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Bundesrathsbeschluss in

Sachen der reformirten Einwohner von Ueberstorf (Freiburg), betreffend die Begräbnissordnun in dieser Gemeinde.

(Vorn 18. Juli 1879.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath hat in Sachen der r e f o r m i r t e n Ein w o h n e r von Ueberstorf, Kantons Freiburg, betreffend die Begräbnißordnung in dieser Gemeinde; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Am 25. Januar 1875 erließ der Staatsrath des Kantons Freiburg eine Verordnung über die Freidhofpolizei, mit dem ausgesprochenen Zweke, die freiburgische Gesezgebung mit dem Art. 53, Absaz 2 der Bundesverfassung in Einklang zu bringen.

In Anwendung dieser Verordnung beschloß die Gemeindeversammlung von Ueberstorf am 25. März 1877 den Ankauf eines Grundstükes, genannt ,,in der Würri", um darauf einen öffentlichen Friedhof anzulegen. Dieser Beschluß wurde am 9. Mai des gleichen Jahres von dem Staatsrathe genehmigt. Später, nämlich am 19. Januar 1878, trat die Gemeinde, gestüzt auf Artikel 9 der gleichen Verordnung, den alten Kirchhof au die römisch-katholische

136 Korporation von Ueberstorf zu einem Privatfriedhofe ab. Diese Abtretung erhielt am 25. Februar 1878 ebenfalls die Genehmigung des Staatsrathes.

II. Die reformirten Einwohner der Gemeinde Ueberstorf beschwerten sich jedoch gegen den Gemeindebeschluß vom 25. März 1877 zunächst bei dem Staatsrathe, und nachdem sie von diesem mit Entscheid vom 17. Juli 1877 abgewiesen worden waren, noch bei dem Großen Rathe von Freiburg, welcher sie aber unterm 21. Mai 1878 ebenfalls abwies.

IH. In Folge dessen wandten sie sich im Juli 1878 gleichzeitig sowohl an den Bundesrath als auch aa das Bundesgericht, mit dem Gesuche, daß der Beschluß der Gemeindeversammlung vom 25. März 1875, sowie die erwähnten Entscheide des Staatsrathes und des Großen Rathes, als im Widerspruche stehend mit Art. 53 der Bundesverfassung, aufgehoben werden möchten; ebenso möchte auch die Verordnung des Staatsrathes vom 25. Januar 1875 aufgehoben werden, weil auch sie, sei es mit dem erwähnten Art. 53, sei es mit der Kantonsverfassung von Freiburg im Wider-spruche stehe.

IV. Durch Entscheid vom 16. November 1878 erklärte jedoch das Bundesgericht den Rekurs, soweit er sich auf eine Verlezung der Kantonsverfassung stüzte, als unbegründet; dagegen verwies es die andere Frage, ob eine Verlezung von Art. 53 der Bundesverfassung vorliege, ^an den Bundesrath. (Amtliche Sammlung der Entscheidungen dieses Gerichtshofes, Bd. IV, S. 572.)

V. Die Rekurrenten machten zur Unterstüzung ihrer Anträge geltend : Auf den ersten Anblik scheine es allerdings, als ob in der Verordnung vom 25. Januar 1875 der Art. 53 der Bundesverfassung ehrlich angewendet werde, indem Art. 2 derselben vorschreibe: ,,Die gegenwärtig bestehenden Friedhöfe der Pfarreien werden zu ,,öffentlichen Friedhöfen und sind ausschließlich der Bef'ugniß der ,,Gemeinde, resp. der eine Pfarrei bildenden Gemeinden unterstellt."1 Allein die weitere Bestimmung im Art. 10, daß ,,in jeder Gemeinde des Kantons von dem Staatsrathe an Gesellschaften, Korporationen etc.

Privatfriedhöfe konzedirt werden können a , hebe die Wirkung des Art. 2 wieder vollständig auf. In der That werden nun statt eines einzigen für Alle bestimmten Friedhofes in allen Gemeinden oder Pfarreien, wie zu Ueberstorf, zwei Friedhöfe bestehen : ein öffentlicher für die Häretiker, die Freidenker, die Selbstmörder etc., und

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ein Privatkirchhof für die rechtschaffenen Leute, diejenigen, welche im wahren Glauben gestorben sind. Ein solcher Zustand stehe aber im Widerspruche mit dem Art. 53 der Bundesverfassung, sowie mit den Grundsäzen, welche der Bundesrath in seinem Berichte an die Bundesversammlung, betreffend das Begräbnißwesen in den Kantonen, vom 18. Mai 1875, aufgestellt habe. Dieses sei im Spezialfalle um so augenscheinlicher, als der für den neuen Friedhof von Ueberstorf bestimmte Platz ,,in der Würri" früher als Grube für die abgestandenen Thiere benuzt worden sei.

Der Art. 53 der Bundesverfassung erscheine ferner noch in einer andern Beziehung verlezt. Durch denselben sei offenbar die Säkularisation der Friedhöfe bezwekt worden. Da aber Art. 11 der Verordnung vom 25. Januar 1875 bestimme, daß die Konzessionsinhaber über die Aufnahme in den Privatfriedhöfen zu verfügen haben, so werde der Konzessionär und demzufolge, wie dies in Ueberstorf der Fall sei, der Pfarrer einer Gemeinde, also die Geistlichkeit, an die Stelle der bürgerlichen Behörde gesezt.

VI. In seiner Antwort vom 24. Januar 1879 bestritt der Staatsrath des Kantons Freiburg, daß die Verordnung vom 25. Januar 1875 dadurch, daß sie die Errichtung von Privatfriedhöfen vorsehe, den Art. 53 der Bundesverfassung verleze. In dem Artikel 53 selbst, sowie auch im Berichte des Bundesrathes an die Bundesversammlung vom 18. Mai 1875, betreffend das Beerdigungswesen in den Kantonen, sei nichts enthalten, was der Errichtung von Privatfriedhöfen entgegenstünde. Der Art. 53 verlange bloß, daß die Begräbnißpläze ausschließlich unter der Verfügung der bürgerlichen Behörde stehen, und daß alle Verstorbenen schiklich beerdigt werden. Die Verordnung vom 25. Januar 1875 genüge aber vollkommen diesen Vorschriften, und es werde denselben in Ueberstorf, wie in allen andern Gemeinden des Kantons, durchaus nachgelebt.

Es sei nicht richtig, daß man von jezt an in jeder Gemeinde zwei Fried höfe haben werde, einen öffentlichen für die Häretiker etc.

und einen privaten für die rechtschaffenen Leute. Im Gegentheil werden in den Hauptgemeinden, in Freiburg, Bulle, Romont etc., die öffentlichen Friedhöfe von der großen Mehrzahl der Bevölkerung benuzt, während die Privatfriedhöfe da, wo solche bestehen, Korporationen mit nur sehr beschränkter Mitgliederzahl angehören, wie z. B. in Freiburg den Reformirten.

Die Behauptung, daß der Plaz für den neuen Friedhof von Ueberstorf früher als Grube für die abgestandenen Thiere verwendet

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worden, sei -- wie es sich aus den vorgelegten Akten ergebe -- eine gehässige Erfindung.

Uebrigens sei die angefochtene Verordnung seinerzeit dem Bundesrathe vorgelegt worden, und lezterer habe in seinem Berichte vom 18. Mai 1875 konstatirt, daß sie den Bedingungen vom Art. 53 der Bundesverfassung entspreche. Dieser Ansicht sei auch die Bundesversammlung beigetreten.

Die Verordnung selbst könne sonach nicht mehr angefochten werden. Eine Reklamation wäre im einzelnen Falle nur zuläßig, wenn dem Wortlaute der Verordnung oder demjenigen des Art. 53 der Bundesverfassung zuwidergehandelt würde.

Gegen die Vorschrift, daß die Konzessionsinhaber über die Aufnahme in die Privatfriedhöfe zu verfügen haben, könne ebenfalls nichts eingewendet werden. Ein Privatfriedhof lasse sich anders gar nicht denken ; auch sei keine Rede davon, daß hiedurch die Geistlichkeit an die Stelle der bürgerlichen Behörde gestellt werde.

Was sodann das Gesuch um Aufhebung des Beschlusses der Gemeindeversammlung von Ueberstorf und um Aufhebung der spätem Entscheide des Staatsrathes und des Großen Rathes betreffe, so sei es schwer einzusehen, wie man zu diesem Zweke auf die Bundesverfassung sich berufen könne. Der Gemeindebeschluß beziehe sich nur auf den Ankauf des nöthigen Plazes für den neuen Friedhof, und durch die spätem Entscheide der freiburgischen Behörden sei bloß anerkannt worden, daß der Beschluß der Gemeindeversammlung in gesezlicher Form gefaßt worden sei. Hierin könne keine Verlezung vom Art. 53 der Bundesverfassung liegen.

Der Staatsrath trug daher darauf an, daß die Rekursbegehren abgewiesen werden möchten.

Gestüzt a u f f o l g e n d e rechtliche G e s i c h t s p u n k t e : * 1) Der Art. 53 der Bundesverfassung stellt die Begi-äbnißpläze unter die Verfügung der bürgerlichen Behörden, welche dafür zu sorgen haben, daß jeder Verstorbene schiklich beerdigt werde.

2) Aus diesem Saze kann die Forderung nicht abgeleitet werden, daß alle in einer Gemeinde Verstorbenen auf dem g l e i c h e n Begräbnißplaze beerdigt werden müssen, und daß die Anlage von Privatfriedhöfen unstatthaft sei. (Vergleiche die Botschaft des Bundesrathes vom 24. Mai 1875 im Bundesblatt 1875, Bd. III, S. 40

139 3) Die Grundsäze des Bundesrechtes werden somit dadurch nicht verlezt, daß in der Gemeinde Ueberstorf ein neuer öffentlicher Begräbnißplaz angelegt und der alte Pfarreikirchhof gegen Entgelt an die katholische Kirchgenossenschaft zum Zweke der Anlage eines Privat-, resp. Korporationsfriedhofes abgetreten wird. Im Weitem ergibt es sich aus dem amtlichen Berichte der Kegierung, daß dem neuen Begräbnißplaz in der sogenannten ,,Würri" keineswegs, wie die Rekurrenten behaupten, die Qualität der Schiklichkeit abgesprochen werden kann.

4) Dagegen stellt der Art. 53 der Bundesverfassung die Begräbnißpläze im A l l g e m e i n e n unter das Verfügungsrecht der bürgerlichen Behörden, ohne irgendwelche Ausnahmen zu bezeichnen.

Daraus muß gefolgert werden, daß die bürgerlichen Behörden unter allen Umständen befugt seien, vom polizeilichen und sanitarischen Standpunkte aus, oder hinsichtlich der Art und Weise der Leichenbestattung, oder gegen unzuläßige und Aergerniß erregende Ausschließungen oder Ausscheidungen a u c h bei P r i v a t - und K or p o rat i on s-Friedhöfen einzuschreiten. Dieser Vorbehalt ist um so notwendiger, wenn, wie im vorliegenden Falle, der Gebrauch der Privatanlage verallgemeinert und der großen Mehrheit der Gemeindeeinwohner zugänglich gemacht werden soll.

5) Mit den eben entwikelten Grundsäzen steht nun der Art. 11 der freiburgischen Verordnung vom 25. Januar 1875, betreffend Friedhofpolizei, wonach die Aufnahme und die Erlaubniß zu den Beerdigungen in Privat- und Korporationsfriedhöfen den Konzessionsinhabern zustehen und im Falle einer Verweigerung die Beerdigung auf den öffentlichen Friedhof verwiesen würde, nicht in Uebereinstimmung; derselbe kann somit bundesrechtlich nicht gutgeheißen werden; vielmehr bleibt für den Spezi al f a i I die Berufung an die bürgerlichen Behörden vorbehalten.

6) Gestüzt auf das hievor in Erwägung 4 und 5 Gesagte hat der Bundesrath in dem gleichartigen Rekurse der reformirten Schulgemeinde Fendringen, betreffend den Friedhof in Bösingen (Freiburg), mit Beschluß vom 18. Juli 1879 den Art. 11 der erwähnten freiburgischen Verordnung über die Friedhofpolizei aufgehoben ; beschlossen: 1. Die Beschwerde der reformirten Einwohner von Ueberstorf gegen die freiburgische Verordnung vom 25. Januar 1875, betreffend die Friedhofpolizei, ist als durch den Beschluß des Bundesrathes vom 18. Juli 1879 im Rekurse Fendringen erledigt zu betrachten.

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Im Uebrigen wird der Rekurs der reformirten Einwohner von Ueberstorf als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist dem Staatsrathe des Kantons Freiburg, sowie den Rekurreuten, unter Rükschluß der Akten mitzutheilen.

B e r n , den 18. Juli 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen der reformirten Einwohner von Ueberstorf (Freiburg), betreffend die Begräbnissordnung in dieser Gemeinde. (Vom 18. Juli 1879.)

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