem aktuellen Stand und geben oft nur unzureichend Auskunft über das ausländische Verfahren; die Beschaffung dieser Informationen von der Schweiz aus ist äusserst aufwendig und oft erfolglos. Die Schaffung einer zentralen Informationsstelle durch eine weltweit tätige Organisation (mit Zweigstellen und Korrespondenten in 144 Ländern) erscheint daher als ideale und kostengünstige Lösung.

32

Auf die Kantone

Die Hauptlast der Fallbearbeitung wird auch in Zukunft bei den Kantonen anfallen.

In denjenigen Kantonen, die das Pflegekinderwesen bereits zentralisiert haben, sollte die Vorlage keine erheblichen Mehraufwendungen zur Folge haben. In den Kantonen mit bisher dezentralen Strukturen ist auf kantonaler Ebene eine Zentrale Behörde zu bezeichnen, bei der es sich allerdings regelmässig um eine bestehende Amtsstelle handeln wird, beispielsweise den Jugend- und Sozialdienst. Die finanziellen und personellen Konsequenzen lassen sich äusserst schwer abschätzen; naturgemäss hängen die Kosten vorab von der Anzahl der zu bearbeitenden Adoptionsfälle ab. Für die Beurteilung dieses Aufwandes ist zunächst daran zu erinnern, dass bereits nach geltendem Pflegekinderrecht die Sozialberichte von Sachverständigen in Sozialarbeit zu erstellen sind. Seriöse Abklärungen sind nur gewährleistet, wenn die zuständigen Stellen über angemessene personelle Ressourcen verfügen. Es sei auch nochmals erwähnt, dass die Kantone die Möglichkeit haben, Gebühren zu erheben und somit einen Teil der anfallenden Kosten auf die Adoptiveltern zu überwälzen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Zentralisierung eine spürbare Entlastung der Gemeinden oder Bezirke mit sich bringen wird.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1995­1999 vom 18. März 1996 angekündigt (vgl. BBl 1996 II 358).

104

Vernehmlassung (zit. FN 40), S. 15 f.

5842

5

Verfassungsmässigkeit

51

Haager Adoptionsübereinkommen

Der Bundesbeschluss betreffend die Ratifikation des HAÜ stützt sich auf Artikel 8 der Bundesverfassung (BV), der dem Bund die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen einräumt. Die Genehmigungsbefugnis der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 5 BV.

Staatsverträge unterliegen gemäss Artikel 89 Absatz 3 BV dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Bst. a), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Bst. b) oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen (Bst. c). Das Haager Adoptionsübereinkommen ist kündbar (Art. 47 HAÜ), und es sieht auch nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Seine Ratifikation wird jedoch zu einer multilateralen Rechtsvereinheitlichung führen. Eine solche ist nach konstanter Praxis des Bundesrats anzunehmen, wenn ein Staatsvertrag Einheitsrecht enthält, das im Wesentlichen direkt anwendbar ist und ein bestimmtes, genau umschriebenes Rechtsgebiet genügend umfassend regelt. Das Übereinkommen muss jenen Mindestumfang aufweisen, der auch nach landesrechtlichen Massstäben die Schaffung eines separaten Gesetzes als sinnvoll erscheinen liesse (BBl 1992 III 324). Das Parlament hat die Praxis des Bundesrats dahingehend präzisiert, dass in Einzelfällen wegen der Bedeutung und der Art der Bestimmungen oder der Schaffung internationaler Kontrollorgane eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung auch dann vorliegen kann, wenn die in Frage stehenden internationalen Normen nicht zahlreich sind (BBl 1988 II 912). Das Haager Adoptionsübereinkommen vereinheitlicht zwar weder das materielle Adoptionsrecht noch das Adoptionskollisionsrecht. Es regelt jedoch umfassend das Verfahren, das im Hinblick auf eine internationale Adoption einzuhalten ist. Es bringt darüber hinaus umfassende Verpflichtungen zur Anerkennung ausländischer Adoptionen. Es liegt daher ein Fall multilateraler Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c BV vor105. Der Bundesbeschluss unterliegt deshalb dem fakultativen Referendum.

52

Bundesgesetz zum Haager Adoptionsübereinkommen

Die Zuständigkeit des Bundes für die Ausführungsgesetzgebung ergibt sich direkt aus seiner Kompetenz zum Abschluss internationaler Verträge (Art. 8 i. V. m.

Art. 85 Ziff. 5 BV) sowie aus Artikel 64 BV für die zivilrechtlichen und 64bis BV für die strafrechtlichen materiellen Bestimmungen. Die Wahrung der Organisationsautonomie der Kantone ist mit Artikel 316 ZGB gewährleistet. Die materielle Verfassungsmässigkeit ist grundsätzlich unbedenklich, da die zu schaffende Behördenorganisation der Verbesserung des Schutzes der betroffenen verfassungsmässigen Rechte (Aspekte der persönlichen Freiheit) und der in völkerrechtlichen Verträgen ­ Europäische Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) und UNKR ­ verbürgten Grundrechte dient.

105

Vgl. für das Haager Kindesentführungs-Übereinkommen bzw. das Europäische Sorgerechts-Übereinkommen BBl 1983 I 125.

5843

6

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Ratifikation des Haager Adoptionsübereinkommens wie auch das Bundesgesetz zum Haager Adoptionsübereinkommen sind mit dem europäischen Recht vereinbar.

Die Europäische Union ist auf dem Gebiet des Adoptionsrechts bisher nicht tätig geworden. Im Rahmen des Europarats ist das Europäische Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern (SR 0.211.221.310) geschaffen worden, welches die Schweiz am 29. Dezember 1972 ratifiziert und mit der Kindes- und Adoptionsrechtsnovelle von 1976106 umgesetzt hat. Dieses Übereinkommen betrifft alleine die Vereinheitlichung des materiellen Adoptionsrechts; Überschneidungen mit dem Haager Adoptionsübereinkommen bestehen keine.

10369

106

BG vom 25. Juni 1976, in Kraft seit 1. Jan. 1978, AS 1977 237.

5844