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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend eine provisorische Handels-Convention zwischen der Schweiz und Serbien.

(Vom 21. Juni 1880.)

Tit.

Nachdem Serbien durch den zwischen Deutschland, Oesterreich, Frankreich, England, Italien, Rußland und der Türkei am 13. Juli 1878 in Berlin abgeschlossenen Vertrag als unabhängiger Staat erklärt worden ist, hat die serbische Landesregierung die Geneigtheit ausgesprochen, mit andern Staaten Handelsverträge abzuschließen. Dies veranlaßte uns sofort, die Frage näher zu prüfen, ob auch die Schweiz vom Anerbieten Serbiens Gebrauch machen solle. Die Verhältnisse, welche hier in Betracht fallen, sind folgende: Serbien zählt circa 1,860,000 Einwohner. Sein Export besteht ausschließlich in Erzeugnissen der Landwirtschaft und Viehzucht.

Was den Import betrifft, so stehen der österreichische mit circa 10 Millionen Gulden und der deutsche mit circa 6,400,000 Mark obenan.

Aus diesen Staaten werden hauptsächlich folgende Artikel in Serbien importirt: Webewaaren, Seidenwaaren, Bürstenbinderwaaren, Gummiwaaren, Porzellan, Modewaaren, Leder- und Kürsehnerwaaren, Cigarren, Papier, Kurzwaaren aller Art, feine und grobe Herren-und Damenkleider, Nürnbergerwaaren, Eisenwaaren aller Art, Möbelstoffe in Baumwolle und Halbwolle, Sammet in Seide, Halb-

361 wolle und Baumwolle, Teppiche, Seiden- und Sammetbänder, Strohhüte, Droguen.

Der englische Import steht hinsichtlich des Werthbeträges dem deutschen ungefähr gleich und dehnt sich auf folgende Artikel aus : Garne, roh und gebleicht, Zwirne, rohe Webstoffe, alle Sorten Calicots, Shirtings, Servietten, Kleiderstoffe, Lustres, Lastiugs, Satins, Velvets, Barchent.

Der französische Import beträgt circa Fr. 400,000 und besteht hauptsächlich in Galanterie- und Luxus-Artikeln, Kurzwaaren aller Art, Nouveautés in Herren- und Damenkleiderstoffen, Parfümerien u. s. w.

Was den Import Serbiens aus der Schweiz betrifft, so kommen hauptsächlich folgende Waaren in Betracht : G l a r n e r A r t i k e l , sog. Türken-Kappen, Mouchoirs, alle türkisch-roth gefärbten Artikel; T o g g e n b u r g er A r t i k e l , sog. demi-cotons, printanières, gewebte mouchoirs etc.; St. G a l l e r W e i ß w a a r e n , sowohl glatte als brodirte, vorzüglich wohlfeile Waaren, seltener feinere Stikereien; Ferner S e i d e , halbseidene Atlas und Atlasbänder. Außerdem werden noch Schweiz. Uhren und Käse in Serbien importili; lezterer nur als Luxuskäse.

Bisher wurden diese Artikel theils direkt, theils über Leipzig (Gewebe), wo die serbischen Käufer an den Messen sich damit versehen, eingeführt. In jüngster Zeit waren einige Schweizerhäuser sehr rührig, um neue Verbindungen in Serbien anzuknüpfen und das Absazgebiet zu erweitern.

Ueber den Werth des schweizerischen Importes in Serbien besizen wir nähere Angaben nicht. Laut den von der schweizerischen Gesandlschaft in Wien uns gemachten Mittheilungen haben England, Italien und Rußland sofort von der Offerte Serbiens Gebrauch gemacht und mit der Landesregierung Erklärungen ausgewechselt, mit welchen gegenseitig hinsichtlich der Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrzölle, sowie in Bezug auf die Mäkler-und Lagergebühren, die örtlichen Abgaben und Zollformalitäten die Gleichstellung mit der meistbegünstigten Nation zugesichert wird. Vom schweizerischen Handel und der Industrie ist uns der Wunsch ausgesprochen worden, die Schweiz möchte ebenfalls eine solche Erklärung auswechseln. Der schweizerischen Gesandtschaft in Wien ertheilten wir nach näherer Prüfung der volkswirtschaftlichen Ver-

362 kehre- und Rechtsverhältnisse Serbiens den Auftrag und Vollmacht, mit dem serbischen Geschäftsträger daselbst über ein ähnliches Provisorium, wie dasjenige, welches zwischen Serbien und den andern genannten Staaten abgeschlossen worden ist, zu negoziren.

Das Resultat der Unterhandlungen ist die provisorische Handelsübereinkunft vom 26. Juli/7. August vorigen Jahres (siehe eidg.

Gesezsammlung n. F., Bd. IV, S. 448).

Indem dieses Provisorium nur bis l /13. Mai 1880 in Kraft bleibt, mußte baldigst auf eine Verlängerung desselben Bedacht genommen werden, und es wurden deßhalb bereits unterm 20. Februar und 21. April laufenden Jahres der schweizerischen Gesandtschaft in Wien die hiefür nöthigen Aufträge ertheilt. Theils wegen Abwesenheit des serbischen Geschäftsträgers von Wien, theils weil die serbische Regierung stark mit den innern Angelegenheiten beschäftigt war, verzögerte sich die Angelegenheit bis nach Ablauf des Provisoriums. Es hatte dies indessen keine Inkonvenienzen zur Folge, da die serbische Regierung mit der Polongation grundsäzlich einverstanden war. Am 29. Mai /10. Juni laufenden Jahres wurde zwischen der schweizerischen Gesandtschaft in Wien und dem außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister von Serbien eine Deklaration unterzeichnet und ausgewechselt, nach welcher die Erzeugnisse schweizerischen Ursprungs oder schweizerischer Provenienz, welche nach Serbien eingeführt werden, und die Erzeugnisse serbischen Ursprungs oder serbischer Provenienz, welche nach der Schweiz eingeführt werden, hinsichtlich der Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrzölle, sowie in Betreff der Wiederausfuhr, der Mäkler- und Lagergebühr, der örtlichen Abgaben und der Zollformalitäten der nämlichen Behandlung unterliegen, wie die Erzeugnisse der meistbegünstigten Nation. Es ist sodann in der Deklaration festgesezt, daß dieselbe vom Tage der Unterzeichnung an für die Dauer eines Jahres in Kraft bleiben soll. Im Falle jedoch, daß sechs Monate vor Ablauf dieser Frist keine der beiden Regierungen ihre Absicht kund gegeben haben wird, die Wirkungen derselben aufhören zu lassen, bleibt sie für ein ferneres Jahr in Kraft, und so weiter von Jahr zu Jahr bis zum Abschluß eines definitiven Handelsvertrages, oder bis eine der beiden Regierungen dieselbe gekündet haben wird.

Die Deklaration enthält im Weitern
die Bestimmung, daß die beiden Regierungen sich verpflichten , derselben erforderlichen Falls durch die gesezgebenden Behörden des Landes die Genehmigung ertheilen zu lassen. Indem diese Deklaration möglicherweise für die Rechtsverhältnisse im Handelsverkehr mit Serbien längere Zeit maßgebend sein dürfte und in dieselbe die Bestimmung aufgenommen ist, daß

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sie jeweilen wieder ein Jahr in Kraft bleibe, wenn sie nicht sechs Monate vorher gekündet wird, so glauben wir die Deklaration Ihnen zur Genehmigung unterbreiten zu sollen.

Es bleibt uns noch übrig, die Verhältnisse auseinanderzusezen, welche zu Gunsten dieser Uebereinkunft sprechen und uns veranlaßen, Ihnen die Genehmigung derselben zu empfehlen.

1) Es ist vorab rich.tig, daß Serbien für den Absaz von schweizerischen Industrieerzeugnissen nur geringe Aussichten bietet, und zwar sowohl mit Rüksicht auf die Bevölkerung des Landes, als auch mit Rüksicht auf die bereits bestehende Konkurrenz. Bei der gegenwärtigen zollpolitischen Konstellation unserer Nachbarstaaten erscheint es aber als geboten, dahin zu streben, daß der bisherige Absaz in Serbien erhalten und wo immer möglich vermehrt werde.

2) England hat bereits einen definitiven Handelsvertrag mit Serbien abgeschlossen. In demselben ist festgesezt, daß für die Einfuhr von folgenden englischen Waaren nach Serbien ein Werthzoll von 8 °/o zu entrichten sei: Metalle, Metallmanufakturen, Werkzeuge, Maschinen und Maschinenbestandtheile, Garne, sowie Gewebe aller Art, Töpferwaaren, Porzellan und raffinirtes Mineralöl. Alle andern Waareri englischer Provenienz unterliegen bei der Einfuhr in Serbien .nach der Wahl des Importeurs entweder den speziellen Zöllen des bestehenden allgemeinen Tarifs, oder einem Zolle von 10 °/o ad valorem. Die Abgabe ad valorem ist vom Werthe des eingeführten Artikels am Produktions- und Fabrikationsorte zu bemessen, indem mau diesem Werthe die Frachtspesen, Assekuranzspesen und Kommissionsauslagen zuschlägt.

Durch die Annahme der vorliegenden Uebereinkunft tritt die Schweiz in den Mitgenuß der Rechte, welche Serbien England gegenüber durch den berührten Vertrag eingeräumt hat.

3) Die Vertreter der schweizerischen Industrie und des Handels wünschen einmüthig, daß die Verkehrsverhältnisse mit Serbien durch eine Convention, wie die vorliegende, oder durch einen definitiven Vertrag geregelt werden.

4) Die Aktionsfreiheit der Schweiz in Zollsachen wird durch die Uebereinkunft in keiner Weise eingeschränkt.

5) Es sind uns überhaupt keine Nachtheile bekannt und keine solche geltend gemacht worden, welche mit der Annahme der Convention verbunden sein möchten.

Wir fügen schließlich bei, daß die nähern Untersuchungen hinsichtlich eines definitiven Vertrages, Zeitpunkt und Inhalt desselben im Gange sind.

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Wir legen einen unserm Antrage entsprechenden Entwurf zum Bundesbeschlasse bei, und benuzen gleichzeitig den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 21. Juni 1880.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsident: Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

Deklaration.

Da die Regierung der schweizerischen Eidgenossenschaft und die Regierung Seiner Hoheit des Fürsten von Serbien das provisorische Uebereinkommen, welches die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern während der für die Unterhandlung und den Abschluß eines Handelsvertrages erforderlichen Zeitpeviode regeln soll, zu verlängern wünschen, so haben die Unterzeichneten, zu diesem Zweke gehörig bevollmächtigt, sich über folgende Bestimmungen geeinigt : Die Erzeugnisse schweizerischen Ursprungs oder schweizerischer Provenienz, welche nach Serbien eingeführt werden, und die Erzeugnisse serbischen Ursprungs oder serbischer Provenienz, welche nach der Schweiz eingeführt werden, sollen hinsichtlich der Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrzölle, sowie in Betreff der Wiederausfuhr, der Mäkler- und Lagergebühr, der örtlichen Abgaben und Zollformalitäten der nämlichen Behandlung unterliegen, wie die Erzeugnisse der meistbegünstigten Nation.

365 Das gegenwärtige Uebereinkommen ist für die Dauer eines Jahres, von heute an gerechnet, abgeschlossen. Im Falle jedoch, daß sechs Monate vor Ablauf dieser Frist keine der beiden Regierungen ihre Absicht kund gegeben haben wird, dessen Wirkungen aufhören zu lassen, bleibt es für ein ferneres Jahr noch in Kraft, und so weiter von Jahr zu Jahr bis zum Abschluß eines definitiven Handelsvertrages, oder bis eine der beiden Regierungen dasselbe gekündet haben wird.

Die beiden Regierungen verpflichten sich, die gegenwärtige Deklaration erforderlichen Falls durch die gesezgebende Behörde ihres Landes genehmigen zu lassen.

Zur Urkunde dessen haben die Unterzeichneten die gegenwärtige Deklaration ausgefertigt und mit ihrem Siegel versehen.

W i e n , den 29. Mai/10. Juni 1880.

Der außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister der Schweiz. Eidgenossenschaft :

Der außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister seiner Hoheit des Fürsten von Serbien:

(Gez.) v. Tschudi.

(Gez.) Ph. Christstch.

366 (Entwurf)

Bundeslbeschluss betreffend

eine provisorische Handels-Convention zwischen der Schweiz und Serbien.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 21. Juni 1880, beschließt: Art. 1. Der zwischen der Schweiz und Serbien am 29. Mai / 10. Juni 1880 abgeschlossenen provisorischen: Handelsübereinkunft wird hiemit die Genehmigung ertheilt.

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend eine provisorische Handels-Convention zwischen der Schweiz und Serbien. (Vom 21. Juni 1880.)

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26.06.1880

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